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Aus der Orthopädischen Klinik des St. Josef-Hospitals -Universitätsklinik- der Ruhr-Universität Bochum ehemaliger Direktor: Prof. Dr. med. Jürgen Krämer Stellenwert einer individuell angepassten Stufenlagerung mit und ohne Vibration gegenüber der Standardstufenlagerung beim Lumbalsyndrom Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin einer Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt von Mirjam Morgen aus Hamm 2008

Aus der Orthopädischen Klinik des St. Josef-Hospitals ... · PDF fileDekan: Prof. Dr. med. G. Muhr Referent: Prof. Dr. med. J. Krämer Koreferentin: Prof. Dr. med. K. Schmieder Tag

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Aus der Orthopädischen Klinik des St. Josef-Hospitals

-Universitätsklinik- der Ruhr-Universität Bochum

ehemaliger Direktor: Prof. Dr. med. Jürgen Krämer

Stellenwert einer individuell angepassten Stufenlagerung

mit und ohne Vibration

gegenüber der Standardstufenlagerung beim Lumbalsyndrom

Inaugural-Dissertation zur

Erlangung des Doktorgrades der Medizin einer

Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum

vorgelegt von Mirjam Morgen

aus Hamm 2008

Dekan: Prof. Dr. med. G. Muhr Referent: Prof. Dr. med. J. Krämer Koreferentin: Prof. Dr. med. K. Schmieder Tag der mündlichen Prüfung: 29.10.2009

Abstract

Morgen

Mirjam

Stellenwert einer individuell angepassten Stufenlagerung mit und ohne Vibration gegenüber der

Standardstufenlagerung

Problem: Das Lumbalsyndrom zeigt ein hohes soziales, volkswirtschaftliches Problem in unserer

Gesellschaft. Zur Behandlung des Lumbalsyndroms gibt es viele neue Therapieansätze. Die

Stufenlagerung als konservative Therapie wird in der Literatur als unabkömmlich gesehen. In

der Kombination mit Ganzkörpervibration liegen bisher jedoch kaum Studien vor. Daher wird

in der vorliegenden Arbeit der Effekt der Ganzkörpervibration und der individuell angepassten

Stufenlagerung diskutiert.

Methode: In einer prospektiv randomisierten, einfach blinden Studie wurden 102 stationäre Patienten

der orthopädischen Klinik des St. Josef-Hospitals mit akutem Lumbalsyndrom behandelt. Der

Behandlungszeitraum dauerte von April 2003 bis Oktober 2003 und betrug durchschnittlich

sechs bis zwölf Behandlungstage. Die Patienten wurden in drei Gruppen eingeteilt, wobei

eine Kontrollgruppe (Gruppe I) den übrigen zwei Gruppen (Gruppe II und Gruppe III)

gegenüber gestellt wurde. Alle Patienten wurden mit der minimal-invasiven Therapie der

orthopädischen Klinik behandelt, die sich vor allem auf das Spritzen-Würfel-Konzept stützt.

Zwei Drittel der Patienten erhielten zusätzlich die individuell angepasste Stufenlagerung auf

einer Spezialliege. Gruppe II ohne Vibration, Gruppe III mit Vibration (zehn Hertz). Die

Ergebnisse wurden aus standardisierten Fragebögen und Schmerzskalen

zusammengetragen und ausgewertet (Oswestry Score, Schmerzintensität in Rücken und

Beinen, Körperlänge vor und nach Behandlung auf der Spezialliege, Fragebogen zur Liege).

Aus ethischen Gründen wurde auf eine Kontrollgruppe ohne Stufenlagerung verzichtet, da

sie in der konservativen Therapie anerkannt ist.

Ergebnisse: Alle drei Gruppen gaben jeweils eine Besserung der Beschwerden an. Die individuell

angepasste Stufenlagerung mit und ohne Vibration erzeugte einen subjektiven positiven

Effekt, jedoch im Vergleich keine signifikante Besserung. Die erfolgte Studie zur

Standardstufenlagerung und der individuell angepassten Stufenlagerung mit und ohne

Vibration zeigte, dass sich die minimal-invasive Therapie mit dem Spritzen-Würfel-Konzept

bewährt hat.

Diskussion: Der subjektive Effekt durch die Behandlung auf der Spezialliege bewirkte, dass die Mehrzahl

der Patienten eine Wiederholung wünschte. Kleine Patienten hatten jedoch häufig Probleme

bei der Einnahme der richtigen Position. Hier ist die Standardstufenlagerung besser geeignet,

da sich die Kantenlängen der Würfel (drei zur Auswahl) allen Menschen anpassen. Für die

Heimbehandlung empfiehlt sich daher die günstigere Variante mit dem Standardwürfel.

Da die Vibration auf einer niedrigen Frequenz eingestellt war, kann keine Aussage über

Vibrationstherapien im Allgemeinen getroffen werden. Die Vibration, als Beispiel einer

maschinellen Behandlung, hatte jedoch bei der Studie keinen zusätzlichen Effekt auf die

Gesundung. Vielleicht wäre durch eine Erhöhung der Frequenz eine signifikante Besserung

der Symptome eingetreten. Zusätze mit Wärme und Traktion sowie eine Verlängerung der

Vibrationsdauer sind möglich. Weitere Studien sind wünschenswert.

1

Inhaltsverzeichnis

1. Grundlagen ………………………………………………………….. 8

1.1 Einleitung ……………………………………………………………… 8

1.2 Theoretische Grundlagen ………………………………………….. 9

1.2.1 Das Lumbalsyndrom……………………………………………… 9

1.2.2 Anatomie und Pathophysiologie………………………………… 9

1.2.3 Spezielle Anatomie und Pathophysiologie der LWS………….. 11

1.2.4 Biomechanik der LWS……………………………………………. 13

1.3 Klinik der Lumbalsyndrome ……………………………………….. 16

1.4 Untersuchung ………………………………………………………… 20

1.5 Therapie der Lumbalsyndrome …………………………………… 23

1.5.1 Konservative Therapie……………………………………………. 24

1.5.1.1 Stufenlagerung mit und ohne Vibration……………... 25

1.5.1.2 Wärme………………………………………………….. 28

1.5.1.3 Medikamente…………………………………………... 28

1.5.1.4 Akupunktur……………………………………………… 29

1.5.1.5 Massage………………………………………………… 30

1.5.1.6 Elektrotherapie…………………………………………. 30

1.5.1.7 Manuelle Therapie…………………………………….. 31

1.5.1.8 Extension (Traktion)…………………………………… 32

1.5.1.9 Krankengymnastik……………………………………... 33

1.5.1.10 Psychotherapie………………………………………… 34

1.5.1.11 Lokale Injektion………………………………………… 35

1.5.1.12 Chemonukleolyse……………………………………… 37

1.5.2 Operative Therapie………………………………………………… 37

1.6 Zielsetzung der Arbeit mit Fragestellung ………………………… 38

2

2. Material und Methoden …………………………………………. 39

2.1 Versuchsdesign ……………………………………………………… 39

2.2 Stichproben …………………………………………………………… 39

2.3 Messinstrumente …………………………………………………….. 42

2.3.1 Visuelle Analogskala……………………………………………… 42

2.3.2 Oswestry Score……………………………………………………. 42

2.3.3 Messbogen Liege…………………………………………………. 43

2.3.4 Schmerzskala für Beine und Rücken…………………………… 43

2.3.5 Fragebogen Liege………………………………………………… 44

2.4 Apparaturen …………………………………………………………… 45

2.4.1 Spezialliege………………………………………………………… 45

2.4.2 Würfel………………………………………………………………. 46

2.5 Behandlungsmethoden …………………………………………….. 47

2.5.1 Minimal-invasive Therapie der orthopädischen Klinik………… 47

2.5.2 Standardstufenlagerung………………………………………….. 48

2.5.3 Vibrationsliege mit individuell angepasster Stufenlagerung….. 48

2.5.3.1 ohne Vibration…………………………………………… 49

2.5.3.2 mit Vibration……………………………………………… 49

3. Ergebnisse …………………………………………………………… 50

3.1 Alters- und Geschlechtsverteilung ………………………………... 51

3.2 Lokalisation …………………………………………………………… 53

3.3 Schmerzen in Rücken und unterer Extremität …………………. 54

bei Aufnahme und Entlassung

3.4 Oswestry Score vor und nach der Behandlung ………………… 58

3

3.5 Messergebnisse bei der Liege …………………………………….. 60

3.5.1 Körperlänge………………………………………………………... 60

3.5.2 Visuelle Analogskala……………………………………………… 62

3.6 Fragebogen Liege …….……...……………………………………… 64

4. Diskussion …………………………………………………………… 69

5. Zusammenfassung ……………………………………………….. 73

6. Literaturverzeichnis ……………………………………………… 74

7. Anhang ………………………………………………………………… 78

7.1 Schmerzskala für Beine und Rücken …………………………….. 78

7.2 Oswestry Score ………………………………………………………. 79

7.3 Messbogen Liege ……………………………………………………. 82

7.4 Fragebogen Liege ........................................................................ 83

7.5 Visuelle Analogskala ………………………………………………… 84

7.6 Therapieplan MIT …………………………………………………….. 85

4

Abkürzungsverzeichnis

Abb. Abbildung

BISFR Bewegung im schmerzfreien Raum

bzw. beziehungsweise

CT Computertomographie

df Freiheitsgrad

evtl. eventuell

ggf. gegebenenfalls

ISG Iliosakralgelenk

LS Lumbalsyndrom

LSS Lumbale Spinalkanalstenose

LWK, L Lendenwirbelkörper

LWS Lendenwirbelsäule

M. Musculus

Mm. Musculi

MIT Minimal invasive Therapie

MRT Magnetresonanztomographie

N. Nervus

n. s. nicht signifikant

p Wahrscheinlichkeit; Signifikanz

PDA Periduralanästhesie

s. siehe

SWK 1, S1 Sakralwirbelkörper 1

T Zeit

Tab. Tabelle

TENS transkutane elektrischen Nervenstimulation

u. a. unter anderem

VAS Visuelle Analogskala

WS Wirbelsäule

z. B. zum Beispiel

5

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Mittelwertvergleich für das Item Rückenschmerzen.………. 55

für alle Gruppen vor der ersten und nach der

sechsten Behandlung

Tab. 2: Varianzanalyse für das Item Schmerzintensität…………..... 55

im Rücken als Vergleich für alle Gruppen vor der

ersten und nach der sechsten Behandlung

Tab. 3: Mittelwertvergleich für das Item Schmerzintensität ……….. 57

in der unteren Extremität für alle Gruppen vor der

ersten und nach der sechsten Behandlung

Tab. 4: Varianzanalyse für das Item Schmerzintensität in.………… 57

der unteren Extremität als Vergleich für alle Gruppen

vor der ersten und nach der sechsten Behandlung

Tab. 5: Mittelwertvergleich für das Item Oswestry Score ………….. 59

für alle Gruppen vor der ersten und nach der

letzten Behandlung

Tab. 6: Varianzanalyse für das Item Oswestry Score……………..... 59

als Vergleich für alle Gruppen vor der ersten und

nach der letzten Behandlung

Tab. 7: Mittelwertvergleich für das Item Körperlänge für.…………... 61

Gruppen II und III vor der ersten und nach der

letzten Behandlung

Tab. 8: Varianzanalyse für das Item Körperlänge als.….................. 61

Vergleich für Gruppen II und III vor der ersten

und nach der letzten Behandlung

Tab. 9: Mittelwertvergleich für das Item Visuelle Analogskala.......... 63

für Gruppen II und III vor der ersten und nach

der letzten Behandlung

Tab. 10: Varianzanalyse für das Item Visuelle Analogskala als.……. 63

Vergleich für Gruppen II und III vor der ersten

und nach der letzten Behandlung

6

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Bewegungssegment nach Junghans.……………………….. 10

Abb. 2: Diskosestadien modifiziert nach Krämer.…………………… 12

Abb. 3: Intradiskaler Druck in der 3. Lumbalbandscheibe bei……… 14

verschiedenen Körperpositionen und Flüssigkeits-

verschiebungen an der Bandscheibengrenze

Abb. 4: Entlastende Sitzhaltung.………………………………………. 15

Abb. 5: Segmentale Sensibilitätsstörungen und motorische.………. 19

Störungen bei Schädigungen der Wurzeln

Abb. 6: Ansätze der orthopädischen Schmerztherapie.…………….. 23

Abb. 7: Die 10 Regeln der Rückenschule .………………………….... 24

Abb. 8: Prinzip der Stufenlagerung.…………………………………... 26

Abb. 9: Akupunktur beim Lumbalsyndrom…………………………… 29

Abb. 10: Extension der Lendenwirbel mit Motorkraft…………………. 32

Abb. 11: Segmentnahe lokale Injektion beim Lumbalsyndrom……… 35

Abb. 12: Vibrationsliege mit individuell angepasster Stufen-……..…. 45

lagerung

Abb. 13: Würfel für Stufenlagerung…………………………………….. 46

Abb. 14: Geschlechterverteilung der Patienten nach Gruppen……… 51

Abb. 15: Altersverteilung nach Gruppen……………………………….. 52

Abb. 16: Beschwerdelokalisation an der Wirbelsäule in den………… 53

Gruppen

Abb. 17: Schmerzintensität nach VAS in der LWS aller Gruppen…… 54

vor der ersten und nach der sechsten Behandlung

Abb. 18: Schmerzintensität nach VAS in der unteren Extremität…… 56

aller Gruppen vor der ersten und nach der sechsten

Behandlung

Abb. 19: Auswertung des Oswestry Scores aller Gruppen vor……… 58

der ersten und nach der letzten Behandlung

Abb. 20: Körperlänge vor und nach der einzelnen Behandlung…….. 60

auf der Spezialliege in den Gruppen II und III

7

Abb. 21: Schmerzintensität nach VAS vor und nach der…………….. 62

einzelnen Behandlung auf der Spezialliege in den

Gruppen II und III

Abb. 22: Empfinden auf der Spezialliege der Gruppen II und III…….. 64

nach Auswertung des Fragebogens

Abb. 23: Gefallen an der Spezialliege der Gruppen II und III………... 65

nach Auswertung des Fragebogens

Abb. 24: Beschwerdebesserung durch die Spezialliege der………… 66

Gruppen II und III nach Auswertung des

Fragebogens

Abb. 25: Gefallen der Behandlungsdauer auf der Spezialliege……… 67

der Gruppen II und III nach Auswertung des

Fragebogens

Abb. 26: Wunsch nach Wiederholung der Therapie mit der…………. 68

Spezialliege der Gruppen II und III nach Auswertung

des Fragebogens

8

1. Grundlagen

1.1 Einleitung

Es gibt kaum einen Menschen, der nicht irgendwann in seinem Leben an

Rückenschmerzen leidet. Besonders die degenerativen Erkrankungen der

Bandscheiben führen jeden zehnten Patienten zum Allgemeinmediziner und

jeden dritten in die orthopädische Facharztpraxis. 68 % der Patienten befinden

sich im mittleren Lebensalter (Krämer, 2006), was sich als ein großes

medizinisches sowie soziales und volkswirtschaftliches Problem herausstellt.

