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Bau des 2,4 km langen Tunnels im Zuge der Ortsumfahrung Farchant ( B 2neu ) Univ. Prof. Dr.-Ing. Karl Schikora; Dipl.-Ing. (Univ.) Hans Pfisterer EINLEITUNG Der Ballungsraum München war mit dem Freizeit- und Erholungsraum Garmisch- Partenkirchen bis in die sechziger Jahre nur über eine Bundesstraße verbunden, die westlich des Starnberger Sees über Starnberg, Weilheim und Murnau führte. Diese Ortsdurchfahrten wurden nach und nach durch den Bau der Autobahn A 95 von der unerträglichen Verkehrs- belastung befreit. Im Jahre 1982 war die Autobahn von München bis Eschenlohe fertiggestellt (Bild 1). Für die Fortsetzung der Autobahn im oberen Loisachtal von Eschenlohe bis Garmisch-Partenkirchen wurden bereits 1971 Raumordnungsverfahren durchgeführt. Seither gab es jahrzehntelange Streitigkeiten um die beste Trasse. Das obere Loisachtal gehört zu den wertvollsten Talland- schaften im deutschen Alpenraum. Es ist eine typische Kulturlandschaft mit einem außergewöhnlichen Biotop- reichtum. Diese Landschaft ist Grundlage für die Attrakti- vität der Fremdenverkehrsorte. Dem Erhalt des Land- schaftscharakters kommt daher nicht nur aus Naturschutz - sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen eine besondere Bedeutung zu. Der Widerstand gegen eine Autobahn war enorm. Erst die Änderung der Straßenkategorie von einer Autobahn in eine vierstreifige Bundesstraße brachte die Planungen wieder voran. Nach neuerlichen Raumordnungs- verfahren konnte schließlich 1991 das Planfeststellungs- verfahren für die Umfahrung Farchant/Burgrain beantragt werden. Der Beschluß erging 1994 und wurde 1995 im Klageweg durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Um bei der knapp 5 km langen Umfahrung Farchant/Burgrain Eingriffe zu minimieren bzw. Beeinträchtigungen zu vermeiden, wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen. Deren Kernstück ist der 2,4 km lange Tunnel Farchant. Dazu kommen noch 9 Brücken, Bahnverlegungen und umfangreiche Erd- und Straßenbauarbeiten. Eine Beeinträchtigung des Naturhaushaltes, des Landschaftsbildes und der Erholungsnutzung konnten aber nicht ganz vermieden werden. Die Umfahrung Farchant/Burgrain ist eines der privat vorfinanzierten Projekte der Bundesre- publik Deutschland. Während der Bauphase werden die Kosten von der ausführenden Arge zwischenfinanziert und nach der Abnahme der Baumaßnahme werden die Kosten einschließ- liche Zinskosten in 15 Jahresraten zurückbezahlt. Bild 1: Übersichtslageplan

Bau des 2,4 km langen Tunnels im Zuge der Ortsumfahrung ... · wurden nach und nach durch den Bau der Autobahn A 95 von der unerträglichen Verkehrs-belastung befreit. Im Jahre 1982

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Bau des 2,4 km langen Tunnels im Zuge der Ortsumfahrung Farchant ( B 2neu )

Univ. Prof. Dr.-Ing. Karl Schikora; Dipl.-Ing. (Univ.) Hans Pfisterer

EINLEITUNG

Der Ballungsraum München war mit dem Freizeit- und Erholungsraum Garmisch-Partenkirchen bis in die sechziger Jahre nur über eine Bundesstraße verbunden, die westlichdes Starnberger Sees über Starnberg, Weilheim und Murnau führte. Diese Ortsdurchfahrtenwurden nach und nach durch den Bau der Autobahn A 95 von der unerträglichen Verkehrs-belastung befreit. Im Jahre 1982 war die Autobahn von München bis Eschenlohe fertiggestellt(Bild 1).

