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F. Foerstert u. E. Gruner. X. Zersetzung der schwefligen SBure usw. 245 Beitrtlge zur Kenntnis der schwefligen Silure und ihrer Sake X. Die Zersetzung der schwefligen Saure unter katalytischer Einwirkung von Jadion Von F. FOERSTER f und ERHARD GRUNER.~) Mit 14 Figuren im Text Den Vorgang der Zersetzung der schwefligen Saure nach 3 H2S0, --f 2 so," f 4 H' + H20 $. 8 (1 ) erkannten F. FOERSTER, F. LANGE, 0. DROSSBACH und W. SEIDEL~) als den einer Autokatalyse, wobei Thiosulfation, das das erste analytisch erfaf3bare Bwischenprodukt darstellt, der Autokatalysator ist. Sehr wahrscheinlioh besteht der primare Vorgang, der zur Bildung von S,O," fuhrt, in den Umsetzungen 2 HSO,' --f SO," + SO + H20 2 SO + H2O -+ S20," + 2 H' (2) (3) von denen der erste sehr langsam, der zweite aber auBerordentlich rasch verlauft. Der weitere Vorgang der Zersetzung geht uber die Bildung von Pentathionsaure nach 5 S,O," + 6 H' ---f 2 S,O," + 3 H,O (4) welch letzteres unter Verbrauch von HSO,' zu Tetra- und Trithion- sliure abgebaut wird, wobei diese Vorgange nach S,O," + HSO,' 7-y- S,O," + S,O," + H' S40," + HSO,' %T 8,O," + S20," + H' (5) (6) Thiosulfation zuiiickliefern. Erst die Trithionsaure ist fur die Ent- stehung der SO4", die eins der Endprodukte des Zerfalls der schm-efligen Saure darstellt, verantwortlich zu machen: S,O," + H,O tc SO," + S,O," + 2 H' (7) l) Nach der gleichnamigen Dissertation von E. GRWER, Dresden 1927. 2, F. FOEBSTER, F. ~NQE, 0. DROSSBACH U. w. SEIDEL, 2. anorg. U. allg. Zur Vertiffentlichung vorbereitet und zusammengestellt von E. GRVNER. Chem. 128 (1923), 245. Z. anorg. u. allg. Chem. Bd. 203. 17

Beiträge zur Kenntnis der schwefligen Säure und ihrer Salze. X. Die Zersetzung der schwefligen Säure unter katalytischer Einwirkung von Jodion

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F. Foerstert u. E. Gruner. X. Zersetzung der schwefligen SBure usw. 245

Beitrtlge zur Kenntnis der schwefligen Silure und ihrer Sake

X. Die Zersetzung der schwefligen Saure unter katalytischer Einwirkung von Jadion

Von F. FOERSTER f und ERHARD GRUNER.~) Mit 14 Figuren im Text

Den Vorgang der Zersetzung der schwefligen Saure nach 3 H2S0, --f 2 so," f 4 H' + H20 $. 8 (1 )

erkannten F. FOERSTER, F. LANGE, 0. DROSSBACH und W. SEIDEL~) als den einer Autokatalyse, wobei Thiosulfation, das das erste analytisch erfaf3bare Bwischenprodukt darstellt, der Autokatalysator ist. Sehr wahrscheinlioh besteht der primare Vorgang, der zur Bildung von S,O," fuhrt, in den Umsetzungen

2 HSO,' --f SO," + SO + H20 2 SO + H2O -+ S20," + 2 H'

(2) (3)

von denen der erste sehr langsam, der zweite aber auBerordentlich rasch verlauft. Der weitere Vorgang der Zersetzung geht uber die Bildung von Pentathionsaure nach

5 S,O," + 6 H' ---f 2 S,O," + 3 H,O (4) welch letzteres unter Verbrauch von HSO,' zu Tetra- und Trithion- sliure abgebaut wird, wobei diese Vorgange nach

S,O," + HSO,' 7-y- S,O," + S,O," + H' S40," + HSO,' %T 8,O," + S20," + H'

(5 )

(6) Thiosulfation zuiiickliefern. Erst die Trithionsaure ist fur die Ent- stehung der SO4", die eins der Endprodukte des Zerfalls der schm-efligen Saure darstellt, verantwortlich zu machen:

S,O," + H,O tc SO," + S,O," + 2 H' (7)

l) Nach der gleichnamigen Dissertation von E. GRWER, Dresden 1927.

2, F. FOEBSTER, F. ~ N Q E , 0. DROSSBACH U. w. SEIDEL, 2. anorg. U. allg. Zur Vertiffentlichung vorbereitet und zusammengestellt von E. GRVNER.

Chem. 128 (1923), 245. Z. anorg. u. allg. Chem. Bd. 203. 17

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Der Zerfall der Zwischenprodukte erzeugt, aber eine erhebliclie Kon- zentration an H’, die zur Folge hat. daB nach

S20,“ + H‘ 2 2 HSO,’ + S (8)

zwar das zweite Endprodukt des Zerfalles der schwefligen SBure gebildet wird, daB aber gleichzeitig der Autokatalysator zerstort wird. Da andererseits mit der Zuriickbildung von HSO,’ auch wieder freies Schwefeldioxyd entsteht :

[HSO,’ + H’ zf SO, + H,O I (9)

so mu13 die ganze Reaktion mit steigender H‘-Konzentration eine Verzogerung erfahren: H’ stellt einen negativen Autokatalysator fur den Zerfall der schwefligen Saure vor.

Nun machte aber VOLHARD~) die Beobachtung, daB Jodwasser- stoffsiiure, selbst in hoher Konzentration, den Zerfall der schwefligen Saure sehr stark beschlennigt. Das bedeutet aber, da13 die positiv katalytische Wirkung der Jodionen die negative der H’ weit uber- treffen muI3.

Nun ist schon seit Low2) bekannt, daB der Beginn der Zersetzung der schwefligen Saure von einer Gelbfarbung angezeigt wird, die mit zunehmender Zersetzung immer intensiver wird, um bei voll- kommener Zersetzung wieder verschwunden zu sein. F. FOERSTER und R. v O G E L 3 ) konnten zeigen, daB die Gelbfarbung auf dcr Bildung eines Komplexes [S,O,(SO,)]” beruht, der in den von R. VOGEL~) dargestellten Salzen K,[S,O,(SO,)] und Rb,[S,O,( SO,)] vorliegt. Andererseits haben die Untersuchungen von E. PECHARD~) und von P. WALDEN und M. CEXTNERSZWER~) ergeben, daB auch zwischen Jodion und SO, komplexe Ionen bestehen, die, ebenfalls gelb gefarbt, allgemein als [ J( SO,),]’ formuliert werden konnen, und deren be- standigstes Ion im Jodkalium-Tetrasulfon K[J(SO,),] vorkommt.

Wenngleich auch nach WALDEN und CENTNERSZWER diese Ver- bindungen in wa13riger Losung weitgehend in ihre Komponenten gespalten sind, so findet sich doch in einer KJ/SO,-Losung ein Teil

l) d. VOLHARD, Ann. Phys. 242 (1887), 93. 2, Low, Jahresber. Chem. 1873, 164. 3, F. FOERSTER u. R. VOGEL, 2. anorg. u. d g . Chem. 155 (1926), 179. 4, R. VOQEL, Dissertation, Dresden 1923. 5, E.P~CHARD, Compt. rend. 130 (1900), 1188. 6, P. WALDEN u. M. CENTNERSZWER, Z. phys. Chem. 42 (1903), 432.

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des SO, nicht mehr in freiem Zustande. Bereitv ,4. B E I ~ ) vermutete, daB es die gelbe Verbindung ist, die sich bei der Einwirkung von SO, auf Jodwasserstoffsaure in Schwefel, Schwefelsaure und freies Jodion zerlegt, und F. FOERSTZR~) erweitert diese Annahme dahin, daIj es uberhaupt die in irgend einer Form gebundenen SO,-Nolekeln sind, die die Urnsetzung in Schwefel und Schwefelsaure erleiden.

Denn ebenso wie die Ionen [J(SO,),]’ und [S,O,(SO,)]” sind auch die HSO,’ und SzOj” koordinativ gebunden zu denken:

HSO; = [So,. .OIH‘ (10) S,O;‘ = [SO,. . SO,]” (11)

Da aber die Bindung der letzteren Ionen weit mehr konstitntiven als koordinativen Charakter tragen, so werden sich Unterschiede in der Geschwindigkeit der Umsetzung gegeniiber den mehr koordinativ orientierten Ionen [ J(SO,),]‘ und [S203(S02)]” zeigen miissen.

Die Jodionen werden also als konstant Rirkende Katalysatoren fordernd auf die durch S,O,”-Bildung positiv, durch die Verrnehrung der H’ negativ autokatalytisch beeinfluBte Zersetzung der schwefligen SIure eingreifen. Da aber im Sinne der eben entwickelten Theorie die Wirkung der Jodionen sehr von der Konzentration des freien Schwefeldioxydes abhiingt und mit dieser wachsen mul3, diese aber von der He-Konzentration bestimmt ist, so ist bei Gegenwart von Jodion auch eine mittelbare positiv katalytische Wirkung der H’ zu erwarten. Es liegt also hier ein sehr verwickelter Fall vor: Ein von vornherein zugesetzter Katalysator J ‘ erzeugt einen anderen, S,O~‘, der als positiver Autokatalysator bekannt ist ; die durch beide beschleunigte Hauptreaktion erzeugt einen dritten Kataly- sator, H’, der auf die Betatigung von J’ fordernd, auf die von S,O,” aber hemmend wirkt. Wie diese positiv und negativ autokatalytischen Vorgiinge zusammenwirken und sich zeitlich uberlagern werden, war im einzelnen nicht vorausxusehen und der Gegenstand der vor- liegenden Untersuchungen.