Dabei überwiegen die Lumbalsyndrome mit 62% der bandscheibenbedingten

Erkrankungen deutlich (Krämer, 2006).

Die Literatur über Lumbalsyndrome ist schon längst nicht mehr überschaubar

und der finanzielle Aufwand für Forschung, Diagnostik und Therapie, vor allem

aber für Invalidität ist enorm (Debrunner, 1994).

Als Standardtherapie des Lumbalsyndroms wird immer wieder die

Stufenlagerung erwähnt und spielt somit eine große Rolle bei der Behandlung.

Die vorliegende Studie untersucht den Stellenwert einer individuell angepassten

Stufenlagerung mit und ohne Vibration. Diese Lage wurde beim Lumbalsyndrom

mit der altbewährten Standardstufenlagerung verglichen. Bisher gibt es keine

Evaluation über individuell angepasste Lagerung mit Vibrationstherapie.

9

1.2 Theoretische Grundlagen

Die Vielfalt des Lumbalsyndroms wird im Folgenden dargestellt. Es werden die

anatomischen Besonderheiten des unteren Wirbelsäulenabschnittes, Ursache,

Diagnostik, Klinik und Therapie beschrieben.

1.2.1 Das Lumbalsyndrom

Unter einem Lumbalsyndrom versteht man eine Krankheitserscheinung, die

durch Funktionsstörungen und degenerative Erkrankungen lumbaler

Bewegungssegmente verursacht wird (Krämer et al., 1994). Symptomorientiert

unterscheidet man das lokale LS (Lumbagosyndrom), das pseudoradikuläre LS,

das radikuläre LS und das Kaudasyndrom. Betroffen sind Männer (47,2%) fast

so häufig wie Frauen (52,8%) (Krämer, 2006) im Alter zwischen 25 und 50

Jahren bei einem Häufigkeitsgipfel um das 40. Lebensjahr (Krämer et al., 1994).

Ätiologisch wird das Auftreten von Bandscheibenbeschwerden von

biochemisch-biomechanischen Vorgängen beschrieben, die sich im Verlauf der

Altersinvolution ergeben (Krämer et al., 1994).

1.2.2 Anatomie und Pathophysiologie

Die Wirbelsäule (WS) unterteilt sich in eine Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule

und entspricht einer doppelten s-förmigen Kurve. Die drei wesentlichen

Aufgaben der WS sind Haltefunktion, dynamische Ausgleichsfunktion sowie

Leit- und Schutzfunktion (Rössler und Rüther, 2000). Nach den Gesetzen der

Schwerkraft nimmt die Belastung in kraniokaudaler Richtung zu,

dementsprechend sind auch die Wirbelkörper von oben nach unten stärker

dimensioniert. Die WS als Ganzes ist eine funktionelle Einheit (Debrunner,

1994). Ihre Bewegungen erfolgen in 25 Bewegungseinheiten bestehend aus

zwei aneinandergrenzenden Wirbeln mit der dazugehörigen Bandscheibe, dem

Spinalnerv, kleinen Wirbelgelenken und den verbindenden Ligamenten (siehe

Abbildung 1).

10

Abb. 1: Bewegungssegment nach Junghanns (Krämer und Grifka, 2002)

Der vordere Abschnitt besteht aus der Bandscheibe, der hintere aus den kleinen

Wirbelgelenken und den dorsalen Bändern. Die Bandscheibe ist ein

druckelastisches, hydrostatisches System, bestehend aus Anulus fibrosus als

Hülle und Nucleus pulposus als druckfestem Gallertkern (Debrunner, 1994).

Die Aufgabe besteht darin, die dynamischen und statischen Kräfte gleichmäßig

über den ganzen Wirbelsäulenquerschnitt zu verteilen. Die Wirbelkörper und

Bänder sind für Bewegung und Stabilität wichtig. Die Spinalganglien und

Nervenwurzeln ziehen durch die Foramina intervertebralia.

Die degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen mit dem Symptom Rücken-

schmerz werden am häufigsten durch Störungen im Bewegungssegment

hervorgerufen. Dies hängt mit den Alterungsvorgängen der Bandscheibe und

den Störungen von Wachstum und Reifung des Wirbelskeletts zusammen

(Debrunner, 1994). Da die bandscheibenbedingten Erkrankungen im Bereich

der LWS mit einer Häufigkeit von 62 % die anderen Wirbelsäulenabschnitte

deutlich überwiegen (Krämer, 2006), ist es wichtig, im Folgenden darauf

einzugehen.

11

1.2.3 Spezielle Anatomie und Pathophysiologie der L WS

Die LWS besteht aus fünf freien Lendenwirbeln, vier lumbalen Bandscheiben

und je einer Bandscheibe am thorakolumbalen sowie lumbosakralen Übergang

(Krämer, 2006). Die lumbalen Bandscheiben nehmen von kranial nach kaudal

an Größe zu, außer am lumbosakralen Zwischenwirbelabschnitt. Dort ist die

Bandscheibe um ein Drittel niedriger als die direkt darüber Gelegene. Die

bikonvexe Form der Bandscheiben erscheint im lumbalen Teil der WS am

meisten ausgeprägt. Abhängig von der Lendenlordose sind sie ventral höher als

dorsal. Im lumbosakralen Übergang ist dieser Unterschied am größten.

Die Beziehung der Foramina intervertebralia mit ihren Spinalnerven zu den

Bandscheiben hat an der LWS eine besondere Bedeutung. Spinalganglion und

ventrale Wurzel liegen anders, als im BWS-Bereich, unmittelbar neben der

Bandscheibe. Außerdem nimmt das Kaliber der Nervenwurzeln an der LWS von

kranial nach kaudal zu und erreicht bei LWK 5 seinen Höhepunkt. Das

Dickenverhältnis von LWK 1 zu LWK 5 beträgt 1:5 (Töndury, 1970). Das

lumbosakrale Zwischenwirbelloch wird durch die knöcherne Begrenzung kleiner.

Verschiedene Bewegungen können die Foramina intervertebralia von dorsal

einengen.

Auch eine Stenose des lumbalen Wirbelkanals, entweder angeboren oder

erworben, kann bei der Entstehung von Lumbalgie und Wurzelreizungen eine

Rolle spielen.

Alle Kriterien zusammen stehen für eine ungünstige Position der Nervenwurzeln

in den unteren lumbalen Bewegungssegmenten, da sie durch Band-

scheibenveränderungen oder Wirbelbewegungen beschädigt werden können.

Die Degeneration der einzelnen Anteile im Bewegungssegment lässt sich im

Hinblick auf ihre klinische Symptomatik bestimmten Lebensabschnitten

zuordnen. In den ersten Lebensjahrzehnten steht die Bandscheibe im

Vordergrund, beim älteren Menschen sind es die sekundär degenerativen

Veränderungen im hinteren Abschnitt der Bewegungssegmente (Ludwig und

Krämer, 2001). Vermehrte axiale Belastung und verlangsamter Stoffaustausch

des bradytrophen Bandscheibengewebes durch mangelnde Bewegung sind die

häufigsten Ursachen für die Degeneration der Bandscheiben (Diskose)

12

(Bischoff, 2001). Man unterscheidet vom ersten Anzeichen des Risses in den

zentral gelegenen Anteilen des Anulus fibrosus bis zur Vorwölbung des

Nucleus pulposus durch das hintere Längsband und die Epiduralmembran nach

dorsal. Das hintere Längsband sowie der äußere Faserring stehen dann unter

Zugspannung. Dabei werden die sensiblen Fasern des Spinalnervs gereizt und

zeigen die Symptomatik des Lumbalsyndroms.

Die Bandscheibenvorwölbung bezeichnet man als Protrusion und kann sie in

Kombination mit der Diskose in drei Schweregrade einteilen.

Abb. 2: Diskosestadien modifiziert nach Krämer (Bischoff, 2001)

Die erste Grafik (Beschreibung von links nach rechts) der Abbildung 2 zeigt

einen normalen Aufbau einer Bandscheibe.

Die zweite Grafik zeigt das erste Stadium der Diskose mit breitbasiger

Vorwölbung des Anulus fibrosus zwischen dem 4.-18. Lebensjahr. Mit dem

Verschwinden der Blutgefäße nach dem zweiten Lebensjahr beginnt bereits die

Bandscheibendegeneration. Die jugendliche Widerstandskraft des Ringes,

verhindert durch noch ausreichenden Wassergehalt und Elastizität eine

Verlagerung des zentralen Bandscheibengewebes nach außen. Dieses Stadium

bleibt meist ohne Symptome. Selten zeigt sich eine Hüft-Lenden-

Strecksteifigkeit.

13

Vom 20. bis 60. Lebensjahr treten Radiärrisse im Anulus fibrosus auf, wodurch

es zur Massenverschiebung innerhalb der Bandscheibe kommt. Es entstehen

subligamentäre/intradiskale Sequester oder Bandscheibenprotrusionen (siehe

3. und 4. Grafik der Abbildung 2). Die durch Protrusion initial ausgelösten

Beschwerden (Lumbago) neigen zur Rückbildung. Beim Zerreißen des hinteren

Längsbandes kann auch ein freier Sequester entstehen, der in alle Richtungen

wandern kann. Als Sequester wird der Anteil an Bandscheibengewebe

bezeichnet, der sich in den Epiduralraum vorgeschoben hat. Neben

Kreuzschmerzen entwickeln sich auch Nervenwurzelschädigungen bei diesem

zweiten Stadium.

Ab dem 60. Lebensjahr trocknen die Bandscheiben so aus, dass das

Bindegewebe an Elastizität verliert und sich verfestigt. Dieses dritte Stadium ist

geprägt von spondylotischen und osteochondrotischen Veränderungen (5.

Grafik). Ein Bandscheibenprolaps ist selten. Man spricht von der wohltätigen

Versteifung der WS im Alter (nach Idelberger).

1.2.4 Biomechanik der LWS

In der Evolution hat sich der Mensch durch seinen aufrechten Gang

charakterisiert. Dadurch sind die unteren Wirbelsäulenabschnitte starken

Belastungen ausgesetzt. Das Gewicht aller höheren Abschnitte des Körpers

wird auf einer sehr kleinen Fläche getragen. Die Übertragung liegt etwa im

Verhältnis 1:10 (Rössler und Rüther, 2000). Dementsprechend sind auch die

Wirbelkörper und Bandscheiben stärker dimensioniert.

Die von Nachemson und Morris (1964) durchgeführten ersten intradiskalen

Druckmessungen in der dritten Lumbalscheibe in vivo beim Menschen zeigten

in entspannter Rückenlage eine Druckbelastung mit einem Ausgangswert von

15kp (1.500kPa) allein durch Muskel- und Bänderzug (Nachemson und Morris,

1964). Schon die Seitenlage mit leichter Kyphosierung verdoppelte den Wert.

Am belastenden war das Stehen mit Vorneigung und Armgewicht (200kp;

20.000kPa). Die am meisten schonende Haltung war die Stufenlage. Die

unangelehnte sitzende Stellung zeigte eine größere Belastung als das Stehen

(siehe Abbildung 3).

14

Abb. 3: Intradiskaler Druck in der 3. Lumbalbandscheibe bei verschiedenen Körperpositionen und Flüssigkeitsverschiebungen an der Bandscheibengrenze (Krämer, 1997)

15

Okushima (1970) hat die Ergebnisse von Nachemson und Morris von 1964

durch eigene intradiskale Druckmessung in vivo bestätigt (Okushima, 1970).

Nachemson, Andersson und Zetterberg verfassten noch weitere Arbeiten über

Druckmessung in Kombination mit elektromyographischen Untersuchungen

(Nachemson, 1976; Andersson, 1976; Andersson et al., 1974; Zetterberg et al.,

1987). Diese Publikationen zeigten beispielsweise, dass Husten, Pressen und

Lachen zu einer Druckerhöhung in den lumbalen Bandscheiben um 50kp

(5000kPa) führten. In der Sitzposition reduziert man den Druck mit

zunehmender Schrägstellung. In der entlastenden Sitzhaltung liegt der lumbale

intradiskale Druck unter 80kp (8000kPa) (siehe Abbildung 4).

Abb. 4: Entlastende Sitzhaltung (Krämer, 2005)

Viele Autoren betonen immer wieder die pathogenetische Bedeutung dieser

großen Druckbelastungen für die vorzeitigen Bandscheibenschäden beim

Menschen.

16

1.3 Klinik der Lumbalsyndrome

Symptomorientiert unterscheidet man verschiedene Formen des

Lumbalsyndroms.

Es handelt sich um lokale, pseudoradikuläre und radikuläre Lumbalsyndrome

sowie das Kaudasyndrom. Bei diesen Syndromen sind Zuordnungen zu den

betroffenen Strukturen möglich. Die klinische Symptomatik ist sehr variabel,

eine leichte Lumbalgie kann sich zu einem tiefen Querschnittssyndrom

entwickeln (Bischoff, 2001).

Zu Beginn eines Lumbalsyndroms stehen Beschwerden durch Verlagerung von

Bandscheibengewebe mit klinisch einheitlichen Symptomen wie Hexenschuss

oder Ischialgie.

Später, wenn die sekundären degenerativen Veränderungen im

Bewegungssegment zugenommen haben, wird es immer schwieriger, die

chronischen Schmerzen einem bestimmten pathologisch-anatomischen Zustand

zuzuordnen (Krämer, 2006).

Das lokale Lumbalsyndrom definiert sich als Schmerzhaftigkeit im LWS-Bereich,

ausgelöst durch muskuläre Verspannung oder degenerative Veränderungen im

Bereich der LWS oder der ISG. Es imponiert ein lokaler bewegungsabhängiger

Schmerz in der unteren Rückenmuskulatur mit Hartspann. Kennzeichnend sind

das Fehlen von neurologischen Symptomen sowie die Schmerzausstrahlung in

die Beine. Das Facettensyndrom stellt die chronisch rezidivierende Form des

lokalen Lumbalsyndroms dar. Da die Beschwerden von der lumbalen

Wirbelgelenkkapsel ausgehen, verstärken sich die Symptome bei Rückneigung

des Rumpfes.

Das pseudoradikuläre Lumbalsyndrom bezeichnet lediglich eine Vielzahl von

Schmerzbildern im lumbalen Wirbelsäulenbereich und der Oberschenkel-

rückseite, die bis zu den Knien hin ausstrahlen können (Bischoff, 2001). Leitbild

ist der positionsabhängige einschießende Kreuzschmerz mit entsprechender

nichtsegmentaler Ausstrahlung in das Gesäß, Oberschenkel und Knie. Häufig

besteht ein dumpfer, sich bis zum Morgen verstärkender Kreuzschmerz. Es

finden sich keine Parästhesien und Lähmungen oder eine Schmerzverstärkung

17

durch Husten und Niesen. Auslöser sind häufig das Facettensyndrom als

mechanische Reizung der Nervenwurzeln, Irritationen der ISG, degenerative

LSS und Wirbelsäulenerkrankungen des rheumatischen Formenkreises.

