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Berlin, 4. April 2017 Clean Energy for all Europeans Stellungnahme zu den Vorschlägen der Europäischen Kommission vom 30. November 2016

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Berlin, 4. April 2017

Clean Energy for all Europeans

Stellungnahme zu den Vorschlägen der Europäischen

Kommission vom 30. November 2016

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50HERTZ-STELLUNGNAHME CLEAN ENERGY PAKET

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Inhalt

1 Zusammenfassung 3

2 Marktdesign darf nicht zu starre Vorgaben machen 4

3 Resilienz des europäischen Stromverbunds erhalten 5

1. Die derzeitige dezentrale Sicherheitsphilosophie: RSC unterstützen

eigenständige ÜNB 5

2. ROC stellen keine Weiterentwicklung, sondern einen

Paradigmenwechsel dar 6

3. Umsetzung der Energiewende gefährdet 8

4. Einheit von Netzeigentum und Systemführung als Garant für

Versorgungssicherheit 9

4 Kapazitätsberechnung von Interkonnektoren muss

Wohlfahrtsmaximierung unter Beachtung der Versorgungssicherheit

folgen 10

5 Deutsche Netzreserve ist kein Kapazitätsmechanismus 11

6 Wettbewerblicher Redispatch erhöht Kosten für Verbraucher 13

7 Interkonnektor-Erlöse netzentgeltmindernd einsetzen können 14

8 Übertragung von zentralen nationalen Verantwortlichkeiten zu

hinterfragen 15

9 Konsistente Ziele für EE-Ausbau schaffen Planungssicherheit 17

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50HERTZ-STELLUNGNAHME CLEAN ENERGY PAKET

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Zusammenfassung

Die Energiewende schreitet in der 50Hertz-Regelzone schnell voran. Seit 2008 hat

sich der Anteil der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch in dieser Region

verdoppelt. Er betrug 2016 bereits fast 50 Prozent. Gleichzeitig liegt die

Versorgungssicherheit auf einem konstant hohen Niveau und die geringe

Störungsquote liegt deutlich unter dem internationalen Durchschnitt. Diese

Erfolgsgeschichte zeigt, dass die sichere Integration der Erneuerbaren Energien in

Netz und Markt gelingen kann.

Eine der Voraussetzungen für die sichere und preisgünstige Integration der

Erneuerbaren Energien ist insbesondere die Vollendung des europäischen

Binnenmarkts für Strom. Denn aufgrund des vermaschten Netzes sind europaweit

gemeinsame Regeln wesentlich, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Durch den überregionalen Stromhandel können zudem wirtschaftliche Synergien

vergrößert werden.

Daher begrüßt 50Hertz das Bestreben der Europäischen Kommission, den

Binnenmarkt mit dem Clean Energy for all Europeans Package weiter zu stärken. Der

Großteil der vorgeschlagenen Maßnahmen stellt hierfür eine gute Grundlage dar. Zu

den besonders begrüßenswerten Maßnahmen gehören die folgenden:

‒ Beseitigung von Hemmnissen zur freien Preisbildung an den Strommärkten

‒ Stärkung der Bilanzkreisverantwortung

‒ Ermöglichung konsistenter Handelsprodukte an den Strommärkten (u.a. Vorgabe

einer einheitlichen Abrechnungsperiode von 15 min für Bilanzausgleichsenergie).

‒ Wettbewerbliche Ermittlung der Förderung Erneuerbarer Energien

Einzelne der im Paket enthaltenen Vorschläge sind jedoch aus Sicht von 50Hertz

nicht erforderlich, um den Binnenmarkt weiterzuentwickeln. So sollen neue Lösungen

für Probleme eingeführt werden, die bereits durch die Implementierung des 3.

Binnenmarktpaketes behoben werden. Anstelle der konsequenten Umsetzung dieser

bereits begonnenen Maßnahmen werden nun neue Maßnahmen vorgeschlagen, die

teilweise erhebliche Nachteile mit sich bringen. Insbesondere gilt dies für die

folgenden Themen:

‒ Die Zentralisierung der Systemführung durch Einrichtung sogenannter Regional

Operational Center (ROC) schafft Risiken für die Systemsicherheit und für die

Umsetzung der Energiewende.

‒ Die Einstufung der deutschen Netzreserve als Kapazitätsmechanismus führt zu

Mehrkosten für die Verbraucher und wahrscheinlich Teilung von Preiszonen.

‒ Die wettbewerbliche Beschaffung von Redispatch ist aufgrund von Marktmacht

und Rückwirkungen auf die Spotmärkte (Anreize zu missbräuchlichem

Bieterverhalten) höchst problematisch. Wie auch die Vorgaben zur Berechnung

grenzüberschreitender Kapazitäten erhöhen sie ohne Not die Kosten für

Engpassmanagement und belasten damit unnötig die Stromverbraucher.

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50HERTZ-STELLUNGNAHME CLEAN ENERGY PAKET

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Marktdesign darf nicht zu starre

Vorgaben machen

u.a. Art. 7 EU-Stromhandelszugangsverordnungsentwurf

Wie beschrieben begrüßt 50Hertz den Großteil der im Clean Energy for all Europeans

Package vorgeschlagenen Maßnahmen zur Stärkung der Strommärkte.

