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Nr. 3/2009 Coaching: wichtiger als Consulting Sir John Whitmore im Interview 12,80 € A/CH: 15,80 € ISSN 1868-2243 Foto: Sebastian Hensel, Fotolia WISSENSCHAFT Auswahlprozesse für externe Coachs PRO & KONTRA Persönlichkeitsdiag- nostik: Oder sich auf die Kunst des Dialogs beschränken? KARRIEREMUSTER ERKENNEN: Ein Coaching-Tool der strategischen Karriere- planung Empowerment im Business-Coaching Jobwechsel: Transition-Coaching Coaching im Familienunternehmen Der Coaching-Markt Coaching Complexity

Coaching: wichtiger als Consulting · für den Deutschen Coaching-Preis 2008 des DBVC nominiert. Sie meinen, Wissenschaft sei das Eine und schön und gut, dann lassen Sie sich doch

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Nr. 3/2009

Coaching: wichtiger als ConsultingSir John Whitmore im Interview

12,80 € A/CH: 15,80 €

ISSN

1868

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Hen

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lia

W i s s e n s c h a f t Auswahlprozesse für externe Coachs

P r o & K o n t r aPersönlichkeitsdiag- nostik: Oder sich auf die Kunst des Dialogs beschränken?

K a r r i e r e m u s t e r e r K e n n e n : Ein Coaching-Tool der strategischen Karriere-planung

Empowerment im Business-Coaching

Jobwechsel: Transition-Coaching

Coaching im Familienunternehmen

Der Coaching-Markt

Coaching Complexity

ProfilSCHARF im Beratungsmarkt?

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E D I T O R I A L

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3 3/2009

Bewährt sich Coaching in der Krise? Dazu gibt es unterschiedliche Aussagen. Immer wieder hört man, gerade Coaching behaupte sich in der Krise gegenüber anderen Personalentwicklungsmaß-nahmen wie Training, weil es weniger „Gießkanne“, dafür fokus-sierter und nachhaltiger sei. Auf der anderen Seite hört man – dann aber eher hinter vorgehaltener Hand – vom Kahlschlag in der betrieblichen Weiterbildung. Etliche Kollegen scheinen sich beim Blick in ihre Auftragsbücher arg die Haare zu raufen. Doch das klärt unsere Frage nicht, denn wir wissen, dass nur die We-nigsten ausschließlich vom Coaching leben, sondern zugleich als Trainer und Berater für Change Management tätig sind.

Um hier ein differenzierteres Bild zeichnen zu können, sind wir auf Forschung angewiesen. Und so veröffentlichen wir in dieser Ausgabe des Coaching-Magazins auch wieder – zufälligerwei-se geballt – etliche Daten rund ums Coaching. Die Ergebnisse der aktuellen, 7. Coaching-Umfrage Deutschland, die Jörg Mid-dendorf in Kooperation mit dem DBVC durchgeführt hat, wer-fen einige interessante Aspekte auf. Insbesondere hinsichtlich der Funktion von Coaching-Pools. Auch Peter-Paul Gross hat im Rahmen seiner Diplomarbeit eine breit angelegte Studie zum deutschen Coaching-Markt durchgeführt. Über Tausend Coachs und weit über 200 „Einkäufer“ haben sich durch seinen Online-Fragebogen geklickt. Gross liefert interessante Einblicke in das Marketing der Coachs und das Auswahlverhalten von Einkäufern. Nahtlos schließt sich hier der Beitrag von Romina Henle über den Auswahlprozess für externe Coachs an, den wir in diesem Heft in unserer Wissenschaftsrubrik vorstellen. Ihre Diplomarbeit wurde für den Deutschen Coaching-Preis 2008 des DBVC nominiert.

Sie meinen, Wissenschaft sei das Eine und schön und gut, dann lassen Sie sich doch vom Interview mit der britischen Coaching-Legende Sir John Whitmore inspirieren! Sir John hat Coaching maßgeblich initiiert und inspiriert. Und er hat einige wichtige Bot-schaften für uns parat. Eines ist klar: der Herbst wird spannend, in vielerlei Hinsicht. Gestalten wir ihn.

Wir freuen uns über Ihre Kommentare, Anregungen und Kritik zum Coaching-Magazin: Senden Sie uns Ihre Meinung oder gerne auch einen Leserbrief an [email protected].

Ihr

Thomas Webers(Chefredakteur)

I N H A L T

12

i n t e r V i e W … mit sir John Whitmore

Im Kern eines ganzheitlichen Coaching-Kon-zepts stehen Bewusstsein, Verantwortung und Nachhaltigkeit.

Jedes „gute“ Coaching ist auch Empowerment, wenn es eine Verstärkung der Selbststeuerung des Klienten bewirkt. Em-powerment heißt nicht, dass Power, Macht, Energie, Unter-nehmensmut und so weiter von außen in eine Person „hinein verlegt“ werden können. Wohl aber hat es klare inhaltliche und prozessuale Aspekte.

K o n Z e P t i o nEmpowerment im Business-Coaching

184 3/2009

e D i t o r i a L 3

s Z e n e 6Business Coach (IHK)•7. Coaching-Umfrage Deutschland•Französischer Coaching-Kongress •in Lyon

V e r B a n D s L a n D s c h a f t 1 0DBVC-Coaching-Kompendium nun •online verfügbarClaus von Kutzschenbach neu im •BDVT-PräsidiumICF: Pro-Bono-Coaching?•EMCC-Deutschland mit neuem •Präsidium

L e s e r B r i e f 1 1

i n t e r V i e W 1 2mit Sir John Whitmore

K o n Z e P t i o n 1 8Empowerment im Business-Coaching

P r a X i s 2 3Transition-Coaching – schnelle Wirksamkeit garantiert

P r a X i s 2 8Coaching beim Wechsel der Ge-schäftsführung in einem Famili-enunternehmen

s P o t L i g h t 3 3Der Coaching-Markt

I N H A L T

c o a c h i n g - t o o L 3 8Karrieremuster erkennen

P r o + K o n t r a 4 2Persönlichkeitsdiagnostik

W i s s e n s c h a f t 4 4Auswahlprozesse für externe Coachs

P h i L o s o P h i e / e t h i K 5 0Coaching Complexity

r e Z e n s i o n e n 5 6Coaching und Supervision•Triadische Karriereberatung•Wirksames Coaching•Beratungspsychologie•

t o P 1 0 c o a c h i n g - B ü c h e r 6 0

c o n r a D c o a c h 6 1Humanismus 2.0

D a s L e t Z t e 6 2

i m P r e s s u m 6 2

P r a X i sTransition-Coaching – schnelle Wirk-samkeit garantiert

Jobwechsel sind wichtige und zugleich ris-kante Übergänge – für die Führungskraft wie auch für die Organisation. Das Coaching-Kon-zept des Global Logistics Centers der Daimler AG in Germersheim war für den Coaching-Preis 2008 (Kategorie „Organisation“) nominiert.

P r a X i s

Coaching beim Wechsel der Ge-schäftsführung in einem Familienun-ternehmen

Die Rekrutierung des Nachfolgers aus dem Kreis der Unternehmerfamilie ist eine typische Erwartung in Familienunternehmen. Wirt-schaftliche Entscheidungskriterien werden da-bei oft mit familiären Erwartungen vermengt. Daraus können Konflikte entstehen, die denNachfolgeprozessbeeinflussen.

23

28s P o t L i g h tDer Coaching-Markt

Welche Marketing-Maßnahmen nutzen Coachs? Wie werden Kunden auf sie aufmerk-sam? Worauf legen sie bei der Auswahl beson-deren Wert? Und wie hoch ist das Budget von Kunden für Coaching-Maßnahmen? Eine breit angelegte Studie beleuchtet die vorvertrag-liche Verhandlungssituation zwischen Coachs und ihren Kunden.

33

Coaching Complexity

P h i L o s o P h i e / e t h i K 50In sozialen Situationen spielt sich mehr ab, als auch den raffinierten Ak-teuren auffällt oder von ihnen formuliert werden kann. Nichtwissen steht für den Coach am Anfang und für den Klienten am Ende, doch zwischen diesen beiden Punkten entfaltet sich ein Wissen um die Komplexität der Situation des Coachens ebenso wie der Situation, in der der Klient steckt, das einzigartig ist.

5 3/2009

S Z E N E

6 3/2009

bei geht es um die sogenannte Führungskraft als Coach. Doch das fragt unser lokaler Markt nicht nach. Unsere Zielgruppe sind externe Berater, beispielsweise im Be-reich Steuer- und Wirtschaftsberatung.“

Und das sehen andere IHKs offensichtlich auch ähnlich. Die von Coaching-Report befragten IHKs nennen als Anlass den lokalen Bedarf des Markts und/oder, dass Trainingsanbieter mit einem abweichend überzeugenden Coaching-Weiterbildungskonzept an sie herangetreten sei-en. Die Konzepte sind durch die Bank modular aufgebaut, vermitteln das Basiswissen rund um Coaching und ein mehr oder weniger breites (beispielsweise lediglich NLP-Bausteine) Methodenspektrum sowie die Möglichkeit, selbst praktische Erfahrungen als Coach und Klient zu sammeln. Den Abschluss bildet eine obligatorische Prü-fung.Doch sie differieren stark im Stundenumfang und im Preis. Die zur IHK München gehörende IHK-Akademie We-sterham beispielsweise bietet einen 300 Stunden umfas-senden, sich über sechs Monate erstreckenden Lehrgang an. Am Karlsruher BIZ muss man in zwölf Monaten 270 Stunden besuchen. Auch Ludwigsburg (180 Std.) und Ulm (160 Std.) fordern ihren Teilnehmern ein gehöriges Maß an Präsenz- und Selbstlernzeit ab. Doch die von Villingen-Schwenningen aus den Schwarzwald, Baar und Heuberg administrierende IHK will ihren Teilnehmern lediglich 90 Stunden zumuten. Die Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein, eine Tochter der IHKs in Flensburg, Kiel und Lübeck, gibt sich mit 79 Stunden Lernzeit zufrieden. Und die IHK Würzburg-Schweinfurt verlangt im Rahmen ihres sogenannten Kompaktseminars lediglich 50 Seminar-stunden.