Das radikuläre Lumbalsyndrom ist ein durch intraspinale Raumforderungen

(Protrusion, Prolaps) verursachtes Beschwerdebild mit Reizung und

Schädigung einer lumbalen Nervenwurzel, die zu einer Schmerzausstrahlung in

das betroffene Derma- oder Myotom führt.

Man unterscheidet u. a. zwischen L4-, L5- und S1-Syndromen. Leitsymptome

sind die einem Segment zugeordneten Schmerzausstrahlungen (auch über die

Knie hinaus), die typische Fehlhaltung sowie sensible und motorische

Ausfallserscheinungen.

Ein wechselhafter Schmerzverlauf zeigt sich häufig bei Rückentwicklung der

Schmerzen als Zentralisationsphänomen nach McKenzie (McKenzie, 1987).

Eine Ischialgie entwickelt sich zum reinen Rückenschmerz zurück. Nachts

fühlen sich die Patienten meist besser durch die Entlastung der Bandscheiben.

Die Schmerzen können durch Pressen, Husten oder Niesen verstärkt werden.

Anamnestisch gibt es meist keine besonderen Vorkommnisse. Manchmal

berichten die Patienten über Verheben oder Körperdrehbewegungen.

Da die Höhendiagnostik der Bandscheibenvorfälle wichtig ist, werden nun die

verschiedenen Wurzelsyndrome beschrieben (siehe Abbildung 5). Dabei liegt

der Fokus auf dem Wirbelsäulensegment L5/S1 mit 50%, gefolgt von L4/L5 mit

mehr als 40% der Lumbalsyndrome. Die höheren Lumbalsegmente machen

ungefähr 2% aus. Bei etwa der Hälfte der Patienten besteht eine

monoradikuläre Symptomatik, bei den übrigen sind mehrere Segmente befallen

oder die Beschwerden so vielfältig, dass eine Höhendiagnostik allein mit

klinischen Mitteln nicht möglich ist (Matzen, 2002).

18

Das S1-Syndrom entsteht durch die Schädigung der Bandscheiben L5/S1. Das

typische Dermatom manifestiert sich an der Hinteraußenseite des Ober- und

Unterschenkels, sowie am Fußaußenrand bis zur zweiten Zehe. Ausfälle oder

Abschwächung des Triceps-surae-Reflexes, motorische Störungen des M.

triceps surae und der Mm. Flexor digitorum longus et brevis sind möglich. Es

können ein regelmäßiger Ischiadikus-Dehnungsschmerz und häufig ein

Ischiadikus-Druckschmerz auftreten.

Das L5-Syndrom stammt aus Schädigung der Bandscheibe L4/L5. Manchmal

tritt es auch als lateraler Vorfall der darunter liegenden Bandscheibe auf, dann

meist gleichzeitig als S1-Syndrom. Die Schmerzlokalisation ist an der

Außenseite des Ober- und Unterschenkels (Generalstreifen) bis zum Fußrücken

bzw. bis zur Fußsohle (zwischen erster und zweiter Zehe). Der Tibialis-

posterior-Reflex ist abgeschwächt oder fehlt ganz. Druckschmerzen und

Dehnschmerzen wie beim S1-Syndrom sind möglich. Motorische Ausfälle

werden beim M. extensor hallucis longus, Mm. Extensor digitorum longus et

brevis und der Gesäßmuskulatur, manchmal auch beim M. tibialis anterior

beschrieben.

Beim L4-Syndrom (Bandscheibe L3/L4) verläuft das Dermatom schräg über die

Oberschenkel- und Knievorderseite bis zum Fußinnenrand. Möglich sind eine

vertebragene Fibularisparese und erschwertes Treppensteigen (M. quadriceps

femoris). Der Quadricepsreflex ist abgeschwächt bzw. fehlt.

Kennzeichnend für das L3-Syndrom ist der Femoralisdehnschmerz und eine

mögliche Parese des M. quadriceps femoris. Es besteht kein Ischiadikus-

Dehnschmerz. Das Dermatom verläuft schräg an der Oberschenkelvorderseite

und erreicht den Unterschenkel nicht.

Beim L1- und L2-Syndrom hat man im Gegensatz zu den Vorherigen keine

motorischen Ausfälle und fehlende Reflexe.

19

Abb. 5: Segmentale Sensibilitätsstörungen und typische motorische Störungen bei Schädigung der Wurzeln (Rössler und Rüther, 2000)

20

Das Kaudasyndrom bezeichnet die Schädigung der Cauda equina durch einen

großen medial gelegenen Prolaps. Den klassischen Symptomkomplex mit

Blasen-/Mastdarmstörung, Reithosenparästhesien und motorischen Störungen,

gibt es nur selten, weil ein Prolaps meist seitlich betont ist. Es entstehen so

genannte partielle Kaudasymptome.

Der mediane Bandscheibenprolaps ist eine dringende Indikation zur sofortigen

Operation.

Zusätzlich ist die Lumbale Spinalkanalstenose zu nennen: Sie ist eine relative

oder absolute Enge des Spinalkanals im Lendenwirbelbereich mit Symptomen

wie Claudicatio intermittens, die belastungs- und haltungsabhängig auftreten.

Meist ist die Stenose hervorgerufen durch degenerative

Wirbelsäulenerkrankungen, Diskusprotrusionen und Pseudospondylolisthesis.

Die Schmerzen sind am Lumbalbereich und Gesäß, selten auch am Bein

lokalisiert.

1.4 Untersuchung

Die klinische Untersuchung beinhaltet neben Inspektion, Palpation und

Funktionsprüfung eine orientierende neurologische Untersuchung.

Die Inspektion kann schon den ersten Hinweis für das Vorliegen eines LS

bieten. Ein unharmonischer, unsicherer Gang, steife Bewegungen, eine evtl.

Fehlhaltung und eine deutliche Vorwölbung der lumbalen Muskulatur im Sinne

eines Lumbalspasmus können früh erkannt werden.

Die übrigen Komponenten setzen sich aus Auslösung des Ischiadikus-

Dehnschmerz, Prüfung der Druckschmerzhaftigkeit des Nervs, der

Hautsensibilität und der Motorik, sowie auch der Muskeleigenreflexe

zusammen.

Zum Auslösen des Ischiadikus-Dehnschmerzes benutzt man u. a. drei Tests.

Das Laségue-Zeichen ist bei einem Schmerz vom N. ischiadicus bis in den Fuß

reichend bei angehobenen gestreckten Bein in Rückenlage positiv. Das

Bragard-Zeichen löst einen ähnlichen Schmerz wie der Laségue-Test aus, bei

21

gleicher Position, nur mit zusätzlicher Dorsalflexion des Fußes. Das gekreuzte

Laségue-Zeichen wird durch Schmerzauslösung im kranken Bein, bei Anheben

des gestreckten gesunden Beins, als Ausdruck inniger Lagebeziehung

zwischen einer Protrusion/Prolaps und einer Wurzel definiert. Das so genannte

umgekehrte Laségue-Zeichen tritt durch Überstreckung der Hüfte in Bauchlage

bei Befall der oberen Lumbalsegmente auf.

Nicht mit dem Ischiadikus-Dehnschmerz zu verwechseln ist die

Hüftlendenstrecksteife, bei der der Patient wie ein Brett von der Unterlage

abgehoben wird.

Die Druckschmerzhaftigkeit des N. ischiadicus wird durch den Valleix-

Druckpunkt in der queren Gesäßfalte oder der

Oberschenkelhinterseite/Kniekehle getestet. Der N. tibialis anterior ist

besonders in der Wadenmitte schmerzsensibel. Häufig findet sich ein

druckschmerzhafter Muskelhartspann und eine lokale Klopf- oder

Druckschmerzhaftigkeit über den Dornfortsätzen. Das Viererzeichen (Flexion,

Abduktion, Außenrotation des Hüftgelenkes) ist positiv, wenn die Symptomatik

von den kleinen Wirbelgelenken im Iliosakralbereich ausgeht.

Die Prüfung der Hautsensibilität geht ab dem Leistenband nach distal. Hyper-,

An-, Hypo- und Parästhesien zeigen meist eine segmentale Verteilung (siehe

Abbildung 5). Allerdings werden Grenzen durch Überschneidung oft verwischt.

Zur Feststellung einer Muskelschwäche in der unteren Extremität vergleicht

man die Muskelkraft auf beiden Seiten. Des Weiteren werden Zehen- Hacken-

Stand, Einbeinstand sowie Zehen-Hacken-Gang untersucht. Besonders

aufschlussreich ist die Prüfung der zugeordneten Kennmuskeln

M. tibialis anterior, M. extensor digitorum longus, M. peroneus und M.

quadriceps femoris, die bestimmten Versorgungssegmenten zugeordnet sind.

Bei längerem Bestand der Wurzelläsion erkennt man eine Umfangsabnahme

des Beines durch Muskelatrophie. Weitere Erkenntnisse über Art und Sitz einer

Wurzelschädigung können durch Elektromyographie und Aufzeichnung der

Nervenleitgeschwindigkeit gewonnen werden.

22

Die typischen Muskeleigenreflexe weisen auf den Ort der Störung hin. Der

Quadricepsreflex/Patellarsehnenreflex ist bei Wurzelschädigungen von L3 und

L4 herabgesetzt oder fehlt. Der Triceps-surae-Reflex/Achillessehnenreflex ist

bei einer S1-Wurzel-Störung abgeschwächt. Der oft schwer auslösbare Tibialis-

posterior-Reflex muss im Seitenvergleich gestestet werden. Er spricht für eine

Schädigung der L5-Wurzel.

Um die Beweglichkeit der Wirbelsäule zu beurteilen, kann man spezifische

Funktions- und Schmerztests durchführen. Der Finger-Boden-Abstand und das

Schober-Zeichen sind aussagekräftig. Differentialdiagnostisch führt man noch

andere Tests durch: Menell-3-Stufen Test und Vierer-Zeichen können z.B. auf

eine ISG-Störung hinweisen.

Die klinische Symptomatik ist führend in der Diagnostik von degenerativen

Bandscheibenerkrankungen. Trotzdem können apparative Untersuchungen

notwendig sein. Röntgen der LWS in zwei Ebenen und eine Seitenaufnahme

des lumbosakralen Übergangs, CT und MRT ergänzen die klinischen

Symptome. Somit können tumoröse Raumforderungen, angeborene

Fehlbildungen und andere Erkrankungen ausgeschlossen werden. CT und MRT

zeigen die genaue Lage und Ausdehnung der Protrusion bzw. des Prolaps und

auch eine LSS. Bei pseudoradikulären LS sind diese Untersuchungen nicht

unbedingt nötig, da die Ursache der Schmerzen meist vom ISG. oder von

rheumatischen Wirbelsäulenerkrankungen stammt. Daher ist eine vorher

stattfindende gute und genaue körperliche Untersuchung wichtig, um evtl.

Strahlenbelastung zu vermeiden. Die Myelographie als invasives diagnostisches

Verfahren ist von CT und MRT weitgehend verdrängt.

23

1.5 Therapie der Lumbalsyndrome

Die therapeutischen Grundsätze bei den Lumbalsyndromen sind trotz

unterschiedlicher Ätiologie und Pathogenese gleich. Die Hauptaufgabe der

Therapie ist die Schmerzbeseitigung.

Der wechselnde Reizzustand der Nervenwurzeln, bei gleich bleibender

mechanischer Kompression, ist für die Therapie von großer Bedeutung

(Krämer, 2006). Eine Schmerzbekämpfung ist durch Medikamente,

Klimaveränderung, physikalische Therapie und psychologische Betreuung

möglich (siehe Abbildung 6).

Beim Kaudasyndrom ist die unverzügliche Operation nötig. Die

Therapieresistenz ist ein weiteres Kriterium für operative Maßnahmen.

Abb. 6: Ansätze der orthopädischen Schmerztherapie (Krämer und Nentwig, 1999)

24

1.5.1 Konservative Therapie

Bei der konservativen Therapie versucht man die Beschwerden zu verbessern,

ohne die betroffenen Organe/Bandscheiben zu verletzen. Akute Ereignisse

können sich auch innerhalb von wenigen Tagen spontan zurückbilden. 80-95 %

der radikulären LS sind durch konservative Behandlungsstrategien zu

verbessern (Bischoff, 2001).

Nach erfolgreicher Therapie sollte ein Patient allerdings die Grundlagen der

Rückenschule einhalten (siehe Abbildung 7).

Abb. 7: Die 10 Regeln der Rückenschule (Krämer, 2005)

25

1.5.1.1 Stufenlagerung mit und ohne Vibration

Jede Störung im Bewegungssegment hat eine Wirbelsäulenposition, bei der die

Schmerzintensität am geringsten ist. Die optimale Körperhaltung kann deshalb

variieren. Die Mehrzahl der Patienten bevorzugt allerdings die horizontale

Position mit angewinkelten Beinen. Diese so genannte Stufenlagerung spielt

eine entscheidende Rolle in der konservativen Therapie, um den Circulus

vitiosus „Schmerz-Verspannung-Schmerz“ zu durchbrechen. Denn die meisten

bandscheibenbedingten Schmerzzustände beruhen auf den Folgen der

Vertikalbelastung und erfordern Entlastung.

Die Bandscheiben der LWS sind in der Rückenlage mit Abflachung der

Lendenlordose durch die Anwinkelung der Hüft- und Kniegelenke am wenigsten

belastet. Der intradiskale Druck beträgt dann nur 25kp. Die Position führt

außerdem zu einer Erweiterung der Foramina intervertebralia, zu einer

Entspannung der Wirbelgelenkkapseln, Abflachung dorsaler

Bandscheibenvorwölbung, Erweiterung des Wirbelkanals, Entspannung des

N. ischiadicus sowie zu einer Entlastung des ISG (Krämer und Grifka, 2001).

Die Unterlage muss dafür eben sein und darf sich nicht durchbiegen (Ludwig

und Krämer, 2001). Von der Knierolle bis hin zum Schaumgummiwürfel sind

Hilfsmittel verwendbar, die dem Patienten Linderung verschaffen. Auch in

Seitenlage kann man Hüft- und Kniegelenke im rechten Winkel anbeugen. Ein

weiches Kissen zwischen den Knien verhindert eine Beckenverdrehung. Ein

Abkippen des Beckens kann durch ein Kissen in der Taille vermieden werden.

Die Stufenlagerung sollte nur intermittierend durchgeführt werden, da sich auch

Bewegung positiv auf die Erkrankung auswirkt. Außerdem kann eine

andauernde Bettruhe zu einer Thrombose führen. Auf eine Schädigung des M.

peroneus durch Kompression des N. fibularis aufgrund der Würfelkante in der

Kniekehle muss geachtet werden.

