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blaues kreuz Für Lebensqualität. Gegen Abhängigkeit. blaueskreuzzuerich.ch Ausgabe 1 Februar/März 2010 Ohne meine Tochter wäre ich völlig abgestürzt.

Blaues Kreuz Quartalszeitschrift Nr. 1 2010

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blaues kreuzFür Lebensqualität. Gegen Abhängigkeit.

blaueskreuzzuerich.ch Ausgabe 1 Februar/März 2010

Ohne meine Tochter wäre ich völlig abgestürzt.

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Erinnern Sie sich noch an die Zeit vor einem Jahr, als uns Discounter und Gross-märkte auf Plakaten, Fernsehspots und Inseraten verkündeten, dass «Geiz geil sei»?

Das Blaue Kreuz war und ist jedenfallsimmer anderer Meinung gewesen: Diegrosszügigen Hilfsangebote können seit über 132 Jahren von allen betroffenenMenschen und Angehörigen genutzt werden, um sich aus der Alkoholabhängig-

keit zu befreien. Eine Tugend hingegen, die wir tatsächlich seit dem 19. Jahrhundert pflegen, ist die Sparsamkeit. Im Wissen, dass jeder Franken, den wir von Ihnen als Spendende erhalten, durch Sie erarbeitetworden ist, hat uns zu jeder Zeit Mass halten lassen. Dennoch haben dieFinanzkrisenjahre ihre Spuren hinterlassen. Die Jahresrechnung 2008schloss mit dunkelroten Zahlen ab und auch das Jahr 2009 wird ein Defizit ausweisen, wenn auch ein deutlich geringeres.

Eine der darum beschlossenen Sparmassnahmen halten Sie in den Händen: unsere neue Zeitschrift blaues kreuz. Wie gewohnt werden Sie bis zu vier Mal im Jahr über unsere Arbeit und die Verwendung Ihrer Spenden informiert. blaues kreuz ersetzt die Drucksachen zurdeutsch-schweizerischen Sammlung, die zwei Aktuell-Ausgaben und den Newsletter opinio. Dank eines besonderen Posttarifs für vierteljährlich erscheinende Medien können wir nun aber die Portokosten erheblichsenken.

So sparen wir, aber nicht bei der Hilfe. Die Angebote der Beratungs-stellen in Zürich und Winterthur sowie der Zugang zu den Selbsthilfe-gruppen dürfen besonders heutzutage nicht eingeschränkt werden. Gerade in Krisenzeiten steigt der Konsum von legalen und illegalenSuchtmitteln massiv an. Und Präventionsprojekte, wie zum Beispiel dieTestkäufe, bewahren so manche Jugendliche davor, sich am Wochenendeins Koma zu saufen.

Das wiederum verdanken wir Ihrer Tugend: der Grossherzigkeit.

Henrik Viertel, Leiter Kommunikation und Fundraising, [email protected]

Blaues Kreuz Zürich, Mattengasse 52, Postfach 1167 8031 Zürich

editorial

Sparen ist eine Tugend

impressum

3 Vor GerichtAlkohol und Gewalt gehen Hand in Hand. Ein Beispiel.

4 Mutter und TochterMami, wenn du wieder trinkst.

6 TankenDas konkrete Angebot für Angehörige.

8 Wir sind daWieso wir helfen und wo man uns findet.

blaues kreuz ist die Zeitschrift des Blauen Kreuzes Kantonalverband Zürich für die Mitglieder, Spenderinnen und Spender. Die Zeitschrift erscheint 4-maljährlich. Die Auflage beträgt 15'000 Exemplare. Der Abonnementsbeitrag von CHF 5.- pro Jahr ist im Mitglieds- und Spendenbeitrag inbegriffen.

Verlag Blaues Kreuz Kantonalverband Zürich, Zürich. Redaktion Yvonne Kunz, Werner Lieberherr, Antje Mohn, Henrik Viertel. Fotos istockphoto.com. Gestaltung werbebuero schilling, Düsseldorf. Druck Jordi Medienhaus, Belp.

