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W enn’s ums Geld geht, hört für viele die Freundschaft auf. Für andere allerdings beginnt sie da- mit erst. Ohne die Lust am Geld wären beispielsweise Tobias Bosler, Markus Straub und Oliver Janich vielleicht nie so dicke Spezln geworden, als sie Mitte der neunziger Jahre noch Wirtschaft stu- dierten und sich an der Universität Mün- chen regelmäßig im „Akademischen Bör- senzirkel“ trafen. Hier ein paar Mark Spielgeld, da ein heißer Tipp – so ging das los mit der Freundschaft. Als Bosler im Jahr 2007 heiratet, lädt er selbstverständlich auch seine zwei Kumpel ein. Die Mitglieder des Trios sind mittlerweile Ende dreißig, jeder hat Kar- riere gemacht: Janich veröffentlicht als freier Mitarbeiter von „Focus Money“ re- gelmäßig Aktientipps, Straub ist Vizechef der Schutzgemeinschaft der Kapitalanle- ger (SdK) und Bosler selbst, der Bräuti- gam, führt die TFB Capital, eine Firma, die in Aktien investiert. Die drei verstehen sich blendend. Zu blendend. Denn am Ende wird sie ihre Geldgier vielleicht sogar in den Knast brin- gen. Der Vorwurf: Gemeinsam mit ande- ren soll das Trio über fünf Jahre hinweg die Aktienkurse von 20 Firmen manipu- liert haben, um damit kräftig zu verdienen. Vor sieben Wochen ließ die Staatsan- waltschaft München Wohnungen und Bü- ros der drei Freunde sowie 27 weiterer Verdächtiger durchsuchen. Aber damit be- ginnt die Arbeit der Fahnder erst, denn es könnten noch weit mehr Fälle auftauchen. Über 17 Millionen Euro sollen die Ami- gos mit ihren Deals in die eigenen Taschen gelenkt haben – nach bisheriger, eher kon- servativer Schätzung. Wenn sich die Vor- würfe bewahrheiten, wäre es der größte derartige Fall von Aktienmanipulation, den die deutsche Wirtschaftsgeschichte je erlebt hat. Die Dummen sind Zigtausende Kleinanleger, die noch immer darauf ver- trauen, dass es an der Börse mit rechten Dingen zugeht. Und die glauben, dass ver- meintliche Anleger-Gurus nur ihrem Ge- wissen verpflichtet sind, nicht ihrer eigenen Brieftasche oder ihren Freunden – was in dieser Affäre auf das Gleiche hinausläuft. Die Kumpel Bosler und Straub sitzen seit der Großrazzia in Untersuchungshaft, ebenso wie Stefan Fiebach, ein Börsen- journalist, der systematisch jene Aktien hochgejubelt haben soll, die Bosler und seine Freunde zuvor erworben hatten. Doch nicht nur Fiebach und Oliver Ja- nich sind Börsenjournalisten. Bei den meisten der 30 Beschuldigten handelt es sich nach Informationen des SPIEGEL um Journalisten. Rechnet man die Ver- breitung ihrer Medien zusammen, erreich- ten diese Autoren mehr als eine Million Leser. Wirtschaft 46/2010 90 Dabei war das Modell nach den bishe- rigen Ermittlungen in den meisten Fällen sehr ähnlich: Bosler sucht sich eine kleine Firma aus, für die sich sonst kaum jemand interessiert. Er kauft Aktien dieser Firma, seine Bekannten steigen mit ein, und anschließend beginnt die Medienarbeit: Von befreundeten Börsenjournalisten wurden die Werte systematisch hochge- schrieben, als „Hot Stock“ empfohlen, als heißer Tipp, gern auch als spottbillig und Schnäppchen mit riesigem Potential. AFFÄREN „Bullshit mit Bildchen“ Der Aktienhändler Tobias Bosler soll mit Hilfe etlicher Journalisten und Freunde die Kurse vieler Unternehmen manipuliert haben. Es ist der größte derartige Fall, und er untergräbt zugleich die Glaubwürdigkeit des deutschen Börsengeschäfts. Die Kleinanleger sind die Dummen. KLAUS SCHNEIDER Chef der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). CHRISTOPH ÖFELE Ex-SdK-Funktionär und Aufsichts- rat des Fußballclubs 1860 München. OLIVER JANICH gab in „Focus Money“ jahrelang Aktientipps der Rubrik „Hot Stock“. BONESS / IPON / ULLSTEIN BILD STEFAN MATZKE / SAMPICS / AUGENKLICK Frankfurter Börse

