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BUND-Waldreport 2016 Schatten & Licht – 20 Fallbeispiele

BUND-Waldreport 2016 · enorm gestiegen. Es lohnt sich heute, auch Bäume zu fällen, deren Erlös früher kaum die Kosten ... Der BN hat sich Anfang März 2014 schriftlich an den

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BUND-Waldreport 2016Schatten & Licht – 20 Fallbeispiele

Inhalt

BUND-Waldreport 2016

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3 Vorwort

5 10 negative Fallbeispiele

6 Massive ZerstörungenNaturschutzgebiet Pähler Schlucht

8 Wertvolle Eichen gefällt, Lebensräume beseitigtFFH- und Vogelschutzgebiet Spessart

10 Waldbau brutal Hessisches Ried

12 Hirschrudel im Bonsai-Wald Forstamt Jossgrund

14 Kahlschläge und Entwässerungen FFH- und Vogelschutzgebiete beim Forstamt Wolfenbüttel

16 Rücksichtsloser Holzeinschlag Naturschutzgebiet Finkenberg / Lerchenberg

19 Schneise der Zerstörung Altwindeck

22 Riesige Kahlschläge provoziert Vierherrenwald im Hunsrück

24 Waldboden in Schutzgebiet abgekratzt FFH-Gebiet im Revier Wüstenfelde

26 Kahlschläge als Naturschutz verkauftPriesberg

29 10 positive Fallbeispiele

30 Kleinod im DauerstressLandschaftsschutzgebiet Plänterwald

32 Vielfalt in der MetropoleGrunewald

34 Artenreiches Refugium mit GeschichteNaturschutzgebiet Schenkenwald

36 Fit für den KlimawandelZukunftswälder im Landkreis Roth

38 Hotspot mit klarer ZielstellungRostocker Heide

40 Lebendige GroßstadtStadtwald Hannover

42 Neue Wildnis in der AueAuwälder in den Pfälzer Rheinauen

44 Wertvoller alter Wald in privater HandHüttenwald Dillingen

46 Vorbild für Naturnahe WaldnutzungStadtwald Lübeck

49 Behutsame WaldwirtschaftGemeindewald Untermaßfeld

51 Fazit

56 Zusammenfassung der BUND-Forderungen

58 Abkürzungen

59 Impressum

BUND-Waldreport 2016

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Unsere Wälder stehen zunehmend unter Druck. Brennholz ist stark gefragt, die Holzpreise sindenorm gestiegen. Es lohnt sich heute, auch Bäume zu fällen, deren Erlös früher kaum die Kostengedeckt hätte. Der BUND betrachtet diese Entwicklung einerseits positiv, weil der Rohstoff Holzwieder besser bewertet wird, anderseits aber auch mit Sorge, denn immer wieder erreichen unsBerichte von massiven Holzeinschlägen, zerstörten Waldböden und gefällten Höhlenbäumen.Andernorts sind es Kahlschläge oder durch zu starke Holzentnahme provozierte Sturmwürfe, diean der forstlichen Praxis in Deutschland zweifeln lassen. Besonders gravierend sind solche Ein-griffe in strengen Schutzgebieten, die gefährdete Arten und Lebensräume bewahren sollen.

Doch neben viel Schatten gibt es auch Licht: öffentliche Wälder, in denen das Gemeinwohl wieder Schutz der biologischen Vielfalt und die Belange der Erholungssuchenden klar vor dem wirt-schaftlichen Interesse der Holzgewinnung steht. Und Privatwälder, deren Besitzer sich freiwilligfür den Erhalt wertvoller alter Bäume mit Höhlen für Fledermäuse, Vögel und Käfer in ihren Wäl-dern engagieren.

Ehrenamtlich und hauptamtlich aktive Waldschützer und Waldschützerinnen des BUND habenzwanzig Beispiele aus ganz Deutschland zusammengetragen – zehn negative und zehn positive.Im Mittelpunkt steht dabei die Verantwortung der Behörden, in den öffentlichen Wäldern vor-bildlich und am Gemeinwohl orientiert zu wirtschaften. Nicht immer werden sie ihrer Verant-wortung gerecht. Davon zeugen Kahlschläge und andere rücksichtlose Eingriffe, selbst in sensi-blen Schutzgebieten. Andernorts haben BUND-Aktive mit dazu beigetragen, dass Wälder natur-verträglich und schonend bewirtschaftet werden und sich stellenweise ganz frei von menschli-chen Eingriffen entwickeln können.

Mit dem Waldreport möchte der BUND der Gesellschaft und den Entscheidungsträgern in derPolitik und in der Verwaltung aufzeigen, dass es diese breite Palette in der Art der Waldbewirt-schaftung in Deutschland gibt. Eine ökologisch verträgliche Waldwirtschaft ist möglich, das zei-gen auch die Positivbeispiele. Der BUND fordert, bestehende Gesetze und Verordnungen geradein Schutzgebieten konsequent umzusetzen und Verstöße zu ahnden. Um unsere Wälder davor zuschützen, für einen kurzfristigen Profit ausgebeutet zu werden, muss in einigen Ländern und aufBundesebene endlich auch der ordnungsrechtliche Rahmen verbessert werden, u.a. durch eineklare, dem Natur- und Waldschutz gerecht werdende Definition der guten fachlichen Praxis.Zudem fordert der BUND ausreichend und umfassend ausgebildetes Forstpersonal, um den viel-fältigen Anforderungen an den Wald gerecht zu werden.

Vorwort

Prof. Dr. Hubert WeigerVorsitzender des BUND

BUND-Waldreport 2016

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10 negative Fallbeispiele

Kahlschlag im LSG Timmerlaher Busch bei Wolfenbüttel

Massive Zerstö-rungen, starkes

Ausholzen,kubikmeter-

weise Schlamm in den

Burgleitenbach

Bundesland / Landkreis: Bayern /Weilheim-SchongauWaldbesitz: Privat – eine größere Waldbesitzerin und weitere kleine WaldbesitzerVerantwortlich für Bewirtschaftung: ein beauftragter Forstunternehmer bzw. -dienstleisterZuständige Forstbehörde: Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Weilheim, Bayerisches

ForstministeriumZeitraum: Januar bis März 2014Schutzstatus: NSG Pähler Schlucht, FFH-Gebiet 8033-371.01 Moränenlandschaft zwischen

Ammersee und Starnberger See

Details /Kurzbeschreibung:Im Laubmischwald in der Pähler Schlucht am Ammerseewurde im Privatwald der Holzeinschlag mehrerer Eigentü-mer im Januar / Februar 2014 durchgeführt, die Holzrü-ckung bis Mitte März beendet. Der Einschlag erstrecktesich vor allem über den westlichen, vorderen Teil der Päh-ler Schlucht. Auf einer Hiebsfläche von etwa 13 Hektarwurde eine Holzmenge von geschätzt 2.200 Festmeter mit-telstarker bis starker Bäume entnommen, die Hauptmengeauf einer Fläche von nur 7 Hektar. Das entspricht einer Ent-nahmemenge von etwa 170 Festmeter pro Hektar oder30Prozent des Holzvorrates, auf Teilflächen wurden bis zu50Prozent und mehr entnommen. Dabei entstanden meh-rere Lücken bis zu 0,3 Hektar, die das Mikroklima verän-dern. Auch Fällungen von Biotopbäumen, wie Spalten- undHöhlenbäume, Bäume mit Kronentotholz und von sehralten und dicken Bäumen sowie auch stark mit Epiphytenbewachsene Bäume sind dokumentiert.

Kritik des BUND/Rechtsverstoß:Diese Eingriffe verstoßen eklatant und in mehreren Punk-ten gegen die Naturschutzgebietsverordnung: beispiels-weise gegen das Schutzziel „Sicherung der artenreichenSchluchtwaldvegetation des Ahorn-Eschen-Waldes unddes Steilhang-Buchenwaldes“. Der in der Schlucht verlau-fende Burgleitenbach wurde auf mehreren hundert Meternals Rückeweg „missbraucht“. Es entstanden massive Boden-schäden, weil die Maßnahme entgegen der Beteuerung desbeauftragten Forstunternehmers auf nicht gefrorenemBoden durchführt wurde. Folgende FFH-Lebensraumtypenwurden durch die Eingriffe zerstört, massiv geschädigt oderbeeinträchtigt: Kalktuffquellen (prioritär, LRT 7220*),Waldmeister-Buchenwald (LRT 9130), Schluchtwälder(prioritär, LRT 9180) und Auewälder (prioritär, LRT 91E0).Durch die starke Auflichtung des Waldes rissen die Stürmevom Oktober 2014 sowie März 2015 zahlreiche weitereBäume um, was wegen der exponierten Lage absehbar war.

Massive ZerstörungenNaturschutzgebiet Pähler Schlucht

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Durch die übermäßige Holzentnahme verschlechterten sicheklatant die Habitatqualität für Alt- und Totholz besiedeln-de Arten und das Waldinnenklima für zahlreiche alpineArten. Die Erholungsfunktion ist für jährlich TausendeBesucher stark eingeschränkt.

Reaktion/Konsequenzen des Eigentümers, Wirtschaftersbzw. der Behörden: Als der BUND Naturschutz in Bayern (BN) von den Eingrif-fen erfuhr, informierte er die Behörden. Die Forstbehördekam auf Bitten des BN sofort vor Ort und veranlasste denForstunternehmer zu Änderungen bei den zur Fällung mar-kierten Bäumen. Problematisch war, dass dieser die geplan-ten Eingriffe nicht in der Gänze kommunizierte und so„scheibchenweise“ Fällaktionen in weiteren Bereichennachschieben konnte. Die Vertreter der Unteren und Höhe-ren Naturschutzbehörden waren leider trotz telefonischenDrängens durch den BN und der Vorlage von Gutachtennicht bereit, vor Ort zu kommen. Erst nachdem alle Bäumegefällt und die umfangreichen Schäden nicht mehr zu leug-nen waren, wurde die Holzrückung durch den Burgleiten-bach durch die Naturschutzbehörden abgestellt. Ein Gut-achten der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaftbestätigt die Kritikpunkte des BN im Wesentlichen. DieEigentümerin mit dem größten Waldanteil der PählerSchlucht drohte mit einer Klage, wenn der BN den Vorgangöffentlich macht. Bei den Beteiligten ist keine Einsichteines Fehlverhaltens festzustellen.

Ursachen-Analyse:Das Beispiel zeigt, dass es Waldbesitzer und Forstunterneh-men gibt, die offenbar kein Gespür für den Wert derSchutzgüter im Wald besitzen und in Kauf nehmen, dassdiese durch forstliche Eingriffe beeinträchtigt und zerstörtwerden. Sehr deutlich wurde auch die unzureichendeZusammenarbeit zwischen Forst- und Naturschutzbehör-den in Bayern. So argumentierte die Forstbehörde, dass sieauf Grundlage des bayerischen Waldgesetzes keine ausrei-chenden Regelungsmöglichkeiten in Naturschutzfragenbesitze. Die Naturschutzbehörden interpretieren bei derGenehmigung das Naturschutzrecht offenbar so, dass die„ordnungsgemäße“ forstliche Nutzung kein Eingriff nachFFH- oder Naturschutzrecht sei. Deshalb unterzogen sie diepraktizierte forstliche Nutzung offenbar auch keiner Prü-fung, beziehungsweise hinterfragten vorher nicht kritisch,ob das, was durchgeführt werden soll, überhaupt noch gutefachliche Praxis ist. Die Naturschutzbehörden haben denEingriff offenkundig als viel zu gering eingeschätzt und ihngenehmigt. Und schließlich haben sie zu spät auf die Mel-dungen des BN reagiert. Die Behörden diskutieren immernoch (!) Sanktionen und es ist noch unklar, ob sie rechtli-

che Schritte einleiten. Als besonders nachteilig sieht derBN, dass für die Pähler Schlucht immer noch kein FFH-Managementplan und generell in Deutschland keine ver-bindliche Regeln zur guten fachlichen Praxis im Wald vor-liegen.

Ausblick:Dieser extreme Vorfall zeigt deutlich, dass eine bundeswei-te, nach Schutzgütern und Schutzstatus differenzierteDefinition der guten fachlichen Praxis vordringlich ist, diefür alle Waldbesitzarten verbindlich ist und die Zuständig-keiten klar regelt und Sanktionen benennt. Vordringlich istauch, dass die Forstverwaltung grundsätzlich bei privatenWaldbesitzern für diese Regelungen und deren Einhaltungwirbt, anstatt sich dafür einzusetzen, dass derartige Rege-lungen verhindert werden. Damit trägt sie eine Mitverant-wortung an derartigen Vorkommnissen. Zudem steht derFall symptomatisch für die teilweise sehr schlechte Zusam-menarbeit im Bereich des Waldnaturschutzes zwischenForst- und Naturschutzbehörden in Bayern, die dringendverbessert werden muss. Die Staatsregierung muss demNaturschutz im Wald eine höhere Priorität einräumen. DerBN hat in diesem Fall nun eine Strafanzeige wegen Versto-ßes gegen das Naturschutzrecht und das Strafrechtgestellt. Ob eine weitere Klage wegen Verstoßes gegenUmweltschadensrecht sinnvoll ist, wird noch geprüft.

BUND-Waldreport 2016

RücksichtsloseHolzernte mitschwerem Gerätim Schlucht-wald

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Große Mengenvon über 200-jährigen, öko-logisch wert-vollsten Eichengefällt (Aus-

schnitt)

Bundesland / Landkreis: Bayern / Aschaffenburg, Miltenberg, Main-SpessartWaldbesitz: Staatswald des Freistaates BayernVerantwortlich für Bewirtschaftung: Bayerische Staatsforsten / Forstbetrieb Rothenbuch, daneben auch Forst-

betriebe Heigenbrücken, HammelburgZeitraum: ab 2012 bis heute anhaltendSchutzstatus: FFH-Gebiet Hochspessart, Vogelschutzgebiet Spessart

Details /Kurzbeschreibung: Seit 2012 bis heute wurden und werden im eichenreichenForstbetrieb Rothenbuch der Bayerischen Staatsforsten(BaySF) im Hochspessart in vielen Eichenbeständen gezieltkranke und abgestorbene Eichen gefällt. Das Holz wirdabtransportiert und an verschiedene Brennholzabnehmerverkauft. Forstverwaltung und BaySF begründen diese Fäl-lungen mit der Zunahme des Zweipunktigen Eichenpracht-käfers, der angeblich ökonomisch wertvolle Eichenbeständegefährde. Derartige Fällungen praktizieren auch die Spes-sartforstbetriebe Heigenbrücken und Hammelburg. Imregionalen Naturschutzkonzept des Forstbetriebes Rothen-buch wurde dieses Vorgehen und damit einhergehend derVerzicht auf quantitative Totholzziele in Eichenbeständenfestgeschrieben.

Kritik des BUND/Rechtsverstoß:Der BUND Naturschutz in Bayern (BN) kritisiert die Fällun-gen als ökologisch schädlich und auch als unsinnig, weil derForstschutz in Bayern bisher den Beweis schuldig geblieben

ist, dass das Belassen der kranken Eichen die Vermehrungdes Zweipunktigen Eichenprachtkäfer fördern würde. Ins-besondere Prachtkäferspezialisten stufen dieses Vorgehenals fachlich nicht begründet ein. Zudem wird vor den ein-zelnen Fällungen offenbar nicht untersucht, ob überhauptein Prachtkäferbefall gegeben ist bzw. welche von den 17an Eiche lebenden und teilweise gefährdeten Prachtkäfer-arten vorkommen. So werden auf Basis von Unkenntnis undreinen Befürchtungen anstatt auf Basis von Evidenz wert-volle Lebensräume vernichtet. Seit Jahren fordert derNaturschutz hierzu eine konsequente Praxisstudie mit aus-reichenden Wiederholungen, was die Forstschutzseitejedoch konsequent ignoriert. Dabei weist die Forstseiteselbst gerne darauf hin, dass die Eichenwirtschaft wegenabsterbender und toter Eichen einen sehr wertvollenLebensraum für seltene Holzbewohner biete.

Der BN kritisiert, dass mit den beschriebenen Eichenfällun-gen auf 25 Prozent der Forstbetriebsfläche Rothenbuch(entsprechend des Eichenanteils) massenhaft Totholz- und

Wertvolle Eichen gefällt, Lebensräume beseitigtFFH- und Vogelschutzgebiet Spessart

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AbgestorbeneEichen im gro-ßen Stil gefällt(Ausschnitt)

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Biotopbäume gefällt und Totholzziele aufgegeben werden.Der BN wertet dies im FFH-Gebiet Hochspessart als Verstoßgegen das Erhaltungsziel „Erhaltung von Höhlen- und Bio-topbäumen sowie eines ausreichenden Alt- und Totholzan-teils und der hieran gebundenen charakteristischen Arten“in den FFH-Lebensraumtypen Hainsimsen-Buchenwald undSchlucht- und Hangmischwald. Vor dem Hintergrund dermassiven, pauschalen Entnahmen ist auch zu prüfen, ob hierweitere Verstöße gegen das Artenschutzrecht vorliegen.

Der BN kritisiert auch grundsätzlich die Art der Eichenbe-wirtschaftung im Spessart, die mit massiven Eingriffenzulasten der Buche hohe Eichenanteile sichert. Dies reichtvon kahlschlagartigen Verjüngungsverfahren bis hin zurfast völligen Beseitigung starker Buchen in Eichenbestän-den. Dies verstärkt den Lichteinfall und fördert dadurchwärmeliebende Insekten wie die Prachtkäfer. Wenn derZweipunktige Prachtkäfer „bekämpft“ werden soll, sindstarke Eingriffe und das Entfernen von kränkelnden Eichenund Totholz also genau der falsche Weg. In Totholz entwi-ckelt sich der Zweipunktige Prachtkäfer ohnehin nicht.

Reaktion/Konsequenzen des Eigentümers, Wirtschaftersbzw. der Behörden: Der BN hat sich Anfang März 2014 schriftlich an denhauptsächlich betroffenen Forstbetrieb Rothenbuchgewandt. In seiner Antwort bestritt der Forstbetrieb, dass eskein Totholzziel für Eichenwälder mehr gäbe, es gäbe ebenein „nicht quantifiziertes“ Totholzziel. Dieses solle in denEichenwäldern vorrangig durch Buchenholz erreicht wer-den. Dabei gibt es in diesen Wäldern nur wenige, eherdünne Buchen.

Auf die Frage des BN nach einem Zusammenhang zwischenEichenprachtkäfer und den Absterbe-Erscheinungen räum-te der Forstbetrieb ein, dass es keine eindeutigen For-schungsergebnisse gäbe und verwies auf die Erfahrungender Revierförster und auf Empfehlungen der Waldschutzex-perten der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft(LWF). Seit Februar 2014 fragte der BN bei der LWF mehr-fach nach einem Projektbericht über Absterbe-Ursachen beiEichen, der dem BN jedoch bis Ende 2015 nicht übermitteltwurde. Der BN konnte in den Forstbetrieben und in derForstverwaltung keine Veränderung in der Bewertung undim Vorgehen feststellen.

Ursachen-Analyse:Der Vorgang zeigt, wie im bayerischen Staatswald Manage-ment frei von wissenschaftlichen Erkenntnissen praktiziertwird. Es stellt sich die Frage, wofür staatliche Forschungs-anstalten finanziert werden. Diese Kritik trifft insbesondere

auf die Waldschutzabteilung der LWF zu. Die Fällungen imSpessart belegen deutlich, dass die BaySF selbst in den öko-logisch hochwertigsten Wäldern auf eine „saubere“ Wald-wirtschaft setzen, die zur Beseitigung ökologisch wertvolls-ter Strukturen führt. Und dies, ohne dass überhaupt klar ist,welche Käferarten die Eichen befallen haben und wie sichdas auswirkt. Diese Grundstrategie wurde vor langer Zeit imRahmen der modernen Forstwirtschaft eingeführt und hatzum Aussterben vieler Arten geführt. Nach heutigemKenntnistand ist diese Strategie nicht mehr akzeptabel.Völlig absurd ist die Eigeneinschätzung des Leiters desForstbetriebs Rothenbuch, der von „sehr ambitioniertenNaturschutzzielen“ spricht, obwohl der Forstbetrieb seit2012 regelrecht „Jagd“ auf tote und absterbende Eichenmacht und damit ökologisch sehr wertvolle Lebensräumebeseitigt.

Ausblick: Die Fällungen von absterbenden und abgestorbenen Eichensind sofort einzustellen. Die Forstverwaltung und die BaySFsollten die interessierte Öffentlichkeit und Naturschutzver-bände transparent informieren. Die Waldschutzabteilungder LWF wird ermahnt, die Regeln wissenschaftlichenArbeitens zu berücksichtigen oder notwendige Untersu-chungen an geeignete Wissenschaftsinstitute abzugeben.

Vor einer Neu-pflanzung kahl-schlagartigerEingriff, Boden

zerstört

Bundesland / Landkreis: Hessen / BergstraßeWaldbesitzart: Staatswald Land HessenVerantwortlich für Bewirtschaftung: Hessen-Forst, Forstamt LampertheimZeitraum: Ende 2013 / Anfang 2014Schutzstatus: FFH-Gebiet, Vogelschutzgebiet

Details / Kurzbeschreibung:Im Hessischen Ried wurde 2013 / 2014 der Altbestand einesdurch Grundwasserentnahmen geschädigten Laubmisch-waldes mit Kiefer auf etwa zwei Hektar kahlschlagartigaufgelichtet. Bodenvegetation, Strauchschicht und kleinereBäume wurden vollständig beseitigt. Vor der geplanten Kie-fernnachpflanzung wurde der Boden mit schwerem Gerätbearbeitet, so dass auch noch der Humushorizont vollstän-dig zerstört wurde. Ziel der Maßnahme war die Umwand-lung des naturnahen Mischwaldes zu einer Kiefernmono-kultur. Die Waldfläche ist durch eine Rechtsverordnungsowohl als FFH-Gebiet 6417-350 „Reliktwald Lampertheimund Sandrasen untere Wildbahn“ als auch als EU-Vogel-schutzgebiet 6417-450 „Wälder der Hessischen Oberrhein-ebene“ geschützt.

Die Vorgehensweise ist kein Einzelfall: Es ist das erklärteZiel von Hessen-Forst, die historischen Laub- und Laub-mischwälder auf den grundwasserfernen Standorten durchKiefern-Monokulturen sowie durch Anpflanzungen der

Neophyten Küstentanne, Roteiche und Douglasie zu erset-zen. Dies dokumentieren Vorlagen, die Hessen-Forst amRunden Tisch einbrachte, der von der Politik zur Verbesse-rung der Grundwassersituation und Sanierung der Wälderim Hessischen Ried eingerichtet wurde.