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Vor einem Zürcher Bezirksgericht, zwei junge, ausgebildete Zimmerleute, nennen wir sie Rolf und Marco. Bis in jener Nachtvor einem halben Jahr haben die beiden Schweizer ein unauffälli-ges, unbescholtenes Leben geführt. Gearbeitet, Steuern bezahlt, in die Ferien gegangen. Und am Wochenende fahren sie gerne malin die City, um zusammen in einer der zahlreichen Bars zu feiern –ganz so, wie viele Tausende junger Menschen in der Schweiz.

In der fraglichen Nacht befanden sich die jungen Männer nacheinem ereignislosen Abend in der Stadt etwas frustriert und ver-früht auf dem Nachhauseweg. Während der Fahrt mit der S-Bahnin die Agglomeration kam es zu einer aus heutiger Sicht reichlichsinnlosen, aber deshalb nicht weniger gravierenden Auseinander-setzung, die das Leben aller Beteiligten nachhaltig erschütterte.

Was genau den Streit ausgelöst hatte, ist nicht mehr lückenlosnachvollziehbar. Fest steht, dass es zu einem verbalen Geplänkelzwischen den beiden Freunden und einem Dritten kam. Auf jeden Fall flogen zwischen den Zugabteilen Verbalattacken und zerknüllte Sandwichpapiere hin und her. Irgendwann zog Rolf ein Militärsackmesser aus der Tasche, drückte es Marco in die Hand und feuerte ihn an: «Los, chum! Mach’s!»

Enthemmung zentralIhr Widersacher war bereits ausgestiegen und die beiden folgtenihm auf den Perron. In der Menschenmenge vermochten sie dengrossen Mann auszumachen, Marco folgte ihm und rammte dasMesser in seinen Rücken. Nur dank Glück und Zufall ist die Attacke glimpflich abgelaufen und das Opfer nicht lebensgefährlichverletzt worden. Nun stehen Rolf und Marco vor dem Richter, angeklagt der versuchten schweren Körperverletzung.

Beim Urteil zeigt sich das Gericht milde: Statt den von der Staats-anwaltschaft beantragten dreieinhalb Jahren unbedingt, kassierenRolf und Marco je zweieinhalb Jahre teilbedingt. In den Erläute-rungen streicht der Richter die «enthemmende Wirkung des Alko-hols» hervor. Diese vermöge das Verhalten der beiden aberkeineswegs zu entschuldigen oder erklären und viel war es nicht:Die Täter wiesen je rund ein Promille auf.

Als Richter weiss er: Alkohol ist gerade bei dieser Art von Delikt oftim Spiel: laut verschiedenen Fachberichten aus der Schweiz undDeutschland bei über vierzig Prozent aller Gewalttaten. Bei Kör-perverletzungen, Tätlichkeiten, Raub und häuslicher Gewalt liegtder Schnitt erheblich höher. Hier zeigen die Statistiken, dass zwi-schen 60 und 70 Prozent der Täter unter Alkoholeinfluss standen.

Fatale WechselwirkungNationale und internationale Experten sind sich einig: Das Risiko,Täter oder Opfer einer Gewalttat zu werden, steigt mit den Pro-

mille mit. Im Factsheet des Bundes steht nüchtern: «Alkohol verän-dert die Emotionen und verringert die Sensibilität. Alkohol und Ge-walt stehen in einer wechselseitigen Beziehung: Jeder ist gleichzeitigAuslöser und Beschleuniger. So überrascht nicht, dass sich in vielen ge-richtspsychiatrischen Gutachten dieser Satz findet: Der Angeklagteneigt unter Alkoholeinfluss zu Gewalttaten.»