Für die Fortsetzung der Autobahn im oberen Loisachtalvon Eschenlohe bis Garmisch-Partenkirchen wurdenbereits 1971 Raumordnungsverfahren durchgeführt. Seithergab es jahrzehntelange Streitigkeiten um die beste Trasse.Das obere Loisachtal gehört zu den wertvollsten Talland-schaften im deutschen Alpenraum. Es ist eine typischeKulturlandschaft mit einem außergewöhnlichen Biotop-reichtum. Diese Landschaft ist Grundlage für die Attrakti-vität der Fremdenverkehrsorte. Dem Erhalt des Land-schaftscharakters kommt daher nicht nur aus Naturschutz- sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen einebesondere Bedeutung zu. Der Widerstand gegen eineAutobahn war enorm.

Erst die Änderung der Straßenkategorie von einerAutobahn in eine vierstreifige Bundesstraße brachte diePlanungen wieder voran. Nach neuerlichen Raumordnungs-verfahren konnte schließlich 1991 das Planfeststellungs-verfahren für die Umfahrung Farchant/Burgrain beantragtwerden. Der Beschluß erging 1994 und wurde 1995 imKlageweg durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt.

Um bei der knapp 5 km langen Umfahrung Farchant/Burgrain Eingriffe zu minimieren bzw.Beeinträchtigungen zu vermeiden, wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen. Deren Kernstückist der 2,4 km lange Tunnel Farchant. Dazu kommen noch 9 Brücken, Bahnverlegungen undumfangreiche Erd- und Straßenbauarbeiten. Eine Beeinträchtigung des Naturhaushaltes, desLandschaftsbildes und der Erholungsnutzung konnten aber nicht ganz vermieden werden.

Die Umfahrung Farchant/Burgrain ist eines der privat vorfinanzierten Projekte der Bundesre-publik Deutschland. Während der Bauphase werden die Kosten von der ausführenden Argezwischenfinanziert und nach der Abnahme der Baumaßnahme werden die Kosten einschließ-liche Zinskosten in 15 Jahresraten zurückbezahlt.

Bild 1: Übersichtslageplan

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Am 21. Oktober 1995 war Baubeginn für die Umfahrung Farchant/Burgrain und am 24. Fe-bruar 1996 Tunnelanschlag. Die Verkehrsfreigabe fand am 27. Mai 2000 statt, also nach gut 4½ Jahren Bauzeit. Seitdem ist Farchant von dem enormen Durchgangsverkehr befreit. ZuSpitzenzeiten passierten mittlerweile mehr als 30.000 Kfz/24 h die Ortsdurchfahrt.

TUNNEL FARCHANT

Der Tunnel liegt östlich der Loisach in den Ausläufern des Wank-Massives. Er besteht aus 2parallel verlaufenden 2380 m langen Tunnelröhren und beginnt im Norden unmittelbar hinterder Loisachbrücke. Der Tunnel unterfährt die Wankausläufer in einem Bogen mit 1300 mRadius und mündet nördlich von Garmisch wieder in die bestehende Bundesstraße ein.

Aufgrund der unterschiedlichen geologischen Verhältnisse und Überdeckungen im Tunnelbe-reich kamen bergmännische und offene Bauweisen zum Einsatz. In offener Bauweise wurdendie Bereiche der nördlichen und südlichen Voreinschnitte erstellt. Das sind zusammen rd. 600m. Die nachträgliche Überschüttung beträgt 3 - 6 m. Der bergmännische Vortrieb erfolgte im

Bild 2: Übersicht Längsschnitt

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Süden ca. 120 m im Lockergestein (teilweise lag die Strosse schon im Fels), dann folgten1008 m Sprengvortrieb im Fels, anschließend weitere 470 m Vortrieb im Lockergestein (biszur Pannenbucht Nord). Der Rest der bergmännischen Tunnelstrecke wurde im Gegenvortriebüber eine kurze Strecke von 137 m im Lockergestein vorgetrieben. Die Pannenbucht Nordmußte aus Sicherheitsgründen im Schutze eines vorher erstellten Deckels aufgefahren werden.Somit wurden insgesamt 1780 m bergmännisch erstellt (Bild 2).

Zwei begehbare Querschläge, ein befahrbarer Querschlag und zwei Lüftungsquerschläge ver-binden die Tunnelröhren. Im mittleren Querschlag ist der zentrale Lüftungsschacht integriert.Darüber befindet sich das mehrgeschossige Betriebsgebäude, das die Zentrale für die betrieb-stechnische Ausstattung und die Löschwasserspeicher enthält.

