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Rezept für Léas Madeleines Zutaten für 12 Madeleines: 80 g Butter 3 große Eiweiß 100 g Puderzucker 60 g Mehl 40 g fein gemahlene Mandeln Zubereitung: Die Butter schmelzen und die Eiweiß steif schla- gen. Puderzucker und Mehl sieben und mit den Mandeln vermischen. Den Eischnee vorsichtig un- terheben, danach die Butter einrühren. Nun muss der Teig eine Nacht im Kühlschrank ruhen. Das ist wichtig! Die Madeleine-Formen vor dem Backen buttern und mit etwas Mehl bestäuben. Den Back- ofen auf 180 bis 190 Grad (Umluft 160–170 Grad, Gas Stufe 3– 4) vorheizen. Der Teig wird mit einem Löffel eingefüllt – und natürlich mit Finger- spitzengefühl. Denn es darf nicht zu viel Teig wer- den, sonst läuft er im Ofen über, und es dar f nicht zu wenig Teig sein, sonst bekommen die Madelei- nes nicht ihre typische Beule. Es ist eine kleine Kunst! Die Madeleines müssen nun 15 bis 20 Mi- nuten backen, dann haben sie schon ihre schöne Farbe. Aus dem Ofen nehmen und noch warm aus der Form klopfen. Voilà! E s sen & Trinken 8 Berliner Zeitung · Nummer 56 · 7./8. März 2015 · · ······················································································································································································································································································· INA STEINER Der Chinese am Rande der Stadt „Die Gerichte, für die du berühmt bist, musst du immer machen“: An dieses Motto hält sich Léa Linster. · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·································· Léa Linster, Kers- tin Holzer: „Mein Weg zu den Ster- nen“, Kiepen- heuer & Witsch, Köln 2015, 224 S., 18,99 Euro. AUFGETISCHT TINA HÜTTL WAR IM KAISER PAVILLON Eher bin ich doch eine Künstlerin. Oder einfach eine Köchin. Aber Geschäftsfrau – das heißt für mich: Alles machen für ein gutes Geschäft. Das ist herzlos, und ich möchte alles mit dem Herzen machen. Wäre ich eine gute Geschäftsfrau, würde ich etwas ganz ande- res machen, und nicht nur Salzkörnchen für Salz- körnchen voranschreiten. Es verdrießt Sie angeblich, dass Sie nie den zweiten Mi- chelin-Stern bekommen haben. Stimmt das? Es hat mich verdrossen! Es hat! Heute sehe ich das anders, denn wenn ich ihn bekommen hätte, wären viele andere positive Dinge nicht passiert. Sicher wäre ich nicht ins Fernsehen gekommen. Das war zu der Zeit sehr gefährlich. Wenn man anderweitig um- triebig war, hat man den zweiten Stern schnell wieder verloren. So hatte ich nicht so viel zu verlieren – und habe viel gewonnen. Ist der Michelin-Stern für Sie immer noch wichtig? Ja, absolut, ich merke das an meinem Sohn, der ist ganz erpicht darauf. Früher wurden fast nur klassisch ausgerichtete Kü- chen mit Sternen ausgezeichnet, das ist anders gewor- den. Wie haben Sie sich verändert über die Jahre? Ich bin eine Köchin, die die klassische französische Küche beherrscht, aber ich bin keine klassische Kö- chin. Ich koche sehr fein. Mit Glamour auf dem Teller. Um sich zu erneuern, muss sich nicht immer alles än- dern. Wir machen immer etwas Kleines neu, ganz de- zent. Aber eins steht auch fest: Die Gerichte, für die du berühmt bist, musst du immer machen. Ich kann doch nicht sagen, ihr müsst meine Madeleines kosten, aber backe sie dann nicht mehr, weil sie mich langweilen. Wenn aber der Gast sagen würde, sie schmecken lang- weilig, überlebten sie nicht eine Stunde. 