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Jeder Werbungtreibende hat ein Interesse daran, die Wirksamkeit seiner Maßnah- men vor dem Einsatz im Markt abzuschät- zen. Dabei gibt es verschiedene Wirkungs- aspekte, die in Rahmen von Werbemittel- Tests vorab geprüft werden können. Man findet heraus, was funktioniert und was nicht – wertvoller Input, um die Werbung vor dem eigentlichen Start noch zu ver- bessern. Ein wichtiger Punkt ist dabei die Aufmerksamkeit: Beachten die Rezipien- ten das Werbemittel, schauen sie sich die Details an, nehmen sie die wichtigen Ele- mente wahr? Erkenntnisse hierzu ermög- lichen eine Optimierung der Gestaltung des Werbemittels, seien es Anzeigen, Flyer, Plakate, Video-Spots, Online-Werbemit- tel oder Websites. Die Methoden, mit de- nen die Aufmerksamkeitsleistung erfasst werden kann, sind vielfältig. Ein wichtiges Verfahren ist das sogenannte Eye-Tra- cking. Dabei wird in der Regel mithilfe einer Kamera der Blickverlauf eines Men- schen aufgezeichnet, der sich gerade einen Stimulus – etwa eine Werbeanzeige – an- schaut. Apparate für diesen Zweck waren bereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts im Einsatz, viele davon verwendeten unhand- liche und unbequeme Brillen und mehr oder minder komplizierte Kameratech- nik, die für die Probanden zumindest un- gewohnt, nicht selten sogar unbequem waren. Heutzutage sind die Methoden we- niger aufdringlich – der Befragte sitzt vor einem Bildschirm und kann sich dort ähnlich wie in Alltagssituationen verhal- ten. Eine Brille wird nicht mehr benötigt, eine unauffällige Kamera registriert den Blickverlauf auf dem Bildschirm. So ent- stehen umfassende Daten, die statistisch ausgewertet werden. Es gibt einen kleinen Bruder des Eye- Trackings: Das Mouse-Tracking. Dabei planung&analyse 5/2019 49 ei der Werbegestaltung muss die Aufmerksamkeit auf die richtigen verbalen und visuellen Botschaften gelenkt werden. Werbe- mittel-Tests helfen hier bei der Optimierung. Doch welche Methoden sind dafür geeignet? Neben dem traditio- nellen Eye-Tracking verspricht auch das pragmatischere Attention-Tracking mit Hilfe von Mouse-Klicks ein realistisches Abbild des Blickverlaufs. Dr. Steffen Egner von MediaAnalyzer berichtet von einer wissenschaftlichen Studie, die zeigt, dass beide Verfahren funktionieren. B Wie sich die Aufmerksamkeits-Leistung von Werbung messen lässt FOTO: DMITRII KISELEV / COLOURBOX Klick oder Blick?

B Klick Blick? - MediaAnalyzer › ... › uploads › pa-05-2019-klick-oder … · Blick? 50 planung&analyse 5/2019 wissen&forschung thema werden die Befragten aufgefordert, ihren

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Jeder Werbungtreibende hat ein Interessedaran, die Wirksamkeit seiner Maßnah-men vor dem Einsatz im Markt abzuschät-zen. Dabei gibt es verschiedene Wirkungs-aspekte, die in Rahmen von Werbemittel-Tests vorab geprüft werden können. Manfindet heraus, was funktioniert und wasnicht – wertvoller Input, um die Werbungvor dem eigentlichen Start noch zu ver-bessern. Ein wichtiger Punkt ist dabei dieAufmerksamkeit: Beachten die Rezipien-ten das Werbemittel, schauen sie sich dieDetails an, nehmen sie die wichtigen Ele-mente wahr? Erkenntnisse hierzu ermög-lichen eine Optimierung der Gestaltungdes Werbemittels, seien es Anzeigen, Flyer,Plakate, Video-Spots, Online-Werbemit-tel oder Websites. Die Methoden, mit de-nen die Aufmerksamkeitsleistung erfasstwerden kann, sind vielfältig. Ein wichtigesVerfahren ist das sogenannte Eye-Tra-cking. Dabei wird in der Regel mithilfeeiner Kamera der Blickverlauf eines Men-schen aufgezeichnet, der sich gerade einenStimulus – etwa eine Werbeanzeige – an-schaut. Apparate für diesen Zweck warenbereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts imEinsatz, viele davon verwendeten unhand-liche und unbequeme Brillen und mehroder minder komplizierte Kameratech-nik, die für die Probanden zumindest un-gewohnt, nicht selten sogar unbequemwaren. Heutzutage sind die Methoden we-niger aufdringlich – der Befragte sitzt voreinem Bildschirm und kann sich dortähnlich wie in Alltagssituationen verhal-ten. Eine Brille wird nicht mehr benötigt,eine unauffällige Kamera registriert denBlickverlauf auf dem Bildschirm. So ent-stehen umfassende Daten, die statistischausgewertet werden.