Da nach der Theorie die Wirkungsweise der Jodionen auf der Bildung eines komplexen Ions [J(SO,),]’ beruht, und es deshalb sehr auf das Verhaltnis des Jodions zum SO, ankommt, schien es zur Ge- winnung ubersichtlicher und vergleichbarer Ergebnisse vorteilhaft, die Jodionenkonzentration der der schwefligen Saure anzupassen, also bei wechselnder Anfangs-SO,-Konzentration auch bei entsprechend

l) A. BERG, Bull. Soc. chim. Paris [3] 23 (1900), 499. a) F. FOERSTER, F. LANGE, 0. DROSSBACH u. W. SEIDEL, 1. c.

17”

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wechselnder Jodionenlronzentrat'ion zu arbeiten. Da in einer Losung von schwefliger Sairre der Schwefel nach :

nur zu einem Teil als aln freies SO, gebunden vorliegt, so wiirde der Ausdruck ,,Das Verhaltnis des Jodions zum SO,-Schwefel" nicht un- bedingt richtig sein. Es erscheint daher zweckmaBig, eben dieses Ver- hiiltnis im folgenden als ,, Jodverhaltnis" zu bezeichnen. Dieses Jod- verhaltnis wurde rneist so gewkhlt, daB das im Ion [J(SO,),]' herr- schende Molverhaltnis 1 J : 4 SO, fur das Jodion noch nicht erreicht war. Als kleinstes Jodverhaltnis wurde 1 : 100 benutzt; d. h. es kamen auf ein Atom SO,-Schwefel lilo0 Mol Jodkalium. Weitere Versuchsreihen wurden mit Losungen durchgefuhrt, in denen das Jodverhaltnis 1 : 10 und 1 : 20 war. In einigen wurde es auf 1 : 4 erhoht, wie es das Ion [J(SO,)J verlangt, oder sogar rioch ein wenig uberschritten, indem auf 1 Atom SO,-Schwefel etwas mehr als I/, Mol K J zugegeben wurde.

Die Konzentration der Losung an SO, unterlag starken Variat'ionen. Sie bewegten sich innerhalb einer Konzentration von 0,4 g SO, in 30 ern3 (= = 0,amolar) bis 2,4 g SO, in 30 em3 (= 8% = 1,2molar). Das Losungsvolumen von 30 em3 wurde bei allen Versuchen beibehal ten.

AuBerdem war es notwendig, die Einfliisse zu beobachten, die der im Laufe der Umsetzung entstehende Katalysator, H', hervor- ruft. Es wurden zu diesem Zwecke bei bekannten SO,- und Jodionen- konzent,rationen Versuche mit wechselnder H'-Konzentration durch- gefuhrt. Sie wurde meist so gewahlt, daB die wahrend der Reaktion entstehende H'-Koneentration klein blieb gegeniiber der yon Anfang an zugesetzten, daB also wahrend der Reaktion die Ha-Konzentration praktisch konstant blieb. DemgemaB wurde meist mit durch Salz- saure 1 n- und 3 n-Losungen gearbeitet, gelegentlich aber die Aciditat erniedrigt und die Losungen 0,05 und 0,5 n an Salzskure gemaoht. Daruber hinaus erschien es notwendig, nicht nur mit durch Salzsaure angesauerten SO,-Losungen zu arbeiten, sondern auch die Frage zu prufen, ob nicht aueh das mit der Siiure der Reaktionslosung zugefiihrte Anion von EinfluB auf den Verlauf der Reaktion ist. Die Beant- wortung dieser Frage kann an dieser Stelle schon geschehen: Zusiitze von Schwefelsaure oder ifberchlorsaure an Stelle von Salzsaure ver- ursachen keine nennenswerten hderungen des Reaktionsverlaufes.

Die meisten Versuche wurden zudem bei verschiedenen Tempe- raturen durchgefiihrt, namlich bei Zimmertemperatur, bei looo, 125O

H,O + SO, %eH,SO, 7 2 H' + HSO,' (1 2)

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und 1500. Die Anzahl der auszufiihrenden Versuchsreihen war infolgedessen durch diese grofie Zahl der Variablen sehr be- trachtlich.

Die Umsetzungsvsrsuche wurden in gut verschlossenen Bomben- rohren ausgefiihrt, die zunkhst mit 30 01113 der zu verwendenden Salzsaurelosung beschickt wurden, die von vornherein gleich die zur Umsetzung beabsichtigte Menge Jodkalium gelost enthielt. I n diese Losung wurde dann die schweflige Saure eingeleitet, die zur Messung ihrer Menge einen vorher geeichten Stromungsgeschwindigkeitsmesser passieren mukite. Nach dem Zuschmeleen wurden die Rohrchen ent- weder in einem Wasserbade oder bei hoheren Temperaturen in einem olbade, das mittels eines Thermoregulators auf nahezu konstante Temperatur (*20) gebalten wurde, erhitzt.

Da, wie spater gezeigt werden SOU, die Zersetzung der schwefligen Sliure mittels kleiner Jodionenkonzentrationen in merklichem MaBe n ix bei hoherer Temperatur erfolgt, so bleiben die Zeiten des anheizens und des Abkiihlens, etwa 2l/, Stunden, ohne wesentlichen EinfluB auf die Umsetzungsgeschwindigkeit . Rei grijBeren Jodionenkonzen- trationen, besonders aber bei Versuchen mit kurzer Erhitzungsdauer (2 Stunden) wird naturlich die Anheizungs- und Abkiihlungszeit von gem-iasem EinfluB auf den Urnsat'z sein. Wegen der Gefahr des Springens der Rohre lielj sich aber diese Zeit nicht verringcrn.

Die quantitative Bestimmung der Umsetzungsprodukte : restliches SO,, Polythionsauren (insgesamt), Thioschwefelsaure, Schwefelsaure und freier Schwefel geschah auf die folgende Weise:

Die Rohrchen wurden sofort nach dem Offnen mit einer Kappe versehen, durch die eine Capillare, die bis zum Boden des Rohrchens reichte, eingefiihrt wurde, um das Einleiten von Wasserstoff oder Stickstoff zu ermoglichen, die das uberschiissige Schwefeldioxyd aus der mehr oder weniger vollstandig umgesetzten Losung ,,abbliesen". Es murdc in mehrere vorgelegte GefafiP mit Natronlauge geleitet und so quantitativ absorbiert. Wahrend die Entfernung des iiberschiissigen Schwefeldioxydes bei gewohnlichern Druck viele Stunden lang dauert, gelingt nach E. HEINZE~) ein restloses Abblasen desselben unter ver- mindertem Druck in vie1 kiirzerer Zeit. Zu diesem Zwecke wurde das Ende des NaOH-Vorlagegefiifies mit einer Wasserstrahlluftpumpe verbunden, wahrend zwischen dem Kip~'schen Apparat baw. dem Stickstoffgasometer und Reaktionsrohr mittels eines Quetschhahnes

I ) E. HEINZE, Journ. prakt. Chem. 99 (1919), 150.

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der Gasstrom geregelt wird. Immerhin erfordert das Durchleiten des Gases durch das Reaktionsrohr einige Obung.

Das in der Vorlage geloste Schwefeldioxyd wurde dadurch be- stimmt, daB die gesamte Vorlageflussigkeit auf 500 em3 aufgefullt und je nach dem vermuteten Gehalt an SO, 10-15 em3 abpipettiert, in 200 em3 Wasser gelost und mit Brom oxydiert wurden. Die an- gesiiuerte Losung, aus der das Erom verkocht worden war, wurde dann siedend mit BaC1,-Losung gefallt'.

Kun wird nach Gleichung (8) deren Gleichgewichtslage durch das Abblasen des Schwefeldioxydes immer mehr nach rechts verschoben, so daB dabei auch die Hiilfte des vorhandenen Thiosulfatschwefels a,ls SO, fortgefuhrt wird, wahrend die andere Halfte als freier Schwefel ausfallt.. Da aber die Menge der vorhandenen Thioschwefelsaure mit ganz wenig Ausnahmen nur sehr gering war, so konnte dieses Mehr an restlicher schwefliger Saure meist vernachliissigt werden. Bei den Ver- suchen, wo sich eine Bestimmung der Thioschwefelsaure infolge der groseren Menge notwendig machte, wurde die Halfte der abgeblasenen Reaktionsflussigkeit abpipettiert, mit einigen Tropfen Lanthanchlorid- losung versetzt, kraft,ig geschuttelt , der jetzt zusammengeballte Schwefel a,bfiltriert und nach der weiter unten beschriebenen Methode fur die Bestimmung des freien Schwefels weiter verarbeitet.