Wieso Alkohol strafmindernd wirken kannAlkohol ist in manchen Fällen auch ein Strafminderungsgrund.Dies führt in der Öffentlichkeit zur Vermutung, in manchen Fällenvielleicht nicht zu Unrecht, dass sich Gewalttäter absichtlich „voll-laufen“ lassen, um mit einer milderen Strafe davonzukommen. Hat aber ein Täter über 2,5 Promille intus, wird er als mindestensleicht, wenn nicht mittelgradig schuldunfähig erklärt, was die ausgefällte Strafe bis auf die Hälfte reduzieren kann. Was auf denersten Blick so skandalös wirkt, hat aber seine innere, traurigeLogik: Wer mit einem solchen Blutalkoholwert noch zu delinquie-ren vermag, ist in aller Regel kein Gelegenheitstrinker. Liegt sonach Auffassung des Gerichts beim Täter oder der Täterin eineschwere Alkoholerkrankung vor, wird neben der Bestrafung oft eineTherapie angeordnet. Einer friedlicheren Gesellschaft dient einemit einer Therapie (und langfristiger Genesung) verbundene Strafemehr, als eine stumpfsinnige Haft im dunklen Kerker.

Alkohol und Gewalt gehen Hand in Hand

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... dann bin ich nicht mehr deine Freundin, aber festtraurig.»Melanie ist heute fünf Jahre alt und wächst bei ihrer Mutter auf.Das war bis vor Kurzem nicht selbstverständlich: Ihre Mutter warwegen übermässigem Alkoholkonsum nicht mehr in der Lage, ihreTochter zu betreuen, trank sogar im Beisein des Kindes. So war einevorübergehende Fremdplatzierung der Tochter nicht zu vermeiden.

Ja, Mami, du warst fest krank…Die damalige Trennung schmerzte beide, Mutter und Kind. «Weisst du, warum wir getrennt wurden», fragte letzthin ihre Mutter.«Ja, Mami», meinte Melanie, «du warst fest krank und ich musste vielweinen, wenn du mich nicht besuchen kamst, weil es dir schlecht ging.»Der Wunsch, ihre kleine Melanie aus dem Heim in ihr Zuhause zurückzubringen, gab der Mutter die Kraft, sich ihren entsetzlichenJugendjahren und der Abhängigkeit zu stellen.

Wegen Missbrauch zum Alkohol gekommenMelanies Mutter ist heute 40 Jahre alt. Als Scheidungskind lebte siebis zum 15. Lebensjahr bei ihrer Mutter und hatte schweren körper-lichen und seelischen Missbrauch zu erdulden. Danach wuchs sie ineinem Heim auf. Die anschliessenden zahlreichen Ausbildungen

und Wohnortswechsel halfen nicht bei der Bewältigung des Vergangenen. Schliesslich der Griff zum Alkohol, der trösten undErinnerungen löschen sollte. Tatsächlich wurde alles schlimmer: Immer häufiger war sie betrunken, dann ein schwerer Autounfall.Seitdem lebt sie mit einer körperlichen Behinderung.

Sie wollte eine gute Mutter seinIhr Freund trank wie sie. Und sie trank sogar, während sie mit Melanie schwanger war, trotz panischer Angst, ihr ungeborenesKind zu verletzen. Es war ein kleines Wunder, dass das Baby gesundzur Welt kam. Im Mutterglück schaffte sie es, ihren Alkoholkonsumanfänglich einzuschränken, aber letztlich zerbrach ihre Beziehungzum trinkenden Vater daran. Sie, die sie ihrer Tochter eine guteMutter sein wollte, ihrer Tochter eine schönere Kindheit als ihre eigene bieten wollte, stand nun vor einem Scherbenhaufen. Am Ende wurde ihr Kind in ein Heim gebracht.