In der Fachliteratur finden sich zahlreiche Autoren, die die Stufenlagerung als

Standardtherapie für das Lumbalsyndrom hervorheben (Krämer und

Theodoridis, 2005; Bischoff, 2001; Rössler und Rüther, 2000).

26

Das Prinzip der Stufenlagerung (Krämer und Theodoridis, 2005):

1. Geringer intradiskaler Druck

2. Erweiterung der Zwischenwirbellöcher

3. Entspannung der Wirbelgelenkkapseln

4. Abflachung dorsaler Bandscheibenvorwölbungen

5. Erweiterung des Wirbelkanals

6. Entspannung des N. ischiadicus

7. Entlastung der Kreuzband-Darmbein-Gelenke

Abb. 8: Prinzip der Stufenlagerung (Krämer, 2005)

27

Eine Stufenlagerung kann auch mit dreidimensionaler Vibration kombiniert

werden, wie es bei der Spezialliege dieser Studie zu sehen ist. Sinn und Zweck

ist u. a., die Muskelverspannung durch Propiozeption zu verbessern (Brumagne

et al., 2000) und den Muskeltonus zur Norm hin zu verbessern. Durch die

Schwingungen kommt es zur Hemmung der Gammabereiche des

reflexbildenden Systems. Der Abtransport von Stoffwechselprodukten ist durch

Hyperämie und Gefäßdilatation beobachtet worden. Als eine weitere Wirkung

wurde die Normalisierung des Quellungszustandes der Bandscheibenkerne

beschrieben (Kremer, 1994). Studien belegen, dass die Ganzkörpervibration auf

bestimmten Maschinen chronische Rückenschmerzen reduziert (Ivamoto,

2005).

Die Ursprünge des Vibrationstrainings, auch Whole Body Vibration oder (bio-)

mechanische Stimulation bzw. (bio-) mechanische Oszillation genannt, gehen

zurück bis ins antike Griechenland. In den 1970er und 1990er Jahren wurde die

Methode wesentlich verbessert und ist heute sogar für die Raumfahrt

vorgesehen, um Muskel- und Knochenschwund aufgrund der Schwerelosigkeit

bei längeren Aufenthalten im Weltraum entgegenzuwirken. Zunächst wurde die

Vibration aber nur lokal an einzelnen Körperteilen angewendet. Erst als 1996 in

Deutschland ein System patentiert wurde, auf dem der Anwender stehen und

somit sein gesamter Bewegungsapparat stimuliert werden kann, begann die

breite Anwendung von Vibrationstrainingssystemen.

Mittlerweile hat sich das Vibrationstraining so auch in einer Vielzahl von

Anwendungsbereichen (Leistungssport, Fitness, Rehabilitation, Medizin,

Vorsorge) etabliert und wird hauptsächlich zur Leistungssteigerung der

Muskulatur und zur Verbesserung von Koordination und des Gleichgewichts

eingesetzt (Wikipedia, 2007). Auch Patienten mit chronisch obstruktiven

Atemwegserkrankungen, Patienten mit Zustand nach Apoplex und Morbus

Parkinson können Nutzen von dieser Vibration haben.

28

1.5.1.2 Wärme

Wärmeanwendungen jeglicher Art sowie durchblutungsfördernde Maßnahmen

werden von den meisten Patienten als wohltuend empfunden. Kälte wirkt meist

beschwerdeauslösend. Sollte durch Wärme eine Schmerzsteigerung eintreten,

muss die Diagnose überprüft werden, um weder einen Tumor noch eine

Entzündung zu übersehen.

Zur Wärmeerzeugung werden „ABC“-Pflaster oder Einreibemittel mit

Salicylsäurederivaten, hyperämisierende Stoffen und ätherischen Ölen benutzt.

Für die ambulante Therapie sind heiße Bäder und Wärmepackungen (Fango)

besonders vor Massagen sinnvoll. Die Temperaturen gehen von 35 bis 52°C.

Kontraindikationen sind Thrombosen, Entzündungen und

Herzkreislaufstörungen.

1.5.1.3 Medikamente

Die allgemeine medikamentöse Therapie ist symptomatisch und soll die übrigen

physikalischen Maßnahmen unterstützen.

Besonders bei akuten Schmerzen sind Analgetika in Verbindung mit

Antiphlogistika Mittel der Wahl. Mit der antiphlogistischen Komponente

beeinflusst man sekundär entzündliche Veränderung der mechanisch irritierten,

nervalen Anteile. Beispiele sind Diclofenac und Indometacin. Außerdem werden

Muskelrelaxantien eingesetzt, die versuchen den Verspannungs-Teufelskreis zu

durchbrechen. Auch Antidepressiva und Neuroleptika haben neben der direkten

Wirkung auf das Gehirn bereits im Rückenmark einen inhibitorischen Effekt auf

die Schmerzweiterleitung (Krämer und Nentwig, 1999).

29

1.5.1.4 Akupunktur

Bei der Akupunktur basiert die Analgesie auf der endogenen

Endorphinausschüttung, die durch einen Schmerzreiz (Nadelstich) in der

Peripherie in Gang gesetzt wird. In der traditionellen chinesischen Medizin ist

sie als Stechen und Wärmen definiert. Die bestimmten Akupunkturlöcher auf

den dazugehörigen Meridianen sind einer wahllosen Punkteauswahl überlegen

(Krämer und Nentwig, 1999). Besonders die Punkte des Blasen- und

Gallenblasenmeridians sind wichtig für die Behandlung des LS (siehe Abbildung

9). Der Patient sollte dabei entspannt liegen und an mindestens zehn Sitzungen

von wenigstens 15 Minuten teilnehmen.

Abb. 9: Akupunktur beim Lumbalsyndrom (Krämer und Nentwig, 1999)

30

1.5.1.5 Massage

Mit der Massage wird beim LS erst begonnen, wenn die akuten Erscheinungen

durch Lagerung, Wärme und Analgetika abgeklungen sind. Jede Form der

Massage, auch die sanfte, ruft bei akuten Beschwerden eine Verschlimmerung

hervor, weil damit Bewegungen der LWS verbunden sind und der Patient sich

nicht in der Entlastungshaltung entspannen kann. Am besten lagert man den

Patienten in umgekehrter Stufenlagerung. Als Techniken sind Streichung und

Reibung, Knetung und Walkung, sowie Querfriktion zu nennen. Man kann sich

auch an Hilfsmitteln wie der Unterwasserdruckstrahlmassage bedienen.

Besonders die harte Rückenmuskulatur ist schlecht von der massierenden

Hand zu fassen. Wegen dieser erhöhten Kraftaufwendung entschließt man sich

in diesem Bereich häufig zur Elektrotherapie.

Zusammenfassend gilt, dass sich die Massage positiv auf die lokale Nozizeption

über den Transport von Entzündungsmediatoren auswirkt.

Kontraindikationen sind akute Schmerzen, Entzündungen, Hautveränderungen

und Nervenkompressionssyndrome.

1.5.1.6 Elektrotherapie

Bei der Elektrotherapie wird elektrische Energie für Heilzwecke verwendet. Die

hochfrequenten Ströme zeichnen sich durch ihre Wärmewirkung in der Tiefe

aus, die niederfrequenten Gleichströme bewirken durch Hyper- oder

Depolarisation der Zellen eine Schmerzlinderung (Galvanisation im

Stangerbad). Eine größere praktische Bedeutung hat die Anwendung

mittelfrequenter Interferenzstromarten. Das Prinzip besteht in der Erzeugung

des biologisch wirksamen Frequenzbereiches im Organismus selbst. Ein Vorteil

der mittelfrequenten Ströme ist die Überwindung der schmerzempfindlichen

äußeren Gewebeschichten, inklusive Haut, durch reizunwirksame

Mittelfrequenzen, während die niederfrequenten Ströme erst in der Tiefe

entstehen und dort schmerztherapeutisch wirken.

Alle oben genannten Stromarten wirken gleichermaßen auf die Nozizeptoren,

afferenten Fasern, Muskeln und das vegetative Nervensystem ein.

31

Die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) stellt eine Sonderform

der Elektrotherapie dar. Es handelt sich um eine Reizung der A-Fasern

peripherer Nerven durch die Haut mit inhibitorischer Wirkung auf das

Rückenmark und Aktivitätsminderung der C-Fasern im gleichen Segment. Es

werden Elektroden auf die Haut geklebt, durch die kontinuierliche und

diskontinuierliche Stimulationen strömen. Die Position der Elektroden folgt dem

Verlauf der peripheren Nerven, entsprechend der Dermatome. Die Analgesie

kann sofort, aber im Durchschnitt nach 20 Minuten einsetzen. Wichtig ist die

individuelle Anpassung. TENS ist frei von Nebenwirkungen, so dass man es bei

chronischen Neuralgien gefahrlos einsetzen kann.

1.5.1.7 Manuelle Therapie

Die meisten bandscheibenbedingten Erkrankungen im Lumbalbereich stellen

eine Kontraindikation für diese Therapie. Dazu zählen alle Erkrankungen die

eine Verlagerung von Bandscheibenmaterial als Ursache haben. Durch

Mobilisation und Manipulation besteht die Gefahr, dass eine Protrusion zu

einem Prolaps wird.

Allerdings kann man Blockierungen von Intervertebralgelenken,

Facettensyndromen und pseudoradikuläre Syndromen gut behandeln. Man

sollte spezielle Kenntnisse über diese Praktika haben.

Da man einen Bandscheibenvorfall nicht immer von einer pathologisch

verhärteten Rückenmuskulatur unterscheiden kann, sollten andere Therapien

wie Lagerung und Wärme bevorzugt werden. Erst wenn die akuten

Erscheinungen abgeklungen sind, ist eine vorsichtige manuelle Mobilisation mit

isometrischen Kräftigungsübungen und Bewegungsübungen im physiologischen

Bewegungsspielraum der Gelenke möglich (Krämer, 2006). Die

Wiederherstellung der funktionellen Einheit zwischen Bandscheibe und

Wirbelgelenk im Bewegungssegment zählt zu den wichtigsten Aufgaben der

Nachbehandlung und Rehabilitation.

32

1.5.1.8 Extension (Traktion)

Eine Extensionswirkung auf die LWS kann man mit verschiedenen Übungen

und Geräten erzielen. Eine Sprossenwand zum Aushängen, ein Türrahmen

oder eine Streckbandage bewirken eine Extension (siehe Abbildung 10).

Die therapeutische Wirkung der Extension setzt an verschiedenen Punkten des

Bewegungssegments an. Die Druckreduzierung im Zwischenwirbelabschnitt

durch Streckung der WS ist der wesentlichste Punkt. So hat das

Bandscheibengewebe die Möglichkeit, sich wieder an den richtigen Ort

zurückzuverlagern. Außerdem werden alle Funktionselemente gedehnt und es

kommt zu einer Volumenzunahme der Bandscheiben. Viele Autoren haben über

ihre guten Erfahrungen mit dieser Methode bereits berichtet (Krämer, 2006).

Armstrong berichtet sogar bei ausreichender starker Traktion über eine

Sogwirkung. Dabei wird die Mobilität der WS durch die Traktion verbessert

(Mezaros et al., 2000).

Um die gesamte Wirkung im Bewegungssegment erzielen zu können, gibt es

bestimmte Anforderungen an die Extensionsvorrichtung. Die Zugkraft muss

ausreichend groß und dosierbar sein. Die Zugkräfte müssen am Becken und am

Thorax ansetzen, damit nicht zu viel Kraft in den Extremitätengelenken verloren

geht und andere Organe nicht verletzt werden. Zugkraft und Körperposition

müssen für gezielte Extension veränderbar sein. Eine einfache Handhabung für

den häuslichen Gebrauch ist sinnvoll.

Abb. 10: Extension der Lendenwirbel mit Motorkraft (Krämer, 2006)

33

1.5.1.9 Krankengymnastik

Die krankengymnastischen Übungen dienen sowohl als Therapie, als auch der

Prophylaxe und Rehabilitation. Die wichtigsten Übungen sind die isometrischen

Muskelkräftigungsübungen, die nur aus einer Entlastungshaltung heraus

durchzuführen sind. Am besten wird die Stufenlagerung bzw. die umgekehrte

Stufenlagerung als Ausgangsstellung genommen. Durch Fehlhaltung nach

Ischialgie oder Operation können die Rückenstrecker zur Kontraktur neigen,

während die Bauchmuskeln atrophieren, sich überdehnen und ihren Tonus

verlieren (Laser, 1988; Panjabi et al., 1989). Kyphosierende und lordierende

Muskelgruppen müssen deshalb gleichmäßig gekräftigt werden. Zur

Vorbereitung der Muskelübungen haben sich Wärmepackungen und leichte

Streichmassagen bewährt.

Außerdem ist die Krankengymnastik wichtig für die Erlernung bandscheiben-

schonender Bewegungsabläufe, für den Übergang von der Teil- zur

Vollbelastung und für die Wiederherstellung der ursprünglichen Beweglichkeit

im betroffenen Wirbelsäulenabschnitt. Aus der vom Patienten unwillkürlich

eingenommenen Schonhaltung mit leichter Kyphose und Streckhaltung der

LWS (Schonkyphose) muss wieder eine normale Haltung mit Eulordose

werden. Unter krankengymnastischer Anleitung ist nach primär isometrischen

Übungen eine Steigerung in Form von aktiven und passiven Dehnübungen für

verkürzte Bänder und Muskeln durchführbar (siehe auch die zehn Regeln der

Rückenschule).

Das BISFR-(Bewegung im schmerzfreien Raum) Konzept geht davon aus, dass

Bewegung Schmerzen abbaut. Allerdings nur Bewegungen, die den aktuellen

Schmerz nicht verstärken. Diese Bewegungen müssen in anderen

Körperabschnitten stattfinden. Im Mittelpunkt stehen Sportarten wie

Schwimmen, Laufen und Radfahren. Studien haben gezeigt, dass bei

vertebragenen Beschwerden Bewegung besser ist als Bettruhe (Dietrich, 1999;

Hildebrandt und Pfingsten, 1998).

34

1.5.1.10 Psychotherapie

Die Psychotherapie ist ein wichtiger Aspekt in der Behandlung des LS. Die

Schmerzen an der LWS treffen die Patienten meist überraschend. Zur

Vorbeugung und Chronifizierung muss dem erschrockenen und stark

beunruhigten Patienten die Sorge genommen werden (Krämer und Nentwig,

1999). Deshalb ist ein Entlastungsgespräch entscheidend. Psychologen helfen

außerdem bei der Schmerzbewältigung und geben Ratschläge für einen

besseren Umgang in ihrem sozialen Umfeld.

35

1.5.1.11 Lokale Injektion

Die lokale Applikation analgetisch-antiphlogistisch wirksamer Mittel an

bestimmten Stellen des Bewegungssegmentes hat direkten Einfluss auf die

Schmerzursachen von Lumbalsyndromen (Krämer, 2006). Die Injektionen sind

entweder segmentfern, z.B. als Hautquaddelung oder Triggerpunktinfiltration,

oder segmentnah als lumbale Spinalwurzelanalgesie, epidurale, intrathekale

und perineurale Facetteninfiltration zu verabreichen (siehe Abbildung 11).

