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/ 1 Ausgabe 2 2018 Strategisches Wachstum Gezielt und erfolgreich expandieren // Reif für die Expansion // Gespräch im Foyer: Restrukturierung // Länderfokus Australien // Berlin: City-West Anthony Sejourne / iStockphoto / gettyimages

Ausgabe 2 2018 - NORD/LB2 / Mit individuellen Finanzkonzepten der NORD/LB ergeben sich für mittel-ständische Unternehmen neue Perspektiven. Dabei profi tieren Sie als Firmen-kunde

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Strategisches WachstumGezielt und erfolgreich expandieren

// Reif für die Expansion // Gespräch im Foyer: Restrukturierung// Länderfokus Australien // Berlin: City-West

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Mit individuellen Finanzkonzepten der NORD/LB ergeben sich für mittel-

ständische Unternehmen neue Perspektiven. Dabei profi tieren Sie als Firmen-

kunde von partnerschaftlicher und verlässlicher Beratung aus einer Hand.

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herzlich willkommen zur zweiten Ausgabe von 52° NORD

in diesem Jahr.

Die deutsche Wirtschaft ist in den letzten zehn Jahren ste-

tig gewachsen. Doch nun fragen sich viele Unternehmer

angesichts der Digitalisierung, wie sie diesen Trend weiter

fortsetzen können. In diesem Heft beschäftigen wir uns

daher mit „Strategischem Wachstum“. Für den Aufmacher

haben wir uns zunächst umgehört, wie Unternehmer

sich systematisch und gezielt auf die Suche nach neuen

Umsatzfeldern machen.

Lange Wachstumsphasen führen oftmals zu einer gewis-

sen Trägheit in Unternehmen – die Folge sind Umsatzrück-

gänge in Verbindung mit langwierigen Restrukturierun-

gen. Im Gespräch im Foyer diskutieren wir mit Tammo

Andersch, Thorsten Holland und Thomas Dohrmann über

die besonderen Herausforderungen von Sanierungsfällen.

Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit Australien, das

seit 27 Jahren auf Wachstumskurs ist. Außerdem stellen

wir Ihnen die neue Abteilung „Special Situation Finan-

cing“ der NORD/LB vor, die maßgeschneiderte Finanzie-

rungslösungen für Unternehmen in Restrukturierungen

bietet. Abschließend haben wir uns noch auf dem Berliner

Ku’damm umgesehen, der in den letzten zehn Jahren eine

fulminante Revitalisierung durchlaufen hat.

Sollte auch Ihr Unternehmen an maßgeschneiderten

Finanzierungslösungen interessiert sein, nehmen Sie

Kontakt mit uns auf. Zunächst wünsche ich Ihnen eine

spannende Lektüre!

Günter Tallner

Vorstand NORD/LB

52° NORD

Liebe Leser,

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4 /

Robert Rausch führt die Berliner Schokoladenmanufaktur Rausch in fünfter Generati-on in eine neue Ära. Im Gespräch erläutert er seine Wachstumsstrategie.

12 / Portrait

„Handwerk tri� t High-Tech“

Inhalt

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Australien: Wachstum ohne Ende

Die australische Wirtschaft befindet sich seit fast 30 Jah-

ren im Steigflug. Insbesondere China hat sich dabei zur

Lokomotive der wirtschaftlichen Entwicklung gemausert.

Droht mit einer Konjunkturabkühlung im Reich der Mitte

nun der Absturz?

18 / Länderreport

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6 / Titelthema

Reif für die Expansion

Globalisierung und Digitalisierung sind derzeit die beiden großen disruptiven Kräfte, die selbst Nischenplayern Sorgenfalten ins Gesicht treiben. Im Zuge dieser Entwicklung hat eine fieberhafte Suche nach neuen Märkten begonnen. Gesucht werden naheliegen-de neue Umsatzfelder und Potenziale der Digitalisierung für das eigene Unternehmen. Wir berichten, wie Unternehmen diese Entwicklung vorantreiben.

Ku’damm – Renaissance eines Boulevards

Nach der Wende stand der Berliner Westen lange im Schat-

ten des neu entdeckten historischen Ostens. Doch das Blatt

hat sich gewendet. Insbesondere der Kurfürstendamm hat

durch eine ganze Reihe spektakulärer Neubauten in den

letzten Jahren von sich reden gemacht. Eine Reportage.

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14 / Gespräch im Foyer

„Dem Thema Restrukturierung die Stigmatisierung nehmen“

Restrukturierungen stellen Unternehmen, das Manage-

ment und auch die Mitarbeiter vor große Belastungen. Die

Folge sind Unsicherheit, Personalabgänge und Zukunfts-

ängste. Im Gespräch im Foyer diskutieren Tammo An-

dersch, Thorsten Holland und Thomas Dohrmann darü-

ber, wie man diesen Herausforderungen begegnen kann.

23 / Interview

„Weltmarktführer in Qualität und Menge“

Die Jebsen & Jessen Hamburg Gruppe unterhält in Austra-

lien eine große Mine für Granatsand. Im Gespräch erläutert

Geschäftsführer Fritz Graf von der Schulenburg die Inves-

titionsstrategie des Unternehmens.

11 / Interview

„Flexibel, innovativ und agil“

Ein Gespräch mit Dr. Susanna Zapreva, Vorsitzende des

Vorstands enercity AG über die Digitalisierung eines ange-

stammten Marktes.

28 / Architektur & Design

NPL-Sanierung: Restrukturierungszeiten deutlich verkürzen

Durch Non-Performing Loans geraten Unternehmen häufig

in eine Schieflage. Doch die Situation kann auch ein Start-

schuss zu einer erfolgreichen Sanierungsphase werden.

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24 / NORD/LB Story

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Reif für die Expansion

Warum sich Unternehmen mit Innovationen, neuen Geschäftsfeldern und Wachstumsstrategien beschäftigen sollten, um auch morgen noch am Markt bestehen zu können.

Strategisches Wachstum

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Schuster, bleib bei deinen Leisten! Allzu oft bekommt man

diesen Satz bei den Verantwortlichen in deutschen Unter-

nehmen zu hören. Statt dem technischen sowie sozialen

Wandel proaktiv zu begegnen und neue Chancen auszulo-

ten, neigen sie nicht selten dazu, ihr bewährtes Geschäfts-

modell zu hegen und zu pflegen. Denn bei den Kunden ist

man ja bestens etabliert und die Umsatzrendite ist gerade

in Zeiten einer längeren konjunkturellen Aufschwung-

phase wie der jetzigen meist recht ordentlich. Außerdem

sind vielen noch allzu gut die Versuche mancher Unter-

nehmen aus den 1980er und 1990er Jahren in Erinnerung,

als diese sich mit der Diversifizierung ihrer Geschäftsmo-

delle ordentlich verzettelten und letztendlich grandios

scheiterten – allen voran Daimler-Benz bei seinem Bestre-

ben, durch die Übernahme von AEG, Dornier und DASA

zum Technologiekonzern aufzusteigen. Warum also sollte

man unnötige Risiken eingehen und sich in unbekannte

Gewässer wagen? Die Antwort ist recht einfach: Anders

als noch vor wenigen Jahren hat sich das Innovationstem-

po überall drastisch erhöht. Auslöser dieser Entwicklung

ist nicht nur die Digitalisierung, sondern auch die Tatsa-

che, dass plötzlich junge und höchst dynamische Unter-

nehmen aus expandierenden Ländern wie China oder

Indien als zusätzliche Wettbewerber auftauchen. Zudem

hat die Vergangenheit bewiesen, dass selbst Platzhirsche

mit dicken finanziellen Polstern von disruptiven Innova-

tionen mitunter kalt erwischt werden und von heute auf

morgen vom Markt verschwinden können – der Absturz

der einstigen Giganten Kodak und Agfa steht dafür gera-

dezu emblematisch. Deshalb sollten Fragen wie: „Ist mein

Geschäftsmodell eigentlich noch zukunftsfähig?“ und:

„Welche Wachstumsstrategie passt zu meinen Produkten

und zu meiner Organisation?“ überall ganz oben auf der

Agenda stehen.

Märkte von Morgen erkennen„Zwei wesentliche Aspekte rücken dabei in den Vorder-

grund“, bringt es Rolf Popp auf den Punkt. „Zum einen

sollte man immer sehr genau auf dem Radar haben, in

welche Richtung sich die Märkte entwickeln“, so der

Geschäftsführer der Wachstums- und Strategieberatung

ROLF POPP PRO Consult GmbH in Würzburg, „zum ande-

ren, wie man sich selbst darin behauptet.“ Doch letztend-

lich dreht sich seiner Einschätzung zufolge alles um eine

ganz zentrale Frage. „Was wird der Kunde in Zukunft

wirklich benötigen?“ Das treibt die gezielte Suche nach

den richtigen Innovationen voran. Besonders gut lassen

sich diese Diskussionen und Prozesse derzeit in der Auto-

mobilindustrie sowie bei den Kfz-Zulieferern beobachten.

„Themen wie E-Mobility und Autonomes Fahren zwingen

die Hersteller geradezu, das Auto neu zu erfinden und sich

zusätzliche Geschäftsfelder zu erschließen.“ Ein Unter-

nehmen, das Auspuffanlagen herstellt, würde angesichts

eines derart tiefgreifenden Technologiewandels, der sich

gerade ankündigt, sogar fahrlässig handeln, wenn es

nicht auf Expansion setzt und sich keine weiteren Stand-

beine aufbaut. „Denn eines Tages, wenn die Mehrheit

der Autos elektrisch fährt, dürften seine alten Produkte

einfach nicht mehr nachgefragt sein.“ Und das Geschäfts-

modell wird obsolet.

Aber nicht nur Technologiesprünge sind es, die die Unter-

nehmen manchmal dazu zwingen, neue Wege zu gehen.

Auch der demografische Wandel oder die sich verändern-

den Einstellungen relevanter Konsumentengruppen kön-

nen der Auslöser sein. Eine schrumpfende Bevölkerung

sowie die Tatsache, dass vor allem bei der Generation Y,

also den nach 1980 Geborenen, das Auto kein Statussym-

52° NORD

Aufbruch in neue Welten

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bol mehr ist, lässt Volkswagen, BMW & Co. über Alternati-

ven nachdenken. Laut einer aktuellen Studie des Markt-

forschungsinstituts Forsa halten 19 Prozent der 18- bis

29-jährigen Befragten deshalb Carsharing für eine gute

Alternative zum eigenen Fahrzeug, das sowieso die meiste

Zeit nur ungenutzt rumsteht. Und so ist es kein Wunder,

dass die alte Garde der Automobilproduzenten heute zu-

nehmend in das junge Geschäft mit Mobilitätskonzepten

wie Carsharing oder Pooltaxis eingestiegen ist. Mobilität

als Dienstleistung, so lautet die neue Zauberformel, die

viel mit der Vernetzung von Individual- und Nahverkehr

bis hin zu E-Bikes und Fahrdiensten zu tun hat. Denn

auch die Autobauer haben mittlerweile begriffen, dass ihr

altes Geschäftsmodell nicht für die Ewigkeit gemacht ist.

Oder anders formuliert: Sie expandieren in neue Märkte,

bevor andere diese unter sich aufgeteilt haben, beispiels-

weise Google, Apple, Uber oder Alibaba und Baidu. Denn

die digitalen Giganten aus den Vereinigten Staaten und

China schicken sich an, ihr Portfolio auf das Thema

Mobilität auszudehnen. Und ganz nebenbei erhoffen sich

die PKW-Hersteller dadurch einen Werbeeffekt für ihre

klassischen Produkte, die Autos.

Run auf RenditeWachstum oder Expansion haben aber auch sehr viel

mit dem richtigen Identifizieren von Zielen und deren

stringenter Umsetzung zu tun. „Es ist auf keinen Fall

zu empfehlen, das Erkennen von Wachstumspotenzia-

len allein dem Zufall zu überlassen“, betont Dr. Stefan

Schneck. „Wird ein bestehender Anpassungsbedarf zu

spät oder womöglich gar nicht erkannt, kann dies zur

Stagnation, Rückschritten und im schlimmsten Fall zum

Ende eines Unternehmens führen“, so der Experte für

Unternehmensgründungen und -wachstum vom Institut

für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn. Die daraus sich

ableitenden Wachstumsstrategien können sowohl innova-

tionsgetrieben sein als auch durch Veränderungen auf

den Märkten hervorgerufen werden. „Das hat im vergan-

genen Jahr erst wieder unser ‚Zukunftspanel Mittelstand

2017‘ gezeigt“, weiß Schneck zu berichten. „Die Mehrheit

der von IfM-Wissenschaftlern befragten Unternehmen

bezeichnete daher beides als vordringlichste Herausfor-

derungen.“ In diesem Kontext rückt eine weitere Frage in

den Vordergrund: Schafft man als Unternehmen mit sei-

nen Produkten oder Dienstleistungen selbst einen ganz

neuen Markt oder soll die Stoßrichtung eher in bereits eta-

blierte Märkte gehen? Kurzum, es geht dabei um das, was

die beiden Wirtschaftswissenschaftler W. Chan Kim und

Renée Mauborgne von der französischen Elitehochschule

INSEAD vor einigen Jahren als sogenannte Blue- und Red

Oceans-Strategien bezeichneten. „In neuen Märkten, also

den Blue Oceans, sind die Chancen höher, einträgliche

Margen zu erzielen“, skizziert Dr. Thomas Hardwig den

Gedanken dahinter. „Im Rahmen einer Red-Ocean-Stra-

tegie dagegen dominiert der Preiswettbewerb“, so der ge-

schäftsführende Gesellschafter des KOM.in – Institut für

Wachstumsmanagement und Projektlernen in Göttingen.