Die Integration von Millionen dezentraler Anlagen für Stromerzeugung und

-verbrauch kann am effizientesten und sichersten über gut funktionierende

Stromhandelsmärkte erfolgen. Durch eine freie Preisbildung können Angebot und

Nachfrage optimal koordiniert werden. Es entstehen die richtigen Anreize zur

Flexibilisierung. Daher ist es überaus sinnvoll, dass Hemmnisse zur freien

Preisbildung an den Strommärkten beseitigt, die Bilanzkreisverantwortung gestärkt

und konsistente Handelsprodukte an den Strommärkten geschaffen werden. Die

verpflichtende Vorgabe zum Handel mit 15-Minuten-Produkten ist wichtig, um

systematische Abweichungen bei den Stundenübergangen zu vermeiden. Eine

viertelstündliche Vermarktung, wie am Intraday-Markt in Deutschland bereits

eingeführt, kann effizient Abhilfe verschaffen und ist zwingend erforderlich, um die

sichere Integration von volatilen EE-Anlagen in das Stromnetz zu ermöglichen. Dies

zeigen die Erfahrungen von 50Hertz.

Jedoch sollten diese Vorgaben immer als Mindeststandards formuliert werden, um zu

vermeiden, dass Regionen, die über diese hinausgehen und ggf. zu einem späteren

Zeitpunkt auch noch kleinere Handelsprodukte einführen wollen, nicht daran gehindert

werden.

Generell wird das Marktdesign mit einem stetig wachsenden Anteil Erneuerbarer

Energien einem permanenten Wandel unterliegen müssen. Diese Flexibilität muss

gewahrt bleiben. Auch hat sich bewährt, verschiedene spezifische Ansätze in

verschiedenen Regionen zu wählen und damit in einer Art „Wettbewerb der Ideen“

voneinander zu lernen. Auch diese Flexibilität muss erhalten werden.

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50HERTZ-STELLUNGNAHME CLEAN ENERGY PAKET

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Resilienz des europäischen

Stromverbunds erhalten

Art. 32 bis 44 EU-Stromhandelszugangsverordnungsentwurf

50Hertz lehnt den Vorschlag der Schaffung von Regional Operational Center (ROC)

ab. Das heute bestehende, resiliente dezentrale System würde dadurch gefährdet.

Die überregionale Kooperation zwischen den europäischen

Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) ist schon jetzt weit fortgeschritten und weitreichend

gesetzlich geregelt.

1. Die derzeitige dezentrale Sicherheitsphilosophie: RSC unterstützen eigenständige ÜNB

Die Versorgungsqualität in Europa ist, verglichen mit anderen Regionen, weltweit auf

einem sehr hohen Niveau. Die europäischen ÜNB konnten in den vergangenen

Jahrzehnten hierbei große Erfolge erzielen – und das obwohl der schnelle Ausbau der

Erneuerbaren Energien, die Liberalisierung und die Kopplung der europäischen

Strommärkte sowie Engpässe bei der Stromerzeugung dabei erhebliche

Herausforderungen dargestellt haben.

Ganz wesentlich zur Sicherheit der Stromversorgung trägt die gut funktionierende

überregionale Zusammenarbeit der ÜNB bei. Aus eigener Initiative heraus haben

die Netzbetreiber 2008 CORESO SA und TSCNET Services GmbH als regionale

Sicherheitskoordinatoren (Regional Security Coordinators, kurz: RSC) gegründet.

Sie unterstützen tagtäglich die Arbeit der für die Systemsicherheit verantwortlichen

nationalen ÜNB u. a. mit grenzüberschreitenden Lastflussberechnungen und

Sicherheitsanalysen.

Dahinter steht die Vision einer dezentralen und resilienten europäischen

Stromversorgung, die langfristig das hohe Versorgungsniveau sichert und damit

wesentlich zum Wohlstand in Europa beiträgt. Die europäischen ÜNB sind

eigenständige, robuste Sicherheitszellen, die ihr jeweiliges Netz in enger

Kooperation mit ihren Nachbar-ÜNB, jedoch mit eigenen Systemen autark betreiben.

Die RSC als Dienstleister der ÜNB stellen sicher, dass die einzelnen Leitwarten ihre

Entscheidung auf Basis gemeinsamer Datengrundlagen und einheitlicher Analysen für

grenzüberschreitende Aspekte treffen. Mit dieser Sicherheitsphilosophie wird

gewährleistet, dass Fehler in oder Angriffe auf einzelne Sicherheitszellen nicht

unmittelbar auf andere übergreifen und großflächige Stromausfälle entstehen, die nur

schwierig und über einen langen Zeitraum wieder behoben werden können1.

Der dezentrale Ansatz garantiert eine dauerhaft sichere Gestaltung der

Energiewende. Die Kooperation zwischen den zentraleuropäischen ÜNB und den

1 Bei einem großflächigen Blackout im Übertragungsnetz kann der sogenannte Netz- und

Versorgungswiederaufbau mehrere Wochen dauern.

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50HERTZ-STELLUNGNAHME CLEAN ENERGY PAKET

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beiden RSC sind eine Erfolgsgeschichte der europäischen Integration, die es

nunmehr durch die Schaffung weiterer RSCs auf ganz Europa auszurollen gilt.

Die europäischen ÜNB haben diese Sicherheitsphilosophie konstant weiterentwickelt.

