Che - Das Jahr in dem wir nirgendwo waren

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    Edition ID Archiv

    Paco Ignacio Taibo IIFroilan EscobarFelix Guerra

    Das Jahr, indem wir

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    Das Jahr,in dem wir nirgendwo waren

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    Paco Ignacio Taibo II, Froilan Escobar, Felix GuerraDas Jahr,

    in dem wir nirgendwo warenErnesto Che Guevara und die afrikanische Guerilla

    Aus dem Spanischen von Jens Andermann

    Edition ID-Archiv Berlin Amsterdam

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    In einer Geschichte wie dieser wei man nie,welcher Akt der erste gewesen ist.

    Che Guevara

    Paco Ignacio Taibo II, Froilan Escobar, Felix GuerraDas Jahr,

    in dem wir nirgendwo warenErnesto Che Guevara und die afrikanische Guerilla

    Aus dem Spanischen von Jens Andermann

    Edition ID-Archiv Postfach 360205

    10972 BerlinISBN: 3-89408-054-X

    der spanischen OriginalausgabePaco Ignacio Taibo II, Froilan Escobar, Felix Guerra

    Editorial Joaquin Mortiz 1994

    1. Auflage 1996Titel

    Eva MeierLayout

    seb, HamburgDruck

    Winddruck, SiegenBuchhandelsauslieferungen

    BRD & sterreich:Rotation VertriebSchweiz:Pinkus Genossenschaft Niederlande:Papieren Tijger

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    Vorbemerkung der Verfasser

    Groes Rtselraten lste Mitte der sechziger Jahre Ernesto Che Gueva-ras Verschwinden von der ffentlichen Bildflche aus. Seine pltzliche Abwesenheit von allen Staatsakten und Veranstaltungen fhrte zu einerbeispiellosen Kette von Gerchten, Falschmeldungen, bertreibungen,Spekulationen und Phantasien. Che Guevara, der Bannertrger der per-manenten Revolution, verwandelte sich in ein Gespenst, das von Zei-tungen und Illustrierten, von Radio- und Fernsehstationen auf Reisenquer ber den ganzen Globus geschickt wurde. Von Ende Mrz 1965 bis Mitte 1967, als seine Prsenz an der Spitze debolivianischen Guerilla bekannt wurde, spukte Ches Gespenst durch dieganze Welt. Nach seinem Tod am 8. Oktober 1967 konnte dank der Verffentlichung seines Tagebuches und der Aussagen von berleben-den seine Rolle bei der Organisation des bolivianischen Guerilla-Fokusrecht genau rekonstruiert werden.Dennoch klaffte auch damit weiterhin die groe Lcke des einen Jahresdem Jahr 1965; das Jahr, in dem er nirgendwo gewesen war und das voder internationalen Presse mit Verleumdungen und Hirngespinstenaufgefllt wurde. Wo ist Comandante Guevara 1965 also wirklich gewesen? Wenn mangewissen Autoren Glauben schenkt, war er wahlweise in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt auf Kuba, in Frankreich, wo er mit baskischen Separatisten zusammenarbeitete, in Las Vegas, nachdem er deser-tiert war und militrische Geheimnisse Kubas verraten hatte; oder er war im Laufe einer Diskussion mit Fidel umgebracht worden, kmpftein Vietnam und in der Dominikanischen Republik Von 1990 an sickerten in einigen kubanischen Zeitungsartikeln allmh-lich Anhaltspunkte dafr durch, da Che 1965 im Kongo gewesen ist,die schlielich durch Fidel Castro in einem Interview mit Gianni Min besttigt wurden.

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    chive geffnet hat und die es aus Bescheidenheit vorzieht, ungenannt zubleiben, mchten wir dieses Buch widmen. Wir hoffen, da die Verf-fentlichung dieses Buches diejenigen, die die Mglichkeit dazu habenermutigt, das bis heute geheime Manuskript Che Guevaras in seinerGnze zu verffentlichen.

    Paco Ignacio Taibo II, Froilan Escobar, Felix Guerra Januar 1994

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    Einer der Autoren dieses Buches hat von 1987 an Ches afrikanischeGeschichte recherchiert, immer den Spuren folgend, die ihm Com-mandante Guevaras Kampfgenossen in der Schlacht von Santa Claradurch eine Unachtsamkeit erffnet hatten. Durch Zufall war er auf denSatz gestoen: Der Che war am Tanganyika-See. Nachdem wir, diedrei Herausgeber des vorliegenden Buches, uns Ende 1990 zusammen-getan hatten, gelang es uns allmhlich, den Kreis von Diskretion undSchweigen zu durchbrechen, den man seit nunmehr 25 Jahren um 1965gezogen hatte, und das bestgehtetste Geheimnis der kubanischen Re- volution zu lften. Als wir nach einer langen Reihe von Gesprchen auf Kuba mit ChesGefhrten in der afrikanischen Guerilla daran gehen wollten, die Dut-zenden von Bndern zu transkribieren, lie uns eine Persnlichkeit ausdem kubanischen Staatsapparat, die es vorzieht, anonym zu bleiben, einDokument zukommen, das eine Schlsselrolle fr die Zusammenstel-lung dieses Buches erlangen sollte. Es handelte sich um ein Typoskriptber die Erfahrungen im Kongo, von Che Guevara selbst mit hand-schriftlichen Korrekturen versehen, das den TitelPassagen des revolu-tionren Krieges. Der Kongotrug.Ein unverffentlichtes Buch Che Guevaras!Dieses Dokument brachte das ber 25 Jahre sorgfltig gehtete Ge-heimnis endgltig ans Licht und besttigte in vollem Umfang die Ver-sionen der kubanischen Kmpfer, die wir interviewt hatten.Nachdem wir gemeinsam mit Freunden des argentinisch-kubanischenGuerilleros, die seine Schrift kannten, und durch Stilvergleiche mit an-deren Texten wiePassagen des revolutionren Krieges undBolivianisches Ta- gebuchberprft hatten, da das Buch tatschlich von Che Guevarastammte, beschlossen wir, berrascht von der Ergiebigkeit des Doku-ments, es in den Chor der Erzhlstimmen ber den Guerillakampf imKongo einzubauen.Das Jahr, in dem wir nirgendwo warenbesteht also aus einer Montage derBerichte von Zeitzeugen der damaligen historischen Ereignisse. Unsere Arbeit bestand darin, dem Text ein Gerst zu geben, die mndlichen Aussagen zu berarbeiten und zu straffen, einige erluternde Verbin-dungen zu schaffen und ansonsten die Geschichte sich selbst erzhlenzu lassen. Am Ende des Buches findet sich eine Liste unserer Gesprchspartner. Wir weisen darauf hin, da dieses Buch die Perspektive der Kmpfer inden kubanischen Brigaden im Kongo dokumentiert und da wir auf zu-stzliche oder gegnerische Quellen bewut verzichtet haben.Zuletzt mchten wir uns insbesondere bei Vctor Dreke, Pablo Rivaltaund Erasmo Videaux bedanken. Ihnen und der Person, die uns Ches Ar-

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    Den Kongo suchen

    Am 17. Dezember 1964, im Alter von 36 Jahren, verlie Ernesto Che Guevara, der damalige Industrieminister der jungen kubanischen Revolutio New York, wo er an der Vollversammlung der Vereinten Nationen teilgenomen hatte, in Richtung Algerien. Dieser Aufbruch sollte der Anfang einer l gen Reise ber den afrikanischen Kontinent sein.Whrend seines Aufenthalts in Algier gab der Che einige Interviews. In d sen beurteilte er die Perspektive fr die afrikanische Revolution sehr opt stisch:C h e : Afrika reprsentiert eines, wenn nicht sogar das wichtigsteSchlachtfeld. () Es bestehen groe Erfolgsaussichten in Afrika, abeauch groe Gefahren.Welche Rolle spielte fr ihn damals die afrikanische Revolution?Wie um in krzester Zeit das grtmgliche Gebiet zu durchmessen, als Afrika schon jetzt das neue Objekt seines Interesses und seiner Obsession sen, eilte Che ber den Kontinent, knpfte Beziehungen zu den neuen prog siven Staatschefs, diskutierte mit Leitfiguren der Befreiungsbewegun sprach mit Studenten und Journalisten, besuchte Guerilla-Basen, Stause zoologische Reservate, Naturschutzparks, neue Fabriken, flog von Flugh zu Flughafen und fhrte Gesprche mit den Prsidenten der wichtigsten Lder der antikolonialen Bewegung. Am 26. Dezember 1964 reiste er nach Mali, und am 2. Januar 1965 traf erin Brazzaville ein, der Hauptstadt der ehemaligen franzsischen Kolonie K go. Dort traf er mit dem angolanischen Revolutionsfhrer Agostinho Neto sammen, um diesem gem der Instruktionen Fidel Castros die Solidaritt der entstehenden revolutionren Bewegung in Form von kubanischen Guela-Ausbildern anzubieten. Am 8. Januar 1965 war er in Conakry (Guinea), und am 14. erreichte erGhana. Sieben Tage spter traf er in Dahomey ein. Mit unglaublicher Ge schwindigkeit und Besessenheit, ganz wie es sein Stil war, als ob er alles eren, alles umfassen mte, bereiste er so viele Teile Afrikas, wie er nur kon Am 30. Januar befand er sich aufs neue in Algerien. Und dann, zur berra schung interessierter Beobachter und insbesondere der nordamerikanischenheimdienste, reiste er nach China. Dort traf er mit Mao und vor allem miChou En Lai, dem damaligen chinesischen Auenminister, zusammen ublieb vom 2. bis zum 11. Februar. Am 11. Februar wurde er in der Hauptstadt Tansanias, Daressalam, vom kubanischen Botschafter Pablo Rivalta empfangen. Acht Tage sollte er dort ben, einer der lngsten Aufenthalte whrend der gesamten Reise. Was brtChe aus?

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    schen Mchte hatten sie die Parole Das Kongo-Problem ist ein afrika-nisches Problem ausgegeben und entsprechend gehandelt. Nach unse-rer Einschtzung war das Kongo-Problem ein globales Problem, undKabila war der gleichen Meinung. Ich bot ihm im Namen der Regie-rung etwa dreiig Ausbilder und im Rahmen unserer Mglichkeiten Waffen an, und er akzeptierte hocherfreut; er riet bei beiden Dingenzur Eile, ebenso wie Soumaliot in einem anderen Gesprch; letztererempfahl, da die Ausbilder schwarz sein sollten.Riva l t a : In den Gesprchen mit Kabila und Soumaliot war ursprnglich von dreiig Ausbildern die Rede gewesen (spter machten wir ihm de Vorschlag, da es hundertdreiig sein sollten). Ich sprach mit dem Cheber diese Gruppe von Kubanern, die zur Untersttzung des bewaffne-ten Kampfes in den Kongo gehen sollten. Ich dachte, und schlug ihm dasauch vor, an Vctor Dreke als Kommandeur, weil er schwarz war und sidort schwarze Kmpfer verlangt hatten, und auerdem, weil wir wuten wie er in Escambray gekmpft hatte; berdies dachte ich an Efigenio Ameijeiras, der schon in Algerien gewesen war, und auerdem kanntihn der Che aus der Sierra Maestra und wute von seiner Tapferkeit und

    Waghalsigkeit. Ich schlug die beiden dem Che vor, und auerdem michselbst. Der Che antwortete mir nicht, sondern lchelte in sich hinein.Bei diesem Angebot einer kubanischen Brigade handelte Che Guevara naus eigener Initiative, sondern angeregt durch Fidel Castro, der damit auf d Hilfsgesuche des Nationalkongresses der kongolesischen Revolution readie ihn zuvor um Untersttzung ersucht hatten. Im gleichen Sinne hatte Chdie Gesprche mit Nyerere und mit Massemba-Debat in Brazzaville gefhum die Untersttzung und Rckendeckung jenseits der Grenzen zu sichern Aufgrund dieser Unterredung beschlo Che, in getrennten Gesprchen beivon ihm so genanntenfreedom fightersdie Lage zu sondieren. Doch die Bot- schaft organisierte irrtmlich eine tumulthafte Versammlung C h e : ... mit fnfzig oder mehr Teilnehmern, teilweise aus unterschiedli-chen Tendenzen oder Bewegungen im Land Dort analysierte er die Gesuche um Ausbilder und Geld, ausgehend von kubanischen Erfahrung:C h e : Der revolutionre Soldat formt sich selbst im Krieg (). Ichschlug ihnen vor, die Ausbildung nicht in unserem fernen Kuba, son-dern im nahen Kongo durchzufhren, wo nicht etwa gegen irgendeine Marionette wie Tshomb, sondern gegen den Imperialismus in seinerneokolonialen Gestalt gekmpft wurde (). Die Reaktion war mehr alskhl; die Mehrheit enthielt sich jeden Kommentars, doch baten einigeum das Wort, um mich heftig fr diesen Vorschlag anzugreifen (). Ich