An die Vergabe desselben Titels, „Business Coach (IHK)“, werden also unterschiedliche Bedingungen gestellt. Der

Augsburg/ IHK-Bildungshaus Schwaben

Hannover / CA Coaching-Akademie

Konzept 8 Module 7 Phasen, Integra-tiv, Schulen über-greifend

Coaching-Ver-bände

Keine Orientierung ZertifizierungdurchDBVC

Umfang 176 Std., über 10 Monate

240 Std., über 12 Monate

Gruppengröße k.A. max. 10 Teilnehmer

Kosten 2.750 € 6.050 €Beginn 26.06.09 30.10.09 (Angebot

läuft seit 2000)

Info http://www.ihk-bildungshaus-schwaben.de

http://www.coach-ing-akademie.de

B u s i n e s s c oac h ( i h K )Anscheinend orientieren sich nicht alle IHKs an den Emp-fehlungen des DBVC. Das IHK-Zertifikat gibt es auch schon für ein „Kompaktseminar“.Die 80 deutschen Industrie- und Handelskammern (IHK) sind eigenverantwortliche öffentlich-rechtliche Körper-schaften. Als „Einrichtungen der Wirtschaft für die Wirt-schaft“ gelten sie als wichtige Interessenvertreter aller gewerbetreibenden Unternehmen in den Regionen. Und sie stehen ihren Mitgliedsunternehmen auch als kunden-orientierte Berater zur Verfügung.Zum Beispiel im Bereich der Aus- und Weiterbildung. Hier bieten einige von ihnen neben einer Fülle von weiteren An-gebotenauchBusiness-Coachingan–mitIHK-Zertifikat.Vor allem wird Coaching von IHKs aber in allen möglichen Varianten angeboten: Vom Gründungs-Coach über den Gesundheits-Coach bis zum Vortrags-Coach reicht die Pa-lette der – zumeist in Kooperation mit externen Anbietern – aufgelegten Seminare.

Damit die einzelnen IHKs, die vermutlich das Ohr nah am lokalen Markt haben und versuchen, diesem ganz spe-zifischeAngebotezumachen,nicht jeweilsdasRadneuerfindenmüssen,arbeitetihnendieDIHK-Bildungs-GmbHzu. Sie bietet selbst dem Markt keine Ausbildungen an, sondern versteht sich als konzeptioneller Dienstleister für die einzelnen IHKs vor Ort. Getragen wird sie vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Dachorganisation, die im Auftrag und in Abstimmung mit den lokalen IHKs die Interessenvertretung der deutschen Wirtschaft gegenüber den Entscheidern der Bundespolitik und den europäischen Institutionen wahrnimmt.

Im Bereich Coaching hat die Bonner DIHK-Bildungs-GmbH das Curriculum „Personal Coach“ ausgearbeitet. Es um-fasst drei Trainingseinheiten mit insgesamt 156 Stunden und soll insbesondere Führungskräfte in mittelständi-schen Firmen unterstützen. Doch könnte man den Ein-druck gewinnen, dass dieses Curriculum vor Ort bisher wenig Anhänger gefunden hat. Denn das bundesweite Weiterbildungsportal der IHKs weist lediglich die IHK Pots-dam als Anbieter aus. Andere IHKs haben sich eigene Cur-ricula zusammengestellt. Sie laufen – abgespeckt auf ei-nen beispielsweise 60-Stunden-Umfang – unter dem Titel „Coachingkompetenz für Führungskräfte und Berater“ (so in Hamburg) oder tragen Label wie „Management-Coach“ (in Bonn) und „Business Coach“ (vor allem im süddeut-schen Raum).

Martin Frey von der Bildungszentrum Karlsruhe GmbH (BIZ),einerTochterfirmaderörtlichenIHK,erklärtsichdiegeringe Akzeptanz des „Personal Coach“ so: „Das DIHK-Konzept hat die Zielgruppe der Angestellten im Fokus. Da-

Tabelle 1: Die Bandbreite einschlägiger IHK-Angebote zum Business-Coaching (* inkl. Übernachtung, Vollpension)

7 3/2009

Deutsche Bundesverband Coaching (DBVC) verlangt für die Anerkennung, dass eine Coaching-Ausbildung minde-stens 150 Stunden umfasst. Doch die Coaching-Verbän-de und ihre Empfehlungen interessieren die IHKs vor Ort kaum. Lediglich München hat sich um eine Anerkennung vom Qualitätsring Coaching (QRC) bemüht.

Udo Albert von der IHK Würzburg-Schweinfurt verteidigt gegenüber Coaching-Magazin das eigene „Kompaktsemi-nar“ damit, dass die Teilnehmer dort „schon sehr viel“ mitbrächten, die Trainer ausgezeichnet seien und im Übri-gen die Wirtschaft genau das – und nicht unbedingt mehr – nachfrage. „Und wer sagt denn, dass die Absolventen ei-ner 200-stündigen Coaching-Ausbildung in der Praxis un-bedingt besser sein müssen?“, kommentiert er, auf andere IHK-Angebote angesprochen. Es sei auch nie Ziel gewesen, sich an Vorgaben der Coaching-Verbände zu orientieren.

Dr. Markus Weingärtner von der Weiterbildungsakademie Westham, die der IHK München und Oberbayern zugeord-net ist, mag das nicht so stehen lassen: „Die Würzburger sollten ihr Angebot anders bezeichnen. Es ist ärgerlich, wenn den Unternehmen signalisiert wird, die Abschlüsse seien vergleichbar.“ – Doch damit wird er wohl leben müs-sen. Denn der DIHK definiert: „IHK-Zertifikatslehrgängeliegen zwischen 50 und 250 Unterrichtsstunden.“ Die Würzburger erfüllen somit in zeitlicher Hinsicht die Mini-malanforderung.

Und dann muss man natürlich auch noch die Preise ver-gleichen: 4.879 Euro verlangt man in Karlsruhe für den Lehrgang, der mit der Präsentation des eigenen Coaching-Profils, einerKlausur undeiner praktischenPrüfungab-schließt.DasLudwigsburgerZertifikat istmitnur1.490Euro deutlich günstiger zu erwerben. Und der ganz Eilige

kann nach einer Woche in Würzburg für 2.340 Euro zum Ziel gelangen. Es bleibt den Weiterbildungsteilnehmern also überlassen zu entscheiden, auf wie viel Tiefgang und Breite sie Wert legen (s. Tabelle). Und den einkaufenden Kunden, fürwiegewichtigsiedas jeweiligeZertifikater-achten.

Dr. Walter Spreckelmeyer hat damit nun überhaupt kein Problem. Der Hannoveraner Unternehmer bietet schon seit dem Jahr 2000 den „Coach der Wirtschaft (IHK)“ an. Inzwischen hat er an die 300 Teilnehmer ausgebildet. Sei-ne Kurse laufen parallel in Hannover, Frankfurt und Pots-dam. Als offenbar einziger Anbieter im Spektrum der für IHKs weiterbildenden Coaching-Unternehmen achtet sei-ne Coaching-Akademie auf Eingangsvoraussetzungen bei den Teilnehmern: Ein Mindestalter von zirka 30 Jahren, vorzugsweise Hochschul- oder Fachhochschulabschluss odereine vergleichbareAusbildungundmehrjährigeBe-rufserfahrung. Über zwölf Monate und 240 Unterrichts-stunden erstreckt sich der Coaching-Kurs, in den maxi-mal zehn Teilnehmer aufgenommen werden. Preislich liegt er mit 6.050 Euro (inkl. Prüfungsgebühr) im oberen Segment. Doch dafür bekommen die Teilnehmer auch ei-nenbesonderenBenefit:NebendemIHK-Zertifikatauchdas des Deutschen Bundesverbands Coaching (DBVC). Spreckelmeyer: „Die Absolventen schätzen die erworbe-nen Kompetenzen und die persönliche Bereicherung in der Ausbildung sowie insbesondere den geschützten Titel ‚Coach der Wirtschaft (IHK)‘, der im Markt einzigartig ist und den Premiumanspruch sichert.“ (tw)

http://www.ihk.dehttp://www.dihk-bildungs-gmbh.de

Karlsruhe/ Bildungszentrum Karlsruhe GmbH

Lübeck/ Wirt-schaftsakade-mie Schleswig-Holstein

Ludwigsburg/ Verein zur Förderung der Berufsbildung

München/ IHK-Akademie Westerham

Schwarzwald-Baar-Heuberg

Ulm Würzburg- Schweinfurt

9 Schwerpunkte, Methodenmix

4 Module, 1 Live-Testing Coaching-Tag

5 inhaltliche Blöcke, Me-thodenmix

5 Module plus 2 Testing-Tage, Methodenmix

10 Module, inkl. Talent-Analyse

7 Module, Methoden über-greifend

12 Module, Methoden über-greifend

Keine Orien-tierung

Keine Orien-tierung

Keine Orien-tierung

Anerkennung durch den QRC

Keine Orien-tierung

Orientierung am DBVC

Keine Orien-tierung

270 Std., über ca. 12 Monate

79 Std., über 6 Monate

180 Std., über 3-4 Monate

300 Std., über 6 Monate

90 Std., über 8 Monate

160 Std., über 8 Monate

50 Std., über eine Woche

max. 14 Teilne-hmer

max. 7 Teil-nehmer

k.A. k.A. k.A. max. 12 Teil-nehmer

k.A.

4.879 € 3.790 € 1.490 € 8.900 €* 1.850 € 1.850 € 2.340 €02.10.09 (3. Durchlauf)

07.05.09 (2. Durchlauf)

09.10.09 25.01.10 (3. Durchlauf)

16.10.09 (3. Durchlauf)

26.03.10 (3. Durchlauf)

23.03.09

http://www.ihk-biz.de

http://www.wak-sh.de

http://www.ihk-vfb.de

http://www.muenchen.ihk.de

http://www.schwarzwald-baar-heuberg.ihk.de

http://www.ulm.ihk24.de

http://www.wuerzburg.ihk.de

S Z E N E

Qualitätssicherung, Evaluation

Austausch mit Kollegen

Regelmäßige Infos zu Kunden

Weiterbildung

Supervision

Sonstiges

37,3%

32,9%

24,8%

14,9%

8,1%

3,7%

32,1%

42,9%

17,9%

30,1%

24,4%

5,8%

0,0% 10,0% 20,0% 30,0% 40,0% 50,0% 60,0% 70,0% 80,0%

Auftragsvermittlung 72,7%42,3%

Abbildung 1: Leistung von Anbieter-Pools (rot) und Nutzer-Pools (blau)

8 3/2009

7. coaching-umfr age DeutschL anDKnapp 40 Prozent der Coaching-Aufträge gehen an in Coaching-Pools gelistete Coachs.Seit dem Start im Jahr 2002 appelliert Jörg Middendorf an die breite Unterstützung aller Coachs und Coaching-Verbände, um aktuelle aussagekräftige Ergebnisse zu be-kommen. Die Ergebnisse der aktuellen Studie, die auf der Befragung von 432 Teilnehmern beruht und wie im Vor-jahr inKooperationmit demDeutschenBundesverbandCoaching (DBVC) durchgeführt wurde, werfen einige inter-essante Aspekte auf.