So haben sich alle ÜNB im Rahmen eines multilateralen Vertrags innerhalb von

ENTSO-E verpflichtet, fünf der für die Stärkung der Zusammenarbeit wesentlichen

Services von mindestens einem RSC zu beziehen. Bis Ende 2017 treten zudem

voraussichtlich die System Operation Guideline (SO GL) sowie der Network Codes on

Emergency and Restoration (NC ER) in Kraft. Damit wird die Zusammenarbeit der

ÜNB in den RSC gesetzlich verpflichtend. Die neuen rechtlichen Vorgaben sehen

u.a. vor, dass die ÜNB verbindlich einen weiteren, sechsten Service von den RSC

beziehen. Auch müssen die ÜNB nach den neuen Regelungen sicherstellen, dass die

Services der verschiedenen RSC untereinander kompatibel sind, und dass jährlich

eine öffentliche Berichterstattung über die Arbeit der RSC durch ENTSO-E erfolgt.

Über diese gesetzlichen Verpflichtungen besteht aus Sicht von 50Hertz kein weiterer

Regelungsbedarf.

2. ROC stellen keine Weiterentwicklung, sondern einen Paradigmenwechsel dar

Noch bevor diese rechtlichen Grundlagen greifen und Erfahrungen aus den bisherigen

Schritten gezogen werden können, schlägt die Europäischen Kommission nun die

Gründung von sogenannte Regional Operational Centers (ROC) vor. Dahinter

verbirgt sich ein vollständiger Paradigmenwechsel hin zu einer zentralisierten

europäischen Systemführung:

‒ Die ROC sollen den ÜNB bindende Vorgaben machen, die Auswirkungen auf die

operative Systemführung haben.

‒ Die geografische Region, für die ein ROC zuständig ist, soll deutlich vergrößert

werden2 und z.T. sehr große supranationale Gebiete umfassen.

‒ Die Zahl der Aufgaben, die von den ROC erbracht werden sollen, soll auf 17

ausgeweitet werden.

‒ Die Europäische Kommission erhält zudem das Recht, per delegiertem Rechtsakt

weitere Aufgaben an die ROC zu übertragen.

‒ Die nationalen Regulierungsbehörden sollen im Management Board der ROC

vertreten sein.

Damit greift die Europäische Kommission tief in die nationalen Verantwortlichkeiten

und die Kernkompetenzen der ÜNB ein und verlagert Entscheidungen über

System- und Versorgungssicherheit von nationaler auf die EU-Ebene und verletzt

das Prinzip der Verantwortungsteilung zwischen aufsichtsführender Behörde und

verantwortlichen Unternehmen. Das wiederum hat unklare Verantwortlichkeiten zur

Folge und behindert die Weiterentwicklung des Binnenmarkts, die Netzintegration der

Erneuerbaren Energien und damit auch die Fortführung bzw. Vollendung der

2 Je Kapazitätsberechnungsregion (CCR), soll ein ROC gegründet werden. Diese

geographischen Regionen wurden im November 2016 durch ACER verbindlich festgelegt und dienen vorrangig dem Zweck der gemeinsamen Kapazitätsberechnung und -allokation. Deutschland ist u.a. Mitglied in der sogenannten CORE CCR, zu der die 12 zentraleuropäischen Länder gehören und die damit die überwiegende Fläche der EU-28 abdeckt.

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50HERTZ-STELLUNGNAHME CLEAN ENERGY PAKET

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Energiewende. Volkswirtschaftliche Mehrkosten werden generiert und der hohe

Standard der Systemsicherheit gefährdet.

Die bislang allein bei den ÜNB liegende Verantwortung für den operativen Netzbetrieb

wird getrennt. Die ROC sollen bis kurz vor real-time bindende Entscheidungen treffen.

Die ÜNB haben diese dann lediglich zu verwalten. Das Ergebnis wäre also nicht etwa

mehr Systemsicherheit, sondern eine Verwässerung der bisher klaren

Verantwortlichkeiten. Die Resilienz des Gesamtsystems wird dadurch empfindlich

gestört:

‒ Anfälligkeit: Jeder Vorfall hätte unmittelbare Auswirkungen auf mehrere nationale

Netze. Mit Cyber-Attacken können riesige Versorgungsgebiete gefährdet werden.

‒ Verantwortlichkeit: Die Entscheidungen der ROC wären bindend. Gleichzeitig

müssten die ÜNB ihrer Verantwortung für die nationale Versorgungssicherheit

gerecht werden – und die Entscheidung stets hinterfragen können. Die hierzu

getroffene Einschränkung im Gesetzesentwurf liefe allerdings ins Leere, da für die

Validierung der ROC-Entscheidung zum einen zu wenig Zeit bleibt und zum

anderen die Informations- und Datengrundlage nicht ausreichend ist. In der Praxis

würden den ÜNB auch die notwendigen Fähigkeiten verloren gehen, wenn die

Entscheidungsprozesse nicht mehr bei ihnen, sondern einer übergeordneten

Instanz laufen. Die Folge: ÜNB könnten die Entscheidung der ROC nicht

verlässlich prüfen und damit ihrer nationalen Verantwortung nicht mehr gerecht.

Dies gilt umso mehr, da die Systemführungsprozesse auf der Zeitachse nicht

zerlegbar ist: bei falschen Vorentscheidungen im Prozess (wie z.B. zu geringe

Aktivierung von Redispatch) ist die Verantwortungsübernahme für die

Systemsicherheit im real-time-Betrieb nicht mehr möglich. Eine solche Teilung der

Verantwortlichkeiten ist unverantwortlich.