Kritik des BUND / Rechtsverstoß:Der BUND wertet den beschriebenen brutalen Waldbau alsRechtsverstoß gegen die Schutzziele des FFH- und des EU-Vogelschutzgebietes, weil dadurch die Schutzwürdigkeitdes FFH- und des Vogelschutzgebietes zerstört wird. DieVorgehensweise wird zu massiven Bestandsabnahmen vonSchwarz-, Mittel- und Grauspecht führen. Dabei war einwichtiger Ausweisungsgrund für das Vogelschutzgebiet,dass es zu den besten fünf Gebieten für Schwarz- und Mit-telspecht in Hessen gehört. Das Entwicklungsziel im Hessi-schen Fachkonzept zur Ausweisung der Vogelschutzgebietelautet: „Erhaltung der lichten, trocken-warmen Wälder mitihrem Kiefernanteil und ihren eingestreuten Sonderbioto-pen und den hieran gebundenen Vogelarten sowie Erhal-

Waldbau brutalHessisches Ried

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tung der vorkommenden Laubmischwalder mit Buche undEiche.“ Mit diesem Ziel ist die großflächige Umwandlungder Laub- und Laubmischwälder nicht vereinbar.

Der BUND kritisiert zudem, dass diese Waldbautechnik zurweiteren Destabilisierung der Wälder führt. Die Öffnungdes Waldbestandes begünstigt Eindringen und erneuteMassenvermehrung des Maikäfers in durch Grundwasser-absenkung geschädigte bzw. von Natur aus grundwasser-ferne Bestände. Sie forciert außerdem die spontane Mas-senvermehrung der neophytischen Spätblühenden Trauben-kirsche, die ihrerseits durch massive Bekämpfung zurückge-drängt werden muss, damit sie nicht die gepflanztenBäume überwächst.

Reaktion / Konsequenzen des Eigentümers,Wirtschafters bzw. der Behörden: Vorrangiges Ziel ist für Hessen-Forst nicht die Erhaltungdes Waldes als Lebensgrundlage der geschützten Vogel-und FFH-Arten sowie der Waldlebensraumtypen, sonderndie Schaffung eines Wirtschaftswaldes mit maximalerErtragsperspektive. Hessen-Forst begründet sein Vorgehenmit der Standortveränderung, die im Hessischen Ried vorrund 60 Jahren mit den einsetzenden massiven Grundwas-serentnahmen begann. Diese Veränderung zwinge angeb-lich zu dem brutalen Waldbau mit deutlicher Ausweitungder Baumartenanteile der Neophyten.

Ursachen-Analyse:Forsten und Naturschutz sind sich einig: Um dem Waldnachhaltig zu helfen, müssten Verbesserungen des Wasser-haushaltes erfolgen. Wo dies absehbar nicht erreicht werdenkann stellt sich die Frage nach der abgemessenen waldbau-lichen Reaktion. Hierzu besteht massiver Dissens. Währendder BUND die naturnahen, alten Wälder unter Hinnahmevon Einnahmeverzichten empfiehlt, will Hessen-Forst denAltbaumbestand noch möglichst wirtschaftlich nutzen, dannzügig umwandeln und dabei vermehrt Neophyten wie Dou-glasie und Roteiche einbringen, die man für standortgerech-ter hält. Dabei wird ignoriert, dass sich in der Praxis an vie-len Stellen zeigt, dass unsere heimischen Baumarten auchbei Wassermangel vitaler sind als die von Hessen-Forst pro-pagierten Neophyten. So sind schon Kulturen von Roteicheund Douglasie missglückt, während sich vielerorts Rotbu-chen und Stieleichen finden, die trotz Wassermangel gutbelaubt sind. Diese Bäume sollen nach Meinung des BUNDdie Mutterpflanzen der nächsten Baumgeneration werden,auch wenn sie keine starken Wuchsleistungen zeigen unddamit der holzwirtschaftliche Nutzen des Waldes sinkt.

In seiner Schrift „Chancen und Risiken der Waldentwicklungim Hessischen Ried“ hat der BUND aufgezeigt, wie die Wäl-der möglichst lange erhalten und mit unseren heimischenBaumarten naturnah stabilisiert werden können. Gestütztauf die Forderung des Bundesamtes für Naturschutz sollteder Anbau der Douglasien wegen ihrer Invasivität auf tro-ckenen, sandigen Standorten im Hessischen Ried verbotenwerden.

Ausblick:Eine Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und Forstver-waltung zur Rettung der betroffenen Waldgebiete ist drin-gend geboten. Dazu besteht Hoffnung, denn aktuell solleiner der Vorschläge des BUND, die Verwendung vonEichen-Saatgut, das an trockenheitsresistenten heimischenAlteichen des Naturraums gewonnen wird, in Zusammenar-beit mit dem örtlichen Forstamt auf kleinen Flächen umge-setzt werden.

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Kiefern-Kultur,von Spätblühen-der Traubenkir-sche überwach-sen

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Fichtenbonsaidurch

Wildverbiss

Bundesland / Landkreis: Hessen / Main-Kinzig-KreisWaldbesitzart: Staatswald Land HessenVerantwortlich für Bewirtschaftung: Hessen-Forst / Forstamt JossgrundZeitraum: seit mehreren Jahrzehnten, aktuell massives Einbringen der DouglasieSchutzstatus: –

Details / Kurzbeschreibung:Das seit Jahrzehnten als Rotwildrevier bekannte ForstamtJossgrund im hessischen Spessart weist derart gravierendeWildschäden auf, dass – neben den Schäden für die Natur-letztlich nur noch von der Zerstörung von Staatseigentumgesprochen werden kann.

Kritik des BUND / Rechtsverstoß:Bonsai-Krüppel-Bäumchen sowohl bei Fichte als auch beider Buche, großflächige Schälschäden insbesondere an derFichte und zusammenbrechende Bestände aufgrund vonsekundären Einflüssen nach Schälung durch das Rotwildbeherrschen an vielen Stellen das Bild des Waldes im Forst-amt Jossgrund. Im gesamten Forstamtsbereich gibt es ineinem enormen Ausmaß jagdliche Einrichtungen.Schussschneisen mit 20 –30 Meter Breite, Kanzeln mitSchussmöglichkeiten in viele Richtungen sind schon inLuftbildern einfach auszumachen. Die Wildäsungsflächennehmen im Forstamt größere Flächen ein als beispielswei-se die Kernflächen (Naturwälder mit Prozessschutz), die der

Umsetzung der Naturschutzleitlinie für den Staatswald die-nen. Letztere sind im Forstamt Jossgrund deutlich unterre-präsentiert und bilden mit 1,7 Prozent der Fläche dasSchlusslicht aller hessischen Forstämter. Als i-Tüpfelchenwurden sogar 13 Hektar Fläche völlig ohne Baumbestandals Kernfläche ausgewiesen.

Hinzu kommt, dass im Bereich des Forstamtes Jossgrundein weit überproportionaler Anteil an Fichte wächst undLaubholzbestände nur weit unterdurchschnittlich repräsen-tiert sind. Der BUND kritisiert die forstlichen Maßnahmen,die aktuell ergriffen werden, denn sie weisen weiterhinmassiv in die falsche Richtung: Die Fichten werden durchDouglasien ersetzt, teilweise wird sogar die Naturverjün-gung der Buche am Rand von Fichtenbeständen gezieltbeseitigt und durch Pflanzungen mit Douglasien ersetzt.Zum Teil werden kleinste Windwürfe in der Buche genutzt,um durch zusätzliche Fällungen kleine Lichtungen zuschaffen und diese gleichfalls mit Douglasie aufzuforsten.

Hirschrudel im Bonsai-WaldForstamt Jossgrund

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Damit wird die dringend notwendige Erhöhung des Laub-holzanteils im Jossgrund aktiv verhindert.

All diese Maßnahmen, die weit überhöhten Rotwildbestän-de, das Zurückdrängen der Buche und der vermehrte Ein-satz der Douglasie gehen in die falsche Richtung, weg voneiner naturnahen Forstwirtschaft. Sie sind nicht geeignet,im Forstamt Jossgrund Zustände herzustellen, die den Zie-len und Vorgaben zur Bewirtschaftung des hessischenStaatswaldes entsprechen.

Reaktion / Konsequenzen des Eigentümers, Wirtschaftersbzw. der Behörden:Hinweise auf die untragbaren Zustände im Jossgrund gibtes seit Jahren, passiert ist leider nichts. Presseberichterstat-tung und kritische Schreiben des BUND an die zuständigenStellen haben bisher kein Umdenken bewirkt.

Ursachen-Analyse:Es hat bis heute keine Konsequenzen gegeben, obwohl dieweit überhöhten Bestände des Rotwildes im Forstamt Joss-grund seit Jahrzehnten bekannt sind. Die Schälschäden sindum das ca. 3-fache über dem als vertretbar geltenden Maßerhöht, trotzdem wird der Abschussplan auf Vorschlag desForstamtes nicht erhöht. Dies belegt die Befangenheit derhandelnden Personen, die fehlende Kontrolle der Aufsichts-behörden, die Passivität des Landesbetriebs Hessen Forstund jahrzehntelanges Versagen der Landespolitik in diesemPunkt gleichermaßen.

Ausblick: Im Forstamt Jossgrund steht, seit Jahrzehnten bekannt, dieFörderung enormer Wilddichten im Fokus der handelndenPersonen. Der Wald wird nachrangig behandelt, dient nurals Kulisse für viel zu viele Hirsche und jagdliche Freuden.Für die persönlichen Interessen einiger weniger wirdStaatseigentum quasi annektiert und missbraucht – mitallen schlimmen Folgen sowohl ökologischer als auchfinanzieller Art.

Der BUND fordert die vorgesetzten Stellen nachdrücklichzum Eingreifen auf. Der BUND fordert endlich ein klaresund unmissverständliches Signal des zuständigen Ministe-riums, klare und nachprüfbare Vorgaben zur deutlichenVerringerung des Rotwildes sowie den Einsatz von verant-wortungsbewussten Personen im Forstamt Jossgrund. Somuss beispielsweise unterbunden werden, dass die Wild-gutachten, als Grundlage für die Abschussplanung, vomForstamt selbst gemacht werden und dann von der unterenJagdbehörde (ggf. wider besseres Wissen) ohne Korrekturübernommen werden.

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Buchenbonsai durch Wildverbiss

Rudel Hirsche auf Wiese

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Kahlschlag imFFH- und

Vogelschutzge-biet Wälderzwischen

Braunschweigund Wolfsburg

Bundesland / Landeskreis: Niedersachsen / HelmstedtWaldbesitzart: Landeswald NiedersachenVerantwortlich für Bewirtschaftung: Niedersächsische Landesforsten / Forstamt WolfenbüttelZeitraum: 2005 bis 2015Schutzstatus: FFH-Gebiet 101 Wälder zwischen Braunschweig und Wolfsburg, gleichzeitig

Vogelschutzgebiet 48; FFH-Gebiet 102 Beienroder Holz; LSG

Details / Kurzbeschreibung:Das Forstamt Wolfenbüttel legt seit 2005 in seinen altenEichenwäldern, besonders im Schutzgebietssystem Natura2000, Kahlschläge in einer Größe zwischen 0,5 bis 1,8 Hek-tar Größe an. Es handelt sich zumeist um den FFH-Lebens-raumtyp 9160 "Subatlantischer Sternmieren-Eichen-Hain-buchenwald“. Die Waldflächen wurden abgeholzt, vollständiggeräumt, ganzflächig befahren und die greifbare Biomasseals Vollbaumnutzung mit Laub vermarktet.

Neuerdings zerkleinern Häcksler dabei unter weitergehenderZerstörung des Humushorizontes die vorhandenen restlichenStrukturen auf und im Boden einschließlich der Baumstümp-fe, um eine anschließende maschinelle Pflanzung oder Saatzu ermöglichen. Das Gelände wird dabei nivelliert. Außerdemwurden ohne Rechtsgrundlage Entwässerungen vorgenom-men und Wege ausgebaut.

Begründet werden die Kahlschläge in diesen Größen mit

wirtschaftlichen Erfordernissen. Dabei zeigen die bisherigenEichensaaten oder –pflanzungen teilweise hohe Ausfälle biszu Totalausfällen. Es entstehen sehr hohe Kosten für die Kul-turpflege, Nachpflanzungen und die Sicherung gegen Wild-verbiss, teilweise über einen Zeitraum von bis zu zehn Jah-ren. Erd- und Rötelmäuse, die sich verstärkt in den Pflanzun-gen vermehren, werden mit Gift geködert. Durch die hohenKosten dieser Kulturverfahren sind hohe betriebswirtschaft-liche Verluste zu verzeichnen, die das Argument der wirt-schaftlichen Erfordernisse deutlich widerlegen.

Im Abstand von vier Jahren erfolgten zwei Kartierungen derMittelspecht-Population (eine der Zielarten des Natura 2000Gebiets) durch ein Fachbüro. Diese belegen, dass die Popula-tion auf Grund der Kahlschläge deutlich abgenommen hat.Trotz diesen erschreckenden Befunds behält das ForstamtWolfenbüttel die bisherige Kahlschlagpraxis bis heute beiund intensiviert sogar die lebensraumzerstörenden Flächen-vorbereitungen.

Kahlschläge und EntwässerungenFFH- und Vogelschutzgebiete beim Forstamt Wolfenbüttel

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Kritik des BUND / Rechtsverstoß:Die Formen der Kahlschläge, Entwässerungen und Wegeaus-bauten in den FFH-Gebieten des Forstamtes Wolfenbüttelwerden ohne Rechtsgrundlage vorgenommen. Die UntereNaturschutzbehörde des Landkreises Helmstedt wurde nichteinbezogen. Es existiert keine Schutzgebietsverordnung,obgleich diese rechtlich seit 2010 vorgeschrieben ist. Wederwurde eine FFH-Verträglichkeitsprüfung vorgenommen, nochbesteht alternativ ein mit der Naturschutzbehörde abge-stimmter Managementplan unter erforderlicher Beteiligungder anerkannten Naturschutzverbände. Damit wird die Betei-ligung der Verbände unterlaufen. Die Bitte der Verbände umEinsichtnahme in die Naturaldaten einzelner Bestände wer-den diesen mit dem Hinweis auf vermeintliche Betriebsge-heimnisse verwehrt.

Die Maßnahmen des Forstamtes Wolfenbüttel sind Verstößegegen das niedersächsische Regierungsprogramm LÖWE(Langfristige Ökologische Waldentwicklung), deren Hand-lungsanweisung für Eichenbegründungen Pflanzungen oderSaat in Löchern von 0,1 bis 0,3 Hektar festlegt. WINKEL et al.(2005)1 bewerten Kahlschläge über 0,5 Hektar nicht mehr alsGute fachliche Praxis, wenn erhebliche Beeinträchtigung desBodens, des Wasserhaushalts oder sonstiger Waldfunktionenzu erwarten sind. Dies ist bei den kritisierten Maßnahmen derFall. Im Bundesnaturschutzgesetz steht unter § 5 Absatz (3):„Bei der forstlichen Nutzung des Waldes ist das Ziel zu ver-folgen, naturnahe Wälder aufzubauen und diese ohne Kahl-schläge nachhaltig zu bewirtschaften. […] Diesen Grundsatzmacht sich das niedersächsische Waldgesetz leider nicht zuEigen.

Durch die Kahlschlagpraxis des Forstamtes und dem gezieltenFällen von Biotopbäumen sind nachweislich neben den Nach-zuchtstätten des Mittelspechtes weitere besonders strenggeschützter Vogel- und Käferarten zerstört worden, wie bei-spielsweise dem Hirschkäfer oder dem Bluthalsschnellkäfer -letzterer jahrzehntelang in Niedersachsen verschollen.

Reaktion / Konsequenzen des Eigentümers,Wirtschafters bzw. der Behörden:Der Landkreis Helmstedt hat sich wiederholt zu dem rechts-widrigen Verhalten des Forstamtes gegenüber der Landesre-gierung geäußert. Die Verbände BUND, NABU und Green-peace haben die Rechtsverstöße seit zehn Jahren in dieÖffentlichkeit gebracht. Der Niedersächsische Heimatbundhat in der „Roten Mappe 2015“, seinem kritischen Jahresbe-richt, auf dem 96. Niedersachsentag am 9. Mai 2015 in Wes-terstede gegenüber dem niedersächsischen Ministerpräsi-denten das Verhalten des Forstamtes scharf kritisiert.

Das Forstamt hat die Kritik zurückgewiesen und die ein-wandfrei zu ermittelnden Größen der Kahlschläge abgestrit-ten. In den vergangenen zehn Jahren wurde trotz Kenntnisdes Konfliktes die Vorgehensweise des Forstamtes wederdurch die Betriebsleitung, noch im Rahmen der Rechts- undFachaufsicht der Fachministerien für Wald und Naturschutzunterbunden. Die Behauptungen des Forstamtes wurden aufihren Wahrheitsgehalt trotz Forderung des BUND bishernicht überprüft.

Ursachen-Analyse:Im Forstamt Wolfenbüttel werden nicht nur massive nega-tive Auswirkungen auf die biologischen Vielfalt und denWaldboden billigend in Kauf genommen, sondern auch öko-nomische Zweifel an der Forstpraxis des Amtes ignoriert. Diemehrfach geäußerten Bedenken der Unteren Naturschutz-behörde wurden durchgehend ignoriert. Die Rechts- undFachaufsicht der Fachministerien für Wald und Naturschutzkommt ihrer Pflicht, den pfleglichen Umgang mit dem Waldbesonders in Natura 2000 Gebieten sicherzustellen, nichtnach. Die Landesregierung scheut den Konflikt.

Ausblick:Es ist davon auszugehen, dass sich durch die Gesamtwir-kung der massiven Eingriffe in die wertvollsten Bestandes-teile der FFH- und Vogelschutzgebiete im Zuständigkeits-bereich des Forstamtes Wolfenbüttel ihr Erhaltungszustanderheblich verschlechtert hat. Wahrscheinlich können Biodi-versitätsschäden festgemacht werden, die nach Prüfungeine Haftungs- und Sanierungspflicht auslösen.

BUND-Waldreport 2016

Kahlschlag imFFH-Gebiet Beienroder Holz

1 Winkel, G., Schaich,H., Konold, W., Volz,K.-R. (2005):Naturschutz undForstwirtschaft:Bausteine einerNaturschutzstrate-gie im Wald. Natur-schutz und Biologi-sche Vielfalt 11

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Selbst Höhlen-bäume fielendem Einschlagzum Opfer

Bundesland / Landkreis: Naturschutzgebiet Finkenberg / LerchenbergWaldbesitz: Landeswald NiedersachsenVerantwortlich für Bewirtschaftung: Niedersächsische Landesforsten / Forstamt LiebenburgZeitraum: Frühjahr 2014Schutzstatus: NSG, Vogelschutzgebiet, angrenzend FFH-Gebiet

Details / Kurzbeschreibung: Die niedersächsischen Landesforsten haben bei der Holzern-te in der Abteilung 2215 des Staatswalds Finkenberg /Ler-chenberg Ende Februar 2014 fast alle alten Buchen (> 120Jahre) gefällt. Verblieben sind nur junge Bäume und als Habi-tatbäume gekennzeichnete ältere Buchen. Unter den gefäll-ten Bäumen waren auch Biotopbäume mit Spechthöhlen.

Der artenreiche Wald im Naturschutzgebiet „Finkenberg /Lerchenberg“ aus Rotbuchen, Edellaubbäumen und Eichenbesteht seit mehr als 150 Jahren. Das NSG ist Bestandteildes FFH-Gebietes 115 "Haseder Busch, Giesener Berge,Gallberg, Finkenberg" und EU-Vogelschutzgebiet: NebenBunt- und Grünspechten leben hier auch die viel seltenerenMittel-, Klein-, Schwarz- und Grauspechte.

Kritik des BUND / Rechtsverstoß:Durch die Entnahme fast aller Altbäume wurde das Wald-stück für die nach EU-Recht streng geschützten Vogelartenals Lebensraum entwertet, was eine rechtswidrige Ver-

schlechterung des Erhaltungszustands bedeutet. Der Ein-schlag verstößt auch gegen die Naturschutzgebiets-Ver-ordnung, weil bei der forstwirtschaftlichen Nutzung desGebietes keine Höhlenbäume entnommen werden dürfen.Die gefällten Stämme sollten im März, als schon Frühblü-her ausgetrieben waren, aus dem Bestand geholt werden,obwohl Holzerntemaßnahmen laut Schutzverordnung vorBeginn des Neuaustriebs der Bodenvegetation beendet seinmüssen. Ein Teil des Holzeinschlags erfolgte zudem ineinem Sonderbiotop, für den die Freistellung der Forstwirt-schaft in der Naturschutzgebiets-Verordnung nicht gilt.

Reaktion / Konsequenzen des Eigentümers, Wirtschaftersbzw. der Behörden: Laut Schutzgebietsverordnung muss die Bewirtschaftungauf Grundlage eines mit der Naturschutzbehörde einver-nehmlich abgestimmten Pflege- und Entwicklungsplans(auch „Erhaltungs- und Entwicklungsplan“, neuerdings„Bewirtschaftungsplan“) erfolgen, in dem verbindliche Aus-sagen u. a. zu Alt- und Totholz, Habitatbäumen und Vogel-

Rücksichtsloser Holzeinschlag Naturschutzgebiet Finkenberg / Lerchenberg

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schutz enthalten sind. Für das Naturschutzgebiet liegt seit2011 der Entwurf eines Bewirtschaftungsplans vor, derjedoch bislang nicht einvernehmlich mit der unteren Natur-schutzbehörde (UNB) abgestimmt werden konnte.

In die Gespräche über den Bewirtschaftungsplan warenzuletzt in 2012 /2013 auch die Hildesheimer Naturschutz-verbände einbezogen worden. Es wurde abgesprochen, dassim Wald keine „Fakten geschaffen“ werden sollen, solangeder Bewirtschaftungsplan nicht abgestimmt ist. Dagegenhat das Forstamt Liebenburg verstoßen. Die Verbändewaren nicht nur über das Ausmaß der Fällungen, sondernauch den Zeitpunkt und die Tatsache, dass es vorab keineAnkündigung gab, verärgert. Nach Entdeckung des Ein-schlags untersagte die untere Naturschutzbehörde denweiteren Holzeinschlag und Holzrückearbeiten.