Bullshit Mit Bildchen SDK NanotechWirecard Anlagebetrug1

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Wenn’s ums Geld geht, hört fürviele die Freundschaft auf. Fürandere allerdings beginnt sie da-

mit erst. Ohne die Lust am Geld wärenbeispielsweise Tobias Bosler, MarkusStraub und Oliver Janich vielleicht nieso dicke Spezln geworden, als sie Mitteder neunziger Jahre noch Wirtschaft stu-dierten und sich an der Universität Mün-chen regelmäßig im „Akademischen Bör-senzirkel“ trafen.

Hier ein paar Mark Spielgeld, da einheißer Tipp – so ging das los mit derFreundschaft.

Als Bosler im Jahr 2007 heiratet, lädter selbstverständlich auch seine zweiKumpel ein. Die Mitglieder des Trios sindmittlerweile Ende dreißig, jeder hat Kar-riere gemacht: Janich veröffentlicht alsfreier Mitarbeiter von „Focus Money“ re-gelmäßig Aktientipps, Straub ist Vizechefder Schutzgemeinschaft der Kapitalanle-ger (SdK) und Bosler selbst, der Bräuti-gam, führt die TFB Capital, eine Firma,die in Aktien investiert.

Die drei verstehen sich blendend. Zublendend. Denn am Ende wird sie ihreGeldgier vielleicht sogar in den Knast brin-gen. Der Vorwurf: Gemeinsam mit ande-ren soll das Trio über fünf Jahre hinwegdie Aktienkurse von 20 Firmen manipu-liert haben, um damit kräftig zu verdienen.

Vor sieben Wochen ließ die Staatsan-waltschaft München Wohnungen und Bü-ros der drei Freunde sowie 27 weitererVerdächtiger durchsuchen. Aber damit be-ginnt die Arbeit der Fahnder erst, denn eskönnten noch weit mehr Fälle auftauchen.

Über 17 Millionen Euro sollen die Ami-gos mit ihren Deals in die eigenen Taschengelenkt haben – nach bisheriger, eher kon-servativer Schätzung. Wenn sich die Vor-würfe bewahrheiten, wäre es der größtederartige Fall von Aktienmanipulation,den die deutsche Wirtschaftsgeschichte jeerlebt hat. Die Dummen sind ZigtausendeKleinanleger, die noch immer darauf ver-trauen, dass es an der Börse mit rechtenDingen zugeht. Und die glauben, dass ver-meintliche Anleger-Gurus nur ihrem Ge -wis sen verpflichtet sind, nicht ihrer eigenenBrieftasche oder ihren Freunden – was indieser Affäre auf das Gleiche hinausläuft.

Die Kumpel Bosler und Straub sitzenseit der Großrazzia in Untersuchungshaft,

ebenso wie Stefan Fiebach, ein Börsen-journalist, der systematisch jene Aktienhochgejubelt haben soll, die Bosler undseine Freunde zuvor erworben hatten.

Doch nicht nur Fiebach und Oliver Ja-nich sind Börsenjournalisten. Bei denmeisten der 30 Beschuldigten handelt essich nach Informationen des SPIEGELum Journalisten. Rechnet man die Ver-breitung ihrer Medien zusammen, erreich-ten diese Autoren mehr als eine MillionLeser.

Wirtschaft

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Dabei war das Modell nach den bishe-rigen Ermittlungen in den meisten Fällensehr ähnlich: Bosler sucht sich eine kleineFirma aus, für die sich sonst kaum jemandinteressiert. Er kauft Aktien dieser Firma,seine Bekannten steigen mit ein, und anschließend beginnt die Medienarbeit:Von befreundeten Börsenjournalistenwurden die Werte systematisch hochge-schrieben, als „Hot Stock“ empfohlen, alsheißer Tipp, gern auch als spottbillig undSchnäppchen mit riesigem Potential.

A F FÄ R E N

„Bullshit mit Bildchen“Der Aktienhändler Tobias Bosler soll mit Hilfe etlicher Journalisten und Freunde die Kurse vieler

Unternehmen manipuliert haben. Es ist der größte derartige Fall, und er untergräbt zugleich die Glaubwürdigkeit des deutschen Börsengeschäfts. Die Kleinanleger sind die Dummen.