Es gibt einen kleinen Bruder des Eye-Trackings: Das Mouse-Tracking. Dabei

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ei der Werbegestaltungmuss die Aufmerksamkeitauf die richtigen verbalenund visuellen Botschaftengelenkt werden. Werbe-mittel-Tests helfen hier bei

der Optimierung. Doch welche Methodensind dafür geeignet? Neben dem traditio-nellen Eye-Tracking verspricht auch daspragmatischere Attention-Tracking mitHilfe von Mouse-Klicks ein realistischesAbbild des Blickverlaufs. Dr. Steffen Egnervon MediaAnalyzer berichtet von einerwissenschaftlichen Studie, die zeigt, dassbeide Verfahren funktionieren.

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Wie sich die Aufmerksamkeits-Leistungvon Werbung messen lässt

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werden die Befragten aufgefordert, ihrenBlickverlauf mit ihrer Computer-Maus aufeinem Bildschirm zu verfolgen. Die Maus-Bewegungen werden dabei aufgezeichnetund analysiert. Eine Weiterentwicklungdieses Ansatzes ist das Attention-Tracking.Anfang des Jahrtausends entwickelte ichzusammen mit Kollegen dieses Verfahren,das die Aufmerksamkeit durch das Verfol-gen von Maus-Klicks misst. Die Methodeist patentiert und wird seit dieser Zeit vonMediaAnalyzer für die Markt- und Werbe-forschung erfolgreich eingesetzt.

Auf das Klicken, was dieAufmerksamkeit erregt

Das Prinzip ist einfach: Die Versuchsper-son bekommt auf einem Bildschirm einenStimulus – etwa eine Anzeige – gezeigt unddie Instruktion, mit der Maus auf jenePunkte zu klicken, die sie betrachtet. Dadies eine eher ungewöhnliche Aufgabe ist,wird zuvor eine kleine Übung vorgenom-men, die in einem kurzen Spiel die Koor-dination von Auge und Hand trainiert –was nur wenige Minuten dauert und vonfast allen Probanden mühelos absolviertwird. Die beim eigentlichen Stimulus ge-wonnenen Daten erlauben es nachzuver-folgen, welche Punkte in welcher Reihen-folge und mit welcher Dauer betrachtetwurden. Der Daten-Output ähnelt damitdenen von Eye-Tracking-Methoden.

Der Vorteil des Attention-Tracking istdabei, dass keine zusätzlichen Geräte wieKameras oder eigene Software benötigtwerden, während Eye-Tracking-Studienmeist an eine Labor-Situation und spezielleMessapparaturen gebunden sind. Dasführt auch dazu, dass Attention-Tracking-Studien kostengünstiger durchzuführensind, bei Online-Stichproben sind größereFallzahlen realisierbar.

Eye-Tracking versus Attention-Tracking

In Marktforschungskreisen gibt es durch-aus kontroverse Meinungen beim Ver-gleich von Eye-Tracking und Mouse-Tra-cking. Viele sehen im Attention-Trackingvia Maus-Klicks einen ungenaueren undweniger wertvollen Ersatz für eine ordentli-che Blickregistrierung. Tatsächlich erfassenEye-Tracking-Techniken mehr und detail-liertere Bewegungen. Auch ist die Hand,die die Maus führt, ein kleines bisschenlangsamer in ihren Aktionen als unsere Au-

gen. Dazu gibt es eine Unmenge von wis-senschaftlichen Untersuchungen, die sichmit den physiologischen Bedingungen derBlickregistrierung beschäftigten. Sie zeigeneine sehr starke Korrelation zwischen denverschiedenen Eye-Tracking- und Mouse-Tracking-Methoden. Beide Verfahren mes-sen also etwas Ähnliches, aber nicht exaktdasselbe. Doch in der angewandten Markt-forschung, insbesondere in den BereichenUsability und Werbemittelforschung, gehtes immer darum, relevante Daten für bes-sere Marketing-Entscheidungen zu gewin-nen. Wichtig ist dabei, die Aufmerksamkeitfür das Werbemittel und seine einzelnenElemente möglichst exakt zu ermitteln.Das genauere Eye-Tracking zeichnet auch