In einem anderen Teil der abgeblasenen Reaktionslosung, meist 10 oder 20 em3, wird jet'zt die Schwefelsaure kalt als BaSO, gefallt. Da hierbei der Niederschlag sehr feinkornig ausfallt und infolgedessen die Neigung hat, durchs Filter zu gehen, wird er vor der Filtration mit etwas Filterschleim verset'zt. Das Filt,rat, das nunmehr nur noch die PolythionsBuren enthalt, wird mit Bromwasser hei8 behandelt, wobei jene zu Schwefelsaure oxydiert werden und infolge des in der Losung vorhandenen iiberschiissigen Bariumchlorides sofort als BaSO, ausfallen.

Da die Mengen der anwesenden Polythionsauren meist nur kleine Betriiga darstellen, so konnten quantitative Methoden zu ihrer Trennung nicht angewandt werden, sumal die KvRTENAcKER'schen Best immungsme t hodenl) , w enigs t ens eu An f ang d er Un t er suchung en, noch nicht bekmnt waren.

Der elementare Schwefel, der sich bei den Versuchen bei looo in Form farrenkrautiihnlicher Kristallgebilde, bei den Versuchen bei 125 und 150° aber als zusammengeschmolzene Perle ausschied, erwies

A. KURTENACRER u. E. GOLDBACH, 2. morg. u. allg. Chom. 166 (1927), 177.

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sich sehr oft als nicht rein. Namentlich die letztere Form wies oft Hohlriinme auf, die mit Reaktionslosung gefullt waren. So mul3te cler Schwefel, ehe er zur Wagung gelangte, einer Reinigung unter- zogen werden. Er wurde zunachst auf ein Filterchen gebracht und in einem Extraktionsapparate, wie ihn E. NOACK~) angibt, mit Sch~vefelkohlenstoff wieder gelost. Die Losung wurde in einem ge- wogenen kleinen Erlenmeyerkolbchen zwecks Entfernung des Schwefelkohlenstoffes abgedampft und der zuruckbleibende Schwefel bei 120° getrocknet und gewogen.

Die erhaltenen Versuchsresultate sind in Kurven zusammen- gestellt. I n der Form der Ietzteren druckt sich die jeweilige Art des Zusammenwirliens der verschiedenen Katalysatoren aus.

Die Reaktion 3 H,SO, -+ 2 H,80, +- S + H,O wiirde als Vor- gang dritter Ordnung fur den zeitlichen Verlauf des Umsatzes eine Kurvo ergeben, wie sie die Kurve I, Fig. 1, zeigt. Nach der sehr groBen Tragheit der v, Reaktion ware fur die Zeit ein sehr kleiner MaBstab ansuwenden. Auch die

Gegenwart wirkenden eines Katalysators lionstant 1 r.r-,y wurde am allgemeinen Ge-

vie1 andern, sondern nur den XeitmaBstab vergroBern. Da aber die Reaktion ihren positiven Katalysator erst bildet, wird auch die Kurvenform eine andere sein: Das Auftreten des Katalysators wird sich in einem plotzlich verlaufenden Anstieg der Kurve kennt- lich machen. Die Zeit, die von Anfang der Reaktion bis zu dem Auftreten des Sprunges in der Kurve vergeht, ist die Inkubations- zeit : Kurve 11, Fig. 1.

Weiterhin bildet die Reaktion aber auch einen negativen Kata- lysator, der, wenn er die Wirkung des positiven uberhaupt nicht zur Geltung kommen lieBe, im iiuBersten Falle einen Abbruch des Vor- ganges zur Folge hatte: Kurve 111, Fig. 1. Bei der Reniitzung von Jodion als Katalysator ist aber von vornherein ein Katalysator da, dessen Wirkung sich uber die der beiden anderen lagert, sogar, wie

prage dieser Knrve nicht m- Fig. 1

l) E. NOACK, Z. anorg. u. allg. Chem. 146 (1925), 239.

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wir sehen werden, die Wirkung der H' stark beeinflufit. SO ist ein sehr mannigfaltiger Verlauf der Erscheinungen moglich. Einige Bei- spiele fur solches Zusammenwirken der Katalysatoren werden durch die Kurven IV-VI, Pig. 1, gegeben:

Kurve IV zeigt, den Fall, daB der Ketalysator, J', den vom Vor- gange selbst erzeugten Katalysator, S203", in seiner Entstehung m a r beschleunigt, aber in seiner Wirkung ganz hinter dessen EinfluB, sowie dem negativ katalytisehen der H' zuruckbleibt. Das driickt sich in einem allmahlichen Umkippen des sonst nahezu senkrechten Steil- anstieges und in einer darauf folgenden Verzogerungserscheinung aus, die mit dem oberwiegen der H'-Konzentration immer deutlicher wird (gestrichelte Linie).

Kurve V erlautert den Fall, dafi der Kata,lysa.tor, J', sehr merklich neben dem positiven dutokatalysator wirksam ist, ohne aber den negativen Autokatalysator, H', uberwinden zu konnen. Die In- kubationszeit ist dadurch stark abgekiirzt, doch machen sich die H' durch eine Abflaehung des oberen Kurventeiles kenntlich.

Die Kurven VI entsprechen schlieBlich der Moglichkeit, daB der Autokatalysator allein das Feld beherrscht, und m a r so, daB seine Wirksamkeit im Verlaufe des Vorganges immer starker wird, so dafi er sogar die Abnahme der Umsatzgeschwindigkeit iiberwindet , die normalerweise die Konzentrationsabnahme des SO, - Schwefels be- gleiten muB. Je starker dies hervortritt, geht, Kurve a uber b in c iiber.

Da Jodion nur im Komplex mit SO,-Molekeln seine katalytische Wirksamkeit ausuben kann, so ist der letzte Fall nur moglich, wenn immer grofiere Anteile des jeweils vorhandenen SO,-Schwefels wirklich als freies SO, vorhanden sind, also trotz der Abnahme des Gesamt- 50,-Schwefels die wirksame Form von ihm an Konzentration zu- nimmt. Das ist aber wieder durch die Konzentration der H' bedingt, deren Anwachsen also in solchen Fallen zu einer positiven Auto- katalyse fuhren kann.

Rei der Bespreehung der Versuchsergebnisse bei den verschiedenen Bedingungen wird es infolgedessen vie1 lehrhafter sein, den Typus der Umsatzkurven in den Vordergrund zu stellen, als uberm8Biges Zahlen- material anzufiihren. Das sol1 nur dort geschehen, wo es besonders notwenig erscheint. Im iibrigen werden aus der grofien Zahl der angestellten Versuche nur die fur die Umseteung typischen ausgewiihlt werden.

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I. Versuche bei gewohnlicher Temperatur

Im allgemeinen wird ein merklicher Grad der Umseteung von SO,-Losungen bei Zimmertemperatur nur bei sehr langen Versuchs- dauern erzielt. Dabei scheint die Konzentration der Losungen an SO, ohne wesentlichen EinfluB zu sein. Denn sowohl ejne 0,2 molaw, als auch eine 1,2 rnolare SO,-Losung mit dem Jodverhaltnis 1 : 100 setleten sich innerhalb 25 Wochen nnr eu 1,6 bzw. l,Sa/,, um. Bei einern Jodverhiiltnis 1 : 10 dagegen war in ebenfalls 25 Wochen eine Umsetzung iron 24,5 b z ~ . 27,9% erreicht. Das heiBt also, dal3 hier fur den Umsetzungsgrad lediglich die Jodionenkonzentration maB- gebend ist. Vergleicht man diese Umsiitze mit den Ergebnissen, die F. LANGE~) erhielt, als er die katalytische Einwirkung von Schwefel- milch bzw. von Thiosulfat auf die Zersetzung der schwefligen Saure studierte, und bei denen er feststellte, daB eine merkliche Zersetzung bei gewohnlicher Temperatur und ohne jeden Katalysator erst nach mehr als 7 Monaten schwache Gelbfiirbung - und damit beginnende Zersetzung - zeigten, so ergibt sich, daB auch die kleinsten Zusiitm an Jodionen schon eine sehr deutliche Beschleunigung des Zerfalles bewirlren. Ein Zusatz von Thiosulfat ergab jedoch nach F. LANGE bereits nach 8 Wochen eine deutliche Zersetzung (unter Schwefel- abscheidung). Jodionenzusatz im Verhaltnis 1 : 100 wirkt demnach schwiicher als ein Zusatz von S,O,”. Die zehnfache Menge von Jod- kalium (JodverhEltnis 1 : 10) aber ubertrifft auch die Wirksamkeit ties Thiosulfates.

Immerhin verlaufen aber die Umsetzungen bei gewohnlicher Temperatur so aul3erordentlich langsam, daB diese Ergebnisse nur prinzipiellen Wert haben. Ein Vergleich der Wirksamkeit der ver- schiedenen Katalysatoren und Autokatalysatoren, sowie die Ver- folgung der Wirksamkeit der Jodionen auf die Zersetzung der schwof- ligen Saure in geniigend verkiireten Zeitraumen kann deshalb erst bei hoheren Arbeitstemperaturen angestrebt werden.

II. Versuche bei 1000

Wie bei den Versuchen bei gewohnlicher Ternperatur ist auch hier bei kleinen Umsiitzen von den Reaktionsprodukten zunbhst nur 80,’’ nachweisbar. Freier Schwefel tritt hier noch nicht auf. Dagegen konnen in diesern Stadium Thioschwefelsiiure und Polythionsauren als Zwischenprodukte nachgewiesen werden. Ihre Koneentration steigt

I) F. LANGE, Dies., Dresden 1920. Siehe auch E’. FOERSTER, F. LANGE, 0. DROSSBACH n. W. SEIDEL, 2. anorg. u. allg. Chem. 128 (1923), 245.