‒ Entscheidungsvakuum: Durch die fehlende alleinige Letztverantwortung eines

Akteurs kann es in einer systemkritischen Situation dazu kommen, dass sich

beide Akteure möglicherweise auf den jeweils anderen verlassen und somit keine

oder eine falsche Entscheidung getroffen wird.

‒ Politische Verantwortung: Im Falle von Versorgungsunterbrechungen und

ähnlichen Ereignissen ist nicht davon auszugehen, dass die politische

Verantwortung durch Europäische Institutionen getragen wird oder getragen

werden kann. Solche Fälle würden automatisch zu einem ungesunden

Auseinanderfallen von Verantwortlichkeiten führen.

‒ Abstimmungsbedarf: Die geplante Trennung und damit Dopplung von

Verantwortlichkeiten würde erhöhten Abstimmungsbedarf nach sich ziehen und

damit die Komplexität der Systemführung weiter deutlich erhöhen. Die

Kommunikation zwischen ÜNB und Verteilnetzbetreibern (VNB) ist bereits heute

durch die in den Verteilnetzen installierten, volatil einspeisenden erneuerbaren

Energiequellen komplexer als je zuvor. Eine zusätzliche Abstimmungs- und

Entscheidungsebene würde diese Komplexität und damit die Risiken für die

Systemsicherheit stark erhöhen. Hier wird mit Zentralisierung auf die zunehmende

Bedeutung dezentraler Anlagen geantwortet.

‒ Verlust der politischen Unabhängigkeit: Da die Vorgaben für die Durchführung

der Services durch den ROC nicht nur von den ÜNB, sondern auch von

nationalen Regulierungsbehörden und ACER getroffen werden sollen, ist die

Konsequenz, dass nicht mehr die Systemsicherheit an oberster Stelle der

Entscheidungsgründe steht. Nationale Interessen zur Sicherung eines bestimmten

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50HERTZ-STELLUNGNAHME CLEAN ENERGY PAKET

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Erzeugungsmixes dürfen jedoch die Sicherheit des Systembetriebs nicht

beeinflussen.

‒ Kompetenzverlust bei ÜNB: Bei einer Übertragung der Kompetenz auf eine

neue zentrale Organisation würde das gesammelte lokale Wissen und die

wertvolle Erfahrung verloren gehen, die in den einzelnen Unternehmen beim

Betrieb ihrer Netze über Jahre gesammelt wurden. Für den Systembetrieb sind

der Zustand einzelner Anlagen und auch etwaige Besonderheiten konkreter

Betriebsmittel wichtig. Nur mit diesen lokalen Kenntnissen sind effiziente

Auslastung der Betriebsmittel bei Gewährleistung eines sicheren Systembetriebs

und ggf. auch die Identifikation und Nutzung von Übertragungsreserven möglich.

Ein weiteres Beispiel für die Gefahr der Teilung von Kompetenzen ist die geplante

Bestimmung und Dimensionierung der vorzuhaltenden Regelleistung durch das

ROC. Der ÜNB hat damit unter Umständen gemäß seiner eigenen

Bedarfseinschätzung nicht mehr ausreichend Kraftwerksleistung, um Störungen

im System auszugleichen. Wie oben ausgeführt kann in solchen Fällen der ÜNB

die Systemverantwortung faktisch nicht mehr übernehmen, ihm wird aber über die

Zeit auch die Beurteilungskompetenz für die Regelleistungsdimensionierung ein

Stück weit verloren gehen.

3. Umsetzung der Energiewende gefährdet

Die Schaffung von ROCs hätte zudem massive Folgen für die Umsetzung der

Energiewende. Bisher können die ÜNB in ausreichendem Maße auf spezifische lokale

Bedürfnisse reagieren. Gerade in einem immer dezentraler werdenden

Energiesystem, bei dem der überwiegende Teil der Stromerzeugung in den

Verteilnetzen installiert ist3, kommt der individuellen Zusammenarbeit zwischen ÜNB

und den VNB eine große Bedeutung zu. Die Kooperation von 50Hertz mit den VNB

seiner Regelzone zur Weiterentwicklung der Systemdienstleistungen für die

Integration der Erneuerbaren Energien4 zeigt, dass in manchen Regionen aufgrund

der sich verändernden Stromerzeugungsstruktur frühzeitig Bedarf für technische

Innovationen besteht. So wurden in der 50Hertz-Regelzone in den vergangenen

Jahren innovative Lösungen zur Netzintegration der Erneuerbaren Energien

entwickelt. Beispielsweise nehmen derzeit Windenergie- und Batterieanlagen

probeweise am Regelleistungsmarkt teil. Zudem wurde mit den Verteilnetzbetreibern

vereinbart, dass diese stärker als bisher aktiven Spannungsausgleich mit den an ihre

Netze angeschlossenen Erzeugungsanlagen betreiben. Weitere Beispiele für solche

Innovationen sind die Optimierung der Redispatch-Tools der deutschen ÜNB und die

Einführung des Netzregelverbunds zur Optimierung von Regelenergieeinsatz und -

beschaffung.