kleinste, ruckartige Augenbewegungen –die sogenannten Sakkaden – auf. Diese Be-wegungen dienen dazu, den Stimulus ab-zutasten, um ein scharfes Bild zu bekom-men. In unser Bewusstsein gelangen dieseSprünge nicht, wir sehen stattdessen einruhiges Bild. Auch Blinzeln und Blick-sprünge außerhalb des Bildes werden regis-triert. Das alles ist aber unerheblich für dieEvaluation der auf die Bildelemente ge-spendeten Aufmerksamkeit. Die Genauig-keit führt quasi zu einem Rauschen in denDaten. Das Attention-Tracking via Maus-Klicks erfasst solche unwichtigen Augen-aktivitäten nicht und konzentriert sichstattdessen darauf, was der Proband be-wusst anschaut – aber immer noch mit

Vergleich von Eye-Tracking (oben) und Attenti-

on-Tracking via Mouse-Klicks (unten) bei einem

der Stimulus-Bilder. Quelle: Egner et al. 2018

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. 2018

Die Studie Attention and informationacquisition: Comparison of mouse-clickwith eye-movement attention tracking

wurde durchgeführt von Dr. SteffenEgner (MediaAnalyzer AdvertisingResearch GmbH), Stefanie Reimannund Prof. Dr. Rainer Höger (beide(Leuphana Universität Lüneburg, En-gineering Psychology research lab),Prof. Dr. Wolfgang H. Zangemeister(Medizinisches PräventionsCentrumMPCH an der UniversitätsklinikHamburg) und ist veröffentlicht im

Journal of Eye Movement Research, Vol. 11 / 6 (2018) - https://bop.unibe.ch/JEMR/article/view/4429

Die Studie:

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einer hohen zeitlichen Auflösung, sodassschnelle und automatische Orientierungs-reaktionen erfasst werden. Hier wird alsoeine selektive Aufmerksamkeit aufgezeich-net, die für die Interpretation der steuern-den Elemente in einem Werbemittel klarerund aussagekräftiger ist.

Die Verfechter des Attention-Trackingssind natürlich daran interessiert, die Vali-dität ihrer Methode nachzuweisen. Wennes stimmen sollte, was einige Kritiker ver-muten – nämlich dass die Maus-Bewegun-gen vom automatischen Blickverlauf ab-weichen und deshalb die visuelle Aufmerk-samkeit nicht richtig abbilden würden –,dann wäre das Attention-Tracking trotzseiner forschungsökonomischen undpraktischen Vorteile ungeeignet, die Reali-tät darzustellen. Aus diesem Grund habeich mit Kollegen verschiedener Universitä-ten ein Validierungs-Experiment konzi-piert und durchgeführt.

Attention Tracking – einExperiment zur Validierung

Das Experiment führten wir an der Leu-phana Universität Lüneburg mit Studie-renden aus. In einer Vorphase wurden auseiner großen Bilderdatenbank 64 Bilderausgewählt, die von mehreren Kodierernals typisch für bestimmte Kategorien ange-sehen wurden. Insgesamt gab es acht Kate-gorien, für die jeweils acht Bilder gewähltwurden. Die Kategorien wurden nach ver-schiedenen Eigenschaften klassifiziert: Ab-bilder von Menschen oder Tieren, Abbildervon Pflanzen, natürliche oder künstlicheUmgebung, hohe oder niedrige Komplexi-tät des Bildes. Im eigentlichen Experimentwurden den Versuchsteilnehmern die 64Bilder in zufälliger Anordnung auf einemnormalen Computer-Bildschirm für fünfSekunden präsentiert, jeweils getrenntdurch eine zweiminütige schwarze Zwi-schenblende. Die zwanzig Versuchsteilneh-mer wurden zufällig in zwei Gruppen auf-geteilt – bei der einen Gruppe wurde dieMethode des Eye-Tracking angewandt, beider anderen das Attention-Tracking viaMaus-Klick. Beide Gruppen sahen diesel-ben Bilder und beantworteten denselbenFragebogen. Mit Hilfe von verschiedenenstatistischen Analysen wurden dann dieDaten der jeweiligen Gruppen verglichen.