Das zuständige Forstamt bedauert die Maßnahme inzwi-schen. Die Höhlenbäume seien bei der Kennzeichnung nichterkannt worden. Das Sonderbiotop sei in den Unterlagender Landesforsten (Forsteinrichtung und Entwurf desBewirtschaftungsplans) nicht verzeichnet gewesen und seideshalb nicht beachtet worden. Es wurde vereinbart, dassals Ersatz für die im Sonderbiotop gefällten Buchen eineGruppe bisher nicht gesicherter Altbäume einvernehmlichausgewählt und dauerhaft erhalten werden soll. Außerdemsollte ein „Runder Tisch“ mit Verbänden und UNB wiederaufleben, was inzwischen auch geschehen ist. Die Landes-forsten haben zudem, wie von Verbänden und UNB zuvorgefordert, an anderer Stelle des NSG mit der Erprobung vonEichenverjüngung begonnen. Die vorgesehene Neufassungdes Bewirtschaftungsplans liegt den Verbänden noch nichtvor, soll aber demnächst am „Runden Tisch“ erörtert werden.

Ursachen-Analyse:Beeinträchtigungen von Natura-2000-Gebieten (FFH-Gebieten, Vogelschutzgebieten) durch radikale Holzein-schläge sind in Niedersachsen kein Einzelfall. Am BeispielLerchenberg, bei dem sich das zuständige Forstamt letztlichkooperativ und einsichtig zeigte, wird aber einmal mehrdeutlich, dass der Schutz von Wäldern in Natura-2000-Gebieten landesweit sehr im Argen liegt.

Das Besondere in diesem Fall ist, dass eine Schutzverord-nung bereits vorhanden war, die grundsätzlich hinreichen-de Regelungen enthält, um die Schutzziele zu erreichenund auf deren Grundlage die Naturschutzbehörde ein-schreiten konnte. Bei einem Großteil der Natura-2000-Gebiete in Niedersachsen fehlen solche Verordnungen. Diefrühere schwarz-gelbe Landesregierung hatte lange die

Unterschutzstellung von Natura-2000-Gebieten behindertund auf freiwillige Maßnahmen und ihre Förderung durchVertragsnaturschutz gesetzt, ohne allerdings hierfür auchnur ansatzweise hinreichende Mittel bereitzustellen. Aberauch nach dem Regierungswechsel im Februar 2013 blo-ckierte das Umweltministerium den Erlass von NSG-Verord-nungen für europäische Schutzgebiete, wenn in diesen Flä-chen Wälder enthalten sind, was bei 75 % der niedersäch-sischen FFH-Gebiete der Fall ist. Da die Frist, bis zu dernach der FFH-Richtlinie Schutzverordnungen erlassen wer-den müssen, längst abgelaufen ist, hat die EuropäischeKommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet,bei dem empfindliche Geldbußen drohen.

Hindernis für die Unterschutzstellung der Natura-2000-Wälder war ein Erlass der Vorgängerregierung („Unter-schutzstellungserlass Wald“) mit Vorgaben für NSG-Verord-nungen, die eine erhebliche Verschlechterung gegenübervielen vorhandenen Schutzverordnungen, wie etwa derNSG-Verordnung Finkenberg/Lerchenberg bedeuten. ZumBeispiel muss in den meisten Buchenwald-Lebensräumendie Neuanpflanzung von 10 Prozent gebietsfremden Baum-arten wie der Douglasie erlaubt werden, auch wenn diese inden FFH-Gebieten bis dahin nicht vorkamen. Die Natur-schutzverbände BUND, NABU und Greenpeace haben zudiesem Erlass ein Rechtsgutachten eingeholt, das zu demErgebnis kommt, dass diese Vorschriften gegen nationalesund europäisches Recht verstoßen. Der Erlass war seit demRegierungswechsel „auf dem Prüfstand“. Im Oktober 2015wurde er dann mit nur wenigen Änderungen neu herausge-geben. So steht am Ende der über zweieinhalbjährigenZwangspause für den Waldnaturschutz eine Vorschrift, die

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Naturschutzge-biets-Schilderwaren nichtSchutz genug

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Fast alle älte-ren Buchen

wurden gefällt

die Naturschutzbehörden zu rechtswidrigen Schutzverord-nungen zwingt.

Ein weiteres großes Problem besteht in der Geheimhaltungder geplanten Nutzungen (Forsteinrichtungen) durch dieLandesforsten auch gegenüber den Naturschutzbehörden,wodurch Fehler wie am Lerchenberg erst möglich werden.In den Bewirtschaftungsplänen wird zum Beispiel zur Alt-holzerhaltung nur ein Nachweis erbracht, dass im nächstenJahrzehnt in den geschützten Waldlebensraumtypen einFlächenanteil von 20 Prozent Altbeständen (> 100 Jahre)stehen gelassen wird. Inwieweit Altbestände auf den übri-gen 80 Prozent der Fläche eingeschlagen werden, wird denNaturschutzbehörden und -verbänden nicht mitgeteilt.Wenn Altbestände aber deutlich reduziert werden, bedeu-tet das eine erhebliche Beeinträchtigung vieler Arten, zumBeispiel Specht- oder Fledermausarten, für die die Gebieteunter Schutz gestellt wurden. Der BUND hatte deshalbgegen die Landesforsten vor dem Verwaltungsgericht Han-nover geklagt und exemplarisch für zwei FFH-Gebietegefordert, dass die geplanten Nutzungen offengelegt wer-den. Für alle anderen Gebiete wird weiterhin systematischdie Transparenz verweigert.

Ein weiterer „Systemfehler“ besteht schließlich darin, dassin Niedersachsen zwar die Verantwortung für die Natura-2000-Gebiete den unteren Naturschutzbehörden übertra-gen wurde, ihnen aber keine hinreichenden Befugnissegegeben werden. Zwar erarbeiten die Landesforsten füralle FFH-Gebiete auf eigenen Flächen Bewirtschaftungs-pläne, zu denen die Naturschutzverbände neuerdings auch

Stellung nehmen dürfen. Wenn die untere Naturschutzbe-hörde jedoch, wie beim NSG Finkenberg / Lerchenberg, eineVerschlechterung des Gebietszustandes befürchtet unddeshalb das Einvernehmen nicht erteilen kann, dürfen dieLandesforsten trotzdem ihre gewünschte Bewirtschaftungfortsetzen.

Ausblick: Der BUND fordert daher Vorgaben des Landes für denSchutz von Natura-2000-Wäldern, die den Naturschutzwirklich voranbringen, insbesondere als ersten Schritt eineAufhebung oder grundsätzliche Änderung des europa-rechtswidrigen Walderlasses. Notwendig sind auch eineOffenlegung der Nutzungsplanung mit Festlegung von Nutzungsobergrenzen auf Einzelbestandsebene im Rahmender Aufstellung von Bewirtschaftungsplänen und ein Ein -schlag stopp in Landeswäldern, wenn kein Einvernehmenmit den Naturschutzbehörden zu den Bewirtschaftungsplä-nen vorliegt.

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Bundesland / Landkreis: Nordrhein-Westfalen / Rhein Sieg KreisWaldbesitzart: Kommunalwald des Rhein Sieg Kreis, mehrere private WaldbesitzerVerantwortlich für Bewirtschaftung: Landesbetrieb Wald und Holz NRW / Forstamt Rhein-Sieg-ErftZeitraum: Oktober / November 2015Schutzstatus: Landschaftsschutzgebiet

Schneise der Zerstörung Altwindeck

Details / Kurzbeschreibung: Mitte Oktober 2015 wurde in Altwindeck im Rahmen desFlurbereinigungsverfahrens Windeck II am Hang desSchlossberges ein Holzrückeweg gebaut. Der über 500Meter lange und mindestens fünf Meter breite Weg miteiner Fahrbahnbreite von drei Metern wurde zwecksErschließung von Waldgrundstücken gebaut. Der Wegebauführte zur Abholzung von über 300 ökologisch wertvollen,zum Teil recht stattlichen Laubbäumen. Er verursachte einebis zu 40 Meter breite Schneise, die jetzt auf lange Zeitunübersehbar das bisherige Ortsbild verändert und beein-trächtigt. Es ist zu befürchten, das durch steile und ange-schnittene Böschungen über die jetzt geschaffene Schnei-se hinaus weitere Bäume in ihrer Standsicherheit beein-trächtigt sind, beim nächsten Sturm umfallen und /oderaus Verkehrssicherungsgründen beseitigt werden müssen.Darüber hinaus sind Erosionsprobleme am Geröllschutt-hang und Störungen im Wasserhaushalt des Hanges durchden massiven Geländeeinschnitt zu befürchten.

Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger aus Altwindeck/Windeckhaben sich bereits 2009 in einer Unterschriftensammlunggegen diese Trassen-Planung ausgesprochen und auch aktu-ell ist der größte Teil der Anwohner erheblich verärgert undentsetzt über das Ausmaß dieses Wegebaues. Der vomWegebau betroffene Buchen-Eichenmischwald war vorherintakt, naturnah und lediglich durch einen schmalen Pfaderschlossen. Er ist als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen.

Kritik des BUND / Rechtsverstoß:Bei der Baumaßnahme handelt es sich um einen erhebli-chen, überflüssigen und kostspieligen Eingriff in einennaturnahen, reichstrukturierten Waldsaum am Schlossberg,unmittelbar zur Ortslage Altwindeck. Die Maßnahme selbstist formal korrekt über ein Flurbereinigungsverfahren,beginnend 1996, abgelaufen, dessen Betreiber, Beamte derBezirksregierung Köln, aber erst spät, Mitte 2009, dieÖffentlichkeit beteiligt haben.

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RücksichtsloserWegebau innaturnahemBuchen-Eichen-Mischwald

Vorgeblich war entsprechend Flurbereinigungsgesetz dasRecht der betroffenen Eigentümer auf angemesseneErschließung umzusetzen. Es stellte sich heraus, dassanfangs (1996 – 2010) lediglich drei Eigentümer überhauptdie Erschließung gefordert hatten, bis auf einen wärendiese aber auch mit einer verträglichen kleineren und sogareffizienteren Lösung einverstanden gewesen. Diese hättedie gelegentliche Nutzung eines einfachen, geschottertenGemeindeparkplatzes erfordert, was jedoch vom Umwelt-beauftragten der Gemeinde verweigert wurde. Nach einerIntervention des BUND beim Bürgermeister signalisiertedieser zwar ein Einlenken, widerrief dieses jedoch nacheinem Gespräch mit dem Umweltbeauftragten im Rahmeneiner Anhörung zu dem Verfahren.

Die Beamten der Flurbereinigung zeigten kein Interesse ander verträglicheren Alternative. Sie reduzierten lediglich dieursprünglich geplante, größere Breite des Weges nach demProtest der Umweltverbände geringfügig. Weitere Einwen-dungen liefen ins Leere: Mindesten vier Mal brachten, ins-besondere lokale BUND Vertreter, Landesbüro der Natur-schutzverbände und Bürger massive und begründete Ein-wendungen vor. Diese wurden regelmäßig mit den immergleichen Argumenten zurückgewiesen. Auch Termine, Ein-gaben und Gespräche mit den Spitzen des Umweltministe-riums brachten keinen Erfolg und führten nicht zum einemUmdenken über die negativen Auswirkungen des geplantenWegebaus und mögliche Alternativen.

Reaktion / Konsequenzen des Eigentümers, Wirtschaftersbzw. der Behörden:Die Forstbehörde (Regionalforstamt Rhein-Sieg-Erft) warberatend involviert, hat die Kritik des BUND an dem unver-hältnismäßigem Wegebau geteilt, gemeinsam mit BUNDVertretern Alternativen geprüft und dann der GemeindeWindeck die verträglichere Lösung (Erschließung über denGemeindeparkplatz) vorgeschlagen. Diese wurde dann, wiebeschrieben, letztendlich im April 2013 abgelehnt. DerBUND hat daraufhin in der Naturschutzabteilung desUmweltministeriums massiv interveniert, diese Variantedoch noch zu ermöglichen und auf die verheerenden Folgender geplanten Trasse hingewiesen. Diese BUND-Initiativewurde dort zwar zur Kenntnis genommen, dann aber dochdem Flurbereinigungsanspruch auf Erschließung Prioritätzugebilligt.

Im Januar 2014 wurde schließlich vom UmweltministeriumNRW der Planfeststellungsbeschluss erlassen und damit dieBedenken des BUND abschließend zurückgewiesen. AufWiderspruch und Klage wurde von Seiten des BUND ver-

zichtet, da die Rechtsberatung auf Grund der starken Stel-lung des Flurbereinigungsgesetzes keine Erfolgsaussichtenbei einer Klage sah. Von der Abteilungsleitung des Umwelt-ministeriums wurde dem BUND jedoch zugesagt, dass mansich im weiteren Verlauf behördenintern bemühen wolle,doch noch die verträglichere Lösung zu ermöglichen.

Insofern war der BUND überrascht und geschockt, AnfangSeptember 2015 zu erfahren, dass der Wegebau am 12. Oktober beginnen sollte. Der BUND hat daraufhin ener-gisch versucht, diesen doch noch zu verhindern und erneutdie verträgliche Variante eingefordert, ist aber darangescheitert, dass der Bauauftrag schon erteilt und dasUmweltministerium nicht bereit war, das Verfahren anzu-halten. Hauptbegründung war, dass jetzt Schadensersatz-forderungen der beauftragten Baufirma drohten.

Ursachen-Analyse:Ursache ist eindeutig das zu starke und eigentümerorien-tierte Flurbereinigungsgesetz, dass dem Erschließungsan-spruch der Teilnehmer / Eigentümer des Verfahrens in § 44,Abs. 3 einen hohen Stellenwert einräumt. Dort heißt es:„Die Grundstücke müssen durch Wege zugänglich gemachtwerden; die erforderliche Vorflut ist, soweit möglich, zuschaffen.“

Ausblick:Der BUND kritisiert, welchen Respekt und rigorosen Vorrangauch die Abteilungsleitung Naturschutz im Umweltminis-terium dem Erschließungsanspruch im Flurbereinigungsge-setz einräumte. Der BUND fordert, stattdessen unbedingteinen Vorrang oder eine erforderliche Rücksicht auf Natur-schutzbelange und Erhalt naturnaher Strukturen in dasFlurbereinigungsgesetz aufzunehmen. Auch ist der finan-zielle Aufwand zu bewerten und im Vergleich mit verträg-lichen, günstigeren Alternativen verbindlich zu prüfen.

Das wenig konstruktive Verhalten des Umweltbeauftragtender Gemeinde Windeck hinsichtlich der alternativenLösung, die die Nutzung des Gemeindeparkplatzes einbezo-gen hätte, ist für den BUND nicht nachvollziehbar. DerBUND fordert: Auch hier muss Klarheit geschaffen werden,so dass eine Zweckbindung auf Grund (angeblicher) öffent-licher Zuschüsse problemlos aufgehoben werden kann,wenn diese einer ökologisch und ökonomisch besserenLösung/Nutzung im Wege steht.

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Der Waldweg vorher

Der Waldweg danach: Boden erosionsgefährdet, Wasserhaushalt gestört, an die 400 Bäume gefällt

Massiver Geländeeinschnitt in den Waldboden für den Wegebau

ProvozierterKahlschlag in

riesigem Ausmaß

Bundesland / Landkreis: Rheinland-Pfalz /Birkenfeld und Bernkastel-WittlichWaldbesitz: Privatwald der Fruytier Group LuxembourgVerantwortlich für Bewirtschaftung: Forstbetriebsleiter des Waldbesitzers;

Aufsicht: Zentralstelle der Forstverwaltung des MULEWFZeitraum: 2002 bis 2015, Verfahren ab 2011Schutzstatus: nördlich der Fläche FFH-Gebiet „Idarwald“

Details / Kurzbeschreibung: Vor etwa dreizehn Jahren erwarb der Luxemburger Holzty-coon Fruytier Group den Vierherrenwald im Hunsrück nörd-lich von Schauren und Bruchweiler. Fruytier besitzt mehre-re moderne Sägewerke in Deutschland, Frankreich und Bel-gien. Der Vierherrenwald umfasst etwa 450 Hektar. ImLaufe der letzten zehn Jahre wurde dieser Besitz auf einerFläche von 250 –300 Hektar kahl geschlagen.

Im Waldgesetz des Landes Rheinland Pfalz sind Kahlschlägeüber 0,5 Hektar eigentlich an Ausnahmegenehmigungendurch die zuständige Forstbehörde gebunden. Doch im Vier-herrenwald ging selbst ein Verfahren gegen Fruytier wegeneines Kahlschlags von circa 50 Hektar Größe trotz festge-stellter Ordnungswidrigkeit vollkommen straffrei für Fruytieraus. Und das, obwohl der Fall sehr gut dokumentiert war.

Der Vierherrenwald war vor dem Eigentümerwechsel einetwa 80-jähriger Fichtenbestand, welcher teilweise durchWindwurf und Schneebruch gelitten hatte. Infolge zu hoher

Rotwildbestände waren viele Bäume verbissen oder hattenRindenschäden. Besonders schade ist es um einen natur-schutzfachlich wertvollen Bestand von über 100-jährigenAltfichten von 10 –12 Hektar, der durch die Kahlschlägezunichte gemacht wurde.

Bereits vor Jahren wurden die damaligen Forstleute derFruytier Group von der Leitung angewiesen, die Fichtenbe-stände auf den labilen Standorten des Hunsrücks so starkzu durchforsten, dass diese um die Gewährleistung derStandsicherheit der Bäume fürchteten und von dem Vorha-ben vehement abrieten. Daraufhin wurden diese Forstleutevon Fruytier abgezogen und durch Förster aus Belgienersetzt, die nun mit dem gleichen Auftrag betraut wurden.Der ortsnahen forstlichen Aufsicht durch das zuständigeForstamt entzog sich die Firma durch Einsetzung einesBetriebsleiters mit forstwissenschaftlicher Ausbildung,wodurch die Forstaufsicht vom örtlichen Forstamt zur Zen-tralstelle der Forstwirtschaft (ZdF) in Neustadt/ Weinstraßewechselte. In Folge entnahmen die neuen Forstleute im

Riesige Kahlschläge provoziertVierherrenwald im Hunsrück

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Rahme einer intensiven Durchforstung sehr viele Bäume,weit über die Sicherheitsgrenze hinaus. Die Restbeständedes Waldes wurden dadurch so sehr destabilisiert, dass einZusammenbruch beim nächsten Sturm absehbar war.

Ende August 2011 gab es im Hunsrück ein heftiges Som-mergewitter mit entsprechenden Windstärken. Die Folgewar ein etwa 50 Hektar großer Windwurf auf den Flächenvon Fruytier, während die umliegenden Waldbesitzer nurunbedeutende Sturmschäden zu beklagen hatten. Stehen-gebliebene Waldbereiche wurden auf den Fruytier-Flächenwährend der Sturmholzaufarbeitung großzügig mit besei-tigt. Der 50 Hektar große Windwurf ist somit als provozier-ter Kahlschlag zu bezeichnen.

Ausnahmegenehmigungen für diese Kahlschläge lagennicht vor. Im November 2011 begann die Zentralstelle derForstverwaltung in dem Fall wegen Verstoß gegen dasKahlschlagsverbot zu ermitteln. Fruytier kam bei dem fol-genden Bußgeldverfahren jedoch völlig straflos davon. DieFlächen sind mittlerweile komplett umgebrochen und mitDouglasie und Fichte bepflanzt, entlang der Wege mit zweiReihen Laubholz. Die Wiederaufforstung abgeholzter Flä-chen ist nach Waldgesetz vorgeschrieben.

Kritik des BUND / Rechtsverstoß:Der BUND kritisiert, dass durch die massiven Einschlägekurzfristig der Wald zu Geld gemacht und die Destabilisie-rung der Waldfläche und der damit provozierte Windwurfdabei billigend von Fruytier in Kauf genommen wurden.Stark zu kritisieren ist vor allem das Verhalten der Landes-forsten zu dem Vorfall: Die Verfolgung des Verstoßes gegendas Kahlschlagsverbot (> 0,5 Hektar) durch die Forstauf-sicht erfolgte schleppend und nicht konsequent. Fachleutedes Forstamtes hätten die Chronologie und Schadensent-wicklung jederzeit bestätigen können. Das rheinland-pfäl-zische Forstministerium war über die Vorgänge informiert.Dennoch wies die Verfolgung dieser Ordnungswidrigkeit

durch die ZdF offensichtlich so große Mängel in derBeweisführung auf, so dass es den Anwälten von Fruytiergelang, eine Strafe abzuwehren. Ein Nebeneffekt der Kahl-flächen ergab sich für die Jagd: Sie führten zu einem enormgestiegenen Äsungsangebot für Rot- und Rehwild. Diesführt bei unzureichender Jagd zu ökologischen und ökono-mischen Schäden nicht nur in den Wäldern von Fruytier,sondern auch in den angrenzenden Wäldern.

Reaktion / Konsequenzen des Eigentümers, Wirtschaftersbzw. der Behörden: Der BUND Landesverband Rheinland-Pfalz fragt sich, wasdas gesetzliche Kahlschlagsverbot wert ist, wenn dessenÜbertretung in solch gigantischem Ausmaß keinerlei Folgenfür den Verursacher nach sich zieht. Es stellt sich die Frage,wie es dazu kommen konnte? Hat etwa die Geschäftspart-nerschaft von Fruytier zu den Landesforsten für ein günsti-ges Ergebnis im Bußgeldverfahren gesorgt? Oder gelten dieGesetze nur für die Kleinen, nicht aber für Konzerne?

Ursachen-Analyse:Die völlig mangelhafte und nicht konsequente Forstaufsichthat dazu geführt, dass riesige Kahlschlagsflächen mitten inRheinland-Pfalz ungestraft möglich waren. Die ZdF hättedem Vorgang konsequent nachgehen müssen, um für einemögliche Ordnungswidrigkeit ausreichend Beweismittel zusichern. Hier liegt ganz offensichtlich ein Vollzugsdefizit vor.

Ausblick: Der BUND fordert, solche Missstände umgehend abzustel-len, dem Willen des Gesetzgebers zu entsprechen und dasKahlschlagsverbot konsequent durchzusetzen. Die Forstauf-sicht muss ihrer Aufgabe konsequent nachkommen undsollte ortsnah umgesetzt werden. Weiterhin wäre zu prüfenob, und wenn ja für welche Flächen und auf welcherGrundlage, Fruytier Fördergelder von Landes-, Bundes, oderEU-Institutionen für die Wiederaufforstung der Schadflä-chen erhalten hat.