„Wenn es Ihnen also mit Innovationen gelingt, in völlig

neue Bereiche vorzustoßen, so ist dies definitiv zukunfts-

trächtiger und lukrativer. Ohne Risiken ist natürlich kei-

ne der beiden Optionen.“

Wachstumsgenerierung kann auf sehr unterschiedliche

Art und Weise erfolgen. Eine sehr kurzfristige Möglichkeit

ist die Akquise von Mitwettbewerbern oder vielleicht von

Startups, die oftmals einen völlig neuen Lösungsansatz

verfolgen und innovative digitale Geschäftsmodelle ent-

wickeln. Aber auch das will gründlich geplant sein. „Wenn

das Wissen für ein Produkt oder einen Markt eingekauft

werden kann, dann begründet das allein noch keinen

Wettbewerbsvorteil“, erklärt Hardwig. „Ein solcher

entsteht nur, wenn ich auf diese Weise eine E-Kompetenz

aufbauen kann, die nicht so einfach zu imitieren ist. Nicht

der Kauf ist das Entscheidende, sondern die Integration

des Neuen und der Aufbau dieser Kompetenz.“ Aber

auch ein ganz anderer Grund kann Unternehmen dazu

motivieren, auf Shoppingtour zu gehen und andere Teil-

nehmer auf dem Markt zu erwerben. „Und das ist der Fach-

kräftemangel“, sagt Experte Popp. „Dieser Aspekt gewinnt

bei Übernahmen und Wachstumsstrategien immer mehr

an Bedeutung.“ Denn wenn ein Mitbewerber oder Startup

über hochqualifizierte Mitarbeiter oder ein besonderes

Know-how verfügt, so kann es durchaus Sinn ergeben, im

Rahmen einer Expansion genau diese zu akquirieren –

vorausgesetzt das Unternehmen ist kompatibel mit den

eigenen Geschäftsmodellen und Strategien. Doch dieses

auch anorganisch bezeichnete Wachstum betreiben in

erster Linie größere Firmen. Kleinere Unternehmen dage-

gen wachsen eher organisch. „Nicht zuletzt deshalb, weil

ihnen die finanziellen Ressourcen für Zukäufe häufig

fehlen“, berichtet Dr. Schneck aus seinen Beobachtungen.

Angrenzende Märkte früh erkennenEin anderer Weg ist die Portfolio-Erweiterung. Dabei

ist die Nähe der neuen Unternehmungen zu den ange-

stammten Märkten und Produkten von ganz wesentli-

cher Bedeutung. „Es gilt die Faustformel: je größer der

Verwandtschaftsgrad, desto höher die Synergieeffekte“,

erklärt Popp. So stieg beispielsweise der 1926 gegründete

Schutzbrillenproduzent Uvex aus Fürth irgendwann ein-

mal sukzessiv in das Geschäft mit Sportbrillen ein. Erst

setzte man in den 1960er Jahren auf Skibrillen, 2009 ka-

men welche für den Reitsport und später für Mountain-

biker hinzu. Aber nicht nur so wuchs das Unternehmen

stetig und erschloss sich zusätzliche Märkte. Weil man

sich im Bereich Sportartikel einen guten Namen auf-

gebaut hatte und auch ansonsten mit der Verarbeitung

von Kunststoffen, die bei der Herstellung von Brillenge-

stellen zum Einsatz kamen, bestens auskannte, war der

nächste Schritt zur Entwicklung von Ski- und Fahrrad-

helmen nur folgerichtig. Wenn es mal – wie aktuell im

Strategisches Wachstum

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Skisport – nicht ganz so toll mit dem Geschäft läuft, gene-

rieren halt die anderen Standbeine Fahrrad- und Reiter-

brillen oder Schutzhelme weiterhin ordentlich Umsatz

und Wachstum. Folgende Faktoren waren bei dieser

Art von Expansion von entscheidender Bedeutung: Die

Konzentration auf ein starkes und differenziertes Kern-

geschäft, ein reproduzierbares Geschäftsmodell sowie

eine anpassungsfähige Organisation. Zudem ist die

richtige Lösung immer die, die nachhaltig funktioniert

und nicht einfach nur gerade opportun erscheint. Das

betrifft vor allem den Einstieg in die digitale Welt, den

mittlerweile sogar klassische Spielzeugproduzenten wie

Playmobil-Hersteller geobra Brandstätter wagen. Durch

den Ausbau des digitalen Contents – angefangen mit der

Verknüpfung klassischer Spielthemenwelten mit Anima-

tionsfilmen und eigener App – will man kontinuierlich

Brücken zu neuen Konsumentengruppen schlagen und

somit nicht nur dem, durch PC-Spiele und Smartphones

veränderten, Freizeitverhalten von Kindern gerecht

werden, sondern auch ordentlich wachsen.

Unternehmen können schnell oder langsam an Substanz

zulegen – in diesem Kontext von einer optimalen Wachs-

tumsrate zu sprechen, ist nicht ganz unproblematisch.

„Man sollte dabei vielmehr nach der jeweiligen Unter-

nehmenssituation differenzieren“, glaubt Dr. Schneck.

„Beispielsweise könnte man zwischen neu gegründeten

und etablierten Unternehmen unterscheiden – nicht

zuletzt, weil junge Firmen relativ schnell in eine ausrei-

chende Größe hineinwachsen müssen, damit sie langfris-

tig am Markt bestehen können.“ So habe die Auswertung

der Umsatzsteuerpanels zwischen 2001 und 2010 durch

das IfM gezeigt, dass in diesem Zeitraum die jährliche

Wachstumsrate von kleinen Neugründungen dreimal

höher war als die der Gesamtwirtschaft. „Gründungen

mit weniger als 50.000 Euro Jahresumsatz wuchsen

sogar noch erheblich schneller“, so der IfM-Mann. „Sie

wiesen für den untersuchten Zeitraum eine elfmal höhere

Wachstumsrate auf.“ Gazellen nennen die Wissenschaft-

ler gerne auch solche relativ jungen Unternehmen, die in

kurzer Zeit besonders stark wachsen – wohl deshalb, weil

sie extrem flink und wendig auf dem Markt unterwegs

sind. Sie haben im Regelfall mindestens zehn Mitarbeiter

und sind in der Lage, ihren Umsatz drei Jahre in Folge um

durchschnittlich mehr als 20 Prozent im Jahr zu steigern.

Familienunternehmen sind überproportional unter den

Gazellen vertreten. Zudem fanden die Analysten des IfM

heraus: „Je größer die Unternehmen werden, umso gerin-

ger sind die durchschnittlichen Wachstumsraten.“

Hand am Puls der Zeit

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Dr. Susanna Zapreva

… ist Vorsitzende des Vorstands der

enercity AG in Hannover und führt das

Unternehmen derzeit in neue Wachs-

tumsfelder.

Aufbruch in UnbekanntesDoch manchmal lauern auf dem Weg zu mehr Größe und

Diversität im Portfolio einige Stolpersteine. Gerade die

Eigentümer kleinerer und mittelständischer Unternehmen

neigen dazu, alles kontrollieren zu wollen, was ab einer

bestimmten Dimension nicht immer mehr möglich ist. „Sie

haben oft das Gefühl, dass sie beim Wachstum die Kon-

trolle verlieren und intensivieren ihre Bemühungen, alles

im Griff zu behalten“, beschreibt Dr. Hardwig das Problem.

„Das hält sie im operativen Geschäft fest und nimmt ihnen

die Zeit und die Kraft, ihre strategische Funktion wahrzu-

nehmen.“ Daher ist es von entscheidender Bedeutung, Ver-

antwortung zu teilen und die gesamte Organisation bei der

Umsetzung entsprechender Strategien mit einzubeziehen.

„Unterbleibt dies, kann es zur Stagnation oder sogar zu ei-

ner Schrumpfung kommen“, warnt Dr. Schneck. Überhaupt

sollten sich alle Entscheider erst einmal darüber verstän-

digen, was Wachstum überhaupt heißen soll. Denn oftmals

ist mehr damit gemeint als die bloße Zunahme von Gewinn,

Umsatz oder Produktivität und Eigenkapital – nämlich der

Aufbruch in oft Unbekanntes.

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/ 1152° NORD 52° NORD

„Flexibel, innovativ und agil“

Ein Gespräch mit Dr. Susanna Zapreva, Vorsitzende des Vorstands enercity AG über die Digitalisierung der Stadtwerke Hannover.

Die enercity AG (vormals Stadtwerke

Hannover) gehört zu den Top Ten der

deutschen Energieversorger. Wie hat

sich ihre Wachstumsstrategie seit der

Energiewende verändert?

Die von der Politik eingeleitete Energie-

wende wird gerade durch eine technolo-

gische Revolution überlagert. Das, was

wir mit der Digitalisierung derzeit erle-

ben, ist nur der Beginn einer radikalen

Transformation unserer Gesellschaft.

In diesem Umfeld müssen wir als

Energieunternehmen zwei Mal einen

Wandel vollziehen. Einmal vom reinen

Versorger zum Energiedienstleister

und ein zweites Mal zu einem Platt-

formunternehmen. Dazu konzentrie-

ren wir uns stärker auf den Kunden,

denn der Wandel in unserer Gesell-

schaft führt dazu, dass sich die Erwar-

tungen unserer Kunden stark ändern.

Durch die Energiewende werden wir

unser Produktionsportfolio erneu-

erbarer und dezentraler aufstellen.

Dabei richten wir unseren Fokus aber

nicht nur auf Strom, sondern auch

auf Wärme und Mobilität. Darüber

hinaus bauen wir den Dienstleis-

tungssektor stark aus und wollen

bundesweit wachsen. Damit dies

möglich ist, bauen wir enercity zu

einem Plattformunternehmen aus.

Das heißt: einfach, in Echtzeit und 1:1

in der Kundenbeziehung.

Sie haben im Mai bekanntgegeben,

dass Sie den Betrieb der Netze in eine

neue Gesellschaft auslagern werden.

Welche Ziele verfolgen Sie damit?

Um sich strategisch sinnvoll aufzu-

stellen, werden bei enercity neue

Strukturen geschaffen. Das Ziel ist

einerseits, den Wettbewerbsbereich

flexibel, innovativ und agil aufzustel-

len und gleichzeitig, die regulierten

Netzbereiche auf Versorgungssi-

cherheit und Stabilität auszurichten.

Deren Ausgliederung in eine „Große

Netzgesellschaft“ bietet aus Konzern-

sicht sowohl strategische als auch

wirtschaftliche Vorteile. Vor allem

wollen wir uns aus regulatorischer

Sicht optimal aufstellen.

Der neuen Netzgesellschaft als

100-prozentiger Tochter der enercity

AG werden die Strom- und Gasnetze

stufenweise übertragen. Das sind cir-

ca 20 Prozent des Anlagevermögens

der enercity AG. Rund 1.200 Beschäf-

tigte von enercity werden in die neue

Gesellschaft überführt. Die Bereiche

Unternehmensentwicklung und stra-

tegische Steuerung, Finanzen und Per-

sonal bleiben im Mutterkonzern. Mit

diesem Schritt schaffen wir es, dem

Wettbewerbsbereich als dem regulier-

ten Bereich die optimalen Rahmen-

bedingungen zu bieten, damit wir in

beiden Felder gut reüssieren.

Welche langfristige Strategie werden

Sie im derzeit sehr komplexen Umfeld

des Energiemarktes verfolgen?

Wir werden zukünftig mehr sein als

reiner Lieferant von Strom, Gas, Fern-

wärme und Wasser, sondern Dienst-

leister in vielen Geschäftsbereichen

sein. Ein Beispiel ist der Bereich

der Elektromobilität. Im Großraum

Hannover haben wir das Ziel, mit

bald 600 öffentlich zugänglichen

Ladepunkten zur Nummer eins in

Deutschland zu werden, was die La-

desäulendichte je Einwohner betrifft.

Bis 2020 investieren wir dafür 10

Millionen Euro in die Infrastruktur

für Elektromobilität. Unsere Dienst-

leistungsangebote berühren aber auch

Themen wie Energieeffizienz und indi-

viduelle Energielösungen für Kunden,

von der Photovoltaik bis zur Wärme-

pumpe, je nach Kundenwunsch.

Die Strategie enercity 4.0 zielt auf einen

deutschlandweiten, serviceorientier-

ten und effektiven Vertrieb. Neu ist

unser vollkommen digitalisierter, aus-

schließlich auf einem Online-Portal

basierender bundesweiter Strom- und

Erdgasvertrieb. Die Online-Produkte

bieten den Kunden einen papierlosen,

einfachen und angenehmen Weg der

Zusammenarbeit. In Echtzeit umge-

setzt, bleibt kein Wunsch offen, von

selbstständigen Abschlagsanpas-

sungen über Festlegung des eigenen

Energiemixes bis zu Rechnungsle-

gungszeitpunkten, ganz nach Kunden-

wunsch. Das ist aber erst der Beginn.