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    Pablo Riva l t a : Whrend eines Palastempfangs in Daressalam kam Chein Kontakt zu Prsident Nyerere. Der Prsident sah ihn und fragte:Wer ist das? Sie begrten sich und redeten miteinander. Sie spra-chen ber die Untersttzung fr Tansania. Es kam in diesem Gesprchsogar zu einer Vereinbarung ber eine kleine Textilfabrik und ein paarandere kleine Hilfsprogramme, vor allem medizinische und technische.Das alles ergab sich bei einem vollkommen inoffiziellen Treffen. DerBesuch war nicht angekndigt, doch der Che tauchte einfach mit mir imPalast auf. Es wurde auch ber die Untersttzung der revolutionrenBewegungen gesprochen. Nyerere war einverstanden.Doch die wichtigsten Gesprche sollten nicht mit dem Prsidenten von Tansa-nia, sondern mit den bewaffneten revolutionren Gruppen in Afrika gefhrt werden, vor allem mit den lumumbistischen Kongolesen, die in Tansania ihre Nachhut stationiert hatten. Che schrieb spter:C h e : beraus lehrreich war der Besuch in Daressalam, Aufenthaltsorteiner betrchtlichen Anzahl von freedom fighters , die in ihrer Mehrheitbequem in Hotels untergebracht leben und aus ihrer Situation einenrichtigen Beruf gemacht haben, ein zuweilen lukratives und immer be-hagliches Gewerbe. In dieser Atmosphre fand eine Reihe von Ge-sprchen statt, in denen zumeist militrisches Training auf Kuba und fi-nanzielle Hilfe gewnscht wurden. Dies war fast immer das Leitmotiv.Ich lernte auch eine Gruppe kongolesischer Kmpfer kennen. Seit demersten Treffen hatten wir Gelegenheit gehabt, die auergewhnliche Menge unterschiedlicher Meinungen und Tendenzen prziser einzu-schtzen, die es in der Fhrungsgruppe der kongolesischen Revolutiongibt. Zunchst bekam ich Kontakt zu Kabila und seinem Generalstab.Er machte einen ausgezeichneten Eindruck auf mich, er sagte, er sei ausdem Landesinneren gekommen; es scheint, als sei er blo in Kigoma ge- wesen[ein tansanischer Grenzort am Ufer des Tanganyika-Sees, von dem aus in den Kongo bergesetzt wurde] . Die Darlegung Kabilas war klar (), erlie durchblicken, da er in Opposition zu Gbenye und Kauza standund nur sehr begrenzt mit Soumaliot bereinstimmte. Kabilas These war, da man nicht von einer kongolesischen[revolutionren] Regierungreden kann, da Mulele, der den Kampf begonnen hatte, nicht gefragt worden sei, weswegen der Prsident fr sich nur den Titel eines Regie-rungschefs fr den nordstlichen Kongo beanspruchen knnte. Mit die-ser Auffassung entzog er auch seine eigene Zone, den Sdosten, den erals Vizeprsident der Partei kontrollierte, dem Einflu Gbenyes (). Wir sprachen mit Kabila lange ber das, was nach Einschtzung unsererRegierung einen strategischen Fehler unserer afrikanischen Freundedarstellte: Gegen die offenkundige Aggression durch die imperialisti-

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    diesen Bruderlndern alle Mittel zur Verfgung gestellt werden, die siezu ihrer Verteidigung bentigen, und indem wir ihnen unsere bedin-gungslose Solidaritt beweisen.Und noch eine weitere Anspielung auf den Kongo:C h e : Der Kolonialismus hat im Kongo seine Klauen gezeigt, dies istkein Zeichen von Macht, sondern von Schwche.

    Der Kongo, wo die Marionettenregierung Tshombs mit der Hilfe weiSldner gegen die lumumbistischen Guerillas kmpfte, schien Ches neue O sion zu sein. Am 3. Mrz ist er aufs neue in der Vereinigten Arabischen Republik und a14. Mrz beendet er die Reise in Havanna. Er verlt den Flughafen gemei sam mit Fidel, der zu seinem Empfang gekommen ist. Offenbar verbringendie nchsten zwei Tage mit Gesprchen. ffentlich sollte man Che nur n selten sehen. Der letzte verbrgte ffentliche Auftritt ist der Vortrag, dennoch als Minister fr Industrie ber seine jngste Afrikareise hlt. Er legt dSchwerpunkt auf den afrikanischen Einflu im kubanischen Alltagsleb Malerei, Musik, Gebruche Ein Abschied wie jeder andere.Raul Roa : Whrend er gemchlich den aromatischen Rauch seines Ta-baks geno, spielten die Hnde mit der schwarzen Baskenmtze, auf welcher der Stern leuchtete, der mit Verhaftungen, Entbehrungen undHeldentaten verdient worden war. Pltzlich stand er auf und sagte zumir, mit einem herzlichen Handschlag, in der Art eines Abschieds:Morgen fahre ich nach Oriente, fr einen Monat zum Zuckerrohr-schneiden. Eh, kommst du nicht mit uns mit? Nein. Diesmalnicht. Und auf seine einfache Art, etwas kurzatmig und mit seinemcharakteristischen Schritt, ging er davon und grte jeden, der ihm imGarten des Ministeriums ber den Weg lief.

    Pablo geht nach AfrikaPablo Rivalta, ein krftiger untersetzter Schwarzer aus Santa Clara, Lehrerwhrend der kubanischen Revolution Mitglied der Sozialistischen Volkspahatte sich nach der Invasion von Las Villas der Brigade Che Guevaras an schlossen und im Rang eines Kapitns des Ejrcito Rebelde an der Schlu sive teilgenommen.Pablo Riva l t a : Anfang der sechziger Jahre, als Lumumba im Kongo imGefngnis sa, sagte der Che zu mir: Fidel mchte, da du eine per-snliche Botschaft an Patrice Lumumba berbringst. Ich erklrte michbereit und erwartete seine Instruktionen. Kurze Zeit spter wurde mirmitgeteilt, da die Operation nicht stattfinden wrde. Der Che gab mir

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    versuchte ihnen darzustellen, da es hier nicht um einen Kampf in deneigenen Grenzen, sondern um einen Krieg gegen den gemeinsamenUnterdrcker ging, der ebenso in Moambique wie in Malawi, Rhode-sien oder Sdafrika, im Kongo oder in Angola gegenwrtig war, dochniemand teilte diese Auffassung.Distanziert und hflich verabschiedeten sie sich, und bei uns blieb einstarker Eindruck davon zurck, was fr einen weiten Weg Afrika noch wrde gehen mssen (). Die feste Aufgabe bestand nun darin, eineGruppe von schwarzen Kubanern auszuwhlen und diese, natrlichfreiwillig, zur Untersttzung des Kampfes in den Kongo zu schicken. Nach einer Reihe solcher Treffen fhrte Che ein Gesprch mit Rivalta, das dem kubanischen Botschafter in Tansania merkwrdig vorkam:R iva l t a : Er sagte mir am Ende, da er berprfen wrde, ob ich gutKisuaheli lernte, aber ich hielt mich nicht lange bei dieser Bemerkungauf. Wenn ich in diesem Moment genauer darber nachgedacht htte, wre ich zu dem Schlu gekommen, da er, wenn er es schon berpr-fen wollte, dann eines Tages auch wieder hierherkommen mte. Abergut, diesen Schlu zog ich damals nicht. Er bemerkte, ich htte vieleBedienstete, viele Angestellte in der Botschaft, da ich mglichst viele verpflichtet hatte, um die Berichterstattung und den Einflu auszuwei-ten, und da ihm das nicht gefiel. Unmittelbar nachdem er gegangen war, reduzierte ich das Personal um die Hlfte. Am 19. Februar war Che in der Vereinigten Arabischen Republik und am 24.des gleichen Monats zum dritten Mal in Algerien.R iva l t a : Ich begleitete ihn. Wir reisten zusammen nach Kairo. Er traf sich mit Nasser, sprach mit ihm. Danach wollte er in den Sudan, doch wir berzeugten ihn, da es keine Mglichkeit gab hineinzukommen.Daraufhin fuhr er nach Algerien. Im Hotel verfate er diese berhmte

    Rede. Er sagte zu mir: Lies das, und danach gibst du es mir zurck undsagst mir deine Meinung. Ich sagte ihm, die Rede sei sehr gut. Er be-tonte die Notwendigkeit, die Beziehungen zwischen den sozialistischenLndern und den nationalen Befreiungbewegungen zu vertiefen. Nach-dem er die Rede gehalten hatte, spazierte er zufrieden herum. Auf dieFhrer der Befreiungsbewegungen hatte er einen guten Eindruck ge-macht.Der Beitrag vom 24. Februar auf dem II. konomischen Seminar der Afro-asiatischen Solidaritt in Algier enthielt mehrere Bemerkungen zur Interven-tion der Imperialisten in Afrika, und insbesondere den ausdrcklichen Satz:C h e : Auf den unheilvollen Angriff des nordamerikanischen Imperialis-mus gegen Vietnam oder den Kongo mu geantwortet werden, indem

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    R i va l t a : Wir machten uns daran, die ntigen Informationen ber den Tanganyika-See und den stlichen Kongo einzuholen und feste Bezie-hungen nach Kigoma zu knpfen, die es uns erlauben sollten, in der Ge-gend selbst aktiv zu werden.Um die mir aufgetragenen Aufgaben erfllen zu knnen, unternahm ichfolgendes: ich mietete ein Haus an, um dort die Bros der Botschaft unddie Residenz des Botschafters einzurichten, stattete Nyerere einen inof-fiziellen Besuch ab, nahm einige inoffizielle Beziehungen zu den inDaressalam ansssigen Israelis auf, die ihrerseits in guter Beziehung zNyerere standen (obwohl der Che mir das wegen ihrer Gegnerschaft zuden brigen arabischen Lndern untersagt hatte. Auf eine Bemerkungdes Che hin wurde es augenblicklich korrigiert). Wir traten auch sofort in Kontakt zu Kambona, dem Auenminister,und zu dessen Geschwistern und Angehrigen, zu Kawawa, zum Vizeprsidenten und dem Verteidigungsminister, und zu anderen Regie-rungsmitgliedern. Wir hielten uns an das bliche Vorgehen in solchenFllen: Besuche, Kontakte, Umtrunke, Hilfen, Teilnahme an Veranstal-tungen usw.Im sozialen Bereich erweiterten wir das Arbeitsfeld in verschiedenenSektoren, vor allem die Arbeit mit der Bevlkerung. Wir besuchten Viertel, Huser, Stmme und dabei fhrten wir ein sehr vielschichti-ges Leben, wie es sich fr den Botschafter eines revolutionren Landegehrte. Unser Umgang war offen und verstndnisvoll. In meiner Ei-genschaft als Botschafter und Kapitn des Ejrcito Rebelde knpfte ichKontakte zum Armeechef und zu hohen Offizieren und Kommissaren.Im Handelsbereich versuchten wir ein Netz aufzubauen und nahmenKontakt zu einigen indischen Handelsunternehmern wie Christian, Teekay und anderen auf, vor allem zu Nasto, der bei Christian arbeiteteund uns bei einigen Compaeros aus Mauritius und Sdafrika einfhr-te, progressiven Elementen. Nasto setzten wir zum Kauf von Ausr-stungen ein, immer auf Kommission. Er war in der Lage, sich an die verschiedensten Orte zu begeben, um das zu finden, was wir brauchtenDabei verhielt er sich sehr korrekt, informierte niemanden ber unsere Verbindungen oder unsere Arbeit. Wir setzten ihn zusammen mit ei-nem Friseur ein, einem indischen Freund von ihm, und mit Kaile, mei-nem kenianischen Fahrer, der nach eigenen Worten zum Stamm der Mau-Mau gehrte. Auf der Grundlage dieser Beziehungen konnten wir, das heit, Papito in Algerien, Guitart in der Vereinigten Arabischen Republik und ich in Tansania, gem unserer Anweisungen ein Operationsdreieck zur Erle-digung unserer Spezialaufgabe errichten.