Der „statistische Coach“ ist Mitte 40, verfügt über einen Universitätsabschluss und über mehr als zehn Jahre Be-rufserfahrung, bevor er Coach wurde, hat sowohl Manage-ment- wie auch Führungsverantwortung und erlernte sein Beratungshandwerk in einer umfassenden Coaching-/Be-ratungs-Weiterbildung. Der Anteil der Berufsanfänger mit weniger als drei Jahren Berufserfahrung liegt mit sieben ProzentgeringfügighöheralsimVorjahr.

NahezujederzweiteCoachistineinemCoaching-Poolge-listet: Von den Coachs, die Angaben zu einer Pool-Zugehö-rigkeit gemacht haben, waren 52 Prozent (180 Coachs) in keinem Pool gelistet, 47 Prozent (161 Coachs) gaben an, in einem Nutzer-Pool, also dem Pool eines Unternehmens, gelistet zu sein. 45 Prozent (156 Coachs) gehören einem Anbieter-Pool an – also einem Pool, der Coachs an Unter-nehmen vermittelt.

Der Coach-Pool ist ein wichtiges Akquisitionsinstrument. Bis zu 40 Prozent der Aufträge kommen für Top-Coachs (über 300 € Stundensatz) aus Anbieter-Pools. Im Durch-schnitt sind es lediglich 15 Prozent. Über Nutzer-Pools ge-nerieren die Top-Verdiener weitere 15 Prozent ihrer Anfra-gen, der Durchschnitt akquiriert hierüber 24 Prozent sei-ner Anfragen. Die Spitzenverdiener müssen also weniger Eigenakquise betreiben oder auf Direktanfragen hoffen (55%) als der Durchschnitt (61%).

Die Auswahl, wer in die Pools aufgenommen wird, wird so-wohl bei Nutzer- als auch bei Anbieter-Pools nach Meinung der Befragten professionell betrieben (Werte von 2,4 bzw. 2,5 auf einer 6er-Notenskala). Auswahlkriterien für Nut-zer-Pools sind vor allem Referenzen (59,6%), Interviews (57,1%) sowie Ausbildungs- undQualifikationsnachweise(54,7%). Die Anforderungen der Anbieter-Pools sind offen-bar weniger streng: Mit 39,7 Prozent überwiegen hier die Ausbildungs-undQualifikationsnachweise.Referenzener-fragen 36,5 Prozent und Interviews führen 23,7 Prozent.

Der Nutzen der Pools ist offensichtlich, aber unterschied-lich jenachPool-Art.WährenddieMitglieder imNutzer-Pool vor allem die Auftragsvermittlung (72,7%) heraus-stellen und weitere Funktionen wie die Qualitätssicherung (37,3%) oder den Austausch mit Kollegen (32,9%) als deutlich weniger wichtig erachten, halten die Mitglieder im Anbieter-Pool den Austausch mit den Kollegen (42,9%) für praktisch genauso wichtig wie die Auftragsvermittlung (42,3%); die Qualitätssicherung (32,1%) folgt im Anbieter-Pool ebenfalls erst an dritter Stelle (s. Abb. 1). (tw)

http://www.coaching-umfrage.de

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9 3/2009

fr anZösischer coaching-Kongress in Lyon

Vom 2. bis zum 3. Juli 2009 fand in Lyon der zehnte na-tionale französische Coaching-Kongress statt. Organisiert wurde er von der Societé Française de Coaching (SF-Coach), die 250 der zirka 2.500 professionellen französi-schen Coachs umfasst. Am Kongress nahmen 90 Coachs sowie Verantwortliche für Coaching aus Unternehmen teil. Der Kongress stand unter dem Motto „Die Rolle des Coachs in der Gesellschaft“.

In Frankreich ist Coaching viel weniger als in Deutsch-land von Sparmaßnahmen betroffen, da für das Coaching oft Geld aus dem – unternehmenszentralen – Budget für Fortbildung „umgewidmet“ wird. Jedes Unternehmen ist gesetzlichverpflichtet,mindestenseinProzentseinerge-samten Lohn- und Gehaltsaufwendungen für Fortbildung auszugeben. Während bei vielen Incentives (französische Klassiker: Teamreise nach Marokko oder Tahiti) gestrichen wurde, wird in Unternehmen Coaching eher als Unterstüt-zungsmaßnahme für einzelne obere Führungskräfte aus-geweitet. Fast alle französischen Coachs verstehen sich als „Coach pour cadres dirigeants des entreprises“.

Die gesellschaftliche Rolle des Coachs wurde in den Ein-gangsstatements beschrieben als ein „Reinjizieren vonLibido und Verlangen in das Unternehmen und die Füh-rungskräfte mit dem Ziel, dass wieder mehr Kreativität entsteht“. Insofern ist die Rolle des Coachs wichtig, um in diesen schwierigen Zeiten, in denen vieles in Frage ge-stellt ist, die Beziehung der Führungskräfte zur Arbeit „zu sichern“ und den Führungskräften Halt zu geben.

Coaching ist in Frankreich gemessen am deutschsprachi-genRaumjung.SelbstorganisierterkollegialerPraxisaus-tausch etwa in Form von Lerngruppen steckt noch in den Anfängen. In diesen „Groupes de Pairs“ geht es vorwie-gend um Fachfortbildung – und noch selten um Intervisi-on. Eine französischsprachige Coaching-Zeitschrift gibt es genauso wenig wie eine solche zum Thema Organisations-entwicklung. Lediglich einzelne Autoren veröffentlichen Bücher, in denen sie ihren Coaching-Ansatz beschreiben. So gibt es in der gesamten französischen Coaching-Szene fast keine Auseinandersetzung oder Austausch mittels Artikel und Foren! Das einzige Coaching-Internetforum hat sich zum Ziel gesetzt, Coaching-Anbieter und -Nach-frager gegen Entgelt zusammenzubringen. Verbindungen von französischen Coachs und ihrer Berufsorganisation zu Entwicklungen des Coaching außerhalb des französisch-sprachigen Raums bestehen kaum.

Unter Coaching wurde in Frankreich bis vor fünf Jahren ausschließlich Coaching einer einzelnen Person verstan-den. Dies hängt auch damit zusammen, dass fast alle Coachs aus Vorberufen kommen, in denen sie sich mit Einzelpersonenbeschäftigten.DieBiografienderCoachszeigen, dass diese ursprünglich meist aus zwei Tätigkeits-feldern stammen: Entweder einer mittleren oder oberen Leitungsfunktion in Unternehmen (oft Human Resources) oder aus einer eigenen Psychoanalyse-Praxis.

Im Non-Profit-Sektor ist Coaching kaum verbreitet. Erstseit wenigen Jahren gibt es Aufträge in der öffentlichen Verwaltung. Im Gegensatz zu Deutschland und den Nie-derlanden gibt es keine Auseinandersetzung über Unter-schiedlichkeit oder Identität von Coaching und Supervi-sion. Team-Coaching wird seit wenigen Jahren erst als möglicher Teil des Coaching verstanden, was sich auch darin widerspiegelt, dass es inzwischen in die Ausbildung integriertwird.Projekt-CoachingistnochgarkeinThema.

Ein insofern neues Thema des Kongresses war: Erreicht Coaching nur die einzelne Führungskraft oder die ganze Institution? Der Vortrag des Kardinals von Lyon, Philippe Barbarin „Ein christlicher Blick auf das Coaching“ war insofern eine bemerkenswerte Öffnung und Grenzüber-schreitung für die Profession. Der Kardinal stellte viele Parallelen zwischen der Arbeit der Kirche und der Arbeit derCoachsher:DieverstecktenSchätzein jedemMen-schen heben; ihm helfen, das Beste aus sich zu machen; ihm zu Erkenntnissen zu verhelfen, damit er seinen Stern, der ihn auf seinem Weg leitet, erblickt; den Menschen und seine Mission im Ganzen zu sehen; seine Talente zu nutzen… Der Kardinal, dessen Vortrag auch Widerspruch erfuhr, betonte im Nachgespräch, dass er sich in seiner Organisationsfunktion von Vincent Lenhardt, der charis-matischenLeitfigurdesfranzösischenCoaching,coachenlasse: „Denn ich habe Theologie studiert und nicht Ma-nagement“.

Der Tagungsort war vorzüglich zum Austausch geeignet, der Ablauf des Kongresses folgte allerdings zu sehr dem akademisch-parlamentarischen Modell: Eröffnung und Eingangsreferat, Serien von parallelen Workshops, ein Stargast, Abschlussplenum. Fast alle Beiträge waren kon-zeptionell und normativ angelegt, es gab nur zwei Erfah-rungsberichte aus der Praxis. Und doch war der Kongress ein weiterer Schritt der Öffnung für Coaching in Frankreich, was an der Vielfalt der Themen – Coaching als Orientie-rungshilfe für Abiturienten und Berufsanfänger; Coaching in Familienbetrieben; Macht in Unternehmen; Der Coach und seine Beziehung zum Geld etc. – deutlich wurde. (Mi-chael Holzhauser)

http://www.sfcoach.org

V E R B A N D S -L A N D S C H A F T

SYSTEMISCHE COACHINGAUSBILDUNG

Email: [email protected]

Schwertl & Partner Beratergruppe FrankfurtZeißelstraße 1160318 FrankfurtTelefon: 069/9055999-0Telefax: 069/9055999-21

€ 5.450,00 (+MwSt.)Kosten

ProjektverantwortungDr. Walter Schwertl (Senior Coach DBVC, Sachverständigenrat DBVC)

Dauer13 Termine jeweils Fr./Sa.über ca. 15 Monate

München: 29./30. Januar 2010

Frankfurt: 23./24. Oktober 2009

Besuchen Sie uns im Internet: www.schwertl-partner.de

30 Jahre Ausbildungserfahrungauf Praxis ausgerichtet, wissenschaftlich fundiertDBVC Akkreditierung (Deutscher Bundesverband Coaching e.V.)SG Zertifizierung (Systemische Gesellschaft e.V.)

10 3/2009

DBVc- coaching-KomPenDium nun onLine VerfügBarNachdem die komplette Druckauflage vergriffen ist, hat sich der Deutsche Bundesverband Coaching (DBVC) dazu entschlossen, das Kompendium als PDF-Download frei zugänglich zu machen, damit sich eine breite Öffent-lichkeit über die Professionsstandards des DBVC infor-mieren kann.Weil es der seit Jahren wachsenden Coaching-Branche an professionellen Standards und einem einheitlichen Be-rufsbild fehlt, hat der DBVC im Jahr 2007 sein Coaching-Kompendium vorgelegt. Die 60-seitige Veröffentlichung „Coaching als Profession“ beinhaltet Leitlinien und Emp-fehlungen für die Entwicklung von Coaching und soll nach-haltig zur Professionalisierung der Branche beitragen. DamitempfiehltsichdasKompendiumalljenen,diesichprofessionell mit Coaching auseinandersetzen wollen, als unverzichtbares Nachschlagewerk. Neben den Coachs – und solchen die es werden wollen – soll es insbesondere auch der Wissenschaft zu Gute kommen.