GEOLOGIE, HYDROLOGIE UND VORTRIEBSKONZEPT

Das anstehende Gebirge besteht aus einem Hauptdolomitkern, der von mächtigen Hangschutt-flächen überdeckt ist. Im nördlichen Tunnelbereich taucht der Hauptdolomit steil ab. Hierwurden unter dem Hangschutt Fluß- und Stillwasserablagerungen angetroffen. Die Grenzezwischen Hangschutt und Stillwasserablagerungen liegt im Tunnelquerschnitt.

Der Vortrieb erfolgte in getrennten Kalotten- und Strossenvortrieben. Der Ausbruchsquer-schnitt des Normalprofils betrug ca. 100 m². Die Pannenbuchten und der befahrbare Quer-schlag haben eine Ausbruchsfläche von ca. 180 m² und die begehbaren Querschläge 25 m².Der endgültige Ausbau erfolgte zweischalig mit einer abdichtenden Folie zwischen Innen-und Außenschale.

Die Lockergesteine sind grundwasserführend. Die Wasserstände korrespondieren mit demGrundwasserspiegel im Loisachtal. Im Hauptdolomit wurden wasserführende Klüfte mit ge-ringer Ergiebigkeit angetroffen. Auswertungen der vorhandenen Pegel und eines neu abge-teuften Pegels zeigten, daß mit sehr hohen Wasserdrücken bis maximal 65 m WS über Tun-nelsohle zu rechnen war. Die Pegelganglinien sind jedoch stark jahreszeitlich, niederschlags-abhängig und außerordentlich schnell veränderlich.Im Tunnel Farchant kam erstmalig in einem deutschen Straßentunnel ein druckgeregeltesEntwässerungssystem zum Einsatz. Mit diesem System wurden die im zentralen Bereich derTunnelstrecke vorherrschenden hohen Bergwasserdrücke auf einen Mindestdruck von 2,5 barreduziert. Dies gelang durch Anordnung einer mit Überlauf ausgestatteten Steigleitung imLüftungsschacht des Tunnels. Durch die Reduzierung der Druckbelastungen konnte im zen-tralen Bereich auf eine Verstärkung der Innenschale sowie auf die Ausbildung eines kon-struktiv aufwendigen Abdichtungssystems verzichtet werden.

Zur Erkundung des Gebirges wurde ein Pilotstollen mit 3,2 m Durchmesser im Felsbereichder Weströhre von Süden her mit einer Hartgestein-Tunnelbohrmaschine vom Typ Robbinsaufgefahren. Der Pilotstollen erbrachte eine Reihe von Vorteilen, wie geologische Vorerkun-dung, Aufschlüsse über die zu erwartenden Bergwasserverhältnisse, Vorentwässerung beimspäteren Vortrieb der Kalotte, Saugende Bewetterung und geringeren Sprengmittelverbrauch.

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DRUCKAUSGLEICHSDRAINAGE

Der Pilotstollen brachte erste entschei-dende Erkenntnisse über die Ergiebig-keit des Kluftwassersystems. BeimVollausbruch beider Röhren erreichtedie Kluftwasserspende Q 4 bis 6 l/s be-zogen auf die gesamte Tunnellänge.Diese Wasserspende konnte noch er-heblich reduziert werden, indem nur imBereich hoher Gebirgswasserdrücke (ca.400 m) eine druckgeregelte Drainagevorgesehen wurde während der übrigeTunnelbereich undrainiert ausgeführtwurde.Statt eines Druckventils am Ende derDränageleitung bot sich zur Erzeugungdes Gegendrucks der Lüftungsschachtdes Betriebsgebäudes an, der sich ca.365 m nördlich des zentralen Bereichesbefindet und im mittleren Querschlagangeordnet ist (Bild 4 ). In Höhe desQuerschlages werden die Dränage- bzw.Druckleitungen der beiden Tunnelröh-