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    verfgte, und da ich schon eine Ahnung davon hatte, was wir dort tun wrden, schicke ich ihn zurck, damit keinerlei Information nach auensickerte. Auch Bentez mu ich zurckschicken, einen meiner besten Mitarbeiter, da er entgegen meinen Anweisungen, sich nicht in die in-neren Angelegenheiten des Landes einzumischen, bei einem miglck-ten Staatsstreich gegen Nyerere in einem Straengraben erwischt wird.Es htte nicht viel gefehlt, und sie htten ihn umgebracht. Das heit,ein wenig war er daran beteiligt, ebenso bei Geschichten in Sansibar.Sehr gut, aber sehr undiszipliniert. Ich beschlo, ihn ebenfalls zurck nach Kuba zu schicken. Die Kontakte, die ich in Tansania knpfte, wa-ren ausgezeichnet. Wir benutzten dafr die Verbindungen, die Algerienzur tansanischen Regierung hatte. So lernte ich ber die algerische Bot-schaft zum Beispiel Kambona, den Auenminister, kennen. Der Bot-schafter stellte mich ihm auf einem Empfang vor, und von da an hatten wir sehr gute Beziehungen zu den Hauptvertretern der tansanischenRegierung. Noch bevor ich offiziell eingefhrt worden war, traf ichNyerere und klrte ihn in aller Offenheit ber unsere Mission auf.Nyerere war Lehrer, und beim Studium seiner Biographie war ich auf Gemeinsamkeiten zu meiner gestoen; auerdem war er vor allem einSchwarzer, und ber ihn und seine Mitarbeiter in der Regierung konn-ten wir Beziehungen zu den Vertretern der Befreiungsbewegungen her-stellen, die am Tanganyika operierten, zur Befreiungsbewegung derportugiesischen Kolonien etwa, vor allem zu denen aus Moambique,bei denen ich einen alten Freund hatte, Marcelino de los Santos, mitdem ich bei der Internationalen Studentenvereinigung in Prag gewesen war, und ber diese zu Angola, Portugiesisch Guinea und den Kapverdi-schen Inseln.Ich erinnere mich, da Nyerere mir bei dieser Gelegenheit anbot, wennich irgendein Problem htte, irgendeine Schwierigkeit, sollte ich dieFlagge an den Wagen stecken und direkt zu ihm fahren. Er stellte michseinem Premierminister Kawawa und anderen Ministern vor. Zuvor hat-ten wir bereits Kontakt zu den Leuten aus Sansibar aufgenommen, die inKuba ausgebildet worden waren. Und vor allem zu Bab, einem der Mi-nister und Fhrer der Revolution in Sansibar. Das gab uns den ntigenRckhalt, um weitere Beziehungen herzustellen, bis schlielich zu allen Veranstaltungen unserer Botschaft die wichtigsten Minister kamen, viel-leicht wegen der Anziehungskraft, die Fidel und die kubanische Revolu-tion generell auf sie ausbte. Die fortschrittlichsten Regierungen in Afri-ka wie Kairo, Algier untersttzten unsere geplante Mission.

    Sobald er seine offizielle Besttigung als Botschafter empfangen hat, geht Pablo Rivalta an die Arbeit.

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    am Leib trug, ohne Ausrstung. Dort traf ich den Kaderchef der Armee,den Comandante Jimnez Lage. Ich setzte mich in Verbindung mit demErsten Kapitn Santiago Terry. Am nchsten Morgen traf der Coman-dante Arnaldo Ochoa ein. Sie brachten uns zu einem kleinen Saal, wosich schon ungefhr fnfundzwanzig Compaeros versammelt hattenund wo der Armeechef zu uns sprechen sollte. Kurze Zeit spter kamnoch ein Grppchen von der 50. Division dazu. Wir waren jetzt bereits vierunddreiig Compaeros. Um acht kamen der Generalstabschef der Armee und weitere hohe Parteifunktionre. Man sagte uns, da wir freinen Kurs ausgewhlt worden seien, da man uns spter erklren wrde, was wir zu tun htten, und fragte, ob irgendjemand Einwnde htteNiemand meldete sich. Am nchsten Tag fuhren wir im Morgengrauennach Havanna und wurden in einen Hof im La Tropical gebracht. Dort warteten zwei abgedeckte Zil-131-Lastwagen auf uns. Wie in alten Zei-ten wurde uns nichts weiter mitgeteilt, und die Lastwagen machten sichin Richtung Pinar del Ro auf den Weg. Nach Mitternacht trafen wir inCandelaria ein. Dort schliefen wir diese Nacht, und am Morgen darauftrafen wir viele Compaeros wieder, darunter Dreke, den wir aus Es-cambray kannten, Olachea, Julin Morejn und andere.N a n e : Das Lager bei Pinar del Ro wurde El Amazonas genannt. Eslag in den Bergen. Ich war dort, in El Amazonas, als Chef des Lagerttig. Man bildete dort Auslnder aus (Ecuatorianer, Peruaner); kurz vorher hatte es einen Vortrag fr Leute aus dem Kongo gegeben, nachdem, was wir spter erleben sollten, wei ich nicht mehr, ob es wirklichGuerilleros oder nur Schmuggler gewesen sind. Damals war ich Ser-geant, geboren bin ich 42, und whrend der Revolution habe ich in der17. Brigade der Zweiten Front gekmpft. Ich hatte eine Ausbildung alsFallschirmspringer und Froschmann, in Sprengstofftechnik und Gueril-labekmpfung. Damals traf eine Gruppe von Farbigen ein. Es war deut-

    lich, da es sich um eine Mission handelte. Ich sagte, da ich mich dafmustern lassen wollte. Ich kannte Dreke aus Las Villas und sprach mitPieiro.Dreke : Am 2. Februar um sechs Uhr morgens wird zum Wecken gebla-sen. Als das Licht angeht, sehen wir uns erstmals alle gegenseitig. So umdie hundert waren wir.War n e r M o r o : Verdammt, wo kommen all die Neger her! Als ob sie al-le Schwarzen aus Kuba eingesammelt und hierher gebracht htten.Dreke : Augenblicklich wurde die Brigade organisiert, mit Terry alszweitem Chef. Drei Einheiten wurden zusammengestellt, CatarinoOlachea an der Spitze der Einheit aus Las Villas, Barthelemy (Lawton)

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    Whrend Che Guevara in Afrika auf Reisen istVi ct o r D r e ke : Alles begann im Januar 65. Der Che war in Afrika auf Reisen, wie in den Zeitungen zu lesen war, und ich war als Vizechef beider Banditenbekmpfung (Lucha Contra Bandidos, LCB) in Las Villas. Wir waren mitten in einer Operation und hatten mehrere Banditen ge-fangengenommen. Der Chef vom LCB sagte zu mir: Es gibt Arbeit, du wirst von hier fortgehen.

    Ich bergab die Leitung an den Kapitn Herrera und begab mich mitmeinen Sachen nach Santa Clara, wo ich wohnte. Ich stand frh auf undsprach bei der Armee vor. Gegen Mittag trifft Comandante CalixtoGarca ein und lt mich rufen: Du bist ausgewhlt worden, um auer Landes eine Mission fr denOberkommandierenden und den Minister auszufhren. Hast du ir-gendwelche Einwnde?Ich freute mich. Ich dachte an Lateinamerika. Du mut eine Gruppe zusammenstellen, eine Einheit; es mssenCompaeros mit bestimmten Eigenschaften sein: schwarz und mitKampferfahrung im Ejrcito Rebelde oder im LCB.

    Als er mir das sagt, dmmert es mir: Afrika, du meine Gte! Als erstes ging ich zum LCB, dort kannte ich kampferprobte Com-paeros. Ich sprach mit Proenza, und wir begannen mit der Arbeit der Anwerbung. Eine sehr geheime Arbeit. Wir lieen ausschlielichschwarze Compaeros zum Gesprch rufen. Hatte einer einmal ja ge-sagt, wurde er auf Geheimhaltung verpflichtet. Wir stellten eine Ein-heit von ungefhr fnfundzwanzig Compaeros zusammen.Sie bringen uns zum Peti-I, einem Ausbildungslager in der Gegend vonPinar del Ro, in den Bergen von Candelaria. Spt nachts trifft dieGruppe aus Santiago ein, mit Terry an der Spitze und Videaux, danachdie aus Pinar.Videaux: Ende Dezember 64 operierte ich gegen die Bande von Eloy Gutirrez Menoyo, die in Playitas an Land gegangen war. Nachdem wirdie Bande gefangen und Urlaub genommen hatten, wurde nach Kmp-fern fr eine Mission gesucht, die zu diesem Zeitpunkt weder Namennoch Bestimmung hatte. Ich werde zum Gesprch nach Santiago de Cu-ba einbestellt. Davor hatte nur ein Compaero vom Geheimdienst mitNamen Banderas ein Gesprch mit mir gefhrt. Er fragte mich, was ichdavon hielte, auer Landes zu gehen, um eine Mission zu erfllen, nachLateinamerika zum Beispiel. Ich antwortete, wenn andere uns vorhergeholfen htten, sei es nur gerecht, da wir jetzt anderen helfen. Tage vergehen, und schlielich kommt eine Vorladung beim Generalstab derstlichen Armee. Ich machte mich auf den Weg mit dem, was ich gerade

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    ihren Familien. Alle kamen rechtzeitig zurck, Unterwanderung oderIndiskretion gab es nicht.N a n e : Fidel hielt eine Rede. Er sagte den Leuten: Erzhlt euren Fami-lien, da ihr eine Mission erfllt. Sagt ihnen nicht, wo. In Gruppenlie man uns gehen. Ich fuhr mit drei Compaeros nach Guanabo.Videaux: uerste Diskretion und Abschottung. Man konnte wederBriefe schreiben noch welche empfangen. Ausgang gab es nicht. Besuche von einem Lager zum anderen wurden nachts, in geschlossenenLastwagen durchgefhrt. Niemand durfte irgendeine Bewegung be-merken, deshalb kamen uns, wenn einer zu einem anderen Lager auf-brach, die aus dem anderen Lager entgegen, und man traf sich unter- wegs.Genge : Man sagte uns, wir wrden als Ausbilder zu einer afrikanischenBefreiungsbewegung geschickt. Es war eine schne Idee, wir wrden aden Ort zurckkehren, den unsere Vorfahren verlassen hatten, nach Afrika.Dreke : Aus Spa gaben wir uns einen Spitznamen, wir nannten uns

    die Kongolesen. Um die achtzig Mann waren in der Brigade. DerHellhutigste war der Compaero Osmn Marn; Gorbn und CatarinoOlachea waren Mulatten.Unter den Materialien, die wir zur Lektre bekommen hatten, war eineSchriftenreihe ber den Kampf im Kongo und die Ermordung Lumum-bas. Jetzt waren wir sicher. Der Kongo. Der Kongo!

    Die EntscheidungF id e l C a st r o : Er begann ganz offensichtlich ungeduldig zu werden, wollte seine alten Plne und Ideen in die Tat umsetzen. Ich glaube, dadabei sogar die Tatsache eine Rolle spielte, da die Zeit verging. Er wute, da fr all das eine bestimmte krperliche Verfassung notwendig war, er glaubte, da er die Fhigkeit dazu hatte, und tatschlich war er jaauf der Hhe seiner geistigen und krperlichen Fhigkeiten. () Er warungeduldig. Weil ich auch wei, da die Initialphase eines solchen Pro-zesses, wie er ihn durchfhren wollte, schwierig ist, war meine Vorstellung, da man optimale Bedingungen fr das schaffen sollte, was er vorhatte, und wir rieten ihm zur Geduld, weil dafr Zeit ntig war. Denn er wollte dorthin und vom ersten Tag an alles selber machen, und wir woll-ten, da andere, weniger bekannte Kader alle diese Anfangsschrittedurchfhrten.Er war sehr interessiert an den internationalen Problemen, an den Pro-blemen in Afrika. Damals hatte die Intervention im Kongo, im heutigen

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    an der Spitze der Einheit aus Pinar del Ro und Erasmo Videaux an derSpitze von der aus Oriente. Wir begannen uns militrisch zu organisie-ren und auerdem die Papiere fr alle vorzubereiten.Videaux: Nach dem Frhstck trat die Brigade vollstndig an. Coman-dante Dreke richtete das Wort an uns. Auch er wute nicht alles, abereiniges wute er. Dreke sagt, obwohl wir aus drei Armeen kommen, sei-en wir jetzt eine einzige. Die Reihen wurden aufgelst, und wir umarm-

    ten uns. Von diesem Moment an bekamen wir eine ziemlich intensive Ausbildung in diesem und anderen Lagern. Der Compaero, der die Ausbildung leitete, hie Dennys.Dreke : Das Training war sehr hart. Am 3. Februar begann die Ausbil-dung am Gewehr, lange Mrsche, Aufschlagen von Lagern, Hindernis-lufe, 75-mm-Artillerie, Bazookas, Legen und Entschrfen von Minen, Molotov-Cocktails und vor allem freier Gelndekampf. Bei der Ausbil-dung dieser Gruppe war der Vorteil, da sie vom LCB kam, da sie Jah-re der Guerillabekmpfung hinter sich hatte.N a n e : Marschausbildung, Schieen mit verschiedenen Gewehren, poli-tische Vortrge. Ungefhr ein oder zwei Monate Ausbildung. Ich wu-te, da es nach Afrika gehen wrde, und dachte an einen der beidenKongos. Ich bat um die Musterung.Videaux: Ausbildung berall in der Bergkette von Pinar del Ro; lange Mrsche mit Ruckscken nachts, bei Tag, zu jeder erdenklichen Zeit. Viel Schieausbildung an allen Waffenarten, vor allem an FAL-Geweh-ren. Als Fidel uns besuchte, beharrte er sehr auf der Schieausbildung.Die beste Art, es zu lernen, ist, viel zu schieen, sagte er. Er ordnetean, da jeder von uns 500 Schu bekam, um Geschicklichkeit im Um-gang mit der Waffe zu erlangen; er hatte ja eine Armee befehligt: eine Armee im kombinierten Hinterhalt, von dem aus Sperrfeuer abgegeben

    wurde (Sperrfeuer in immer die gleiche Richtung, hohes Schuvolu-men). Die Ausbildung war von Anfang bis Ende hart und intensiv.Dreke : Ein wichtiger Umstand war: da die meisten bereilt von zuHause abgereist waren, hatten sie sich kaum von ihren Familien verab-schieden knnen. Ein paar Tage sprach Fidel mit den Compaeros underlaubte ihnen, nach Hause zu fahren. Absolute Diskretion und Ge-heimhaltung. Einige Compaeros aus der Fhrung waren gegen dieseReise zu den Angehrigen. Aber Fidel sagte: Man mu Vertrauen ha-ben, oder nicht? Lassen wir sie gehen. Man hatte ihnen gesagt, die Mission werde fnf Jahre dauern, da es nicht mglich sein wrde zuschreiben und da man ihnen garantierte, sich um die Familien zu km-mern. Ungefhr hundert Compaeros fuhren zum letzten Besuch zu

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    Schssen getroffen, am Arm und im Rcken. Unsere Truppen zogensich zurck, und mich brachten sie nach Escambray hinauf, nach Dos Arroyos, wo wir unser Lager aufgeschlagen hatten. So um den 20. kamder Che in unser Lager.Es gibt ein Erlebnis, das mich stark bewegt: ich war verwundet, siebrachten mich von der Htte zu dem Ort, wo das Treffen stattfand undstellten mich dem Che vor. Faure stellt uns alle vor und erklrt dem Co-mandante Guevara, da ich bei dem Angriff auf Placetas verletzt wor-den sei. Der Che untersuchte mich, Castell, unser Arzt, erklrte ihm, wo die Verletzungen waren. Wir unterhielten uns ber die Schuverlet-zung, die mich fast umgebracht htte. Wir hatten ein kleines Bro, eine Schreibmaschine. Der Che mit seinergroen Bescheidenheit bat uns, sie ihm fr eine Arbeit auszuleihen. Er war Comandante der Revolution in Las Villas und lief herum und frag-te um Erlaubnis.