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Kahlschlagsfläche mitUmbruch und Pflanzung

Vegetation undOberboden

abgeschoben,teils unter Altbuchen

Bundesland / Landkreis: Schleswig-Holstein / OstholsteinWaldbesitz: Landeswald Schleswig-HolsteinVerantwortlich für Bewirtschaftung: Schleswig-Holsteinische Landesforsten / Revierförsterei WüstenfeldeZeitraum: Herbst 2014Schutzstatus: FFH-Gebiet

Details / Kurzbeschreibung:Es handelt sich um Eingriffe in einen FSC-zertifiziertenBuchenmischwald, der als FFH-Gebiet 1828-392 „Seen desmittleren Schwentinesystems und Umgebung“ einembesonderen Schutz nach europäischem und deutschemRecht unterliegt. Auf mehreren Einzelflächen von insge-samt 1,8 Hektar wurden die gesamte Humus-, Laub- undVegetationsschicht und oberste Mineralbodenanteile mitMaschinen abgeschoben und auf Wällen am Rande gela-gert. Die bereits aufgelaufene Naturverjüngung mit Buchenwurde mit abgeschoben und zerstört. Dies geschah auf Ver-anlassung des zuständigen Revierförsters, um einenBuchenwald für eine künftige Naturverjüngung vorzuberei-ten. Besonders betroffen war der Buchenaltbestand einesWaldmeister-Buchenwaldes.

Kritik des BUND / Rechtsverstoß:Besonders schwerwiegend war das maschinelle Beseitigenund Entfernen von Mineralboden, Humus und Waldvegeta-tion auf größerer Fläche. Der ungenehmigte Eingriff in den

Wald und in das FFH-Gebiet verstößt gegen das Landes-waldgesetz, insbesondere die Grundsätze der guten fachli-chen Praxis der Waldbewirtschaftung (LWaldG § 5) und diebesondere Berücksichtigung der Schutz- und Erholungs-funktion im öffentlichen Wald aufgrund seiner die Gemein-wohlfunktion (LWaldG § 6).

Der Eingriff verstößt zudem gegen das Verschlechterungs-verbot der FFH-Richtlinie. Insbesondere gefährdet das Vor-gehen die FFH-Erhaltungsziele des Gebietes wie die „Erhal-tung oder […] ggf. Wiederherstellung […] der weitgehendnatürlichen Bodenstruktur“ und ist nicht durch den gelten-den Managementplan für das betroffene Gebiet gedeckt.Ebenso verstößt es gegen die Handlungsanweisungen zum„Arten- und Lebensraumschutz in Natura 2000-Landeswäl-dern“ des Landesamtes für Landschaft, Umwelt und Ländli-che Räume (LLUR) Schleswig-Holstein (2009), die Betriebs-anweisung Waldbau der Schleswig-Holsteinischen Landes-forsten (SHLF) (2011, v. a. Nr. 1.2) sowie den deutschemFSC-Standard (v. a. Prinzip 6).

Waldboden in Schutzgebiet abgekratztFFH-Gebiet im Revier Wüstenfelde

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Reaktion / Konsequenzen des Eigentümers, Wirtschaftersbzw. der Behörden:Der BUND Schleswig-Holstein hat zusammen mit demNABU und Naturfreunden vor Ort dieses Fehlverhaltenöffentlich gemacht und auf Überprüfung gedrungen. ImSeptember 2014 informierte der NABU den FSC-Auditorvon der GFA Consulting Group GmbH über den Vorfall, inähnlicher Zeit die Untere Forstbehörde, das LLUR sowie dieSHLF und veröffentlichte den Vorgang im Januar 2015. DerBUND informierte FSC-Deutschland.

Die SHLF zeigten nach außen keine zufriedenstellendeReaktion. Die Untere Naturschutzbehörde (UNB) beim KreisOstholstein hingegen leitete ein naturschutzrechtliches Ver-fahren u. a. wegen erheblicher Beeinträchtigung eines FFH-Lebensraumtyps und wegen eines ungenehmigten Eingriffsnach § 8 LNatSchG ein. Die SHLF müssen nun Kompensie-rungsmaßnahmen durchführen und sich in Zukunft vor derEinleitung von Naturverjüngungsmaßnahmen mit der UNBabstimmen. Ein Bußgeldverfahren wurde eingeleitet.

Ein FSC-Audit der GFA vom Januar 2015 erwähnt eine „Kor-rekturmaßnahme“ bis zum nächsten Audit in einem Jahr, indem Sinne, dass in Zukunft Mineralboden nicht wiedergroßflächig freigelegt werden soll. Die sonstigen verletztenVorgaben des FSC-Prinzips 6, die das Ökosystem, die natür-liche Waldgesellschaft, die Naturnähe und das Prinzip derVorsicht betreffen, werden ebenso wenig bewertet wie dieGemeinwohlfunktion des öffentlichen Waldes und dieEigenschaft eines FFH-Gebietes. Die GFA schreibt stattdes-sen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Ökosystemsnicht zweifelsfrei bestätigt sei, ebenso wenig eineZustandsverschlechterung im gesamten FFH-Gebiet. DieBodeneingriffe könnten sogar den Erhalt unterschiedlicherAltersphasen und Entwicklungsstufen gefördert haben.

Ursachen-Analyse:Der beschriebene Eingriff verstieß gegen alle relevantenGesetzen und Richtlinien. Ursache waren vermutlich dieVorgaben für einen jungen Förster sowie die Art seiner Aus-bildung, die auf vermeintliche Kostenminimierung undWuchsbeschleunigung durch technische Maßnahmen undauf hohen, kurzfristigen Holzertrag gerichtet waren. DieSHLF sind zentral organisiert ohne regionale Forstämter.Die qualifizierte Kommunikation kann nur über die Landes-zentrale der SHLF verlaufen. Die Revierförster sind überlas-tet und aufgrund zu hoher ökonomischer Vorgaben haupt-sächlich mit der Holzbeschaffung beschäftigt.

Ausblick:Der BUND fordert die Schleswig-Holsteinischen Landes-forsten auf, den öffentlichen Wald vorbildlich zu bewirt-schaften und bestehende Gesetze einzuhalten, insbesonde-re LWaldG § 5 (Bewirtschaftung des Waldes nach denGrundsätzen der guten fachlichen Praxis) und LWaldG § 6(Gemeinwohlfunktion des öffentlichen Waldes). Verstößeund Fehler der SHLF müssen konsequent aufgearbeitet wer-den, um sie zukünftig abzustellen. Förster sollten bessergeschult werden. Die Handlungsanweisungen für Natura2000-Gebiete müssen dringend verbessert, die Betriebsan-weisung Waldbau neu gefasst werden. Die SHLF solltenihrer Vorbildfunktion durch eine ökologisch verträglicheWaldwirtschaft gerecht werden, wie beispielsweise in derBUND-Position 57 „Lebendige Wälder“ (2011) beschrieben.

Vermutlich werden die Landesforsten wegen der offiziellenReaktion der Unteren Naturschutzbehörde in absehbarerZeit ähnliche großflächige Bodenräumungen in FFH-Lebensraumtypen vermeiden. Für die Zukunft fordert derBUND vor dem Hintergrund der „Kratzbagger-Affäre“:Naturschutzorganisationen und Landesforsten müssen sichgegenseitig verstehen und schätzen lernen, erstere solltenfrühzeitig in wesentliche Pläne und Maßnahmen im Waldeingebunden werden. Der Impuls dazu fehlt von Seiten desUmweltministeriums und der Landesforsten, während dieUmweltverbände seit zwei Jahren eine „Allianz für denWald“ anbieten, die jedoch nur zögerlich angenommen wird.

BUND-Waldreport 2016

Waldbodenabgekratzt undzu Wällen auf-geschoben.

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NatürlicheSukzession in

Richtung Laub-wald auf

absehbare Zeitnicht zu erwar-

ten

Bundesland / Landkreis: Saarland /St. WendelWaldbesitz: Viele verschiedene PrivatwaldbesitzerVerantwortlich für Bewirtschaftung: die jeweiligen Waldbesitzer; Aufsicht: Forstbehörde beim Ministerium für

Umwelt und VerbraucherschutzZeitraum: 2003 bis heuteSchutzstatus: –

Details / Kurzbeschreibung:Seit über zehn Jahren werden im nördlichen Saarland mas-siv Privatwaldbestände kahlgeschlagen. Ein besondererSchwerpunkt ist der Priesberg bei Bosen. Dort sind auf einerGesamtfläche von etwa 200 Hektar mittlerweile über 30kleinere Kahlhiebe verteilt, Tendenz ungebremst steigend.Die Größe der Kahlschläge beträgt im Schnitt einen Hektar.Wiederaufforstungsmaßnahmen, beispielsweise durchPflanzung und / oder Umzäunung (zum Schutz der jungenBäume vor Wildverbiss), bleiben seitdem nahezu aus,obgleich sie gesetzlich vorgeschrieben sind. Dadurch sindpraktisch alle Flächen durch Vergrasung und Verbuschunggekennzeichnet. Durch die Kahlschläge sind viele offeneWaldränder entstanden. Bei einem starken Sturm ist nunmit flächigem Windwurf zu rechnen.

Für die Kahlschläge ist größtenteils ein Privatwaldbesitzerverantwortlich. Dieser kauft gezielt Parzellen am Priesbergauf und lässt sie kahlschlagen. Anschließend bietet er diese

der Ökoflächen-Management GmbH (ÖFM) zum Kauf an.Diese kauft seit etwa 10 Jahren die Kahlschlagsflächensowie bewaldete Parzellen und Wiesenflächen und planthier Ökokontomaßnahmen. Das sind laut SaarländischemNaturschutzgesetz Maßnahmen, die die Funktion undWerte des Naturhaushaltes wesentlich und dauerhaft ver-bessern.

Kritik des BUND / Rechtsverstoß:Eigentlich gibt es für Kahlschläge eine klare gesetzlicheRegelung: In § 12 des saarländischen Waldgesetzes ist derKahlschlag (flächenhafte Nutzung > 0,3 Hektar) grundsätz-lich verboten. Der Waldbesitzer muss Kahlschläge von 0,3bis 1,0 Hektar vorher bei der Forstbehörde anzeigen. Grö-ßere Flächen sind zu genehmigen. Dies ist in den beanstan-deten Fällen nicht geschehen: Am Priesberg erfolgte wedereine rechtzeitige Anzeige noch wurde je eine Genehmigungerteilt.

Kahlschläge als Naturschutz verkauft Priesberg

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Laut saarländischem Waldgesetz (LWaldG) soll die Waldbe-wirtschaftung dem Wald nutzen, ihn verjüngen, pflegenund schützen. Außerdem soll eine standortgerechte Pflan-zenwelt gewährleistet sein und biologisch gesunde Wälderund Waldränder sollen erhalten bleiben. Die Praxis amPriesberg sieht anders aus: Es wird im großen Stil kahlge-schlagen, bei dieser Art der Bewirtschaftung ist an Pflegeund Schutz der Bestände nicht zu denken. Auf gesundeWaldränder und Nachbarpflichten wird nicht geachtet.Auch die in § 11, Absatz 2 im LWaldG vorgesehene Ver-pflichtung zu einer „unverzüglichen“ Wiederaufforstungwird am Priesberg nicht beachtet. Bei den herrschendenüberhöhten Wildbeständen ist eine natürliche Sukzessionmit Waldbäumen, wie zunächst auf 60 Prozent der Flächenvon der ÖFM angestrebt, auf absehbare Zeit nicht zu erwar-ten.

Die Zielsetzung solcher Maßnahmen ist oftmals einBuchen-Eichen-Mischwald, was aus ökologischer Sichteine Verbesserung gegenüber den bestehenden Fichtenbe-ständen wäre. Doch der Zweck heiligt auch in diesem Fallnicht die Mittel - Kahlschläge und ihre negativen Auswir-kungen auf Boden, Klima, Landschaftsbild und Nachbarbe-stände. Es entsteht viel mehr der Eindruck, dass am Pries-berg kurzfristigem Profitstreben ein „grünes Mäntelchen“umgehängt werden soll, indem die Kahlschläge als Natur-schutzmaßnahmen verkauft werden. Der BUND richtetseine Vorwürfe aber auch an die zuständige staatliche Stel-le – die Forstbehörde am Umweltministerium -, die sichoffenbar scheut, Gesetze anzuwenden und auf ihre konse-quente Einhaltung zu drängen.

Reaktion / Konsequenzen des Eigentümers, Wirtschaftersbzw. der Behörden: Der BUND-Saar hat bereits im Umweltmagazin 3/2013 aufdiese Missstände hingewiesen. Parallel dazu hat der BUNDin Schreiben an die Forstbehörde auf die Gesetzesverstößeam Priesberg und an anderen Stellen im Lande hingewie-sen. Dem saarländischen Ministerium für Umwelt und Ver-braucherschutz liegt ein detaillierter Bericht vor. Auf Nach-frage, was daraufhin veranlasst wurde, kam von dort nachfast zweijähriger Bearbeitungszeit die Auskunft: „…dass esschwierig ist, erfolgreich gegen Kahlschläge bzw. die Verur-sacher vorzugehen.“ Daher muss der BUND davon ausge-hen, dass die zuständige Forstbehörde nicht entschiedeneingreifen kann bzw. will und offensichtliche Gesetzesver-stöße hinnimmt.

Ursachen-Analyse:Am Anfang der Kahlschlagserie standen sogenannte Öko-konto-Maßnahmen. Die Planung dazu sah vor, standort-

fremde Fichtenbestände in Laubwald umzuwandeln. Dazugibt es im Saarland ein Bewertungsschema, das die Quali-tät von Lebensräumen nach Punkten bewertet. Ein Fichten-reinbestand erhält wenige Punkte, ein Laubholzbestandviele. Aus der Differenz werden geldwerte „Ökopunkte“errechnet, die als Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe inNatur und Landschaft anerkannt und als Geschäftsmodellvon ÖFM vermarktet werden.

In den meisten Fällen wurde allerdings lediglich der ersteTeil der Maßnahme, nämlich der gewinnbringende Kahl-hieb, realisiert. Die kostenintensive Pflanzung von Laubholz(mit dem am Priesberg unbedingt notwendigen Zaunbau)ist jedoch unterblieben. Es gab also zwei Einnahmequellen:den Holzerlös und die Ökopunkte. Eine Evaluation der Maß-nahmen fand nach Kenntnis des BUND nicht statt. Daandere, angrenzende Privatwaldbesitzer von den Ein-schlagsfirmen animiert wurden, ihre teils noch nicht hiebs-reifen Fichtenwälder ebenfalls zu Geld zu machen, griffendie Kahlschläge massiv um sich. Zu dieser Entwicklung trugmaßgeblich die Passivität der zuständigen Forstbehörde amUmweltministerium bei.

Ausblick: Trotz mehrmaliger schriftlicher Anfragen bei der Forstbe-hörde wird dem BUND eine klare Auskunft verweigert. Diebeschriebenen Praktiken werden fortgesetzt und im Zusam-menwirken von Windwurf und Borkenkäfern zu einer wei-teren Entwaldung des Priesberges führen. Der BUND fordertein engagiertes Eingreifen der Forstbehörde und einenbehutsamen Waldumbau mit langsamer Überführung vonFichten-Monokulturen in Mischwälder.

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AufgerissenerWaldrand: wei-tere Waldverlu-ste bei Stürmenunvermeidlich

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10 positive Fallbeispiele

Gemeindewald Untermaßfeld: liegendes Totholz wird erhalten

Alte Eichenund

Rotbuchenprägen denPlänterwald

Bundesland / Bezirk: Berlin / Treptow-KöpenickWaldbesitz: Landeswald BerlinVerantwortlich für Bewirtschaftung: Berliner Forsten /Revierförsterei WuhlheideZeitraum: seit 1998 bis heuteSchutzstatus: LSG

Details /Kurzbeschreibung:Das Landschaftsschutzgebiet „Plänterwald“ liegt im Nordendes Bezirks Treptow-Köpenick in Berlin. Der 89 Hektargroße Erholungswald liegt an der Spree und ist umgebenvon Wohngebieten und dem Treptower Park sowie demSpreepark, einem ehemaligen Freizeitpark, der nicht Teil desLSGs ist. Das Gelände soll in Kürze in einen öffentlichenPark umgestaltet werden. Inmitten des Plänterwaldes liegteine Waldschule, durch ihre zentrale Lage ein wichtiger Ortfür die Umweltbildung in Berlin.

Das innerstädtische Waldgebiet im Eigentum der Stadt Ber-lin dient seit annähernd 100 Jahren der Erholung der Berli-ner Bevölkerung. Trotz des intensiven Besucherdrucks durchSpaziergänger, Radfahrer und Hundehalter haben weiteTeile des Plänterwaldes einen naturnahen Charakter. Da derWald schon länger nicht mehr primär unter Aspekten derHolzernte bewirtschaftet wurde, gibt es in ihm einen hohenBestand an alten Eichen und Rotbuchen. Daneben findensich viele andere Baumarten wie Spitzahorn, Hainbuche,

Ulme und Eibe. Dadurch ist der Plänterwald mitten in derGroßstadt ein wichtiger Lebens- und Rückzugsraum fürbesondere Tier- und Pflanzenarten wie Habicht und Wald-kauz.

Wie es der Name Plänterwald vermuten lässt, wird derWald im Plenterbetrieb bewirtschaftet. Bei dieser histori-schen Nutzungsform werden immer nur einzelne starkeBäume entnommen. Der Rest des Bestandes wächst in dieso entstehenden Lücken nach. Der Plenterbetrieb hat zurFolge, dass man über die ganze Waldfläche hinweg Bäumeverschiedensten Alters finden kann und keine Kahlflächenentstehen, sondern ein Dauerwald. Darüber hinaus zeich-nen sich Plenterwälder durch eine besonders üppige undvitale Kraut- und Strauchschicht aus. Der Plänterwald istwie alle Berliner Wälder Naturland- und FSC-zertifiziert.

Kleinod im DauerstressLandschaftsschutzgebiet Plänterwald

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Lob des BUND:Der BUND begrüßt die Vorgabe des LandeswaldgesetzesBerlins, die Funktion des Waldes für den Naturhaushalt, dieArtenvielfalt und die Erholung der Bevölkerung an ersteStelle vor die forstwirtschaftliche Nutzung zu stellen. Trotzintensiven Besucherdrucks und den damit verbundenenRisiken aus der Verkehrssicherungspflicht wird in den Plän-terwald relativ wenig eingegriffen. Damit werden die Berli-ner Forsten als öffentlicher Waldbesitzer ihrer Gemein-wohlfunktion gerecht und tragen dem Umstand Rechnung,dass in einer Großstadt wie Berlin innerstädtischen Wäl-dern eine besondere Aufgabe für die Naherholung derBevölkerung zukommt. Hier spielt der Wald zudem für dasregionale Klima eine wichtige Rolle, für Kühlung, als Was-serspeicher sowie für Frischluft durch Filterung und Sauer-stoffproduktion.

Grundsätzlich sieht der BUND die Plenterwirtschaft positiv,weil diese Art der Forstwirtschaft ohne große Eingriffe aus-kommt und nur einzelne Stämme entnimmt. Allerdingsbirgt die traditionelle Plenterwirtschaft auch Nachteile: DieFokussierung auf alte und starke Bäume bei der Holzerntekann bewirken, dass es nur wenig stehendes Totholz gibt,welches für die Biodiversität im Wald jedoch besonderswichtig ist. Der Plenterbetrieb führt eher dazu, einen alten,dicken Baum zu fällen, um Platz für die jüngeren, nach-kommenden zu machen anstatt einen Methusalem-Baumzu bewahren.

Ursachen-Analyse:Die besondere Nutzungsform geht auf die Schutzgebiets-verordnung des LSG Plänterwald zurück. Dort sind ver-schiedene Schutzzwecke aufgeführt, zuerst „ […] die Leis-tungsfähigkeit des Naturhaushalts in einem der letzteninnerstädtischen Waldgebiete Berlins […] mit seinem viel-fältigen, überwiegend sehr alten grundwassernahen Baum-bestand als Lebensraum geschützter Tier- und Pflanzenar-ten zu erhalten […], dann „das schöne und in seiner Eigen-art als flußbegleitender Laubwald den Charakter der Spreeprägende Landschaftsbild und drittens „das Gebiet wegenseiner besonderen, übergreifenden Bedeutung für die Erho-lung zu erhalten.“ Bislang nimmt Berlin diese Verordnungernst und bewirtschaftet den Plänterwald weitestgehendschonend.

Als beliebtes innerstädtisches Erholungsgebiet ist der Plän-terwald einem hohen Nutzungsdruck ausgesetzt. Fast dieganze Waldfläche ist durch Waldwege und informelle Tram-pelpfade durchzogen. Auch wenn es durch die Plenterungviele Dickungen gibt, in denen sich Wild verstecken könnte,herrscht durch die vielen Besucher und ihre vierbeinigen

Begleiter eine ständige Beunruhigung über die gesamteWaldfläche. Das mag neben der innerstädtischen Lage einGrund sein, warum es so wenig Reh- und Schwarz wild -bestände im Plänterwald gibt. Dies kommt der Naturverjün-gung zugute, die im Plänterwald sehr schön zu beobachtenist.

Ausblick:Es ist eine Konsequenz der Ausweisung als Landschafts-schutzgebiet, dass der Plenterbetrieb im Plänterwald beibe-halten wird. Es ist hier die besondere Aufgabe der Forstver-waltung, historische Nutzungsform und Landschaftsbildsowie Artenschutz und Naturhaushalt gleichermaßengerecht zu werden. Bei der hervorragenden Ausgangslagean altem Baumbestand ist es nach Ansicht des BUND sehrgut möglich, den Schutz der Artenvielfalt im Plenterwaldweiter zu verbessern, indem auch im Plänterwald die Bio-top- und Methusalem-Bäume in Würde altern und abster-ben dürfen.

Angesichts der rasant steigenden Bevölkerungsentwicklungin den umliegenden Berliner Bezirken wird sich der hoheNutzungsdruck durch Erholungssuchende auf den Plänter-wald nochmals intensivieren. Auch die geplante Öffnungdes Spreepark-Geländes als öffentliche Grünanlage wirddie Zahl der Menschen im Wald erhöhen. Der BUND fordert,dass keine neuen Parkplätze für den Spreepark in den Plän-terwald gebaut werden. Die weitere Entwicklung der Wegemuss behutsam erfolgen. Ein Ausbau des Dammweges zueiner mehrspurigen Zuwegung zum Spreepark muss unter-bleiben.