ren verbunden und in eine mit Absperrschiebern ausgestattete ca. 25 m hohe Steigleitungübergeführt. Am Hochpunkt der Steigleitung läuft das bei über 25 m Wassersäule angefalleneBergwasser über einen Überlauf in den vor dem Betriebsgebäude beginnenden Regenwasser-kanal, der zur Loisach hinunter führt. Damit ist ein Mindestdruck von 2,5 bar im Entwässe-rungssystem sichergestellt. Durch das Hochlegen der Ausflußöffnung entfiel der Einbau ver-schleiß- und versinterungsanfälliger Druckregelorgane.Zudem wird im zentralen Bereich der Tunnelstrecke durch die druckgeregelte Dränage eineReduzierung der ursprünglich hohen Wasserdruckbelastungen auf die Tunnelkonstruktionerreicht, wodurch der Einbau eines einheitlichen, auf 40 m Wassersäule bemessenen druck-wasserhaltenden Abdichtungssystems möglich wurde.Die Abdichtung erfolgt durch eine 3 mm dicke Kunststoffdichtungsbahn aus PE, die durch einVlies (500 g/m2) bergseits vor Beschädigungen geschützt wird. Die Blockfugen werden durchaußenliegende, nachinjizierbare Fugenbänder abgedichtet. Dadurch ist bei Schäden an derKunststoffdichtungsbahn eine Abschottung gegen Wasserläufigkeiten in Tunnellängsrichtunggegeben. Durch die Ausführung der Innenschale als wasserundurchlässige Betonkonstruktionwird zusätzlich eine erhöhte Sicherheit gegen Undichtigkeiten erreicht.Für den druckgeregelten Bereich wurde aus konstruktiven Überlegungen ein eingetieftesSohlgewölbe mit 50 cm Dicke gewählt. Unter diesem ist die Sohldränage angeordnet, die auseiner Dränageleitung DN 250 in einem Graben 70x60 cm mit Rieselverfüllung der Körnung4/8 besteht. Der Dränagegraben wurde nach Fertigstellung der Außenschale duch erschütte-rungsarmes Schlitzen der Außenschale in alternierenden 5 m Abschnitten mit Diamantsägenund Meißeln erstellt. Nach sofortigem Einbau der Dränage mußte die Tragwirkung der Au-ßenschale in 5 m Abschnitten durch erneuten Ringschluß mit Ortbeton wieder hergestelltwerden.Das Bergwasser wird zwischen Außenschale und Kunststoffdichtungsbahn über Noppenfoli-enstreifen gesammelt und in die Dränage eingeleitet. Die Noppenfolien wurden in Streifenmit 1,5 m Breite alle 7,5 m ringförmig und über dem Dränagegraben mit 1,5 m Breite in

Bild 3: Detail Druckausgleichsdrainage

Bild 3: Detail Druckausgleichsdrainage

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Längsrichtung durchgehend an-geordnet. Die Verbindung zurDränage erfolgte mit 8 Durchläs-sen DN 100 alle 7,5 m. Hinterjeder ringförmigen Noppenfolieim Bereich hoher prognostizier-ter Wasserdrücke befinden sich18 Löcher mit einem Durchmes-ser von 42 mm und einer Längevon 50 cm, die die Außenschaledurchbrechen, um den bergseitsanstehenden Wasserdruck abzu-bauen.Mit der vorliegenden druckgere-gelten Dränage wird versucht,ähnlich wie beim Freu-densteintunnel, ein wartungsar-mes, aber trotzdem sanierbaresSystem zu konzipieren. Es wirdsogar erwartet, daß die Versinte-rungen sehr gering sein werden