    Kennst du diesen Compaero?Dreke : Es war der 28. oder 29. Mrz, der zehnte oder zwlfte Tag im

    Lager, als mich Osmany Cienfuegos, der Bauminister, aufsucht, mitdem Befehl, mit ihnen mitzukommen und Santiago Thierry als Chef vor Ort zu lassen. Ich habe dich rufen lassen, weil ein neuer Chef mit der Brigade mit-kommen wird, und wir mchten, da du ihn kennenlernst. Mir ist es gleich, ob ein anderer mitkommt, aber ich fahre auf jedenFall, oder nicht? Du fhrst. Wir sprechen von anderen Dingen, dann zeigt er mit Fotos. Kennst du diesen Compaero? Er heit Ramn sagt er zu mir.Er zeigt mir mehrere Fotos, im Profil, von vorn. Ich erkenne ihn nicht.Ich hatte nicht die leiseste Vorstellung, wer er sein knnte. Der hier ist es, und er sagt, da er dich kennt. Es ist ein Compaeromit einer bekannten Geschichte Gut.Ich kam nicht darauf, vom ueren her hnelte er keinem der wichtigenKader. Am Nachmittag komme ich dich abholen.Er holt mich ab, und wir fahren zum Laguito. Er stellt mich Papi (Mar-tnez Tamayo) vor. Ich hre, wie Osmany mit jemandem redet. Wirstanden in einem kleinen Patio, und aus der Halle kommt ein Com-paero, ein Weier, die Haare kurzgeschoren, mit verspiegelter Son-nenbrille. Ich begre ihn, und wir kommen auf die Sache zurck.

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    Zaire, stattgefunden; der Tod Lumumbas, all das; in Zaire gab es einneokoloniales Regime und eine Bewegung im bewaffneten Kampf. Wirhaben das nie ffentlich gemacht. Damals ersuchte uns die revolution-re Bewegung um Hilfe, wir sollten ihnen in einer internationalistischen Mission Ausbilder und Kmpfer schicken. () Ich selbst habe damalsgegenber Che vorgeschlagen, da man warten, Zeit gewinnen sollte;er wollte einige Kader ausbilden, mehr Erfahrungen sammeln, und somachten wir ihn zum Verantwortlichen fr die Gruppe, die den Revolu-tionren dort im heutigen Zaire zu Hilfe kam. InPassagen des revolutionren Krieges. Der Kongo gibt es nur eine kryp-tische Bemerkung Che Guevaras darber, warum Fidel Castro seinen Vor- schlag akzeptierte und ihn die kubanische Brigade im Kongo kommandierenlie [mglicherweise, weil zum Zeitpunkt, als der Text verfat wurde, nochnicht ber das Projekt in Lateinamerika gesprochen werden konnte].C h e : einige Episoden, deren Bedeutung im Moment nicht weiter er-klrt werden kann, wie meine Ernennung an die Spitze der kubanischenHeerschar trotz meiner weien Hautfarbe Fide l : Sein Aufenthalt in Afrika war nur als bergangslsung gedacht,um auf die notwendigen Bedingungen zu warten, damit er nach Sda-merika reisen konnte.

    Vctor Dreke und der Che kennen sich von frherVctor Dreke ist in dem Moment, in dem er in diese Geschichte eintritt, 27 Jahre alt. Eine schlanke, hagere Persnlichkeit mit einem intensiven, leicht schielenden Blick. Geboren in Sagua La Grande, Las Villas, im Mrz 38. Ei-ner der wenigen Schwarzen unter den Kadern der kubanischen Revolution.Studentischer Aktivist im Kampf gegen Batista, Mitglied des RevolutionrenStudentenrates.Dreke : Der Che war eine Legende, als er 58 nach Escambray kam. Dagibt es einen Argentinier, der mit Fidel kmpft, einen Arzt, und er isthier gelandet. Meine Geburtstage hatte ich immer im Gefngnis verbracht. Ich war ineiner studentischen Gruppe, wir nannten uns Los Revoltosos , obwohl icherst 19 Jahre alt war, besa ich schon gengend Urteilsvermgen. Da-nach ging ich mit dem Studentenrat zusammen in die Berge. Als die Brigade des Che im Jahr 58 in Las Villas eintraf, wurden vonuns zwei Kampfaktionen mit dem Ziel geplant, die Truppen der Armeeabzulenken und der Brigade den Durschmarsch ber die Landstraefreizumachen, zwei Angriffe auf die Kasernen von Fomento und Place-tas. Der Rat beschlo, da sie am 13. Oktober stattfinden sollten. Ich war zu dieser Zeit Leutnant. Bei diesem Angriff wurde ich von zwei

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    sich. Sie gingen nach drauen, um sich zu unterhalten. Dann lieen sieuns rufen. Es wrde nicht leicht werden, es sei eine schwierige MissionSie wrdigten das gute Verhalten der Brigade whrend der AusbildungFidel war beunruhigt ber die Folgen der Ermordung Lumumbas, berdie Repression durch die Belgier. Er fragte uns nach der Familie.Fidel las in einigen Metern Entfernung von uns den Brief, den ihm Cheberreicht hatte. Papi und ich standen sehr nah bei ihnen. In einem Ne-benzimmer sagte Fidel zu uns, wir sollten auf den Che aufpassen, denChe unauffllig und diskret beschtzen.Ches Begleiter Jos Mara Martnez Tamayo ist zum Zeitpunkt der Handlung knapp 30 Jahre alt.Mar iano Rodr iguez: Das Gesicht eines Galiziers, harte Zge, quadra-tisch, zusammengewachsene Brauen. Er war 36 in einer Siedlung in deNhe von Mayar geboren worden. Mit 17 Traktorfahrer. Im Traktorhinterlt er eine Nachricht, als er dem Grovater eine Flinte klaut undin die Berge geht. Er kommt zu Rals Zweiter Front Frank Pais.

    Nach der Revolution war er Grnder des kubanischen Geheimdienstes.Er war 63 mit kolumbianischem Pa in Bolivien, in La Paz, um dort fden Che etwas vorzubereiten, um auf dessen Befehl hin im Sden vonBolivien eine Basis fr die Guerilla von Massetti in Argentinien zu organisieren. Mitten in der Oktoberkrise hatte er schon eine wichtige Missi-on in Guatemala ausgefhrt. Ein gutmtiger Kerl, der fhig war, auf al-les zu verzichten, um es jemand zu geben, der es brauchte. Krperlich von einer auergewhnlichen Kraft. Die Schule hatte ihm nicht gefal-len, dort war er nur bis ins vierte Jahr gekommen. Sein ganzes Lebenlang einer, der Blumen mochte. ber Rosen wute er Bescheid, zuHause hatte er welche gepflanzt. Luftwaffenpilot nach dem Triumph

    der Revolution.Dreke : Kapitn Jos Mara Martnez Tamayo war ein krftiger, liebens- werter Weier von wenig Worten, der den Che mit einer wahnsinnigenZuneigung verehrte, ihn anbetete; mit den Compaeros kam er gut aus,risikofreudig, auch persnlich keine Gefahr scheuend. ber seine eige-nen Dinge redete er nicht gern. Am besten gefiel ihm die Geheim-dienstarbeit im Untergrund. Und er war ein guter Guerillero.

    Ches Brief an Fidel CastroFidel,in dieser Stunde erinnere ich mich an viele Dinge, daran, wie ich Dichim Haus von Mara Antonia kennenlernte, als Du mich einludst, mit

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    Kennst du ihn? Nicht die Spur, nicht mal in der Zeitung habe ich diesen Mann schoneinmal gesehen. Der Compaero Ramn sagt Osmany. Wie gehts, Dreke? Erkennst du ihn immer noch nicht? fragt Osmany.Die Stimme kommt mir etwas bekannt vor, aber ich komme nicht dar-auf, er trgt eine Prothese im Mund. Wir setzen uns an einen Tisch. Hr auf, ihn zu bescheien, sag es ihm endlich. Kennst du den Che nicht? sagt Osmany. Wenn man verwundet wird, sprt man den Treffer, etwas Heies, wieein Stromsto. Mein Herz hpfte, mit einem Sprung war ich auf denFen. Setz dich, setz dich sagt der Che zu mir. Von der Gestalt her war er derselbe. Wir redeten ber die Familie, bermeine Tochter, fnf oder sechs Monate alt. War sie krank? Ja, aberes geht ihr schon wieder besser. Meine Tochter war am 8. September64 geboren worden, und es hatte Probleme bei der Geburt gegeben, weil die Schdelknochen nicht richtig zusammengewachsen waren Der Che wute von diesen Problemen. Das gab mir einen Eindruck vonseiner Einfhlsamkeit und Menschlichkeit. Bist du bereit? Bin bereit. Vom Gefhl her bin ich noch nicht darauf eingestellt, da die Dinge un-mittelbar bevorstehen. Der Che sa beim Schreiben, es war der Ab-schiedbrief, er warf Papiere weg. Chino, Ches Assistent, war mit unsdort. Am Abend sagt Che zu mir, da wir jeden Moment ausrcken wer-den. Er fragt mich nach der Brigade, nach der Ausbildung. Er spricht von der Mission. Es geht in den Kongo! Er berreicht mir eine Pistole,eine kleine Makarov.Kannst du nicht Schach spielen? Und der da kann es auch nicht, sag-te er, als wollte er sich beklagen, zu Tamayo gewendet. Wir unterhieltenuns eine Weile, dann zog er sich zurck und fuhr mit dem Schreibenfort.Papi und ich kamen ins Gesprch, denn wir kannten uns vorher nicht, wir hatten nur gemeinsame Freunde. Wir gingen sehr spt zu Bett. Ichblieb dort, fuhr nicht mehr zurck ins Lager.Es kam der 31. Mrz. Am Morgen trank der Che Tee ohne Zucker, dannmachte er sich ans Bgeln, las.Darauf der 1. April, immer noch im selben Haus. Abends sagte der Chenur, da wir Besuch bekommen wrden. Er war sehr diskret. Gegenzehn, elf Uhr abends kam Fidel zusammen mit Osmany. Sie umarmten

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    Ich sage noch einmal, da ich Kuba von jeder Verantwortung entbinde,auer von der, die von seinem Beispiel ausgeht. Da, sollte fr mich diletzte Stunde unter fernem Himmel anbrechen, mein letzter Gedankediesem Volk und besonders Dir gelten wird. Da ich Dir danke fr Dei-ne Lehren und Dein Beispiel, und da ich versuchen will, diesen in allenmeinen Handlungen treu zu bleiben. Da ich mich immer fr die Auenpolitik unserer Revolution zustndig gefhlt habe und dies nochheute tue. Da ich, wo immer ich auch bin, in der Verantwortung han-deln werde, ein kubanischer Revolutionr zu sein. Da ich meinen Kin-dern und meiner Frau nichts Materielles hinterlasse, und da mich diesnicht traurig macht; ich bin froh, da es so ist. Da ich fr sie um nichtsbitte, denn der Staat wird ihnen das Ntige geben, damit sie leben undsich weiterbilden knnen.Ich htte Dir und unserem Volk viele Dinge zu sagen, aber ich fhle,da sie nicht ntig sind, die Worte knnen es nicht so ausdrcken, wieich es wnschte, und Seiten vollzukritzeln ist der Mhe nicht wert. Auimmer bis zum Sieg. Patria o muerte!