KLAUS SCHNEIDER Chef der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK).

CHRISTOPH ÖFELE Ex-SdK-Funktionär und Aufsichts-rat des Fußballclubs 1860 München.

OLIVER JANICH gab in „Focus Money“ jahrelang

Aktientipps der Rubrik „Hot Stock“.

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Frankfurter Börse

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So was weckt immer auch die Gier der Leser, die den Börsentipps glauben,weil die Euphorie schließlich nicht nur in „Focus Money“ verbreitet wurde, son-dern auch vom „Aktionär“, von „Perfor-maxx“, Wallstreet-Online und dem„Small Cap Trader“, ebenso wie im „In-ternational Stock Picker“, im „TradersJournal“ und im „Aktieninvestor“, in„Swiss Trading“ oder wie die Börsenbrie-fe und Publikationen sonst noch alle hei-ßen, die ihren Lesern das schnelle Geldversprechen.

Eines der Blättchen mag ja irren, aberso viele? Also steigt der Kurs der beju-belten Papiere – für Bosler und seineFreunde der richtige Moment, ihre zuvorgünstig erworbenen Papiere teuer zu ver-kaufen, bis irgendwann klar wird, wie we-nig Substanz sich hinter den gefeiertenFirmen verbirgt. Oft stürzt der Kurs dar -aufhin ins Bodenlose. Die Zockerkumpelsind da schon längst weitergezogen.

Sie sind auch die Einzigen, die recht-zeitig satten Gewinn einstreichen konn-

ten: Im Schnitt 34 Prozent auf ihr ein -gesetztes Kapital, meist innerhalb weni-ger Tage oder Wochen, glauben die Er-mittler.

Wie so ein Deal funktioniert, sieht manam Fall von Rubincon Ventures, einerkleinen Nanotech-Firma aus den USA, inderen Zukunft kaum jemand investierte.Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass zu-mindest Fiebach bis März 2006 Aktienvon Rubincon gekauft hat. Der Kursstand damals bei etwa einem Euro. Danndreht sich das Empfehlungskarussell.

Der „International Stock Picker“ (ISP),ein von Stefan Fiebach herausgegebenerBörsenbrief, preist sich selbst als „Aktien-Wegweiser“ an: „Wir entdecken unterbe-wertete Aktien meist sehr viel früher alsandere Börsenbriefe.“ Am 28. März 2006feiert er Rubincon als die „Nano-Tech Ak-tie 2006“.

Einen Tag später erscheint auch „FocusMoney“. Dort feiert Boslers Freund Ja-nich die Firma als „Hot Stock“. Zwar seivon Rubincon „kaum etwas bekannt“,

doch vor kurzem hätten Investoren fünfMillionen Dollar in die Firma gestecktund einen führenden Nanotech-Expertenals Berater gewonnen. Janich hält dieseMeldungen für „pures Dynamit“ undschwärmt: Nach oben sei „der Himmelnaturgemäß offen“, und „Nano-Firmenwerden in der Regel mit mehreren hun-dert Millionen Euro bewertet“.

Drei Wochen später folgt der „Aktien-investor“, ein Börsenbrief, für den RobertBurschik als Chefredakteur verantwort-lich ist. Burschik lässt sich auf seiner ei-genen Homepage als „bekannt aus n-tv,3sat-Börse und N24“ feiern. Auch er ge-hört zum Kreis der Bosler-Buddys, aucher war zu dessen Hochzeit und zu BoslersSommerfest 2007 eingeladen.

Burschiks „Aktieninvestor“ sieht dieWinzfirma Rubincon schon zu einem„Nanotechnologie-Konzern“ aufsteigen.Obwohl die Aktie bereits teurer gewor-den sei, biete „das aktuelle Kursniveaunoch eine interessante Einstiegschance“.

Der Journalist Fiebach gab neben dem„International Stock Picker“ auch den Bör-senbrief „Small Cap Scout“ („SCS“) her -aus, der die US-Firma am 20. Juni 2006ebenfalls empfiehlt. Einen Monat späterrät auch „Performaxx“ zum Kauf.

Könnten die gemeinsamen Empfehlun-gen auch Zufall sein, weil viele Experteneben zur gleichen Zeit zu einem gleichenUrteil kommen? Möglich wäre das schon.Im Fall der Bosler-Clique deutet aber zuvieles auf gezielte Absprachen hin.