und das System nahezu wartungsfrei funktioniert, da durch den fehlenden Atmosphärenkon-takt im Dränagesystem ein Austausch von Kohlendioxyd zwischen Luft und Wasser unter-bunden wird.Nach Anschluß der Druckausgleichsdränage an die Steig- und Überlaufleitung am 06.09.1999konnte im Prüfschacht vor dem Betriebsgebäude klares Wasser ohne Kalkablagerungen fest-gestellt werden.Falls dennoch Wartungsarbeiten an der Sohldränage erforderlich werden sollten, befindensich in der Sohle des Tunnels etwa alle 80 m druckwasserdicht verschlossene Brunnentöpfemit darüberliegenden Kontrollschächten. Beim Übergang vom druckgeregelten zum undrä-nierten Abschnitt wird die Dränage über einen Brunnentopf in eine geschlossene Drucklei-tung übergeführt, die das Bergwasser innerhalb des Sohlgewölbes zum Überlauf am Quer-schlag Mitte ableitet. Vor dem Öffnen der Deckel der Brunnentöpfe kann über einen Schieberam Notablaß die Druckausgleichsdränage entspannt werden. Das Bergwasser läuft dann nichtüber die Steig- und Überlaufleitung sondern direkt in die StraßenlängsentwässerungsleitungDN 500.

LOCKERGESTEINSVORTRIEB IM SÜDEN

Im Süden waren ca. 120 m im Lockergestein vorzutreiben, wobei Teile der Strosse in denFels tauchen. Das Lockergestein bestand aus Moräne und Hangschutt. Der Anschlag erfolgteim Schutze eines Rohrschirmes. Kalotte und Strosse wurden während des gesamten Vortrie-bes getrennt aufgefahren. Die Sicherung der Kalotte in dem wenig standfesten Boden erfolgtenach Verlassen des Rohrschirmes durch Spieße (3,5 m Länge, Durchmesser 42 mm, Wand-stärke 3 mm, Abstand 25 cm), Gitterbögen und Spritzbeton (Dicke 35 cm mit Kalottenfuß-verbreiterung 35 cm). Soweit erforderlich wurde eine Kalottensohle eingebaut.

Bild 4: Anordnung der Steigleitung im Lüftungsschachtam Querschlag Mitte

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FELSVORTRIEB IM HAUPTDOLOMIT

Nach ca. 120 m Vortrieb befand sich der Tunnel vollständig im Fels. Der anstehende Haupt-dolomit besteht aus dem Mineral Dolomit mit Einlagerungen aus Ölschiefer, schiefrigen To-nen, Kalken und Mergeln. Der Hauptdolomit ist überwiegend unverwittert, weist aber auf-grund tektonischer Beanspruchungen während der Alpenentstehung ein sich örtlich rasch än-derndes, unregelmäßiges Trennflächengefüge auf.

Aufgrund der sich schnell und abrupt ändernden Gebirgseigenschaften wurde aus wirtschaft-lichen Gründen und um den Vortrieb zu beschleunigen anstatt einer üblichen dünnen Spritz-betonsicherung mit Ankern, deren Anzahl und Anordnung ständig den zerrütteten und zer-scherten Zonen hätte angepaßt werden müssen, eine Sicherung ausschließlich mit Spritzbeton(Kalotte 25 cm dick, Strosse 20 cm dick) ohne Anker gewählt. Der Sprengvortrieb der Kalotteerfolgte je nach Felsqualität in 1,5 bis 2,5 m Abschlägen.Der nachfolgende Strossenvortrieb konnte in 4 m-Abschlägen stattfinden. Die Abschlagslängewar durch die Bohrgeräte und Sprengtechnik begrenzt.

VORTRIEB IM ÜBERGANGSBEREICH VOM FESTGESTEIN ZUM LOCKERGESTEINIM SCHUTZE EINES INJEKTIONSROHRSCHIRMES

Ein Übergang vom Fels zum Lockergestein und der damit verbundene Wechsel vom Spreng-zum Lockergesteinsvortrieb birgt einige Risiken. Der Fels kann stark verwittert und tektoni-siert sein. Der genaue Verlauf der Felsoberflächen ist unbekannt. Es können bei Tälern undVertiefungen an der Felsoberfläche mindertragfähige Auffüllungen angefahren werden undzusätzlich muß an der Felsoberfläche mit ablaufendem Wasser gerechnet werden. Um diesenProblem aus dem Weg zu gehen, kam ein 15 m langer Injektionsrohrschirm zum Einsatz. Die-ser Rohrschirm wurde mit 5 m Überschneidung solange wiederholt, bis sich der gesamteTunnelquerschnitt voll im Lockergestein befand und durch Spionbohrungen die Gefahr einesansteigenden Felshorizontes bis in den Tunnelbereich ausgeschlossen werden konnte.