All diese Maßnahmen tragen dazu bei, den Must-Run-Bedarf bei konventionellen

Kraftwerken zu senken. Müssten derartige Entscheidungen jedoch zukünftig mit

einem ROC abgestimmt werden, könnten schnelle Lösungen zur Integration der

Erneuerbaren stark verzögert oder letztlich sogar verhindert werden. Im Ergebnis

müssten die Netzbetreiber weiterhin konventionelle Kraftwerke aus

Systemsicherheitsgründen am Netz halten. Vorreiterregionen im Bereich der

Erneuerbaren Energien würden schließlich ausgebremst.

3 Mehr als 95 % der EE-Anlagen sind mittlerweile in den Verteilnetzen angeschlossen.

4 Vgl. 10-Punkte-Programm der 110-kV-Verteilnetzbetreiber und 50Hertz

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50HERTZ-STELLUNGNAHME CLEAN ENERGY PAKET

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Eigenständige Entscheidungen und flexible Ansätze zur Lösung regionaler

Herausforderungen sind damit eine Grundvoraussetzung für die europäische

Energiewende. Das Subsidiaritätsprinzip, hohe Flexibilität und der Wettbewerb

der Ideen sind wichtige Erfolgsfaktoren für die Entwicklung dringend notwendiger

innovativer Lösungen.

4. Einheit von Netzeigentum und Systemführung als Garant für Versorgungssicherheit

Die Einführung der ROC ist von Seiten der Europäischen Kommission ein erster

Schritt, um langfristig die Systemführung zu zentralisieren (Art. 40 EU-

Binnenmarktrichtlinie). Das zeigen Studien5 im Auftrag der Europäischen Kommission.

Beabsichtigt ist mittelfristig die organisatorische Trennung des Netzbetriebs vom

Eigentum an der Netzinfrastruktur (sogenanntes Independent System Operator

Modell, ISO). Gerade die Kombination aus Betrieb und Eigentum in Verbindung mit

einer dezentralen, gut koordinierten Systemführung ist jedoch die Basis für die sehr

hohe Versorgungssicherheit in Europa. Weltweit haben Regionen, bei denen

Netzeigentum und Systemführung getrennt sind, Probleme mit einer zuverlässigen

Stromversorgung.

Durch die Trennung von Netzbetrieb und Netzeigentum entstünde ein sogenannter

Mietwagen-Effekt: Der Fahrer (Systemführer) nimmt keine Rücksicht auf das Auto

(Netz) und der Vermieter (Netzeigentümer) hat weder Kenntnis der Schwachstellen

noch einen Anreiz, mehr zu investieren als notwendig ist, um die vertraglichen

(Mindest-) Verpflichtungen zu erfüllen. Der Zustand des US-amerikanischen

Übertragungsnetzes und das dort bereits vorherrschende ISO-Modell zeigen deutlich,

welche Probleme die Trennung von Netzbetrieb und Netzeigentum mit sich bringen.

Dass durch das Zusammenspiel von Eigentum am Netz und Verantwortung für die

Systemführung sinnvolle Synergien entstehen, zeigt das Beispiel der 50Hertz-

Südwestkuppelleitung. Gerade durch die gesamtheitliche langfristige Sicht auf

Netzausbau (Eigentum) und Netzbetrieb wurde der Netzausbau so spezifisch

vorangetrieben, dass in den Wintern 2015/2016 und 2016/2017 Redispatchkosten

in zweistelliger Millionenhöhe eingespart werden konnten.

Durch die Trennung von Netzeigentum und Systemführung würde auch der in

Deutschland für die Energiewende erforderliche Netzausbau erschwert. Der Bedarf

für neue Leitungen würde ohne Kenntnis der lokalen Begebenheiten und nationalen

Politikbestrebungen von einer zentralen europäischen Institution errechnet. Der

Errichter einer Leitung hätte zudem noch weiter erschwerte Bedingungen bei der

Öffentlichkeitsbeteiligung, um auf die Bedürfnisse der Betroffenen einzugehen und

den lokalen und regionalen Nutzen der Maßnahme zu vermitteln. All dies verringert

die Akzeptanz des Netzausbaus vor Ort erheblich – und damit seine

Realisierungschancen.

5 Europäische Kommission, 2015: Options for future European Electricity System Operation

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50HERTZ-STELLUNGNAHME CLEAN ENERGY PAKET

10

Kapazitätsberechnung von

Interkonnektoren muss

Wohlfahrtsmaximierung unter Beachtung

der Versorgungssicherheit folgen

Art. 14 EU-Stromhandelszugangsverordnungsentwurf

Die Berechnung der für den grenzüberschreitenden Handel zur Verfügung stehenden

Übertragungskapazitäten auf Interkonnektoren sollte der Wohlfahrtsmaximierung

dienen. Würde – wie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen – mehr

Übertragungskapazität vermarktet, als tatsächlich Strom transportiert werden kann,

entstünden massive monetäre Umverteilungen im europäischen Verbund zu Lasten

der Stromkunden, besonders in Regionen mit großen Anteilen an volatiler

Einspeisung aus Erneuerbaren Energien. Ferner führt ein solches Prinzip zur

Gefährdung der Versorgungssicherheit, da es mit dem hohen Risiko einhergeht, dass

die aufgrund der vorgeschlagen neuen Methodik benötigten großen

Redispatchpotentiale nicht zeitgerecht zur Verfügung stehen. Kritisch zu sehen ist

auch die augenscheinlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Interkonnektoren

und Innersystem-Leitungen in Bezug auf die Ermittlung gesicherter

Übertragungskapazität.