    Es umarmt Dich mit aller revolutionren Inbrunst, Che

    Hotel Nacional, Zimmer 504Kumi [Dr. Rafael Zerquera] : Als ich mein Medizinstudium beendete, gabes eine Reihe von Bgen auszufllen, in denen die Postgraduierten ge-fragt wurden, was sie in Zukunft tun wollten, wohin sie gehen wollten Auf einem dieser Bgen gab ich an, da ich bereit sei, zu tun, wozu dierevolutionre Regierung mich anweisen wrde, da ich keine Ambitionen persnlicher Art htte. Dies tat ich, ohne dem irgendeine weitrei-chendere Bedeutung beizumessen.Ich war in Santo Domingo, in der Sierra Maestra, auf einer medizini-schen Station eingesetzt worden, in einer schwierigen Zone, weil sichdort eine komplizierte Situation mit den Campesinos ergeben hatte,und man uns schon zweimal die Einrichtung niedergebrannt hatte.Der Minister Machado Ventura hatte mich rekrutiert und an diesen Ortin der Sierra Maestra geschickt. Ich arbeitete in der Kampagne gegenKinderlhmung und beim Wiederaufbau der Station Und dann be-nachrichtigt mich der Compaero Rodrguez, Koordinator fr dieseZone, da Machado mich sehen wollte, da ich all meine Sachen dortlassen sollte und da fr mich schon eine Fahrt nach Havanna gebuchtsei. Das war im Mrz 1965.Verdammt, was hab ich blo angestellt? Ich glaubte, da man michdenunziert htte, weil ich Bezugsscheine gegengezeichnet und den Ze-ment fr den Wiederaufbau der Station aus Bayamo abgezweigt hatte.

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    Dir zu kommen, an die ganze Spannung der Vorbereitungen. Eines Ta-ges kamen sie und fragten, wem sie im Todesfall Bescheid geben sollten,und es traf uns alle, wie real diese Mglichkeit war. Danach erfuhren wir, da es die Wahrheit war, da man in einer Revolution entwedersiegt oder stirbt (wenn es eine richtige ist). Viele Compaeros bliebenauf dem Weg zum Sieg zurck.Heute hat alles einen weniger dramatischen Ton, weil wir reifer gewor-den sind, aber die Situation wiederholt sich. Ich fhle, da ich den Teilmeiner Pflicht erfllt habe, der mich hier an die kubanische Revolutionband, und verabschiede mich von Dir, von den Compaeros, von Dei-nem Volk, das nun auch meines ist.Ich trete in aller Form von meinen mtern in der Parteifhrung, vonmeinem Posten als Minister, von meinem Grad als Comandante und von meiner Identitt als Kubaner zurck. Nichts Legales bindet michan Kuba, allein ein Band von anderer Art, das auch ohne Posten und Auszeichnungen bestehen bleibt. Wenn ich mir mein vergangenes Leben vergegenwrtige, glaube ich,mit ausreichender Ehrlichkeit und Hingabe dafr gearbeitet zu haben,den Triumph der Revolution zu konsolidieren. Mein einziger Fehler von Gewicht bestand darin, Dir nicht von den ersten Augenblicken inder Sierra Maestra an mehr vertraut zu haben und Deine Fhigkeitenals Fhrer und Revolutionr nicht schnell genug begriffen zu haben. Ichhabe wundervolle Tage erlebt und an Deiner Seite den Stolz gefhlt,unserem Volk anzugehren, in den Tagen des Glanzes und in den trau-rigen der Karibik-Krise.Selten hat es einen so brillanten Staatsmann wie Dich in diesen Tagengegeben; auch darauf bin ich stolz, da ich Dir ohne Zgern gefolgt bin,mich mit Deiner Art zu denken, Gefahren und Prinzipien zu sehen undabzuwgen, identifiziert habe. Andere Gegenden der Erde verlangennach der Untersttzung durch meine bescheidenen Krfte. Ich kanntun, was Dir wegen Deiner Verantwortung an der Spitze Kubas ver- wehrt bleibt, und so ist die Stunde der Trennung zwischen uns gekom-men. Man glaube mir, da ich dies mit einer Mischung aus Freude undSchmerz tue; hier lasse ich die reinsten meiner Hoffnungen als Kon-strukteur und die Liebsten meiner Lieben zurck und ich lasse ein Volk hinter mir, das mich als seinen Sohn aufgenommen hat; dies zer-reit mir fast das Herz. Auf die neuen Schlachtfelder werde ich denGlauben mitnehmen, den Du mir eingeschrft hast, den revolutionrenGeist meines Volkes, das Gefhl, die ehrwrdigste aller Pflichten zu er-fllen: gegen den Imperialismus zu kmpfen, wo immer dieser auch sei;dies bestrkt und heilt mit der Zeit auch die tiefste Wunde.

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    genio Ameijeiras der Mann an der Spitze sein wrde.Ich steige in ein Auto, es war die Maschine des Comandante, sieh einean, Fidel war da und Osmany sa am Steuer, es war der 8. April. Wie ist dein Name? Die Tatsache, da du hier bist, bedeutet nicht,da wir dich akzeptieren werden. Schauen Sie, Comandante, ich sage Ihnen im Ernst, das, was ich tue,tue ich in vollem Bewutsein. Was mich beschftigte, war, ob sie mir vertrauten. Ist gut.Das ist eine Aufgabe, eine verdammt wichtige Aufgabe, sagte ich mi Ich bin nicht Mitglied der Partei. Dort gibt es Compaeros mit einer Menge Erfahrung, und auerdem wirst du eine groe berraschung erleben.Sehr angespanntes, anstrengendes Gesprch. Und wer bin ich? Wasmache ich hier? Er stellt mir Fragen: Bist du vielleicht besorgt wegendeiner Mutter?Ich war 32 Jahre alt und ein schwarzer Arzt aus Trinidad.

    MoambiqueEr asmo Videaux: Als wir eine Woche dort waren, kam Fidel und sprachmit uns Offizieren. Er lie uns in den Speisesaal von Piti-I kommen. Erfragte, ob wir uns vorstellen knnten, warum wir hier seien.Terry ant- wortete, wahrscheinlich, um nach Vietnam zu gehen. Fidel verneinte.Zu jener Zeit war dieser Tanz in Mode, der Moambique, und Fidelsagt: Knnte es nicht ein Ort wie diese Musik sein, die man hier be-rall hrt? Ich sage zu ihm: Ich wei nicht, Moambique? Knnte esdorthin gehen? Aber er sagte: Nein, ich glaube nicht. Ihr werdet einestaatliche Mission ausfhren, aber mehr kann ich nicht verraten. Wennich selber mitdrfte, htte ich vor Freude einen Luftsprung gemacht,aber ich kann nicht fort, ihr seid diejenigen, die ausgewhlt wordensind. Spter, als er uns ein weiteres Mal im Lager Seboruco besucht, wird die ganze Gruppe versammelt. Er wiederholte, da wir fr eine Mission ausgewhlt worden seien, aber er sagte nicht, wohin. Lawtonder mit Fidel gekommen war, erklrte, da er im Lager bleiben wrdeund da dies seine neue Aufgabe sei, doch Fidel sagte ihm, es gingenicht. Und ob, ich werde sogar jetzt gleich hierbleiben. Und er blieb.Und kam mit uns mit.Die Vorbereitung dauerte keine 45 Tage.

    Ramn, Ricardo und Roberto gehen auf die ReiseDreke : Wir brachen am 2. April auf, in aller Frhe. Osmany brachteuns zum Flughafen, er selbst sa am Steuer. Ich hatte einen Pa auf den

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    Ich glaubte, ich htte ein Delikt verbt, weil ich nicht um Erlaubnis ge-beten hatte. Machado redet mit mir nicht darber, und ich genausowenig. Das Ge-sprch beginnt mit dem Dokument, das ich unterschrieben hatte. Hrmal, komm her, du hast ein Dokument, einen Fragebogen ausgefllt,den sie ausgeteilt haben. Aber nun sag mal, hast du das nur so aus Ge-fhl unterschrieben? Das ist jetzt vorbei, du bist jetzt nicht mehr der ar-me Junge aus Trinidad, du bist jetzt Arzt, du hast jetzt eine konomischeSicherheit. Nein, Sie irren sich, ich hab das in aller Verantwortung unterschrie-ben, und wenn ich es nochmal unterschreiben soll, unterschreib ich esnochmal.Er sagte mir, es gbe da eine Aufgabe, da sich mehrere Compaerosschon dafr gemeldet htten, da es eine sehr wichtige Aufgabe sei, er wrde mir nicht verheimlichen, da es Risiken gbe, er wte, da ich Ich frage dich, weil du bei dieser Aufgabe mglicherweise Gefahrenausgesetzt sein wirst Es drehte sich im Kreis. Ich wei definitiv nicht, worum es geht, aberich habe nicht die geringste Angst, ich wei, da das Leben eines jedendafr da ist, gelebt zu werden, und zum Teufel mit der ganzen Philoso-phie. Ich gestehe Machado die Sache mit dem Zement fr die Station,der andere lacht und sagt: Bei dem hier geht es um einiges mehr.Und dann sagte er mir, wo ich untergebracht sei, Hotel Nacional, Zim-mer 504, einige Compaeros wrden Kontakt mit mir aufnehmen. Da-bei blieb es. Ich hatte Angst.Ich nehme Kontakt zu Osmany Cienfuegos auf. Ich war nicht Mitgliedder Partei und hatte keine Kampferfahrung von frher. Sie sagten, dassei nicht wichtig. Es gehe um eine Aufgabe, bei der mich Compaerosmit groer Erfahrung begleiten wrden, aber die meisten von ihnen wrde ich nicht kennen. Da ich darber nachdenken sollte, weil es Ri-siken gbe. Es gab keine Verpflichtung. Man wisse nicht, wie lange ichauer Landes sein wrde. Ich sagte ja. Man bestellte mich fr den nch-sten Tag, sie machten Fotos von mir und so. Meine Mam war an Krebs operiert worden, aber ich hatte einen Bru-der, sie wrde nicht allein bleiben und die Compaeros wrden fr siesorgen. So habe ich keine Angst, sie zurckzulassen, wenn ich gehe.Die Tage vergehen, und auf einmal ruft mich Osmany an und sagt mir,ich solle bleiben, wo ich bin, er komme mich abholen. Um halb achtoder acht bringt er mich woanders hin, was mache ich hier?. Ichberlege, wer an der Spitze stehen knnte. Almeida und Ral waren da,mir fiel auf, da der Che nicht da war, schlielich glaubte ich, da Efi-

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    ber die Hilfe, die wir dem Kongo zukommen lassen wollten, und er er-klrte sich einverstanden. Auerdem hatten wir die Untersttzung der Vereinigten Arabischen Republik. Ich mute eine Reise in die VAR un-ternehmen, um die problemlose Durchreise unserer Leute dort abzusi-chern.Che und seine Gruppe treffen am 19. April in Tansania ein. Nur zwei Monate sind seit seinem Besuch in Daressalam whrend der Afrikareise und nur

    ner seit seiner Rckehr nach Kuba vergangen.Dreke : In Tansania erwartete uns Pablo Rivalta, unser Botschafter, Ver-nier, der als bersetzer fr Pablo arbeitete, und noch ein weiterer (icherinnere mich nicht genau, ob es der Compaero Oscar Padilla war),der uns spter als Verbindungsmann in Kigoma diente. Rivalta wutenicht, da der Che kommen wrde.R i va l t a : Bevor diese Gruppe eintrifft, erhalte ich ber die Funkstationein chiffriertes Telegramm, in dem mir die Ankunft einer Gruppe Ku-baner angekndigt wird. Ich gebe es sofort an die tansanische Regie-rung weiter. Ich informiere sie, weil der Flughafen von Tansania ein in-ternationaler Flughafen war, der von Indern betrieben wurde, und siesollten ein bichen aufpassen und sicherstellen, da bei der Einreise derersten Gruppe von Kubanern keine Probleme entstehen. Zum Empfangbegleiten mich der Auenminister und der Chef des diplomatischenDienstes. Vom Botschaftspersonal waren auer mir der bersetzer JuanGonzlez und weitere Compaeros dabei. Am Morgen traf die Gruppeein. Als das Flugzeug landet, warte ich an der Rampe und sehe als ersteDreke aussteigen, darauf Papi und als nchstes einen Mann, der mirnicht bekannt vorkommt. Es war ein Weier. Ein Mensch mittleren Al-ters mit Sonnenbrille, etwas fllig. Ich denke an die Momente zurck,die wir im Untergrund verbracht haben, an diese Art von Leuten, undsage zu mir: das ist bestimmt ein Compaero, der Dreke und Papi kon-trollieren soll, und schaue ihn mir nochmal an, und nochmal, denn wirklich, seine Augen sind unverwechselbar. Seine Augen und diesPartie hier, von den Augen aufwrts, sind unverwechselbar. Und ich, derich ihn doch aus nchster Nhe kannte, ich sage mir insgeheim: Ver-dammt noch mal, diesen Herrn kenne ich. Aber ich komme nicht auf ihn. Ich komme nicht darauf, wer es ist.Dreke : Wir kannten Pablo aus Escambray, aus der Brigade des Che,und begrten einander am Flughafen, den Che stellten wir ihm alsRamn vor. Er empfing uns auf das wrmste. Kennst du den Compaero?Sie schauten einander an.