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Krautschichtmit Lerchen-sporn und Tot-holz

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Typisch Grune-wald: Erho-

lungssuchendeund Alteichen-Linden-Allee

Bundesland / Bezirk: Berlin / Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-ZehlendorfWaldbesitz: Staatswald des Landes BerlinVerantwortlich für Bewirtschaftung: Berliner Forsten / Forstamt GrunewaldZeitraum: seit 1915 bis heuteSchutzstatus: LSG, Teile FFH- und Vogelschutzgebiet, NSG, Wasserschutzgebiet

Details / Kurzbeschreibung: Im Berliner Grunewald gibt es nicht nur eine große Vielfaltvon Arten und Lebensräumen, recht vielfältig sind auch dieAktivitäten der Erholungssuchenden. Er ist mit seinen 3.200Hektar eines der größten Waldgebiete Berlins und erfülltviele Aufgaben: Biotop für Pflanzen und Tiere, Erlebnis- undErholungsraum für Waldbesucher, Bereitstellung von Trink-wasser und frischer Luft für die Großstadt. Zusätzlich lieferter Holz.

Typisch für den Grunewald ist eine Vielzahl unterschiedli-cher Waldbiotope sowie Seen und Kleingewässer. Weiterewertvolle Lebensräume kommen hinzu, u.a. Moore und eineehemalige Sandgrube, die als Naturschutzgebiete ausge-wiesen sind. Besonders bemerkenswert sind die Vorkommenvon Schwarz- und Mittelspecht, ebenso wie die der strenggeschützten Käferarten Eichenheldbock und Eremit. Sowundert es nicht, dass die etwa die Hälfte des Grunewaldsals „FFH- und Vogelschutzgebiet Grunewald“ unter beson-derem Schutz steht. Zudem ist der Grunewald seit 1963 auf

seiner gesamten Fläche Landschaftsschutzgebiet. Hauptbaumarten sind heute Kiefer (gut 56 Prozent), Eiche(25 Prozent) und Buche (10 Prozent) neben sonstigem Laub-und Nadelholz. Wie alle Berliner Wälder ist der Grunewaldnach FSC und Naturland zertifiziert. Daher gehören zu denGrundsätzen seiner Bewirtschaftung u.a. die Förderung hei-mischer Baumarten und der Naturverjüngung, der Verzichtauf Pestizide und Dünger, die schonende Holzernte und dieEinrichtung von unbewirtschafteten Referenzflächen auf10 Prozent der Waldfläche. Aktuell werden allerdingsBaumpflanzungen für das sogenannte Mischwaldpro-gramm durchgeführt, um möglichst schnell Kiefernforste inLaubbestände umzubauen, die invasive Art SpätblühendeTraubenkirsche zurück zu drängen und den Wasserhaushaltzu verbessern.

Die Holzernte erfolgt einzelstammweise, auf Kahlschlägewird gänzlich verzichtet. Pro Jahr werden etwa 20.000Kubikmeter Holz geerntet, wobei ein Großteil der Holzern-te inzwischen durch private Firmen als Dienstleister erfolgt.

Vielfalt in der MetropoleGrunewald

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Zudem können Selbstwerber nach Einweisung eigenhändigBrennholz im Wald schlagen. Besonders bedeutsame Bio-topbäume und Totholzinseln werden ausgewiesen und vonder Bewirtschaftung ausgenommen, um Biotopstrukturenfür holzbewohnende Arten zu erhalten und zu fördern. Fürden Erhalt der Specht-Lebensräume ist eine naturnaheWaldbewirtschaftung, die Altbäume im Bestand belässt,Voraussetzung. Dies soll durch die Berliner Waldbaurichtli-nie sichergestellt werden.

Lob des BUND:Der BUND lobt, dass die Berliner Forsten im Grunewald dieGemeinwohlfunktion des öffentlichen Waldes, den Schutzder biologischen Vielfalt und die Belange der Erholungssu-chenden klar vor die holzwirtschaftliche Funktion stellen.Die Bewirtschaftung orientiert sich nicht vorrangig an öko-nomischen, sondern vor allem an sozialen und ökologischenInteressen. Bereits seit Jahrzehnten wird der Grunewald mitdem Ziel bewirtschaftet, Bestände mit möglichst großerNaturnähe, Vielfalt und Vitalität zu entwickeln.

Jedes Jahr wird der Grunewald bis zu 100 Millionen Malbesucht. Es gibt hundert Kilometer Waldwege, 50 Kilome-ter Reitwege, einem Trimmpfad, zwei Waldspielplätze undmehr als zehn Kilometer Havel-Strände, die im Sommerbeliebte Badeplätze sind. Durch die intensive Nutzungkommt es zu Konflikten der Erholungssuchenden mit demNaturschutz, aber auch zwischen den Erholungssuchenden.Der BUND lobt, dass es trotz des enormen Besucherdrucksgelingt, im Grunewald Naturschutz und forstliche Nutzungin Einklang zu bringen. Der BUND begrüßt zudem dasintensive Engagement der Berliner Forsten in der Umwelt-bildung im Grunewald. Die positive Wirkung solcher Ange-bote ist besonders in Großstädten kaum zu unterschätzen.

Ursachen-Analyse:Der Berliner Grunewald ist gemäß Berliner Landeswaldge-setz vor allem Schutz- und Erholungswald. Die Holzproduk-tion ist den anderen Waldfunktionen nachgeordnet. DieSchutzgebietsverordnungen der Natura 2000 Gebiete, derNSGs, aber auch des LSGs sind eine wichtige Voraussetzungdafür, die besondere Bedeutung des Grunewalds und seinevielfältigen Funktionen langfristig zu sichern.

Damals wie heute trägt – nicht zuletzt durch die Stadtnä-he - eine wache umweltpolitische Berliner Bürgerbewe-gung dazu bei, den Vorrang des Naturschutzes, der Belan-ge der Erholungssuchenden und den Trinkwasserschutz imGrunewald vor seiner Funktion als Holzlieferant im Auge zubehalten.

Ausblick:Der Grunewald ist eines beliebtesten und am intensivstengenutzten Erholungsgebiete Berlins, Tendenz steigend.Besucher, Naturschutz, Trinkwasser sowie Klimaschutz undforstliche Nutzung unter einen Hut zu bringen, wird auchin Zukunft immer wieder eine Herausforderung sein. Gera-de auch unter diesem Aspekt hält der BUND das schonlange von ihm geforderte Naturschutzkonzept für die Ber-liner Forsten für dringend notwendig. Im Grunewald mitseinen wertvollen, mehr und mehr zusammenbrechendenAlteichen ist deren Erhalt sowie die Entwicklung altbaum-und biotopbaumreicher Bestände eine wichtige Herausfor-derung für die Zukunft. Diese erfordert einen weitestge-henden forstlichen Nutzungsverzicht der wenigen Altholz-bestände (ab 120 Jahre).

Die Umsetzung des Waldumbauprogramms erfolgt hin-sichtlich der Pflanzmethoden, Baumarten und Pflanzzahlenviel zu schematisch. In den letzten Jahren kritisieren Wald-besucher zudem immer häufiger die verstärkte Holzentnah-me und dass nach dem Einsatz schwerer Geräte, sogenann-ter Harvester, der Wald teilweise wie nach einem Militär-manöver aussieht. Kritisch sieht der BUND zudem die vomForstamt geplante Einrichtung der Wald-Klima-Ausstellungim Rahmen der IGA 2017. Hier sollen für eine temporäreAktion von einigen Jahren nicht nur Waldwege ausgebaut,sondern auch Ausstellungsplattformen (sogenannte Wohn-zimmer) inmitten der Schutzgebiete installiert werden.

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Blick vom Teu-felsberg überden GrunewaldRichtung Havel

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Waldweg imOberen Schen-

kenwald

Bundesland / Landkreis: Baden-Württemberg / RavensburgWaldbesitz: Staatswald des Landes Baden-WürttembergVerantwortlich für Bewirtschaftung: ForstBW (Landesbetrieb Baden-Württemberg) / Forstamt RavensburgZeitraum: 1819 –heuteSchutzstatus: NSG, FFH-Gebiet, erfasst nach Waldbiotopkartierung

Details / Kurzbeschreibung: Der Schenkenwald ist der letzte größere Rest eines ehema-ligen Auewaldes entlang der Schussen. Längst darf dieserFluss nicht mehr durch das Tal mäandrieren und es immerwieder überfluten. Der größte Teil des Tales ist heute Sied-lungs- und Verkehrsfläche oder wird intensiv landwirt-schaftlich genutzt. Der knapp 80 Hektar große Laubwaldnördlich von Ravensburg hat eine wechselvolle Geschichtehinter sich: Im Jahre 1404 kaufte die Benediktiner-AbteiWeingarten vom Schenken Graf Ulrich zu Biegenburg „dasHolz, genannt der Schenkenwald“. Fortan nutzten die Mön-che den nahen Wald als Brenn- und Bauholz-Lieferanten.Diese Nieder- und Mittelwald-Bewirtschaftung sollte 400Jahre anhalten. Erst durch Napoleon wurde der Schenken-wald 1803 zum Staatswald. Später ließ man ihn nach undnach zum Hochwald wachsen. Die Verfasser der seit 1819lückenlos vorhandenen Forsteinrichtungs-Werke legtenbereits 1929 fest: „Der Laubwald ist so gesund, so zu -

wachs kräftig und im Oberland so selten, dass man ihnzukünftig in dauerwaldartiger Einzelstamm- und Gruppen-Plenterung behandeln soll“.

Seither wird so verfahren, und der mehrstufige Mischwald,aus bis zu 200 Jahre alten und über 35 Meter hohen Stiel-Eichen, Eschen und Linden, auf feuchteren Partien mit mehrErlen, auf trockeneren Teilen mit etwas Buche, ist ein land-schaftliches und naturschutzfachliches Kleinod in Ober-schwaben. Er ist berühmt für seine artenreiche Vogelwelt,für seine großflächige Frühblüher-Vegetation (Märzenbe-cher, Bärlauch), für sein wertvolles Eichenstammholz undals Saatgut-Lieferant für Eichen-, Erlen- und Linden-Nach-wuchs in ganz Süddeutschland. Außerdem nutzen ihn dieverkehrslärmgeplagten Schussental-Bewohner gerne undhäufig als Oase der Ruhe und Erholung.

Artenreiches Refugium mit Geschichte Naturschutzgebiet Schenkenwald

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Lob des BUND:Das Forstamt Ravensburg steuert die langfristig angelegteDauerwaldwirtschaft mit einer engmaschigen Betriebsin-ventur alle zehn Jahre, um das Waldbild eines naturnahenAltholzes möglichst lange und vorratsschonend zu erhalten.Die bereits vierte Folgeinventur mit permanenten Stichpro-ben-Punkten ergab einen Holzvorrat zwischen 500 und 600Festmetern pro Hektar. Nach einem starken Gewittersturmim Mai 2009, der rund 2.500 Festmeter Sturmholz verur-sachte (Bäume bereits voll im Laub, lockerer und feuchterUntergrund), verzichtete das Forstamt auf einem gut 0,5Hektar großen Flächenwurf auf die Aufarbeitung des Holzesund wies die Fläche als Mini-Bannwald (Naturwald) aus.

Um den Anteil an natürlichem Totholz im Schenkenwaldlangfristig zu erhöhen, wies das Forstamt gemeinsam mitden Ortsverbänden von BUND und NABU ein dauerhaftmarkiertes Netz von Habitat-Bäumen aus, die bis zu ihremnatürlichen Lebensende und Zerfall erhalten bleiben sollen.Dies erfolgte lange bevor es bei ForstBW ein „Alt- und Tot-holz-Konzept“ gab. Das Forstamt sorgte dafür, dass externeExperten sämtliche natürlichen Höhlenbäume (auch perGPS) erfassten und kennzeichneten, damit diese nicht ver-sehentlich der Säge zum Opfer fallen. Zusätzlich wurde einTeil der Baumhöhlen noch mit moderner Technik auf ihreBewohner hin untersucht und erfasst, einschließlich Käfernund anderen Insekten.

Seit 1934 werden im Schenkenwald, der aufgrund der Plen-terwirtschaft und des nahen und sehr nährstoffreichenGrundwassers nur wenig natürlich anfallendes Totholz ent-hält, Höhlenbrütern zusätzliche Nisthilfen aller Art angebo-ten. Anfangs dachten die Förster in erster Linie an dieBekämpfung des Eichenwicklers durch die „Arbeitsvögel“.Doch im Laufe der Zeit stand der Schutz für den Trauer-schnäpper, die Hohltaube und zahlreiche Fledermausartenimmer mehr im Vordergrund. Bis heute werden, allen Spar-maßnahmen von ForstBW zum Trotz, sämtliche Nistkästenzweimal im Jahr kontrolliert und ihr Inhalt protokolliert, einvermutlich einzigartiges Langzeit-Monitoring der höhlen-brütenden Vogelwelt – lückenlos seit 82 Jahren.

Das Forstamt erklärt seine Überlegungen, Maßnahmen undErfolge den Waldbesuchern auf zahlreichen Tafeln undSchaubildern entlang der Wege. Hiebsmaßnahmen werdenin der Tagespresse angekündigt und auf Waldführungen derÖffentlichkeit erläutert und mit ihr diskutiert. Holz wird nuraußerhalb der Brut- und Aufzuchtzeiten manuell mit derMotorsäge eingeschlagen und erst bei geeigneter Witte-rung, wenn der Boden hart gefroren ist, so schonend wiemöglich abtransportiert. Selbstwerber sind verpflichtet, nur

außerhalb der Brut- und Aufzuchtzeiten Brennholz aufzu-arbeiten. Zu guter Letzt sorgt das Forstamt für wald -verträg liche Wilddichten, um die Naturverjüngung derWaldbäume zu schützen.

Ursachen-Analyse:Das Forstamt arbeitet offen und vorausschauend mit derinteressierten Öffentlichkeit, den Gemeinden und denNaturschutzverbänden zusammen. Es lässt sich „reinreden“und diskutiert und kommuniziert seine Pläne offen undrechtzeitig. Langfristige Ziele werden über viele Förster-Generationen hinweg „hartnäckig“ verfolgt, auch wenn siebei den vorgesetzten Stellen nicht immer „modern“ unddamit gern gesehen sind. Sie werden auch dann weiter ver-folgt, wenn sie Geld kosten und dadurch ökonomischeGewinne nicht im vollen Umfang realisiert werden können.

Ausblick: Eines Tages werden auch bei den gegebenen optimalenStandortsverhältnissen die langlebigen, aber sehr lichtlie-benden Eichen abnehmen. Nach knapp 90 Jahren Einzel-stamm- und Gruppenplenter-Wirtschaft ist deutlich sicht-bar, dass im sogenannten Schwachholz die Eichen weitge-hend fehlen. Um den derzeitig hohen Eichenanteil voneinem guten Viertel der Gesamtfläche zu halten, müssenEichen in größeren und zahlreicheren Gruppen gepflanztbzw. freigestellt werden, wo immer sich eine Möglichkeitbietet (Eschentriebsterben). Dem Forstamt sind dabei einlanger Atem und eine glückliche Hand zu wünschen,sowohl beim Umgang mit der Öffentlichkeit als auch mitder vorgesetzten Behörde.

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Frühblüher Bärlauch

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Junge,gepflanzte

Buchen gedei-hen ohne

Zaunschutz imvon Kieferndominierten

Wald

Bundesland / Landkreis: Bayern /RothWaldbesitz: 60 Kleinprivatwaldbesitzer im Landkreis Roth im Bereich der Gemeinde Rohr

und Wälder der Gemeinde Kammerstein und der Stadt SchwabachVerantwortlich für Bewirtschaftung: Privatwaldbesitzer bzw. Stadtförster; Beratung erfolgt durch das AELF Roth,

untergeordnet dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft undForsten

Zeitraum: 2011 bis 2014Schutzstatus: –

Details /Kurzbeschreibung: Private und kommunale Waldbesitzer haben im mittelfrän-kischen Landkreis Roth gemeinsam begonnen, etwa 130Hektar oftmals reine Kiefernwälder in stabile Laubmisch-wälder in den Jahren 2011 bis 2014 umzuwandeln. DieWälder liegen im Bereich der Gemeinden Rohr und Kam-merstein. Es waren 60 private Waldbesitzer, die StadtSchwabach und die Gemeinde Kammerstein beteiligt: Siepflanzten in ihren Wäldern 500.000 Bäume, hauptsächlichdie Baumarten Buchen, Tannen und Eichen.

Das Projekt Zukunftswälder im Landkreis Roth wurde vonRevierförster Peter Helmstetter vom Amt für Ernährung,Landwirtschaft und Forsten (AELF) Roth auf den Weggebracht, der dazu frühzeitig Waldbesitzer und Jägerzusammenbrachte. Das Besondere an diesem Waldumbau-Projekt ist, dass der größte Teil der Anpflanzungen ohneden ansonsten vielerorts notwendigen Zaunschutz erfolgte.

Dies wurde zum einen möglich, weil die Mischbaumartenauf großen Flächen angepflanzt wurden. Zum anderen, weildie verantwortlichen Jäger den Rehwildabschuss in diesenBereich um bis zu 50Prozent erhöhten und so den Wildver-biss deutlich reduzieren konnten. Auch finanziell rechnetesich das Projekt für die Waldbesitzer. Die staatlichen För-dergelder für diesen Waldumbau deckten weitgehend dieAusgaben für die Anpflanzungen. Dazu kamen noch Durch-forstungserlöse, weil die Waldbesitzer vor der Anpflanzungdie oft dicht bestockten Nadelwälder durchforsteten.

Lob des BUND:Vor dem Hintergrund des Klimawandels ist es zwingendnotwendig, die Umwandlung der oft reinen Kiefern- undFichtenforste in Laubmischwälder voranzutreiben. Diesscheiterte in der Vergangenheit jedoch an den vielerorts zuhohen Wildbeständen. Der Waldumbau blieb deshalb aufkleine Anpflanzungen „hinter Zaun“ begrenzt. Das vorbild-

Fit für den Klimawandel Zukunftswälder im Landkreis Roth

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hafte Projekt „Zukunftswälder im Landkreis Roth“ geht hiermit der Einbindung aller Betroffenen neue Wege und lässtso auf großer Fläche Mischwälder entstehen. Die ist vordem Hintergrund des Klimawandels wichtiger denn je.

Ursachen-Analyse:Der Erfolgsfaktor in dem Projekt war, dass es Försterngelungen ist, Waldbesitzer und Jäger frühzeitig einzubin-den und gleichermaßen für das Projekt zu gewinnen.Dadurch gelang es, eine positive Grundstimmung bei denWaldbesitzern zu erzeugen und die Jäger dazu zu bewegen,die Rehwildabschüsse in den Waldumbaugebieten im Rah-men einer Schwerpunktbejagung deutlich zu erhöhen.

Der Beratungs- und Betreuungsaufwand auf Seiten derForstbehörde für Gruppen- und Einzelberatungen derWaldbesitzer, Koordinierung der Pflanzungen, Förderab-wicklung und Kontrolle war immens. Er konnte nur bewäl-tigt werden, weil es gelang, mit Projektmitteln befristetForstleute anzustellen. Die Projektabwicklung wäre ansons-ten wegen der aktuellen knappen Personalausstattungnicht möglich gewesen.

Die Holzernte wurde von Forstunternehmern naturscho-nend durchgeführt und von Forstbetriebsgemeinschaftenals Selbsthilfeorganisationen der Waldbesitzer organisiert.Dies wäre von einzelnen Waldbesitzern so nicht zu bewäl-tigen gewesen. Dies gilt auch für die Pflanzung der insge-samt über 500.000 Bäumchen, die überwiegend von Forst-unternehmern gesetzt wurden.

Ausblick:Der Klimawandel stellt Wälder und ihre Besitzer auch inBayern vor große Herausforderungen. Lobenswert ist, dassin Bayern dazu viele Forschungsprojekte auf den Weggebracht wurden, aus denen sich Empfehlungen für dieForstpraxis ableiten lassen, wie beispielsweise zur Eignungvon Baumarten in den verschiedenen Regionen Bayerns.Die größte Herausforderung stellen die über 300.000 Hek-tar Fichtenwälder in warm-trockenen Gebieten Bayerns dar,weil die Fichtenwälder auf diesen ungeeigneten Standortenlabil sind und durch Stürme, Dürren und Borkenkäfer sehrleicht zusammenbrechen. Besonders stark sind hier Privat-wälder mit deutlich über 200.000 Hektar an Waldflächebetroffen. Auf regionaler Ebene hat dies bereits zu größe-ren Absterbe-Erscheinungen geführt, wie beispielsweise inder Region Westmittelfranken mit mehreren tausend Hek-tar an Kahlflächen.

Weitere Probleme durch den Klimawandel werden die inBayern verbreiteten Nadelholzforste bekommen, in denenkeine heimischen Laubbäume beigemischt sind. Diesbetrifft etwa 700.000 Hektar, fast 30 Prozent der Waldflä-che Bayerns. Das erfolgreiche Vorzeigeprojekt Zukunftswäl-der im Landkreis Roth ist deshalb ein wichtiger Schritt nachvorne, weil mit diesem Ansatz auf größeren Flächenzukunftsfähige Mischwälder ohne Zaunschutz nachgezo-gen werden können. Ein gravierendes Hemmnis auf diesemWeg sind nach wie vor die vielerorts zu hohen Schalen-wildbestände. Deshalb ist es nicht nur entscheidend, Wald-besitzer für derartige Projekte zu gewinnen, sondern insbe-sondere auch die verantwortlichen Jäger.

Das Projekt Zukunftswälder im Landkreis Roth selbst istinzwischen auf einem guten Weg, die ersten gepflanztenBuchen sind schon über zwei Meter groß. Das Projektmacht Mut, dass es trotz unterschiedlicher Interessen undbei schwierigen Ausgangslagen auch im Privatwald möglichist, ohne Zaun flächig Mischwälder zu begründen. Es müs-sen jedoch noch viele weitere solcher Projekte folgen, dennauch wenn es sich hier um das größte Waldumbauprojektim Privatwald in Bayern handelt, so sind doch nur etwa 4 Prozent des Privatwaldes in den betroffenen Gemeindeneinbezogen. Ein Blick in die Waldstatistik Bayerns zeigt,dass hier in Sachen Waldumbau noch sehr viel zu tun ist.Denn auch heute noch sind Nadelwälder regional weit ver-breitet, die früher als Kunstforste leider regelmäßig aufungeeignete Standorte gepflanzt wurden.