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alImahlich an und bleibt , wenn die Versuche nicht laager fortgesetzt werden, bei einem Maximum stehen. Spaterhin, gegen Ende der Iteaktion, findet dann ein Absinken ihrer Konzentration statt, und freier Schwefel beginnt sich auszuscheiden. Solange noch merkliche Nengen von Zwischenprodukten entstehen, entspricht die Menge des ausgeschiedenen freien Schwefels noch nicht der von der Zersetzungs- gleichung 3 H,SO, ---+ 2 H,SO, + S + H,O verlangten, sondern bleibt stets hinter ihr zuriick. Erst von dem Augenblicke an, wo die Konzentration der Zwischenprodukte sinkt, nahert sich das Ver- haltnis des Sulfatschwefels zum freien Schwefel dem Werte 2 : 1. Das ist aber erst bci hohen Umsatzen der Fall. Es ist das prinzipieller Natur und bei allen Versuchsreihen aufs neue zu beobachten. (Vgl. Tabelle 1 .>

TabeIIe 1. Losunesvolunien 30 cm3: Jodverhhltnis 1 : 100; 100°

0,1846 3,4 10,1701 I 5,O

0,0016 - 1,1530 0,l 1,0938 0,2

gelb 1,1513 - ,, 1,0924 - 10,0014 1 - 1 z 1

0,4503 0,0120 :0,4084,0,2084 12 : 1,02 1,1157 59,5

,, 1,0737 0,0132 0,0380 0,0054 2 :0,28 1,1303 5,0 ,, ,,

0,8256 0,0088 10,1895 10,0886 2 : 0,92l1,1125 25,9

Bei Gegenwart sehr kleiner Jodionenkonzentrationen (Jod- verhaltnis 1 : 100) verlauft die Reaktion in der 0,amolaren SO,- Losung immer noch so Iangsam, daB nach 200 Stunden Erhitzungs- dauer erst 9,4O/,, Umsatz erreicht ist. (Kurve I, Fig. 2.) Mit zu- nehmender Jodioncnkonzentration (1 : 10) tritt aber eine Steigerung der Umsatzgeschwindigkeit ein, so daB nach 60 Stunden bereits die Inkubationseeit iiberschritten ist (Kurve 111, Fig. 2). Starker konzen- trierte Losungen (1,amolar an SO,) zersetzen sich weitaus rascher als verdiinntere (vgl. Kurve I mit 11, oder I11 mit IV, Fig. 2). Das kann auch nicht anders sein, da ja die Bildung des Katalysators [J(SO,),]' von der Konzentration des freien Schwefeldioxydes abhangig ist. DaB gesteigertes Jodverhaltnis wciter gesteigerte Umsatzgeschwindig- beit hervorruft, erscheint dann selbstverstandlich : Die Inkubations- zeit wird immer geringer, und in 1,amolarer SO,-Losung und dem

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b’. Foerster u. E. Gruner. X. Zersetzung der schwefligen S%ure usw. 255

Jodverhliltnis 2 : 10 ist sje fast verschwunden (Kurve V, Fig. 2). Die Kurven entsprechen daher dem Typus der in Fig. 1 dargestellten Reaktionskurve 11, die sich fur starke, aus-

schliefilich positive Autokatalyse ergab.

Bei den Versuchen mit 1,2 molaren SO,-Lo- sungen ist am Ende der Umsetzung die Losung an durch die Umsetzung entstandener Schwefel- saure etw 2/3 - 1,2 = O,Smolar, d. h. die H’- Konzentration kann zu etma 0,4 n-H’ ange- nommen werden. Ein Busatz von Schwefel- saure, durch den die Losung 2 n wird, verhindert aber nach den Versuchen von F. LANGE eine Zersetzung der schwefligen Saure (bei hbwesenheit von J’) fast vollstandig. Die Anwesen- heit der J’ schaltet also die negativ katalytische Wirkung der H’ bis zu rinem gewissen Betrage aus. Inwieweit das auch bei erhohtcm Saurezusatz noch zutreffen wurde, war in- dessen nicht vorauszusehen.

Im einzelnen erweist sich die Wirkung der Salzsaure nuf den zeitlichen Verlauf der Um- setzung als ziemlich verwickelt. Man erkennt das am deutlich-

Fig. 2 so, J’ HC1 t

I. 0,2 mol 1:100 - 1000 11. 1,2 moI 1:lOO - 100

111. 0,2 mol 1: 10 - 100 IV. 1,2 rnol 1:10 - 100 v: 1,2 mol 2:IO - 100

so, I. 0,2 mol

11. 0,2 rnol 111. 0,2 rnol IV. 0,2 mol

1. 1,2 mol 2. 1,2 rnol 3. 1,2 mol

Fig,. 3 J

1:10 1:IO 1:IO 1:lO 1 : l O 1:lO 1 : l O

HC1 t - 1000 111. 100 3 11. 100

0,2n. 100 - 100

In. 100 3n. 100

sten durch VergIeich mit dem Verhalten von salzshrefreien SO,-Losun- gen. Das zeigen aber wieder am besten vergleichbaro Kurvenbilder.

Die Kurven zeigen zunlichst, da13 beim Arbeiten in von anfangs salzsauren Losungen ein ganz anderer Kurvencharakter auftritt, :

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256 Zeitschrift fur anorganische und allgemeke Cbemie. Band 203. 1932

Die die positive Autokatalyse anzeigende Inkubationszeit ist in allen Fallen vollstiindig verschwunden, selbst bei einer Salzsaurekonzen- tration, die n-HC1 entspricht, ist dies schon der Fall (Kurve IV, Fig. 3). Die Umsotzungsgeschwindigkeit steigert sich dann noch weiter, wenn mdn die SO,-Losungen 1 n an HCl macht (Kurven I1 und 2, Fig. 3). Bei einer weiteren Steigerung der HCI-Konzentration auf 3 n-HC1 ist jedoch eine sehr deutliche Versogerung des Umsetzungs- vorganges zu beobachten (Knrven I11 und 3, Fig. 3). Dabei ist es

so, 1 . 0,2 mol 2. 0,2 mol 3. 0,2 mol a. 0,2 mol b. 0,2 mol c. 0,2 rnol d. 0,2 rnol I. 0,2 mol

11. 0,2 mol 111. 0,2 rnol

Fig. 4

1:lOO - 1: lO - 1:4 - 1:lOO In. 1:lO In. 1:4 1n. 1:lO 0,2n. 1 : l O O 3n. 1: lO 3 n. 1:4 . 3n.

J” HC1 t 1000 100 100 100 100 100 100 100 100 100

gleichgultig, ob es sioh um verdunnte oder um konzen- trierte SO,-Losungen handelt, und ob das Jodverhaltnis 1: 100 oder 1 :10 ist. Das bedeutet aber, daB die posi- tiv katalytische Wirkung der Jodionen nicht nur die nega- tive der H’ uberwindet, son- dern, daB diese selbst noch positiv auf die Zersetzung der schwefligen Saure ein- wirken, daB aber hohe H’- Konzentrationen wieder hem- mend wirken. DaB weiterhin gesteiger t e J‘-Konzentra tion auch die negative TVirkung starker H‘-Konzentrationen uberwinden werden, laBt sich crwarten und ist aua den Kurven I11 und 3, Fig. 4) deutlich zu ersehen. Immer-

hin ist die Umsetzungsgeschwindigkeit bei einem Jodverhaltnis 1 : 4 in 3 n-HC1-Losung noch lange nicht so grol3 wie in salasaurefreien Losungen bei demselben Jodverhaltnis.

Die Art, in der das komplexe Ion zwischen Jodion und Schwefel- dioxyd durch seine innere Umsetzung zeitbestimmend auf den Ver- lauf der Zersetzung der schwefligen Same einwirlit, wird von seiner Zusarnmensetzung abhangen. Wie aber schon erwahnt, wird nach WALDEN und CENTNERSZWER das komplexe Ion [ J(S0,)J’ in wal3riger Losung nicht mehr unverLnderlich fortbestehen, sondern nur noch im Gleichgewicht mit seinen Zerfallsprodukten. Unter diesen werden

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F. Foerater f u. E. Gruner. X. Zersetzung der schwefligen Siiure usw. 257

sich aber kaum freie Jodionen befinden; denn nach A. HANTZSCH~) ist J’ in waBriger Losung hydratisiert. Wahrscheinlioh besteht hier das Ion [J(H,O)J. Der Zerfall von [J(SO,),]’ wird also im Grenefalle zu dem Gleiohgewicht :

[J(SO,)J + 4HzO S;-t [J(H,O)J + 480, (13)

fuhren, wobei dieser Zerfall eweifellos wieder stufenweise vor sich gehen mird. Es werden also nebeneinander die Ionen ~J(SO,)J’, [J(SOz)3(HzO)]’, [J(SO2)dH2O)2I‘, [ J(S02)(H20)31’, [J(H,o)41‘ IU denken sein. Ton diesen werden fur den Verlauf der Zersetzung dor schwefligen Siiure nur solche mit mehreren SO,-Molekeln wirksam sein konnen. Das Ion [J(S0,)(H20)3]‘ kommt dafur kaum wesentlich in Betracht. Aber auch die Ionen mit mehreren SO,-Molekeln erscheinen dafur versohieden giinstig. Bei Gegenwart von 250, im Komplex kann der primiire Vorgang zwischen den koordinativ gebundenen SO,- Molekeln sich abspielen:

2 SO, -+ SO3 + SO (1 4) (15) oder 2 SO, + 2 H,O -+ H,SO, + H,SO,

I m letzten Falle, also im Ion[J(SO,),(H,O),]’ wurde der in der Losung sich abspielende Vorgang eine groJ3e Beschleunigung erfahren. Der dabei entstehenden Sulfoxylskure bliebe dabei die Aufgabe, in der Losung die weitere Umsetzung zu SO,’’ und Schwefel herbeieufuhren, und zwar uber die Ionen S,O,” und S,OQ’. Das ware der Fall, menn J ’ nur diese sehr beschleunigte Umsetzung einleitete, also der auto- katalytische Verlauf. Das Ion [J(SO,),]’ wurde sich dann kaum anders verhalten, vielleicht nur triiger wirken als jenes.