Wie der Ausstieg gelangDem Kind wieder ein Zuhause zu geben und ihm eine Mutter zu sein, war jetzt die Motivation «den Kampf mit der Flasche aufzunehmen». So nahm sie mit dem Blauen Kreuz Kontakt auf. Trotz Rückfällen, Ängsten und Krisen fühlte sie sich bei ihrer

«Mami, wenn du wieder Alkohol trinkst...

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Beraterin erstmals verstanden, respektiert und unterstützt. Gemeinsam ertasteten sie sich Wege aus der Sucht und kamenSchritt für Schritt vorwärts. Die Rückfälle nahmen ab, die alkohol-freien Zeiten wurden dauerhafter. Sie entschied, ganz auf Alkohol zu verzichten. Eingebunden durch die Beratung beim Blauen Kreuz,die Vergangenheitsbewältigung bei einem Psychiater und durch ärztliche Begleitung löste sie sich aus der Abhängigkeit.

Dieses soziale Netz war nach Meinung von Melanies Mutter die entscheidende Hilfe zum Ausstieg. Das Bewusstsein, im Alltag undan den Wochenenden nicht alleine zu sein, gab ihr die notwendigeSicherheit schwierige Momente zu meistern. Wichtig war ihr auchder Austausch mit Frauen in Selbsthilfegruppen, die ähnliche Lebenssituationen zu meistern hatten.

Ohne Tochter wäre ich völlig «abgestürzt»Melanies Mutter lebt heute abstinent. «Mein Leben ist wieder lebenswert geworden, da meine Tochter wieder bei mir ist und meinWohlbefinden und meine Stärke im Alltag gewachsen ist», erzählt sie. «Hätte ich meine Tochter nicht mehr zurückerhalten, wäre ich völligabgestürzt», ist sie überzeugt.

«Gell», sagte letzthin Melanie: «Du trinkst das Zeug nicht mehr, dassdich krank gemacht hat» und «super Mami, jetzt hast du es ja geschafft».

Gemeinsam mit der Klientin ein Zukunftsfenster öffnenVerzweifelt meldete sich die Mutter von Melanie auf unserer Beratungsstelle. Die Geschehnisse rund um den Obhutsentzug ihrer Tochter erzeugten bei ihr eine seelische Erschütterung. In einem ersten Schritt ging es um die Erfassung der jetzigen Situation und den Blick für einen neuen Lebensentwurf. Hier zeigte sich, dass sie durchaus klare Vorstellungen einer suchtfreien Zukunft als Mutter einer kleinen Tochter besass.

Mit Stärken arbeitenBei der Bewältigung ihrer Mutterrolle sah sich Frau X. laufend mitihrer schmerzvollen Kindheit konfrontiert. Ihre besondere Stärkeist, dass sie es anders, besser machen will. Besser bedeutete für sie –ihrem Kind die künftige Fremdplatzierung zu ersparen und eineliebevolle und verlässliche Mutter zu sein. Aus diesem Grund warfür sie schnell klar, dass Überwindung der Alkoholabhängigkeit ein wichtiges Ziel darstellt.

VernetzungsarbeitEntgegen dem Drängen der Vormundschaftsbehörde auf eine stationäre Therapie wünschte Frau X. eine ambulante Bewältigungihres Suchtproblems. Dieses Vorhaben bedingte die koordinierteZusammenarbeit zwischen dem Hausarzt, dem behandelndenPsychiater, der Beiständin von Melanie und den Betreuungs-personen im Kinderheim.

Begleitung und UnterstützungFür Frau X. begann eine anforderungsreiche Zeit, welche sie inner-lich und äusserlich bis aufs Äusserte forderte. So gab es diverse Auflagen der Vormundschaftsbehörde, wie 160 unangekündigte Blastests oder regelmässige Blutkontrollen beim Hausarzt zu absolvieren. Auf unserer Fachstelle nahm Frau X. an 36 Einzelbera-tungsstunden und an zahlreichen Gesprächsgruppenabenden engagiert teil. Daneben besuchte Frau X. Melanie regelmässig imKinderheim. Trotz Rückschlägen Krisen suchte Frau X. ihr Lebenneu zu fassen. Rückfälle betrachteten wir dabei als Chancen, welcheauf noch zu bearbeitende Themen hinweisen. Das aufgebaute Netz,wie beispielsweise die Frauengesprächsgruppe, ein befreundetes Ehepaar, der Hausarzt, unsere Beratungsstelle oder der Psychiater,bildeten je nach Situation immer wieder wichtige Stützen und Anlaufpunkte in kritischen Phasen.