Wir arbeiten daran, die gesamte

Produkt und Dienstleistungswelt der

enercity in das digitale Zeitalter zu

überführen und diese so zu gestalten,

dass wir unsere Kunden begeistern.

Welche Chancen bietet die Digitalisie-

rung Ihrem Unternehmen?

Wir sehen es am Beispiel der Goo-

gles und Amazons dieser Welt, wie

erfolgreich digitale Geschäftsmodelle

sein können. Wir wollen das erste

Energie-Plattformunternehmen in

Deutschland sein. Mit jedem Kun-

den eine 1:1-Beziehung aufzubauen

und in der Lage zu sein, auf unsere

Kunden individuell einzugehen, ist

großartig. Da kommt unsere Gesell-

schaft in eine neue Ära ungeahnter

Möglichkeiten.

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12 / Unternehmensportrait: Rausch Schokoladenmanufaktur Berlin

„Handwerk tri�t Hightech“

Ein Gespräch mit Robert Rausch, Geschäftsführer Rausch GmbH in Berlin.

Rausch zählt zu den bekanntesten

und ältesten Schokoladenproduzen-

ten in Deutschland. Sie haben 2015

den stationären Handel verlassen

und vertreiben Ihre Waren seither

ausschließlich über das Internet und

das Schokoladenhaus am Gendar-

menmarkt in Berlin-Mitte. Wie kam es

zu dieser Entscheidung?

Es ist unsere Ambition, die beste

Schokolade herzustellen und das bei

unseren Kunden eindeutig zu kommu-

nizieren. In den rund 6.500 klassi-

schen Supermärkten, im Fachhandel

und auch in den Kaufhäusern hatten

wir aber nicht mehr das Gefühl, dass

dies der Fall ist. Wir haben uns also die

Entscheidung nicht leicht gemacht,

aber für uns war irgendwann klar,

dass wir uns spitzer positionieren

wollen mit unseren hochwertigen Pro-

dukten. Daher haben wir uns letztlich

für den ausschließlichen Vertrieb über

das Internet sowie unser Schokoladen-

haus in Berlin entschieden. Es war, wie

gesagt, keine leichte Entscheidung,

aber die Entwicklung der letzten Jahre

gibt uns recht. Heute betrachten wir

Online nur als eine weitere Möglich-

keit, Fachhandel zu betreiben.

Wie haben Sie dies kommuniziert?

Wir haben viele verschiedene Ideen

diskutiert, beispielsweise eine große

Kampagne oder Flyer in der Schokola-

de, haben dies aber letztlich verworfen

und uns auf die Pressearbeit konzen-

triert. Und dies hat hervorragend funk-

tioniert, denn die gesamte Presse hat

darüber berichtet.

Was ist in der Schokoladen- bzw.

Süßwarenbranche passiert und wie

verändert sich der Markt dadurch?

Wie in allen anderen Branchen wird

auch in der Süßwarenwelt das mittlere

Segment immer kleiner. Die Kunden

kaufen entweder sehr preisbewusst –

also Discount – oder sie entscheiden

sich für Premiumartikel. Da es schon

immer unser Anspruch war, die beste

Schokolade herzustellen und wir

auch nur beste Zutaten verwenden,

war der Schritt in diese Richtung

letztlich nur konsequent. Wir legen an

jedem Punkt im Herstellungsprozess

größtmöglichen Wert auf Qualität, und

dies können wir über unsere direkten

Kanäle viel besser kommunizieren.

Zudem wächst das Segment Genuss im

Internet stark – die Kunden haben also

ihre bisherige Zurückhaltung verloren

und das spüren auch wir.

Das war sicher nicht einfach. Wie ha-

ben denn die Kunden reagiert?

Wir haben den Ausstieg aus dem Han-

del zunächst nicht kommuniziert,

weil wir unsere bisherigen Vertriebs-

partner nicht vor den Kopf stoßen

wollten. Das tat am Anfang weh, aber

über die Zeit konnten wir viele unse-

rer Kunden zurückgewinnen. Die Ver-

braucher in Deutschland tun sich mit

dem Einkauf von Lebensmitteln über

das Internet noch sehr schwer im

Vergleich zu anderen Ländern. Über

kurz oder lang wird es allerdings mit

Sicherheit Normalität werden. Mit un-

serem Flagschiff-Schokoladenhaus

in Berlin bieten wir unseren Kunden

seit 1999 eine Erlebniswelt rund um

das Thema Schokolade, die immer

mehr Besucher anzieht! Für unsere

Kunden ohne Internet haben wir

sogar ein Call-Center für telefonische

Bestellungen eingerichtet.

Robert Rausch

… führt das Familienunternehmen Rausch

seit 2011 in fünfter Generation. Mit seinem

mutigen Schritt in Richtung Online-Ver-

triebsstrategie zählt er zu den Pionieren in

seinem Segment in Deutschland.

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/ 1352° NORD

Wie haben Sie die Mitarbeiter mit

auf die Reise genommen und für das

Projekt gewonnen?

Ich gebe zu, dass es natürlich am

Anfang auch Skepsis gab. Schließlich

hatte ich damals gerade die Geschäfts-

führung von meinem Vater übernom-

men, der das Unternehmen zu seinem

jetzigen Erfolg geführt hat. Und ich

war mir natürlich der Verantwortung

gegenüber unseren 115 Mitarbeitern

in Berlin bewusst. Die Entscheidung ist

mir also nicht leichtgefallen, doch ich

war überzeugt davon, dass sie richtig

ist. Ich wusste aber auch, dass ich die

Mitarbeiter und Kollegen brauche,

wenn ich erfolgreich sein will. Erfolg

hängt in der heutigen Zeit auch davon

ab, dass man eine informelle, offene

Diskussionskultur etabliert, in der

jeder sich und seine Meinung einbrin-

gen kann. Es geht mir nicht darum,

Recht zu haben, sondern das Richtige

zu tun und mit allen an einem Strang

zu ziehen.

Würden Sie sich dann als eine Art

Startup bezeichnen?

Wenn man in fünfter Generation Scho-

kolade herstellt, ist man natürlich kein

Startup mehr. Ich würde sagen, wir

sind eher ein Hybrid, also ein traditio-

neller Hersteller mit Elementen eines

Startups. Das heißt, dass sich Teile

unseres Teams auch neu finden und

orientieren mussten, weil wir ja alle

aus einer ganz anderen Arbeitsweise

kamen. Das Zentrale daran ist wohl

mit Sicherheit das disruptive Element

des Internetzeitalters. Das bringt

Verunsicherung, die man auffangen

muss. Dazu haben wir 2017 eine neue

Managementmethode eingeführt,

mit der sich Ziele vorgeben und über

Key-Results auch messen lassen. Unser

Ziel ist es, ein transparentes Unter-

nehmen zu sein und auf diese Weise

Commitment zu erzielen. Wir sind ein

kleines Team und es kann nur funkti-

onieren, wenn jeder seine Ressource

möglichst gut nutzt!

Premiumhersteller sind in der Regel

auch die Trendsetter. Welche Rolle

spielen Innovationen und Neuerungen?

Zunächst einmal ist der Trend eindeu-

tig auf unserer Seite, denn die Ver-

braucher fragen heute immer gezielter

nach, woher Rohstoffe kommen. Im

Rahmen unseres Tree-to-door-Ansat-

zes kann jeder Käufer über einen Code

an jeder Tafel Schokolade beispielswei-

se direkt mit dem jeweiligen Farmer

der Kakaobohnen in Kontakt treten.

Das ist die Art Transparenz, die Kon-

sumenten heute suchen. Ein anderes

Projekt ist die Einrichtung unseres

Edel-Kakao-Instituts in Costa Rica, wo

wir Edelkakao in einer Mischvegetati-

on anbauen. Hier probieren wir neue

Formen des Anbaus und lernen noch

sehr viel über die Bohnen selbst.

Wie gehen Sie bei der Erfindung neuer

Schokoladensorten vor?

Wir animieren jeden im Haus, sich

Gedanken über neue Sorten oder

Geschmacksrichtungen zu machen.

Darüber hinaus machen wir regel-

mäßig Verkostungen mit ausge-

wählten Mitarbeitern, wo wir neue

Ideen diskutieren und natürlich neue

Geschmacksrichtungen ausprobieren.

Auch hier gibt es natürlich jede Menge

Trends und Ideen und wir halten jeden

Mitarbeiter dazu an, kreativ zu sein!

Wilhelm Rausch, Sohn eines Konditormeisters und Chocolatiers,

eröffnete 1918 in Berlin die Rausch Privat-Confiserie zur Herstel-

lung von Pralinen, Schokoladen und Honigkuchen. Seine drei Kin-

der führten das Unternehmen fort. 1968 wurde zum 50. Jubiläum

eine neue Schokoladenfabrik in Berlin-Tempelhof eröffnet. 1971

trat Jürgen Rausch in das Unternehmen ein und übernahm zehn

Jahre später die Leitung.

1998 wurde unter dem Markennamen „Plantagen-Schoko-

lade“ eine neue Produktpalette von puren Schokoladen aus

Edelkakao eingeführt. Jede Sorte besteht aus dem Edelkakao

eines bestimmten Herkunftsgebiets. Rausch Schokolade

gibt es seit Ende September 2015 nur noch im Onlineshop des

Unternehmens und im eigenen Schokoladenhaus am Gendar-

menmarkt in Berlin-Mitte.

www.rausch.de

Rausch Schokoladenmanufaktur – süße Geschichte

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„Dem Thema Restrukturierung die Stigmatisierung nehmen“

Restrukturierungen stellen Unternehmen und das Management vor große Herausforderungen. Im Gespräch im Foyer diskutieren Tammo Andersch, Torsten Holland und Thomas Dohrmann über die Herausforderungen in Sanierungsfällen.

Herr Andersch, die Andersch AG

zählt zu den deutschen Restruk-

turierungsspezialisten. Womit be-

schäftigt sich Ihr Unternehmen?

Andersch: Wir sind eine Wirt-

schaftsprüfungsgesellschaft, die

sich auf die Begleitung von oft

internationalen Unternehmen in

herausfordernden Situationen

spezialisiert hat. Dabei kann es sich

auch um Reorganisationen oder Re-

finanzierungssituationen handeln,

allerdings überwiegen in aller Regel

Restrukturierungen in all ihren

Facetten. Wir sind derzeit mit einem

Team von 80 Mitarbeitern an drei

Standorten in Deutschland sowie

einem globalen Netzwerk bei grenz-

überschreitenden Mandaten aktiv.

Und die Angermann Gruppe, Herr

Holland?

Holland: Die Angermann Gruppe ist

eine mittelständische, inhaberge-

führte Unternehmensgruppe mit

vier rechtlich nebeneinanderste-

henden operativen Einheiten, die

insgesamt rund 200 Mitarbeiter an

fünf Standorten in Deutschland

beschäftigt. Oaklins Angermann

Dr. Tammo Andersch (Andersch AG), Torsten Holland (Angermann Holding), Jens Tinnappel (NORD/LB) und Thomas Dohrmann (NORD/LB) im Gespräch.

Gespräch im Foyer

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ist als deutsche Gesellschaft von

Oaklins auf M&A Transaktionen

deutscher Mittelständler ausgerich-

tet. Angermann Real Estate erbringt

Dienstleistungen zur Bewertung,

Vermietung und Vermarktung von

gewerblichen Immobilien unter-

schiedlicher Asset Klassen. Netbid,

Angermann Maschinen und Finan-

zierung bewertet und vermarktet ge-

brauchtes Equipment als Einzelan-

lagen oder gesamt Anlagevermögen.

Angermann Consult ist eine reine

Restrukturierungseinheit mit den

drei Themen Restrukturierungs-/Sa-

nierungsberatung, distressed M&A

und distressed Real Estate.

Die Wirtschaft brummt – gibt es der-

zeit überhaupt noch genug zu tun?

Holland:Die Zahl der Gewerbe-Insol-

venzen hat sich in den letzten acht

Jahren deutlich reduziert. Auch die

Zahl der neuen Sanierungsfälle ist

erheblich zurückgegangen – dabei

sehen wir keine Branchen- oder

regionalen Schwerpunkte. Aller-

dings rückt ein anderes Thema aus

unserer Sicht in letzter Zeit in den

Vordergrund, nämlich der Bedarf

bzw. die Notwendigkeit für mittel-

ständische Unternehmen, frühzei-

tig in einen Restrukturierungspro-

zess einzusteigen.