1989 haben Sie als erste und bisher einzige Frau den wichtigen Kochwettbewerb Bocuse d’Or gewonnen. Noch heute kann man in Ihrem Restaurant das Menü Bocuse d’Or bestellen mit dem Klassiker Lamm in der Kartoffelkruste. War die Auszeichnung der wichtigste Moment Ihrer Karriere? Ja, diesen Preis habe ich mir als Frau genommen, als es eigentlich unmöglich schien. Bevor die anderen gemerkt haben, dass ich ein Mädchen bin, hatte ich ihn! Der zählt in der professionellen Welt extrem viel, und ich genieße das heute noch. Mir persönlich war das nie so wichtig, ob ich etwas erreiche, weil oder ob- wohl ich eine Frau bin, aber anderen wohl schon. Eine französische Sterne-Köchin hat mal zu mir ge- sagt, um in der Gastronomie erfolgreich zu sein, musst du sein wie ein Mann. Was für eine Idee, oder? Ich möchte überhaupt nicht so sein wie die Männer, auch wenn ich die Männer mag. Wie sind Sie als Chef? Bei mir arbeiten sehr gute Köche. Ich gebe ihnen immer die Gelegenheit, sich zu verwirklichen. Ich möchte keine Leute, die nur das machen, was ich will. Ich möchte, dass sie auch etwas wollen und das um- setzen. Das sind dann Menschen, die meinen Krea- tionen keinen Schaden zufügen. Aber ich gebe auch zu: Früher habe ich in der Küche geschrien – immer wenn ich Angst hatte, dass ich nicht dort ankomme, wo ich hinwollte. Das Schlimme beim Brüllen ist aber, dass man sich am Ende als die Blödeste fühlt. Das nimmt dir zu viel Kraft. Diese Zeiten sind vorbei. Sie widmen ein ganzes Buchkapitel Ihren Freunden. Was bedeutet Ihnen Freundschaft? Freunde sind die, die spontan gute Energie brin- gen. Ich glaube gar nicht, dass die die besten Freunde sind, mit denen man die besten Gespräche führt. Freundschaften hat man über Chemie – das Reden ist wie schöne Deko. Aber das zusammen Fühlen – das ist die Freundschaft. Ich habe aber auch nie Angst, Freunde zu verlieren. Ich bin wie Casanova, der hat ja immer die Frauen geliebt, die gerade da waren. Und ich liebe immer die Freunde, die gerade da sind. Alles mit Herz Die Sterne-Köchin Léa Linster sieht sich als Künstlerin, nicht als Geschäftsfrau. Ein Gespräch über Frauen in der Küche, Rezepte fürs Leben und köstliches Gebäck I NTERVIEW:MARIA D OHMEN S eit mehr als 25 Jahren gehört die Luxemburge- rin Léa Linster, geboren 1955, zu den interna- tionalen Spitzenköchen. Sie führt das Sterne- Haus Léa Linster in Frisange, den Pavillon Madeleine in Kayl und Léa Linster Delicatessen in Luxemburg Stadt. Kein Wunder also, dass von ihr einige Kochbücher auf dem Markt sind. Nun kommt ein weiteres Buch dazu, ihre Autobiografie. „Mein Weg zu den Sternen“ heißt die. Bevor es ums Buch geht, erkundigt sich Léa Linster aber erst einmal besorgt nach dem Befinden der Interviewerin. Warum essen Sie Ihre Quiche nicht? Ich muss mich auf unser Gespräch konzentrieren, Frau Linster – dabei kann ich leider nicht essen. Ah, pardon, ich kann mich beim Essen am besten konzentrieren. Kochen und Essen – das hat mich im- mer gerettet, wenn ich dachte: Jetzt geht gar nichts mehr. Auch mit den Menschen. Ich hatte ja oft Zoff mit meiner Mutter. Aber wenn sie gekocht hat, habe ich sie sehr geliebt für ihr wunderbares Essen, beson- ders ihr unvergleichliches Osso buco. Ihre