BUND-Waldreport 2016

Exkursion desBUND Rohr inden Zukunfts-wald Rohr

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Biotopholz imStrombruch

Bundesland / Landkreis: Mecklenburg-Vorpommern / -Waldbesitz: Kommunalwald der Hansestadt RostockVerantwortlich für Bewirtschaftung: Stadtforstamt Rostock / MLUV und LandesforstanstaltZeitraum: seit den letzten Jahrzehnten bis heuteSchutzstatus: LSG, teilweise FFH- Gebiet, NSG

Details / Kurzbeschreibung: Die Rostocker Heide ist Teil eines der letzten großengeschlossenen Waldgebiete an der Ostseeküste und seitJahrhunderten im städtischen Besitz. Mit dem Kauf derHeide im Jahr 1252 wurde die Hansestadt Waldbesitzer vonrund 6.000 Hektar. Sie zählt damit zu den fünf waldreichs-ten Kommunen in Deutschland. Seit der Restitution desKommunalwaldes 1992 wird die Waldbewirtschaftung inRostock als Umweltdienstleistung verstanden und prakti-ziert. Das Stadtforstamt ist seitdem dem Umweltbereichzugeordnet. Es gibt eine klare Zielstellung des Eigentümersmit Vorrang für Gemeinwohlleistungen, vor allem im BereichErholung und Naturschutz. Die Rostocker Heide ist Bestand-teil des Bundesprogramms Biologische Vielfalt (HotSpot 29).

Das Stadtforstamt Rostock ist verantwortlich für alleBelange des Kommunalwaldes wie Erholung, Naturschutz,Nutzung, Jagd und Waldschutz. Gleichzeitig ist das Forst-amt die Untere Naturschutzbehörde und für Teilaufgabendie Untere Forstbehörde. Die Waldbewirtschaftung erfolgt

auf Basis eines komplexen Planungswerkes (Forsteinrich-tung, Waldbiotopkartierung, Standortserkundung, FFH-Managementplan). Im Forsteinrichtungszeitraum (Vergleich1998 zu 2009) wurde der Laubholzanteil auf 52 Prozenterhöht. Der Anteil der über 80-jährigen Bestände ist um 6Prozent gestiegen, im Laubholz 10 Prozent. Der StadtwaldRostock ist seit dem Jahr 2000 als erste Kommune in denneuen Bundesländern nach FSC-Standard zertifiziert.Zusätzlich zu den Referenzflächen (6 %) wurden extensiverWaldbehandlungsflächen auf 7 % der Fläche ausgewiesen.Alt- und Totholz werden im Rahmen der forstlichen Bewirt-schaftung sichergestellt. Die Jagd erfolgt konsequent alsRegiejagdbetrieb, dabei wird seit 2008 nur bleifreie Muni-tion eingesetzt. Die Abschussplanung und die Einrichtungvon Wildruhezonen werden nach wildbiologischen Aspek-ten und nach Waldzustand festgelegt.

In den ehemaligen Sperrgebieten (40 % des Kommunal-walds) erfolgte eine komplette Renaturierung der ehemali-gen Militärflächen. Die Rostocker Heide ist ein bedeutender

Hotspot mit klarer ZielstellungRostocker Heide

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Tourismusschwerpunkt und gleichzeitig wichtiger Natur-raum. Dies erfordert eine permanente Abstimmung der ver-schiedensten Nutzungsinteressen, um den Schutz undErhalt der natürlichen Grundlagen bei gleichzeitiger Erleb-barkeit der Landschaft zu gewährleisten. Das StadtforstamtRostock betreibt aktive Öffentlichkeitsarbeit und sorgt fürdie Möglichkeit intensiver Beteiligung von Bürgern, Ver-bänden und Kommunalpolitik (u. a. jährlicher Forstberichtund Waldbereisung).

Lob des BUND:Der BUND begrüßt die praktizierte nachhaltige Waldbewirt-schaftung über städtische Forstplanung und FSC- Zertifizie-rung. Die Holzernte erfolgt besonders naturverträglich undBoden schonend. Der BUND lobt, dass die Einschlagshöheklar an die Zielstellung „alte, vorratsreiche Wälder“ ange-passt wird. So gibt es hohe Anteile von Altbäumen, Totholzund Biotopbäumen. Hier spielen vorbildliche Konzepte undeine konsequente Umsetzung der FFH-Managementpläneeine Rolle. Positiv ist auch der Biotopschutz in der RostockerHeide. Hier sind gute Konzepte im Rahmen der forstlichenBewirtschaftung integriert. Viele Waldbestände in der Ros-tocker Heide sind hinsichtlich der Baumarten und Strukturbesonders naturnah. Naturferne Bestände werden nach undnach umgewandelt, Zerfall und Sukzessionsstadien zugelas-sen. Das System der Bejagung ist als fortschrittlich zu sehen,mit einer klaren Zielstellung für angepasste Wilddichten.

Der BUND begrüßt die klare Positionierung der Stadt Ros-tock für Vorrang der Gemeinwohlleistungen im BereichErholung und Naturschutz. Der Ausgleich beziehungsweisedie Kombination der verschiedensten Nutzungsansprüchean den Kommunalwald erfolgt mit gleichrangiger Beach-tung von Natur- und Artenschutz durch das Stadtforstamt.Die Strukturen im Stadtforstamt sind nachhaltig undgleichzeitig effektiv gestaltet, es gibt ausreichend motivier-tes Personal vor Ort. Kommunikation und Transparenz desForstamtes sind vorbildlich. So werden Daten zur Waldwirt-schaft und zum Waldzustand öffentlich gemacht durch denjährlichen Forstbericht, Waldbereisungen sowie die Mög-lichkeit der Beteiligung durch die Verbände.

Die Zusammenarbeit Stadtforstamt Rostock mit den Natur-schutzverbänden verläuft effektiv, beispielsweise beim Grü-nen Band, der Ausweisung von Flächen des NationalenNaturerbes (NNE), bei der Ausweisung von FFH-Gebietenund der Umsetzung ihres Schutzes. Aber auch bei Arten-schutzmaßnahmen im Wald und gemeinsamer Öffentlich-keitsarbeit läuft die Kooperation gut.

Ursachen-Analyse:Die klare Zielstellung der Stadt Rostock für Vorrang derGemeinwohlleistungen ist die Grundlage für diese vorbildli-che Waldbewirtschaftung. Die hohe Eigentümerbindung imKommunalwald mag hier eine Rolle spielen. Das motivierte,fachkompetente und vielseitig aufgeschlossene Forstperso-nal des Stadtforstamtes Rostock setzt diese Vorgabe erfolg-reich um. Die Struktur zur Waldbewirtschaftung ist effektiv.Auch die hohe Transparenz und Öffentlichkeit des Stadt-forstamtes sowie die gute gegenseitige Akzeptanz vonNaturschutz und Stadtforstamt tragen zur Erfolgsgeschichteder nachhaltigen Waldwirtschaft in der Rostocker Heide bei.

Ausblick: Hoffentlich bleibt es so!

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Wertholzstamm

Waldtag in derRostocker Heide

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Wiederver-nässte, ehe-mals entwäs-serte Bereicheder Eilenriede

Bundesland / Landkreis: Niedersachsen / Region HannoverWaldbesitz: Kommunalwald der Stadt HannoverVerantwortlich für Bewirtschaftung: Stadt Hannover / Forstbetrieb im Fachbereich Umwelt und StadtgrünZeitraum: von etwa 1990 bis heuteSchutzstatus: Wesentliche Teile geschützt durch kommunale Satzung von 1956, Teile als

LSG, Moorflächen als FFH-Gebiet und zukünftig NSG

Details / Kurzbeschreibung:Die Landeshauptstadt Hannover besitzt ausgedehnte Wald-flächen. Kern ist der Stadtwald „Eilenriede“ mit 636 Hektar(ha), der sich bis an den Rand der Innenstadt erstreckt.Dazu kommen über das Stadtgebiet verstreut weiterestadteigene Wälder (602 ha) sowie das bewaldete Hoch-moor „Altwarmbüchener Moor“ (169 ha), in dem eine Wie-dervernässung versucht wird.

Obwohl der Wald, was die Baumarten betrifft, von jehernaturnah war (88 % Laubbäume, vor allem Eiche undBuche), waren auch lange Zeit aus Naturschutzsicht Defizi-te festzustellen, etwa beim Schutz von Alt- und Totholz.1993 gaben BUND und NABU deshalb für Hannover einWaldnaturschutzkonzept unter dem Titel „Mehr Natur imStadtwald“ heraus. Seitdem wurden, nach einer vor allemanfangs kontroversen Diskussion, die wesentlichen Zieledes Konzepts vom Forstbetrieb und vom Rat der StadtSchritt für Schritt umgesetzt.

Mehrere herausragend wertvolle Teile des Waldes wurdendauerhaft als Naturwaldflächen ausgewiesen, in denen kei-nerlei forstliche Nutzung mehr stattfindet. Mit demBeschluss zum neuen Betriebswerk 2014 wurden diese Flä-chen noch einmal vergrößert und umfassen jetzt 125 Hek-tar (rund 10 % der Waldflächen ohne Moore). Auf weiteren198 Hektar beschränkt sich die Holznutzung auf Bäume,die wegen der Verkehrssicherung der Wege gefällt werdenmüssen. Die Moorflächen eingerechnet findet auf insge-samt 35 % des stadteigenen Waldes keine reguläre Holz-nutzung mehr statt.

Für die übrigen Flächen sieht das Betriebswerk seit 2014vor, dass Baumfällungen nur als waldbauliches Mittel zurFörderung altholzreicher und naturnaher Bestände erfol-gen, vor allem bei der Durchforstung von Stangenholz undzur Förderung von Altbäumen, insbesondere Stieleichen,wenn sie von anderen Bäumen bedrängt werden. Das dabeianfallende Holz wird vermarktet, es sollen aber keineBäume mehr entnommen werden, nur um sie zu verkaufen.

Lebendige Großstadt Stadtwald Hannover

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Flächendeckend dürfen alte Bäume ab einem festgelegtenStammdurchmesser sowie Höhlenbaume, außer bei dro-hender Gefahr, nicht mehr gefällt werden, sondern bleibenbis zu ihrem natürlichen Ende erhalten. Totholz wird konse-quent im Wald belassen.

Das sehr dichte Wegenetz im viel besuchten innerstädti-schen Wald macht die Erhaltung von Alt- und Totholzschwierig. Es wurden deshalb einige weniger notwendigeWege aufgehoben und zurückgebaut. Ursprünglich nasseEichen-Hainbuchenwälder, die wie fast überall durch Ent-wässerungen beeinträchtigt waren, wurden durch Aufstauwiedervernässt. Der Forstbetrieb ist nicht nur nach FSC,sondern auch nach dem noch anspruchsvolleren Natur-land-Standard zertifiziert.

Lob des BUND:Im hannoverschen Stadtwald ist die Forderung der Natio-nalen Biodiversitätsstrategie, zehn Prozent des öffentlichenWaldes dauerhaft einer natürlichen Waldentwicklung zuüberlassen, vorbildlich umgesetzt worden. Beispielhaft istaber darüber hinaus die konsequente Ausrichtung desBetriebswerks auf den übrigen neunzig Prozent der Flächean dem Ziel, für die Bürgerinnen und Bürger sowie denSchutz der biologischen Vielfalt einen naturnahen und viel-fältigen Wald mit einem hohen Anteil alter Bäume zuerhalten und zu entwickeln. Verwaltung und Politik scheu-ten sich dabei nicht vor anfangs kontrovers diskutiertenMaßnahmen wie Wegerückbau und Wiedervernässung.

Das Beispiel Hannover zeigt, dass auch in Wäldern mit einerstarken Erholungsnutzung mitten in einer Großstadt sehrviel Naturnähe und Artenvielfalt möglich gemacht werdenkann. So weisen die Stadtwälder eine reiche Fledermaus-fauna auf und auch altholzbewohnende Käfer wie der Ere-mit kommen hier vor. Bereits jetzt liegen die Totholzvorrä-te in der Eilenriede bei 34 m³ / ha, während der Landes-durchschnitt nur die Hälfte davon beträgt. Noch bessersieht der Vergleich bei einer Betrachtung der Qualität desTotholzes aus. Zum Beispiel ist das besonders wertvolle ste-hende Totholz hier dreimal so viel wie im Landesdurch-schnitt vertreten.

Hannover erfüllt deshalb, zusammen mit weiteren kommu-nalen Forstbetrieben wie Uelzen, Göttingen und Einbeck,eine Vorreiterrolle für andere öffentliche Waldbesitzer.

Ursachen-Analyse:Mehr Natur in öffentlichen Wäldern lässt sich nur errei-chen, wenn diese Idee von den MitarbeiterInnen des jewei-ligen Forstbetriebs als Hauptakteuren gewollt und umge-

setzt wird. Das ist im Stadtwald Hannover der Fall. Günstigwar sicher auch, dass die Stadt Hannover den Forstbetriebin Eigenregie führt und ihn nicht wie andere KommunenDienstleistern mit eigenen wirtschaftlichen Interessenüberlässt.

Seitens der Politik war die Unterstützung der Ratsmehrheitentscheidend, wobei sich nach einer jahrelangen Phase desParteienstreits wohl allgemein die Erkenntnis durchsetzte,dass man bei den WählerInnen nicht damit punkten kann,wenn man versucht, Ängste vor natürlicher Waldentwick-lung zu schüren. Zum breiten Konsens am Ende hat derEilenriede-Beirat, ein vom Rat schon 1956 eingesetztesGremium zum Schutz des Waldes, wohl wesentlich beige-tragen. Auf Verbandsseite hat zum Erfolg verholfen, dassBUND und NABU in Hannover immer mit einer Stimmegesprochen haben.

Ausblick:Waldnaturschutz stellt eine Daueraufgabe dar, die gelebtwerden muss. Sehr positiv sieht der BUND, dass der Forstbe-trieb der Stadt Hannover offen für einen Dialog mit denNaturschutzverbänden ist. Leider ist auch immer wieder mitAngriffen auf den Wald zu rechnen. Zum Beispiel konnte2014 der Rat nicht davon abgebracht werden, eine Moun-tainbike-Anlage ausgerechnet in ein wertvolles Waldstück zubauen. Es ist zu wünschen, dass dies eine Ausnahme bleibt.

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Alt- und tot-holzreichesWaldstück in der Eilenriede

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Altrheinarm imNaturschutz-gebiet Hördter

Rheinaue

Bundesland / Landkreis: Rheinland-Pfalz / Germersheim, Speyer, Rhein-Pfalz, LudwigshafenWaldbesitz: Staatswald Rheinland-PfalzVerantwortlich für Bewirtschaftung: Landesforsten Rheinland-Pfalz / Forstamt Pfälzer RheinaueZeitraum: 2014 bis heuteSchutzstatus: NSG, FFH-Gebiet

Details / Kurzbeschreibung: Hart- und Weichholz-Auwälder gehören in Deutschlandund Mitteleuropa zu den gefährdetsten Lebensräumen.Mittelspecht und Schwarzmilan, Kammmolch und Laub-frosch oder die Bechsteinfledermaus fühlen sich hier zuHause. Bedrohten Käferarten wie Heldbock und Hirschkäferbieten diese Wälder ein Refugium. Der BUND Rheinland-Pfalz mit den Kreisgruppen vor Ort und dem Landesarbeits-kreis Wald setzen sich daher seit Jahren für den Schutz unddie Förderung der letzten Auwaldreste entlang des Rheinesein. Doch trotz höchstem naturschutzfachlichem Schutz(Natura 2000, Naturschutzgebiete) sind die noch vorhan-denen Waldbereiche selbst vor dem Rheinhauptdeich, alsoim Überschwemmungsbereich des Rheins, alles andere alsnaturnah: Hybridpappeln, Eschenreinbestände odergebietsfremde Baumarten, wie die Schwarznuss prägen dasBild.

Nach vielen Jahres des unermüdlichen Einsatzes konnte2015 ein großartiger Erfolg gefeiert werden: Im Über-schwemmungsbereich des Rheins sollen in den nächstenJahren etwa 940 Hektar Staatswald nach und nach aus derforstwirtschaftlichen Nutzung genommen werden – eineneue Wildnis mit natürlicher Waldentwicklung darf sich amRhein entwickeln. Eine entsprechende Vereinbarung wurdeAnfang März 2015 zwischen dem Landesforstministeriumund dem BUND Rheinland-Pfalz getroffen, die in die Forst-einrichtung einfließen wird. Diese umfasst die Waldflächenwasserseits des Rheinhauptdamms zwischen Neuburg imSüden und Altrip im Norden.

In der Vereinbarung ist festgelegt, dass 267 Hektar alssogenannte Waldrefugien sofort dauerhaft aus der forst-wirtschaftlichen Nutzung genommen werden. Weiter istbestimmt, dass der Holzeinschlag in den übrigen Waldflä-

Neue Wildnis in der AueAuwälder in den Pfälzer Rheinauen

BUND-Waldreport 2016

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chen sukzessive zurückgefahren und schließlich ganz ein-gestellt wird. Für eine Übergangszeit von maximal 30 Jah-ren darf in Beständen mit Hybridpappeln eine bestands-schonende einzelstamm- bis gruppenweise (maximal 0,5Hektar) Nutzung stattfinden. Dabei sollen mindestens 20Prozent der Altpappeln zum Schutz von Vogelarten wie bei-spielsweise dem Mittelspecht erhalten bleiben.

Die Wiederbewaldung soll in der Regel durch natürliche Suk-zession erfolgen. Auf wenigen Einzelflächen dürfenursprünglich einheimische Auwald-Baumarten wie Schwarz-pappel, Silberweiden oder Stieleichen eingebracht werden.Die so umbaubare Fläche soll maximal 150 Hektar betragen.Zu guter Letzt ist in der Vereinbarung festgehalten, dass dieWaldentwicklung beobachtet und dokumentiert wird. DasWegenetz soll bedarfsorientiert verkleinert werden.

Lob des BUND:Das Land und das Forstamt Pfälzer Rheinauen leisten mitdem Prozessschutz in der rezenten Rheinaue einen ent-scheidenden Beitrag zur Erhaltung der biologischen Vielfaltund zum Schutz natürlicher Prozesse. Die natürlichenWaldentwicklungsflächen erstrecken sich über ca. 70 Kilo-meter entlang des Rheines und leisten einen wichtigen Bei-trag zur Biotopvernetzung, beispielsweise für Arten wieLaubfrosch, Biber oder auch die Wildkatze.

Ursachen-Analyse:Der jahrelange Einsatz des BUND Landesverbandes mit denKreisgruppen vor Ort und dem Landesarbeitskreis Waldhaben dazu beigetragen, dass sowohl die politisch Verant-wortlichen, als auch die Bürger vor Ort erkannt haben,welch ein Naturschatz der Auwald am Rhein ist bezie-hungsweise sein kann. Die Zusammenarbeit mit dem amt-lichen Naturschutz und den Forstbehörden, wie der Forst-einrichtung, war konstruktiv.

Ausblick: Die über Jahre auch in der Öffentlichkeit geführte Diskus-sion hat auch zum Umdenken bei kommunalen Waldbesit-zern geführt. Beispielsweise hat die Stadt Speyer beschlos-sen, einen Teil ihres Auwaldbesitzes ebenfalls aus der Nut-zung zu nehmen. Weitere Kommunen diskutieren derzeitdarüber.

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Neue Wildnis: Altrheinarm mit Blick auf die Weichholzaue der Insel Horn

Waldrefugium / Naturwald in der Altaue (NSG Schwarzwald)

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Alte knorrigeRotbuche

Bundesland / Landkreis: Saarland / SaarlouisWaldbesitz: Privatwald der Dillinger HütteVerantwortlich für Bewirtschaftung: Waldbesitzer mit eigenem Personal; Aufsicht: Forstbehörde beim Ministerium

für Umwelt und VerbraucherschutzZeitraum: seit langemSchutzstatus: LSG, teilweise Wasserschutzgebiet

Details / Kurzbeschreibung: Der Dillinger Hüttenwald ist ein in sich geschlossenes Wald -gebiet von 300 Hektar im Besitz der AG der Dillinger Hüt-tenwerke. Er besteht in großen Teilen aus Laubwäldern mitEichen, Buchen und Edellaubhölzern. Daneben gibt eskünstlich eingebrachte Fichten, Douglasien und Lärchen. Indem dicht besiedelten und stark von der Schwerindustriegeprägten Raum des mittleren Saartales hat dieser Wald-komplex eine außergewöhnliche Bedeutung für die Naher-holung. Ein für Rollstuhlfahrer geeigneter 3,7 km langerRundweg in dem Wald ist überregional bekannt. Da dieangrenzende Stadt Dillingen größtenteils in einer Tallageliegt, kommt mit der Frischluftproduktion eine wichtigeGemeinwohlleistung hinzu, nicht zu vergessen die der Trink-wasserreinigung.

Gegenüber den Wohlfahrtsleistungen stellt der privateWaldeigentümer die Funktion der Holzproduktion zurück:Der wirtschaftliche Forstbetrieb soll lediglich den Deckungs-beitrag liefern für die Jungwuchspflege, den Wildschutz an

Jungpflanzen sowie für Investitionen wie die Wegeunterhal-tung. Kontingente für Energieholz gehen an örtliche Brenn-holzselbstwerber sowie sporadisch an das eigene Unterneh-men als Starthilfe für das Anfahren der Hochöfen.

Der Wald wurde während des Zweiten Weltkrieges durchBomben und Granaten extrem in Mitleidenschaft gezogen.Die alten Laubbaumbestände sind stark durch Bombensplit-ter beeinträchtigt und dadurch für eine höherwertige Säge-holznutzung nur eingeschränkt verwertbar. In anderen, vorallem öffentlichen Wäldern, wurden solche Bestände kahlge-schlagen, um Platz für großflächige Neuaufforstungen zuschaffen. Im Dillinger Hüttenwald wurden diese Bestände,vor allem in den alten Mittelwaldbereichen, hingegen in denletzten 70 Jahren belassen. Damit stellt der Waldeigentümerdie sozialen und ökologischen Funktionen des Waldesbewusst über die ökonomische Funktion, mit HolzeinschlagGewinne zu erzielen. Dies hat dazu geführt, dass heute rundein Drittel des Waldes älter als 140 Jahre ist, 7 Prozent sogarälter als 180 Jahre, bei einem Laubholzanteil von 75 Prozent.

Wertvoller alter Wald in privater Hand Hüttenwald Dillingen

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Auf den anderen Waldflächen gibt es auch Bereiche, dieden jeweiligen Zeitgeist der „forstlichen Modewellen“widerspiegeln wie Reinbestände von Douglasien oder Fich-ten oder auch Bestände mit Roteichen. Dort betreibt derWaldbesitzer eine konventionelle Bewirtschaftung. EinWehrmutstropfen sind die leider auch in diesem Forstbe-trieb überhöhten Rehwildbestände, insbesondere im Hin-blick auf die zukünftige Waldentwicklung. In den Lücken,die durch natürliche Alterungsprozesse entstehen werden,wird es die standortsheimische Stieleiche sehr schwerhaben, sich gegen die Buche durchzusetzen, weil die Eichenim Gegensatz zur den Buchen stark verbissen werden. Dazukommt das zahlreich vorkommende Schwarzwild, das dengrößten Teil der Eichelmasten vertilgt.