Abb. 11: Segmentnahe lokale Injektionen beim Lumbalsyndrom: a = epidural, b = intrathekal, c = Facetteninfiltration, d = paravertebral (Krämer, 1997)

Je nach Intention unterscheidet man die therapeutische und die diagnostische

Injektion.

Bei der diagnostischen lokalen Injektion nimmt man zunächst physiologische

Kochsalzlösung, um den typischen Schmerz zu provozieren. Wenn man

anschließend mit dem Lokalanästhetikum den Schmerz ausschaltet, handelt es

36

sich um eine diagnostische lokale Anästhesie, die in die therapeutische lokale

Anästhesie übergeht.

Bei der therapeutischen lokalen Injektion wird ein niedrig konzentriertes

Lokalanästhetikum (0,5-1%) benutzt und erzielt damit eine reversible und lokal

begrenzte Schmerzreduktion, eine Herabsetzung der Nervenerregbarkeit und

eine lokale Durchblutungssteigerung. Gebräuchliche Lokalanästhetika sind

Lidocain, Xylocain und Prilocain. Durch mehrmalige Infiltration der Areale

kommt es zu einer Desensibilisierung überreizter neuraler Elemente. In dieser

Phase muss die physikalische Therapie den Analgesieeffekt mit Lagerung und

allgemeiner Mobilisierung unterstützen. Nach wiederholter Applikation hält der

Zustand verminderter Erregbarkeit an, sodass man mit einer Serie von

Infiltrationen an zehn bis zwölf aufeinander folgenden Tagen eine Dauerwirkung

erzielen kann.

Mit der Applikation von Corticosteroiden nutzt man deren antiphlogistische

Eigenschaft zur Beseitigung aseptischer entzündlicher Veränderungen im

Bewegungssegment.

Bei der lumbalen Spinalnervenwurzelanalgesie (LSPA) versucht man bei akuten

und chronischen lokalen, pseudoradikulären und radikulären Lumbalsyndromen

nicht eine vollständige Analgesie und Paralyse lumbaler Nerven, sondern eine

Schmerzreduktion und Desensibilisierung gereizter neuraler Strukturen. Es wird

in die foramino-artikuläre Region des Bewegungssegmentes injiziert.

Bei der epiduralen Injektion wird bei einem lumbalen Wurzelsyndrom

unmittelbar an den Ort des Geschehens zwischen Wirbelkanal und Dura mater

spinalis gespritzt. Es gibt verschiedene Zugangswege: intralaminär dorsal, wie

bei einer PDA, epidural-perineural, über den Hiatus sakralis (epidural-sakral),

direkt über die Bandscheibe und über das Foramen intervertebrale per CT-

Kontrolle.

Die häufigsten Nebenwirkungen und Komplikationen sind orthostatische

Kreißlaufreaktionen, Infektionen und Arzneimittelunverträglichkeiten, des

Weiteren auch Taubheitsgefühle im Bein mit vorübergehenden motorischen

37

Störungen. In der Praxis empfiehlt es sich ein EKG und/oder Pulsoxymeter

anzuschließen.

1.5.1.12 Chemonukleolyse

Als weniger belastende Alternative zur Operation wird die Chemonukleolyse

genannt. Es wird Chymopapain, eine Proteoglykane spaltende Enzymlösung,

oder Kollagenase zur fermentativen Verflüssigung unter Röntgensichtkontrolle

direkt in die betroffene Bandscheibe injiziert. Hierbei kommt es zur Zersetzung

des Nukleusmaterials mit Reduktion des Wassergehaltes, sodass der

Platzbedarf der Bandscheibe verringert wird. Das Verfahren ist nur bei Protrusio

und intaktem Anulus fibrosus anwendbar.

1.5.2 Operative Therapie

Aufgrund der Gefahr der bleibenden Blasen- und Mastdarmlähmung besteht

beim Kauda-Syndrom eine absolute OP-Indikation (Niethard und Pfeil, 2003).

Andere Indikationskriterien sind starke, therapieresistente Schmerzen mit

hohem Leidensdruck, neurologische Symptomatik (Paresen) und

Beschwerdepersistenz trotz wochenlanger konservativer Therapie. Bloße

Osteochondrose ohne Wurzelsymptome ist keine Anzeige zur

Bandscheibenoperation.

Die Bandscheibenoperation (Nukleotomie, Hemilaminektomie, Diskotomie,

Mikrodiskotomie) beinhaltet die Eröffnung des Intervertebralraumes von dorsal

unter Resektion des Ligamentums flavum und ggf. eine Erweiterung der

knöchernen Anteile.

Dann wird das prolabierte Gewebes entfernt und jene Anteile der Bandscheibe,

die gelockert erscheinen, werden ausgeräumt.

In den letzten Jahren hat die Diskektomie als mikrochirurgisches perkutan-

endoskopisches Verfahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Die

Traumatisierung ist geringer und die Rehabilitation schneller.

38

Protrusionen lassen sich auch durch einen YAG-Laser (Yttrium-Aluminium-

Granat-Laser) entfernen.

Die Erfolgschancen der Bandscheibenoperation liegen bei sorgfältig gestellter

Indikation bei ca. 80 % (Rössler und Rüther, 2000).

In den nicht gebesserten Fällen kann sich ein chronisches

Postdiskotomiesyndrom mit manchmal äußerst quälenden, therapieresistenten

Beschwerden entwickeln. Ursache ist meist ein Rezidivprolaps oder

postoperative Verwachsungen im Spinalkanal, gelegentlich entzündliche

Veränderungen. Grundsätzlich gilt aber die Erfahrung, dass die Aussichten auf

Beschwerdefreiheit mit der Zahl der Folgeoperationen sicher abnehmen

(Rössler und Rüther, 2000).

1.6 Zielsetzung der Arbeit mit Fragestellung

Das Ziel der vorliegenden prospektiv randomisierten, einfach blinden Studie ist,

die Gegenüberstellung einer individuell angepassten Stufenlagerung mit und

ohne Vibration der Standardstufenlagerung und MIT. Aus ethischen Gründen

konnte man keine Kontrollgruppe ohne Standardstufenlagerung nehmen, da sie

in der Fachliteratur als die Therapie der Wahl gilt. Mithilfe des Vergleichs wird

geklärt, ob die Standardtherapie oder die individuell angepasste

Standardstufenlagerung erfolgsversprechender für Patienten ist.

Die zentralen Fragen der Untersuchung lauten dabei: Gibt es signifikante

Unterschiede bzw. eine Verbesserung durch die verschiedenen

Therapieansätze bei symptomatischen Lumbalsyndromen? Muss evtl. auf

andere Geräte (Vibrationsmaschinen) umgeschwenkt werden, um einen

besseren Therapieeffekt zu erhalten? Oder wird die altbewährte

Standardstufenlagerung als Komponente der MIT unterschätzt?

39

2. Material und Methoden

2.1 Versuchsdesign

In dieser prospektiv randomisierten, einfach blinden Studie wurden 102

stationäre Patienten in der orthopädischen Klinik des St. Josef Hospitals in

Bochum unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen Krämer mit akut auftretenden

Lumbalsyndromen untersucht und behandelt.

Die Studie fand von April 2003 bis Oktober 2003 statt. Der Erstkontakt der

stationären Patienten erfolgte meist am Aufnahmetag. Die Betreuung erfolgte

bis zur Entlassung. Der Behandlungszeitraum (sechs bis zwölf Tage) konnte

aufgrund des Wohlbefindens der Patienten etwas variieren. Die Therapie

erfolgte einmal täglich, außer an den Wochenenden, von zwei- bis zehnmal

während des Krankenhausaufenthaltes.

2.2 Stichproben

Die Patienten wurden in drei Gruppen aufgeteilt, wobei die Einteilung nach dem

Zufallsprinzip erfolgte. Bei jedem neu aufgenommen Patienten wurde aus einem

nicht einsehbaren Gefäß ein Zettel mit einem Gruppensymbol (Ø, V, ØV)

gezogen.

Die Auswahl der Studienpatienten erfolgte anhand verschiedener Kriterien:

Einschlußkriterium

• Akut aufgetretenes Lumbalsyndrom mit minimal-invasiver Therapie (MIT)

Ausschlusskriterien

• Patienten, die verweigern,

• immobile Patienten,

• akute Thrombosen.

40

Anschließend begann die Zuteilung in die drei genannten Gruppen (Ø, V, ØV).

Alle Patienten erhielten die MIT der orthopädischen Klinik des St. Josef

Hospitals mit der Standardstufenlagerung.

Zusätzlich wurden die Patienten der zweiten und dritten Gruppe mit einer

individuell angepassten Stufenlagerung mit und ohne Vibration auf einer

speziellen Liege behandelt.

Gruppe I (Symbol Ø):

Die Gruppe I umfasste 29 Patienten, davon 13 Frauen und 16

Männer. Das Durchschnittsalter lag bei 59 Jahren. Diese

Kontrollgruppe erhielt die MIT der orthopädischen Klinik und die

Standardstufenlagerung. Die Patienten füllten einmal täglich zum

gleichen Zeitpunkt die Schmerzintensität für Rücken und die unteren

Extremitäten in einer Tabelle aus. Zudem erhielten sie den Oswestry

Score bei Aufnahme und Entlassung.

Gruppe II (Symbol Ø V):

Die Gruppe II umfasste 36 Patienten, davon 18 Frauen und 18

Männer. Das Durchschnittesalter lag bei 60 Jahren. Die Patienten

dieser Gruppe erhielten zur MIT und Standardstufenlagerung eine

tägliche (außer am Wochenende) individuell angepasste

Stufenlagerung auf einer Spezialliege ohne Vibration. Diese

Behandlung dauerte zehn Minuten. Vor und nach jeder

Spezialbehandlung wurden Körperlänge und Schmerzintensität per

VAS gemessen. Am Ende der Behandlungsreihe bekamen die

Patienten die Gelegenheit, die Spezialliege mit einem Fragebogen zu

bewerten. Zusätzlich füllten auch sie die Schmerzskala sowie die

Oswestry Scores aus.

41

Gruppe III (Symbol V):

Die Gruppe III umfasste 37 Patienten, davon 16 Frauen und 21

Männer. Das Durchschnittsalter lag bei 55 Jahren. Im Gegensatz zur

zweiten Gruppe erhielten sie zur MIT und Standardstufenlagerung

eine tägliche (nicht am Wochenende) individuell angepasste

Stufenlagerung mit Vibration auf einer Spezialliege. Diese

Behandlung dauerte ebenfalls zehn Minuten. Genau wie bei der

zweiten Gruppe wurde vor und nach jeder Sitzung die Körperlänge

und Schmerzintensität per VAS gemessen. Die Patienten konnten

ebenfalls am Ende der Behandlung die Liege anhand eines

Fragebogens bewerten. Zusätzlich erhielten sie die Schmerzskala für

Rücken und die unteren Extremitäten sowie die beiden Oswestry

Scores.

42

2.3 Messinstrumente

2.3.1 Visuelle Analogskala

Die Visuelle Analogskala ist eine 10cm lange rote Linie, auf die der Patient die

Stärke seiner Beschwerden durch Verschieben dieser Linie markiert (s. Anhang

V). Der Patient wählt zwischen „keine Schmerzen“ (wenig rot) und „stärkste

Schmerzen“ (komplett rot) aus. Bei der Auswertung kann die Schmerzstärke

dann von null bis zehn als subjektiven Schweregrad für Schmerzen notiert

werden.

2.3.2 Oswestry Score

Der Oswestry Score ist ein spezieller Fragebogen für Menschen mit LWS-

Beschwerden. Er wurde von John O`Brien 1976 entwickelt und 1980

veröffentlicht. Durch Fairbank wurde er standardisiert. Er zeigt, wie

Rückenschmerzen im LWS-Bereich die Lebensqualität beeinflussen.

Der Score enthält zehn Komplexe:

1. Schmerzintensität

2. Persönliche Körperpflege

3. Heben und Tragen

4. Gehen

5. Sitzen

6. Stehen

7. Schlafen

8. Geschlechtsleben

9. Gesellschaftliche Aktivitäten

10. Reisen

43

In jedem Komplex kann der Patient die Beeinflussung der Lebensqualität durch

die Rückenschmerzen durch fünf Antwortmöglichkeiten beschreiben. Das

Ausmaß der Behinderung wird in Punkten beurteilt und steigt von der ersten bis

zur letzten Antwort. Der Fragebogen wird durch die Addition der erreichten

Punkte mit dem Verhältnis zur Maximalpunktzahl ausgewertet. Die Angabe

erfolgt in Prozent.

Ergebnis = Total Score x 100 (%) 50

Der Oswestry Score ist eine zuverlässige Methode, um den Grad der

Behinderung bei Rückenschmerz-Patienten im alltäglichen Leben zu

beschreiben, besonders bei chronischen Schmerzpatienten. Die Reliabilität

beträgt r=0,83 (Fairbank und Pynsent, 2000).

2.3.3 Messbogen Liege

Vor und nach jeder Behandlung auf der Spezialliege wurde die Körperlänge des

Patienten in cm und die Schmerzintensität im Rücken nach VAS (von 0 bis 10)

gemessen und in das Protokoll (s. Anhang III) eingetragen. Um eine tägliche

korrekte Lagerung zu gewährleisten, wurde die Höhe des individuell

verstellbaren Würfels und die des Kopfkissens dokumentiert.

2.3.4 Schmerzskala für Beine und Rücken

Alle Patienten erhielten bei Aufnahme eine Schmerzskala. Sie wurden gebeten,

die Schmerzintensität für Rücken und die unteren Extremitäten einmal täglich

zum gleichen Zeitpunkt während des stationären Aufenthaltes einzutragen. In

der Skala stand null für keine Schmerzen und zehn für sehr starke Schmerzen

(s. Anhang V).

44

2.3.5 Fragebogen Liege

Am Ende der Therapie mit der Spezialliege hatten die Patienten der Gruppen II

und III die Möglichkeit einen Fragebogen über diese Liege auszufüllen (s.

Anhang IV). Sie sollten u. a. Fragen über das Gefallen an der Liege, an der

Behandlungsdauer und der individuell angepassten Position beantworten.

Außerdem wurden die Patienten gebeten, zu beurteilen ob sie eine Besserung

verspürt haben und ob sie noch einmal einer Therapie mit der Spezialliege

zustimmen. Die Antwortmöglichkeiten konnten von sehr gut über unverändert

bis hin zu sehr schlecht gewählt werden.