Eltern führten in Luxemburg ein einfaches Lokal, nach der Übernahme haben sie es in den Achtzigerjah- ren in kurzer Zeit zum Sterne-Restaurant gemacht. Jetzt werden Sie bald 60 und arbeiten mit Ihrem Sohn dort gemeinsam. Gibt es da auch Zoff? Louis ist viel strenger als ich, er will immer alles ganz korrekt machen, wenn im Restaurant etwas fehlt, sorgt er sich fürchterlich. Ich bin dagegen sehr raffiniert: Egal, welcheVorstellung Sie sich vom Essen machen – ich serviere Ihnen etwas, und dann wollen Sie nur noch das haben. Sie meinen, Sie haben die Kunst der kulinarischen Ma- nipulation perfektioniert? Mit Essen verführt man. Und vielleicht manipu- liert man auch – aber positiv. Das lässt sich jeder gerne gefallen, oder? Und wenn etwas fehlt oder nicht gelungen ist, bringt es doch nichts zu verzweifeln. Dann muss man gut sein! Es geht beim Restaurantbe- such ja immer darum, die Vorstellung vom Besten zu befriedigen. Und was ich serviere, wird zu dieserVor- stellung. Und um auf Louis zurückzukommen: Er ist 24 und soll jetzt erstmal seinenWeg finden. Ich war in seinem Alter, als meinVater starb und ich plötzlich für alles verantwortlich war. Ich spüre immer noch mei- nen Willen von damals, unbedingt meinen Weg ge- hen zu wollen. Deshalb möchte ich auch nicht, dass ich für ihn an erster Stelle stehe, sondern er und sein eigenerWeg. Und ich möchte, dass er mein Buch liest, um zu verstehen, wie alles so kam, wie es jetzt ist. Warum schreiben Sie genau jetzt über Ihr Leben – gibt es einen besonderen Anlass? Na ja, wenn ich warte, bis ich 80 oder 100 bin, kann ich vielleicht nicht mehr so richtig eingreifen und mich vielleicht auch nicht mehr so richtig erinnern – wer weiß. Das Buch erklärt ja viel von mir, es ist wie ein Rezept für mein Leben. Ich glaube, es zeigt mei- nen Optimismus, meine Liebe zum Leben und zum Kochen, aber auch harte Zeiten. Was sehen Sie, wenn Sie auf Ihr Leben zurückblicken? Es war interessant, wie ich mich eigentlich von A nach B durchgewurschtelt habe. Wenn ich jetzt zu- rückschaue, bin ich auch etwas verwundert oder er- schreckt darüber, dass es gerade die schlimmen Sa- chen waren, die mich nach vorne gebracht haben. Es gab zum Beispiel einen Mann, mit dem ich gemein- sam eine fatale Investition machte. Er hätte mich da- mals ruinieren können.Von einem Tag auf den ande- ren brach ich die Beziehung ab. Seitdem fürchte ich Männer nicht mehr. Das hat mich gelassen gemacht. Man kann Sie aber heute als erfolgreiche Unternehme- rin bezeichnen, oder? Es hat mich immer gestört, wenn mich jemand eine gute Geschäftsfrau nennt. Da bin ich fast sauer. LAIF, PICTUREFREAK Büfett am Wochenende: 12,90 Euro. Dafür darf man 2 Stunden lang essen.Wochentags: 8,90Euro. Mahlsdorf Alte Berliner Str. Dahlwitz (Brandenburg) Mahlsdorf (Berlin) Alt-Mahlsdor f B1 MÄRKISCH-ODERLAND MÄRKISCH-ODERLAND MARZAHN- MARZAHN- HELLERSDORF HELLERSDORF MÄRKISCH-ODERLAND MARZAHN- HELLERSDORF KAISER-PAVILLON Alte Berliner Str. 20, 15366 Hoppegarten Tel. 03342–30 92 18 Mo–So 12–22 Uhr BERLINER ZEITUNG/GERD ENGELSMANN B ei meinen Ausflügen verfranse ich mich nach all den Jahren noch immer regelmäßig, vor allem wenn ich Richtung Osten unterwegs bin, komme ich mit all den Bies-, Kauls-, Mahls- und Hellersdörfern durcheinander. Zum Glück taucht kurz vor Hoppegar- ten direkt an der Bundesstraße B1 