BeratungsabschlussAufgrund des positiven Verlaufes stimmte die Vormundschafts-behörde der Rückplatzierung des Kindes zu. Frau X. meisterte auch diesen Schritt mit grosser Selbstverantwortung, sodass wir die Beratungsgespräche in grösseren Abständen vereinbarten. Nach 24 Monaten konnten wir die Beratungsgespräche nach einer gemeinsamen Rückschau auf den gemeinsamen Weg abschliessen. Frau X. weiss, dass sie sich bei Bedarf jederzeit wieder neu melden kann.

Die Perspektive der Beraterin

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Nähe nutzen CRAFT steht dabei für Community Reinforcement and FamilyTraining, auf Deutsch etwa Familientraining auf der Basis sozialerNetzverstärkung. Was so kompliziert daherkommt, ist eigentlichnaheliegend: Das Training nutzt gezielt den Einfluss, den Angehö-rige auf die Betroffenen haben, um deren Konsumverhalten positivzu verändern.

Das Trainingsprogramm umfasst acht verschiedene Themenberei-che, die in zwölf einstündigen Sitzungen mit den Angehörigen be-arbeitet werden. Am Anfang muss zwischen der Beratungspersonund den Angehörigen eine vertrauensvolle, motivierende Beziehungaufgebaut werden. Ob zudem der betroffene Partner oder der Elternteil von dem Training erfährt, entscheiden die Angehörigen.

Schritt für SchrittAngehörige trauen ihrem eigenen Urteil über das Konsumverhaltendes Betroffenen häufig nicht mehr. Durch das Zusammentragenvon Informationen, also wo, wann, wie oder mit wem das betrof-fene Familienmitglied trinkt, wie viel es trinkt und welche Folgendies zeitigt, wird die Lebenssituation für die Angehörigen beein-flussbarer und weniger willkürlich.

In einem weiteren Schritt wird das sogenannte Kommunikations-muster, das zwischen Angehörigen und Betroffenen herrscht, unterdie Lupe genommen. In vielen Beziehungen werden beim ThemaAlkoholkonsum nur Vorwürfe oder Gehässigkeiten ausgetauscht. InRollenspielen erlernen die Angehörigen die Auseinandersetzungenüber das Trinken nicht mehr anklagend und vorwurfsvoll zu füh-ren, sondern einfühlsam. Dabei wird der Alkoholkonsum nicht ver-harmlost, aber deutlich zum Ausdruck gebracht, dass man sichfreuen würde, wenn der Betroffene nicht zur Flasche greift.

Sich selber etwas Gutes tunDie meisten alkoholabhängigen Personen werden natürlich ihrKonsumverhalten nicht einfach deshalb ändern, weil dieses plötz-lich konstruktiver thematisiert wird. Die CRAFT-Methode soll inerster Linie den Angehörigen nützen, indem sie lernen, sich selberauch wieder etwas Gutes zu tun, sich zu entspannen und die sozia-len und finanziellen Schwierigkeiten besser zu verarbeiten. Stattden abhängigen Partner zum absoluten Lebensinhalt zu machen,sollen die Angehörigen stärker auf ihre eigenen Bedürfnisse achtenund sich nicht mehr verpflichtet fühlen, den Betroffenen nach aussen in Schutz zu nehmen oder zu entschuldigen. So gehört zumTraining auch die Ausarbeitung eines «Notfallplans», falls die trinkende Person gewalttätig wird.