Gane anders mul3te sich aber das Ion [J(SO,),(H,O)]’ verhalten. Denn hier fande primtir entstehendes SO sofort auch SO, und kiinnte mit diesem alsbald nach :

SO + SO, + H,O -+ S203 + H,O --f H,SO, + S (16)

die stabilste Atomanordnung finden. In solchem Falle wurde der Vorgang durch J’ in eine gana neue eigenartige Bahn gelenkt werden und von vornherein durch sie stark beschleunigt sein. Eine Inkubation fiele dabei weg, weil die gunstigsten Bedingungen vom Komplex selbst gegeben wiiren.

Wie weit nun das eine oder das andere dieser Ionen in der Losung besteht, hangt von deren Konzentration an Jodionen und an freiem

l ) A. HANTZSCR, Ber. [I] 59 (1926), 1096.

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258 Zeitschrift fur anorganitxhe und allgemeine Chcmie. Band 203. 1932

SO, ab, und letzteres wieder von der Gesaintkonzentration an schwef- liger Saure und aukierdem vom OberschuB an H' in der Losung im Sinne der Gleichungen (8) und (9). Ober den Anteil des freien Schwefel- dioxydes an diesen Cleichgewichten wei13 man zahlenmiiBig noch nichts, aber man kann sagen, dalJ er mit steigender H'-Konzentration wachsen muB. Daraus ergibt sich die SchluBfolgerung:

Wenn bei einer gegebenen J' und Schwefligsaurekonzentration die der H' gesteigert wird, kommt das komplexe Ion in die zur Um- setzung besonders giinstige Form [J(SO,),(H,O)]', und der Umsatz wird dadurch sehr beschleunigt. Bei weiterer Steigerung der H'- Konzentration mu13 aber, genugend UberschuB an schwefliger Saure gegenuber J' vorausgesetzt, daraus ein weniger giinstiges Anion ent- stehen: [J(SO,),]', d. h. der Vorgang mnB wieder langsamer werden. Man kann sagen, es entsteht ein ,,gefestigter" Komplex.

Ober die Art der verschiedenen denkbaren Komplexe in der Losung konnen wir uns unmittelbar experimentell keine Gewil3heit verschaffen, aber wir konnen prufen, ob die Beobachtungen uber die lratalytische Wirkung der Jodionen auf den Umsatz der schwefligen Siiure sich mit den Folgerungen dieser Bnnahmen decken. Das sol1 irn folgenden kurz gezeigt werden:

Denken wir uns eine Losung von schwefliger Saure mit einem sehr kleinen Jodionenzusatz (Jodverhaltnis 1 : IOO), aber so groBer H'-Konzentration im Verhiiltnis zur schwefligen Saure, daB deren Konzentration der an SO, praktisch gleichgesetzt werden kann. Dann ist auoh diese gegenuber J' in gro13em UberschuB und bleibt es auch, bis fast alles SO, umgesetzt ist. Alle Jodionen bleiben dann im komplexen Anion fast so lange die Umsetzung dauert. Daraus folgt, daB diese Umsetzung immer die gleiche in jeder Zeiteinheit ist, also der Umsatz linear mit der Zeiteinheit ansteigt. Da die Um- setzung eine monomolekulare ist, mu13 der Zersetzungsgrad auch von der Anfangskonzentration unabhgngig sein, und alle den Umsetzungs- verlauf veranschaulichenden Linien muBten in eine einzige Gerade zusammenfallen. Das kann aber nur dann der Fall sein, wenn auch in jeder Losung das reagierende anion das gleiche, also auch die Ge- schwindigkeitskonstante der monomolekularen Reaktion genau die gleiche bleibt. Das ist aber bei den verschiedenen moglichen Kom- plexen nicht notwendig der Fall. J e ,,gefestigter" das Anion ist, um so kleiner ist der Winkel, den die Reaktionskurve mit der Zeitachse bildet, je mehr es die begunstigte Form des Bnions ist, um so groBer ist dieser Winkel. Dessen GroBe hiingt aber naoh dem eben Gesagten

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F. Foerster t u. E. Gruner. X. Zersetzung der schwefligen Siiure usw. 259

bei gegebenein Jodverhaltnis von der Gesamtkonzentration an Jod- ion bzw. an SO, uncl von der H‘-Konzentration ab.

In 1 n-HCI-Losung sind dictse Bedingungen erreicht, wenn das Jodverhaltnis 1 : 100 ist, wie die Kurvenzeichnung a, Fig. 4 lehrt.

Wird aber gegenuber gegebenen Schwefligsaure- und H’-Kon- zentrationen die von J’ auf das lOfache (Jodverhaltnis 1 : 10) erhiiht, so konnen die starker gefestigten Komplexe nicht mehr SO ganz die Sachlage beherrschen. Die reaktionsfahigsten Komplexe werden ZU-

nachst starker vorwiegen nnd eine sehr beschleunigte Umsetzung ver- anlassen. Aber dadurch, daB durcli diese die Konzentration der schwefligen Saure gegenuber J’ merklich und stetig vermindert wird, mu13 die Konzentration der besonders reaktionsfahigen Komplexe abnehmen, und immer mehr rnlissen die weniger reaktionsfahigen auftreten. Dadurch verlangsamt sich der Umsatz merklich und wird schlieBlich sehr trage, wenngleich er auch in diesem Falle (Kurve 6, Fig. 4) bereits bei sehr hohem Umsatze angelangt ist. Wird die Jod- ionenkonzentration weiterhin gesteigert (JodverhBltnis 1 : 4), so ist der Umsatz bereits vollstandig, bevor die wenigcr reaktionsfahigen Komplexe in merklichem MaBe auftreten konnen (Kurve c, Fig. 4).

1st bei dem Jodverhaltnis 1 : 10 die anfangliche Aciditat aber klein n. an HCI), und auch die Gesamt-SO,-Konzentration klein, so werden die weniger giinstigen Komplexe schon von Anfang a n stark vorhanden sein. Die Kurve wird langsam ansteigen, aber im spiiteren Stadium werden die H’ nicht mehr so stark heminend wirken: Die Kurve wird gestreckter verlaufen als in der starker (1 n) sauren Losung, und vor allem rascher zu vollstandigem Umsatze ansteigen. Hier liegt also wirklich der Typus VI, Fig. 1 vor, insofern, als anfangs eine schwachere positive Katalyse und spiiter durch die Verminderung der negativen Katalyse eine starlrere positive Wirkung sich aneinander schlieaen, bzw. sich uberlagern (Kurve d, Fig. 4).

Es mu13 also die Konzentrationssteigerung der H‘ ein Optimum fur die Umwandlung der komplexen Ionen [ J(H,O),]’ und [ J( SO,),]’ in [ J( SO,),(H,O)]‘ ergeben.

111. Versuche bei 1250

Gegeniiber looo Versuchstemperatur ist die Umsetzungsdauer bei 125O stark abgekurzt, ohne da% aber der ganze Charakter der Vorgange wesentlich geandert erscheint. Diese Temperatur eignete sich daher ganz besonders gut zur naheren Verfolgung der Eigenarten des Vor- ganges. Fur die graphisohe Darstellung der Versuohsergebnisse ist

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260 Zeitsehrift fur anorgankche und allgemeine Chemie. Band 203. 1932

es aber von Wichtigkeit, zu erwahnen, daa gegenuber den Kurven- darstellungen der Versuche bei looo der MaBstab der Zeitachse ein weit groBerer ist. Der Vergleich ergibt sich aus den Kurvenzeich- nungen der weiter unten angefuhrten Fig. 12.

Trotz dieser groBen Umsatzgeschwindigkeit ist aber dooh die Inkubationszeit bei den Versuchen mit dem Jodverhaltnis 1 : 100 und

so, I . 0,2 mol 2. 0,5 mol 3. 1,2 rnol I. 0,2 mol 11. 0,5 rnol

111. 1,2 mol IV. 0,2 mol

Pig. 5 J'

1 : 100 1: 100 1 : 100 1 : 10 1: 10 1: 10 2: 10

HC1 t _. 125O - 125 - 125

125 125

- 125

-.