immer ein Fremd- körper in der Landschaft auf. Er hilft mir zu erkennen, wo ich gerade bin. Ein knallroter chinesischer Tempel mit steinernen Löwen und von Säulen getragenem Schindeldach: Der Kaiser-Pavillon. Es ist ein Restaurant von gigantischer Dimension. Zwei Etagen mit insgesamt 600 Plätzen und einem Parkplatz wie für eine Autobahnraststätte gebaut. Schon oft hatte ich mir vorgenommen anzuhalten, bis- her hatte mich der volle Parkplatz immer abgeschreckt. Letzten Sonntag kam ich bei einem Ausflug zufällig um 12 Uhr an dem Tempel vorbei und erwischte eine freie Parklücke, wohl weil der Kaiser-Pavillon genau um diese Zeit aufmacht. Innen gibt der Tempel alles her, was an Kitsch mög- lich ist: falscher Marmor und Gold, Drachen-Säulen, ein Brunnen mit Fischen und gelackte Sitzmöbel. Lei- der übertraf der Kaiser-Pavillon auch meine schlimms- ten Befürchtungen: Es gab ein All-You-Can-Eat-Büfett, um das sich bereits 15 Minuten nach Eröffnung die Menschen herumschoben wie in der Security-Schlange am Flughafen. Weil unten bereits alle Tische belegt waren, nahm ich im zweiten Stock Platz, bemüht, nicht auf dieTeller der Gäste zu starren. Meist waren sie bis an den Rand bepackt, den Sushi-Rollen wie ein Damm ab- sicherten. Die Sushi-Vitrine am Büfett schien die einzige Kon- zession an den gewandelten Asia-Geschmack. Sonst kochten die insgesamt 20 Köche im Kaiser-Pavillon chi- nesische Standards, und zwar so, wie wir Deutschen konditioniert wurden. Wer nicht mehr von chinesi- schem Essen erwartet, wird zufrieden sein, weil das Büfett aufgrund der Massen ständig frisch von der offe- nen Küche bestückt wird. Am Büfett, das ich nach dem ersten Ansturm auf- suchte, ging alles Frittierte besonders gut: Die Ente kross, die gebackenen Hühnchenteile, Garnelen im Teigmantel – sie waren noch heiß, fettig und ge- schmacklich so erwartbar wie die Tüte Chips, die man am liebsten kauft. Auch die sauer-scharfe Suppe, die gebratenen Nudeln und die meisten Gerichte wie Schweinefleisch süß-sauer und geschmorte Rippchen schmeckten verlässlich wie bei den meisten Chinesen, die unseren Geschmack über die Jahre geeicht haben. Nur ein paar Sachen stachen für mich am Büfett her- aus: etwa die noch ungeschälten großen Garnelen mit groben Szechuan-Pfeffer. Sie hatten ein eigenes Aroma, weil eine störende, alles überdeckende Standardsauce fehlte. Auch die reinen Gemüsegerichte wie die grünen Bohnen und im Ganzen gedünsteten Champignons waren knackig, frisch und relativ pur. Angetan war ich auch von der Qualität der Aal-Nigiri, da der sehr ölige Fisch erst gegrillt und dann in einer süsslichen Unagi- Soße mariniert wurde. Der Rest der Sushi war etwas tro- cken, was am Reis lag, aber letztlich waren die auch nicht schlechter als bei einer Sushi-Kette in der Stadt. Im Zentrum Berlins konkurrierte der Kaiser-Pavillon abgesehen von seinen gigantischen Ausmaßen mit vie- len Chinesen. Hier am Stadtrand ist er die Nummer 1, die jedes Wochenende 600 Plätze füllt. Wer geschmack- lich differenzierte Rezepte aus den verschiedensten Provinzen, originelle Spezialitäten wie Hühnerfüße, Abalone-Muscheln oder auf Teeblättern geräucherte Ente und die mala-scharfe Saucen der Szechuan- Küche sucht, ist hier falsch. Doch die authentisch chi- nesische Küche wird nicht die Welt erobern, zumindest nicht die an der Ausfallstraße B1.