Erschienen ist bisher Teil 1 des Kompendiums, der sich mit den Grundlagen der Profession Coaching auseinan-dersetzt. Die Teile 2 „Professionsstandards“ und 3 „Qua-litätsentwicklung und -überprüfung“ sind in Vorbereitung und werden in weiteren Veröffentlichungen folgen. (tw)

http://www.dbvc.de/cms/index.php?id=409

cL aus Von KutZschenBach neu im BDV t-Pr äsiDiumNeben dem Präsidenten Holger Petersen (Wehrheim/Taunus) gehören nach der 47. BDVT-Mitgliederversamm-lung Ende Mai in Fulda dem Präsidium nun an: Peter Krö-tenheerdt (Leipzig), Christa Mesnaric (Weßling), Bernd Meurer (Gaildorf), Jutta Timmermanns (Wiebelsheim) und Claus von Kutzschenbach (Wiesbaden).Derknappsechzigjährige,studierteDiplom-VolkswirtvonKutzschenbachblicktnichtnuraufeinevierzigjährigejour-nalistische Berufserfahrung zurück, er war ebenso lang-jährig im Management von Verlagen (Norman Rentrop,Th. Gabler) tätig. Mitte der 90er Jahre startete er seine Beratungs- und Trainingskarriere mit dem Slogan „Coach the Coach!“ – den er 2005 durch cvk-consulting ersetzte. Von Kutzschenbach, der bislang schon als BDVT-Beirat fungierte, wurde ins Präsidium berufen.

Neue Schwerpunkte im BDVT sind die Kongressveranstal-tung „experta“ (1. – 2. März 2010 in Bamberg), die sich ge-zielt an Personalentwickler wendet, und die Einführung einer virtuellen Messeplattform via Internet. Diese virtuelle Mes-sehalle des BDVT soll bis zum Herbst installiert sein und darin auch einzelnen Mitgliedern die Einrichtung virtueller Messestände für Kommunikation, Interaktion, einen eige-nen Web-Cast und Training mit Kollegen und Kunden bieten.Das zweitägige (15.) BDVT-Camp im Anschluss an die Mitgliederversammlung stand unter dem Motto „Hirn und Herz, Kompetenz entfalten - Begeisterung wecken“. Knapp 90 Teilnehmende besuchten dabei weit mehr als ein Dutzend Vorträge und Workshops. (tw)

http://www.bdvt.de

11 3/2009

Pro -Bono - coaching?ICF startet Initiative „Coaching in der Krise“ für Mittel-stands- und Non-Profit-Organisationen.Das Rhein-Main-Chapter der International Coach Feder-ation (ICF) hat eine „Mittelstandsinitiative Coaching“ ge-startet. Im Rahmen ihrer Aktion bietet die ICF kleinen und mittelständischenUnternehmensowieNon-Profit-Organi-sationen in der Rhein-Main-Region bis Ende 2009 an, qua-lifiziertesCoachingunverbindlichauszuprobieren.Gegen„eine geringe Aufwandspauschale“ (EUR 150 zzgl. MWSt pro Coaching-Paket) führen spezialisierte ICF-Coachs, die allesamtübermehrjährigeErfahrung imPersönlichkeits-und Führungs-Coaching verfügen, in Unternehmen und Organisationen fünf Einzel- oder Team-Coaching-Stunden übermaximaldreiMonatedurch.Auflage:DieUnterneh-men haben in den zurückliegenden drei Jahren keine ent-sprechende Maßnahme in Anspruch genommen.

Wir sind überzeugt, dass Coaching einen wertvollen Bei-trag leisten kann, Wege aus der aktuellen Wirtschafts-krise aufzuzeigen“, erklärt Thomas Schulte, Vorsitzender des ICF-Chapters Rhein-Main und Initiator der Aktion. Mitinitiator Andreas Kömmling grenzt sich vom Verdacht der Verkaufsförderung ab: „Wir verteilen ja nicht Probe-packungen von Zigaretten in Kneipen. Wir wollen das In-strument Coaching bekannt machen und unseren Teil zur Bewältigung der Krise leisten“, erläutert der Frankfurter Coach. „Unsere Aufwandspauschale würde im Business-CoachingjanochnichteinmalfüreineeinzigeStundeaus-reichen; manchmal würde sie schon alleine für die Fahrt-kosten verbraucht.“ (tw)http://www.coachfederation.de/mic

emcc-DeutschL anD mit neuem Pr äsiDiumPeter Rütter (Bonn) ist Nachfolger von Dr. Stefan Mette. Weiterhin gehören Ulrike Doepgen (Köln), Edith Preuß (Berlin) und Michael Thiel (Hamburg) dem Präsidium an.Peter M. Rütter, Leiter Personal der zum Telekom-Konzern gehörenden Vivento Customer Services GmbH (VCS) in Bonn, ist neuer Chairman des European Mentoring and Coaching Council (EMCC) in Deutschland. Damit ist er Amtsnachfolger des ehemaligen T-Mobile-Managers und inzwischen HR-Direktors eines Randstad-Tochterunterneh-mens Dr. Stefan Mette. Am 9. April 2009 hat Rütter die Präsidentschaft des Verbands übernommen. Der EMCC hat europaweit rund 3.000, in Deutschland allerdings le-diglich 30 Mitglieder.Insbesondere das EMCC-Qualitätskonzept für Coaching-Ausbildungen möchte Rütter stärker bekannt machen. „Der EMCC hat Kompetenzprofile entlang der Bologna-Kriterien erarbeitet, die 47 operable Qualitätskriterien umfassen.DieProfilesindalsodemuniversitärenBereichentlehnt und gleichen akademischen Graden. Ich halte das Konzept für so ausgefeilt, dass es die aktuelle Qualitäts-diskussioninDeutschlandeigentlichüberflüssigmacht“,so Rütter im Interview mit „Training aktuell“ (5/09). (tw)http://www.emccouncil.org

L e s e r B r i e fc oac h i n g - m ag a Z i n 2/09: o n L i n e - c oac h i n g

Die beiden Statements haben mich zum Nachdenken ge-bracht. So bin ich auf diese These gekommen: Wer Online-Coachings durchführt, verbessert auch seine Fähigkeiten im Live-Coaching.

Coachs, die Erfahrung in Online-Coaching haben, zeich-nen sich dadurch aus, dass sie ihren Klienten viel zutrau-en,nämlichdieFähigkeit zurSelbstreflexion,einepräzi-se Ausdrucksweise oder zumindest die Motivation dazu und die Bereitschaft, ehrlich mit sich umzugehen. Dieses Vertrauen indieOnline-Klientenkommt janicht vonun-gefähr, sondern durch die positiven Erfahrungen mit den Klienten, von denen das Feedback kommt, dass ihnen das Online-Coaching für ihre persönliche Weiterentwick-lung viel gebracht habe. Bei diesen Coachs kann ich mir auch gut vorstellen, dass sie pragmatisch an ihr erstes Online-Coaching herangingen, ohne ängstlich zu fragen, was dabei alles schiefgehen kann und ob es nicht eventu-ell schädlich für den Klienten sein könnte. (…)

In Coaching-Ausbildungen lerntman ja, dass der KlientExperte für sich selbst ist und man ihn dort abholen soll-te, wo er steht. Dennoch gibt es Coachs, die von ihren Klienten annehmen, dass sie nicht ehrlich mit sich sind, dass sie nicht präzise genug ihre Anliegen klären können und ganz viel Hilfe dabei brauchen, um zu erkennen, wer sie sind –jasogarsovielHilfe,dassderCoachesihnensagen muss. Oft sind das auch die Coachs, die sehr viele Nachteile in Online-Coaching sehen und es sogar vollstän-dig ablehnen. Bei ihnen habe ich den Eindruck, dass es ihnen sehr wichtig ist, ihren Klienten richtig zu verstehen, ihn richtig einzuschätzen, sein Problem richtig zu verste-hen, um es dann für ihn lösen zu können. Was sie ge-genüber ihrem Klienten so direkt nicht kommunizieren, dennsiehabenjaeigentlichinihrerCoaching-Ausbildunggelernt, dass ein Coach Begleiter und kein Problemlöser sei.

Für einen Artikel über Online-Coaching habe ich einige Coachs interviewt, die sowohl live als auch online coa-chen. Bei ihnen ist mir aufgefallen, dass sie überhaupt nicht danach streben, heraus zu bekommen, wie ihre Kli-enten sind, ob sie ihnen genug vertrauen und sie auch nicht belügen, denn ihnen ist viel wichtiger, dass ihre Kli-enten mit ihrem Selbstbild leben können, sie sich verste-henundihreindividuelleLösungfürihreProblemefindenbzw. selbst entscheiden, auf welche Weise sie ihr Ziel er-reichen möchten. (…)

Ute Albrecht, Seesen

LeserbriefeWir freuen uns über ihre Kommentare, Anregungen und Kritik. Mailen Sie uns Ihre Meinung gerne als Leserbrief an:[email protected]

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interVieWm i t s i r J o h n W h i t m o r eCoaching ist wichtiger als Consulting. Im Kern eines ganzheitlichen Coaching-Konzepts stehen Bewusstsein, Verantwortung und Nachhaltigkeit.

Ein Gespräch mit Thomas Webers

Er war Rennfahrer und Gewinner von Le Mans, entstammt einer der ältesten Adels-

familien Englands, ist Unternehmer, Coach und hält weltweit Vorträge – Sir John

Whitmore ist der Coaching-Nestor. Durch sein Buch „Coaching for Performance“

initiierte und inspirierte er das, was sich seit den 80er Jahren zur Coaching-Bran-

che entwickelte. Sein GROW-Modell (Goals, Reality, Options, Will) gab vielen dabei

Orientierung. Sir John Whitmore ist Chairman des Londoner Coaching- und Bera-

tungsunternehmens Performance Consultants International – und Humanist durch

und durch.

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Sir John, bevor Sie Coach wurden, wa-ren Sie Rennfahrer. Wie fügt sich denn so etwas zusammen?Ich hatte einfach Glück. Schon kurz nachdem ich die Schule verlassen hatte, wurde ich ein professioneller Rennfahrer. Und es lief acht Jahre lang auch sehr gut. Ich war einfach immer schon an Leistungssport interessiert. Als ich dann mit den Autorennen auf-hörte,warichnochrechtjung.MeinVa-ter war gestorben, und ich übernahm sein Geschäft: eine große Farm. Hinzu kam ein Ford-Autohaus. Und auch noch ein Unternehmen für Design. Und ich hatte all das, was man meint, haben zu müssen, um glücklich zu sein: ein eigenes Haus, ein Flugzeug, eine In-sel in der Karibik und so weiter. Doch innerlich kamen Fragen auf: Wirst Du glücklicher werden, wenn Du ein noch größeres Auto fährst oder ein noch grö-ßeres Flugzeug besitzt? Das war der Zeitpunkt, an dem ich begonnen habe, mich für Psychologie zu interessieren. Ich wollte verstehen, was mich im Inne-ren beschäftigt. Deshalb ging ich dann nach Kalifornien, wo zu der Zeit alle wichtigen psychologischen Denker leb-ten, wie zum Beispiel Carl Rogers oder Abraham Maslow.