Auf Boslers Laptop etwa fanden Er-mittler eine detaillierte Planung der Posi-tivartikel unter Nennung aller Beteiligten.Dabei ging es um eine kleine Ölfirma na-mens Petro hunter, die von der Cliqueebenfalls hochgeschrieben wurde.

In einer E-Mail vom 26. April 2006schreibt Bosler: „Denkt daran: Das Teilkann locker über 10 USD (US-Dollar –Red.)gehen, wir müssen da alle nur an einemStrang ziehen!!!“ Wenige Tage späterschreibt er erneut eine E-Mail an die be-teiligten Journalisten: „Ziel ist eine konti-nuierliche Berichterstattung zu dieserTraumaktie aufzubauen.“

Eine besonders verräterische E-Mailschreibt nach den Ermittlungen der Jour-nalist Fiebach am 23. November 2006 anBosler. Darin beklagt er sich, noch immerkein Geld für die „Projekte Rubincon undSolarenertech“ erhalten zu haben. „Wirhaben im SCS 14 Abhandlungen über Ru-bincon ab Mitte März gemacht. (…) Damitgilt für mich die Arbeitsleistung als er-bracht. Wenn hier Deine Geschäftspartnermeinen, nicht gut bedient worden zu sein,dann empfinde ich das als Frechheit. (…)Dein Geschäftsprinzip ist es ja gerade, allesschön anonym zu halten.“ Und weiter jam-mert er: „Es sind Millionen von Aktienvon Rubincon über die letzten Monate ver-kauft worden. Es sind Promo-Touren ge-macht worden, die ich bezahlt habe. Ich

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ROBERT BURSCHIKist Chef eines Börsenbriefs und

selbst Teil der Clique.

MARKUS STRAUBwar bis 2008 Vizechef der SdKund sitzt seit kurzem in U-Haft.

TOBIAS BOSLER führt eine Investmentfirma und solldas Zockernetz gesponnen haben.

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Wetten auf sinkende Kurse

Wetten auf sinkende Kurse

Der Kurs wurde zum Börseneintritt hochgeschrieben, um dann schnell zu verkaufen

Firmenaktien im Visier Kurse in Euro Quelle: Thomson Reuters Datastream

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Mai Juli Aug. Okt. Feb. Apr.Juni Sept. Jan. 2006 2007 2008 2009 2010März Mai

habe mich hingesetzt und alles geschrie-ben (…). Es haben alle ihr Geld bekom-men und alle haben prächtig verdient andiesem Deal. Deine Geschäftspartner, dieihre Aktien verkauft haben, alle die vonmir bezahlt worden sind (…). Mir fehlenca. 50000 – 80000 Euro aus diesen beidenGeschäften in meinem Geldbeutel (…).Dass es mir nicht an Loyalität fehlt, siehstdu an vielen Dingen. Jede Woche gehendie Sachen raus! Du bist der SpiritusRector! Nicht eine Aussendung verlässtohne Deine Einwilligung das Account. Ichhabe, seit wir zusammenarbeiten, über 1,5Mio CHF (Schweizer Franken –Red.) anGelder zur Weiterleitung erhalten! Niegab es irgendwelche Beanstandungen!Alle haben ihr Geld erhalten! Das läuft al-les lautlos ab!“

Fiebachs Ärger scheint aber bald ver-raucht zu sein, die Kooperation zwischenBosler, der die Aktien aussucht, und Fie-bach, der die Werbung organisiert, läuftweiter wie geschmiert. Nach Erkenntnis-

sen der Ermittler nutzte Bosler dabeirund ein halbes Dutzend anonyme Mail-Namen wie „barnabus05“, „digitaleco“,„michael-mayer-007“ oder Pseudonymewie „Conni Huber“ und „Peter Müller“.Und der Zirkel wird immer mutiger.

Einen ihrer größten Deals startet dieClique im Jahr 2006 bei Nascacell. Auchdiese Biotec-Firma kennt zunächst fast nie-mand. Nach den Ermittlungen deckt sichdiesmal neben den üblichen Akteureneine ganze Medien-Phalanx mit Nascacell-Aktien ein: Der frühere „Performaxx“-Chef Christian Jüptner, Wallstreet-Online-Vorstand André Kolbinger und der Chefdes Börsenbriefes „Small Cap Trader“,Stefan Kallabis. Mit im Spiel waren auchMarkus Straub und Christoph Öfele, aus-gerechnet zwei Funktionäre der Schutz -gemeinschaft der Kapitalanleger (SdK),die sich eigentlich als Anwälte der Klein-aktionäre verstehen sollten.