-

- 125

1 : 10 noch vorhanden, er- scheint aber gegenuber den Versuchen bei looo stark ab- gekurzt, und zwar um so mehr, je holier die SO,-Anfangskon- zentralion und die Jodionen- konzentration der Losung ist. Erst bci dem Jodverhaltnis 2:lO ist sie nicht mehr vorhan- den. In diesem Falle gehort die Umsatzkurve dem Typus 1, Fig. 1, an. Im allgemeinen tritt aber ein neues Moment hinzu, das besonders deutlich bei den Kurvenzeichnungen der Ver- suche mit dem Jodverhaltnis 1 : 10 hervortritt: 1st die In- kubationszeit uberwunden, so steigt die Kurve nur anfangs

steil an, fuhrt aber nicht mehr in diesem steilen Aufstieg schnell zu weitgehendem Umsatz, sondern biegt bald von der steilen Aufwarts- richtung ab und fuhrt dann in verlangsamtem Aufstiege zu den Werten der vollstandigen Umsetzung. Das zeigt, daB dort, wo durch die Inkubation ein wirksamer Katalysator entstanden ist, dessen Auswirkung bald auf Hemmungen stoBt, die offenbar fiir die Er- scheinungen sehr charakteristisch sind. Das Auftreten dieser Hem- mungen und ihre Stiirke hangen ganz gesetzm8Big mit der Anfangs- konzentration der schwefligen Siiure zusammen. Sie bedingen es, daB da, wo diese Hemmungen auftreten, die Kurven sich uberschnei- den (Fig. 5 ) .

Dadurch kommen namentlich fur die an Jodionen armen Losungen sehr verwickelt erscheinende Einflusse der Konzentration der sohwef- ligen Saure heraus. Am einfachsten, weil frei von diesen Kompli- kationen, liegen die Verhiiltnisse bei dem groaten Jodverhaltnis 1 : 4

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F. Foerster -f 11. E. Gruner. X. Zersetzung der schwefligen S h r e usw. 261

(Fig. 7). Alle Kurven sind gegen die Zeitachse konkav gekriimmt und zeigen bei zunehmender Anfangskonzentration der schwefligen Saure abnehmenden Umsatz. Man wird das damit in Zusammenhang bringen kiinnen, dal3 immer grd3ere Anteile des komplexen Anions in die gefestigte Form [tJ(SO,),l’ iibergehen und beim Fortschreiten des Umsatzes auch tlarin verharren. Dies urn so mehr, als mit einem

bestimmten Umsatze die absolute Konzent ration der H‘ steigt, je grol3er die anfangliche Konzentration der schwefligen SBiire war.

Fig. 6 so, J‘ HCI t

I. 0,2 mol 1 : 100 -- 125O 11. 0,4 ~101 1 : 100 -~ 126

111. 0,6 mol 1 : 100 -- 125 Iv. 1,ZmoI 1 :lo0 -- 125

V. 1,6 mol 1 : 100 125 VI. 3,O mol 1 : 100 ~- I25

Fig. 7

I. 0,2 mol 1 : 4 - 125O SO, J’ HCI t

11. 0,4 mol 1 : 4 - 125 111. 0,8 mol 1 : 4 - 125 IV. 1,6 moi 1: 4 - 125 V. 3,O rnol 1 : 4 - - 125

Beim anderen Extrem (Pig. 6), dem kleinsten Jodverhaltnis (1 : loo), zeigt die kleinste Anfangskonzentration der sehwefligen Saure eine ausgeprigte autokatalytische Umsetzung. In so verdunnter Losung des komplexen Anions kann dieses wohl nur als [ J( SO,),(H,O),]’ wirksam sein, und auch in dieser Gestalt wird wohl nur ein kleiner Teil der J’ vorliegen, da, wie wir spater noch sehen werden, die Neigung der komplexen Ionen, bei 125O in die wasserreicheren Formen iiber- zugehen, zweifellos vorherrscht, d. h. mit sehr groJ3er Geschwindigkeit die als positive Autokatalysatoren wirksamen Schwefelsauerstoff- verbindungen zu bilden. Damit steigt zwar auch die Konzentration an H’, und gleichzeitig miiBte immer mehr freies SO, gebildet werden,

Z. anorg. U. allg. Chem. Bd. 203. 18

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262 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 203. 1932

d. h. es mul3tc sich die Konzentration des wirksamen giinstigen Komplexes ebenfalls steigern. Das ist aber offenbar angesichts der gesteigerten Zersetzungsmoglichkeit dieses Komplexes nicht der Fall. Die hemmende Wirkung der H' werden sich hier also bereits in ver- langsamtem spateren Aufstiege der Kurven zeigen. Each 8 Stunden betragen die Umsatze:

Anfangskonzentration an

Umsatz . . . . . . . . 7 11 23 16 6 3 'in schwefliger Siiure . . 0,2 0,4 0,s 1,2 1,6 3,0 molar

Daraus geht hervor, daI3 die 0,s und 1,amolaren Losungen die Inkubationszeit bereits uberschritten haben, aus der die 0,2 und 0,4molaren Losungen eben erst heraustreten. Nach 8 Stunden ist der Umsatz bei der 0,Smolaren Liisung am hochsten, um bei weiter gesteigerter SO,-Konzentration wieder zu fallen. Je starker aber im Anfange der Umsatz ist, und je friiher er aus der Inkubationseeit heraustritt, um so schwacher ist der Bnstieg der Kurven, wenn diese uberschritten ist, und uin so stiirker und fruher eintretend ihr spateres Abbiegen. Das zeigt, daI3 die oben erwahnten Hemmungen mit steigender Gesamtkonzentration irnmer wirksamer werden, der EinfluB der H'-Konzentration also immer starker dieErscheinungen beherrscht.

4 8 7 2 1 6 Fig. 8

I. 0,2mol 1 : 10 - 125O SO, J' HCI t

111. 0,2 mol 1 : 10 1 n. 125 If. 0,2 mol 1 : 10 3 n . 126

1. 1,2 mol 1 : 10 - 125 2. 1,2 mol 1 : 10 In. 125 3. 1,2 rnol 1 : 10 3n. 125

Fig. 9 SO, J' HC1 t

I. 0,2 rnol 1 : 100 - 125O 11. 0,2 rnol 1 : 100 In. 125

111. 0,2 mol 1 : 100 3n. 125 1. 1,2 rnol 1 : 100 - 125 2. 1,2 mol 1 : 100 In. 125 3. 1,2 mol 1 : 100 3n. 125

In ganz ahnlicher Weise wie bei den Versuchen bei looo ist auch bei 125" die Wirkung von vornherein zugesetzter Salzsaure: Sie wirkt mit steigender Konzentration zunachst umsatzfordernd, so-

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F. Foerster t u. E. Gruner. X. Zersetzung der schwefligen Skure urn. 263

lange die Losung unter 1 n an Salzsaure ist. Wird sie aber bis 3 n konzentriert angewendet, so ruft sie wieder eine starlre Verzogerung des Vorganges hervor (Figg. 8 und 9).

IV. Versuche bei 1500

War bei 1000 und 1250 Heaktionstemperatur durchaus ein auto- katalytisches Geprage des Zersetzungsvorganges (ohne vorherige Zu- gabe von HCl) festgestellt worden, so ist bei 150° da- von nichts mehr zu be- merken. Die Inkubations- zeit, die dort die Auto- katalyse veranlaflte, ist hier also ggnzlich weggefallen, und die Kurven beginnen gleich zu Anfang mit einem sehr starken Anstieg und neigen sich bei hohen Um- satzwerten der Abszissen- achse zu. Besonders ist wieder bemerkenswert,, daB die konzentrierteren SO,- Losungen im Gegensatz zu den verdunnteren, die Nei- gung zeigen, nicht voll- standig zu Ende zu re- agieren. Das Kurvenbild nahert sich demnach dem Typus 111, Fig. 1.

Gleichartig mit den Beobachtungen bei fruheren Versuchen ist die Feststel- lung, da13 eine gesteigerte Konzentration der Jodionen die Umsatzgeschwindigkeit

Std 2 4 6 8 70 72 14 76

Y . I . . . , , Std

2 4 6 8 70 72 14 76

Fig. 10

1. 0,2 mol 1 : 100 - 150° 2. 1,2 rnol 1 : 100 - 150 3. 0,2 rnol 1 : 10 -- 150 4. 1,2 mol 1: 10 - 150 5. 0,2 rnol 1 : 4 - 180 6. 1,2 rnol 1:4 - 150 7. Zersetzungskurve der H,SO, ohne

Katalysator

so, J' HCl t

vergroaert. Immerhin sind aber die fruher sehr grofien, einer Steigerung des Jodverhaltnisses von 1 :lo0 auf 1 : 10 entsprechenden Geschwindigkeitsunterschiede hier stark vermindert,. Daraus ergibt sich, daB bei 150O dcr Jodionenzusatz kaum noch wirksam ist, d. h. da13 bei 150° ein wirksames Anion zwischen Jodion und SO, kaum mehr gebildet wird, und daB ein

18*

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264 Zeitschrift fiir anorgenische und allgemeine Chemie. Band 203. 1932

solches vielleicht bis auf geringe Spuren, sei es in J' oder [J(H,O),]' oder sebr unwirksamen Komplexen zwischen J' und SO,, sich zersetzt,

Fig. 11 SO, J' HC1 t

I. 0,2 mol 1 : 100 - 1500

wenn es bei niederer Temperatur ent- standen ist. (Fig. 10).