B AllesmitHerz - Léa Linster · RezeptfürLéasMadeleines Zutatenfür12Madeleines: 80gButter 3großeEiweiß 100gPuderzucker 60gMehl 40gfeingemahleneMandeln Zubereitung

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Page 1: B AllesmitHerz - Léa Linster · RezeptfürLéasMadeleines Zutatenfür12Madeleines: 80gButter 3großeEiweiß 100gPuderzucker 60gMehl 40gfeingemahleneMandeln Zubereitung

Rezept für Léas Madeleines

Zutaten für 12 Madeleines:80 g Butter3 große Eiweiß100 g Puderzucker60 g Mehl40 g fein gemahlene Mandeln

Zubereitung:Die Butter schmelzen und die Eiweiß steif schla-gen. Puderzucker und Mehl sieben und mit denMandeln vermischen. Den Eischnee vorsichtig un-terheben, danach die Butter einrühren. Nun mussder Teig eine Nacht im Kühlschrank ruhen. Das istwichtig! Die Madeleine-Formen vor dem Backenbuttern und mit etwas Mehl bestäuben. Den Back-ofen auf 180 bis 190 Grad (Umluft 160–170Grad, Gas Stufe 3– 4) vorheizen. Der Teig wird miteinem Löffel eingefüllt – und natürlich mit Finger-spitzengefühl. Denn es darf nicht zu viel Teig wer-den, sonst läuft er im Ofen über, und es darf nichtzu wenig Teig sein, sonst bekommen die Madelei-nes nicht ihre typische Beule. Es ist eine kleineKunst! Die Madeleines müssen nun 15 bis 20 Mi-nuten backen, dann haben sie schon ihre schöneFarbe. Aus dem Ofen nehmen und noch warm ausder Form klopfen. Voilà!

Essen & Trinken8 B e r l i n e r Z e i t u n g · N u m m e r 5 6 · 7 . / 8 . M ä r z 2 0 1 5 ·· ·······················································································································································································································································································

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Der Chinese amRande der Stadt

„Die Gerichte, für die du berühmt bist, musst du immer machen“: An dieses Motto hält sich Léa Linster.

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Léa Linster, Kers-tin Holzer: „MeinWeg zu den Ster-

nen“, Kiepen-heuer & Witsch,

Köln 2015, 224 S.,18,99 Euro.

A U F G E T I S C H TT I N A H Ü T T L W A R I M K A I S E R P A V I L L O N

Eher bin ich doch eine Künstlerin. Oder einfach eineKöchin. Aber Geschäftsfrau – das heißt für mich: Allesmachen für ein gutes Geschäft. Das ist herzlos, undich möchte alles mit dem Herzen machen. Wäre icheine gute Geschäftsfrau, würde ich etwas ganz ande-res machen, und nicht nur Salzkörnchen für Salz-körnchen voranschreiten.

Es verdrießt Sie angeblich, dass Sie nie den zweiten Mi-chelin-Stern bekommen haben. Stimmt das?

Es hat mich verdrossen! Es hat! Heute sehe ich dasanders, denn wenn ich ihn bekommen hätte, wärenviele andere positive Dinge nicht passiert. Sicherwäre ich nicht ins Fernsehen gekommen. Das war zuder Zeit sehr gefährlich. Wenn man anderweitig um-triebig war, hat man den zweiten Stern schnell wiederverloren. So hatte ich nicht so viel zu verlieren – undhabe viel gewonnen.

Ist der Michelin-Stern für Sie immer noch wichtig?Ja, absolut, ich merke das an meinem Sohn, der ist

ganz erpicht darauf.

Früher wurden fast nur klassisch ausgerichtete Kü-chen mit Sternen ausgezeichnet, das ist anders gewor-den. Wie haben Sie sich verändert über die Jahre?

Ich bin eine Köchin, die die klassische französischeKüche beherrscht, aber ich bin keine klassische Kö-chin. Ich koche sehr fein. Mit Glamour auf dem Teller.Um sich zu erneuern, muss sich nicht immer alles än-dern. Wir machen immer etwas Kleines neu, ganz de-zent. Aber eins steht auch fest: Die Gerichte, für die duberühmt bist, musst du immer machen. Ich kann dochnicht sagen, ihr müsst meine Madeleines kosten, aberbacke sie dann nicht mehr, weil sie mich langweilen.Wenn aber der Gast sagen würde, sie schmecken lang-weilig, überlebten sie nicht eine Stunde.