Lob des BUND:Der BUND freut sich über diesen freiwilligen Beitrag einesPrivatwaldbesitzers, der hilft, die Defizite Deutschlands beider Erhaltung alter Laubwälder zu beheben. Der DillingerHüttenwald liefert ein beeindruckendes Anschauungsobjekt,wie strukturreich Laubwälder werden, wenn man sie aufgrößerer, zusammenhängender Fläche alt werden lässt. Ver-blüffend ist die Vitalität 200-jähriger Buchen mit ihren star-ken Kronen. Es zeigt sich deutlich, dass gut gemeinte Kon-zepte in Wirtschaftswäldern wie das Belassen einzelnerBäume oder auch Baumgruppen nie zu der Vielfalt der ein-zelnen Mikrohabitate und deren Vernetzung führen können,wie es für sehr alte beziehungsweise über viele Jahrzehnteforstlich nutzungsfreie Wälder typisch ist.Besonders bemerkenswert ist im Hüttenwald Dillingen auchder Umgang mit dem Thema der Verkehrssicherung in einemErholungswald. Gefährdende Bäume werden zwar gefällt,bleiben jedoch im Wald liegen, wenn sie wertvolle Struktur-merkmale aufweisen. Soweit zugänglich, erfolgt in solchenFällen bevorzugt eine baumerhaltende Kronenpflege mitHubbühne. Nicht zuletzt sind die ausgedehnten 180-jähri-gen Eichen-Buchenwälder ein Ort, um die Seele baumeln zulassen, ein Ort, wo wir ansatzweise eine Ahnung bekommen,wie unsere Wälder auch aussehen könnten.

Ursachen-Analyse:Im Dillinger Hüttenwald fand nach dem Krieg keine voll-ständige Holznutzung der kriegs- und splittergeschädigtenWälder mit anschließender Neuaufforstung statt, wie imöffentlichen Wald auf großer Fläche geschehen. Der Wald-besitzer Dillinger Hütte setzte damals wie heute konse-quent auf den Vorrang der sozialen und ökologischen Funk-tionen des Waldes vor seine wirtschaftliche Funktion. Fürdie Unternehmensbilanz eines großen Unternehmens wäreeine gewinnorientierte Bewirtschaftung des Waldes ohne-hin zu vernachlässigen.

Ausblick: Wenn in den nächsten Dekaden punktuell Alterungs- undAbsterbeprozesse im Wald einsetzen, wird der ökologischeWert des Dillinger Hüttenwaldes noch weiter steigen. Für diekünftige Waldentwicklung wäre es wichtig, die überhöhtenReh- und Schwarzwildbestände soweit anzupassen, dass sichdie verschiedenen Baumarten, insbesondere die Eiche, auchohne Schutzmaßnahmen entwickeln können. Für die Zukunftwäre es wünschenswert, die Waldentwicklung im DillingerHüttenwald wissenschaftlich zu untersuchen.

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Stehendes Tot-holz mit Vogel-höhle

Baumstubbenmit Konsolen-pilz (Zunder-schwamm)

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Naturverjün-gung unter

alten Buchenund Eichen

Bundesland / Landkreis: Schleswig-Holstein /Hansestadt LübeckWaldbesitzart: Kommunalwald der Hansestadt LübeckVerantwortlich für Bewirtschaftung: Bereich Stadtwald im Fachbereich Umwelt, Sicherheit und Ordnung der

Hansestadt Lübeck Zeitraum: seit 1994 fortlaufend mit Lübecker Konzept der Naturnahen WaldnutzungSchutzstatus: Natura 2000, NSG, LSG, Naturpark

Details /Kurzbeschreibung:Der Stadtwald Lübeck bewirtschaftet zusammen mit zuge-ordneten Stiftungflächen rund 5.000 Hektar Wald. Die Stadtan der Ostsee besitzt diese Waldflächen kontinuierlich seitdem Jahr 1163. Deren natürliche Ausstattung wären über-wiegend verschiedene Buchenwald-Gesellschaften aufnährstoffreichen Böden der letzten (Weichsel-)Eiszeit.

Das Konzept der Lübecker „Naturnahen Waldnutzung“wurde 1994 eingeführt. Es wurde in einem achtjährigenEntwicklungsprozess zusammen mit Interessierten, Sach-kundigen und Zuständigen entwickelt. Deshalb ist die Iden-tifizierung und Zustimmung der Einwohner groß. Das Lübe-cker Konzept realisiert bewusst die Forderungen aus demUmweltgipfel von 1992 in Rio de Janeiro, besonders die derKonventionen zum Klimaschutz und zur biologischen Viel-falt. Die kommunale Umsetzung als Agenda 21 im Stadt-wald wurde 1995 einstimmig von der Bürgerschaftbeschlossen und zuletzt im Jahre 2009 bekräftigt.

Der Forstbetrieb unterhält 250 km Wander-, Reit-, undRad wege und führt jährlich rund 3.000 Interessierte durchden Wald. Der Personalstand ist mit fünf Mitarbeitern pro1.000 Hektar relativ hoch und erfüllt dadurch hohe Leis-tungsansprüche der Öffentlichkeit an die vom Stadtwaldbetreuten Naturschutzgebiete, an die Erholungsgebiete, anNaturbildung und an die Ausbildung von zukünftigen Forst-wirten.Das Lübecker Konzept betreibt „integrierten Prozessschutz“,um „Naturnähe“ der Wirtschaftswälder als prioritäres Ent-wicklungsziel zu realisieren. Leitgedanken hierzu sind:• Die Natürliche Waldgesellschaft ist die risikoärmste und

produktivste Waldform (Nachhaltigkeit).• Wirtschaftsziele dürfen die natürliche Leistungsfähigkeit

des Waldes nicht übersteigen (Suffizienz).• Alle Maßnahmen müssen als minimale Störung angelegt

werden (Vorsichtsprinzip).

Vorbild für Naturnahe Waldnutzung Stadtwald Lübeck

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Wirtschaftstheoretisch folgt das Lübecker Konzept derErkenntnis, dass in der Waldwirtschaft nachhaltiger wirt-schaftlicher und sozialer Erfolg nur durch Minimierung desInputs (Kosten) in das lebende, in der Leistungsfähigkeiteng begrenzte und leicht zerstörbare Ökosystem gesichertwerden kann. Der Output (Leistung) wird dann weitgehendkostenlos vom System selber erzeugt (z.B. Anpassungsfä-higkeit, Erholungseignung, Holz). Die Maximierung desErtrages, wie es in der industriellen und dienstleistendenWirtschaft angestrebt wird, ist in lebenden Systemen mitnaturgesetzlich eng begrenztem Wachstum nachhaltignicht möglich. Hier gilt, dass das ökologische Funktionierendie unverzichtbare Voraussetzung für soziale und ökonomi-sche Erfolge des Betriebes ist.

Mit den Einzelkomponenten des Lübecker Konzeptes wer-den Störungen durch wirtschaftende Eingriffe minimiertund die Naturnähe des Waldes erhalten oder erhöht. Sowerden nur einzelne Bäume geerntet, höchstens eine Lückevon 0,25 Hektar zugelassen. Die Erneuerung erfolgt fastausschließlich durch natürliche Ansamung. Nur am Stand-ort heimische Baumarten werden gefördert, nicht aber diean die örtlichen Verhältnisse wenig angepassten Baumar-ten, die in anderen Boden- und Klimaverhältnissen hei-misch sind. Als naturnaher Vorrat an Baumholz werden 80Prozent des Vorrats der entsprechenden natürlichen Wald-gesellschaft angestrebt. Das sind im Lübecker Stadtwald500 m³ / ha bis 600 m³ / ha.

Um Naturnähe erkennen und zielgerichtet entwickeln zukönnen, wurden auf 10 Prozent des Waldes repräsentativeReferenzflächen ausgewiesen, in die dauerhaft nicht mehreingegriffen wird. Auf diesen Lernflächen geben dieerkennbaren natürlichen Prozesse Hinweise auf zielkonfor-me Bewirtschaftung bzw. notwendiges Unterlassen imbewirtschafteten Teil. Außerdem werden im bewirtschafte-ten Teil des Waldes mindestens 10 Prozent der Bäume alsbiologisch wichtige Habitatbäume und Totholzbäumeunangetastet belassen. Völlig verboten sind Kahlschläge(Öffnungen von mehr als 0,25 Hektar), das Anlegen vonMonokulturen, störende Maßnahmen in der Vegetations-zeit, Gifte, Mineraldünger, Abschieben von Humus, Eingrif-fe in den Mineralboden, Entwässerungen u.a.

Die Ergebnisse nach über 20 Jahren konsequenter Umset-zung des Lübecker Konzepts sind durch drei Inventuren ein-schließlich eigens entwickelter Biotopkartierung und zahlrei-cher wissenschaftlicher Arbeiten zuverlässig dokumentiert:Danach ist der Holzvorrat der stehenden Bäume von rund300 m³ / ha auf über 400 m³ / ha angestiegen. Der Anteil dernicht-standortheimischen Baumarten ist um

25 Prozent geschrumpft. Etwa 20 Prozent der Baummassesind in Habitat- und Totholzbäumen geschützt. Rund 50 Pro-zent der Waldfläche unterliegen einer Schutzkategorie. Diestandorttypische Biodiversität ist signifikant angestiegen.

Auf den 10 Prozent Referenzflächen mit Prozessschutzwerden seltene und als ausgestorben vermutete Arten(wieder)entdeckt. Die Zahl der Brutpaare des Kranichs istvon 2 auf mindestens 25 angewachsen, die des Mittel-spechts von 25 auf mindestens 110. Neu angesiedelt habensich Seeadler, Schwarzstorch, Schwarzmilan und Fischotter.Der „Wildnis“-Erlebniswert für die Erholungssuchenden istsichtbar und spürbar angestiegen.

Es erfolgen durchschnittlich lediglich etwa fünf Ernteein-griffe im Jahrhundert pro Behandlungseinheit im überwie-gend alten, starken Holz. In vergleichbaren Wirtschaftsfors-ten Deutschlands werden 15 bis 20 Eingriffe im selbenZeitraum vorgenommen. Die Mindestabstände zwischenden Rückegassen zum Holztransport werden im LübeckerStadtwald von jetzt 40 Metern sukzessive auf 80 Meterverändert. Das Vorrücken des Holzes mit Pferden ergänztdas bodenschonende Arbeiten.

Die positive Klimawirkung dieses Konzeptes wird sowohlhinsichtlich der Anpassung der Wälder an den Klimawan-del, als auch durch eine hohe Bindung des Klimagases CO2im Holzvorrat und im gesunden, humusreichen Waldbodenoptimiert. Die angestrebte hohe Vorratshaltung an Baum-holz ist fast doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt.Das bedeutet auch eine fast doppelt so hohe Bindung vonCO2 im Wald. Dazu kommen weitere CO2-Bindungen im

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DichterBuchen-Eichenwald inder Phase desDickenwachs-tums

Einzelne alteBuche mitguten Holz-qualitäten

wenig gestörten Humus und im Boden. Zudem wird vieleJahrzehnte Kohlenstoff in den langlebigen Holzproduktenfestgelegt, die aus den überwiegend stark dimensioniertenErntebäumen gefertigt werden.

Die Reinerträge im Betriebsbereich haben sich als Kassen-rechnung von rund 50 €/ha und Jahr auf rund 100 €/ha undJahr im Mittel der letzten Jahre erhöht. Dieses bei einemjährlichen Einschlag von nur der Hälfte des Zuwachses(Vorratsaufbau). Rechnet man den Vorratsaufbau alszusätzliches produktives Lager im Sinne einer kaufmänni-schen Buchführung hinzu, dann ist der Reinertrag etwadoppelt so hoch. Wissenschaftlich betriebene Modellrech-nungen von 1999 und 2006 ergaben damit eine mindestens25-prozentige finanzielle Überlegenheit gegenüber übli-chen Waldbewirtschaftungskonzepten von Landesforstver-waltungen, unter der Bedingung einer ökologisch, ökono-misch und sozial nachhaltigen Wirtschaftsweise.

Das Lübecker Konzept wurde Inhalt der ersten sozio-ökolo-gischen Zertifizierung „Naturland e. V.“ von Wald inDeutschland, die 1996 von den Umweltverbänden BUND,Greenpeace, Robin Wood und WWF initiiert wurde. DerStadtwald Lübeck wurde 1997 nach Naturland und 1998nach FSC zertifiziert, er ist somit der Pionier in der Wald-zertifizierung in Deutschland.

Lob des BUND:Das Lübecker Konzept der „Naturnahen Waldnutzung“bringt in vorbildlicher Weise ökologische, ökonomische undsoziale Nachhaltigkeit unter einen Hut oder besser gesagt:in einen Wald. Das Modell ist über die letzten beiden Jahr-

zehnte vom Pionier zum Vorbild gereift. Die langjährigenErfahrungen und Inventurdaten belegen eindrucksvoll, dasseine ökologisch verträgliche Waldwirtschaft, die standort-typische Arten und Lebensräume erhält und das Klimaschützt, nicht im Widerspruch zum ökonomischen Erfolgstehen. Im Gegenteil: Die ökologisch optimale Konstitutioneines Wirtschaftswaldes ist die Voraussetzung für ökono-misch optimale Ergebnisse. Damit können Kosten einge-spart und die natürlichen Potenziale des Waldes produktivgenutzt werden.

Ursachen-Analyse:Ein wichtiger Erfolgsfaktor für das Lübecker Modell imStadtwald ist und war die rückhaltlose Unterstützungdurch die Lübecker Bürgerschaft. Dies gilt sowohl für denMut, nach dem Erdgipfel in Rio de Janeiro 1992 neue Wegeim Sinne einer echten ökologisch-sozialen Nachhaltigkeitzu gehen, als auch für das Vertrauen in die wirtschaftlicheTragfähigkeit des Konzepts. Das andere Standbein war undist die demonstrative Unterstützung der Umweltverbändeauf nationaler und internationaler Ebene, die unabhängigvon politischen Mehrheiten bestehen bleibt.

Ausblick:Das Konzept wird fortgesetzt. Die Umstellungsphase aufweitgehende „Biologische Automation durch integrativenProzessschutz“ wird noch etwa 20 Jahre andauern. Es kannerwartetet werden, dass die ökologischen, sozialen undökonomischen Leistungen des dann in Struktur, Vorrat undFunktionen sehr naturnahen Waldes signifikant über denje-nigen liegen, die mit klassischen Konzepten arbeiten. Letz-tere zeichnen sich durch niedrigere Baumvorräte, großeAnteile von nicht-heimischen Baumarten, häufige Erntee-ingriffe mit unvermeidlichen Schäden für Waldboden undverbleibenden Baumbestand und daraus resultierendenhohe Betriebsrisiken aus.

Vermutlich wird ein rascher Klimawandel auch einen hohenAnpassungsdruck auf Wälder erzeugen. Intakte naturnaheWaldökosysteme besitzen die höchste Anpassungsfähigkeitaller Wälder gegenüber Veränderungen. Das LübeckerWaldkonzept verfolgt „Naturnähe“ mit Priorität. Dadurchkönnen sich die Lübecker Wälder optimal (selber) an denbevorstehenden Wandel anpassen.

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Details / Kurzbeschreibung:Der Gemeindewald Untermaßfeld ist ein Buchenmisch-waldbetrieb von 370 Hektar auf Muschelkalk im Werratal.Der Wald besteht aus sehr naturnahen Buchenwälder-Gesellschaften mit mehr als 20 Baumarten und weist einenhohen Altholzanteil auf. Er ist Heimat vieler teils seltenerund bedrohter Arten wie Grauspecht, Kleinspecht, Mittel-specht, Schwarzspecht, Rauhfußkauz, Habicht, Roter Milan,Bechsteinfledermaus und Wildkatze. 101 Hektar desGemeindewaldes sind als Naturschutzgebiet ausgewiesen,123 Hektar als FFH-Gebiet geschützt. Eine Besonderheitdes Waldes ist ein seltenes Exemplar einer gradschaftigen,starken Mehlbeere.

Seit 1999 werden etwa 5 Erntefestmeter pro Hektar undJahr genutzt. Der durchschnittliche Holzvorrat liegt bei 266Vorratsfestmetern/Hektar. Die alten Baumbestände werdenbewusst geschont, es wird maximal der laufende jährliche

Zuwachs (und nicht wie üblich 30 –50 % darüber) genutzt.Der Flächenanteil der Bäume über 120 Jahre liegt bei rund20 Prozent, jener der über 140-jährigen Bäume bei knapp 15Prozent. Die Fläche der über 160-jährigen Bäume liegt mitguten 10 Prozent weit über dem Bundesdurchschnitt.

Derzeit läuft ein Habitatbaum – und Trittsteinkonzept. Zielist es, tausend Habitatbäume im Gesamtwald außerhalb desTotholzpools auszuweisen, die natürlich altern und abster-ben dürfen. Der Anteil an Totholz ist in ökologischen Klas-sen hoch, Ziel sind mindestens 30 Festmeter pro Hektar.

Bei der Bewirtschaftung gilt dem Bodenschutz ein beson-deres Augenmerk. Die Abstände der Rückegassen liegen inder Regel bei 40 –50 Metern. Die Ernteverfahren erfolgendurch die Dreierkombination Waldarbeiter / Pferd / Maschi-ne sehr pfleglich und so schonend wie möglich.

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Herbst imGemeindewaldUntermaßfeld

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Bundesland / Landkreis: Thüringen / Schmalkalden-MeiningenWaldbesitzart: Kommunalwald der Gemeinde UntermaßfeldVerantwortlich für Bewirtschaftung: Forstamt Kaltennordheim als Dienstleister im Auftrag der Gemeinde Unter-

maßfeld; Aufsicht: ThüringenForstSchutzstatus: große Teile NSG und FFH-GebietZeitraum: seit 2000 bis heute

Behutsame WaldwirtschaftGemeindewald Untermaßfeld

Behutsambewirtschafte-ter Haarger-sten-Buchen-

wald

Holzernte: soschonend wie

möglich

Es werden einzelne Stämme oder kleine Gruppen genutzt,der Einschlag erfolgt durch Waldarbeiter, das Anrücken desHolzes durch Pferde, der Abtransport an die Waldstraßedurch Traktoren. Die mittlerweile wieder in Mode gekom-menen Früheinschläge im Laubholz werden zum Schutz derüppigen Naturverjüngung vermieden.

Die Gemeinde Untermaßfeld beteiligt sich an Projekttagenmit Schulkindern zum Thema Erhaltung der Weißtanne, dieim Wald gefördert wird. Seit 2004 ist der Wald FSC zertifi-ziert. Die Entscheidung fiel gegen die Empfehlung derdamaligen Landespolitik, sich für PEFC zu entscheiden. DieZertifizierungskosten werden durch Mehrerlöse durch dasFSC-Siegel ausgeglichen.

Lob des BUND:Die Gemeinde verzichtet zugunsten der Allgemeinwohlleis-tungen des Waldes auf Einnahmen. Dies bezieht sich ins-besondere auf höhere Einschlagskosten (Einsatz vonRückepferden) und die langfristige Erhaltung der Altholz-bestände. Die Waldbestände zeichnen sich durch einbesonders hohes Maß an Naturnähe aus. Die Bewirtschaf-tung ist vorbildhaft, da auf ein vollmechanisiertes Vorge-hen verzichtet wird. Die Wälder haben einen hohen ästhe-tischen Wert, der in erster Linie einer maßvollen Erschlie-ßung geschuldet ist.

Der BUND lobt, dass sich die Gemeinde Untermaßfeldgegen den Strom bewusst für eine Zertifizierung durch denFSC ausgesprochen hat und macht dies auch öffentlichmacht.

Ursachen-Analyse:Die Gemeinde Untermaßfeld als Waldbesitzer ist zwar aufdie Einnahmen aus ihrem Waldeigentum angewiesen, istsich aber ihrer Verpflichtung dem Gemeinwohl gegenüberbewusst. Als besonders günstig erweist sich hierbei dieZusammenarbeit mit der staatlichen Forstverwaltung, diein Thüringen noch Leistungen über das Gemeinschafts-forstamt anbietet.

Ausblick: Es bleibt zu hoffen, dass die Gemeinde Untermaßfeld auchin Zukunft behutsam und verantwortungsvoll mit ihremWald umgeht.

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BUND-Waldreport 2016

Im Steigerwald

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Fazit

Holz – ein wertvoller Rohstoff / Pähler Schlucht Rücksichtslose Holzernte im NSG Pähler Schlucht

Fazit

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Schatten – 10 negative Fallbeispiele

Mit dem Waldreport 2016 stellt der BUND zehn besondersgut dokumentierte Fälle forstlicher Eingriffe in den Wald vor,die an der Qualität der forstlichen Praxis, aber auch derbehördlichen Aufsicht zweifeln lassen. Da erfolgen massiveHolzeinschläge, werden für die Artenvielfalt wichtige Bio-topbäume rücksichtslos gefällt und das wertvolle Totholz ausdem Wald geräumt. Bäche werden als Holzabfuhrwege miss-braucht, aufgeweichte Waldböden mit schwerem Gerät zer-stört, Waldböden abgetragen oder regelrecht „umgepflügt“.Viele dieser Eingriffe erfolgten in Wäldern, die eigentlich alsNaturschutz-, FFH- oder Vogelschutzgebiet unter besondersstrengem Schutz stehen.

Andernorts fanden so massive Holzentnahmen statt, dassWälder stark aufgelichtet und instabil wurden. Dadurchwurden Windwürfe befördert, die Flächen anschließendgeräumt – ein provozierter Kahlschlag. Da wird eine Wege-trasse in einen naturnahen Laubwald geschlagen, obwohles eine Alter native gab, oder es werden öffentliche Wälderals Hirschweide für Jägerinteressen missbraucht.