Setzt man aber den Losungen von vornherein Salzsaure zu, so zeigt sich, daB diese im gleichen Sinne wie bei den fruheren Versuchen fordernd wirkt : In 1 n-HCl verlauft der Umsatz schneller und vollstandiger als in Abwesenheit von Salzsaure, in 3n-HC1 aber noch etwas langsamer als es der Fall ist, wenn die Losung der schwefligen Saure weder J' noch fremde H' enthalt. Dabei zeigt sich fur die 3 n-Salzsiiurelosunp niemals

Y

I1. o,2 mol : loo In* I5O ein geradliniger Kurvenverlauf, sondern die Kurven sind gegen die Zeitachse stets 111. 0,2 mol 1 : 100 3n. 150

1%'. 0,2 mol 1 : 10 In. 150 v. 0,2mol 1 : 4 150 konkav gekriimmt, aber schwacher als in 1 n-HC1. Gesteigerte J'-Konzentration

wirkt dabei nur verhaltnismaBig wenig umsatzfordernd , auch wenn man das Jodverhaltnis auf 1:4 erhoht. (Fig. 11.)

Die hydratisierendewirkung der Salz- saure auf den Komplex scheint also bei 150° in noch groBerem Umfange der Fall zu sein als dies bei 125O schon beobachtet wurde. Es werden sich aller Wahrschein- lichkeit nach die Ionen

uberwiegend bilden konnen, die die Reak- tion zwar anfangs stark fordern konnen, sie aber infolge ihres rasohen Zerfalls bei

r J(so,),(~~,oII' und r ~ w ~ ) ~ t ~ ~ o ) ~ ~ '

I. 11.

111. 1. 2. 3.

Fig. 12 150° lange vor dem vollstandigen Umsatze

0,2 mol 1 : 100 3n. 1000 Die Differenzen, die durch die ver- 0,2 mol 1 : 100 3n. 125 o,2 mol : n. 150 schiedenen SO,-Konzentrationen bedingt 1,2 mol 1 : 10 -- 100 sind, erweisen sich hier meist sehr gering. 1 4 mol 1 : 10 - 125 Immerhin lassen sie aber gerade noch er-

kennen, daB die konzentrierteren SO,-

SO, J' HQ t zum Stillstand bringen mussen.

1,2 m01 1 : 10 - 150 - Losungen friher den hemmenden Einfliissen der sich anreichernden H' unterliegen als die verdiinnteren SO,-Losungen.

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h'. Foerster 7 u. E. Gruner. X. Zersetzung der schwefligen Saure usw. 265

Die Geschwindigkeit-sunterschiede der Zersetzung der schwefligen SBure bei looo, 125O und 150° zeigt Fig. 12.

V. Vergleich der katalytischen Wirksamkeit der J' mit anderen Katalysatoren

Aus den vorhergehendcn Versuchen und uberlegungen ergibt sich, daB bei kleinem Jodverhiiltnis die katalytische Wirkung der J' darin hervortritt, daB es die Entstehung eines wirksamen Kataly- sators beschleunigt. Als dieser kommt S20," zuniichst in Betracht. Einen Vergleich der katalytischen Wirksamkeit von J' (bei looo) mit der von Thiosulfat, erlauben die Versuche von F.LANGE (1. c.). Dabei wurde das Thiosulfat entweder der SO2-Losung direkt zugesetzt oder es wurde wahrend der Versuche selbst erst dadurch erzeugt, daB der SO,-Losung Schwefelmilch zugegeben wurde. Hier machte sich e h e Ergiinzung der LANGE'SChen Versuche notwendig.

War bisher als ,,UmsatzLL die Differenz zwischen der angewandten Menge SO2-Schwefel und der nach dem Erhitzen noch verbleibenden angenommen worden, so war dies bei den Versuchen, die die ka- talytische Wirkung von Thiosulfat bzw. freiem Schwefel zeigen sollten, nicht mehr anglngig, w-eil bei der Abschei- dung von freiem Schwe- fel aus Thioschwefel- siiure bzw. Trithion- saure schweflige Saure zuruckgebildet wird. Deshalb wurde der ,,Umsatz" aus dem

Pig. 13

I. 1,2 mol S - 1000 so, Katalys. HCl t

11. 1,2 rnol s,o," - 100 111. 1,2 m01 J' 1 : 100 - 100 IV. 1,2 mol J' 1 : 10 - 100

Verhaltnis des entstandenen Sulfatschwefels eum angewandten SO, berechnet.

Auffallig ist, da13 hier der Gehalt an Polythionsiiuren betriichtlich ansteigt und sogar anfangs den der Schwefelsaure weit hinter sich la&, urn d a m bei Iangerer Erhitzungsdauer, also starker werdender Aciditat, rasch abzusinken. Bei konzentrierteren Losungen geschieht dies daher auch fruher als bei verdunnteren. Wichtig ist ferner, daB die Menge des Polythionatsc hwefels nach kurzem schon weit hoher ist als die des Thiosulfatschwefels und auch weit langsamer zuriick-

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266 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 203. 1932

geht als dieser. Es geht also S,O,” zuniichst in Polythionat uber, mie dies auch schon R. VOGEL (1. c.) gefunden hat. Daraus darf man schlieaen, daB weit eher das Polythionat als das Thiosulfat der unmittelhare Katalysator ist.

Die graphische Darstcllungsweise ergibt, daB die Wirkungsweise der beiden Katalysatoren S,O,” und Schwefel (Fig. 13) sehr weit- gehend uresensgleich sein rnuB. Die Kurven verlaufen nahezu parallel, wie das auch gar nicht anders zu erwarten war. Sie gehoren dem

Typus 111, Fig. 1, an und sind 700 x B also aus der Uberlagerung einer

anfanglich positiven, aber spa- t erhin negat iven h u t o ka t alyse entstanden. Die Kurven zeigen ferner, daB selbst bei dem Jod- verhaltnis 1 : 10 (Kurve IV) die Umsetaungsgeschwindigkeit an- fanglich weit geringer ist als fur S,O,” oder Schwefel (Kurven I, 11, Fig. 13). Erst nachdem dort der Sprung in der Kurve auf-

etreten ist, also die Inkuba- 11. 1,2 rnol s,o/ 1 : 100 - 125 tionszeit voruber ist, werden im

111. 1,2 mol S,O,” 1 : 100 - 125 weiterenverlaufe der Zersetzung J‘ 1 : 100 - 125 urn so groBere Umsatzwerte er-

fS,O,” 1 : 100 reicht, je groBer die J’-Kon- IV. 1,2 mol

1. 1.2 mol J’ 1 : 100 3n. 125 2. 1,2 mol S,O,” 1 : 100 3n. 125 zentration ist. Deren Kurven 3. 1 , ~ mol s,o; 1 : 100 3n. 125 uberschneiden also die der 4. 1 , ~ mol S,O,” 1 : 100 3n. 125 Schwefel- oder Thiosulfatkata-

lyse fruher oder sp8ter. Der Grund dafiir liegl darin, daB bei Abwesenheit von J’ die katalytische Wirkung von S,O,” durch die sich vermehrende H’-Konzentration auf- gehoben wird, so da13 die Kurven fruhzeitig abbiegen, weil der Kat alysa t or zerstiirt w i d

Bei der L4rbeitstemperatur von 125O wurden dann noch Versuche angestellt , bei denen als Katalysator Polythionat (S,O,” und S,O,“) verwendet wurde und ferner Versuche, bei denen Gemische der Kataly- satoren S203”, S,O,” mit J’ zur Anwendung gelangten (Fig. 14).

Die Versuche, bei denen S,O,” bzw. S,O,” allein und ohne Gegen- wart von Salzsiiure zur Verwendung kamen, zeigen im Sinne der oben ausgesprochenen Vermutung, daS schon kleine Konsentrationen dieser

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Fig. 14 SO, Katalysator HC1 t

I. 1,2mol J’ 1 : 100 - 125O g-

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5’. Foerster t u. E. Gruner. X. Zersetzung der schwefligen Saure usw. 267

Ionen im Anfange der Umsetzung diese erheblich beschleunigen, wie es nach tiem Verlaufe der fur die Einwirkung von J’ gefundenen Kurven der Fa811 ist, nachdem der in der Inkubationszeit entstandene Katalysator in geniigender Menge sich gebildet hat. Daraus folgt, claB wirklich S,O,“ oder S,O,” die in der Inkubationszeit entstandenen Katalysatoren sind. Ihre Konzentration wahrend der Umsetaung andert sich aber mit der Zcit. Bei Zusatz von Trithionat nimmt die Menge des Polythionatschwefels zunachst zu, urn dann langsam zu sinken, wzhrend gleichzeitig der Umsatz sich erheblich verlangsamt. Es ist das ein Zeichen, daB jetxt das Polythionat wohl wesentlich als das bei der inzwischen angestiegenen Ha-Konzentration sehr wenig wirksame Tetrathionat vorliegt. Von wie geringer katalytischer Wirkung das Tetrathionat auf die Zersetzung der schwefligen Saure tatsachlich ist, tritt uns in der Kurve 4, Fig. 14, entgegen: Ein Zusatz von Mol K,S,O, auf 1 Atom SO,-Schwefel rief in einer 1,2 mo- laren, an HC1 3 n-SO,-Losung nach 4 bzw. 8 Stunden nur Umsatze von 3 bzw. 9Ol0 hervor, wahrend bei Anwendung von Trithionat (Kurve 2, Fig. 14) nach 8 Stunden der vierfache Umsatzbetrag er- mittelt mrde .