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    Namen Roberto Surez. Der Che war Ramn, der Kapitn Martnez Tamayo (Papi) reiste als Ricardo. Ramn, Ricardo und Roberto, dreimalR. Es war Zufall. Morgens um kurz nach sieben, alles noch dunkel. Die Straen von Ha- vanna waren leergefegt. Er bringt uns die Zeitung: 20 Eier fr eine Li-bre, verkndete die Schlagzeile.Gegenber vom Flughafen gibt es eine Schule, dorthin fahren wir, je-mand ffnet uns die Tr, und bis zum Abflug warten wir dort in derHalle. Wir betreten den Flughafen durch den Hintereingang und gehenschnell an Bord. Eine sowjetische Maschine. Wir bekommen eine Reihemit drei Sitzen und nehmen den Che in die Mitte. Links von uns sitztder Journalist Luis Gmez Wagemert. Wir mustern einander. Papi undich tauschen Blicke. Der Typ hatte ihn schon zigmal interviewt. Er er-kannte ihn nicht wieder. Mehrere Zwischenlandungen. In einem Land, in dem wir haltmachten,erwartete uns ein Compaero am Flughafen, wir stellten ihm den Che vor: Das ist Ramn, unser Arzt und bersetzer. Offenbar wute derCompaero nicht um die Bedeutung der Mission und wollte uns in eineLounge bringen, und wir, vielen Dank, immer mit der Ruhe, wir blei-ben lieber fr uns. Da wird es ihm mulmig. Ob wir Angst haben?Der Che antwortet ihm scherzend, in Kuba lgen jetzt die Eier blank. Auf allen Flughfen hatte man uns schon erwartet und den Zollverkehrfr uns geregelt. Wir waren bewaffnet. Aber es waren immer welche von unseren Leuten da, um Probleme zu lsen. Bis wir in Daressalameintrafen.

    Reise der zweiten GruppeN a n e : Sie brachten uns zu einem Haus in Nuevo Vedado, drei Com-paeros, Alpiza und einen von den farbigen Zwillingen (Agano nannte

    er sich spter), und als wir dort waren, kamen Fidel, Osmany undPieiro. Fidel verabschiedete sich von uns: Wenn ihr im Kongo an-kommt, werdet ihr jemanden treffen, der euch so fhren wird, als wr-de ich selbst an dieser Stelle stehen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wer das sein knnte. Mit falschen Papieren verlasse ich Kuba. In einer TU-114, die Motoren waren schon angelassen, und dann muten sie sie wieder anhalten, vllig hinber. Sie brachten uns in die UdSSR. Wir wuten nicht, da wir die zweite von drei Gruppen waren.

    Empfang in DaressalamR iva l t a : Nyerere wute, da frher oder spter Kubaner in den Kongokommen wrden. Er erfuhr durch mich davon. Wir informierten ihn

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    to Po Pichardo und einem Sergeanten aus Matanzas. Als wir in Moskaueintreffen, steigen drei weitere Compaeros zu, einer von ihnen, Coqui,hatte mit Barbarroja Pieiro zusammengearbeitet. Sie waren vorher imInnenmisterium bei der Banditenbekmpfung gewesen. Insgesamt sind wir zu sechst. Ich war unterwegs der Chef dieser Gruppe, das hatte manmir kurz vor dem Abflug in Havanna gesagt. Sie hatten mir eine schwere Brieftasche gegeben, es waren Projektile drin, was genau, wute ichnicht und fragte auch nicht danach. Was ist damit? Soll das verschlos-sen bleiben? Keine Sorge, der Schlssel wird schon auftauchen. Daeinzige, was ich wei, ist, da es schwer war.Havanna Moskau Algier Kairo. Ich begann mich psychologisch vorzubereiten. In gypten wurden wir im Hotel Comorita unterge-bracht. Wir verbrachten dort fnf Tage, sie feierten dort etwas hnliches wie den Ramadan, Fastenzeit, in der nicht gearbeitet wurde. Wir mutenabwarten. Zwischenlandung in Nairobi, Kenia, ein sehr schner Flugha-fen, eine Stunde Aufenthalt und weiter nach Daressalam. Drei Personenkommen zu meinem Empfang: Vctor Dreke, Pablo Rivalta und ein ge- wisser John, ein riesiger Schwarzer, der Attach bei der kubanischen diplomatischen Mission war. Es war das erste Mal, da ich Kuba verlie.N a n e : Dreke, Mbili (Papi, der beim Minin gewesen war) und ein glat-trasierter Weier mit einem Hut, den ich nicht erkannte, empfingenuns. Dreke kam auf mich zu und fragte mich: Kennst du Julio nicht?Ich war naiv. Die Emotion darber, eine Mission auszufhren, hattemich ganz bld gemacht. Spter geht mir auf, da es der Che ist. Ich sahes und konnte es doch nicht glauben.Kumi: Wir sammeln uns in einem Haus in den Auenbezirken von Dar-essalam, wo ich dem Chino begegne, Ches Assistenten, Martnez Ta-mayo, der noch als Mulatte durchgehen konnte, und einem weienCompaero, kurzgeschoren, mit Pfeife, von normaler Gestalt, etwas

    bergewichtig, offenbar verkleidet, der in Pantoffeln dasa und sichumschaute. Ich merkte gleich, da er es war, der hier die Fhrung in-nehatte.Dreke sagte zu mir: Der hier ist wei, mein Junge, und alle anderen Schwarze.Und darauf erklrt er mir, da es der Franzsischlehrer sei. Und derChino immer hinter ihm. Als ich eintraf, las er gerade die Zeitung. Ersprach wenig und wandte sich immer an andere.Ungefhr zehn, zwlf Compaeros kamen dort zusammen, ich war dieNummer zehn. Einen oder zwei Tage verbrachten wir unbeschftigt,dann zog ich mit Dreke und Pablito los, um Arzneimittel zu kaufen. Dieanderen blieben im Haus.

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    Kennst du mich nicht mehr?Der Che machte sich einen Spa daraus, es hinauszuzgern. Dicker, sagte er zu ihm.Und fing an, ihm alle mglichen anderen Dinge zu sagen. Nein, nein, Compaero, ich kenne Sie nicht, sagt Pablo. Bist immer noch genauso begriffsstutzig? fragt der Che, und da rea-giert Rivalta, und die Trnen schieen ihm in die Augen.R iva l t a :

    Wir begren einander, etwas herzlicher mit Dreke, weil wiruns besser kennen. Darauf mit Papi, und schlielich mit diesem Men-schen, den ich nicht kenne. Ich gebe ihm die Hand, heie ihn willkom-men, das ganze Begrungsritual, und auf dem Weg ber den Flugsteiggrble ich ber die Gestalt dieses Mannes, die ich kannte, und allmh-lich beginnt es mir zu dmmern, wer er ist. Da spre ich auf einmal sei-ne Hand auf meiner Schulter, will mich umdrehen, und er sagt zu mir:Sei still, verdammt! La dir nichts anmerken. Ich bin es. Das sind sei-ne Worte. Er hatte an meiner Reaktion gemerkt, da ich ihn erkannthatte. Das war schon eine andere Begrung. Stell dir vor, was fr eineSituation. Da denke ich, es ist ein anderer, und es ist der Che. Es freute

    mich, aber es machte mir zugleich Angst. Zu diesem Zeitpunkt hatte ichdas Botschaftspersonal verringert und sagte mir: Aufpassen jetzt!Und brachte ihn in ein Hotel im Zentrum von Daressalam.

    Warten in DaressalamR iva l t a : Ich brachte ihn in ein Hotel, weil ich Anweisungen hatte, nie-manden in die Botschaft zu bringen. Dort blieben wir eine Nacht. Frihn wurde eine Wache aufgestellt. Man a dort unter strikter Bewa-chung, einige Male bernahm Dreke die Wache, einige Male wir. Wirpaten auf ihn auf.Dreke : Zu zweit, zu dritt, trifft die Gruppe nach und nach aus verschie-denen Teilen der Welt ein, ber Frankreich, ber Italien DreiSchwarze waren dabei, die bislang nie aus Oriente hinausgekommen waren, ich wei nicht, wie sie es geschafft haben, nicht festgenommenzu werden mit diesen Ruckscken, mit denen sie wie Militrs aus derDritten Welt aussahen.Gleichzeitig bricht eine Gruppe, die sogenannte Zweite Brigade, nach Brazza-ville auf, die sich aus einigen der Kader zusammensetzt, die man zuvor trai-niert hatte: Rafael Moracn [Quitafusil], die Leutnants Agramonte und Bart-helemy Miranda, Cairo Coln, Bayta und mehrere Soldaten.Kumi: Pa, Kleider, eine Tasche Wir brachen in verschiedenenGruppen am 10. April auf; ich mit zwei weiteren Compaeros: Norber-

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    Kumi: Die Spielregeln: Wir wrden einer Befreiungsbewegung zu Hilfekommen, einer Bewegung, die bereits ber eine gute Organisation ver-fgte. Unsere Hilfe wrde deswegen vor allem in Beratung bestehen. Ersprach von den Erfahrungen in der Sierra. Auch dort wrden wirzunchst geben mssen statt empfangen, wrden wir Opfer bringenmssen, niemals vor den einheimischen Guerilleros mit dem Essen an-fangen drfen, und sollte einmal zu wenig da sein, wrden sie die erstensein, die darauf ein Anrecht htten, und erst danach wir. Er wollte nicht,da es zu berheblichkeiten kam, sondern da wir bescheiden sein sollten, uns darber bewut sein mten, da dies ein Land mit einemRckstand von vier Jahrhunderten war, wir wrden dort mit der Armutzusammenprallen, wo sie am schlimmsten war. Da meine Mission seh wichtig sei, weil ich als Arzt arbeiten wrde, doch ich sollte mir keine Ilusionen machen, nicht glauben, ich wrde in einem Krankenhaus ar-beiten, da ich dort unter mehr als schwierigen Bedingungen wrde ar-beiten mssen. Da er nicht genau sagen knne, wie lange wir dort blei-ben mten, da man vielleicht in fnf Jahren an eine Auswechslungdes Personals denken knne.C h e : Einer unserer besten Experten war zuvor eingetroffen, um sichder doppelten Aufgabe anzunehmen, die Boote zu besorgen und eineErkundungsfahrt ber den See zu machen. () [Das Warten] in Dares-salam zerrt an den Nevern, ich wrde lieber frher als spter im Kongosein.R i va l t a : Er gab uns einen Auftrag. In diesem Moment hatten sie unsschon Seoane aus Kuba geschickt, der im Fischfang arbeitete und alsSchiffstechniker fr die Fahrt ber den See eingesetzt werden sollte, von Kigoma hinber zum Kongo. Auf Anweisung des Che zogen wir also los zur Kste, zu den Strnden von Daressalam, um ein Boot zu su-chen, da dies bei der Planung bersehen worden war. Wir zogen also losund fanden ein Boot, das nach Ansicht des Technikers fr diese Opera-tion geeignet war. Es war ein groer Motorkutter. Bevor wir es kauften,berichteten wir dem Che, da wir es gefunden htten. Im Morgengrau-en brachten wir ihn dorthin, er sah es sich an und gab seine Zustim-mung. Und dies war das Boot, das wir spter zum See brachten, nachKigoma. Che und die Gruppe muten sich noch eine Weile gedulden,da das Boot noch nicht in reisefertigem Zustand war. Einiges daranmute repariert werden. Vom Hotel zog der Che in das Landhaus um, ein Haus aus Holz und Mauerwerk. Er kam dort am 20. an und verlie es am 23. Dort legte erdas knstliche Gebi und den ganzen anderen Fummel ab. Das erste, was er ablegte, waren das Gebi und die knstlichen Linsen.

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    Dreke : Wir halten uns geheim in Daressalam auf. Als der Che eintrifft,bernimmt er sofort die Fhrung. Man wartet ab, bis die ersten Grup-pen eingetroffen sind. Zu Beginn wollte der Che mit einer groenGruppe in den Kongo, denn falls man uns entdeckte, wrden uns dieBelgier den Zugang ber den See versuchen abzuschneiden. Doch die Tage vergingen. Wir befrchteten einen Staatsstreich in Tansania. Mit zehn Mann knnen wir anfangen, wir drfen nicht zu lange war-ten, sagte der Che.Kumi: Der, der als Chef agierte, wurde sehr ungeduldig. Am zweiten Tag griff er zu einem Notizbuch und begann dort fr alle Nummernund Namen auf Kisuaheli einzutragen, der Reihe ihres Eintreffensnach: Also gut, Dreke ist jetzt Moja (die 1); Papi Martnez Tamayo ist Mbili (die 2), ich bin Tatu (die 3) und du Kumi (die 10).Dreke : Er holte sich ein Wrterbuch und beschlo, allen Namen auf Kisuaheli zu geben, spter fand er es dann einfacher, Nummern zu ver-teilen, von 1 bis 10 und darauf immer in Zehnerschritten. So kameneinfache Namen heraus. Er bersprang bestimmte Zahlen, die beson-ders kompliziert waren. Einen oder zwei Tage, bevor wir Daressalam verlieen, tauften wir einander.N a n e : Am Schlu waren wir ungefhr vierzehn. Der Chef holte eineKarte hervor, sprach ber die Krankheiten. Jeder, der wollte, konntenoch von der Mission zurcktreten, aber niemand tat es.Kumi: Der Che sprach zu uns: Guten Abend. Ihr wit, warum ihr hier hierhergekommen seid? Malsehen, du, Doktor, warum bist du hierhergekommen? Nun, ich habe eine vage Vorstellung, irgendeine militrische Aktivitt. Und wit ihr, wer ich bin?