LOCKERGESTEINSVORTRIEB IM NÖRDLICHEN BEREICH

Nach Verlassen des Übergangsbereiches durchörtert der Tunnel zwei quartäreLockergesteinsbereiche. Der obere Bereich besteht aus Hangschutt-/Moränenmaterial und denAblagerungen nacheiszeitlicher Muren. Es handelt sich um meist bindiges Material, das auseinem feinkornreichen Gemisch aus Kies, Sand, Steinen und Blöcken, sowie Ton und Schluffbesteht. Die Konsistenz der bindigen Anteile wechselt von breiig bis steif.

Der Anteil der Blöcke (Findlinge teilweise über 10 m³) ist in manchen Bereichen außeror-dentlich hoch. Die Blöcke sind in die umliegende Bodenmatrix unterschiedlich fest eingebun-den, da sie teilweise mit einer dünnen bindigen Schicht breiiger Konsistenz umgeben sind.

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Die Durchsetzung des Lockerge-steins mit großen und kleinen Blök-ken machte einen konventionellenVortrieb mit Tunnelbögen undSpießen unmöglich, da größereBlöcke in der Tunnellaibung mitdieser Vortriebsmethode nicht si-cher gehalten bzw. in den Quer-schnitt hineinragende Teile derFindlinge nicht abgesprengt werdenkönnen, ohne erhebliche Auflocke-rungen zu verursachen.

Nach längeren Diskussionen ent-stand eine erfolgreiche Vortriebs-methode, die auch große Findlingebewältigt und sogar eine kontinu-ierliche Vortriebsleistung ermög-licht. Es handelt sich um eine Vor-aussicherung mit einem schwerenSpießschirm, auch manchmal"Farchanter Spießschirm“ genannt.Die Kalotte wird mit vorgebohrten,nachgerammten kräftigen 7 m lan-gen Spießen (Durchmesser 51 mm,Wanddicke 10 mm, Abstand 25 cm)nach jedem Abschlag gesichert. Bei

Abschlagslängen von einem Meter mit leicht nach außen gerichteten Spießen liegen um jedenAbschlag 5 bis 6 Spießschirme übereinander. Findlinge im Bereich bis 2,5 m außerhalb derTunnellaibung werden von den Spießen vielfach vernadelt und auch sicher gehalten, wenn siein den Tunnelquerschnitt hineinragen und abgesprengt werden müssen (Bild 5 ).

Neben dieser sicheren Vernadelung der Findlinge erzeugen die kräftigen 7 m langen überein-ander angeordneten Rammspieße eine hervorragende Längstragwirkung und bewirken dienotwendige Stabilisierung der nur wenig standfesten Ortsbrust, die trotz Stützkern nur inTeilausbrüchen bei sofortiger Sicherung durch Spritzbeton aufgefahren werden konnte.Dank der mehrlagigen Durchsetzung des Gebirges mit Rammspießen in engen Abständen, derdadurch erzeugten Längstragwirkung und aufgrund sofortiger Sicherung der Teilausbrüchemit Spritzbetonrobotern, bestand trotz der zahlreichen großen Findlinge keinerlei Gefährdungder Mannschaften. Der Vortrieb konnte immer stetig fortschreiten. Die Herstellung des„Farchanter Spießschirmes“ erwies sich als ein sehr wirtschaftliches und praktikables Verfah-ren. Die erreichten Vortriebsleistungen an einem Arbeitstag mit 24 Stunden betrugen maximal5 m und im Durchschnitt ca. 3 m bei 1 m Abschlagslänge.