Die Ursachen für die negativen Vorkommnisse, die der BUNDin den ersten zehn Fallbeispielen exemplarisch vorgestellthat, sind nur auf den ersten Blick unterschiedlich. Doch siewiederholen sich: Da arbeiten Forst- und Naturschutzbehör-den unzureichend zusammen, Behörden reagieren träge odererst gar nicht auf Beschwerden. Da nimmt die Forstaufsicht

Wälder erfüllen vielfältige Aufgaben, an sie werden diverseNutzungsansprüche gestellt. Sie sind als natürlicher Lebens-raum für Tiere, Pflanzen und Pilze, für den lokalen und glo-balen Klimaschutz sowie die Bereitstellung von Trinkwasserund sauberer Luft von großer Bedeutung. Sie sind wichtigerErholungsraum, vor allem für die Bewohner von Städten.Besonders naturnahe Wälder bilden einerseits eine wichtigeSenke für Treibhausgase, andererseits sind sie besser an diedurch den Klimawandel zu erwartenden Extremwetterereig-nisse angepasst. Holz als ein besonders umweltfreundlicherRohstoff hat als Ersatz für energieintensive Materialienzunehmend an Bedeutung gewonnen. Durch die gestiegeneenergetische Nutzung ist zudem die Nachfrage nach Holzgestiegen, der Druck auf die Wälder ist dadurch gewachsen.

Der BUND engagiert sich seit vielen Jahren für den Schutzder Wälder. Einerseits sieht er die gestiegene Wertschätzungdes Rohstoffes Holz positiv, betrachtet diese Entwicklunganderseits aber auch mit Sorge. Als föderaler Verband mit16 Landesverbänden und über 2000 Kreis- und Ortsgruppenverfolgt der BUND die Entwicklungen in den Wäldern inganz Deutschland. Dabei stellen unsere ehrenamtlich undhauptamtlich aktiven Waldschützer und Waldschützerinnenimmer wieder fest, dass die Waldwirtschaft vielerorts gegenGrundsätze einer ökologischen Nachhaltigkeit verstößt.Auch von Waldbesuchern und Anwohnern erreichen denBUND immer wieder kritische Berichte über Defizite bei derWaldbewirtschaftung.

ihre Kontrollfunktion nicht ernst und kommt ihrer Verant-wortung nicht nach. Da werden Schutzverordnungen plumpignoriert und dies wird von oberen Stellen stillschweigendmitgetragen. Mancherorts scheint es an umfassend ausgebil-detem Forstpersonal zu mangeln oder an dem Willen, natur-schutzfachliche Vorgaben angemessen umzusetzen.

An anderer Stelle zeigt sich deutlich, dass es an klarengesetzlichen Vorgaben mangelt, wie der Wald naturver-träglich zu bewirtschaften ist. Vielfach fehlen verbindlicheSchutzgebietsverordnungen oder sie sind von fragwürdigernaturschutzfachlicher Qualität. Es fehlen selbst Manage-mentpläne für FFH- und Vogelschutzgebiete, obwohl dieselängst erstellt sein müssten, vorhandene Managementplä-ne sind oft von geringem Mehrwert für die Natur. Die EU-Kommission hat daher ein Vertragsverletzungsverfahrengegen Deutschland eingeleitet.

Der BUND-Waldreport 2016 zeigt deutlich, dass es unab-hängig von der Waldbesitzart große Defizite gibt. Geradeim öffentlichen Wald sollte eine vorbildhafte und amGemeinwohl orientierte Waldwirtschaft selbstverständlichsein und sollte künftig besser umgesetzt werden, vor allemin den Staatswäldern der Bundesländer. In diesen Landes-wäldern mit ausgebildeten Forstfachleuten ist es besondersunverständlich, wenn Waldböden flächig zerstört, Biotop-bäume systematisch gefällt und Kahlschläge durchgeführtwerden oder Verbissschäden in einem unhaltbaren Ausmaßvorkommen.

Skandalös ist es jedoch, wenn diese schlimmen Vorkomm-nisse und Waldbilder von den Betroffenen auch noch ver-teidigt und von zuständigen Behörden bis hin zu den Minis-terien nicht geahndet werden. Dies wirft kein gutes Lichtauf die deutsche Forstwirtschaft. Kritikwürdig sind auch dieReaktionen der unterschiedlichen Behörden in verschiede-nen Bundesländern auf die hier dokumentierten negativenFälle und ihr Umgang mit diesen. Ein souveräner und trans-parenter Umgang mit der Kritik, ein konsequentes Ein -schrei ten und am Ende auch Ahnden des Fehlverhaltenssind eher die Ausnahme als die Regel.

Zudem stellt sich die Frage, inwieweit staatliche Forst- undNaturschutzbehörden ihren gesetzlichen Auftrag konse-quent erfüllen können, wenn selbst gravierende Eingriffe instrengen Schutzgebieten wie Naturschutz-, FFH- undVogelschutzgebieten von den Behörden nicht im notwendi-gen Umfang geahndet werden. Viele Behörden sind dazuaufgrund ihrer unzureichenden finanziellen und personel-len Ausstattung derzeit nicht mehr in Lage.

Der BUND erkennt durchaus an, dass sich in den letztenJahrzehnten einiges in der deutschen Forstwirtschaft ver-bessert hat. Die offizielle Abkehr von Kahlschlägen undNadelholzmonokulturen wurde verkündet, die schädlichenAuswirkungen übergroßer Reh- und Rotwildbestände aufdie nachwachsende Waldgeneration erkannt, und es wurdeversucht gegenzusteuern. Die große Bedeutung derGemeinwohlfunktionen trat vor allem in den öffentlichen

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Gefällter Biotopbaum im Natura 2000-Gebiet / Spessart Aufgerissener Waldrand durch Kahlschlag / Priesberg

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dend in den Waldgesetzen verankert werden. Dies würdeallen Beteiligten die Vermeidung von Fehlern deutlicherleichtern.

In den sensiblen Naturschutzgebieten sowie FFH- undVogelschutzgebieten muss sich die Forstwirtschaft an dieVorschriften aus den Schutzverordnungen und Manage-mentplänen halten. Den übergeordneten Forst- und Natur-schutzbehörden kommt hier in der Aufsicht eine verant-wortungsvolle Rolle zu. Diese und weitere Forderungen desBUND an Bund und Länder, um die Defizite im Umgang mitunseren Wäldern zu beheben und zu einem verantwor-tungsvollen Umgang mit unseren Wäldern zu kommen, fin-den sich auf den Seiten 56 und 57.

Licht – 10 positive Fallbeispiele

Doch neben viel Schatten gibt es auch Licht: Der BUND mitseinen ehrenamtlich und hauptamtlich aktiven Waldschüt-zern hat auch viele positive Beispiele gefunden. Der zweiteTeil des Waldreport 2016 stellt zehn ausgewählte Fallbei-spiele vor. Da sind öffentliche Wälder, in denen dasGemeinwohl wie der Schutz der biologischen Vielfalt unddie Belange der Erholungssuchenden klar vor dem wirt-schaftlichen Interesse der Holzgewinnung steht. Da gibt esPrivatwaldbesitzer, die sich freiwillig für den Erhalt wert-

Wäldern in den Vordergrund und wurde in den Waldgeset-zen verankert. Die öffentlichen Wälder werden zudemheute zunehmend als Wald der Bürger (Bürgerwald)betrachtet.

Auch in den letzten Jahren hat es trotz des zunehmendenDrucks auf die Wälder einige positive Entwicklungen gege-ben, doch erkennt der BUND mit Blick auf das bereits 2009erschienene BUND-Schwarzbuch Wald nur wenig grundle-gende Verbesserungen. Im Schwarzbuch Wald hatte derBUND verschiedene Fehlentwicklungen in den Bundeslän-dern anhand von 15 Fallbeispielen dokumentiert und Ver-änderungen in der Forstpolitik und bei der Waldbewirt-schaftung angemahnt. Als Folge der von dem BUND vorge-tragenen Kritik wurden diese Fehler zwar in den direktbetroffenen Forstbetrieben und Behörden abgestellt. Dochandernorts sind ähnliche Fälle weiterhin zu beobachten.Der BUND kritisiert deshalb, dass trotz vorhandener Defizi-te und dokumentierter Fehlentwicklungen die verantwort-liche Politik auf Bundesebene, auch aber in vielen Ländern,nicht ausreichend reagiert hat.

In Deutschland gibt es im Waldnaturschutz sowohl ein ord-nungsrechtliches Defizit als auch Mängel in Vollzug undUmsetzung. Aus Sicht des BUND ist es daher vorrangig,dass auf Bundesebene und in allen Ländern endlich ökolo-gische Leitplanken für die Waldbewirtschaftung in Formeiner guten fachlichen Praxis definiert und rechtlich bin-

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Stehendes Totholz im Stadtwald Lübeck Grunewald: Auf einem guten Weg

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voller alter Bäume in ihren Wäldern oder den Umbau ihrerNadelholzbestände in Laubwälder engagieren. Mancherortshaben BUND-Aktive mit dazu beigetragen, dass Wäldernaturverträglich und schonend bewirtschaftet werden odersich stellenweise ganz frei von menschlichen Eingriffenentwickeln können.

Da wird der Boden bei der Holzernte geschont, werden Bio-topbäume markiert und erhalten und der Holzeinschlag ander ökologischen Leistungsfähigkeit des Waldes ausgerich-tet. Arten- und Biotopschutz wird in diesen Wäldern groß-geschrieben, sowohl innerhalb der bewirtschafteten Flächeals auch durch die Ausweisung von Flächen mit dauerhaftnatürlicher Waldentwicklung. Diese Naturwälder, auch undgerade auf größerer Fläche, sind wichtige Elemente einermodernen, multifunktionalen Forstwirtschaft, die sich ihrerVerantwortung für den Erhalt unserer Lebensgrundlagenbewusst ist.

Bei vielen dieser Beispiele zeigt sich, dass eine klare Ent-scheidung und verbindliche Festlegung, der Gemeinwohl-funktion des Waldgebietes den Vorrang vor dem kurzfristi-gen Gewinn durch Holzverkauf zu geben, Grundstein für diepositive Entwicklung in der Art der Waldbewirtschaftungist. Hinzu kommt fast immer ein vorbildliches und starkesEngagement des Forstpersonals vor Ort für den Wald, derihnen anvertraut ist. Es sind Forstleute, die die Bedeutungdes Waldes für die biologische Vielfalt wie für die Erho-lungssuchenden stets im Blick haben und diese auch bei der

Erstellung der Forsteinrichtung und der Holzernte nicht ausden Augen verlieren. Eine ökologisch verträgliche Wald-wirtschaft ist möglich, das zeigen diese Positivbeispiele.

Typisch für Deutschland: Rotbuche Biologische Vielfalt braucht Altholz / „Urwald“ Sababurg

Mit dem Waldreport 2016 zeigt der BUND anhand von 20Fallbeispielen aus 11 Bundesländern, wie breit die Paletteder Waldbewirtschaftung in Deutschland heute ist. DerBUND ist überzeugt, dass nur eine Waldwirtschaft, die sichinnerhalb der ökologischen Rahmenbedingungen bewegt,auch zukunftsfähig ist. Die Gesellschaft muss sich im eige-nen Interesse nach dem richten, was die Wälder nachhaltigleisten können, nicht umgekehrt.

Die Positivbeispiele zeigen, dass eine ökologisch verträgli-che Waldwirtschaft möglich ist. Es liegt an der Gesellschaft,den Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung undden Waldbesitzern, wie die Zukunft unserer Wälder unddamit auch unsere Zukunft aussieht.

Der BUND fordert für einen verantwortungsvollenUmgang mit unseren Wäldern von Bund und Ländern:

1 Ökologische Mindeststandards verankernÖkologische Mindeststandards der Waldbewirtschaftung(„Gute fachliche Praxis in der Forstwirtschaft“), orientiertan einer ökologisch verträglichen Waldbewirtschaftung,müssen definiert und verbindlich in allen Waldgesetzenverankert werden, einschließlich im Bundeswaldgesetz,welches dringend einer Novellierung bedarf. Die Definiti-on von Winkel et. al (2005)1 bietet hier einen ersten Aus-gangspunkt mit 17 Kriterien, unter anderen zu Themenwie Natur verjüngung, Sukzession, Bodenschutz, Walder-schließung, Biotopbäumen, Naturschutz im Wirtschafts-wald, Waldränder, Einsatz von Pestiziden, Jagd, Reinbe-ständen, Neophyten, Düngung und dem Verbot von Kahl-schlägen.

2 Naturwälder verbindlich ausweisenAls Bestandteil einer modernen, multifunktionalen Forst-wirtschaft sind mindestens 10 Prozent der öffentlichenWälder dauerhaft und rechtlich verbindlich ihrer natürli-chen Entwicklung zu überlassen (Naturwälder). Auf dergesamten Waldfläche sollten bis 2020 mindestens 5 Pro-zent erreicht werden, mittelfristig 10 Prozent. DieseNaturwälder sind mindestens zur Hälfte in Form von gro-ßen, zusammenhängenden Gebieten auszuweisen. Flä-chen von mindestens 1 000 Hektar, möglichst einigen1000, sollen angestrebt werden. Nur wenn keine geeigne-ten größeren Flächen gegeben sind, können in Ausnahme-

fällen Mindestflächen von 200 Hektar Fläche akzeptiertwerden. Die andere Hälfte soll als kleinere Naturwaldre-servate, als Trittsteine von mindestens 0,5 Hektar Flächeund als Vernetzungsbänder ausgewiesen werden.

Im Privatwald soll dieses Ziel auf freiwilliger Basis nachund nach erreicht werden. Bund und Länder sollenFinanzmittel für Förderung oder andere Möglichkeitenwie Ausgleichszahlungen und Flächentausche für ent-sprechende Anreize zur Verfügung stellen.

3 Gemeinwohl beachten, Gesetze anwendenDie Wälder der öffentlichen Hand sind aufgrund ihrerGemeinwohlfunktion besonders vorbildlich zu bewirt-schaften. Hier müssen ihre Schutzfunktionen wie dieBereitstellung von sauberem Wasser, sauberer Luft, derSchutz des Klimas und der biologischen Vielfalt sowie dieBelange der Erholungssuchenden klar vor dem wirt schaft -lichen Interesse der Holzgewinnung stehen.

Bestehende Gesetze und Verordnungen sind, besonders inSchutzgebieten, konsequent umzusetzen und Verstöße zuahnden. Die jeweils zuständigen Forst- und Naturschutz-behörden müssen ihrer Aufsichtspflicht und Verantwor-tung ohne zu zögern nachkommen. Die Verantwortlichenin der Forstplanung müssen sich mit den Naturschutzbe-hörden vor entsprechenden Eingriffen ins Benehmen set-zen. Die teils vorhandenen Defizite in der Kommunikationzwischen Forst- und Naturschutzbehörden sind abzustel-len, die Zusammenarbeit ist zu intensivieren.

4 Natura 2000 umsetzenDie FFH- und die Vogelschutzrichtlinie der EuropäischenUnion sind konsequent umzusetzen. Für alle Natura 2000-Gebiete sind Schutzverordnungen mit Geboten und Ver-boten zu erlassen und Managementpläne mit verbindli-chen Inhalten zu erstellen, die den Schutzzielen der jewei-ligen Gebiete gerecht werden. Die Pflege- bzw. Manage-mentpläne müssen durch die zuständige Naturschutzbe-hörde erstellt werden. Werden die Pläne von anderenBehörden erstellt, dürfen sie nur im Einvernehmen mit derzuständigen Naturschutzbehörde in Kraft gesetzt werdenund Rechtskraft erlangen. Die Pflege- bzw. Management-pläne müssen entsprechend der Rechtslage die notwendi-gen Maßnahmen enthalten, die zur Sicherung und zurWiederherstellung des günstigen Erhaltungszustandesaller geschützten Lebensraumtypen und Arten erforderlich

Zusammenfassung der BUND-Forderungen

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1 Winkel, G., Schaich,H., Konold, W., Volz,K.-R. (2005):Naturschutz undForstwirtschaft:Bausteine einerNaturschutzstrate-gie im Wald. Natur-schutz und Biologi-sche Vielfalt 11

sind. Die Pläne sind konsequent umzusetzen, Verstößegegen die Schutzziele und das Verschlechterungsverbotsind zu ahnden.

Da der Erhaltungszustand fast aller FFH-Waldlebens-raumtypen und –Waldarten ungünstig ist, reicht es nichtaus, sich auf die Erhaltung des Status quo in den Schutz-gebieten zu beschränken. Vielmehr müssen, insbesondereim öffentlichen Wald, Verbesserungen stattfinden undauch außerhalb von Schutzgebieten Verschlechterungenvon FFH-Lebensraumtypen unterbunden werden.

5 Transparenz gewährleisten, Öffentlichkeit beteiligenDie öffentlichen Wälder betreffende Planungen und Kar-tenwerke wie Forsteinrichtungswerke, Inventurdaten,Naturschutzkartierungen und -konzepte sind den Natur-schutzbehörden und der Öffentlichkeit rechtzeitig zurVerfügung zu stellen. Bei Managementplänen von FFH-und Vogelschutzgebieten ist die Öffentlichkeit angemes-sen zu beteiligen. Diese sind auch zu veröffentlichen,wenn sie in Privatwäldern liegen.

6 Forstpersonal aufstockenIn der Fläche muss ausreichend und umfassend ausgebil-detes Forstpersonal zur Verfügung gestellt werden, umseine Aufgaben vorbildlich erfüllen zu können und denvielfältigen Anforderungen an den Wald gerecht zu wer-den.

7 Privatwaldbesitzer unterstützenIm Privatwald sind Gemeinwohlleistungen, die über dieSozialpflichtigkeit des Eigentums hinausgehen, finanziellauszugleichen. Private Waldbesitzer sind durch Vertrags-naturschutzmaßnahmen, Waldumweltmaßnahmen undAusgleichszahlungen im Rahmen von Natura 2000 durchELER und GAK zu unterstützen.

8 Ökologisch hochwertige Zertifizierung vorantreibenDie Wälder des Bundes und der Länder sind nach FSCoder Naturland zu zertifizieren, Kommunal- und Privat-wälder bei der Zertifizierung zu unterstützen. Die Holz-beschaffungs-Richtlinien von Bund, Ländern und Kom-munen sind so zu gestalten, dass sich die Beschaffungauf Holz und Holzprodukte beschränkt, die nach FSC oderNaturland zertifiziert sind.

9 Wildtiermanagement verbessernDas Bundesjagdgesetz ist zu novellieren im Sinne einerAusrichtung der Jagd an wald- und wildökologischenAnforderungen. Ziel muss dabei sein, das Aufwachsenaller standortheimischen Baumarten ohne wesentlicheSchutzmaßnahmen zu ermöglichen.

10 Holz- und Papierverbrauch senkenDie energetische Nutzung von Holz sollte nicht zusätzli-chen gefördert werden. Der Mehrwertsteuersatz aufschnelllebige Holzprodukte ist zu erhöhen, der für lang-lebige Holzprodukte zu senken. Die Verwendung von Pro-dukten aus Altpapier mit Blauem Engel ist durch einenreduzierten Steuersatz gegenüber der von Frischfaserpa-pier besser zu stellen.

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AELF - Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bayern

AuT - Alt- und Totholzprogramm ForstBW

BaySF - Bayerische StaatsforstenBfN - Bundesamt für NaturschutzBMUB - Bundesministerium für Umwelt,

Natur schutz, Bau und Reaktorsicher-heit

BMEL - Bundesministerium für Ernährungund Landwirtschaft

BN - BUND Naturschutz in Bayern e.V.BNatschG - BundesnaturschutzgesetzBUND - Bund für Umwelt und Naturschutz

Deutschland e.V.BWaldG - Bundeswaldgesetz

CBD - Convention on Biological Diversity(Konvention über die biologischeVielfalt)

EU - Europäische Union

FFH-Richtlinie - Fauna-Flora-HabitatrichtlinieForstBW - Landesbetrieb Baden-WürttembergFSC - Forest Stewardship Council

GfP - Gute fachliche PraxisGPS - Global Positioning SystemGFA - GFA Consulting Group

ha - Hektar

IGA - Internationale Gartenausstellung

LLUR - Landesamt für Landschaft, Umweltund Ländliche Räume Schleswig-Holstein

LNatSchG - LandesnaturschutzgesetzLRT - LebensraumtypLSG - LandschaftsschutzgebietLWaldG - Landeswaldgesetz

MLUV - Ministerium für Landwirtschaft,Umwelt und VerbraucherschutzMecklenburg-Vorpommern

MULEWF - Ministerium für Umwelt, Landwirt-schaft, Ernährung, Weinbau undForsten, Rheinland-Pfalz

NABU - Naturschutzbund Deutschland e.V.NBS - Nationale Strategie zur biologischen

VielfaltNNE - Nationales NaturerbeNRW - Nordrhein-WestfalenNSG - Naturschutzgebiet

ÖFM - Ökoflächen-Management GmbH

PEFC - Programme for Endorsement ofForest Certification Schemes

SH - Schleswig-HolsteinSHLF - Schleswig-Holsteinische Landesfors-

ten AöR

UNB - Untere Naturschutzbehörde

VS-Gebiet - Vogelschutzgebiet

ZdF - Zentralstelle der Forstverwaltung inRheinland-Pfalz

Abkürzungen

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Herausgeber:Bund für Umwelt und NaturschutzDeutschland e.V. (BUND)Friends of the Earth GermanyAm Köllnischen Park 110179 BerlinFon 0 30 / 2 75 86-40Fax 0 30 / 2 75 [email protected]

Text: BUND-Aktive aus den BUND Landesverbänden Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,Niedersachen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saar-land, Schleswig-Holstein, Thüringen, BUND Naturschutz inBayern sowie dem BUND Bundesverband

Redaktion: Nicola Uhde und Ralf Straußberger

Layout und Bildbearbeitung:Natur & Umwelt GmbH

Bildautor*innen:Angela von Lührte (33), BUND Kreisverband Bergstraße (10,11), BUND Naturschutz Rohr (36, 37), BUND Rheinland-Pfalz (22, 23), Dieter Kurzmeier (42), E. Sonneborn (13u),Frank Henkel (Titel re, 29, 49, 50, Rückseite), GangolfRammo (44, 45), Georg Wilhelm (40, 41), Hansestadt Ros-tock (38, 39), Heidrun Heidecke (55li), Helmut Hermann(Titel li, 6, 7, 52), K. Giering (26, 27, 53re), Manfred Krauß(32, 54re), Michael Kunkel (8, 9, 12, 13o, 53li), Nicola Uhde(30, 31, 43, 51, 55re), Paul Kröfges (19, 21), alle anderenBUND

Titelseite:Rücksichtslose Holzernte und massive Bodenschäden imNaturschutzgebiet Pähler Schlucht (li), Behutsam bewirt-schafteter Haargersten-Buchenwald im GemeindewaldUntermaßfeld (re)

Rückseite:Leberblümchen im Frühling, Gemeindewald Untermaßfeld

V.i.S.d.P.:Yvonne Weber

© Berlin im Januar 2016

Den BUND-Waldreport 2016 finden Sie hier als pdf:www.bund.net/waldreport2016

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