In Regionen, die die vermarktete Strommenge nicht transportieren können, würde der

Bedarf und Einsatz teurer Maßnahmen zur Engpassbeseitigung (bspw. durch

Redispatch und gezielte Abregelung Erneuerbarer Energien) noch weiter steigen,

während die Verwendung von Engpasserlösen zur Finanzierung dieser Maßnahmen

zukünftig nur noch unter den von ACER noch festzulegenden Bedingungen möglich

sein wird (Art. 17 EU-Stromhandelszugangsverordnungsentwurf). Stromverbraucher in

diesen Regionen müssten daher höhere Netzentgelte zahlen, während Händlern,

Produzenten und Vertrieben zusätzliche Erlöse durch die erhöhte Handelskapazität

entstünden. Eine Verschärfung dieser Situation würde hingegen der Akzeptanz für die

Energiewende nur zusätzlich schaden. Das vorgeschlagene Verbot zur

Berücksichtigung der Transportkapazitäten/-restriktionen des Netzes könnte daher die

Akzeptanz des grenzüberschreitenden Stromhandels durch die nationalen

Stromkunden speziell in Transitländern massiv schwächen und die Erreichung

des Ziels der Schaffung des integrierten europäischen Strommarktes gefährden.

Zudem erhöht der gesteigerte Redispatch-Bedarf das Risiko, dass nicht ausreichend

wirksame Redispatchpotenziale verfügbar sind.

Die zu vermarktende Kapazität sollte sich daher an den volkswirtschaftlichen

Wohlfahrteffekten orientieren. Die Kosten für das Engpassmanagement, welches zur

Erhöhung der Kapazität ggf. durchgeführt wird, sollten fair verteilt werden. Soweit

möglich sollten auch Wohlfahrtsgewinne in Nicht-EU-Mitgliedstaaten entsprechend

berücksichtigt werden.

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50HERTZ-STELLUNGNAHME CLEAN ENERGY PAKET

11

Deutsche Netzreserve ist kein

Kapazitätsmechanismus

Art. 19 EU-Stromhandelszugangsverordnungsentwurf

50Hertz begrüßt die Pläne für gemeinsame Regeln für ein überregionales Monitoring

der Versorgungssicherheit. In vermaschten Netzen ist es sinnvoll, dass grenz- und

gebotszonenübergreifende Analysen der vorhanden gesicherten Leistung

durchgeführt werden, um eine Über- oder Unterdimensionierung von Reserven zu

vermeiden. Daher ist es sinnvoll, dass der bereits angestoßene Aufbau eines

europäischen Prozesses zum Versorgungssicherheits-Monitoring (System Operation

Guideline) weiterentwickelt wird. Hier nimmt 50Hertz auch im Rahmen der Aktivitäten

des pentalateralen Energieforums eine Vorreiterrolle ein.

Der Legislativvorschlag der EU-Kommission sieht jedoch vor, dass beim

Versorgungssicherheits-Monitoring Netzengpässe innerhalb von Gebotszonen

nicht berücksichtigt werden. Dies ist jedoch eine wichtige Grundlage für eine

verlässliche Bewertung, ob in bestimmten Regionen ausreichend gesicherte Leistung

zur Verfügung steht. Der Vorschlag gefährdet die Systemsicherheit, zumal selbst

häufige und komplexe Änderungen von Preiszonengrenzen kein adäquates Mittel

darstellen würden, um Netzengpässe angemessen berücksichtigen zu können (die ja

möglicherweise nur in seltenen und außerordentlich kritischen Situationen relevant

würden, aber permanent Verunsicherung in den Markt bringen brächten).

Dieser Logik folgend hat die Europäische Kommission die deutsche Netzreserve auch

als Kapazitätsmechanismus eingestuft6. Damit entsteht eine riskante Situation: Zwar

hat die EU-Kommission den Bedarf für die deutsche Netzreserve bis 2020 bestätigt.

Bei den danach folgenden Versorgungssicherheits-Monitorings dürften die

innerdeutschen Netzengpässe aber nicht berücksichtigt werden. Damit ist es fraglich,

ob die deutsche Netzreserve nach 2020 Bestand hätte. Sollte dies nicht der Fall sein

und die für die Versorgung Süddeutschlands wichtigen Kraftwerke nicht kontrahiert

werden, müsste ggf. die deutsche Preiszone geteilt werden. Dieser Schritt würde zu

erheblichen Mehrkosten für die deutschen Stromkunden führen: Zusatzkosten durch

Ineffizienzen bei der Aufteilung Deutschlands in zwei Preiszonen wurden mit 600

Millionen Euro pro Jahr berechnet.

Das europäische Versorgungssicherheits-Monitoring sollte sich daher auf ein

Monitoring der Erzeugungskapazitäten beschränken und ggf. durch ein nationales

Monitoring von Netzengpässen ergänzt werden. Dementsprechend sollte die deutsche

Netzreserve auch nicht als Kapazitätsmechanismus bewertet werden. Sie adressiert

nicht das Problem eines Erzeugungsdefizits, sondern das Problem eines

netztechnischen Defizits. Zudem liefern die Kraftwerke in der Netzreserve auch

andere Systemdienstleistungen.