Haben Sie sich damals schon mit „The Inner Game“ beschäftigt?Nein, das existierte noch gar nicht. Natürlich musste ich mich auch als Rennfahrer schon mit meinen menta-len Prozessen beschäftigen, aber das habe ich eben noch nicht so profes-sionell getan wie später. Tim Gallway hat „The Inner Game” entwickelt. Wir kannten uns und es hat sich zwischen uns eine sehr produktive Freundschaft entwickelt. Tim hat an der Entwicklung von Coaching einen maßgeblichen, nicht zu unterschätzenden Anteil. In Kalifornien lernte ich sehr viel Psy-chologie, ich hätte damals Psycho-therapeut werden können. Aber in der Rolle habe ich mich nicht gesehen. Mich interessierte stattdessen, wie ich dieses Wissen im Sport anwenden könnte. Und so habe ich nach mei-ner Rückkehr nach England eine Ten-nis- und eine Ski-Schule eröffnet. Und dann geschah es, dass Geschäftsleu-te, die in meine Schulen kamen, mich fragten, ob ich nicht auch in deren Unternehmen tätig werden könnte.

Es gibt einen klaren Unterschied zwi-schen Instruktion und Coaching.

Fanden die Leute Ihre Methoden, bei-spielsweise Tennis zu lernen, nicht et-was seltsam? Ich erinnere mich da an einen Film, in dem Sie eine Anfängerin mit dem Golfspielen vertraut machten und lediglich Fragen einsetzen, statt klassisch zu instruieren.Unsere Schüler hatten damit kein Pro-blem, sie waren begeistert. Es gibt einen klaren Unterschied zwischen In-struktion und Coaching. In dem Film, den Sie ansprechen, sieht man das ja auch sehr schön. Probleme hattenwir mit den anderen Schulen. Die hiel-ten uns für verrückt und unlauter. Und doch kam es auch gelegentlich zum Austausch. Schließlich konnte man die Augen nicht davor verschließen, dass mein Sohn ein exzellenter Tennisspie-ler wurde, und dass, obwohl ich, der jagarkeinTennisspielte,ihncoachte.

Coaching war völlig neu. Und die Un-ternehmen waren viel offener dafür als die Sporteinrichtungen.

Wie war das denn im Business-Kon-text?Da war das viel einfacher, denn dort gab es keine eingeschliffene Traditi-on. Coaching war völlig neu. Und die Unternehmen waren viel offener dafür als die Sporteinrichtungen. Jetzt, fünf-undzwanzig Jahre später, beginnt sich nun übrigens auch das Sport-Coaching langsam zu verändern.

Was waren das denn für Unternehmen, mit denen Sie zuerst gearbeitet ha-ben?Das allererste Unternehmen, mit dem ich gearbeitet habe, war IBM. Dann ka-men McKinsey, ein international ope-rierender Schuhhersteller und die Bank Barclays hinzu – also einige durchaus große Unternehmen.

Wollen Sie damit sagen, Coaching ent-stand seinerzeit in England?Jenseits von England spielte sich damals in der Tat kaum etwas ab. Die nächste Region, die sich dem Coaching öffnete, war Skandinavien.

Mein Buch wurde nach und nach über-setzt und beeinflusste so zunächstSkandinavien, dann Deutschland, Frankreich, Spanien und so weiter, bis es dann auch Asien und Australien er-reicht hat.

Gab es nicht schon Coaching in den USA?Das war überwiegend Life-Coaching, weniger Business-Coaching. In Europa hat mein Buch den Trend gesetzt. Es wurde nach und nach übersetzt und be-einflusste so zunächst Skandinavien,dann Deutschland, Frankreich, Spanien und so weiter, bis es dann auch Asien und Australien erreicht hat. Aus dem Buch erfuhr man, was Coaching ist und wie es geht. Andere haben dann spä-ter Neuro Linguistic Programming (NLP) und anderes hinzugefügt. Mein Buch aber war die Quelle.

Eine vortreffliche Ausgangslage für ein Imperium…Ja, so machen das die US-Amerikaner. Die haben ihre Popstars wie Stephen Covey, veranstalten große Events, bei denen der Redner für eine halbe Stun-de bis zu 25.000 Dollar erhält, und ver-kaufen in Zweitverwertung auch noch Unmengen von DVDs. Aber das ist nicht mein Ding, ich möchte nicht Teil einer solch riesigen Vertriebsmaschine sein. Mich interessiert der direkte Kon-takt mit Menschen, Personenkult mag ich nicht.

Aber Sie reisen doch auch und halten in vielen Ländern Vorträge.Das stimmt. Wenn Länder wie Südko-rea oder Rumänien die Coaching-Szene anschieben möchten und vieles, was man dort über Coaching weiß, aus mei-nem Buch stammt, ist es klar, dass sie mich als Redner auf ihre Veranstal-tungen einladen. Und ich komme na-türlich gerne. Es steht aber kein Plan dahinter, in welchen Ländern ich be-sondershäufigarbeite.Ichkönntegarnicht sagen, warum ich relativ selten in Deutschland bin, dafür aber häufi-ger in Spanien. Aber ich freue mich, im Herbst und Anfang nächsten Jahres für Veranstaltungen wieder nach Deutsch-land zu kommen.

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Sie sind auch verbandlich aktiv. Ihr Name wird immer wieder im Zusam-menhang mit der ICF oder der Associa-tion for Coaching genannt.Ich möchte natürlich die Coaching-Pro-fession voran treiben und erfolgreich machen. Deshalb bin ich Vicepresident der Association, berate den ICF und war im Gründungsvorstand des EMCC, aber das bin ich nur, weil man mich kennt und immer wieder anfragt. Und weil ich so vielleicht auch etwas Ein-flussausübenkann.Undtrotzdembinund bleibe ich ein Freigeist. Ich fühle eine Verantwortung für die Coaching-Bewegung und unser Produkt: authenti-sche, angstfreie, selbstverantwortliche Menschen, die nicht mehr Opfer von Hierarchien und hierarchischem Den-ken sind.

Diese Verbandslandschaft ist bunt und zersplittert. Sollten diese Verbände nicht zu einem einzigen fusionieren?Vor Jahren habe ich schon gesagt, sie sollen sich weniger Konkurrenz machen und mehr zusammenarbeiten. Und glücklicherweiseredensiejamiteinan-der und kooperieren in bestimmten Be-reichen. Andererseits organisieren und repräsentieren sie auch unterschiedli-che Bedürfnisse. In einer idealen Welt würde man vielleicht eine einzige Or-ganisation haben. Aber schauen Sie sich die Geschichte an, so große und singuläre Organisationen können auch langweilig werden.

Es steht eben im Buch und wird immer wieder aufgegriffen, aber es sagt nichts aus über die Ziele des Coaching

Vor allem das GROW-Modell hat sie be-kannt gemacht.Das ist doch keine großartige Leistung, das ist doch nur ein allgemeines Pha-senmodell. Es steht eben im Buch und wird immer wieder aufgegriffen, aber es sagt nichts aus über die Ziele des Coaching. Es gibt dem Coach eine Se-quenz vor, der er, wenn angemessen, folgen kann.

Und warum ist Awareness, ich würde es einmal mit Achtsamkeit übersetzen, für Sie ein wichtiges Prinzip?Nun, weil wir normalerweise schlafen – mit offenen Augen. Wir müssen aufwa-chen, achtsam mit allen unseren Sin-nen werden, wenn wir etwas verändern wollen. Und darum geht es doch im Coaching, um Bewusstsein. Alle Weis-heitslehrer lehren dieses Bewusstsein als ein bewusstes Sein, in allen Religi-onen. Bewusstsein ist sehr fundamen-tal. Wer ein Coaching-Konzept vorstellt, in dem Awareness (Achtsamkeit, Be-wusstsein) und Responsibility (Selbst-verantwortung, Nachhaltigkeit) fehlen, der hat nicht verstanden, worum es im Coaching geht. Es geht um existenziel-le menschliche Belange.

Warum gehören beide zusammen?Wer achtsam ist und bewusst lebt, muss nichts weiter tun. Das war übri-gens bei diesem Kalifornien-Ding da-

mals der Fall, da ging es fast nur um Bewusstsein. Wenn es aber um Han-deln geht, kommt man um die Verant-wortung für sein Handeln nicht herum. Der Wille, die Intention zu handeln und der Zweck, auf den es sich rich-tet, schließt die Verantwortung für sein Handeln mit ein. Insofern könnte man sagen, der Zweck des Lebens ist, die eigene Entwicklung voranzutreiben.

Möchten Sie die Welt verändern?Ich interessiere mich für die Welt, wie sie ist und was darin geschieht. Ich sehe, dass vieles, was wir tun, dest-ruktiv ist – gegenüber der Natur, aber auch gegenüber anderen Menschen. Die äußere Welt ist ein Spiegel des-sen, wie es um uns bestellt ist. Darum haben wir Responsibility im Sinne von Verantwortung und Nachhaltigkeit zum zweiten Standbein bei Performance Consultants International gemacht, dem Coaching- und Beratungsunter-

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nehmen, das ich 2006 in London mit David Brown gegründet habe. Coaching und Nachhaltigkeit gehören zusam-men. Alles ist vernetzt (whole system perspective) und beides beschreibt spiegelbildlich die neuen Dimensionen von Bewusstsein, Verantwortlichkeit und Entwicklung auf individueller und kollektiver Ebene. Mir liegt es am Her-zen, dass die Welt ein glücklicherer Ort wird als sie heute ist. Ich bin viel herum gereist in meinem Leben, und ich bin glücklich. Ich möchte meine Er-fahrungen und Erkenntnisse an andere Menschen weiter geben.

Sie möchten die nächste Generation beeinflussen?Ja, denn wenn wir heute unseren Le-bensstil nicht verändern, wird es in drei Generationen keine Welt mehr geben. Europa wird zur Wüste. Leben wird man nur noch im nördlichen Teil Kanadas oder in Sibirien. Stellen Sie sich die

Völkerwanderung vor. Und wir haben janichtnurUmweltprobleme,sondernauch soziale Schwierigkeiten. Unser Stresslevel ist sehr hoch. Die Quote der Jugendgewalt und die der Teenager-Schwangerschaften sind hoch. Psychi-sche Erkrankungen nehmen zu.