Mit dem CRAFT-Training bietet das Blaue Kreuz in Zürich nichtetwas vollkommen Neues an. Dass auch Angehörige Unterstützungerhalten (müssen), ist für uns seit Jahren selbstverständlich. Wersich aber bisher weder in der Beratung noch in den Selbsthilfegrup-pen wohlfühlte, dem bietet dieses strukturierte Programm eine Alternative, um Kraft zu tanken und den Betroffenen zu einer Be-handlungsaufnahme zu bewegen.

Das CRAFT-Training wird von der Beratungsstelle für Alkohol-probleme in Winterthur angeboten. Die Kontaktangaben befinden sich auf Seite 8.

CRAFT tanken für AngehörigeAngehörige von alkoholabhängigen Personen sind immer besonders belastenden

Stressfaktoren ausgesetzt. Zu den gewöhnlichen Herausforderungen, die viele

Beziehungen und Ehen zu bewältigen haben, gehören grössere und kleinere

Unstimmigkeiten oder Probleme mit den Kindern. Familienmitglieder von Alkoholab-

hängigen leben hingegen in fast permanenter Anspannung, Unsicherheit und leiden

an Ohnmachtsgefühlen. Finanzielle Engpässe sind keine Seltenheit, in sehr extremen

Fällen kommt es zu psychischen und körperlichen Übergriffen.

Für diese Menschen wurde die CRAFT-Methode durch den amerikanischen Psychologen

Robert J. Meyers entwickelt. Dieses wissenschaftlich fundierte Behandlungsangebot

nutzt auf der Grundlage der Lerntheorie die sogenannten Verstärkungsstrategien. Dabei

werden die Angehörigen als ideale Partner für die Motivation zur Behandlungsaufnahme

des Betroffenen wahrgenommen. Das persönliche Wissen um die Suchterkrankung des

Partners oder der Partnerin, ihr enger täglicher Kontakt und ihre starke Eigenmotivation –

der Leidensdruck, den sie fühlen – kann wesentlich zu einer Veränderung beitragen.

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Wir sind da

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Ärzte nennen es einen «Gebrauch ohne medizinische Indikation» und sprechen von «Patienten». Auf der Strasse bezeichnet man dies als «saufen» und denkt dabei an einen«Trinker». Wir vom Blauen Kreuz nennen es «einen missbräuchlichen Alkoholkonsum»und meinen damit Familienväter, Mütter, Jugendliche und Kinder. Alkoholabhängige Menschen und Angehörige, die ihre Nachbarn sein könnten.

In der Schweiz leben rund 300'000 alkoholabhängige Menschen. Etwa eine Million Familienangehörige sind von dieser Erkrankung mit betroffen.

Über 15’000 Personen sterben jährlich an den Folgen des Alkoholkonsums oder an alkoholbedingten Krankheiten. Dazu gehören Krebserkrankungen, degenerierte Blutgefässe oder Herzinfarkte.

Das Blaue Kreuz Zürich verhindert und vermindert diese alkohol- und suchtmittel- bedingten Folgen. Wir wollen, dass junge Menschen in einer Gesellschaft aufwachsen,die sie stark macht und vor dem Missbrauch von Suchtmitteln schützt. Wir wollen, dass niemand mehr unter den Folgen des Alkoholmissbrauchs zu leiden hat.

Für Lebensqualität. Gegen Abhängigkeit.

GeschäftsstelleMattengasse 52Postfach 11678031 Zürich044 272 04 [email protected]

PräventionFachstelleMattengasse 528005 Zürich044 272 04 [email protected]

Beratungin ZürichZwingliplatz 18001 Zürich044 262 27 [email protected]

in WinterthurRosenstrasse 58400 Winterthur052 213 02 [email protected]

SelbsthilfegruppenFachstelleMattengasse 528005 Zürich044 271 15 [email protected]

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