Den Start gab erneut Fiebachs „Inter-national Stock Picker“, einen Tag bevorNascacell an die Börse kam: „Das Kurs-ziel sehen wir bei 20 Euro.“ Einen Tagspäter nahm TV-Experte Burschik Nasca-cell in ein Musterdepot seines Börsen-briefs „Swiss Trading“ auf, und „Perfor-maxx“ sah einen „fairen Aktienkurs“ bei14,54 Euro. Für „Focus Money“-Mann Ja-nich war Nascacell ebenfalls ein ganz hei-ßer Tipp: „Für Anleger ist dies die ein-malige Chance, zu Schnäppchenpreisenan die Aktie zu kommen.“

Wer sich an Janichs Tipp hielt, konntemal wieder richtig viel Geld verlieren.Seit seiner Empfehlung ging die Aktie inden Sinkflug über, aber das musste Boslerund seine Freunde nicht kümmern. Siehatten nach Erkenntnissen der Staatsan-waltschaft zu diesem Zeitpunkt ihre Wert-papiere bereits wieder verkauft.

Bosler hatte für die positive Berichter-stattung zwar ein paar Kosten, jedenfallsfindet sich in seinem BlackBerry unter

dem 11. Mai 2006 die Notiz: „handgeldfuer analysten“. Doch unterm Strich warder Gewinn aus diesem Deal großartig:Allein er, Straub und Öfele sollen bei Nas-cacell jeweils rund eine Million Euro ver-dient haben.

Wer als normaler Leser die Börsentippszum Anlass nahm, ebenfalls einzusteigen,erlebte dagegen ein Fiasko: Der Kurs star-tete bei acht Euro am ersten Handelstag,Ende des Jahres war das Papier wenigerals einen Euro Wert, Anfang 2010 pen-delte die Aktie um vier Cent. Im letztenMonat wurde der Wert schließlich vonder Börse genommen, das Unternehmenaufgelöst.

Im Fall Nascacell arbeitete die Staats-anwaltschaft eng mit der Bundesanstaltfür Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)zusammen, denn die kann bis 1996 zu-rückverfolgen, wer wann wie viele Ak-tien gekauft oder verkauft hat. Wer etwas

zu verbergen hat, handelt zwar oft überDepots im Ausland. Doch selbst dieSchweiz zeigt sich in der Regel nach einerWeile kooperationsbereit.

Im Januar 2007 leitete die MünchnerStaatsanwaltschaft eine Strafanzeige ge-gen Fiesbach an die BaFin weiter. DieUntersuchungen förderten schnell mehrals ein halbes Dutzend weiterer Verdäch-tiger zutage. Mit Hilfe der BaFin-Erkennt-nisse konnte die Staatsanwaltschaft ihreErmittlungen ausweiten auf ähnlich du-biose Geschäfte rund um Firmen wiePetro hunter, Splendid Medien, Barnabus,Medec, Tiptel, Hucke, 3S Swiss Solar,New Value, Convisual, Solar Millennium,Rubincon, Cinemedia, Berentzen, Solar Enertech, Thielert, Metrodome, Dolphin,Conergy, Lifejack und Wirecard.

Deshalb wissen die Ermittler heuteziemlich genau, wer wie viel mit demKauf der Aktie verdient hat. Zurzeit wirdder Handel weiterer Aktien geprüft. „DieZahl der verdächtigen Transaktionen ist

enorm“, sagt einer der Ermittler. DieWahrscheinlichkeit, dass weitere Anzei-gen erfolgen, ist sehr hoch.

Doch warum veröffentlichen Börsen-journalisten „Tipps“, bei denen ihre LeserGeld verlieren? Einmal verzeihen die Leser das vielleicht. Aber zweimal? Drei-mal? Zehnmal? Selbst den Börsen-AutorFiebach beschlichen bisweilen düstereAhnungen, was aus seiner Glaubwürdig-keit werden könnte. Ende November2006 mailte er an Bosler: „Unsere Lesersind gar nicht in der Lage, Geld zu ver-dienen; deshalb werden sie sich auch vonuns abwenden (...). Von 10 Empfehlungenhaben sich 9 nach hinten entwickelt: VonHucke (letzte Woche pleite gegangen)über Nascacell (-90 Prozent innerhalb von2 Monaten) über Barnabus (-50 Prozent)über… über… etc. Diese Liste lässt sichunendlich fortsetzen, es war alles derschnelle Deal! Von Nachhaltigkeit keine