Coaching fokussiert stark auf das In-dividuum. Müssen wir nicht auch die Organisationskultur verändern?Sicher, auf jeden Fall. InmeinemUn-ternehmen haben wir das immer schon gemacht. Wir arbeiten beispielsweise gerade mit multinationalen Konzernen in Nord- und Lateinamerika an Trans-formationsprozessen der Organisa-tionskultur, in der Coaching der Füh-rungskräfte und eine Coaching-Kultur die Katalysatoren für Werte- und Ver-haltensänderungen sind. Oder wir ar-beiten mit multilateralen Institutionen wie der Europäischen Kommission zu-sammen, um die Fahrschulausbildung

in ganz Europa von der Instruktion hin zu Coaching zu verändern. Auch im Erziehungswesen und Gesundheits-system sind wir tätig – übrigens auch in einer Kooperation mit der Sportwis-senschaftlichen Fakultät der Humboldt Universität in Berlin. Und wir versuchen so in der Tat, die Welt ein Stück zu ver-ändern.

Lassen sich denn die Prinzipien, die Sie in der Arbeit mit Individuen nutzen, auch auf die Arbeit mit Organisationen übertragen?Ja, sicher. Es geht auch auf Team- oder Organisationsebene um Bewusstsein und Verantwortung. Da gibt es keine Unterschiede.

Das Individuum ist Teil eines Systems. Und wir müssen uns das ganze System anschauen, um ihm gerecht zu werden.

Sie benutzen auch den Begriff des Transpersonalen Coaching. Was meint das?Die Art von Psychologie, die ich Anfang der 1970er Jahre in Kalifornien kennen lernte, nennt sich humanistische oder personenzentrierte Psychologie. Der transpersonale ist mehr ein ganzheit-licher, systembasierter Ansatz. Das In-dividuum ist Teil eines Systems. Und wir müssen uns das ganze System an-schauen, um ihm gerecht zu werden. Zum ganzen System gehören auch die Gesellschaft oder die Spiritualität. We-nige Psychologen denken soweit. Eine Ausnahme stellt vielleicht Carl G. Jung dar, ihn könnte man einen transperso-nalen Psychologen nennen. In der aka-demischen Psychologie tut man sich schwer mit dieser Perspektive, weil es schwierig ist, die Spiritualität zu er-forschen. Man kann nicht überprüfen, ob Gott existiert. Es gibt eine Menge Unwissen an den Rändern der Wissen-schaft.

Was wünschen Sie sich für die Coaching-Community für die nächsten Jahre? Wohin soll die Reise Ihrer Mei-nung nach gehen?Ich denke, das Wichtigste ist, das Coaching sich als eine vollständig ent-wickelte Profession sieht. Coaching ist inzwischen wichtiger als Consul-

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ting. Nichts gegen Consulting, aber die Hauptsache ist nicht die Technik, sondern sind die Menschen. Ich den-ke, mit diesem Selbstverständnis wird Coaching seiner Rolle besser gerecht und hat auch größeren Einfluss. Ichwünsche mir, dass noch mehr Coachs den transpersonalen Ansatz überneh-men. Der Trend zeichnet sich aller-dings schon ab. Und ich wünsche mir, dassCoachsgrößerenEinflussaufdiegroßen Institutionen bekommen, das Erziehungswesen oder das Gesund-heitssystem. Hier kann Coaching einen großen Beitrag zur Verbesserung die-ser Systeme leisten.

Wenn Sie sagen: „eigene Profession“, dann meinen Sie auch, Coachs sollen sich nicht von den McKinseys, Boston Consultings etc. aufsaugen lassen?Warum soll nicht beides möglich sein? Dagegen spricht meiner Meinung nach nichts.WirmachenjaschließlichauchCoaching for Consultants-Programme und sind als Beratungsunternehmen tätig. Die globalen Herausforderungen sind immens und die Angst und Des-orientierung in dieser Krise so groß, dass wir kreative Führungskräfte und Ansätze benötigen. Coaching kann von Angst befreien und Kreativität be-flügeln.WirmüssensowohldenMen-schen Coaching anbieten als auch Nachhaltigkeitsstrategien fördern. Die Welt, unser Kontext, verändert sich dramatisch, die alten Ansätze und Verhaltensmuster passen nicht mehr, weder auf der Mikro- noch auf der Ma-kroebene. Coaching fokussiert auf die

Entwicklung des Menschen an sich, sein Selbst, seine Werte, wer er ist, seine internen Qualitäten. Die müssen wir gerade jetzt fördern, ihm eine so-lide Grundlage geben. Interessanter-weise fragen jetztauchStrategiebera-tungsunternehmen unsere Kultur- und Transformationskompetenz nach.

Was sind Beiträge, die in der wirt-schaftlichen Krise vom Coaching kom-men können?Ich bin ein Optimist. In dieser Krise ist es noch wichtiger, Coaching und Nach-haltigkeit kraftvoll zu verbinden. Nach-haltigkeitbedeutetfürjedePersonundOrganisation Unterschiedliches, aber nur sie selber können und werden den für sie richtigen Beitrag und Weg aus derKrisemitHilfedesCoachingsfin-den. Die Krise verstärkt die Ängste, seine Ziele nicht zu erreichen, die An-erkennung des Teams oder die vom Boss nicht zu bekommen, den Job zu verlieren oder überhaupt Veränderun-gen anzugehen. Als Reaktion machen Menschen die äußeren Umstände ver-antwortlich oder verfallen ins Abstra-fen,wennjemanddasSollnichterfüllt.Das aber nimmt ihnen die Kraft, kreativ mit der Situation umzugehen. In Zeiten des Wandels ist Coaching sehr wichtig. Wo wir auch hin schauen, es ist doch bemerkenswert, wie groß wir die Kluft empfindenzwischendemnotwendigenWandel und unserer Fähigkeit, effektiv zu agieren.

Coaching hilft, Klarheit zu gewinnen, die neuen Gegebenheiten zu würdigen, aber auch seine unbewussten Annah-men und die Fülle seiner Optionen zu durchdenken.

Was tut der Coach, um effektiven Wan-del zu befördern?Coaching hilft, Klarheit zu gewinnen, die neuen Gegebenheiten zu würdigen, aber auch seine unbewussten Annah-men und die Fülle seiner Optionen zu durchdenken. Wenn man seiner Angst und Annahmen gewahr wird und Verant-wortung für seine Situation übernimmt, kann man von der Hilflosigkeit, derBlockade und der Immunität zum Wan-del, zum Handeln zurückkehren. Dazu gehört auch – weil in dieser Zeit viele Menschen nach dem Sinn und Zweck fragen, ob sie das Richtige tun, warum sie gewisse Dinge tun – ihnen bei die-

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Portrait

Sir John Whitmore ist Executive Chairman von Performance Consultants International, London/UK. Der Nestor des Coachings ist in mehreren Coaching-Verbänden aktiv (As-sociation for Coaching, European Mentoring & Coaching Council, International Coach Federation)undhältweltweitVorträge.MaßgeblichenEinflussaufdieVerbreitungundEntwicklung des Coaching hat sein Buch-Klassiker „Coaching for Performance“, das in 17 Sprachen, u.a. ins Deutsche (ISBN: 978-3-9809167-1-4), übersetzt wurde und gerade in vierter, überarbeiteter Edition im Englischen erschienen ist.

[email protected]

ser Orientierung zu helfen. Man kann die Rolle des Coachs so umschreiben: Der Coach ist Geburtshelfer. Er geht mit dir an die Blockade und verhilft dir zum Bewusstseinsprung. Sinn, Po-tenzial, also Deine Ressourcen, wer-den erlebbar und Verantwortung kann übernommen werden. Das gilt übrigens nicht nur für das Individuum, sondern auch für die Transformation ganzer Or-ganisationen.

Nun wird die Bezeichnung Coaching ja inflationär gebraucht und für alles Mögliche strapaziert. Wirkt das nicht kontraproduktiv?An den Rändern des Coachings gibt es Versuche, Coaching aufzuweichen. Natürlich fühle auch ich mich bei so Manchem unwohl. Es gibt in der Tat sehr schlechte Interpretationen des Coaching. Allerdings: Sollen sie doch machen. Es besteht ja durchaus dieMöglichkeit, dass sie mit der Zeit bes-ser werden. Sollen wir die Szene statt-dessen streng kontrollieren? Ich bin eher für Freiheit. Auch ich habe Reisen unternommen und dabei Umwege ge-macht, auch ich habe Fehler gemacht. Man muss Fehler machen dürfen, um lernen zu können. Manche Prozesse sind auch schmerzhaft. Aber so ist doch das Leben.

Darf ich Sie fragen, wie alt sie sind?Ich bin 72 Jahre alt.

Und Sie reisen noch um die Welt…Ich glaube nicht ans Alter, das sind doch bloß Zahlen.

Wie alt fühlen Sie sich denn?Och, so ungefähr 28 Jahre alt. Alt ge-nug, ein Vater zu sein. Ich bin körper-lichfit,gehejedenTaginsFitnesscen-ter und arbeite da anderthalb Stunden hart. Ich gehe Skilaufen. Ich denke

nicht über mein Alter nach, sondern mache einfach mein Ding.

Sie denken nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen?Nein, warum? Sehen Sie, wenn ich Se-minare mache, frage ich die Leute im-mer, was sie machen, wenn sie nicht arbeiten. Denn ich will sicher sein,

dass sie auch noch ein Privatleben haben neben der Arbeit und der Fami-lie. Und manchmal bin ich geschockt, wenn ich von einem45jährigen höre,„alsichjungwar,habeichTennisge-spielt, war ich Musiker“. Ich bin fast doppelt so alt, aber so alt bin ich auch wieder nicht.

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Von Dr. Konrad Elsässer

Empowerment gibt es immer schon – und freilich auch außerhalb von Coaching. Aber jedes „gute“ Coaching ist auch Empowerment, wenn es eine Verstärkung der Selbststeuerung des Klienten bewirkt. Empowerment heißt nicht, dass Power, Macht, Energie, Unternehmensmut und so weiter von außen in eine Person „hinein verlegt“ werden können. Wohl aber hat es klare inhaltliche und prozessuale As-pekte.

empowerment im Business-coaching

Empowerment bedeutet, dass vorhan-dene, aber wenig oder unvollständig genutzte Ressourcen und Kompeten-zenentdeckt,gepflegt,wertgeschätzt,entfaltet, bestätigt, bestärkt und er-weitert werden. Und in diesem Sinne solltejedeArtvonCoaching–undjedeCoaching-Sitzung – „Empowerment“ bedeuten; selbst wenn dabei ein Kli-ent sehr ernst oder grundsätzlich mit

Haltung auszeichnet. Ebenfalls zu nen-nen wäre Saul D. Alinsky (1909-72). Er organisierte die „Habenichtse“ in den Slums von Chicago und hat seine Er-fahrungen als „Anleitung zum Mächtig-sein“ veröffentlicht (s. Kasten). Ich be-schreibe Coaching als Empowerment – als Ermächtigung zu wesentlicher Lebenskraft – in vier Schritten:

bestimmten Aktivitäten in Frage ge-stellt wird.