Andersch: Immer, wenn die Wirt-

schaft brummt, ist auch das Thema

Restrukturierung sehr relevant. Ich

rede dabei gar nicht von Insolven-

zen, sondern von der Veränderung

in herausfordernden Situationen,

also wenn sich Geschäftsmodelle

von Grund auf ändern. Stichworte

sind hier Automatisierung, Verlin-

kung von Prozessen, die Anpassung

an neues Konsumentenverhalten,

E-Commerce und so weiter – hier

sind schon seit vielen Jahren struk-

turelle Veränderungen und Re-

strukturierungen im Gang. Zudem

sind seit der Finanzkrise viele Un-

ternehmen sehr stark und oftmals

auch ungezügelt gewachsen. Ich

habe insbesondere bei mittelstän-

dischen Unternehmen einige Fälle

erlebt, die sich in puncto Expan-

sion übernommen hatten und die

Entwicklung vorsichtig zurückdre-

hen mussten, um die Folgen von zu

schnellem, unkontrolliertem und

nicht strukturiertem Wachstum

zu lindern. Und obendrein gibt es

aufgrund des billigen Geldes derzeit

noch sogenannte Zombie-Unterneh-

men, also Firmen, deren Geschäfts-

modelle eigentlich nicht mehr trag-

fähig sind, die heute aber künstlich

am Leben erhalten werden durch

billiges Geld. Davon gibt es mehr,

als wir alle denken.

Gibt es weitere Sanierungstreiber,

die Sie derzeit sehen?

Holland:Es gibt drei weitere Be-

sonderheiten, die auch in wirt-

schaftlich guten Phasen Sanie-

rungstreiber sind. Ein Thema

ist Arbeitskräftemangel, der das

Wachstum begrenzt – und nicht

nur im Bereich der qualifizierten

Arbeitskräfte. Das fängt bei Spedi-

teuren an, die keine Fahrer finden,

und geht bis in den Bereich der

Hochtechnologie. Das zweite Thema

ist das Problem, dass zwar viele

Aufträge da sind, viele Unterneh-

mer sich aber nicht ausreichend

mit der Kalkulation beschäftigen

und die Rohstoffpreisentwicklung

dabei außer Acht gelassen haben

– mit teilweise fatalen Folgen. Der

dritte Treiber sind streng nach Zeit

reglementierte Finanzierungen

von Startups. Unabhängig von der

Investition hängt der Erfolg davon

ab, ob die Technologie f liegt oder

nicht. Oft dauert dies zwei Jahre

länger als die Finanzierung geplant

ist – und dann kommen wir mit den

oftmals limitierten klassischen Fi-

nanzierungsmodellen nicht mehr hin.

Herr Dohrmann, wie sehen Sie dies

aus Bankensicht?

Dohrmann: Man muss hier ein biss-

chen unterscheiden, wenn man von

Restrukturierungen, Neustruktu-

rierungen oder Umstrukturierun-

gen spricht. Natürlich haben wir

in den letzten Jahren relativ wenig

von der „klassischen“ Zwangsre-

strukturierung zur Vermeidung

der Insolvenz gesehen. Insolvenzen

sind wirklich auf dem niedrigsten

Stand seit zwei Dekaden. Allerdings

werden Insolvenzen und Restruk-

turierungen aus verschiedenen

Gründen immer komplexer – und

die Gesamtzahl dieser Fälle hat in

den letzten zwei bis drei Jahren

zugenommen. So beobachten wir

heutzutage öfter die Aufnahme

eines größeren Kreditvolumens,

unter Beteiligung mehrerer Toch-

tergesellschaften sowie der Mutter

selbst, im Unternehmen und über

verschiedene Produkte hin. Diese

Gemengelage ist insofern komplex,

als dass sich nicht jedes Produkt

in einer klassischen Restrukturie-

rung gleich verhält. Und natürlich

kann es auch passieren, dass ich

über die verschiedenen Tochterge-

sellschaften oder Produkte auch

unterschiedliche Interessenkreise

habe, also nicht einen homoge-

nen Bankenkreis. Diese Situation

sauber auseinanderzudividieren ist

äußerst komplex und erfordert Zeit

und Expertise.

Das heißt, das Wachstum der letz-

ten zehn Jahre hat dazu geführt,

dass wieder mehr Fehler gemacht

werden?

Andersch: Nun, schon 2007/2008

gab es wenige Manager, die die

plötzliche Krise richtig managen

konnten. Heute stehen wir vor

dem gleichen Problem. Es mangelt

nämlich ebenso an Managern, die

Wachstum richtig managen können.

Derzeit braut sich deshalb ein sehr

komplexer Cocktail zusammen.

Allem voran geht die Komplexität

durch sehr heterogene Finanzie-

rungen, es gibt kaum noch konsor-

tiale Bindungen. Dies hängt damit

zusammen, dass sich die gesell-

schaftsrechtliche Struktur oftmals

in der Finanzierungsstruktur wider

spiegelt, quasi als opportunistische

Nutzung von Finanzierungsmög-

lichkeiten. In Kombination mit

schnellem Wachstum, geopoliti-

schen Unsicherheiten plus der digi-

talen Disruption vieler Geschäfts-

modelle könnte sich das schnell als

sehr giftiger Cocktail erweisen. Im

Endeffekt kann dann das Ausmaß

der notwendigen Restrukturierung

höher sein, als gedacht.

52° NORD

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Dohrmann: Daher ist es aus unserer

Sicht ganz wichtig, dass man früh

einsteigt und die Sanierungssituati-

on zur Vermeidung der Insolvenz in

die Hand nimmt. Heißt, wir müssen

die Warnsignale früher erkennen

und dann können wir als Restruk-

turierungsteam mit verschiedenen

Handlungsoptionen und damit

Erfolg versprechender eingreifen.

Lässt es sich das denn so lange

verschleppen?

Holland: Vorsichtig formuliert: In

komplexen Unternehmensstruk-

turen können Holding-Geschäfts-

führer den „Überblick“ verlieren.

Sie verfolgen die Vertriebserfolge

in der einen Einheit, während in

der anderen die Transparenz fehlt.

So erlebe ich in einem aktuellen

Projekt, dass das eine Unternehmen

komplett schuldenfrei ist,

während sich in der ande-

ren Gesellschaft Risiken

anhäufen. Früher entwi-

ckelten Unternehmen sich

klassisch in eine Sanierung

hinein. Doch das wandelt

sich. Heute kann der letzte

Jahresabschluss noch

sehr gut gewesen sein und

ein Jahr später steht das

Unternehmen durch die

Geschwindigkeit der Dis-

ruption vor einer komplett

anderen Situation.

Andersch: Hinzukommt,

dass man sich in einer

schwächelnden Konjunktur

nicht so lange durchhan-

geln kann. Zudem bringt

die Digitalisierung eine

deutliche Beschleunigung,

wie Sie eben bereits sagten.

Dies bringt Chancen und

Risiken für die klassische

Restrukturierung, weil

wir schneller reagieren

müssen. Wenn wir in unseren

Restrukturierungen den digitalen

Swing richtig hinbekommen in der

Beratung und der Refinanzierung

für das Unternehmen, dann können

wir natürlich die richtige Plattform

auch schneller bauen. Diese Digi-

talisierungseffekte funktionieren

in beide Richtungen, sind aber ein

sehr zweischneidiges Schwert.

Also hat die deutsche Industrie

nicht aus dem Verlust der Elektro-

nik- und Fotoindustrie in den 70er

Jahren gelernt?

Holland:Im Grunde steht die Indus-

trie heute vor einer vergleichbaren

Situation wie damals. Die Digitali-

sierung steht in erster Linie dafür,

dass sich Prozesse extrem beschleu-

nigen und Unternehmen sich neu

verdrahten mit externen Partnern

sowohl auf der Lieferanten- als auch

auf der Kunden- und Finanzierer-

seite. Das Problem ist dabei auch ein

psychologisches, denn die Mitarbei-

ter müssen die Geschwindigkeit mit-

gehen können – und hier hapert es

oft, auch bei der Geschäftsführung.

Wie lassen sich dann die Mitarbeiter

am besten mitnehmen?

Andersch: Der wichtigste Punkt

ist wirklich offene Kommunikati-

on, auch wenn es manchmal weh

tut, wie im Falle von Schließungen

von Betriebsstätten oder anderen

harten Maßnahmen. Zudem muss

man konsequent sein – und vor

allem muss die Führungsspitze

selbst einen Beitrag leisten. Der

Gesellschafter, der Gründer oder

der Eigenkapitalgeber stehen vorne

weg und danach folgt das Manage-

ment. Nur so lässt sich dann auch

der Betriebsrat gewinnen und vom

Konzept überzeugen.

Holland: Ich finde es zudem wichtig,

die Mitarbeiter aktiv zur Mitgestal-

tung aufzufordern. Wenn man sie

einlädt, die Prozesse zu gestalten und

dann auch vorsichtig in eine gewisse

Richtung lenkt, dann funktioniert

es in der Regel. Schließlich kennen

die Mitarbeiter die internen Prozesse

und wissen, was im Unternehmen gut

läuft und was nicht. Und wenn man

dieses Wissen nicht nur abschöpfen,

sondern vor allen Dingen in die Reor-

ganisation mit einbringen kann, dann

ist das Erfolg versprechend.

Das heißt aber für uns auch,

dass wir beim Management

Überzeugungsarbeit auf

allen Ebenen leisten müssen.

Herr Dohrmann, in der neu-

en Abteilung Special Situati-

on Financing konzentrieren

Sie sich auf Unternehmen

in schwierigen Situationen.

Was bieten Sie an?

Dohrmann: Unsere Angebote

zur Zusammenarbeit sind

sehr vielschichtig. Durch

unsere engen Kontakte zu

Unternehmensberatern

erhalten wir Zugang zu inter-

essanten unternehmerischen

Fällen – für gewöhnlich

sind die Unternehmen dann

schon in einer Art Krisensitu-

ation. In der Regel handelt es

sich dabei um Restrukturie-

rungsfälle, bei denen sich die

Zusammenarbeit zwischen

Unternehmen, Beratern und

uns als ideale Voraussetzung für

den Turnaround des Unternehmens

erweisen kann, den wir mit unserer

Finanzierung anschieben wollen.

Wie einleuchtend ist das Konzept

aus Beratersicht?

Holland: Also ich bewerte die Idee

Gespräch im Foyer

Thorsten Holland

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Zur Person Tammo Andersch

... besitzt jahrzehntelange Erfahrung in der Durchführung komplexer Restrukturierungs- und Refinanzierungspro-

jekte. Vor Gründung des Unternehmens Andersch arbeitete er knapp 20 Jahre für eine internationale Wirtschafts-

prüfungsgesellschaft. Dort wurde er im Jahr 2000 zum Partner bestellt und zwei Jahre später zum Deutschland-Leiter

der Restrukturierungsberatung. Zusätzlich führte er ab 2005 die Restrukturierungs-Aktivitäten in Europa, Afrika und

dem Mittleren Osten und entwickelte sein Team zu einer der international führenden Restrukturierungsberatungen. Er

studierte Wirtschaftswissenschaften an der Hamburger Helmut-Schmidt-Universität und besitzt einen MBA-Abschluss

des Henley Management College (England). Von 1984 bis 1993 diente er als Offizier der Bundeswehr.

Dr. Thomas Dohrmann ...ist Bereichsleiter Sonderkredit Management bei der NORD/LB. Der Bereich umfasst Restrukturierungen, Abwicklungen

und Bewertungsmanagement. Zuvor arbeitete er bei Fitch Ratings, New York, und bei der Deutschen Bank, ebenfalls in New

York und in Frankfurt. Dr. Dohrmann studierte Jura an der Leibniz Universität Hannover, wo er auch promovierte. Seinen MBA

machte er an der Fuqua School of Business an der Duke University in Durham, North Carolina.

Thorsten Holland... ist seit 1999 geschäftsführender Partner der Angermann Consult GmbH. Nach seinen Studienabschlüssen zum Diplom-Wirt-

schaftsingenieur und anschließend zum Diplom-Kaufmann durchlief er seit 1991 als Berater und späterer Projektleiter Stationen bei

der Arthur Andersen Management Beratung. Während seiner nunmehr 20-jährigen Tätigkeit für Angermann Consult bearbeitete und

verantwortete er eine Vielzahl von insbesondere Sanierungs- und Restrukturierungsprojekten aber auch von Nachfolgeprozessen für

mittelständische Unternehmen unterschiedlicher Branchen in der Konzeptphase und anschließenden Umsetzungsbegleitung.

sehr positiv, weil man heute häufig

nicht mehr über einen abgestimm-

ten Finanzierer-Kreis verfügt, wie

es früher in der Mittelstandsfinan-

zierung oft der Fall war, so dass in

Sanierungssituationen klar

war, wer gegebenenfalls eine

Poolführung übernehmen

soll. Hier bietet Special

Situation Financing eine

interessante Alternative

zur Ablösung oder Ergän-

zung von Finanzierungen

in Krisenunternehmen.

Wie schätzen Sie in diesem

Zusammenhang die geplan-

te Einführung des präventi-

ven Restrukturierungsver-

fahrens ein?

Andersch: Das präventive

Restrukturierungsverfah-

ren wird meines Erachtens

schneller kommen als

gedacht. Und ich finde es

sehr positiv, denn es wird

den Themen Restruktu-

rierung und Insolvenz die

Stigmatisierung nehmen

und wieder wesentlich

mehr Gläubiger-Autonomie schaffen –

wenn der Unternehmer nicht in den

Vollstreckungsschutz gehen will. Es

wird die gesamte Restrukturierungs-

kultur verändern – und das ist gut so.

Wir erreichen dann hoffentlich eine

Kultur, die gerade deutsche Unter-

nehmer dafür empfänglicher macht,

eine Bank als Sparringspartner an die

Seite zu nehmen.