    Und niemand sagte ein Wort. Einige von uns hatten es schon vermutet.Ich war mir sicher.N a n e : Und dann sagte er: Ich bin der Che. Ich war wahnsinnig be- wegt. Vor Freude. Ich glaubte es und glaubte es doch nicht.Kumi: Es entstand eine Stille. Und ihr wundert euch gar nicht?Ich hatte den Che noch nie aus der Nhe gesehen.Dreke : Der Che sagt: Mglicherweise werden wir, als erste, die in denKongo gehen, dort auf uns allein gestellt bleiben. Eine erste Auswahl wurde getroffen. Zwei Compaeros wurden fr den Nachrichtenver-kehr, einer fr die Artillerie ausgewhlt.

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    verweigern knnen. Mein Vorgehen war eine Art krperliche Erpres-sung. Dennoch gab es ein Problem, das ich nicht vorhergesehen hatte;Kabila war wie alle anderen Mitglieder der revolutionren Regierung inKairo, um ber die Einheit des Kampfes und das neue Programm derrevolutionren Organisation zu diskutieren. Seine Stellvertreter Masen-go und Mitoudidi waren bei ihm, hier war nur ein Delegierter namensChamaleso zurckgeblieben. () Auf eigene Verantwortung akzeptier-te Chamaleso die 30 Instrukteure, die wir beim ersten Mal vorgeschla-gen hatten, doch als wir ihm erklrten, da wir ber ungefhr 130 Mann verfgten, alles Schwarze, die bereit wren, den Kampf aufzunehmenakzeptierte er, wiederum auf eigene Verantwortung, auch diese. () EinDelegierter brach nach Kairo auf, um Kabila und seinen Compaerosmitzuteilen, da die Kubaner eingetroffen seien (ohne ihn freilich vonmeiner Anwesenheit zu unterrichten).R i va l t a : ber den Auenminister von Tansania brachten wir in Erfah-rung, da Kabila und die anderen in Kairo waren, auf einem Treffen derRevolutionre aus der kongolesischen Befreiungsbewegung, und da simindestens weitere zwei Wochen dort bleiben wrden. Der Che warbeunruhigt, weil er es eilig hatte; ich sah, wie er sich Sorgen machte, weil sich alles verzgerte und er sich nicht mit Kabila treffen konnte.C h e : Um ehrlich zu sein, waren mir diese Verzgerungen nicht beson-ders angenehm, denn ich hatte ein Interesse daran, im Kongo zu kmp-fen, und befrchtete, mein Angebot knnte allzu brske Reaktionenhervorrufen und einige der Kongolesen, oder gar die befreundete Re-gierung selbst, knnten mich darum bitten, vom Eintritt in den Kampf abzusehen.

    Afrikanische BilderKumi: Meine Vorstellung von Afrika ist die von der offensichtlichenRckstndigkeit des Kontinents, von kolonialen Regimes. Viele AffenDschungel. Herden von Zebras und Elefanten. Viele Kobras. Ich habenicht so viele Lwen gesehen, wie ich erwartet hatte.Genge : Urwchsigkeit, die Wildheit der Afrikaner, Blasrohre, diese un-heimlichen Dinge, die man bei Tarzan gelernt hat. Der Unterricht, den wir bekamen, machte uns klar, da dieser wilde Mythos nicht Afrika war. Tarzan war nur ein Belgier mehr.

    Die erste Gruppe reist nach KigomaSchlielich war das Boot fertig. Che gab die letzten Instruktionen. Vier der banischen Freiwilligen lie er in Daressalam zurck, um die weiteren Gru

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    Gesprche in DaressalamDreke : Man hatte Kontakt mit den Leuten von der kongolesischen Be- wegung aufgenommen, und wir unterhielten uns mit Chamaleso, sowieeinige Tage spter mit mehreren anderen. In einem Gesprch wurdeber die Mglichkeit einer Unterwanderung diskutiert. Der Che undich ergriffen das Wort. Wir hatten eine Absprache getroffen. Weil der Che als bersetzer auf-trat, fgte er einfach ein, was er wollte, und tat dabei so, als wrde ermich bersetzen. Da der bersetzer ein Weier war, machte einenziemlich komischen Eindruck. Mitten in der bersetzung sagte derChe pltzlich zu mir: Geh auf das und das ein Und ich fgte es inmeinen Teil ein, damit es nicht so auffiel, da er die bersetzungen ver-nderte. Mensch, du wrst ein guter Schauspieler, sagte er mir. Wir erklrten ihnen Fidels Vorstellung: auf ihr Gesuch hin schickten wir ihnen eine Gruppe Instrukteure fr Artillerie und Mrser, die ihnenunterstellt sein und unter den gleichen Bedingungen wie sie selbst leben wrden. Die Compaeros wrden gemeinsam mit ihnen an den Gefech-

    ten teilnehmen. Beim ersten Gesprch gefiel ihnen diese Vorstellungnicht besonders. Wir sagten ihnen, da die Ausbildung die Hauptsachesei. Die Fhrungsmitglieder, mit denen wir sprachen, wuten sehr we-nig darber Bescheid, was im Kongo vor sich ging. Auch Kabila, der beidiesem Geprch anwesend war, verbrachte viel Zeit auer Landes. Siesprachen davon, eine groe Armee aufzustellen, mehrere Fronten zuerffnen und zu einer groen Offensive berzugehen. Wir kamen mitder Vorstellung, unsere Brigade zusammenzuhalten. Sie klrten uns dar-ber auf, da sie auf mehrere Fronten verteilt kmpften: die wichtigste,Bakungo, die Front am See, war ihnen zufolge unter der Fhrung vonKabila, Masengo und Soumaliot. In Wahrheit waren sie alle auer Lan-

    des. Diese Gruppe hatte gewisse Diskrepanzen mit der Bewegung von Mulele. Und sie wuten nicht den genauen Ort zu sagen, an dem diesersich befand. Allerorten schien es Stammeskonflikte zu geben.C h e : Ich hatte keinen Kongolesen von meiner Entscheidung infor-miert, hier zu kmpfen, und vorlufig genausowenig von meiner Anwe-senheit. Im ersten Gesprch mit Kabila konnte ich es nicht tun, weilnoch nichts entschieden war, und nachdem mein Plan angenommen worden war, wre es gefhrlich gewesen, mein Projekt bekannt zu ma-chen, noch bevor ich am Ziel angekommen war. () Es war mir nicht verborgen geblieben, da mich eine ablehnende Antwort in eineschwierige Situation bringen wrde, weil ich schon nicht mehr zurck konnte, doch ich rechnete auch damit, da sie sich schwerlich wrden

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    Auf dem Lastwagen hatten wir die Ruckscke und die Waffen. Aus Da waren wir in olivgrnen Uniformen abgereist, die gelbe Uniform wrdeman uns im Kongo geben. Wir fuhren sehr frh morgens los, durch-querten Wsten, Dschungel, von Osten nach Westen ber Landstraenund Dorfpfade, durch winzige Siedlungen hindurch. Der Che fhrte dieblichen Gesprche. Er sagte zu mir: Meine Gte, Doktor, du hast Angst, du hast Angst.Ich schlief wie ein Verrckter, konnte mich nicht an die Zeitumstellunggewhnen. Che machte Bemerkungen ber die Armut, er sagte: Hiermu noch viel getan werden. Aber das war schwierig, hier gab es Frauen, wie ich sie bis dahin nur im Film gesehen hatte, aber nie aus derNhe. Wir kamen durch ein Dorf, in dem die Leute wie Tiere aussahen. Auf der Fahrt aen wir Konserven, aber wir hinterlieen keine SpurenDie leeren Dosen warfen wir auf den Lastwagen. Das war eine der Vor-sichtsmanahmen, die getroffen wurden. Das einzige, was wir nicht audem Lastwagen machten, war scheien.Dreke : Die Fotos machten der Che und Papi.Kumi: Ich machte ein Foto vom Lastwagen, es gibt andere, auf denen

    ich drauf bin, die hat Dreke gemacht. Man lebt mit dem Gefhl, Geschichte zu machen. Da dies der Anfang vonwas Groem sein knnte, das Ende von allem.R i va l t a : Der Che fuhr vorneweg. Ich fuhr hinterher als Rcken-deckung. Die Fahrt dauerte ungefhr zwei Stunden oder etwas lnger.Kumi: Sicherheitsmanahmen, die der Che getroffen hatte, bevor wirKigoma verlieen: die Waffe laden aber nicht entsichern, nicht spre-chen, nicht rauchen. Auerdem erklrte er uns, da es nicht unser Ziel war, auf den Feind zu treffen, sondern da wir uns einschleusen wolltenN a n e : Alle waren mit FALs ausgerstet Dreke : FAL-Gewehre und UZI-Maschinengewehre. Auerdem hatten wir Waffen fr die Compaeros dabei, die spter bersetzen wrden.Kumi: Bemerkungen vor der Abreise: Verhaltensregeln, Respekt ge-genber der physischen und moralischen Integritt der Einheimischen,bei Miachtung ein Kriegsgericht oder Ausschlu aus der Guerilla;Sinn fr die Gleichheit jedes einzelnen zu entwickeln und dafr, dakeine Situationen der Privilegierung untereinander entstanden, alles wrde zu gleichen Teilen aufgeteilt werden. Dort wrde niemand mehrhaben knnen als ein anderer, es sei denn aus besonders gerechtfertig-ten Grnden. Fr mich galt das erst recht: wenn ich Anerkennung ge- winnen wollte, das Vertrauen der Truppe, mute ich ein treuer Wchter

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    pen zu erwarten. Auerdem lie er ein Kisuaheli-Wrterbuch dort, damit die Neuankmmlinge weiterhin umbenannt werden konnten, und wies Padilla an,das Haus nicht zu verlassen und die Leute unverzglich nachzuschicken. Inne[Pichardo] wurde zum Chef der Gruppe ernannt, die dablieb, und um das Haus herum wurden Sicherheitsposten aufgestellt.C h e : Nun waren wir im Krieg. Die Tr war geffnet.R iva l t a : Die Reise machten wir in Wagen, die wir fr die Botschaft ge-

    kauft hatten: ein Landrover, drei Mercedes Benz, zwei schwarze und ein weier, zwei Jeeps. Das Boot wurde auf einem Lastwagen transportiert. Eine Gruppe von 14 Kmpfern mit Che an der Spitze verlt Daressalam,bestehend aus Vctor Dreke, dem Kapitn Martnez Tamayo, der in Mbili umbenannt worden war, dem Arzt Kumi, Nane; auerdem sind Chamaleso, zwei Fahrer und ein Delegierter aus Tansania dabei, um Probleme unterwegs zu vermeiden.C h e : Vom ersten Augenblick an kamen wir mit einer Wirklichkeit inBerhrung, die uns whrend des gesamten Kampfes verfolgte, der feh-lenden Organisation. Dies beunruhigte mich, weil unsere Bewegungen

    womglich bereits vom Imperialismus registriert worden waren, der al-le Fluggesellschaften und Flughfen der Region kontrollierte, ganz ab-gesehen davon, da in Daressalam der Kauf von Ruckscken, Anoraks, Messern, Wolldecken usw. in ungewhnlichen Mengen Aufsehen erregthaben mute. () Nicht nur die kongolesische Organisation warschlecht, die unsere auch. Im Rckblick erscheint die Organisation der Infrastruktur der Brigade gar nicht so schlecht, eher schon macht der Kommentar den Perfektionismus und die Detailbesessenheit Che Guevaras deutlich.Dreke : [23. April] Drei Wagen, ein abgedeckter Lkw. Der Che fhrt fr

    eine Weile Schotter, schlechte Straen, jede Menge Staub. Der Wegist lang, das Atmen fllt schwer. Wir achten darauf, da wir immer Was-ser dabei haben. Am Straenrand gab es Posten, wo Libanesen Sachen verkauften. Wir kauften ein Zelt. Als wir Dodoma erreichten, so etwaauf der Hlfte des Weges, kauften wir ein Baguette und muten es in 14 Teile schneiden. Beim Essen war Kumi einfach furchtbar. Den feinenNeger nannten wir ihn.Kumi: Ich fuhr im Mercedes Benz mit dem Che, von Daressalam bis Ki-goma. Vernier war einer von denen, die das Steuer bernahmen, der an-dere war Tremendo Punto (Antoine Godefroi Chamaleso), unser Kon-takt zur kongolesischen Befreiungsbewegung; auerdem fuhr Bolvarmit, der Knig der Schillinge.