45

2.4 Apparaturen

2.4.1 Spezialliege

Die spezielle Liege mit individuell angepasster Stufenlagerung kann eine

dreidimensionale Schwingung erzeugen, deren Frequenzen stufenlos steuerbar

sind. Sie bietet außerdem eine Höhenverstellung der Kopfauflage und eine

automatische HWS-Extension. Den Würfel für die Stufenlagerung kann man

individuell hochfahren, so dass Hüft- und Kniewinkel 90° ergeben.

Die Liege ist 188 cm lang, 83 cm breit und 75 cm hoch. Sie ist

maximal belastbar mit 200 kg; die Liege hat ein Eigengewicht von 120 kg.

Die Wirkung dieser Spezialliege zielt auf eine Muskeltonusverringerung,

Gefäßdilatation, Dehnung der Wirbelsäule, Quellung der Bandscheibenkerne

und Vergrößerung der Intervertebralräume. Somit ist die Behandlung indiziert

bei degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen, Migräne, Spannungs-

kopfschmerzen, muskuläre Dysbalancen und u. a. auch bei Zustand nach

Apoplex, Schädelhirntrauma, obstruktiver Atemwegserkrankung, Morbus

Bechterew und Morbus Parkinson.

Aufgrund der gefäßerweiternden Wirkung in Kombination mit Vibration ist die

Behandlung bei akuter Thrombose kontraindiziert.

Abb. 12: Vibrationsliege mit individuell angepasster Stufenlagerung (Schipke, 2001)

46

2.4.2 Würfel

Den Patienten wurden zur Standardstufenlagerung mit Schaumstoff gefüllte,

leichte Würfel gestellt (siehe Abbildung 12). Sie konnten aus drei Würfeln

wählen. Jeder Würfel gab drei Möglichkeiten, eine optimale Lagerung mit 90°

Winkel anzupassen.

Maße des großen Würfels: 45 cm x 49 cm x 55 cm

Maße des mittleren Würfels: 39 cm x 44 cm x 51 cm

Maße des kleinen Würfels: 38 cm x 43 cm x 48 cm

Abb.13: Würfel für Stufenlagerung (Sportolino, 2007)

47

2.5 Behandlungsmethoden

Die Therapiekonzepte dieser Studie werden im Folgenden dargestellt.

2.5.1 Minimal invasive Therapie der orthopädischen Klinik

Alle Patienten erhielten die stationäre minimal-invasive Wirbelsäulentherapie

(s. Anhang VI). Es ist eine ca. zehntägige multimodale Behandlung mit ärztlich-

interdisziplinärer, physiotherapeutischer und psychotherapeutischer

Komponente (Theodoridis und Krämer, 2002).

Die ärztlichen Maßnahmen bestanden in der täglichen wirbelsäulennahen

Injektion, entweder als Spinalnervenanalgesie und/oder als epidurale-

perineurale Infiltration. Die Injektionen beinhalteten Lokalanästhetika, Steroide

oder anderen Antiphlogistika. Sie wurden durch EKG und Pulsoxymeter

überwacht. Diese Therapie wurde in sitzender Haltung durchgeführt. Bei starken

radikulären Symptomen konnte ggf. eine Zweitinfiltration sechs Stunden nach

der ersten Injektion durchgeführt werden.

Eine begleitende Stufenlagerung, die vom Arzt kontrolliert wurde, unterstützte

den Effekt der Spritzenbehandlung. Zeitversetzt erfolgten je nach Befund

manuelle Therapie und Akupunktur sowie eine Schmerztherapie nach WHO.

Die Schmerzintensität und die klinischen Symptome wurden regelmäßig

kontrolliert. Alle Patienten bekamen nach der ärztlichen Anamnese bei der

Aufnahme eine Schmerzskala. Sie wurden gebeten, die Schmerzintensität für

Rücken und die unteren Extremitäten einmal täglich zum gleichen Zeitpunkt

während des stationären Aufenthaltes einzutragen. In der Skala stand null für

keine Schmerzen und zehn für sehr starke Schmerzen (s. Anhang V).

Außerdem erhielten alle Patienten zwei Oswestry Fragebogen. Einen jeweils

sollten sie bei Aufnahme und Entlassung ausfüllen und abgeben (s. Anhang II).

Die begleitenden physiotherapeutischen Maßnahmen beinhalteten Kranken-

gymnastik, Rückenschule, Thermotherapie (Fango) und Elektrotherapie

(Diadynamik). Besonders ein individuelles Sportprogramm und das BISFR-

48

Konzept versuchten, Schmerzen abzubauen. Das Standradfahren und das

Bewegungsbad wurden eingesetzt.

Psychologen boten Hilfe zur Schmerzbewältigung mit speziellem Training und

Entlastungsgespräche an.

Die progressive Muskelentspannung nach Jacobson fand einmal täglich

nachmittags statt.

2.5.2 Standardstufenlagerung

Die Standardstufenlagerung mit Hilfe des Würfels ist für die LWS eine sehr

entlastende Lagerung. Hüft- und Kniegelenk befinden sich im rechten Winkel

und bilden so die Form einer Stufe. In dieser Lagerung ist der Ischiasnerv

maximal entspannt. Die Lendenlordose ist abgeflacht, dadurch erweitern sich

die Foramina intervertebralia und der lumbale Wirbelkanal wird weiter. Die

Wirbelgelenkkapseln werden entlastet (Krämer und Nentwig, 1999). Die

Patienten sollten täglich zwischen den einzelnen Behandlungen in dieser

Position verweilen und sich entspannen. Die korrekte Lagerung wurde von

Ärzten kontrolliert.

2.5.3 Vibrationsliege mit individuell angepasster S tufenlagerung

Die Behandlung auf der Spezialliege fand meistens mittags an den Werktagen

zwischen den weiteren Anwendungen statt und dauerte zehn Minuten. Jedem

Patienten wurde die Liege und die individuell angepasste Stufenlagerung

erklärt. Eine Anpassung des Würfels und des Kopfkissens erfolgte beim ersten

Mal. Die Maße wurden für den einzelnen Patienten notiert und bei jeder

Behandlung wieder verwendet.

49

2.5.3.1 Behandlung ohne Vibration

Die Liege wurde nur mit Stufenlagerung und HWS-Extension genutzt. Die

Vibration wurde nicht eingeschaltet.

2.5.3.2 Behandlung mit Vibration

Die Liege wurde mit Stufenlagerung, mit HWS-Extension und einer

Vibrationsfrequenz von zehn Hertz gewählt. Alle Patienten erhielten die gleiche

Frequenz. Bei Unwohlsein konnte die Frequenz reduziert werden. Damit keine

Nebenwirkungen auftraten, wurde die Frequenz extra niedrig eingestellt.

50

3. Ergebnisse

Ziel der Studie ist es zu überprüfen, ob die Standardstufenlagerung oder die

individuell angepasste Stufenlagerung mit und ohne Vibration dem Patienten mit

LS größerem Nutzen bringt.

Zunächst werden die Ergebnisse der drei Gruppen anhand verschiedener Items

(Schmerzintensität, Oswestry Score, Körperlänge, VAS) einzeln untersucht.

Dazu erfolgt die Betrachtung der Mittelwerte zu bestimmter Zeit. Anschließend

werden die Gruppen miteinander verglichen.

Die Analysen wurden mit dem Statistikprogramm SPSS (Version 11.5.1) erstellt.

Das Signifikanzniveau wurde dabei auf α=.05 festgelegt.

Zur Analyse wurde der t-Test für abhängige gepaarte Stichproben und die

einfaktorielle Varianzanalyse verwendet.

Die Auswertungen der standardisierten Fragebögen und der anderen

Messparameter werden im Folgenden beschrieben.

51

3.1 Alters- und Geschlechtsverteilung

Die Verteilung an Männern und Frauen ergab in allen Gruppen ein nahezu

ausgeglichenes Verhältnis. In den Gruppen I und III herrschte ein leichter,

jedoch nicht signifikanter Männerüberschuss vor (55% und 56%). Das Alter lag

durchschnittlich bei 58,26 Jahren.

Geschlechterverteilung der Patienten(n = 102)

21

1618

1618

13

0

5

10

15

20

25

Gruppe I Gruppe II Gruppe III

Anzahl der Patienten

männlich

weiblich

Abb. 14: Geschlechterverteilung der Patienten nach Gruppen (Gruppe I = Kontrollgruppe; Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration)

Die Abbildung 14 zeigt die Geschlechterverteilung bezogen auf die einzelnen

Gruppen (Gruppen I-III) mit Anzahl der Patienten. Nur in der Gruppe II

(Patienten auf der Spezialliege ohne Vibration) herrscht ein ausgeglichenes

Verhältnis von Mann und Frau. In den beiden übrigen Gruppen findet sich ein

leichter Männerüberschuss: 16 Männer zu 13 Frauen in Gruppe I

(Kontrollgruppe) und 21 Männer zu 16 Frauen in Gruppen III (Patienten auf der

Spezialliege mit Vibration).

52

Durchschnittsalter der Gruppen I bis III(n = 29/36/37)

59,69

60,17

55,3

52 53 54 55 56 57 58 59 60 61

Gruppe I

Gruppe II

Gruppe III

Alter

Abb. 15: Altersverteilung nach Gruppen (Gruppe I = Kontrollgruppe; Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration)

Die Abbildung 15 stellt die Altersverteilung in allen drei Gruppen dar. Während

in der Vibrationsliegengruppe (Gruppe III) die jüngsten Studienteilnehmen mit

einem Altersdurchschnitt von 55 Jahren verzeichnet werden, sind die übrigen

Probanden der Gruppen II und III 60 Jahre alt.

53

3.2 Lokalisation

Die Beschwerden der Patienten mit Lumbalsyndrom verteilten sich auf LWK 5,

SWK1 und LSS. In Gruppen II und III überwogen die Beschwerden an LWK 5

(55% und 54%). Insgesamt kamen die Bandscheibenvorfälle an SWK1 am

wenigsten vor (15%).

Lokalisation der Beschwerden in den drei Gruppen(n = 102)

13

20 20

4 57

12 11 10

0

5

10

15

20

25

Gruppe I Gruppe II Gruppe III

Anzahl der Patienten

LWK5 SWK1 LSS

Abb. 16: Beschwerdelokalisation an der Wirbelsäule (LWK5, SWK1, LSS) in den Gruppen (Gruppe I = Kontrollgruppe; Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration)

Die Abbildung 16 zeigt die Beschwerdelokalisation der einzelnen Gruppen mit

der jeweiligen Anzahl der Patienten. In allen Gruppen klagen die meisten

Patienten über eine LWK5 Beteiligung (je 20 Patienten in Gruppe II und III, 13

Patienten der Kontrollgruppe) und die wenigsten über einen SWK1-Schmerz

(vier bis sieben Patienten der einzelnen Gruppen). Dazwischen lag die LSS mit

einem Durchschnitt von zehn Patienten.

54

3.3 Schmerzen in Rücken und unterer Extremität bei Aufnahme und

Entlassung

Bei der Auswertung der von den Patienten ausgefüllten Tabelle

(Schmerzintensität von Rücken und unterer Extremität; s. Anhang I) sah man im

stationären Verlauf eine signifikante Besserung bei Gruppe II und III für den

Rücken auf einem Niveau von jeweils p<.05. Bei der Gruppe I konnte keine

signifikante Besserung verzeichnet werden (s. Tabelle 1).

Im Vergleich der Gruppen untereinander gab es keinen signifikanten

Unterschied bei der Schmerzintensität im Rücken vor der ersten und nach der

sechsten Behandlung (s. Tabelle 2).

Schmerzintensität im Rücken(n = 15/15/13)

4,875,08

4,87

3,134,13

4,00

0

1

23

4

5

6

78

9

10

Gruppe I Gruppe II Gruppe III

Schmerz nach VAS

vor der erstenBehandlung

nach dersechstenBehandlung

Abb. 17: Schmerzintensität nach VAS (0=kein Schmerz; 10=stärkste Schmerzen) in der LWS aller Gruppen (Gruppe I = Kontrollgruppe; Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration) vor der ersten und nach der sechsten Behandlung

Die Abbildung 17 zeigt die Schmerzintensität im Rücken gemessen von 0-10

Punkten nach VAS der einzelnen Gruppen vor der ersten und nach der

sechsten Behandlung. Alle Patienten geben einen Rückgang der Schmerzen

an. Besonders Gruppe II verbessert sich um 1,74 Punkte in der Skala. Gruppe I

um 0,74 Punkte und Gruppe III um 1,08 Punkte.

55

Tab. 1: Mittelwertvergleich für das Item Rückenschmerzen für alle Gruppen (Gruppe I = Kontrollgruppe; Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration) vor der ersten (t(0)) und nach der sechsten (t(1)) Behandlung Mittelwert Standardabweichung Signifikanzniveau

RS t(0)–t(1) Gruppe I

0,73 2,08 p=.195 n. s.

RS t(0)–t(1) Gruppe II

1,73 1,91 p<.05

RS t(0)-t(1) Gruppe III

1,08 1,31 p<.05

In der Tabelle 1 wird die signifikante Schmerzverbesserung im Rücken vor der

ersten (t(0)) und nach der sechsten (t(1)) Behandlung für die Patienten auf der

Spezialliege (Gruppen II und III) dargestellt (p<.05). Die Kontrollgruppe zeigt

keine signifikante Verbesserung der Rückenschmerzen.

Tab. 2: Varianzanalyse für das Item Schmerzintensität im Rücken als Vergleich für alle Gruppen (Gruppe I = Kontrollgruppe; Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration) vor der ersten (t(0)) und nach der sechsten (t(1)) Behandlung df F-Wert Signifikanzniveau

RS t(0) alle Gruppen

2 .201 p=.979 n. s.

RS t(1) alle Gruppen

2 .575 p=.567 n. s.

In der Tabelle 2 werden die drei Gruppen untereinander für das Item

Rückenschmerzen verglichen. Vor der ersten (t(0)) und nach der sechsten (t(1))

Behandlung ist kein signifikanter Unterschied zu verzeichnen.

56

Betrachtet man den Verlauf der Schmerzen der unteren Extremität so erkennt

man eine signifikante Besserung auf einem Niveau p<.05 in der Gruppe II. Der

Mittelwertvergleich der anderen Gruppen und auch der Vergleich der Gruppen

untereinander waren nicht signifikant (s. Tabellen 3 und 4).

Schmerzintensität in der unteren Extremität(n = 13/14/11)

6,435,455,15

4,57 4,554,38

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Gruppe I Gruppe II Gruppe III

Schmerz nach VAS

vor der erstenBehandlung

nach dersechstenBehandlung

Abb. 18: Schmerzintensität nach VAS (0=kein Schmerz; 10=stärkste Schmerzen) in der unteren Extremität aller Gruppen (Gruppe I = Kontrollgruppe; Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration) vor der ersten und nach der sechsten Behandlung

Die Abbildung 18 beschreibt die Schmerzintensität aller Gruppen in der unteren

Extremität in Punkten von 0-10 (kein bis stärkster Schmerz) vor der ersten und

nach der letzten Behandlung. Alle Gruppen geben einen Schmerzrückgang an,

wobei wieder die Gruppe II (Liege ohne Vibration) die meiste Reduktion mit 1,86

Punkten vorzuweisen hat. Die Gruppen I (0,77) und III (0,9) bleiben unter 1

Punkt Schmerzrückgang.