1989 haben Sie als erste und bisher einzige Frau denwichtigen Kochwettbewerb Bocuse d’Or gewonnen.Noch heute kann man in Ihrem Restaurant das MenüBocuse d’Or bestellen mit dem Klassiker Lamm in derKartoffelkruste. War die Auszeichnung der wichtigsteMoment Ihrer Karriere?

Ja, diesen Preis habe ich mir als Frau genommen,als es eigentlich unmöglich schien. Bevor die anderengemerkt haben, dass ich ein Mädchen bin, hatte ichihn! Der zählt in der professionellen Welt extrem viel,und ich genieße das heute noch. Mir persönlich wardas nie so wichtig, ob ich etwas erreiche, weil oder ob-wohl ich eine Frau bin, aber anderen wohl schon.Eine französische Sterne-Köchin hat mal zu mir ge-sagt, um in der Gastronomie erfolgreich zu sein,musst du sein wie ein Mann. Was für eine Idee, oder?Ich möchte überhaupt nicht so sein wie die Männer,auch wenn ich die Männer mag.

Wie sind Sie als Chef?Bei mir arbeiten sehr gute Köche. Ich gebe ihnen

immer die Gelegenheit, sich zu verwirklichen. Ichmöchte keine Leute, die nur das machen, was ich will.Ich möchte, dass sie auch etwas wollen und das um-setzen. Das sind dann Menschen, die meinen Krea-tionen keinen Schaden zufügen. Aber ich gebe auchzu: Früher habe ich in der Küche geschrien – immerwenn ich Angst hatte, dass ich nicht dort ankomme,wo ich hinwollte. Das Schlimme beim Brüllen istaber, dass man sich am Ende als die Blödeste fühlt.Das nimmt dir zu viel Kraft. Diese Zeiten sind vorbei.

Sie widmen ein ganzes Buchkapitel Ihren Freunden.Was bedeutet Ihnen Freundschaft?

Freunde sind die, die spontan gute Energie brin-gen. Ich glaube gar nicht, dass die die besten Freundesind, mit denen man die besten Gespräche führt.Freundschaften hat man über Chemie – das Reden istwie schöne Deko. Aber das zusammen Fühlen – dasist die Freundschaft. Ich habe aber auch nie Angst,Freunde zu verlieren. Ich bin wie Casanova, der hat jaimmer die Frauen geliebt, die gerade da waren. Undich liebe immer die Freunde, die gerade da sind.

Alles mit HerzDie Sterne-Köchin Léa Linstersieht sich als Künstlerin, nicht als Geschäftsfrau.Ein Gespräch über Frauen in der Küche, Rezeptefürs Leben und köstliches Gebäck

I N T E R V I E W : M A R I A D O H M E N

Seit mehr als 25 Jahren gehört die Luxemburge-rin Léa Linster, geboren 1955, zu den interna-tionalen Spitzenköchen. Sie führt das Sterne-Haus Léa Linster in Frisange, den Pavillon

Madeleine in Kayl und Léa Linster Delicatessen inLuxemburg Stadt. Kein Wunder also, dass von ihreinige Kochbücher auf dem Markt sind. Nun kommtein weiteres Buch dazu, ihre Autobiografie. „Mein Wegzu den Sternen“ heißt die. Bevor es ums Buch geht,erkundigt sich Léa Linster aber erst einmal besorgtnach dem Befinden der Interviewerin.

Warum essen Sie Ihre Quiche nicht?

Ich muss mich auf unser Gespräch konzentrieren,Frau Linster – dabei kann ich leider nicht essen.

Ah, pardon, ich kann mich beim Essen am bestenkonzentrieren. Kochen und Essen – das hat mich im-mer gerettet, wenn ich dachte: Jetzt geht gar nichtsmehr. Auch mit den Menschen. Ich hatte ja oft Zoffmit meiner Mutter. Aber wenn sie gekocht hat, habeich sie sehr geliebt für ihr wunderbares Essen, beson-ders ihr unvergleichliches Osso buco.