Der Begriff Empowerment entstammt der amerikanischen „Gemeindepsy-chologie“. Der Sozialwissenschaftler Julian Rappaport (1981) versteht dar-unter ein Konzept, das sich durch eine Abwendung von einer defizitorientier-ten hin zu einer stärkenorientierten

Sponsor, HR, Unternehmen

KlientCoach

nicht geheim

vertraulich

Abb. 1: Die Gespräche zwischen Coach und Klient sind vertraulich – aber das Coach-ing ist nicht geheim, weil es vom Unternehmen eingesetzt und in seiner Wirkung beobachtet wird.

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Der organisationale Rahmen von 1. Business-Coaching

Grenzen und Beziehungen im glo-2. balen Kontext

Empowerment als Bestärkung der 3. eigenen Machtquellen

Beobachtung der Wirkungen von 4. Coaching als Empowerment

Der organisationale Rahmen von Business-CoachingCoaching im Kontext von Business trifft immer auf Macht;DefinitionsmachtinStrukturen und in Prozessen, Macht in Erwartungen, Zuschreibungen und Bestätigungen. Doch soziale Systeme sind nicht statisch, auch wenn die Bilder, die wir uns in der Regel davon machen, „stehende“ Bilder, eher Fotos vergleichbar sind als einem Film. Wir sehen Organigramme, aber nicht, was sich prozessual permanent verändert. Umso mehr müssen Organisationen in ihrer Prozess- und Entwicklungsorientierung wahrgenommen und beschrieben werden. Business Coaching stellt sich in den Organisationskontext, indem es Vertraulichkeit und Transparenz kombiniert. Die Gespräche zwischen Coach und Klient sind vertraulich – aber das Coaching ist nicht geheim, weil es vom Unternehmen eingesetzt und in seiner Wirkung beobachtet wird (s. Abb. 1).

Empowerment verortet im organisa-tionalen Kontext die jeweiligen indivi-duellen Erwartungen und die Art und Weise ihrer sozialen Zurechnung. Es klärt die sich daraus ergebenden Inter-aktionen. Es schärft den Blick für die Herausbildung und Entwicklung von Identitätsformationen in Selbst- und Fremdbildern. Es zeigt die Konstrukti-onsprinzipienderjeweilspropagiertenWerte. Es hebt die sozialen Konstrukte wie Autorität, Macht, Legitimität, Loya-lität in den Bereich der Gestaltbarkeit.Wenn Empowerment allgemein den sozialen Boden einer Person sichert, dann weitet und konsolidiert empo-werndes Coaching den sozialen Boden für den Klienten im organisationalen undberuflichenKontext.Wenn Empo-werment sowohl Standfestigkeit als auch Flexibilität in unterschiedlichen sozialen Systemen erhöht, dann er-höht es sie im Coaching konkret, si-

tuativ zugespitzt und in praktischen Handlungsoptionen.

Grenzen und Beziehungen im globalen KontextAlle sozialen Systeme unterliegen im Kontext der gegenwärtigen gesell-schaftlichen und globalen Entwick-lungen einer vielfältigen Dynamik, die aber in der Informationstechnologie einen gemeinsamen Angelpunkt hat. Raum, Grenzen und Reichweite haben sich durch die Informationstechnolo-gie grundlegend und in dramatischem Tempo verändert. Innerhalb einer Ge-neration sind Jahrtausende alte Bezie-hungsgefüge quantitativ und qualitativ anders geworden.

Am deutlichsten wird dies fassbar am menschlichen Relationsfeld, das in der Ausdifferenzierung und im Zusammen-spiel zwischen Hand und Wort (André Leroi-Gourhan, 1980) für die Mensch-

werdung insgesamt konstitutiv ist. In diesem Relationsfeld zwischen Kopf/Mund/Wort einerseits und Hand/Werkzeug andererseits liegen sowohl die Begriffe als das, was „begriffen“, mit dem Verstand angeeignet worden ist, als auch die Instrumente, die die menschlichen Sinne „erweitern“ (als Signalhorn, als Lupe, als Greifzange) oder die Raum und Zeit überbrücken (als Leiter, Rad, Brücke, Kalender, Uhr).

Begriffe und Instrumente sind in im-mer schnellerem Tempo im Verlauf der letzten zehntausend Jahre entwickelt worden. Im 19. und im 20. Jahrhun-dert wurden die räumlichen Grenzen durch Eisenbahn, Dieselmotor, Telefon und schließlich die „Begehung“ des Weltraums ausgeweitet ins Globale. Maschinen, Fortbewegungsmittel und wissenschaftliche Instrumente haben zu einer universalen Durchdringung

„Anleitung zum Mächtigsein“ (Saul D. Alinsky, 1946)

Ein anderes Wort als „Macht“ zu gebrauchen heißt, die Bedeutung von allem, worüber wir reden, zu ändern. Wie sagte noch Mark Twain einmal: „Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem fast richtigen Wort ist der Unterschied zwischen der Erleuchtung und einem Glühwürmchen. (...) Die Korruption der Macht liegt nicht an der Macht, sondern an uns selbst. Und außerdem, was ist diese Macht, von der und für die die Menschen in einem starken Maße leben? Macht ist das eigentlich Wesentliche, der Dynamo des Lebens. Durch die Macht des Herzens wird Blut durch den Körper gepumpt und erhält ihn am Leben. Es ist die Macht einer aktiven Beteiligung der Bürger, die eine vereinigte Stärke für ein gemeinsames Ziel schafft. Macht ist eine wesentliche Lebenskraft, die immer wirkt, entweder zur Veränderung der Welt oder zur Verhinderung von Veränderung. Macht oder organisierte Tatkraft kann ein tödlicher Explosionsstoff oder ein lebensrettendes Heilmittel sein. Mit der Macht eines Gewehrs kann man die Sklaverei aufrechterhalten oder die Freiheit erlangen.

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und Beherrschung des Planeten Erde geführt. Instrumente von immer weite-rer oder tieferer Reichweite im Großen wie im Kleinen, vor allem Radio, Fern-sehen und Telekommunikation haben das menschliche Relationsfeld alltags-praktisch ausgeweitet.

Im PC implodiert sozusagen diese expansive Dynamik. Sie schrumpft zusammen auf ein „Fenster“ im (anti-quierten) Maß von 9 x 13 Zoll. Damit werden herkömmliche Beziehungen „auf den Kopf“ gestellt. Ehedem ein-deutig materielle Beziehungen zu Ge-genständen (Büchern, Karten usw.) und persönliche Beziehungen zwi-schenMenschenundGruppenverflüs-sigen sich.

Mit dem PC engt sich das historisch dif-ferenzierte Relationsfeld der meisten modernen Menschen massenhaft und zeitlich beherrschend auf eine lokale „Gehäuse“-Struktur zwischen Kopf und Augen, Händen und Bildschirm ein (s. Abb. 2).

Empowerndes Coaching „rekonstitu-iert“ den leibhaftigen Menschen als Mann oder Frau in ihrem jeweiligenEigen-Sinn in der Gegenwart. Sozu-sagen als Gegengewicht zur virtuel-len Grenzenlosigkeit und Ubiquität im Mensch-Computer-Relationsfeld, „re-konstruiert“ und nutzt es die Form vertraulichen Dialogs im „Gehäuse“ der Kutsche (Coach) – verlangsamend, reflexiv,deutend,inFragestellendundbestärkend. Empowerndes Coaching führt aus dem globalen Kontext wie-der zurück auf das Erleben des Orga-nismus Mensch, auf den umgebenden Grenzraum (intime Distanz, Greifnähe) und auf körperferne Grenzräume au-ßerhalb dieser Greifnähe, auf soziale Distanz, aber auch auf Kommunikati-on.

Empowerment als Bestär-kung der eigenen Macht-quellenEmpowerment nutzt das Setting des Coachings: Auf der einen Seite nutzt

es den Organisationskontext, der im Coaching verändert, verdoppelt ist (Organisationskontext des Klienten und Organisationskontext des Coachs) und dialogisch verläuft. Es nutzt und „beutet aus“ – sowohl die Erwartun-gen, Wünsche und Ressourcen der konkretenKundenalsauchdiejeweilslokalen, situativen und strukturellen Spielregeln der Organisation. Es ver-bindet sie mit globalen, universellen, virtuellen Bezugspunkten, Prozessen, Entwicklungen. Auf der anderen Seite nutzt Empowerment unterschiedliche Prozessdynamiken, wie Co-Produktion und relationiertes Expertentum, die Entfaltung von innen nach außen so-wie kritisches Denken.

Co-Produktion und relationiertes Ex-pertentumIm Coaching arbeiten Klient und Coach zusammen. Dies ist banal, aber doch nicht nur eine elementare Vorausset-zungfürdasStattfindenvonCoaching,sondern auch ein unermesslicher Ge-staltungsraum. Maria L. Staubach (2007) unterscheidet bloße Zusam-menarbeit von kreativer, ergebnisrei-cher Co-Produktion. Zusammenarbeit ist keine nur zufällige und von Launen abhängige Folge von Gesprächen, son-dern weist drei Dimensionen der Co-Produktion auf:

Schon in der Auftragsgestaltung 1. kann durch die Art und Weise, wie ein Coach dem Klienten Kompe-tenz und Kooperationsbereitschaft unterstellt, die Grundlage für Krea-tivität und Co-Produktion gelegt werden. In der Auftragsverhandlung ist der Klient eher als Experte des Anliegens und erwarteter „Lösun-gen“, der Coach mehr als Experte professioneller Gesprächsführung und Prozessgestaltung aktiv. Der Coach nutzt sein Nichtwissen, um relevante Informationen des Klien-ten zu bekommen – dieser ist in

der Phase der Experte (seines An-liegens, seiner Geschichte, seiner bisherigen Erfolge und Verände-rungsbereitschaft usw.). Vertrau-enistjeweilsbeiderseitseinePro-duktion als auch Co-Produktion, diereflexivverstärktwerdenkann.Die Prozesse der Veränderung des Klienten erfordern dann wiederum mehr Expertise vom Coach.

Das Dilemma des Coachs ist, zu 2. „bestätigen, ohne zu bestätigen“. Er muss einerseits dem Klienten etwas Neues anbieten, sich aber auch an seiner Auffassung von Nützlichkeit orientieren. Um in diesem und möglichen anderen Dilemmata Co-Kreativität und Co-Produktivität zu ermöglichen und zu stimulieren, bedarf es beson-derer Kompetenzen des Coachs. Staubach nennt dafür vier Para-meter, die sich dynamisch aufein-ander beziehen und wechselseitig beeinflussen:Kompetenz,sichanTheoriezuorientieren,Reflexions-kompetenz, Kompetenz, in relevan-ten Kontexten zu operieren, sowie Prozesssteuerungskompetenz.