Auf den Bildern wurden Areas of Inte-rest (AOI) identifiziert, das sind Elemente,die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dierelevanten Kennzahlen, die aus den Tra-

cking-Daten errechnet wurden, beziehensich auf diese Areale:

● Time to Contact: Wie lange es dauert,bis zum ersten Mal eine Area of Interestangeschaut oder angeklickt wird.

● Share of Clicks: Prozentanteil der Klicksauf eine AOI im Verhältnis zu allen Klicks.Das wird mit der Fixationsfrequenz bei derBlickregistrierung verglichen. Beides ist einIndikator für die Aufmerksamkeit.

● Percent Contact: Relativer Anteil derProbanden, die mindestens einmal in eineAOI geklickt haben.

Die Ergebnisse zeigen ein klares Bild: Inden untersuchten Kennwerten waren diepositiven Korrelationen zwischen der Eye-Tracking-Gruppe und der Mouse-Klick-Gruppe sehr hoch und statistisch signifi-kant. Beide Verfahren liefern also ein ein-heitliches Bild über das Aufmerksamkeits-verhalten beim Betrachten der Stimulus-Bilder. Allerdings differieren die Korrela-tionen bei den unterschiedlichen Katego-rien der gezeigten Bilder. Beide Verfahrenzeigen die stärkste Übereinstimmung beiBildern mit Menschen oder Tieren und miteinfachen anstatt komplexen Strukturen.Bilder von komplexen natürlichen Struk-turen ohne Menschen oder Tiere, etwa einezerklüftete Felsenküste, zeigten die größtenAbweichungen zwischen den Messverfah-ren – doch selbst hier lag immer noch einehohe positive Korrelation vor.

Auch der Maus-Klick zeigtdie relevanten Augenblicke

Die in unserem Validierungsexperimentgefundenen Ergebnisse stimmen mit Be-funden aus anderen Studien überein. Eszeigt sich damit klar, dass der Einsatz vonAttention-Tracking via Maus-Klick zu ins-gesamt gleichen Resultaten führt wie derEinsatz des aufwendigeren Eye-Trackings.Besonders bei einfach strukturierten Bil-dern mit klaren Key-Visuals, wie sie für dieWerbung typisch sind, ist die Korrelationder untersuchten Kennzahlen sehr hoch. Esspricht also nichts gegen eine Aufmerk-samkeits-Messung bei Werbemitteln mitHilfe des praktikableren Attention-Tra-ckings.

Die Ergebnisse sagen etwas über selekti-ve Orientierungsreaktionen aus, ohne dassAugen- und Kopfbewegungen selbst beob-

achtet werden müssen. In Kombinationmit anderen Methoden – etwa der klassi-schen Abfrage von psychologischen Wer-bewirkungs-Indikatoren wie Wiedererin-nern oder Kaufabsicht – lassen sich so kos-teneffiziente Pre-Tests für alle visuell wahr-nehmbaren Werbemittel durchführen.Dies gilt auch im privaten Setting bei denBefragten zuhause, ohne technische Appa-raturen und für große Stichproben. DieErgebnisse helfen, die Gestaltung zu ver-bessern und damit die gewünschten Bot-schaften dem Rezipienten besser zu ver-mitteln.

Da in der Werbung Zeit oft ein kriti-scher Faktor ist, bietet das schnelle undweniger aufwendige Verfahren des Mouse-Klick-Attention-Tracking einen geeignetenWeg, um die Wirkung von Werbung zukontrollieren und zu verstärken. Der prak-tische Nutzen solcher Pre-Tests mittelsAttention-Tracking hat sich in den knappzwanzig Jahren Marktforschungspraxisimmer wieder gezeigt. Die Steuerung derAufmerksamkeit, hin zu den relevantenAspekten einer Werbebotschaft, ist die gro-ße Herausforderung für Kreative. Wahr-nehmungspsychologie und Attention-Tra-cking können den Marketingverantwort-lichen dabei helfen.

Dr. Steffen Egner istGeschäftsführer derMediaAnalyzer ResearchGmbH in Hamburg undforscht seit vielen Jahren imBereich Wahrnehmungs-Psychologie.

[email protected]

DerAutor

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