Bild 5: Der „Farchanter Spießschirm“; Sicherung vonBlöcken mit vorgebohrten Rammspießen

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PANNENBUCHT NORD

Die konstruktiv statischen Überlegungen bei der Planung der Pannenbucht führten zu einemTeilvortrieb mit geschlossenen Ulmenstollen und einem anschließenden Ausbruch des Mit-telteils zwischen den Ulmenstollen mit getrennten Kalotten- und Strossenvortrieben. Die pro-

gnostizierten Bodenkennwerte (E =50 MN/m2, c = 5 kN/m2, ϕ = 35°)erfordern, daß der Boden im ge-samten Pannenbuchtbereich durchVerkittungsinjektionen verbessertwerden muß.Im Zuge der Baumaßnahme wurdees möglich, eine Probebohrung imBereich der Pannenbucht durchzu-führen. Unterhalb der Kote 4,5 mstanden kiesige Schichten mit star-ken bindigen Anteilen an und einFindling in schluffig breiiger Ma-trix wurde auf 2,1 m Länge durch-bohrt. Aufgrund dieser Ergebnissebesonders wegen des zunehmendenbindigen Bodenanteils mußten dieBodenkennwerte reduziert werden(E = 35 MN/m2, ϕ = 32°) und dieErfolgsaussichten des vorgesehenenInjektionsprogrammes sanken rapi-de.Umfangreiche konstruktiv-rechnerische Überlegungen erga-ben: Eine Herstellung der Pannen-bucht Nord in bergmännischer

Bauweise ist ohne Bodenverbesserung nicht möglich. Übliche Injektionsmaßnahmen sindnicht anwendbar, da der bindige Anteil des Bodens zu hoch ist. HDI-Injektionen erfordernneben hoher Kosten eine Rodung des Geländes, und eine Verschmutzung der Geländeoberflä-che durch Zement-Boden-Gemisch ist bei der Rückspülung nicht zu vermeiden. Zusätzlichbestanden Bedenken, daß bei großen Findlingen Injektionsschatten entstehen, die eine sichereVerkittung mit dem Boden ausschließen, und somit die Sicherheit des Vortriebs beeinträchtigtwird.Bei späteren Baumaßnahmen wurden im Bereich der Pannenbuchten zahlreiche Findlingegefunden. Ein besonders großer Findling mit ca. 40 m3 über der Firste hätte beim bergmänni-schen Vortrieb enorme Schwierigkeiten bereitet (Bild 6).Nach Abwägung aller Möglichkeiten und sicherheitstechnischer Risiken wurde entschieden,die Pannenbucht Nord in teilweise offener Bauweise zu erstellen. Es wurde ein Verfahrengewählt, bei dem die Baugrubenwände aus überschnittenen Bohrpfählen nicht durch Ankersondern durch einen gewölbten Deckel bzw. Betonsohle ausgesteift werden. Eine offeneBauweise erfolgt nur mit einem Teilaushub zur Erstellung des Betondeckels.Nach einem Voraushub von ca. 3 bis 5 m wurde ein Planum geschaffen, von dem aus dieSeiten- und Stirnwände der Pannenbuchten als überschnittene Bohrpfähle mit einem Durch-messer von 1,2 m abgeteuft werden. Anschließend folgt ein weiterer Aushub mit gewölbterProfilierung des Geländes und Sauberkeitsschicht innerhalb der Baugrube. Ein bewehrterBetondeckel wird direkt auf die Sauberkeitsschicht betoniert und über Auflagertaschen mit

Bild 6: Pannenbucht – Nord

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den Bohrpfählen verbunden. Sobald der Beton genügend erhärtet ist, erfolgt eine erste hori-zontale Überschüttung bis ca. 3 m über Gewölbescheitel.Nach Abschluß dieser Maßnahmen können die von Norden und Süden kommenden Vortriebedie Pannenbucht unter dem Deckel ohne zusätzliche Sicherungsmaßnahmen auffahren. Diegewölbte Betonsohle wird abschnittsweise im Zuge der Vortriebsarbeiten eingebracht.

SCHLUSS

Im Tunnelbau birgt der Boden selbst bei sorgfältiger Ausschreibung immer wieder Überra-schungen, die zu einem erheblichen Umdenken in der Planung führen müssen oder sogar neu-artige Bauverfahren erfordern, wie z. B. die Entwicklung des beschriebenen „FarchanterSpießschirms“ war. Dieser Spießschirm erwies sich als eine wirtschaftliche Lösung für Vor-triebe im Lockergestein mit einem erheblichen Anteil an Findlingen und Blöcken, und er boteine hohe Sicherheit für die Mannschaft.