Holland: Ich kann das nur

unterstreichen, auch wenn

derzeit verschiedene In-

teressengruppen über die

Ausgestaltung diskutieren.

Wenn man die vorinsolvenz-

liche oder außergerichtliche

Sanierungsphase besser

strukturieren und öffnen

kann, dann ist das mit Sicher-

heit sehr hilfreich für eine

erfolgreiche Sanierung. Im

Moment haben wir die Situ-

ation, dass Regularien stark

zugenommen haben, was bei

vielen Stakeholdern Ängste

vor Haftungs- und Anfech-

tungstatbeständen erzeugt.

Daher ist es wichtig, diese

insolvenznahe Sanierungs-

phase ein Stück zu entstig-

matisieren – was insbeson-

dere den Gläubigern und den

Belegschaften helfen kann.

52° NORD

Tammo AnderschAch

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18 / Länderfokus: Australien

Wachstum ohne Ende?

Seit 27 Jahren befindet sich Australiens Konjunktur ununterbrochen im Aufschwung. Doch die starke wirtschaftliche Abhängigkeit von China könnte eines Tages für das Land zum Risiko werden.

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/ 1952° NORD 52° NORD

„Lucky Country“ – so nennen Australier gerne ihre Heimat.

Und in der Tat scheint Australien ein glückliches Land

zu sein. Metropolen wie Sydney, Melbourne oder Perth

gelten als weltoffen, modern und lebendig. Auch eilt den

Bewohnern des Fünften Kontinents der Ruf voraus, recht

entspannt und unkompliziert zu sein. Sonne und Sand-

strände gibt es ebenfalls reichlich in Down Under, darü-

ber hinaus lockt eine spektakuläre Natur Touristen und

Einheimische gleichermaßen ins weite Outback. Aber

nicht nur deshalb erklärte vor fünf Jahren die Organisati-

on für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

(OECD) die Australier zu den zufriedensten Menschen

auf der Welt. Vor allem durch sein Gesundheitssystem

und durch die überdurchschnittlich hohe Bereitschaft

seiner Bevölkerung zu zivilgesellschaftlichem Engage-

ment konnte Australien in dieser Studie punkten. Kein

Einzelfall, denn auch im World Happiness Report 2018

belegt Down Under hinter Schweden und vor Israel einen

eindrucksvollen 10. Platz. Aber es gibt einen weiteren

Grund zur Freude auf der anderen Seite der Erdkugel:

Im Sommer vergangenen Jahres brach Australien den

Wachstumsweltrekord unter den Industrienationen. Die

Statistikbehörde konnte das 104. Quartal in Folge, also

über 25 Jahre und neun Monate hinweg, ein Plus vermel-

den. Bis dahin waren es die Niederländer, die die längste

Zeit ohne eine Rezession hinter sich gebracht hatten. Dank

des reichlich fließenden Nordseeöls kamen sie bis 2008

auf 103 Quartale ohne negative Zahlen. Dann brach die

Finanzkrise aus.

Bevölkerungswachstum befeuert BinnennachfrageIn Australien ist dagegen ein Ende der Erfolgsserie

keinesfalls in Sicht. Kaum eine Wolke scheint den Kon-

junkturhimmel zu trüben. So legte laut Internationalem

Währungsfonds (IWF) das Bruttoinlandsprodukt 2017 um

2,3 Prozent zu. Und für dieses sowie das kommende Jahr

rechnen die Experten mit Wachstumsraten von jeweils

rund 3 Prozent. „Die Entwicklung in Australien basiert

auf zwei wesentlichen Faktoren“, kommentiert Professor

Dr. Heribert Dieter die guten makroökonomischen Daten

in Serie. „Zum einen profitierte das Land von der starken

Nachfrage nach Rohstoffen“, so der Experte für Globale

Fragen an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in

Berlin. „Zum anderen boomt seit Jahren der Immobilien-

sektor.“ Aber es gibt eine weitere Ursache, die seiner Mei-

nung nach häufig vergessen wird. „Und das ist die positive

Bevölkerungsentwicklung.“ Zählte man 1997 noch 18,5

Millionen Australier, so waren es zehn Jahre später schon

20,9 Millionen und heute sind es 24,7. „Daraus ergeben

sich wichtige Impulse für die Binnennachfrage und den

Konsum.“ Rund 190.000 Menschen aus aller Welt erhalten

jedes Jahr die Staatsbürgerschaft. Dabei hat Australien

sehr strenge Einwanderungsgesetze. Nur jüngere und vor

allem gut ausgebildete Menschen dürfen kommen. Das

zahlt sich offensichtlich aus.

Doch auch im „Lucky Country“ ist nicht alles perfekt. „Die

verarbeitende Industrie ist verhältnismäßig schwach

aufgestellt“, betont Dieter. Ein Indiz dafür ist das Ende

der traditionsreichen Autoindustrie auf dem Fünften

Kontinent. Im Oktober 2017 zogen mit Toyota und GM

Holden die letzten beiden verbliebenen Hersteller den

Stecker. Offensichtlich rechnete sich die Produktion auf

dem Fünften Kontinent nicht mehr. Ford hatte bereits ein

Jahr zuvor sein Werk vor Ort geschlossen. Wenn man die

rund 120 gleichfalls betroffenen Kfz-Zuliefererbetriebe

dazu rechnet, gingen dadurch schätzungsweise 50.000

Jobs verloren. „Die Regierung in Canberra war 2013 nicht

mehr bereit, den Produzenten von Fahrzeugen durch

Die Architekturmetropole Brisbane in Queensland

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Subventionen länger unter die Arme zu greifen“, weiß der

SWP-Mann zu berichten. Dabei ging es um einige hundert

Millionen australische Dollar pro Jahr. „Diese Entschei-

dung ist schwer nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass

die Produktion von U-Booten vor Ort dagegen mit einem

staatlichen Programm unterstützt wird, das rund 50 Milli-

arden australische Dollar kostet und nur wenige hundert

Arbeitsplätze sichert.“ Auch Australiens Infrastruktur

ist alles andere als optimal. Ihr Ausbau konnte mit dem

Wachstum der Bevölkerung nur schwerlich Schritt halten.

Zudem bewies man nicht immer ein glückliches Händ-

chen, wenn es um wichtige Weichenstellungen für die

Zukunft ging. So beschloss Canberra 2009 über 20 Milliar-

den Euro in den Aufbau eines hochmodernen Glasfaser-

netzes zu investieren. Der ambitionierte Plan wurde nach

einem Regierungswechsel prompt wieder ad acta gelegt

und stattdessen das alte Kupferleitungsnetz erweitert

– sehr zum Nachteil für die Entwicklung der Digitalisie-

rung der Wirtschaft. Und im Energiesektor setzte man zu

lange auf schmutzige sowie unrentable Kohlekraftwerke

und vernachlässigte geradezu sträflich das Thema erneu-

erbare Energien.

Klumpenrisiko Rohsto�exporteNorman Langbecker hat eine ähnliche Einschätzung.

„Das konstante wirtschaftliche Wachstum der letzten

Jahrzehnte ist vor allem im Rohstoffreichtum des Landes

sowie den hohen Investitionen zu deren Erschließung

und Export begründet“, so der Regionalmanager mit

Zuständigkeit für Japan, Korea sowie den Südpazifik

beim Ostasiatischen Verein e.V. in Hamburg. Minera-

lische Rohstoffe, Flüssiggas, Kohle und Eisenerz allein

machen über 37 Prozent des Volumens der australischen

Ausfuhren aus und bleiben auch in Zukunft wichtige

Wachstumstreiber. Und weil Rohstoffmärkte sehr volatil

sein können, haben die Unternehmen im Bergbausektor,

die übrigens zu 80 Prozent in nichtaustralischen Händen

sind, in jüngster Zeit sehr viel Geld in die Steigerung der

Produktivität investiert und vielerorten ihre Produktion

hochgeschraubt. Auf diese Weise können sie eventuell

fallende Preise durch zusätzliche Fördermengen halb-

wegs ausgleichen. „Australien liefert quasi die Grundlage

für den wirtschaftlichen Aufstieg Asiens und wird auch

weiterhin vom „asiatischen Jahrhundert“ und dessen

aufstrebender Mittelschicht profitieren.“ Zudem nennt

Langbecker weitere Faktoren, die für eine Kontinuität in

Sachen Aufwärtsentwicklung sprechen. „Hinzu kommen

das konstante Bevölkerungswachstum, ein erfolgreicher

Dienstleistungssektor sowie steigende Nahrungsmittelex-

porte in die Region Asien-Pazifik.“ Aber auch für ihn ist

die verarbeitende Industrie für eine Volkswirtschaft von

der Größe Australiens nicht breit genug aufgestellt.

Aber laut Langbecker kann dem Land aus einem ganz

anderen Grund in Zukunft womöglich einmal Ungemach

drohen: durch die enorme Abhängigkeit vom Reich der

Mitte. „Mit einem Exportanteil von 30 Prozent sowie

einem Importanteil von 25 Prozent ist China ganz klar der

wichtigste Handelspartner Australiens.“ Zum Vergleich:

1991 gingen gerade einmal 2 Prozent der australischen

Ausfuhren dorthin. „Dies birgt zwangsläufig auch ein

Risiko für die australische Wirtschaft, wenn das Wachs-

tum in China stagniert oder sogar zurückgehen sollte.“

Anders formuliert: Wenn Chinas Konjunktur von einem

leichten Schnupfen heimgesucht wird, dann hat Austra-

lien schnell eine schwere Grippe. Für den Experten von

der SWP hat diese hohe wirtschaftliche Abhängigkeit

sogar weitreichende politische Konsequenzen. „Canberra

muss sich deshalb mit Kritik an China zwangsläufig sehr

zurückhalten.“

Abhängigkeit von ChinaDabei sind die Asiaten, allen voran die Chinesen, noch in

ganz anderen Bereichen sichtbar und haben regen Anteil

daran, dass die konjunkturelle Dynamik anhält. Denn

immer mehr Eltern aus China, Sri Lanka oder Indien

schicken ihre Sprösslinge nach Australien auf die Schule

oder die Universität. Das liegt nicht nur an der geographi-

schen Nähe. Ein akademischer Abschluss in Down Under

ist deutlich günstiger zu bekommen als beispielsweise

in Europa oder den Vereinigten Staaten. Deshalb bieten

die 40 Universitäten des Landes zahlreiche Studiengänge

und Serviceleistungen eigens für diese Zielgruppe an. Mit

232.000 Studenten stellen die Chinesen wiederum das

größte Kontingent. Rund 30,9 Milliarden australische

Dollar lassen die ausländischen Studenten im Jahr in

Australien. Ein weiterer Vorteil: Die Unterrichtssprache ist

Englisch. Auch auf dem Immobilienmarkt zeigen Chinesen

Flagge, was nicht ohne Folgen bleibt. In urbanen Zentren

wie Sydney haben sich die Preise für Häuser oder Wohnun-

gen in den vergangenen acht Jahren mehr als verdoppelt.

Auch der Tourismus gewinnt als Wirtschaftszweig zuneh-

mend an Bedeutung. Aufgrund all dieser Entwicklungen

hat der Dienstleistungssektor mittlerweile einen Anteil

von satten 70 Prozent an der Entstehung des australi-

schen Bruttoinlandsproduktes.

Zudem brummt der Außenhandel. Allein 2017 stieg der

Wert der Exporte im Vergleich zum Vorjahr um 16,5 Pro-

zent auf ein Volumen von 302 Milliarden US-Dollar. Bei

den Importen wurde im selben Zeitraum ein Zuwachs von

7,9 Prozent verzeichnet. Dafür ist nicht allein der Hunger

Asiens nach Rohstoffen verantwortlich. Denn Australien

hat in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Freihan-

delsabkommen unter anderem mit China, Japan oder Süd-

korea abgeschlossen. Auch mit der EU steht man derzeit

in Verhandlungen. Was überraschen mag: All das macht

es australischen Unternehmen nicht immer leichter, ihre

Produkte auf den Weltmärkten anzubieten. „Die hohe

Zahl an Freihandelsabkommen hat dazu geführt, dass vor

allem kleinere Firmen den Überblick darüber verloren ha-

ben, was möglich ist und was nicht,“ gibt Professor Dieter

Länderfokus: Australien

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Multikulti- und Finanzmetropole Sydney

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22 /

zu bedenken. „Sie verabschieden sich aus dem Auslands-

geschäft, weil das Regelwerk einfach zu kompliziert wur-

de.“ Es scheint, die Regierung in Canberra verhandelt in

Sachen Freihandel manchmal munter drauf los. „Es fehlt

gelegentlich an Kohärenz.“ Von den aktuellen protektio-

nistischen Bestrebungen der Trump-Administration ist

man jedenfalls nicht betroffen. „In punkto Außenhandel

ist Australien nicht übermäßig stark mit den Vereinigten

Staaten verflochten“, erklärt Langbecker. „Nur 5 Prozent

der australischen Exporte gehen dorthin. Die Importe aus

Amerika sind hingegen weitaus größer, so dass Australien

ein relativ hohes Handelsbilanzdefizit mit den Vereinig-

ten Staaten verzeichnet.“ Washingtons restriktive Maß-

nahmen richten sich aber nur gegen Länder, mit denen

man selbst ein Minus in der Handelsbilanz hat. „Zudem

gilt Australien als ein bedeutender geostrategischer Partner

in der Region, der nicht verprellt werden sollte.“

Starkes deutsches EngagementFür deutsche Unternehmen ist Australien trotz der relativ

niedrigen Einwohnerzahl schon immer ein interessanter

Markt gewesen. So legten die Exporte Richtung Down Un-

der im vergangenen Jahr um 5 Prozent zu und erreichten

ein Volumen von 9,4 Milliarden Euro. In umgekehrte Rich-

tung stiegen die Ausfuhren sogar um satte 35,1 Prozent

auf einen Wert von 2,9 Milliarden Euro. Den Löwenanteil

bestritten dabei mit 1,1 Milliarden Euro die australischen

Kohlelieferungen, die um 83,8 Prozent gegenüber dem

Vorjahr anzogen. Traditionell ist der australische Bergbau

ein guter Kunde bei den Herstellern von moderner För-

dertechnik „Made in Germany“. „Auf der Liste der größten

deutschen Handelspartner landet das Land immerhin

auf Platz 35“, so Langbecker. „Sollte das Freihandelsab-

kommen mit der EU, das momentan noch verhandelt

wird, zustandekommen, so würde das neue Potenziale

erschließen.“ Vor allem die deutschen Autobauer erhoffen

sich eine Aufhebung der Einfuhrzölle sowie ein Ende der

Luxussteuer für Fahrzeuge der gehobenen Klasse. Das

würde der Nachfrage einen deutlichen Auftrieb verleihen.