Ihre Eltern führten in Luxemburg ein einfaches Lokal,nach der Übernahme haben sie es in den Achtzigerjah-ren in kurzer Zeit zum Sterne-Restaurant gemacht.Jetzt werden Sie bald 60 und arbeiten mit Ihrem Sohndort gemeinsam. Gibt es da auch Zoff?

Louis ist viel strenger als ich, er will immer allesganz korrekt machen, wenn im Restaurant etwasfehlt, sorgt er sich fürchterlich. Ich bin dagegen sehrraffiniert: Egal, welche Vorstellung Sie sich vom Essenmachen – ich serviere Ihnen etwas, und dann wollenSie nur noch das haben.

Sie meinen, Sie haben die Kunst der kulinarischen Ma-nipulation perfektioniert?

Mit Essen verführt man. Und vielleicht manipu-liert man auch – aber positiv. Das lässt sich jedergerne gefallen, oder? Und wenn etwas fehlt oder nichtgelungen ist, bringt es doch nichts zu verzweifeln.Dann muss man gut sein! Es geht beim Restaurantbe-such ja immer darum, die Vorstellung vom Besten zubefriedigen. Und was ich serviere, wird zu dieser Vor-stellung. Und um auf Louis zurückzukommen: Er ist24 und soll jetzt erstmal seinen Weg finden. Ich war inseinem Alter, als meinVater starb und ich plötzlich füralles verantwortlich war. Ich spüre immer noch mei-nen Willen von damals, unbedingt meinen Weg ge-hen zu wollen. Deshalb möchte ich auch nicht, dassich für ihn an erster Stelle stehe, sondern er und seineigenerWeg. Und ich möchte, dass er mein Buch liest,um zu verstehen, wie alles so kam, wie es jetzt ist.

Warum schreiben Sie genau jetzt über Ihr Leben – gibtes einen besonderen Anlass?

Na ja, wenn ich warte, bis ich 80 oder 100 bin, kannich vielleicht nicht mehr so richtig eingreifen undmich vielleicht auch nicht mehr so richtig erinnern –wer weiß. Das Buch erklärt ja viel von mir, es ist wieein Rezept für mein Leben. Ich glaube, es zeigt mei-nen Optimismus, meine Liebe zum Leben und zumKochen, aber auch harte Zeiten.

Was sehen Sie, wenn Sie auf Ihr Leben zurückblicken?Es war interessant, wie ich mich eigentlich von A

nach B durchgewurschtelt habe. Wenn ich jetzt zu-rückschaue, bin ich auch etwas verwundert oder er-schreckt darüber, dass es gerade die schlimmen Sa-chen waren, die mich nach vorne gebracht haben. Esgab zum Beispiel einen Mann, mit dem ich gemein-sam eine fatale Investition machte. Er hätte mich da-mals ruinieren können. Von einem Tag auf den ande-ren brach ich die Beziehung ab. Seitdem fürchte ichMänner nicht mehr. Das hat mich gelassen gemacht.

Man kann Sie aber heute als erfolgreiche Unternehme-rin bezeichnen, oder?

Es hat mich immer gestört, wenn mich jemandeine gute Geschäftsfrau nennt. Da bin ich fast sauer.

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Büfett am Wochenende: 12,90 Euro. Dafür darf man2 Stunden lang essen. Wochentags: 8,90Euro.

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KAISER-PAVILLON Alte Berliner Str. 20, 15366 HoppegartenTel. 03342–30 92 18 Mo–So 12–22 Uhr

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Bei meinen Ausflügen verfranse ich mich nach allden Jahren noch immer regelmäßig, vor allem

wenn ich Richtung Osten unterwegs bin, komme ichmit all den Bies-, Kauls-, Mahls- und Hellersdörferndurcheinander. Zum Glück taucht kurz vor Hoppegar-ten direkt an der Bundesstraße B1 immer ein Fremd-körper in der Landschaft auf. Er hilft mir zu erkennen,wo ich gerade bin. Ein knallroter chinesischer Tempelmit steinernen Löwen und von Säulen getragenemSchindeldach: Der Kaiser-Pavillon.