6 Vgl. Pressemitteilung der EU-Kommission vom 20.12.2016: http://europa.eu/rapid/press-

release_IP-16-4472_en.htm

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50HERTZ-STELLUNGNAHME CLEAN ENERGY PAKET

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50HERTZ-STELLUNGNAHME CLEAN ENERGY PAKET

13

Wettbewerblicher Redispatch erhöht

Kosten für Verbraucher

Art. 12 EU-Stromhandelszugangsverordnungsentwurf

Die Entwicklung eines Redispatch-Marktes würde bei der derzeit bestehenden

Marktstruktur hohe Zusatzkosten für die Stromverbraucher verursachen.

Grundsätzlich ist eine marktbasierte Beschaffung von Redispatch bei Kraftwerken ein

erstrebenswertes langfristiges Ziel. 50Hertz erprobt daher derzeit bereits innovative

Lösungen für die marktbasierte Beschaffung von Flexibilität für den Einsatz zur

Engpassbeseitigung. Im Konsortialprojekt WindNODE wird eine Plattform geschaffen,

auf der Gebote dezentraler Erzeuger oder Verbraucher für Flexibilität gesammelt und

schließlich automatisch abgerufen und finanziell abgewickelt werden können. Dieses

Modell kann jedoch derzeit nicht vollständig für die gesamte Beschaffung von

Flexibilität für die Bewirtschaftung von Engpässen genutzt werden. Dezentrale

Flexibilitätspotenziale stehen noch nicht in ausreichend großem Umfang zu

Verfügung. Hierfür müssen in den kommenden Jahren durch den Roll-Out der

intelligenten Zähler und die Etablierung von Aggregatoren zunächst die

Voraussetzungen geschaffen werden. Vor einer Umsetzung eines vollumfänglichen

Redispatch-Marktes sollten zuerst die Praxiserfahrungen aus der Umsetzung im

Kleinen – wie z. B. im Rahmen des WindNODE-Projekts – abgewartet und

ausgewertet werden.

Bis dahin besteht insbesondere in Regionen mit sehr hohem Redispatch-Aufwand wie

in Deutschland das Risiko von Marktmacht und damit überhöhten Geboten seitens

der Anbieter, da einige wenige oder sogar einzelne Kraftwerke sehr nah regional an

einem Engpass liegen und damit aufgrund ihrer hohen Wirksamkeit eine dominante

Marktmacht erhalten würden. Außerdem sind schädliche Rückwirkungen auf die

Spotmärkte durch taktisches Bieten in Bezug auf den zeitlich nachgelagerten

Redispatch-Markt zu befürchten. Dadurch würden über mehrere Jahre erhebliche

Mehrkosten für die Stromverbraucher insbesondere in den betreffenden

Regionen entstehen.

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50HERTZ-STELLUNGNAHME CLEAN ENERGY PAKET

14

Interkonnektor-Erlöse netzentgelt-

mindernd einsetzen können

Art. 17 EU-Stromhandelszugangsverordnungsentwurf

Stromverbraucher profitieren heute von der Errichtung neuer Interkonnektoren. Die

Investitionen in den Bau der Leitung sind längerfristig meist deutlich geringer als die

Erlöse, die der Netzbetreiber durch die Vermarktung der handelbaren Kapazität erhält.

Damit führt die Inbetriebnahme neuer Interkonnektoren-Kapazität zu einer Entlastung

der Netzentgelte, befördert den grenzüberschreitenden Stromhandel und trägt zur

Akzeptanz eines integrierten europäischen Energie-Binnenmarkts durch die

Verbraucher bei.

Können, wie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen, die Erlöse weder

netzentgeltmindernd noch zur Finanzierung von Redispatch, um Kuppelkapazitäten

verfügbar zu halten, angesetzt werden, verbleiben bei den Verbrauchern die

Kosten für die Investition und ggf. für die Gewährleistung der tatsächlichen

Verfügbarkeit dieser Kuppelkapazitäten aber die Chancen bzw. Erlöse kommen

nicht den Verbrauchern zugute. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen,

dass die von den nationalen Netznutzern über die Netzentgelte bezahlten internen

Netzkapazitäten durch den grenzüberschreitenden Stromhandel in Anspruch

genommen werden. Im Fall einer Strom-Exportregion droht den Verbrauchern zudem

ein Anstieg der durchschnittlichen Börsenstrompreise und folglich der

Endkundenpreise.

Stromkunden in vielen Regionen hätten damit zunächst spürbar vor allem negative

Effekte durch neue Interkonnektoren, auch wenn deren Bau zur Steigerung der

allgemeinen europäischen Wohlfahrt führt. Damit hat der Vorschlag – insbesondere

auch vor dem Hintergrund der Kommissionsvorschläge zur Kapazitätsberechnung

(Art. 14 EU-Stromhandelszugangsverordnungsentwurf) – das Potenzial, die

öffentliche Akzeptanz für den Ausbau von grenzüberschreitenden Leitungen zu

unterminieren. Maßnahmen, die die allgemeine Wohlfahrt in der Europäischen Union

fördern sollen, müssen daher auch immer von wirtschaftlichem Vorteil für die jeweilige

Region sein, in der diese umgesetzt werden.