„Aber auch in den Ausbau der erneuerbaren Energien

fließen aktuell hohe Investitionssummen – ein Bereich,

in dem deutsche Anbieter ebenfalls gut aufgestellt sind.“

Und so sieht es ganz danach aus, dass deutsche Unterneh-

men in den kommenden Jahren ein stärkeres Interesse

haben werden, die Erfolgsserie der australischen Wirt-

schaft mitzuschreiben.

Länderfokus: Australien

Australien zählt zu den größten Exporteuren von Rohsto�en

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/ 2352° NORD

„Weltmarktführer in Qualität und Menge“

Ein Interview mit Fritz Graf von der Schulenburg, Managing Partner der Jebsen & Jessen (GmbH & Co.) KG in Hamburg.

Die Jebsen & Jessen Hamburg Gruppe

ist in den Bereichen Textilien, Chemi-

kalien und Granatsand aktiv. Wie kam

es zu diesem Portfolio?

Die Firma Jebsen & Jessen bezeichnet

sich als Family Group of Enterprises

und wurde 1895 in Honkong gegrün-

det. Beide Gründer kamen jeweils aus

Familien, die viel Handel mit China

betrieben und über eigene Schiffe

verfügten. Der Plan war zunächst, ein

Unternehmen in Hongkong zu grün-

den, das eigene Produkte aus Deutsch-

land nach China importieren sollte. In

dieser Funktion waren wir lange die

Generalagenten namhafter deutscher

Konzerne in China. Zugleich sind wir

zu einem großen Handelsunterneh-

men mit Fokus auf Luxury Consumer

Goods in Hongkong geworden. Ein

weiterer Teil des Unternehmens ist die

Jebsen & Jessen Gruppe in Hamburg.

Sie ist heute ein Handelsunternehmen

mit den drei großen Sparten Textilien,

Chemikalien und Granatsand und

sie ist vor allem in den Märkten in

Südamerika, Europa und Middle East

vertreten. Die Jebsen & Jessen Gruppe

Südostasien mit Sitz in Singapur

entstand in den sechziger Jahre in der

zweiten Eigentümergeneration und

wurde von einem Familienmitglied

in Singapur gegründet. Sie operiert

als eine Art Konglomerat in allen

Ländern Südostasiens, inklusive den

Emerging Markets.

Wie kommt die GMA Garnet in diesem

Konstrukt ins Spiel?

Die GMA Garnet ist das vierte Un-

ternehmen in diesem Konstrukt. Es

nahm seinen Anfang in einer Ver-

triebsfunktion für eine australische

Mine für Granatsand, die wir dann

später kauften, als der Besitzer auf

der Suche nach einem neuen Eigen-

tümer war. Wir entwickelten sie und

bauten insbesondere den globalen

Vertrieb Schritt für Schritt aus.

Erzählen Sie uns Näheres über die Mine?

Sie befindet sich nördlich von Perth.

Im Küstensand dort befindet sich das

Mineral Garnet, der weltweit beste

Granatsand. Man benutzt ihn für

zwei Anwendungen, nämlich zum

Sandstrahlen sowie zum Wasser-

strahlschneiden. Aus dem ursprüng-

lichen Minenbetrieb in Australien

ist mit GMA eine Marke als Gesamt-

anbieter von Granatsand entlang

der gesamten Wertschöpfungskette

geworden. Wir bringen pro Jahr rund

500.000 Tonnen in den Markt.

Wie verlief die wirtschaftliche Ent-

wicklung?

GMA wurde in den achtziger Jahren

gegründet, dann entstand Anfang der

Neunziger GMA Europe, 2000 dann

Middle East und 2015 schließlich

übernahmen wir eine Mine in Mon-

tana, wo wir Steingranat für den US-

Markt fördern. Wir haben also aus den

Anfängen in Australien ein globales

Geschäft aufgebaut und sind darin in

Qualität und Menge Weltmarktführer.

Welchen Herausforderungen sind Sie

beim Betrieb der Mine begegnet, mit

denen Sie nicht gerechnet hatten?

Die erste Herausforderung ist

zunächst, qualitativ hochwertigen

Granatsand zu produzieren und da-

mit dem Markt- und auch eigenen An-

spruch gerecht zu werden. Dann ist

beim Betrieb einer Mine natürlich die

nächste Herausforderung die Frage,

wie lange man sie ausbeuten kann.

Glücklicherweise haben wir darauf

eine sehr positive Antwort, denn im

gesamten Gebiet rund um die Mine,

wo wir auch die Schürfrechte haben,

sind wir auf weiteren Granatsand

gestoßen.

Welche Herausforderung besteht im

globalen Wettbewerb?

Der Markt ist stark geprägt von indi-

schen Produzenten, die äußerst preis-

aggressiv sind. Allerdings hat die

indische Regierung Anfang 2016 ein

Exportembargo verhängt, weil einige

der Produzenten die Schürfrechte

nicht korrekt erworben hatten. Wir

haben diese Zeit genutzt, um unser

Volumen zu steigern.

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Fritz Graf von der Schulenburg

… ist Managing Partner der Jebsen &

Jessen Hamburg Gruppe. Nach seinem

Jura-Studium hatte er verschiedene Ma-

nagement-Positionen im Ausland inne.

Herr von der Schulenburg ist verheiratet

und hat vier Kinder.

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24 / NORD/LB Story: NPL-Sanierungen

NPL-Sanierung: Restrukturierungszeiten gezielt verkürzen

Ein Gastbeitrag von Dr. Sascha Haghani, Head of the global Restructuring & Corporate Finance Competence Center bei Roland Berger in München.

Die Wirtschaft boomt, von Krise keine Spur. So oder

ähnlich sieht sich Deutschland seit nun fast einer Dekade.

Und doch: Das Umfeld trübt sich angesichts des Brexits,

eines möglichen Handelskrieges und einer Wachstumsbe-

grenzung durch Fachkräftemangel zusehends ein. Im Fi-

nanzsektor ist im Jahr 10 seit der Finanzkrise eine völlig

neue Zeitrechnung angebrochen: Die Kreditnachfrage der

Unternehmen wächst nur langsam, die Risikokosten sind

im Banksektor historisch niedrig und die Investitionen in

den Kapitalstock zur Produktivitätssteigerung weiterhin

zögerlich. Zudem wird künftig der regulatorische Rah-

men die Kreditvergabe, das Pricing und die Restrukturie-

rungslandschaft beeinflussen.

Angetrieben durch konjunkturelles „Doping“ in Form

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/ 2552° NORD

Gestütztes Wachstum: NPL-Sanierungen helfen dabei

günstiger Wechselkurse, niedriger Rohstoffpreise und

Zinsen konnte Deutschland zwischen 2009 und 2016 sein

BIP um 674 Milliarden Euro steigern. Die andere Seite die-

ser Medaille ist jedoch der damit verbundene Anstieg an

Barmitteln aus guten Ergebnissen und einem zurückhal-

tenden Investitionsverhalten. Allerdings zeigt ein Drittel

der Unternehmen in Deutschland unter der Oberfläche der

positiven Konjunkturentwicklung schwache Krisensigna-

le: Umsatzrückgänge, negatives EBIT (Gewinn vor Zinsen

und Steuern) oder hohe Verschuldung. Die Zeit für einen

möglichen Einbruch scheint gekommen.

Es stellt sich daher die Frage, wie lange der längste Konjunk-

turaufschwung in der DACH-Region (Deutschland, Öster-

reich und die Schweiz) noch anhalten kann – zumal Europa

im Bereich Non-Performing Loans (NPL) einige Risiken

im Finanzsektor akkumuliert hat. So haben die USA ihren

Bestand an NPLs nach 2008 schnell abgebaut, während der

Bestand in Europa mit 990 Milliarden Euro neun Mal so

hoch ist wie in den USA. Die NPL-Ratio liegt in Europa mit

5 Prozent deutlich über dem Wert der USA (1%); Deutsch-

land liegt mit einem Wert von 2,5 im Mittelfeld. Hinter dem

Phänomen verbirgt sich das niedrige Handelsvolumen

mit NPLs – und das eben auch in Deutschland. Das höhere

Handelsvolumen der USA erklärt sich durch Unterschiede

im Finanzsystem und dem höheren Reifegrad des amerika-

nischen Marktes für NPL-Trading.

Das Problem dabei: Der hohe Anteil von NPLs in den

europäischen Bankbilanzen kann sich im Krisenfall als

zusätzliche Wachstumsbremse im Euro-Raum auswirken.

Schließlich könnten die Institute dann weniger Kredite

vergeben und dieser eingeschränkte Zugang könnte im

Falle eines Abschwungs das Wachstum noch einmal

verlangsamen. Zudem haben die Banken mit fallenden

NPL-Ratios auch weniger Sanierungsfälle.

Auch ein Vergleich der Finanzierungsstrukturen von Un-

ternehmen in Deutschland und den USA zeigt signifikante

Unterschiede. In beiden Ländern ist Eigenkapital der wich-

tigste Finanzierungsbaustein. Daneben ist in Deutschland

der Kredit die wichtigste Finanzierungsform, während

in den USA Kredit und Schuldschein fast die gleiche Rolle

spielen. Auch hier ist die Konservativität in der Unterneh-

mensfinanzierung in Deutschland ein gewisser Nachteil.

Denn obschon Schuldscheine viele Vorteile gegenüber

Krediten bieten, sind deutsche Unternehmer skeptisch.

Daraus ergibt sich im Falle eines Abschwungs voraussicht-

lich ein NPL-Volumen von 25 bis 40 Milliarden Euro.

Zusammengefasst würde eine konjunkturelle Eintrübung

oder gar Krise auf veränderte Rahmenbedingungen in

der Restrukturierung treffen: So stehen derzeit reduzierte

Kapazitäten in Workout / Intensive Care zur Verfügung,

für NPLs gelten höhere Eigenkapitalanforderungen und

es gibt einen höheren Anteil an kapitalmarktorientierten

Finanzierungen. Hinzu kommen regulatorische Verän-

derungen, die auf strengere Aufsichtsbehörden, einen

EU-weiten Restrukturierungsrahmen sowie Distress-

ed-Märkte treffen. Im Umgang mit NPLs gibt es dabei

drei Optionen mit jeweils steigendem Komplexitätsgrad:

verkaufen, sanieren oder managen.

Besonders interessant ist in den Augen vieler Marktteilneh-

mer derzeit der Sanierungsansatz vor der Insolvenz, bietet

er doch hervorragende Chancen, Unternehmen gezielt wie-

der nach vorne zu bringen. Ein Problem dabei sehen viele

Beteiligte allerdings in einigen Kernelementen der vorin-

solvenzlichen Restrukturierung, wie sie sich in den letzten

20 Jahren entwickelt haben: Die Prozesse sind langwierig,

Sanierungsgutachten zu umfangreich und die Finanzie-

rungsverhandlungen sehr komplex. Der gesamte Restruktu-

rierungsprozess dauert daher heute häufig zu lange.

Dies war nicht immer so – vielmehr haben sich in den letz-

ten 30 Jahren Dauer und Umfang in der Restrukturierung

von ehemals vier Wochen auf bis zu mehr als sechs Monate

ausgedehnt und damit mehr als verzehnfacht. Dahinter

stecken die einerseits guten Absichten der Einzelschrit-

te. Diese führen jedoch dazu, dass die Beteiligten immer

professionalisierter werden, mehr Personen involviert

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26 / NORD/LB Story: NPL-Sanierungen

„Die NORD/LB will eine gestaltende Rolle einnehmen“Ein Gespräch mit Jens Tinnappel über Non-Performing Loans und die neue Einheit Special Situation Finan-cing der NORD/LB.