Es ist ein Restaurant von gigantischer Dimension.Zwei Etagen mit insgesamt 600 Plätzen und einemParkplatz wie für eine Autobahnraststätte gebaut.Schon oft hatte ich mir vorgenommen anzuhalten, bis-her hatte mich der volle Parkplatz immer abgeschreckt.Letzten Sonntag kam ich bei einem Ausflug zufällig um12 Uhr an dem Tempel vorbei und erwischte eine freieParklücke, wohl weil der Kaiser-Pavillon genau umdiese Zeit aufmacht.

Innen gibt der Tempel alles her, was an Kitsch mög-lich ist: falscher Marmor und Gold, Drachen-Säulen,ein Brunnen mit Fischen und gelackte Sitzmöbel. Lei-der übertraf der Kaiser-Pavillon auch meine schlimms-ten Befürchtungen: Es gab ein All-You-Can-Eat-Büfett,um das sich bereits 15 Minuten nach Eröffnung dieMenschen herumschoben wie in der Security-Schlangeam Flughafen. Weil unten bereits alle Tische belegtwaren, nahm ich im zweiten Stock Platz, bemüht, nichtauf die Teller der Gäste zu starren. Meist waren sie bis anden Rand bepackt, den Sushi-Rollen wie ein Damm ab-sicherten.

Die Sushi-Vitrine am Büfett schien die einzige Kon-zession an den gewandelten Asia-Geschmack. Sonstkochten die insgesamt 20 Köche im Kaiser-Pavillon chi-nesische Standards, und zwar so, wie wir Deutschenkonditioniert wurden. Wer nicht mehr von chinesi-schem Essen erwartet, wird zufrieden sein, weil dasBüfett aufgrund der Massen ständig frisch von der offe-nen Küche bestückt wird.

Am Büfett, das ich nach dem ersten Ansturm auf-suchte, ging alles Frittierte besonders gut: Die Entekross, die gebackenen Hühnchenteile, Garnelen imTeigmantel – sie waren noch heiß, fettig und ge-schmacklich so erwartbar wie die Tüte Chips, die manam liebsten kauft. Auch die sauer-scharfe Suppe, diegebratenen Nudeln und die meisten Gerichte wieSchweinefleisch süß-sauer und geschmorte Rippchenschmeckten verlässlich wie bei den meisten Chinesen,die unseren Geschmack über die Jahre geeicht haben.

Nur ein paar Sachen stachen für mich am Büfett her-aus: etwa die noch ungeschälten großen Garnelen mitgroben Szechuan-Pfeffer. Sie hatten ein eigenes Aroma,weil eine störende, alles überdeckende Standardsaucefehlte. Auch die reinen Gemüsegerichte wie die grünenBohnen und im Ganzen gedünsteten Champignonswaren knackig, frisch und relativ pur. Angetan war ichauch von der Qualität der Aal-Nigiri, da der sehr öligeFisch erst gegrillt und dann in einer süsslichen Unagi-Soße mariniert wurde. Der Rest der Sushi war etwas tro-cken, was am Reis lag, aber letztlich waren die auchnicht schlechter als bei einer Sushi-Kette in der Stadt.

Im Zentrum Berlins konkurrierte der Kaiser-Pavillonabgesehen von seinen gigantischen Ausmaßen mit vie-len Chinesen. Hier am Stadtrand ist er die Nummer 1,die jedes Wochenende 600 Plätze füllt. Wer geschmack-lich differenzierte Rezepte aus den verschiedenstenProvinzen, originelle Spezialitäten wie Hühnerfüße,Abalone-Muscheln oder auf Teeblättern geräucherteEnte und die mala-scharfe Saucen der Szechuan-Küche sucht, ist hier falsch. Doch die authentisch chi-nesische Küche wird nicht die Welt erobern, zumindestnicht die an der Ausfallstraße B1.