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Spur. Alle ,synthetischen Deals‘ sind aus-nahmslos in die Grütze gegangen. Wirsind damit der perfekte Kontraindikator(…). Es läuft immer gleich ab: die Aktiensteigen, wenn überhaupt, leicht an, jederentsorgt seinen Müll und dann geht dieAktie auf Tauchfahrt (…) wenn unsereLeser investiert sind, gibt es keine Inves-toren mehr, die nachkommen. Klar – werwill auch solche Aktien!“

Bis Ende 2007 hatten Bosler & Co. vorallem auf steigende Kurse kleiner, unbe-deutender Aktien gesetzt. Dann ändertensie ihr Geschäftsmodell und versuchtenverstärkt, auch von fallenden Kursen zuprofitieren, zum Beispiel beim Hambur-ger Solarunternehmen Conergy.

Anfang Oktober 2007 bekam Boslervon einem Mitarbeiter der Conergy-Fi-nanzabteilung einen Hinweis, dass dieFirma eine Gewinnwarnung plane. Boslersoll diesen Hinweis an Freunde weiter-gegeben und auf fallende Kurse speku-liert haben. Insgesamt strich die Cliqueim Fall Conergy nach den bisherigen Er-mittlungen 1,1 Millionen Euro ein.

Sogenannte Leerverkäufe sind in derFinanzwelt ein übliches Mittel. Im Prinzipfunktionieren sie so: Man leiht sich etwavon einer Bank 1000 Stück Aktien, dieman aber erst zu einem späteren Zeit-punkt zum dann gültigen Kurs zurück-geben muss. Verkaufen kann man die1000 Aktien aber sofort. Wenn der Kursbei 100 Euro steht, erzielt man auf dieseWeise 100 000 Euro. Wenn dann die Aktiein zwei Monaten, also zum Ende derLeihfrist, nur noch 80 Euro Wert ist, mussman nur noch 80000 Euro bezahlen, umder Bank ihre Aktien zurückzugeben –macht also einen Gewinn von 20000Euro. Börsenhändler können auf dieseWeise mit fallenden Kursen große Ge-schäfte machen, ganz legal.

Ihr Meisterstück lieferte die Truppe imJahr 2008 ab: Anfang Mai erschien aufder Internetseite Wallstreet-Online deranonyme Leserbrief eines gewissen „Me-myselfandi007“. Unter der Rubrik „Top-Wachstumswert oder nur heiße Luft“ attackiert der Autor die Bilanz von Wire -card, einem Zahlungsdienstleister mit da-mals 460 Mitarbeitern und 134 MillionenEuro Umsatz. Der Artikel schmäht dasWirecard-Rechenwerk als „Bullshit mitbunten Bildchen“ und wirft dem Vor-stand „Ausplünderung“ des Unterneh-mens vor.

Die Polizei hat „Memyselfandi007“ in-zwischen ausfindig gemacht, mit demNetz um Bosler hat er offenbar nichts zutun. Doch sein Beitrag animierte dieFreunde, ihren größten Coup zu starten.

Offenbar von Mitte Mai 2008 an wetteteBosler im großen Stil auf fallende Kursebei Wirecard. Mit von der Partie gewesensein sollen auch die SdK-FunktionäreStraub und Öfele, der im selben Gebäudewie die SdK seine Firmen CHO und WAIGmbH betreibt. Wenig später weihten dieRädelsführer Banker und Investoren einund starteten eine PR-Offensive gegen dieFirma.

Straub schaffte es, SdK-VorstandschefKlaus Schneider einzuspannen. Mitte Mai2008 soll er Schneider erstmals per SMSdarauf hingewiesen haben, dass die Wire -card-Bilanz vermutlich falsch sei. Schnei-der ließ sich überzeugen – und stellte der Führung des Unternehmens auf derHauptversammlung am 24. Juni 2008rund drei Dutzend kritische Fragen.

Nach eigenen Angaben wusste derSdK-Chef nicht, dass sein Vize da bereitsauf fallende Kurse spekulierte. Doch dieErmittler verdächtigen auch ihn.