Die Kurven zeigen aber auch, daB bereits lange vor dem voll- standigen Umsatz bei Anwendung von S,O,“ bzw. S30fi”, der Umsatz sehr trage werden kann, und zwar, trotzdem noch erhebliche Nengen von Polythionat vorhanden sein konnen. Wird aber der Liisung auBerdem noch J‘ zugesetzt, so wird der Umsatz von vornherein erheblich beschleunigt und kann ziemlich schnell bis zur Vollstandig- keit gelangen, weil jetzt die den Umsatz hemmenden €1’ bei Gegen- wart von J‘ positiv katalytisch wirken. Das bedeutet aber, daB mit steigender H’-Konzentration Polythionat als Katalysator infolge seines Oberganges in das bestandige Tetrathionat immer unwirksamer wird, so dal3 die Nachbildung der wirksamen Anionen verlangsamt bzw. ganz aufgehoben wird (Kurve IV, Fig. 14).

Uberraschend ist nun aber, daB auch bei Gegenwart von Salz- saure, selbst bei 3 n-HCl, die katalytische Wirkung von S,O,” und von S,O,” nicht ausbleibt , sondern nur (gegenuber der salzsaure- freien Losung) eine Schwachung erfahrt (Kurven 2 und 3, Fig. 14). Das ist urn so bemerkenswerter, als ohne solche Zusatze in so stark saurer Losung eine Umset,zung eelbst bei 150° iiberhaupt nicht statt- findet. Daraus folgt, daB aus schwefliger Saure allein in stark salz- saurer Losung ein zur Rildung katalytisch wirkender Schwefelsauer- stoffverbindungen fuhrender Vorgang ganz ausbleibt, daB das aber

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268 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 203. 1932

moglich ist , wenn die Losungen solche von vornherein enthalten. Das Ausbleiben des Umsatzes in st,ark saurer Losung beruht also nur zum Teil darauf, daB eine groBere Ha-Konzentration dem Be- st,ehenbleiben eines wirksamen Katalysat'ors entgegentritt, als vor allem darauf, da13 sie deren Auftreten nicht zulaBt.

Wie friiher ausgefiihrt, hat dies seinen Grund darin, daB in Ab- wesenheit von Katalysatoren jedenfalls HSO,' in geniigender Konzen- tration auftreten muW, um den primairen Vorgang der Umsetzung

2HS03'--t SO," + H,SO, (2 a) zii gobcn. In stark saurer Losung ist aber die Konzentrat'ion von HSO,' so klein, daB ihre Umsetzung nur mit unendlich kleiner Ge- achwindigkeit geschchen kann, und ein Vorgang

ist offenbar fiir freies SO, praktisch undurchfuhrbar. Dagegen ist es, wie auch J. VOGRL und J . R. PARTING TON^) bei ihren Unter- suchungen des Oxydes S,O, dargetan haben, moglich, daB ein Vorgang

eintrcten kann. Da, wie gesagt, SO als vorubergehend auftretendes Zwischenprodukt von S,03" wie von S,O," angenommen werden darf, so kann auch eine Losung, die praktisch alle schweflige Saure als SO, enthiilt, doch deren Umsatz in Schwefelsiiure und Schwefel erlauben, wenn ihr eine Quelle fur SO zugefiihrt wird. Somit be- steht die katalytische M7irksamkeit von S,O," nur darin, da8 es auf Grund der nach links gerichteten Gleichung (3) das fur die Bildung von S,O," [nach Gleichung (17)] notwendige SO liefert. Daraus, und aus der Tatsache, daI3 auch 8,0," selbst die Zersetzung der schwefligen Saure katalytisch beschleunigen kann, folgt, daB nicht S,O,", sondern S,06" der eigentliche Katalysator ist.

250, --f SO, + SO (14)

SO + 250, + H,O -+ H2S306 117)

VI. Zusammanfassung

1. Die Zersetzung der schwefligen SHure nach 3H,S03 ---+ 2H,S04 + S + H,O

verlauft uber Thiosulfat bzw. Polythionate und wird, wie bisher bekannt, von Thiosulfat bzw. freiem Schwefel katalytisch beschleunigt, von H' aber verzogert bzw. bei groBerer H'-Konzentration sogar verhindert. Jodion befordert, wie die vorliegenden Untersuchungen lehren, katalytisch die Umsetzung, und zwar dadurch, da8 sowohl

') J. VOGEL u. J. R. PARTINOTON. Journ. chem. SOC. 127 (1925), 1514.

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k'. E'oemter t u. E. Grunor. X. Zersetzung dcr schwefligen Siiure usw. 269

die Entstehung des schwefelhaltigen Katalysators, als welcher jetat vor allem das Trithionat erkannt wurde, beschleunigt wird, als auch dadurch, daB die hemmenden Wirkungen der H' vermindert oder beseitigt werden.

Das hat zur Folge, da13, je nachdem diese beiden Wirkungen ineinander greifen, der zeitliche Verlauf tler Umsetzung einer gegebenen SO,-Menge in sehr verschiedenrr Weise beobachtet wird. Die Kurven, die den Umsetzungsverlauf darstellen, und deren Abszissen die Zeit, deren Ordinaten den prozentischen Umsatz der angewandten Menge SO,-Schwefel messen, zeigen, je nachdem man dieser Losung nur Alkalijodid oder zugleioh auch Wasserstoffionen in Gestalt von Salz- sailre oder einer anderen starken Siiure zusetzt, sowie Je nach der Temperatur und der benutzten Konzentrationen drei verschiedene Typen: A: S-formig, durch Inkubation hervorgerufen; B : Von Anfang an gegen die Zeitnchse konkav; C: Geradlinig ansteigend.

2. Wird der Losung der schwefligen Siiure nur Jodkaliuni zu- gesetzt, so tritt Kurve A hervor, und m a r urn so ausgesprochener, je kleiner die Konzentration des Jodkaliums und je niedriger die Tem- peratur ist. Je hoher beide sind, um so kiirzer ist die Inkubations- zeit, und schlieBIich verschwindet diese ganz und Kurvenart A geht in B uber. Dann aber erscheint die Wirkung von J ' urn so geringer, je leichter auch ohne Jodion der schwefelhaltige Katalysator zur Wirksamkeit kommt, d. h. mit steigender Temperatur. Bei 1500 ist daher ein Jodkaliumzusatz nur noch recht wenig wirksam. Zusatz von H' bewirkt, dal3 die Kurven von Anfang an steigen. I n 1 n-HC1- Losung tritt demnaoh meist Kurvenart B auf, und der Umsatz ist dann starker beschleunigt als durch J' allein. Weitere Steigerung der H'-Konzentration auf 3 n-HC1 verlangsamt den Umsatz und fuhrt zu Kurvenart C. Diese tritt bei loo0 nur bei kleinster J'-Konzentration, und zwar hier auch in 1 n-HCI, bei 125O auch bei hoherer J'-Konzen- tration auf. Bei 150° ist aber Kurvenart B auch in 3 n-HCI, die allein zu beobachtende.

3. Die mannigfaltigen Wirkungen der J', die noch dadurch verwickelter werden, daB je nach Umstanden auch der Umsatz vor Erreichung seines Endes Halt machen kann, findet dadurch ihre Erklarung, daB SO, durch koordinative Bindung an J' komplexe Anionen bildet, deren Auftreten auch schon an der gelben Farbe der Losung hervortritt. Diem Komplexe iiben die beiden oben an- gegebenen Arten der katalytischen Wirkung der J' dadurch aus, daB sie den schwefelhaltigen Katalysator fur weitere auBerhalb der

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Komplexe sich abspielende Umsetzungen liefern, und daB sie diese Umsetzung im Komplex selbst eintreten lassen, wodurch die storende Wirkung der H’-Konzentration wenigstens teilweise gehindert wird.

4. Fur diese versohiedenen Zwecke mussen zuischen J’ und SO, auch verschiedene Komplexe bestehen. Da J’ in wafiriger Losung wahrscheinlich das Hydrat [J(H,O)Q’, mit SO, im krystallisierten Salz KJ.4S0, den Komplex [J(S02)4]’ gibt, so konnen im Gleich- gewichte

je nach GroBe von x sehr versohiedene Komplexe bestehen, deren Gehalt an SO, von dessen Konzentration und der Starke der hydrati- sierenden Wirkung des Wassers unter den jeweiligen Versuchs- bedingungen abhangen muB. Fur den Urnsatz

3H2S0, --t 2H,SO, + S + H,O

[J(J&O)J + 480, >-? [J(H,O)x(SOJ,-x]‘ + (4-X) H2O

erscheint der Komplex [J(SO,),(H,O)]’ der giinstigste. Fur die Art des Komplexes, den das Gleichgewicht liefert, ist

der Umstand jedenfalls stark mitbestimmend, daB durch H‘ das Gleichgewicht

H’ + HSO,’ 4-2 H,SO, sugunsten von SO, verschoben wird. Dadurch wird offenbar der Komplex wirksamer gemacht, und die TNirkung der H‘ miirde eine dehydratisierende sein. Andererseits scheint mit steigender Tem- peratur die hydratisierende Wirkung des Wassers auf den Komplex groBer zu werden. Hiernach lassen sich fur die Einzelheiten der Beobachtungen uber den EinfluB der SalzsBure und der Temperatur geniigend Erklarungen finden.

SO, + H,O

Dresden, Anorgunisch-chemisches Laboratorium der Technzisehen Hochschule.

Bei der Rcdaktion eingegangen LLRI 31. Oktober 1931.