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    vor allem dem sicheren Unterschlupf, den es bot, sollte von der revolu-tionren Fhrung stets unterschtzt werden.Dreke : Kleinere Schwierigkeiten mit dem Boot; die Nachricht trifftein, da das Boot nicht funktioniert. Che wird ungehalten: Wir ms-sen los, wir werden fahren, womit auch immer.Kumi: Ein Mercedes Benz und ein Zil-Lastwagen bringen uns zum See-ufer. Ein zweiter Wagen bildet die Nachhut. Der Lastwagen war schon

    bei mehreren Gelegenheiten liegengeblieben. Vernier, Oliva und nochein dritter fuhren ihn. Wir wechselten uns ab, alle paar Kilometer wech-selte einer vom Lastwagen auf den Benz. Ich fuhr im Benz mit, die rztlichen Privilegien genieend. Wir reisten sehr ungemtlich.N a n e : Ein Motorboot erwartete uns. Es war ein mittelgroer Kutter.Dreke : Die Reise sollte von Kigoma in Tansania nach Kabimba imKongo gehen, ber den Tanganyika-See. Tshombs Militrpatrouillenfuhren ununterbrochen ber den See. Die berfahrt sollte zwischensechs und sieben Stunden dauern, immer die Ufer entlang, den belgi-schen Sldnern ausweichend. Es war ein ziemlich kleines Boot, es hattPlatz fr sechzehn oder siebzehn Personen. Man hatte den Eindruck,da das Ding verteufelt bald auf Grund gehen wrde. Es war keine zehn Meter lang. Am 23. April gegen neun oder zehn Uhr abends brachen wir auf. Auf dem See lie es sich schlecht navigieren, Dunkelheit undhoher Wellengang. Das war ein Vorteil, denn mglicherweise wrden Tshombs Truppen nicht patrouillieren. Es regnete. Der Che verteiltedie Leute: Zwei nach da, drei nach da. Als wir an Bord des Bootesgingen, entfernte er die Prothese und gewann sein normales Aussehenzurck. In diesem Moment war der Che schon wieder der Che.Kumi: Wir fuhren auf den See hinaus, der fr einen solchen Kahn mit Auenbordmotor wie ein Meer war. Ungeheurer Wellengang. Die

    berfahrt war nicht leicht. Tshombs Boote kreuzten umher, und unserLotse verlor die Orientierung.Dreke : Der Motor ging kaputt und sprang nicht mehr an. Dreimalheulte er auf, dann lief nicht mehr.Kumi: Ein Motor fiel aus, und fr eine Weile trieb das Boot ab, um einHaar wren wir mit Tshombs Booten zusammengestoen, ein anderer Motor wurde angebracht, es war wie Science Fiction, der Che begannsich Sorgen zu machen. Er war praktisch derjenige, der das Boot wiedein Marsch setzte.Dreke : Der Che erinnert uns an die Bedingungen: fnf Jahre als Frei- willige, mglicherweise wrden wir auf uns selbst gestellt bleiben, we

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    dieses Prinzips werden: Bescheidenheit; die Anzeichen von Arroganzoder berheblichkeit niederkmpfen. Und noch etwas, das er sagte:Derjenige, der einer Afrikanerin zu nahe tritt, mu natrlich fr siesorgen und wird aus der Guerilla ausgeschlossen. Er fragte, wer in derPartei aktiv war. Ich sagte, ich sei es nicht. In einer Versammlung derKerngruppe sagte er, da er Neuzugnge im Verlauf der Operation er- warte.Dreke : Mit uns kamen ein Fahrer und ein Afrikaner und zur Sicherheitein weiterer Fahrer von uns, der die Strecke schon gefahren war. Wirkamen nachts in Kigoma an. Gegen acht. Wir wurden sofort zu einemgroen Haus auerhalb des Ortes gebracht. Dort erwarteten uns einigeCompaeros. In einer groen Htte aen wir zu abend. Dort bekamen wir auch die Uniformen.R iva l t a : In Kigoma erwartete sie der Gesandte. Man brachte sie in ei-ner Art kleinem Hotel unter. Chamaleso war mit ihnen gekommen. Ichhatte Anweisung zu berwachen, wie die Operationen abliefen, aber wie jemand von auerhalb. Selbst den Abmarsch von dem kleinen Hof sahich nur von weitem. Schon in Kigoma dachte ich an die vielen Unbe-

    kannten: die Unkenntnis des Terrains zum Beispiel, einige Fragen zuden Fhrern der Befreiungsbewegungen selbst, die ich kannte. MeineEinschtzungen waren sehr schlecht. Diese Leute tranken, trieben sichmit Frauen herum. Und immerzu auerhalb vom Kongo selbst, entwe-der in Kigoma oder in Daressalam. Es waren Lebemnner, nicht Leute,die sich wirklich entschieden hatten, fr die Befreiung zu kmpfen. Dietansanische Regierung zeigte mir die Ausgabenliste dieser Leute, derganzen Befreiungsbewegung. Die Summen waren hoch, fr Getrnke,fr Bordelle. Kabila machte, durch die Art, wie er redete, den Eindruck,als sei er ein groer Fhrer. Er war ein sehr beredter Mensch. Souma-liot dagegen kam mir persnlich ein wenig verlogen vor. Trotzdem

    schien Kabila intern wenig Rckhalt zu haben. Nur die Leute, die inDaressalam saen, respektierten ihn.

    Die Fahrt ber den See Am 23. April ist die Gruppe in dem kleinen tansanischen Ort Kigoma und wartet auf die berfahrt.C h e : Wir stellten fest, da[die kongolesischen Befehlshaber] Passierscheineausstellten, um von der Front hierher kommen zu drfen. Dieses Dorf war ein Ruheplatz, und wer es erreichte, gehrte zu den Glcklichen,die fern von den Unwgbarkeiten des Kampfes leben konnten. Der un-heilvolle Einflu Kigomas mit seinen Bordellen, seinen Schnpsen und

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    4544

    Stanleyv

    K o n g o

    Kindu

    KONGO-LEOPOLDVILLE

    Kasongo

    Kongolo

    Kamin

    Kananga

    Kolwezi

    KiwitLeopoldville(Kinshasa)

    Matadi

    Brazzaville

    MbandakaKONGO

    BRAZZAVILLEGABUN

    ANGOLA

    T s h u a p a

    S a n k u r u

    AtlantischerOzean

    Luanda

    S a n g h a

    U b a n

    g i

    Boma

    Cabinda

    1960

    19601960

    ab 1971 ZAIRE

    ab 1969 VR KONGO

    1975

    Provinz Katanga

    seb

    U g a l l a

    TaboraKigoma

    Nairobi

    ville (Kisangani)

    Bukavu

    Bujumbura

    Kigali

    Mwanza Moshi

    Daressalam

    Tanga

    Victoriasee

    Morogoro

    Iringa

    Songea

    Albertville(Kalemie)

    BURUNDI

    RUANDA

    TANSANIA

    KENIA

    MOAMBIQUE

    SAMBIA

    M A L A W I

    T a n

    g an y i k

    a

    S e

    e

    N y a s a S

    e e

    Edward See

    UGANDA

    Entebbe

    Zanzibar

    PembaZanzibar

    Mafia

    Mombasa

    lo

    L u a l a b a

    Likasi

    IndischerOzean

    Lumbumbashi

    M e r u S e e

    1962

    1963

    1962

    1961

    1964

    1975

    ga

    quator

    Fizi

    Uvira

    Zentralafrika und das Operationsgebiet von 1965

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    Gerusch eines Auenbordmotors, unsere eigenen hatten wenig PS,diejenigen mit 80 oder 90 waren von der Armee. Aufgrund des Moto-rengerusches schlossen wir, da das Boot hierher kommt. Es wird Alarm gegeben, man glaubt, es sind Sldner, die auf uns zukommenDer Chef sagt, wir sollen die Mrser und Kleinkaliber vorbereiten, chi-nesische und sowjetische. Es war im Morgengrauen, so gegen vier Uhrmorgens. Die sicherste Art, sie zu berwltigen, war, die Landung abzu warten. So gegen fnf legen sie an und beginnen von Bord zu gehen. Es war ein Kahn mit 120-PS-Motoren. Sie sagen, sie seien Kubaner, diegekommen seien, um zusammen mit uns zu kmpfen.Dreke : Um ein Haar wre das Boot gestrandet. Es gab keinerlei Anle-ger am Ufer von Kibamba, doch wir muten an Land gehen. Ich sprangals erster, dann Julin, Chibs. Wir lieen nicht zu, da der Che als er-ster von Bord ging. Wir sprangen ins Wasser und schwammen einige Meter, bis wir festen Grund erreichten. Es nieselte. Alles nach der De- vise, mal sehen, was passiert. Unsicherheit und Gespanntheit. Leute, dieuns nicht kennen, eine Sprache, mit der niemand umgehen kann. Angst vor einem versehentlichen Schuwechsel. Einer von ihnen ruft endlich von der Kste herber. Chamaleso sagt: Das Lager ist dort oben.Tim-bea mindi mindi (es ist weit).Papi bleibt mit dem Che zurck. Ich gehe voraus und versuche, einStck den Hgel hinaufzusteigen. Sie fangen an zu rufen, und irgendje-mand antwortet, auf einmal kommen die Leute aus dem Dickicht her- vor. Wir erreichen eine Htte, die fast in sich zusammenfllt, und set-zen uns.C h e : berraschte Soldaten mit guter Infanterieausrstung, die sehr weihevoll eine kleine Ehrenwache fr uns abhielten.Kumi: Ein Haufen gelbgekleideter Kongolesen erwartete uns. Die Chi-nesen hatten ihnen Uniformen gegeben, die so hnlich wie ihre eigenenaussahen. Die kongolesischen Guerilleros der Arme Populaire deLibration empfingen uns mit Schlachtrufen und Gesngen. Das einzi-ge Mal, da wir sie martialisch erlebt haben. Einer ihrer Anfhrer emp-fngt uns, er spricht franzsisch.I l anga : Kibamba liegt auf dem Hang eines Hgels, der nach fnfhun-dert Metern Sand im Wasser endet. Das erste Lager liegt auf einer Klip-pe nach weiteren fnfhundert Metern, ber dem Kibamba-Flu.Dreke : Dichter Dschungel, auch tagsber wutest du nicht, wo du hin-gehen mutest. Wir befrchteten Schlangen. Wir stellten Posten auf. An drei Punkten, Kubaner und Kongolesen. Die gute Bewaffnung der

    Kongolesen berraschte uns. Es wurde Zeit zum Frhstcken. Sehr

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    die anderen nicht herberkommen knnten. Auf gehts. Wir ber-queren den See in Gefechtsbereitschaft, bereit zu kmpfen. Aber wirmssen eine Begegnung vermeiden, wenn wir mitten auf dem See auf-einanderstoen, werden wir nicht ankommen, sagte er.Kumi: Bengalisches Feuer am Himmel, sie schienen uns anzeigen zu wollen, da es nichts mit uns zu tun hatte, blo ein Manver war. Wennsie uns htten verfolgen wollen, htten sie uns eingeholt, denn sie hat-ten Schnellboote. Auf der Fahrt fragte mich der Che, ob ich schwim-men knnte, und als ich nein sagte, antwortete er im Scherz: Ver-dammt, schau nur, auf welche Weise du sterben wirst.Dreke : Ein Sturm kam auf. Das Boot bewegte sich wie eine Nuschaleinmitten einer frchterlichen Dunkelheit, man konnte nichts sehen,und wir durften kein Licht machen.Kumi: Das Boot zog Wasser, wir wurden na, schpften das Wasser mitEimern ab, hin und her geworfen vom Wellengang, das Wasser strmteherein, und wir verloren die Orientierung.N a n e : Wellen auf dem See. Fr mich war es ein Meer, das wir da ber-querten.Dreke : Ein Moment kam, da glaubten wir, da wir verloren wren.Nein, nein. Chamaleso erklrte dem Che die Haken, die wir steuer-ten. Sie wuten, wohin wir fuhren. Am Ende kreuzten wir die Ksteentlang, um ans Ziel zu kommen. Das Boot hatte nur einen Zeltaufbau. Wenn die Wellen berschlugen, wurden wir alle na. Mit Eimernschpften wir ab. Der Che wiederholte uns, da wir bald an Land gehen wrden.Kumi: Wir sahen Lichter in den Bergen und verstanden, da dies dasSignal war, da wir uns der Kste nhern sollten. Das Zeichen derer, dieuns erwarteten.

    Landung in KibambaDreke : Zwischen fnf und sechs Uhr morgens erreichten wir bei Kib-amba die kongolesische Kste. Die Sicht war nicht besonders gut. Wir waren sehr nervs. Im Laufe der Tage in Tansania war von Fllen von Verrat und solchen Dingen die Rede gewesen. Als wir ankamen, wardort, wo wir die Anlegestelle vermuteten, niemand, um uns zu erwarten.Oben sahen wir einen hohen Bergrcken und es war sehr dunkel, nurirgendwo in der Ferne ein Lichtlein.I l anga : ber den See transportierten wir die Kranken und Gefange-

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