Schneider schickte am 17. Juni, wenigeTage vor der offiziellen Hauptversamm-

lung, eine E-Mail an Straub, in der er ihnnach den Möglichkeiten fragte, mit denenman von fallenden Wire card-Kursen pro-fitieren könne. Ein SdK-Sprecher weistden Verdacht zurück, Schneider könnesich selbst bereichert haben. Der SdK-Chef habe sich mit Hilfe von Straub imVorfeld der Hauptversammlung lediglicheinen Überblick verschaffen wollen, obam Markt schon verstärkt auf fallendeWirecard-Kurse gesetzt werde.

Wirecard selbst war so erbost über dieAngriffe, dass die Firma schließlich Straf-anzeige gegen Bosler, Straub, Schneiderund andere wegen des Verdachts auf „In-siderhandel und Marktmanipulation“ er-stattete. Wirecard hatte sich offenkundigInformationen über die Aktiendeals derBeteiligten verschafft – auf welche Weise,will sie nicht verraten. Gut eine Wochespäter rückt jedenfalls die Staatsanwalt-schaft an. Das hinderte die Truppe umBosler allerdings nicht, Wirecard im Früh-jahr 2010 erneut zu attackieren. Insgesamtsoll das Freundesnetz bei Wirecard 7,2Millionen Euro Gewinn gemacht haben.

Keiner aus der Clique soll indes vonden Manipulationen so profitiert habenwie Bosler, den sie mal „Spiritus Rector“und mal einfach „Kapitän“ nannten. Nacheiner Schätzung der Ermittler kassierte ermit den bisher untersuchten 22 Fällen vonAktiendeals 13,6 Millionen Euro.

Bosler pflegte vermutlich auch den aufwendigsten Lebensstil des Zockerzir-kels und leistete sich eine 20-Meter-Yacht,die zwischen Mallorca und Ibiza kreuzte.Er lebte in Kitzbühel in Österreich, woer in den vergangenen Jahren regelmäßigseine „Kapitalmarkt-Konferenz“ veran-staltete, standesgemäß im feinen GrandSpa Resort A-Rosa.

Dieses Jahr kam sogar Deutschlandsbekanntester Börsenmakler Dirk Müller

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Briefkästen mit Firmennamen am Sitz der SdK in München: „Wir müssen alle nur an einem Strang ziehen!“

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vorbei, allerdings nur als Gast, wie er be-tont, und ohne Honorar. Müller, bekanntals „Mr. Dax“, gibt inzwischen selbst ei-nen Börsenbrief namens „CashkursTrends“ heraus. Als Redakteur findet sich

im Impressum Daniel K., der nach Er-kenntnissen der Staatsanwaltschaft eben-falls zum Netz gehört. Auch er war zuBoslers Hochzeit eingeladen, auch er sollin fünf Fällen im „Traders Journal“ und„Betafaktor“ für die Aktien getrommelthaben.

K. bestreitet eine Beteiligung, nie- mals habe er für seine Aktientipps Geldvon Bosler erhalten. Auch Dirk Müllerbeteuert, mit der Truppe nichts am Hutzu haben. Er ärgere sich inzwischenselbst, die Einladung nach Kitzbühel an-genommen zu haben, und sagt, es störeihn seit Jahren, wie Börsenjournalistenbestimmte Aktien hochschrieben, ohnedass klar sei, weshalb sie das täten. Wennstimmt, was der Bosler-Clique vorgewor-fen wird, sei das eine „Schweinerei“, diedie „Investitionskultur kaputtmacht“.

Mr. Dax kann sich da richtig echauffie-ren: „Die normalen Leute werden nichtmehr an die Börse gehen, sie werden kei-ne Aktien mehr kaufen und sich am Endemit den paar Prozent zufriedengeben, diees aufs Sparbuch gibt. Das ist doch dasSchlimmste, was passieren kann.“

Und was sagen die anderen? Die An-wälte von Bosler und Fiebach beantwor-ten mit Hinweis auf das laufende Ermitt-lungsverfahren keine Fragen. Öfele undBurschik wollen derzeit keine Angabenmachen. André Kolbinger will sich nichtzu Details äußern, geht aber davon aus,dass „kein Fehlverhalten von Organenund Mitarbeitern der Wallstreet-OnlineAG vorliegt“. „Der Aktionär“ teilt mit,der beschuldigte Mitarbeiter habe eides-stattlich versichert, „dass er mit der An-gelegenheit nichts zu tun habe“.