Deutschland befindet sich seit 10 Jahren in einem Dauer-

boom. Wie beurteilen Sie die derzeitige Lage im Mittelstand?

Die Lage der Unternehmen scheint weiterhin weitgehend

stabil. Die Themen Digitalisierung und Optimierung von

Prozessen sind vorrangige Themen. Die Umsetzung vor

allem der Digitalisierung ist in einigen Unternehmen

noch optimierungsbedürftig. Hier gibt es noch erhebliche

Erfordernisse, um die Weichen für die Zukunft zu stellen.

Daneben stehen einige erfolgreiche Unternehmen vor der

Herausforderung zur Änderung ihrer Geschäftsmodelle

aufgrund sich verändernder Technologien. Exemplarisch

wäre hier bespielweise die Automobilindustrie zu nen-

nen – Stichwort E-Mobilität. Selbst bislang erfolgreiche

Unternehmen, die Anpassungen versäumen, können in

Schwierigkeiten geraten.

Die Unternehmen müssen sich voraussichtlich auch auf

verändernde Finanzierungsstrukturen einstellen. Diese

können sich zum einen durch eine Erhöhung des Zinsni-

Jens Tinnappel

… ist Leiter der neuen Einheit „Special Situation Financing“

und beschäftigt sich mit Unternehmensfinanzierungen in be-

sonderen Finanzierungssituationen. Er ist seit dem Jahr 2000

bei der NORD/LB, zunächst als Kreditspezialist, anschließend

als Firmenkundenbetreuer sowie als stellvertretender Nieder-

lassungsleiter. Seit 2003 beschäftigt Jens Tinnappel sich für die

Bank mit Unternehmenssanierungen. Er studierte Wirtschafts-

wissenschaften an der Uni Göttingen.

Die neue Einheit„Special Situation Financing“

Mit ihrer neuen Einheit positioniert sich die NORD/LB als

Finanzierungspartner für Unternehmen in Spezialsitua-

tionen. Die Bank begleitet Firmen in schwierigen unter-

nehmerischen Situationen. Dabei entwickeln, strukturie-

ren und arrangieren die Berater der Bank ganzheitliche

Finanzierungslösungen für mittelständische Unterneh-

men im deutschsprachigen Raum – mit einem Fokus auf

Unternehmen ab 50 Millionen Euro Umsatz. Das in Res-

trukturierungen sehr erfahrene Team der Bank um Jens

Tinnappel begleitet Unternehmen in diesen Phasen bei

vorliegender, unabhängiger Bestätigung (z.B. auf Basis

eines IDW S6-Gutachtens), Independent Business Reviews

oder vergleichbarer Informationsgrundlagen).

Wenn Sie sich für das Thema interessieren, berät Sie gern

Jens Tinnappel: 0511 361 2531.

sind oder die regulatorischen Anforderungen sowie die

Haftung deutlich gestiegen sind. Im Hinblick auf einen

möglichen Konjunkturabschwung wäre daher die Halbie-

rung der Prozessdauer im Refinanzierungsprozess eine

willkommene Alternative. Auch die Sanierungskonzepte

selbst ließen sich in Umfang und Inhalt drastisch vereinfa-

chen. All dies würde vor allem einem Ziel dienen: Schneller

eine Lösung für die Restrukturierung zu erwirken.

Die gesteigerten Anforderungen an Sanierungsgutachten

und Konzepte sind getrieben durch die haftungsorien-

tierte Sicht. Die Rückkehr zu einem unternehmerischen

Konzeptansatz und vor allem die Digitalisierung bieten

hier gute Chancen, den Restrukturierungsprozess zu

beschleunigen. Dazu gehören zum Beispiel der Datenaus-

tausch zwischen den beteiligten Parteien über entspre-

chende Plattformen sowie die Möglichkeit, mithilfe der

künstlichen Intelligenz Daten schnell und automatisiert

zu analysieren. Hierdurch können standardisierte Infor-

mationen mit allen relevanten Stakeholdern der Restruk-

turierung ausgetauscht werden. So lassen sich mögliche

Risiken schnell bewerten. Außerdem kann die zeitinten-

sive Analysephase durch moderne Automatismen der

Datenanalyse deutlich verkürzt werden.

Dr. Sascha Haghani

… leitet die Abteilung

Restructuring & Corporate

Finance bei Roland Berger in

München.

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/ 2752° NORD

veaus ergeben. Zum anderen hat sich die Nutzungsdauer

von Wirtschaftsgütern reduziert, was zu kürzeren Finan-

zierungslaufzeiten führt.

Und darüber hinaus?

Abschließend müssen die Unternehmen sehr kurzfristig auf

politische Veränderungen wie Brexit, Einführung von Zöllen,

Veränderungen in der Europäischen Union etc. reagieren.

Welche Themen beschäftigen Unternehmen in puncto

Finanzierung derzeit am meistenn?

Die Unternehmen suchen derzeit meist nach einfachen

Strukturen, die nur Covenants „light“ bzw. gar keine bein-

halten. Aufgrund der zwischenzeitlich lang anhaltenden

Niedrigzinsperiode wird derzeit kaum Bedarf für Zinssi-

cherung gesehen.

Wie hängen Non-Performing Loans, Unternehmenskredite

und Unternehmenssanierungen miteinander zusammen?

Die Zusammenhänge liegen auf der Hand. Im Bereich der

Unternehmensfinanzierungen / -kredite kann es immer wie-

der zu Störungen kommen. Diese Einflüsse können endoge-

ner und exogener Natur oder sogar ein Mix aus beidem sein.

Wenn Unternehmen nicht frühzeitig auf die Veränderungen

reagieren, geraten sie in Schwierigkeiten. Im besseren Fall

kann allerdings zunächst noch eine Insolvenz ausgeschlos-

sen und eine Unternehmenssanierung eingeleitet werden.

Bei einem positiven Verlauf einer Unternehmenssanierung

können Wertberichtigungen für die Finanzierer vermieden

werden. In den anderen Fällen entsteht ein Korrekturbedarf

auf die Forderung und es liegt ein sogenannter „Non-Per-

forming Loan“ vor. Im extremsten Fall führt dieses über die

Insolvenz zur Zerschlagung des Unternehmens.

In der neuen Einheit Special Situation Financing bieten Sie

eine völlig neue Dienstleistung. Was ist der Hintergrund

dieses neuen Angebotes?

Die Wettbewerbssituation der Kreditinstitute und die lang

anhaltende Niedrigzinsphase haben die Ertragssituation

der Banken negativ verändert. Daneben konnten durch

die NORD/LB nicht alle Ratingklassen bedient werden. Da

die Ratingnote allerdings nicht der einzige Faktor für eine

umfassende Kreditbeurteilung ist, wurden beispielswei-

se Unternehmen mit einer negativen Vergangenheit, die

aber entsprechend erfolgreiche Gegenmaßnahmen ein-

geleitet haben, nicht finanziert. Neben der Generierung

zusätzlicher Erträge ist auch eine frühzeitige Akquisition

bei erfolgreicher Sanierung für eine langfristige Bezie-

hung von Vorteil.

Wie ist die Idee dazu entstanden und wie ist bislang das

Interesse daran?

Unsere tiefgreifenden Erfahrungen und Kenntnisse im

Bereich der Sanierung sowie schwierige Strukturen in der

Finanzierung außerhalb des Special Situation Financing

haben uns zu diesem Angebot für sehr frühzeitige Akqui-

sitionsansätze bewogen. Angefragt werden wir als NORD/

LB durch Berater, andere Finanzierer und in der Restruk-

turierungsbranche beteiligte Partner. Für die Zukunft ist

auch nicht auszuschließen, dass die Unternehmen direkt

an uns heran treten.

Welche ganz besondere Rolle kann eine Bank im Rahmen

einer Restrukturierung spielen?

Banken können in der Restrukturierung mehrere Positio-

nen einnehmen. Im Wesentlichen gibt es im Rahmen der

Restrukturierung aus unserer Sicht drei Rollen, die die

Bank ausüben kann.

Sie kann, erstens, ausstiegswillig oder blockierend sein.

Diese Häuser versuchen z. B. aufgrund geringer Abschnitts-

größen, Veränderungen der Geschäftsmodelle etc. im Rah-

men einer Restrukturierung ihr Engagement zu beenden.

Die Bank kann, zweitens, Mitläufer sein. Finanzierer

dieser Art bleiben mit ihrem bisherigen Engagement an

„Board“ und unterstützen den Restrukturierungsprozess

auch grundsätzlich wohlwollend. Zusätzliches Engage-

ment oder Ideen für Strukturen sind von diesen Häuser in

der Regel aber nicht zu erwarten.

Und es gibt, drittens, die konstruktiven bzw. gestaltenden

Institute. Banken dieser Art gehen häufig auch aufgrund

der Größe ihres bisherigen Engagements ins Lead oder

beteiligen sich an einem Steering Committe

Welche Rolle wird die NORD/LB als Berater in Restrukturie-

rungssituationen einnehmen?

Im Bereich Special Situation Financing wollen wir in

jedem Fall die gestaltende Rolle übernehmen. Grundsätz-

lich gilt für unser Haus bei einem Einstieg, dass mindes-

tens pari passus mit den bereits finanzierenden Banken

gestellt werden. Für uns ist aber auch vorstellbar, eine

führende Rolle als Mandated Lead Arranger zu überneh-

men. Daneben ist es für die NORD/LB auch von Interesse,

in solchen Fällen leitende Aufgaben wie zum Beispiel die

Rolle des Documentation Agents, des Sicherheitenpool-

führers oder ähnliches verantwortlich auszufüllen.

Der Markt für NPLs ist derzeit sehr gut bestückt. Was

lässt sich im Idealfall aus NPLs machen?

Grundsätzlich ist die aktuelle Situation eine gute Grund-

lage für den neu gegründeten Bereich. Allerdings werden

in der Einheit Special Situation Financing – spätestens

mit Eintritt der NORD/LB – nur Performing Loans (PL)

finanziert. Jedoch können aus den NPLs mit den richtigen

Finanzierungslösungen und Beiträgen anderer Stake-

holder wieder erfolgreiche Unternehmen entstehen. Die

NORD/LB hat mit diesem neuen Akquisitionsansatz eine

bestehende Marktlücke geschlossen.

Page 28: Ausgabe 2 2018 - NORD/LB2 / Mit individuellen Finanzkonzepten der NORD/LB ergeben sich für mittel-ständische Unternehmen neue Perspektiven. Dabei profi tieren Sie als Firmen-kunde

28 / Architektur und Design: Ku‘damm – Revival eines Boulevards

Karriere Ku’damm: Im Westen was Neues

Nach dem Fall der Mauer fiel das einst so angesagte West-Berlin abrupt in einen Dornröschenschlaf. Der Kurfürstendamm, ehemals Deutschlands exklusivster Boulevard, wandelte sich immer mehr zu einer Einkaufsstraße des Massenkonsums. Doch in den letzten Jahren erlebte der Boulevard eine Art Comeback und konnte sogar die Friedrichstraße im Osten hinter sich lassen. Was steht hinter dieser Entwicklung und wie sieht die Zukunft der City-West aus?

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Wie ganz Deutschland suchte auch das abgeriegelte

Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg nach einer neuen,

möglichst unbelasteten Identität. Bestehend aus drei

Sektoren der Westalliierten, eingemauert im kommunis-

tischen Machtbereich, avancierte der Westteil der einst

preußischen Reichsmetropole zu einer Insel der Freiheit,

einer Oase des bunten Amüsements im grauen Meer des

Ostblocks. Der einst periphere Kurfürstendamm – oder

kurz Ku’damm, wie er im Volksmund heißt – wurde das

neue Stadtzentrum, politisch wie kulturell. Nicht zufällig

waren Stadteile wie Schöneberg und Tempelhof Ursprung

der Kommune I oder der APO, und somit Hochburgen der

68er-Bewegung. Symbolisch für diese Entwicklung stand

die Modernisierung des KaDeWe oder der Aufbau des

Europa-Centers, welches bewusst mit dem Bonn-Center in

der damaligen Hauptstadt oder dem Kö-Center in Düssel-

dorf korrespondieren sollte. Die Kaiser-Wilhelm-Gedächt-

nis-Kirche, vor dem Krieg eines von vielen Gotteshäusern

in Berlin, wurde die architektonische Landmarke der

neuen City-West. Der ausgebombte Hauptturm blieb

bestehen, die Ruine des Kirchenschiffes wurde abgeris-

sen und durch postmoderne Neubauten wie einem neuen

Glockenturm und einer modernen Kapelle ersetzt.

Alt und neu. Schäbiger Nachkriegsmief und der schillern-

de American Way of Life. Das ist das Bild, das West-Berlin

während der Teilung der Stadt prägte. Doch dann kam die

Wende mit dem Fall der Mauer. Nun trafen nicht nur zwei

Welten aufeinander, sondern die Metropole stand auch

vor ebenso vielen Chancen wie Herausforderungen. Die

historische Mitte Berlins, die während der Teilung durch

Stacheldraht, Panzersperren und Wachtürme eher einem

Kriegsgebiet als einem pulsierenden Weltstadtzentrum

glich, konnte nun neu gestaltet werden. Doch schon in

der frühen Wendezeit prophezeiten viele, dass dies den

Untergang der einst glamourösen City-West bedeuten

könnte. Tatsächlich interessierten sich Senat und Bund

vornehmlich für den Aufbau einer neuen Stadtmitte und

die Integration des maroden Ost-Berlins in das Konzept

einer offenen Weltstadt. So kam es, dass nach dem Mau-

erfall die Rollen rasch vertauscht waren. Im ehemaligen

Ost-Berlin herrschte plötzlich Goldgräberstimmung und

die City-West galt als verstaubt.