57

Tab. 3: Mittelwertvergleich für das Item Schmerzintensität in der unteren Extremität für alle Gruppen (Gruppe I = Kontrollgruppe; Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration) vor der ersten (t(0)) und nach der sechsten (t(1)) Behandlung Mittelwert Standardabweichung Signifikanzniveau

BS t(0)-t(1) Gruppe I

0,77 2,55 p=.299 n. s.

BS t(0)-t(1) Gruppe II

1,86 1,83 p<.05

BS t(0)-t(1) Gruppe III

0,91 1,45 p=.064 n. s.

Die Tabelle 3 beschreibt den signifikanten (p<.05) Schmerzrückgang in den

Beinen vor der ersten (t(0)) und nach der sechsten (t(1)) Behandlung der

Gruppe II. Die übrigen zwei Gruppen weisen eine nicht signifikante

Verbesserung der Beinschmerzen auf.

Tab. 4: Varianzanalyse für das Item Schmerzintensität in der unteren Extremität als Vergleich für alle Gruppen (Gruppe I = Kontrollgruppe; Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration) vor der ersten (t(0)) und nach der sechsten (t(1)) Behandlung

df F-Wert Signifikanzniveau

BS t(0) alle Gruppen

2 .989 p=.382 n. s.

BS t(1) alle Gruppen

2 .021 p=.979 n. s.

Auch bei der Varianzanalyse aller Gruppen für die Schmerzintensität der

unteren Extremität (Tabelle 4) vor der ersten (t(0)) und nach der sechsten (t(1))

Behandlung gibt es keinen signifikanten Unterschied.

58

3.4 Oswestry Score vor und nach der Behandlung

Der Oswestry Score zeigte eine signifikante Verbesserung der genannten

Tätigkeiten von Aufnahme bis Entlassung bei allen drei Gruppen (siehe

Abbildung 19) auf dem Niveau hochsignifikant p=.000 für die Gruppen auf der

Liege (Gruppe II und III) und auf dem Niveau p<.05 für die Kontrollgruppe I (s.

Tabelle 5). Vergleicht man allerdings die Gruppen untereinander schneiden die

Patienten mit der individuell angepassten Stufenlagerung nicht signifikant

besser ab (s. Tabelle 6).

Oswestry-Score der Gruppen I bis III

26,86

33,64

39,88

34,23

23,96

31,9

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

vorher nachher

Punkte Oswestry

Score

Gruppe I

Gruppe II

Gruppe III

Abb. 19: Auswertung des Oswestry Scores aller Gruppen (Gruppe I = Kontrollgruppe; Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration) vor der ersten und nach der letzten Behandlung

Die Abbildung 19 zeigt die Auswertung des Oswestry Scores (Beeinflussung der

Rückenschmerzen auf die Lebensqualität) nach Punkten aller Gruppen vor der

ersten und nach der letzten Behandlung. Alle Patienten geben eine

Verbesserung der Lebensqualität an. Die Gruppe I verbessert sich um 6,24, die

Gruppe II um 7,34 und die Gruppe III um 7.94 Punkte.

59

Tab. 5: Mittelwertvergleich für das Item Oswestry Score für alle Gruppen (Gruppe I = Kontrollgruppe; Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration) vor der ersten (t(0)) und nach der letzten (t(1)) Behandlung Mittelwert Standardabweichung Signifikanzniveau

OS t(0)-t(1) Gruppe I

6,24 9,97 p<.05

OS t(0)-t(1) Gruppe II

7,34 11,25 p=.00

OS t(0)-t(1) Gruppe III

7,94 10,30 p=.00

Die Tabelle 5 zeigt eine hochsignifikante (p=.00) Verbesserung der

Lebensqualität unter Beeinflussung von Rückenschmerzen mit Hilfe des

Oswestry Scores vor der ersten (t(0)) und nach der letzten (t(1)) Behandlung

der beiden Gruppen auf der Spezialliege (Gruppen II und III). Auch bei Gruppe I

kann eine signifikante Besserung auf dem Niveau p<.05 vor und nach der

letzten Behandlung aufgezeichnet werden.

Tab. 6: Varianzanalyse für das Item Oswestry Score als Vergleich für alle Gruppen (Gruppe I = Kontrollgruppe; Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration) vor der ersten (t(0)) und nach der letzten (t(1)) Behandlung df F-Wert Signifikanzniveau

OS t(0) alle Gruppen

2 1.79 p=.172 n. s.

OS t(1) alle Gruppen

2 2.95 p=.057 n. s.

Die Tabelle 6 vergleicht mittels Varianzanalyse für den Oswestry Score alle drei

Gruppen vor der ersten (t(0)) und nach der letzten (t(1)) Behandlung und zeigt

keinen signifikanten Unterschied bei der Verbesserung der Lebensqualität

zwischen den Gruppen.

60

3.5 Messergebnisse bei der Liege

Während der Behandlung auf der Spezialliege wurden die Körperlänge und das

Schmerzempfinden als Parameter genommen.

3.5.1 Körperlänge

Die gemessene Körperlänge am Anfang der Behandlung und am Ende war in

beiden Gruppen nicht signifikant angestiegen (s. Tabelle 7). Allerdings konnte

man nach jeder einzelnen Behandlung einen Anstieg der Körperlänge sehen

(s. Abbildung 20), der zwar signifikant war, aber wie bereits erwähnt nicht von

Dauer war.

Körpergröße vor und nach der einzelnen Behandlung der Gruppen II und III

172,63

175,6175,27

172,13

170

171

172

173

174

175

176

vorher nachher vorher nachher

Gruppe II (n = 23) Gruppe III (n = 19)

Körperlänge in cm

Abb. 20: Körperlänge vor und nach der einzelnen Behandlung auf der Spezialliege in den Gruppen II und III (Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration)

Die Abbildung 20 zeigt die gemessene Körperlänge vor und nach der einzelnen

Behandlung auf der Spezialliege der Gruppen II und III. Man kann einen

signifikanten Anstieg auf dem Niveau p<.05 bei beiden Gruppen erkennen. Die

Gruppe ohne Vibration kann eine Erhöhung der Körperlänge von 0,5cm

verzeichnen, die Gruppe mit Vibration 0,33cm.

61

Tab. 7: Mittelwertvergleich für das Item Körperlänge für die Gruppen II und III (Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration) vor der ersten (t(0)) und nach der letzten (t(1)) Behandlung Mittelwert Standardabweichung Signifikanzniveau

KL t(0)-t(1) Gruppe II

0,38 3,57 p=.614 n. s.

KL t(0)-t(1) Gruppe III

-2,02 6,27 p=.178 n. s.

Die Tabelle 7 zeigt den Verlauf der Körperlänge vor der ersten (t(0)) und nach

der letzten (t(1)) Behandlung der Gruppe II und III. Es gibt insgesamt keinen

signifikanten Anstieg zu verzeichnen.

Tab. 8: Varianzanalyse für das Item Körperlänge als Vergleich für Gruppen II und III; (Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration) vor der ersten (t(0)) und nach der letzten (t(1)) Behandlung df F-Wert Signifikanzniveau

KL t(0) Gruppen II,III

40 .006 p=.941 n. s.

KL t(1) Gruppen II,III

40 1.270 p=.267 n. s.

Die Tabelle 8 vergleicht die zwei Gruppen für das Item Körperlänge

untereinander vor der ersten (t(0)) und nach der letzten (t(1)) Behandlung und

beschreibt keinen signifikanten Unterschied.

62

3.5.2 Visuelle Analogskala

Nach jeder einzelnen Behandlung und am Ende der gesamten

Behandlungsserie gaben die Patienten eine signifikante Besserung ihrer

Schmerzen anhand der VAS an auf dem Niveau p=.000 für Gruppe II und p<.05

für Gruppe III (s. Tabelle 9). Vergleicht man dagegen die Gruppe mit Vibration

(Gruppe III) und die ohne Vibration (Gruppe II), gab es keinen signifikanten

Unterschied (s. Tabelle 10).

Visuelle Analogskala für Schmerzen(n = 36/37)

3,31

2,612,98

2,49

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

vorher nachher

Schmerz nach VAS

Gruppe II

Gruppe III

Abb. 21: Schmerzintensität nach VAS (0=kein Schmerz; 10=stärkste Schmerzen) vor und nach der einzelnen Behandlung auf der Spezialliege in den Gruppen II und III (Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration)

Die Abbildung 21 zeigt den Verlauf der Schmerzen anhand der Visuellen

Analogskala in Punkten (0-10) für die zwei Gruppen auf der Liege vor und nach

der einzelnen Behandlung. Beide Gruppen können eine Schmerzbesserung

aufweisen. Die Gruppe II von 0,69 Punkten, die Gruppe III von 0,49 Punkten

gemessen nach VAS.

63

Tab. 9: Mittelwertvergleich für das Item Visuelle Analogskala für die Gruppen II und III (Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration) vor der ersten (t(0)) und nach der letzten (t(1)) Behandlung Mittelwert Standardabweichung Signifikanzniveau

VAS t(0)-t(1) Gruppe II

0.69 7,33 p=.000

VAS t(0)-t(1) Gruppe III

0,49 0,78 p<.05

Die Tabelle 9 zeigt die signifikante Besserung der Schmerzen der Patienten auf

der Liege (Gruppe II und III) anhand der VAS vor der ersten (t(0)) und nach der

letzten (t(1)) Behandlung. Die Gruppe II weist einen Schmerzrückgang auf dem

hochsignifikanten Niveau p=.000, die Gruppe III auf dem Niveau p<.05 auf.

Tab. 10: Varianzanalyse für das Item Visuelle Analogskala als Vergleich für Gruppen II und III; (Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration) vor der ersten (t(0)) und nach der letzten (t(1)) Behandlung df F-Wert Signifikanzniveau

VAS t(0) Gruppen II,III

55 .537 p=.467 n. s.

VAS t(1) Gruppen II,III

55 .228 p=.635 n. s.

Die Tabelle 10 vergleicht die Gruppen II und III für das Item VAS vor (t(0)) und

nach der letzten (t(1)) Behandlung auf der Liege. Es kann kein signifikanter

Unterschied beschrieben werden.

64

3.6 Fragebogen Liege

Bei der letzten Behandlung bewerteten die Patienten die spezielle Liege. Sie

wurde in beiden Gruppen als angenehm empfunden (67% der Patienten der

einzelnen Gruppen) und zeigte großen Gefallen (60%). Eine auffällige

Besserung verneinten jedoch beide Gruppen. Die Behandlungsdauer war gut

gewählt. Mehr als die Hälfte beider Gruppen möchte die Therapie mit der

individuell angepassten Stufenlagerung und Vibration wiederholen.

Empfindung auf der Vibrationsliege mit individuell angepasster Stufenlagerung

(n = 73)

7

25

30 1

11

23

30 0

0

5

10

15

20

25

30

sehr angenehm angenehm normal unangenehm sehrunangenehm

Empfindung

Punkte nach Fragebogen

Gruppe II

Gruppe III

Abb. 22: Empfinden auf der Spezialliege der Gruppen II und III (Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration) nach Auswertung des Fragebogens

Die Abbildung 22 zeigt das Empfinden auf der Spezialliege ausgewertet anhand

des Fragebogens der Liege nach Punkten für die Gruppen II und III. Sieben

Patienten der Gruppe II finden die Therapie auf der Spezialliege als sehr

angenehm, 11 Patienten stammen aus der Gruppe III. Die Mehrheit (25 von 36

der Gruppe II; 23 von 37 der Gruppe III) beschreiben die Liege als angenehm.

Sehr unangenehm empfindet nur ein Patient aus der Gruppe II diese

Spezialliege.

65

Gefallen an der Vibrationsliege mit individuell angepasster Stufenlagerung

(n = 73)

7

22

6

0

22

6

0

1

0

9

0

5

10

15

20

25

sehr gut gut normal schlecht sehr schlechtGefallen

Punkte nach Fragebogen

Gruppe II

Gruppe III

Abb. 23: Gefallen an der Spezialliege der Gruppen II und III (Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration) nach Auswertung des Fragebogens

Die Abbildung 23 beschreibt das Gefallen der Patienten aus den Gruppen II und

III an der Spezialliege. Je 22 Patienten (60%) aus beiden Gruppen stufen die

Liege als gut ein. Sieben Patienten aus Gruppe II und neun Patienten aus

Gruppe III sogar als sehr gut. Keiner aus den Gruppen findet die Liege sehr

schlecht.

66

Verbesserung der Beschwerden durch die Vibrationsliege mit individuell angepasster

Stufenlagerung(n = 73)

1

4

8 8

0

9

7

1011

13

0

2

4

6

8

10

12

14

sehr stark stark wenig sehr wenig keine Beschwerdebesserung

Punkte nach Fragebogen

Gruppe II

Gruppe III

Abb. 24: Beschwerdebesserung durch die Spezialliege der Gruppen II und III (Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration) nach Auswertung des Fragebogens

Die Abbildung 24 gibt eine Aussage über die Beschwerdebesserung durch die

Liege als subjektives Gefühl der Patienten der beiden Gruppen. Nur fünf

Patienten aus Gruppe II und neun Patienten der Gruppe III beschreiben eine

starke bzw. sehr starke Besserung der Rückenbeschwerden. Die übrigen

Patienten (75-80%) geben wenig, sehr wenig oder keine Verbesserung an.

67

Gefallen der Behandlungsdauer auf der Vibrationslie ge mit individuell angepasster Stufenlagerung

(n =73)

3

22

2

8

0

3

18

2

13

1

0

5

10

15

20

25

sehr gut gut normal schlecht sehr schlechtGefallen

der Dauer

Punkte nach Fragebogen

Gruppe II

Gruppe III

Abb. 25: Gefallen der Behandlungsdauer auf der Spezialliege der Gruppen II und III (Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration) nach Auswertung des Fragebogens

Die Abbildung 25 beschreibt das Gefallen an der Behandlungsdauer auf der

Liege der Gruppen II und III. 22 von 36 Patienten der Gruppe II und 18 von 37

Patienten der Gruppe III finden großen Gefallen an der Behandlungsdauer von

zehn Minuten, je drei Patienten sogar sehr großen Gefallen. Aber auch 22% der

Gruppe II und 35% der Gruppe III halten die ausgewählte Therapiezeit auf der

Liege für schlecht.