Oliver Janich antwortet per E-Mail, erhabe „niemals Aktien in ,Focus Money‘empfohlen, von denen ich wusste, dassHerr Bosler sie besitzt“. Zur Frage, ob erfür seine Empfehlungen Geld erhaltenhabe, schreibt er: „Der Vorwurf ist absurd(...). Ich empfehle Aktien nicht, weil ichvon irgendjemand Hinweise bekomme,sondern recherchiere selbst.“ Der Anwaltvon Markus Straub und Stefan Kallabisreagierten nicht auf die Fragen des SPIEGEL.

Janich pflegt heute als Vorsitzenderder „Partei der Vernunft“ ganz andereVerschwörungstheorien. Völlig frei vonSelbstironie hat er vor wenigen Wochenein Buch vorgelegt mit dem Titel: „DasKapitalismus-Komplott. Die geheimenZirkel der Macht und ihre Methoden“.

Sein eigenes Spezl-Netz hätte wunder-bar hineingepasst. Doch in diesem Buchsucht man es vergebens.

D D , M G , C P

In der nordkanadischen Wildnis, nahedem Großen Sklavensee, liegt einLandstrich, den die Ureinwohner Ne-

chalacho nennen. Vor fünf Jahren hat derGeologe Don Bubar hier für sein Unter-nehmen Avalon ein Areal von rund 4000Hektar gekauft, damals zahlte er 300000Dollar. „In einigen Jahren“, hofft er,„wird Nechalacho Milliarden wert sein.“

Tief im Boden vermutet der Kanadiergroße Mengen sogenannter Seltener Erden, einer Gruppe von 17 Metallen mit seltsam klingenden Namen wie Ytter -bium, Praseodym oder Dysprosium. Manche sind unentbehrlich für die Her-stellung von Hightech-Produkten wieWindturbinen, Flachbildschirmen oderMobiltelefonen.

Bislang deckte China 97 Prozent derWeltproduktion an diesen Elementen.Doch neuerdings drosselt die Volksrepu-blik die Ausfuhr der begehrten Ware dras-tisch, zuletzt um 40 Prozent: ein Schockfür alle Abnehmer in den Industriestaa-ten, ein Glücksfall für Unternehmer wieBubar.

Problemlos konnte der Avalon-Chefkürzlich für die Finanzierung weitererBohrungen rund 43 Millionen Dollar amKapitalmarkt aufnehmen. Die Geldgebervermochten zwar die Namen der Metallekaum auszusprechen, lästert er, aber mitt-

lerweile wüssten sie zumindest genau,wie wichtig die Stoffe sind. Nach den chi-nesischen Drohungen hätten sie ihmförmlich die Türen eingerannt, erzähltBubar: „Der Markt ist durchgedreht.“

Überall auf der Welt gehen nun kleineMinengesellschaften auf die Suche nachSeltenen Erden und anderen speziellenIndustriemetallen wie Lithium, Indiumoder Gallium. Juniors werden die Gründer -firmen genannt, sie besitzen meist nichtmehr als ein Stück Land und eine Hand-voll geologischer Gutachten. Die wenigs-ten werden jemals Erfolge melden können.

Nur jeder 20. Junior, so lautet eineSchätzung, schafft es bis zur Produktions-reife, allen anderen geht vorher die Luftaus: Juniors sind gleichsam die Trüffel-schweine im Rohstoffgeschäft. Das Geldkommt von verwegenen Finanziers, der-zeit stürzen sie sich auf beinahe jedes Un-ternehmen, das „Rare Earth“, also „Sel-tene Erden“, im Namen trägt.

Ihre Notierungen sind in die Höhe ge-schossen, seit China den Nachschub starkeingeschränkt hat. Viele von ihnen sindin einem eigenen Sektor der TorontoStock Exchange gelistet, der TSXV, das„V“ steht für „Venture“, zu Deutsch „Wag-nis“. Im Vergleich zu dieser Glücksritter-Börse ist jedes Spielcasino ein Mau-Mauspielender Seniorenclub.

Wirtschaft

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R O H S T O F F E

Wettlauf der TrüffelschweineChina verknappt das Angebot wichtiger Industriemetalle.

Kleinen Minenfirmen eröffnen sich dadurch ungeahnte Chancen – wenn sie denn jemals fündig werden.

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Hightech-Produkt Mobiltelefon: Schock für alle Abnehmer