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50HERTZ-STELLUNGNAHME CLEAN ENERGY PAKET

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Übertragung von zentralen nationalen

Verantwortlichkeiten zu hinterfragen

insb.:

ACER-Verordnungsentwurf, insb. Art. 5, 6, 7, 8, 10, 17

EU-Stromhandelszugangsverordnungsentwurf, insb. Art. 9

Mit dem Legislativvorschlag wird eine Reihe von wichtigen Kompetenzen an die

Europäische Kommission übertragen. So ist u.a. der Katalog an

energiewirtschaftlichen und -politischen Sachverhalten, zu denen die Europäische

Kommission delegierte Rechtsakte ohne die Einbeziehung der Mitgliedsstaaten

erlassen kann, erneut ausgeweitet worden. Sie erhält außerdem formell das Recht,

den Zuschnitt der Preiszonen gegen den Willen der Mitgliedstaaten festzulegen.

Die Europäische Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden

(ACER) erhält ebenfalls neue Kompetenzen:

‒ ACER übernimmt zudem die Aufsicht über die ROC und wird damit direkt zur

Regulierungsbehörde für an der Systemführung beteiligte Organisationen.

‒ ACER erhält Zuständigkeiten bei der Prüfung der Preiszonen. Die Agentur prüft

und bestätigt die der Analyse zugrundeliegenden Methoden und Annahmen und

bestimmt damit wesentlich die Ergebnisse der Berechnungen der ÜNB.

‒ ACER kann bei der Erstellung von Netzkodizemethoden durch die

europäischen ÜNB zukünftig nicht mehr nur einen Rahmen vorgeben, sondern

auch direkt die Methoden abändern und damit u.a. Einfluss auf das

Engpassmanagement, den Stromhandel und die Systemführung durch die

nationalen Netzbetreiber nehmen.

‒ ACER soll eine rechtlich bindende Methode für die Verwendung von

Engpasserlösen durch die ÜNB entwickeln, die von der EU Kommission

genehmigt werden muss. Hieraus können erhebliche überregionale

Umverteilungen für die nationalen Netzkunden resultieren.

‒ ACER soll zudem EU-weit einheitliche Regeln für Netzentgeltstrukturen in den

Mitgliedsstaaten erarbeiten, die von den nationalen Regulierungsbehörden bei der

Ausgestaltung der Netzentgelte berücksichtigt werden soll.

Damit wird ACER, die ursprünglich die Zusammenarbeit der 28 nationalen

Energieregulierungsbehörden befördern sollte, zu einer europäischen

Regulierungsbehörde mit direkten Aufsichts- und Durchgriffskompetenzen

aufgewertet. Die Agentur kann mit den neuen Kompetenzen unmittelbar nationale

energiepolitische Entscheidungen (wie Investitionsentscheidungen im Erzeugungsmix)

beeinflussen, die bisher allein in der Kompetenz der Mitgliedstaaten liegen. Da von

diesen Entscheidungen eine erhebliche Auswirkung sowohl auf die

Energieversorgung als auch auf die industrielle Entwicklung innerhalb der

Mitgliedstaaten ausgeht und auch über eine massive finanzielle Umverteilung

zwischen den Regionen entschieden werden kann, müssen die Mitgliedstaaten

weiterhin wesentlichen Einfluss nehmen können.

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50HERTZ-STELLUNGNAHME CLEAN ENERGY PAKET

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Jedoch sind die Rechte der Mitgliedstaaten durch die internen Entscheidungsregeln

bei ACER beschränkt. Jede nationale Regulierungsbehörde – und damit auch die

deutsche Bundesnetzagentur – hat im ACER-Regulierungsrat genau eine Stimme.

Zukünftig soll nur noch mit einfacher Mehrheit im ACER-Regulierungsrat abgestimmt

werden (Art. 23 ACER-Verordnungsentwurf). Damit wird der Bedeutung der großen

Mitgliedstaaten und der Rolle und Größe ihrer Strommärkte für die weitere EU-

Binnenmarktintegration nicht ausreichend Rechnung getragen. Sinnvoller wäre

daher die Einführung eines qualifizierten Mehrheitsabstimmungsverfahren im ACER-

Regulierungsrat, analog beispielsweise zum Europäischen Rat, bei dem der

Bedeutung und Größe des jeweiligen nationalen Strommarkts Rechnung getragen

wird.

Eine Übertragung von derart wichtigen Entscheidungsbefugnissen auf eine einzige

europäische Institution wie ACER sollte umfassend hinterfragt werden. Bei jeglicher

Art der Stärkung der Rolle sollten aber die Governance-Strukturen von ACER

überarbeitet und den einzelnen Ländern ein Gewicht entsprechend ihrer Größe und

der Bedeutung ihrer Strommärkte gegeben werden.

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50HERTZ-STELLUNGNAHME CLEAN ENERGY PAKET

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Konsistente Ziele für EE-Ausbau

schaffen Planungssicherheit

EE-Richtlinie

50Hertz begrüßt die geplante Schaffung von verbindlichen Zielen für den Ausbau der

Erneuerbaren Energien. Das aktuell geplante Ziel eines Anteils von mindestens 27

Prozent Erneuerbarer Energien am europäischen Endenergieverbrauch ist aus Sicht

von 50Hertz nicht konsistent mit dem von der Europäischen Union ratifizierten

Klimaschutzabkommen von Paris. Im Sinne der Planungs- und

Investitionssicherheit auch für Netzbetreiber ist es erforderlich, dass die Zwischenziele

für die Europäische Union mit den langfristigen, internationalen Zielen für eine

Dekarbonisierung übereinstimmen.

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