68

Wiederholung der Therapie auf der Vibrationsliege m it individuell angepasster Stufenlagerung

(n = 73)

4

18

9

23

10

18

6

12

02

46

810

1214

1618

20

sehr gern gern neutral ungern sehr ungernWiederholungs-

wunsch

Punkte nach Fragebogen

Gruppe II

Gruppe III

Abb. 26: Wunsch nach Wiederholung der Therapie mit der Spezialliege der Gruppen II und III (Gruppe II = Spezialliege ohne Vibration; Gruppe III = Spezialliege mit Vibration) nach Auswertung des Fragebogens

Die Abbildung 26 zeigt den Wunsch der Patienten der Gruppen II und III nach

Wiederholung der Therapie auf der Spezialliege. Je 18 Patienten (50%) aus

jeder Gruppe möchten diese Therapie gerne wiederholen.

11% der Gruppe II und 27% der Gruppe III wünschen sich sogar sehr gerne

eine Wiederholung. Fünf (aus Gruppe II) und drei (aus Gruppe III) Patienten

können sich eine Therapie mit der Spezialliege gar nicht vorstellen.

69

4. Diskussion

Die Zielsetzung dieser prospektiv randomisierten, einfach blinden Studie mit

102 stationären Patienten der orthopädischen Klinik des St. Josef Hospitals war

die Gegenüberstellung einer individuell angepasste Stufenlagerung mit und

ohne Vibration der Standradstufenlagerung mit MIT.

Die Stufenlagerung als konservative Therapie des Lumbalsyndroms wird in der

gesamten Literatur (Krämer, 2005; Krämer und Nentwig, 1999; Krämer, 2006;

Bischhoff, 2001; Rössler und Rüther, 2000) als unersetzbar angesehen. So wird

die Stufenlagerung mit Massage, Traktion, Wärmeanwendungen und lokalen

Injektionen als MIT standardmäßig in vielen Kliniken verwendet und sehr häufig

erwähnt (Krämer, 2006; Bischhoff, 2001; Theodoridis und Krämer, 2002).

In Kombination mit einer Vibration gibt es bisher jedoch kaum Studien, nur die

des Herstellers. Es werden einige Ganzkörpervibrationsgeräte erwähnt, die über

positive Effekte bei verschiedenen Erkrankungen, wie Apoplex, Morbus

Parkinson, chronisch obstruktiver Atemwegserkrankung und Rückenschmerzen

berichten (Ivamoto, 2005; Rittweger et al., 2002; Brumagne et al., 2000). So

werden z. B. durch die Ganzkörpervibration chronische Rückenschmerzen

reduziert (Ivamoto, 2005). In einer anderen Studie wird Vibration mit Extension

bei Patienten mit Lumbalsyndrom verglichen. Beide Therapieansätze konnten

die Schmerzen signifikant reduzieren, die Extensionsgruppe war jedoch

schmerzfreier (Rittweger et al., 2002). Auch der Physiotherapeut Brumagne

verweist in seinen zahlreichen Untersuchungen über Vibration auf die

Verbesserung bei Rückenschmerzen durch Muskelentspannung (Brumagne et

al., 2000).

Alle 102 Patienten (3 Gruppen) erhielten die gleiche MIT nach dem Spritzen-

Würfel-Konzept. Die Patienten konnten sich die Würfellängen selbst auf der

Station aussuchen und die Position wurde durch den Arzt und das

Pflegepersonal kontrolliert. Die Gruppen II und III wurden zusätzlich mit einer

Spezialliege und individuell angepasster Stufenlagerung mit und ohne Vibration

behandelt. Eine vierte Kontrollgruppe ohne Standardstufenlagerung hätte die

70

Bewertung der Studie erleichtert. Aus medizinischer Sicht war das aber nicht

möglich, da wir der Überzeugung sind, dass die Stufenlagerung unverzichtbar

ist.

Einen signifikanten Unterschied zwischen Geschlecht und Alter bei den

Gruppen gab es nicht.

Bei der durchgeführten Studie zeigte sich, dass alle Gruppen insgesamt eine

signifikante Besserung der Beschwerden (Rückenschmerzen, Schmerzen in der

unteren Extremität, Mobilität) angaben. Allerdings bestand zwischen den

einzelnen Gruppen kein signifikanter Unterschied.

Durch die regelmäßige Aufzeichnung der Schmerzintensität (VAS) im Rücken

und der unteren Extremitäten vor und nach Therapiebeginn sowie vor und nach

jeder Sitzung auf der Spezialliege, konnte der Therapieerfolg gut eruiert werden.

Auch nach der Auswertung des sehr zuverlässigen Oswestry Scores, konnte

man alle drei Gruppen gut vergleichen. Der Fragebogen wurde bei Aufnahme,

also vor Therapiebeginn und bei Entlassung ausgefüllt. Der Oswestry Score,

der sich in Studien (Roland und Fairbank, 2000) bewährt hat, ermöglicht

Rückschlüsse auf die Lebensqualität bei Patienten mit Rückenschmerzen. So

wurden besonders die Aktivitäten des täglichen Lebens wie Körperpflege,

Gehen, Stehen und Schlafen betrachtet.

Bei allen drei Gruppen wurde eine Verbesserung auf einem sehr hohen Niveau

festgestellt. Bei dem Vergleich der Gruppen untereinander (Varianzanalyse) ist

keine signifikante Differenz zwischen den einzelnen Gruppen erkennbar.

Die Gruppen II und III erhielten zu der VAS und dem Oswestry Score einen

Fragebogen, um die Spezialliege zu bewerten. Die Liege wurde gut

angenommen und die meisten Patienten wünschten eine Wiederholung, weil sie

ein angenehmes Liegegefühl beschrieben. Eine ausdrückliche Besserung

gaben sie nicht an.

71

Vor und nach jeder Behandlung auf der Spezialliege wurde die Körperlänge der

Patienten der Gruppen II und III gemessen. Als Faktor für eine entlastete

Bandscheibe sah man bei allen Patienten dieser zwei Gruppen einen Anstieg

der Körperlänge nach der einzelnen Behandlung. Dieser Anstieg war allerdings

nicht auf Dauer, zudem konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den

Gruppen II und III festgestellt werden.

Alle Ergebnisse haben gezeigt, dass eine individuelle Anpassung und Vibration,

wie bei der Spezialliege (Gruppen II und III) einen subjektiv positiven Effekt,

jedoch keine signifikante Besserung brachten.

Kleine Menschen hatten zudem mit der Würfellänge auf der Liege Probleme

und waren nicht in einer optimalen Position.

Die Vibration war in Gruppe III sehr gering eingestellt. Vielleicht wäre durch eine

Erhöhung der Frequenz über 10 Hertz die Symptomatik signifikant verbessert

worden. Eine Verlängerung der Vibrationsdauer auf z.B. 15 oder 20 Minuten

könnte ebenfalls eine Verbesserung zeigen. Außerdem wäre eine Kombination

der Spezialliege mit Wärme im LWS-Bereich möglich, um die Schmerzen

deutlicher zu lindern. Weiterhin gibt es den Zusatz einer Traktionsbehandlung,

entsprechend dem Perl´schen Gerät, um die Effektivität des Vibrationsgerätes

zu verbessern. Ohne diese Zusätze hatte die Therapie mit der Spezialliege

keinen weiteren Einfluss auf Gesundung, wenn man Gruppe II mit Gruppe III

vergleicht.

Die Nachteile der Standardstufenlagerung werden nur wenig erwähnt. So

werden in der Literatur die Thrombosegefahr durch zu viel Bettruhe (Krämer,

2006) und auch ein möglicher M. Peroneus-Schaden durch den Kantendruck

des Würfels auf den N. fibularis (Mediwiki, 2006) beschrieben. Durch die

Lagekontrolle des Klinikpersonals und die ausreichende Bewegungstherapie

während des stationären Aufenthaltes traten diese Nebenwirkungen bei dieser

Studie nicht auf.

72

Die durchgeführte Studie hat gezeigt, dass sich die minimal-invasive Therapie

bei Schmerzpatienten mit Lumbalsyndrom bewährt hat. Sie zahlt sich nicht nur

durch sofortige Besserung, sondern auch durch Langzeitbesserung aus. Das

Würfelkonzept als Stufenlagerung reicht aus und sollte erhalten bleiben. Mit den

drei Kantenlängen können alle Menschen erfasst werden und eine weitere

individuelle Anpassung ist nicht erforderlich. Das wiederum begünstigt den

Kostenfaktor, da eine normale Würfellagerung preiswerter und auch für die

Heimbehandlung praktischer zu benutzen ist als eine Spezialliege. Die Vibration

(in der niedrigen Frequenzstufe von zehn Hertz) als Beispiel einer maschinellen

Behandlung wird nicht bestätigt, da sie keine signifikanten Vorteile bietet.

Zusätze wie verlängerte Vibration, Erhöhung der Vibrationsstufe, Wärme und

Traktion sind möglich, müssten aber noch in ähnlichen kontrollierten Studien in

ihrer Wirksamkeit überprüft werden.

73

5. Zusammenfassung

In der vorliegenden prospektiv randomisierten Studie wurden 102 Patienten mit

akutem Lumbalsyndrom während des stationären Aufenthaltes auf einer Station

der orthopädischen Klinik des St. Josef Hospitals behandelt.

Ziel der Arbeit war, die Standardstufenlagerung mit einer individuell

angepassten Stufenlagerung mit und ohne Vibration zu vergleichen. Alle

Patienten erhielten zudem die gleiche Grundbehandlung (MIT).

Nach dem Zufallsprinzip wurden die Patienten in drei Gruppen eingeteilt. Die

erste Gruppe bildete die Kontrollgruppe, die die normale MIT erhielt. Die

anderen beiden Gruppen wurden auf einer Spezialliege mit individuell

angepasster Stufenlagerung mit und ohne Vibration behandelt.

Die Ergebnisse wurden aus standardisierten Fragebögen und Schmerzskalen

zusammengetragen und mit Hilfe von t-Test (Mittelwertvergleich) und

einfaktorieller Varianzanalyse ausgewertet.

Das Ergebnis dieser Studie zeigt eine subjektive Besserung durch individuelle

Stufenlagerung und Vibration, jedoch ohne signifikante Resultate. Die

Ergebnisse der Untersuchung stimmen mit der Literatur überein und

entsprechen den Erfahrungen der Orthopäden.

Weitere kontrollierte Studien mit ergänzenden Maßnahmen wie Wärme und

Traktion zur Behandlung des Lumbalsyndroms sind sinnvoll.

74

6. Literaturverzeichnis

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7. Anhang

78

7.1 Anhang I Schmerzskala für Beine und Rücken

7.2 Anhang II Oswestry Score

79

80

81

82

7.3 Anhang III Messbogen Liege

83

7.4 Anhang IV Fragebogen Liege

FRAGEBOGEN

Liebe(r) Patient/in !

Wir möchten sie bitten, diesen Fragebogen nach bestem Wissen und Gewissen auszufüllen. Dabei sollten sie wissen, dass dieser Fragebogen völlig anonym behandelt wird und niemand später nachvollziehen kann, wer diesen Bogen ausgefüllt hat! Wir würden uns wünschen, dass sie zu jeder Frage/Antwort, die ihnen seltsam vorkommt oder die Antwortmöglichkeiten nicht ausreichen eine Anmerkung in die dafür vorgesehene Spalte schreiben. Ihre Antworten sind für unsere weitere Arbeit und unsere Statistik von großer Bedeutung und Nutzen! Vielen Dank im Voraus für ihr Bemühen und den damit verbundenen Zeitaufwand!

Ihre Pt`s !

Frage ++ sehr gut stark

+ gut stark

O Normal neutral Unver-ändert

- schlecht gering

-- sehr schlecht minimal

Keine Aussage; Anmerkungen

I. Zur Schipke - Liege Wie hat ihnen die Behandlung mit der Schipke - Liege gefallen?

Haben sie die Behandlung als angenehm empfunden?

Wie empfanden sie die Behandlungsdauer?

Hatten sie während oder nach der Behandlung Schmerzen, wenn ja wie stark?

Wenn sie eine Besserung verspürt haben, wie war diese?

Hatten sie Nebenwirkung während/nach der Behandlung, wenn ja wie stark/störend (Bitte Anmerkung, welcher Art)

Wie empfinden sie die Schipke-Liege im Bezug auf ihre Erkrankung?

Wie empfanden sie die Ausgangslage auf der Liege?

Wie gerne würden sie wieder eine Therapie mit der Schipke-Liege machen?

84

7.5 Anhang V Visuelle Analogskala

85

7.6 Anhang VI Therapieplan MIT

Danksagung

Zum Abschluss meiner Arbeit möchte ich danken:

Herrn Prof. Dr. Krämer und Herrn Dr. Theodoridis für die Möglichkeit, diese

Arbeit anfertigen zu können. Ich habe in dieser Zeit viel gelernt. Ich bedanke

mich für die nette und kompetente Betreuung.

Frau Zirke für die Unterstützung beim Erlernen und Auswerten der Statistik.

Allen Physiotherapeuten samt Auszubildenden und Lehrern für die Hilfe bei der

Behandlung der Patienten auf der Spezialliege.

Dem gesamten orthopädische Team des St. Josef Hospitals für die freundliche

Unterstützung, so dass alle Patienten an den verschiedenen Therapien

teilnehmen konnten.

Allen Patienten die an dieser Studie teilgenommen haben. Ohne sie hätte ich

diese Arbeit nicht anfertigen können.

Danke vor allem meinen Freunden:

Casi, Julia und Mario für das Korrekturlesen und die guten Tipps.

Christian für seine Hilfsbereitschaft und Valerie für den mentalen Beistand. Zoë

und Clarel für eine gelungene Ablenkung während des Schreibens der Arbeit.

Allen Freunde, die immer an mich geglaubt haben.

Besonderer Dank gilt:

Meinen Eltern und meinen Geschwistern, die mich während des Studiums so

wunderbar unterstützt haben und mir auch danach immer Mut gemacht haben,

die Arbeit zu schreiben.

Meiner Freundin Diane, die mir in der Zeit des Zusammenschreibens viel Kraft,

Geduld, Vertrauen und Liebe gegeben hat.

Lebenslauf

Persönliche Daten

Mirjam Morgen

geboren am 08.06.1976 in Hamm,

ledig, keine Kinder

Ärztliche Tätigkeit

Assistenzärztin Gynäkologie und Geburtshilfe seit 10/2005

Knappschaftskrankenhaus Dortmund

Chefarzt Dr. med. F. B. Schmolling

Assistenzärztin Innere Medizin, Hämatoonkologie 08/2005 – 10/2005

St. Josef-Hospital Gelsenkirchen-Horst

Chefarzt PD Dr. med. G. Meckenstock

Hochschulausbildung

Studium der Humanmedizin 10/1998 – 04/2005

an der Ruhr-Universität Bochum

3. Staatsexamen 04/2005 2. Staatsexamen 03/2004 1. Staatsexamen 08/2001 Physikum 08/2000

Berufsausbildung Krankenschwester 10/1995 – 09/1998

St. Marienhospital Hamm

Staatsexamen

Schulausbildung

Freiherr – vom – Stein Gymnasium Hamm 08/1986 – 06/1995

Allgemeine Hochschulreife

Ketteler Grundschule Hamm 08/1982 – 06/1986