City-West 2020: Mit Glanz, aber ohne Gloria„Es gab im alten Ost-Berlin einfach keine klassische

Einzelhandelskonzentration, wie wir sie von westlichen

Städten kannten. Dazu kam der Umstand, dass viele

Industrieareale nach dem Zusammenbruch der DDR ihre

Funktion verloren hatten, sich aber in attraktiver Lage

befanden. Dies schuf im Osten natürlich bessere Rauman-

gebote zu deutlich günstigeren Preisen“, erklärt Manfred

Kühne, Projektleiter bei der Berliner Senatsverwaltung

für Stadtentwicklung. Es waren allerdings nicht bloß Neu-

gierde und Geschäftssinn, die Architekten und Investoren

in den Osten zogen, denn schon vor dem Krieg schlug auf

der anderen Seite das Herz der Stadt: Potsdamer Platz,

Brandenburger Tor, Unter den Linden, Alexanderplatz,

Gendarmenmarkt, Friedrichstraße – all diese prominen-

ten Orte lagen in Ost-Berlin oder im Todesstreifen an der

Mauer und standen nun plötzlich wieder zur Verfügung.

Touristen mochte der Paradigmenwechsel zunächst nicht

auffallen, da die beste Currywurst der Stadt nach wie vor

am Bahnhof Zoo serviert wurde und die Gedächtniskir-

che touristische Hauptattraktion blieb. Doch den Ber-

linern entging nicht, dass der Ku‘damm sich von einem

exklusiven Boulevard zu einer normierten Einkaufs-

straße entwickelte. Kinos wurden geschlossen und als

52° NORD

Neue Mitte: Der Ku‘damm erfindet sich neu

Page 30: Ausgabe 2 2018 - NORD/LB2 / Mit individuellen Finanzkonzepten der NORD/LB ergeben sich für mittel-ständische Unternehmen neue Perspektiven. Dabei profi tieren Sie als Firmen-kunde

30 /

Filialen großer Handelsketten wiedereröffnet. Kleine Bou-

tiquen und Klubs mussten den etablierten Modehäusern

oder Discountern weichen. Erst jüngst wurde der Glo-

ria-Palast, einst denkmalgeschütztes Lichtspieltheater,

abgerissen und soll in den nächsten Jahren durch eine

Shopping-Mall ersetzt werden. Und das Café Kranzler,

ehemals eine legendäre Institution, wurde zu einer Ver-

legenheitsbar degradiert. Das komplette Gebäude wurde

von einer Modekette aufgekauft und das Café befindet sich

nunmehr gut versteckt im oberen Teil der Rotunde. Selbst

der Berlin-Marathon endet nicht mehr am Ku’damm.

Bequemlichkeit im Westen – Aufbruch im Osten„Während man im Ostteil Berlins nach der Wende für Ver-

änderungen mehr als bereit war und rasch ans Werk ging,

machten es sich die Betreiber und Kommunalpolitiker

in West-Berlin bequem. Für sie gab es keinen Grund, sich

Sorgen um den Strukturwandel zu machen, es war ja be-

reits alles etabliert. Ändern musste sich vermeintlich nur

der Osten“, erklärt Professor Christoph Langhof, der als

Architekt die Neuausrichtung der City-West aktiv voran-

treibt. Sein altes Büro war noch im Schimmelpfeng-Haus

am Breitscheidplatz beheimatet, welches 2009 im Zuge

der Neuausrichtung abgerissen wurde. Dafür hatte sich

Prof. Langhof eingesetzt. Bereits 1994 hatte er Pläne zur

Umgestaltung des Breitscheidplatzes vorgelegt. Sein Ziel

war es, ein modernes Hochhaus auf dem Areal des Schim-

melpfeng-Hauses zu errichten. Denn das alte Geschäfts-

haus besaß eine Verkehrsunterführung, riegelte den frei-

en Blick von der Kantstraße auf die Gedächtniskirche wie

eine Barriere ab und schuf Räume für allerlei Ramschlä-

den, die die Zuschauerströme nachweislich stagnieren

ließen. Trotz allem stieß Prof. Langhofs Entwurf anfangs

nur auf wenig Gegenliebe – erst nach vielen Jahren wei-

terer negativer Entwicklung erfolgte ein Umdenken. 2013

wurde dann endlich die letzte Baugenehmigung erteilt,

die City-West sollte eine moderne Skyline erhalten und

Bauten aus der Nachkriegszeit mussten weichen. Dort,

wo einst das Schimmelpfeng-Haus stand, ragt nun mit

dem Upper West ein modernes, elegantes Hochhaus mit

geschwungenen Fensterfronten in den Himmel. Direkt

am Anfang des Kurfürstendamms ist es ein neues Wahr-

zeichen Berlins. Mit dem gegenüberliegenden Zoofenster

bildet es ein harmonisches Hochhaus-Ensemble.

Dies ist jedoch nur ein Beispiel, wie der Ku’damm ver-

sucht, wieder zu alter Größe zu gelangen. „Im Zuge der

750-Jahr-Feier im Jahre 1987, die beide Stadteile noch

separat veranstalteten, hatte man das alte Berlin aus der

kaiserlichen Gründerzeit wiederentdeckt. Dies führte

automatisch zu einer Abwertung der Nachkriegsbauten

wie dem Schimmelpfeng-Haus“, sagt Manfred Kühne. „Es

ist natürlich unwahrscheinlich, dass der Ku’damm wieder

sein Gesicht wie zur Zeit der deutschen Teilung erhalten

wird. Aber der Ku’damm hat sich schon immer gewandelt,

was besonders gegenwärtig zu einer funktionalen und so-

zialen Durchmischung geführt hat. Das hat man zeitweise

einfach nicht wertgeschätzt.“

Tatsächlich wurde der Kurfürstendamm noch von Bis-

marck als Reit- und Kutschweg zwischen Tiergarten und

Grunewald in Auftrag gegeben. Daraus entstand ein Bou-

levard, an dem fast ausschließlich Adlige oder Millionäre

wohnten. Doch nach zwei großen Vertreibungswellen gibt

es diese Bevölkerungsschicht hier schlicht nicht mehr. Die

erste Enteignungswelle wurde vom Nazi-Regime durchge-

führt, die zweite kam kurz darauf, als zahlreiche Indus-

trielle und Geschäftsleute Berlin beim Heranrücken der

Roten Armee 1945 fluchtartig verließen. Im Vergleich zu

London oder Paris ist Berlin daher auch eine europäische

Metropole ohne sichtbare elitäre Oberschicht. Erst durch

diese Entwicklung und die politische Ausgangslage nach

dem Krieg, entwickelte sich der Ku’damm von einem Bou-

levard der Superreichen zu einer Flaniermeile für Bürger

aller Einkommensschichten.

Neue Identität für den Ku‘dammNach der Wende wurde also zunächst in Ost-Berlin inves-

tiert und der Westen drohte, den Anschluss zu verlieren.

Dies wurde aber in den letzten zehn Jahren aufgeholt.

„Zudem muss erwähnt werden, dass die gravierenden

baulichen Veränderungen des alten Ost-Berlins oft über-

sehen werden. Erst stutzte man den alten Hauptbahnhof

wieder zum Ostbahnhof zurück, dann verschwand der

Palast der Republik. Auch gegen die Entfernung zahlrei-

cher Lenin-Denkmäler protestieren viele alteingesessene

Ostberliner – vergeblich“, sagt Prof. Langhof. „All diese

Umwälzungen betrachtet die Mehrheit jedoch nicht als

Verlust, sondern als Modernisierung und Überwindung

der kommunistischen Vergangenheit. Allgemein wird

dieser Wandel in Ost-Berlin mit dem gesamten Unter-

gang der DDR assoziiert, während die Veränderungen in

West-Berlin in keinen gesamtgesellschaftlichen Kontext

Architektur und Design: Ku‘damm – Revival eines Boulevards

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52° NORD

Das Mittelstandsmagazin aus Hannover

Herausgeber:

Norddeutsche Landesbank – Girozentrale –

Friedrichswall 10

30159 Hannover

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Inhalt:

Uta Schulenburg,

Leiterin Marketing NORD/LB

Holm Hänsel,

Leiter Firmenkunden NORD/LB

Konzept & Redaktion:

Westend Medien GmbH

Wagnerstraße 26

40212 Düsseldorf

Dr. Michael Siemer

Bildredaktion: Holger Lorenz

Layout: Sebastian Michailidis

Erscheinungsweise:

52° NORD erscheint dreimal pro Jahr.

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Impressum

eingebettet sind.“ Daher sei es verständlich, dass man

im nostalgischen Glauben die Vergangenheit ein wenig

überhöhe und der alten Zeit nachtrauere.

Ähnlich sieht es auch Manfred Kühne und macht den bun-

desweiten Boom des Einzelhandels für den Wandel des

Ku’damms zu einer Einkaufsmeile des breiten Konsums

verantwortlich. „Diese Veränderung durchlaufen auch

andere Boulevards wie beispielsweise die Königsallee in

Düsseldorf, wo ebenfalls Kinos und lokale Institutionen

geschlossen wurden und großen Handelsketten weichen

mussten. Im Rahmen unserer Netzwerkarbeit, der AG

City-West, arbeiten wir jedoch schon seit geraumer Zeit

eng mit den Hochschulen zusammen, um neue Lösungen

zu erarbeiten. Wir raten daher allen Investoren, nicht

mehr nur auf Monofunktionen, wie reine Shopping-Malls

zu setzen, sondern Gastronomie, Büros und Einkaufs-

möglichkeiten miteinander zu kombinieren. Ohnehin ist

es im Bereich Ku’damm zum Trend geworden, dass Cafés

und Bistros wegen der hohen Mieten auf Bürgersteigebe-

ne in die höheren Etagen von Einrichtungen ziehen, die

von Handelsketten betrieben werden. Anders als früher

entsteht so eine Dachlandschaft, von der aus der Passant

oder Einkäufer wunderbare Ausblicke über die City-West

genießen kann.“

Neuer „Business-Improve-District“So sei auch die Nutzung des Café Kranzler zu erklären,

aber auch die Neuausrichtung von Bikini Berlin oder dem

Amerika-Haus. Und erst vor einigen Monaten stellte die

Bausenatorin ihre neuen Pläne für die City-West vor. In

Kooperation mit der Technischen Universität Berlin soll

auf dem 13.000 Quadratmeter großen Brachgelände hin-

ter dem Bahnhof Zoo ein Nutzungsmix aus Büros, Hotels

und Gästehaus für die Uni entstehen. Gleichzeitig entste-

he in der City-West der erste Business-Improve-District in

der Bundeshauptstadt. Dabei investieren lokale Immobili-

enakteure gemeinsam in die Stadtentwicklung, um Stra-

ßenräume und Standortqualität zu verbessern. Dies kur-

belt die Geschäftslage der Investoren an und unterstützt

die Stadt. Es bleibt also festzuhalten, dass das gesamte

Berlin nach seiner turbulenten und weltweit einmaligen

Stadtgeschichte endlich einen Normalisierungsprozess

durchlebt. Die polare Wirkung der beiden Stadteile wird

nachlassen und ist nur noch eine Generationenfrage. Das

merkt man nun auch am Kurfürstendamm.

„Es wird sich ausdifferenzieren, der Ku’damm ist und

bleibt eine wichtige Adresse“, urteilt Prof. Langhof. „Die

Friedrichstraße wird aufholen, wenn erstmal die Baustel-

len für die neue U-Bahn verschwunden und einige andere

Bauten aus der DDR-Zeit, wie das Russische Haus, moder-

nisiert sind. Darunter krankt die Friedrichstraße noch,

was der City-West aktuell zu Gute kommt. Der Ku’damm

hat jedoch viele weitere Vorteile: Die Straße wie auch der

Bürgersteig sind breit; prächtige Bauten aus unterschied-

lichen Epochen stehen auf beiden Straßenseiten, die auch

mit ihren Bäumen zum Flanieren einladen. Unterschied-

liche Gebäude bedeutet auch, dass die Gebäude dem Be-

trachter viel zu erzählen haben. Dementsprechend ist der

Kurfürstendamm auf jeden Fall interessanter und eindeu-

tig wertiger als die Friedrichstraße. Aber auf lange Sicht

werden die beiden Geschäftsviertel wieder die Positionen

beziehen, die sie bereits vor dem Krieg innehatten. Das

bedeutet natürlich Konkurrenz, aber eine sehr gesunde

Konkurrenz.“ Und die Entwicklung ist noch nicht zu Ende.

Prof. Langhof hat bereits große Pläne für Berlins ersten

richtigen Wolkenkratzer ausgearbeitet, dem futuristi-

schen Hardenberg. Entstehen soll er in direkter Nachbar-

schaft zur Upper West und dem Kurfürstendamm.

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