Co-Produktion bedeutet von An-3. fang an eine Einschränkung des Expertenstatus des Coachs. Sie läuft sodann auf eine Modellbil-dung von Kommunikation gegen den allgemeinen Trend hinaus. Diese Art co-produktiver Kommu-nikation unterscheidet sich von anderen durch die gegenseitige Bezugnahme der Kommunikations-partner Coach und Klient, deren jeweiligeProfessionalitätgeachtetund wertgeschätzt wird.Dierefle-xive Beziehung zwischen Kunde und Coach erfährt also eine Rela-tionierung. Sie folgt der Dynamik und gestaltet sie in ihrer Verände-rung. Sie orientiert sich an den re-levanten Regeln, die sich aus den Rahmenbedingungen ergeben.

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Sie lässt sich nicht festschreiben, aber doch beschreiben, reflektie-ren, nutzen. Der Coach kann die eigene Beratungspraxis dann als erfolgreich ansehen, wenn eine Er-höhung der Annahmewahrschein-lichkeit seiner Kommunikationsan-gebote zu bemerken ist.

Wenn der Coach sich gleichsam tänze-risch zwischen dominantem Experten-status und Verweigerung von Experti-se hindurch bewegen kann, wenn die Kundin oder der Kunde neue Schritte erkundet und ausprobiert, führt dieses co-produktive Empowerment zu neuen, robusten Handlungsoptionen.

Die Entfaltung der Prozessdynamik von innen nach außenWie entfaltet sich zwischen Klient und Coach ein vertrauensvoller Dialog, der zu Co-Produktivität und Empowerment führt? Wie kommt man vom gemein-sam verhandelten Dialograum zu Ver-trauen,wievonVertrauenzureflexiverund sich selbst verstärkender Co-Pro-duktion, wie von Co-Produktität zum Empowerment einer Seite der Partner im Dialog, nämlich des Klienten?

Jacqui Scholes-Rhodes hat diese Dy-namik in einer eindrucksvollen Arbeit unter dem Titel „From the Inside Out“ (2003) beschrieben. Sie benennt fünf Dimensionen des Dialogs:

Auf beiden Seiten, bei Coach und 1. Klienten, findet ein Prozess des„intuitiven Strukturierens“ (in-tuitive structuring) statt. In den Dialog fließen zwei unterschiedli-cheRedeflüssehinsichtlichAtem,Satzlänge, Expressivität, narra-tiver Distanzierung, personaler Selbstbeschreibung usw. ein. Aus einem anfänglich angenommenen strukturierten Muster (Sitzungs-dauer, Sequenz, Abstände, Art der Vor- oder Nachbereitung, Themen, aber auch Dialogstruktur in Frage und Antwort, Pausen, Umschrei-bung etc.) verstärkt sich eine Struktur der Kooperation in spezi-fischerArtundWeise,sowiesiefür den Dialog und das Vertrauen zwischen diesem Klienten und die-sem Coach sinnvoll erscheint. Aus diesem intuitiven Strukturieren baut sich Empowerment auf.

In der Dynamik des Prozesses der 2. Co-Produktion entfaltet sich so-dann eine „verkörperte Wahrheit“ (unfolding an embodied truth). Klient und Coach sind körperlich anwesende Dialogpartner, unter-schieden in Rasse oder Kultur-raum,Alter,Geschlecht,Biografie,Karriere, Anliegen usw. Beide ver-körpern das, was sie sind und was sie wollen, in diesem Dialog. Ihre jeweilige „Wahrheit“ ist die wich-tigste Quelle von Co-Produktion. Dem Empowerment mag freilich eine solche Wahrheit diametral entgegenstehen, wenn Überzeu-gungen und Haltungen internali-siert worden sind und einen Men-schen prägen im Sinne von „das kannst du nie“, „der Mensch ist unfrei und unfähig“, „wir in unserer Familie sind dafür nicht geboren“, „solche Wünsche kannst du dir aus dem Kopf schlagen“ usw. usf. Empowerment wird die Antithesen zu solchen Glaubenssätzen oder anderweitigen Restriktionen auf-spüren und mit Respekt und Acht-samkeit die tiefere Bedeutung sol-cher „Wahrheiten“ ergründen.

Zugleich stellt sich im Prozess des 3. Coachings ein gewolltes und wahr-genommenes Muster ein (inten-tional and attentional patterning). Beide Dialogpartner verständigen sich über ihre Anliegen, ihre Inten-tionen, über ihre Ziele, über das was sie wollen und anstreben. Bei-de bringen ihre je persönlich ge-prägte Art ein, Aufmerksamkeit zu schenken und zu lenken. Hieraus ergibt sich ein kommunikatives Muster.DerCoachmagalsProfiinGesprächsführung mehr in dieser Musterbildung bemerken, bei sich selbst oder bei Kunden. In die Mu-sterbildung von Co-Produktivität sind aber beide gleichermaßen eingebunden.

Sprache erweist sich als lebendi-4. ger Ausdruck (language as a living expression). Im Coaching (nicht im virtuellen Coaching am Computer) wird in der Regel gesprochen. Es wird auch geschwiegen, gelacht, geseufzt, geweint, gestottert, es wird laut. Worte werden gesucht, auch gefunden. Beide gebrauchen ihr Mundwerk, auch wenn der Ge-

brauch des Mundwerks sozusagen das Handwerk des Coachs ist. Die jeweilige Sprache bleibt frei-lich die Sprache der Person, die spricht und denkt. Aber die hier im Dialog lebendig gesprochene Sprache ist Ausdruck der Ein-drücke, die im Coaching entweder schon sichtbar, greifbar sind, oder die sich emergent andeuten und auftauchen. Lebendige Sprache nimmt Bezug auf die vorgenannten dynamischen Elemente des Struk-turierens, des Verkörperten, der Musterbildung. Lebendige Spra-che „erlebt“ sich.

Respektvolles und generatives Zu-5. hören (respectful and generative li-stening) ist ein weiteres, wichtiges Element dafür, dass ein Mensch etwas aussprechen, „äußern“ kann. Inneres (Gedanken, Wün-sche, Erfahrungen, Träume) nach Außen zu bringen, ist lebensnot-wendig. „Wie will ich wissen, was ich denke, bevor ich sehe, was ich sage“ (Karl E. Weick, 1995) – ohne Feedback, ohne Dialog, ohne aus-drückliche oder implizite Antwort wissen wir nicht wirklich, was wir denken, was in uns vorgeht.

Je mehr in dem dialogischen Prozess von innen nach außen im Sinne dieser fünf Dimensionen vorkommen kann, alsoAusdruckundBestätigungfindet,um so mehr findet Co-Produktion in-haltliche Anregung und verstärkt sich Empowerment für den Kunden.

Riskantes DenkenIndenreflexivenDialogenimCoachinggeht es auf der einen Seite um Kom-plexitätsreduktion. Vor allem ist dies der Fall, wenn ein Klient in den unter-schiedlichen Dynamiken und inmitten der von vielen Seiten auf ihn einströ-menden Informationen nur schwerlich eine Richtung erkennen kann. Vertrau-en reduziert Komplexität (Niklas Luh-mann, 1968). Auf der Grundlage von Vertrauen kann im Coaching vielfach eine solch situative oder auch struk-turelle Komplexität reduziert werden. Zugleich wird es immer auch darum gehen, neue Handlungsoptionen zu eröffnen und zu probieren. Dies kann neue Komplexität nach sich ziehen.

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K O N Z E P T I O N

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Der Autor

Dr. Konrad Elsässer, Senior Coach DBVC, Leiter des Fachausschusses Internationales und Mitglied im Präsidium des DBVC; Senior Berater, Schwertl & Partner Beratergrup-pe, Frankfurt am Main. Zuvor in eigener Firma (Elsässer Spreng) über zehn Jahre als Executive Coach und Mitglied von The Global Coaching Partnership; Dozent, Personal-referent, Organisationsberater, evangelischer Pfarrer der EKHN. Zuletzt erschien sein Buch „Ein Coach nimmt Maß“ (ISBN: 978-3-86638-128-5).

http://www.drelsaesser.comhttp://www.schwertl-partner.de

Vordergründig dient riskantes Denken nach Hans Ulrich Gumbrecht (2002) dazu, die Anschauungen von der Welt in unseren Organisationen und Gesellschaften komplexer und auch komplizierter zu machen, als es im Alltag üblich ist, wo routiniertes Verhalten und Handeln eingespielt sind.

Riskantes Denken geht bis an die Ränder, betrachtet die Grenzen von System und Umwelt, denkt interdisziplinär in eher unbekannte und fremde Gefilde hinein. Damitbewegt es sich immer auch im Feld des Nichtwissens. Riskantes Denken nutzt das Nichtwissen als Ressource, um verlockende Ziele und sinnvolle Wagnisse jenseits dereingefahrenen Gleise auszuloten. Wo es um Empowerment geht, spitzt das riskante Denken die Machtfragen auf Alternativen und Entscheidungen zu.

Riskantes Denken wagt es, aus dem Mainstream von Sicherheit und Konsens auszubrechen. Riskantes Denken pointiert die Fragen nach Maßstäben, nach der Qualität des Beitrages einer Leistung, nach dem Wert einer kulturellen oder meinungsbildenden Zugehörigkeit.

Empowerment setzt das riskante Den-ken vor das Wagnis des Risikos. Aber es ersetzt nicht das Wagnis durch gedankliches Durchspielen, sondern ermutigt zu klarem, konsequentem, nachhaltigem Handeln.

Beobachtung der Wirkungen von Coaching als Empower-mentWie lassen sich Wirkungen von Coaching als Empowerment beob-achten und beschreiben? Sicher wird primär und vor allen anderen Beob-achtern der Klient zurückmelden, ob er Coaching als Empowerment erfährt und nutzt. Dabei wird es vor allem auch auf Nachhaltigkeit, auf Transfer, auf Musterbildung, auf dauerhafte Ressourcenorientierung und Lang-zeitwirkung ankommen. Einfache und kurzfristig eingesetzte Skalierungen sind zur Erhebung hilfreich, leicht und situativ einsetzbar.

Um Wirkungen mittlerer Reichweite zu erheben, ist es sinnvoll, eine Art 360°-Feedback durchzuführen. Es werden also vom Coach – nach vorgängiger Information durch eine E-Mail seitens des Klienten – Personen eines rela-tiv kleinen Kreises angerufen und zu einigen entscheidenden Fragen inter-viewt. Die Ergebnisse dieser Befra-gung werden dann mit dem Kunden ausgetauscht. Von dieser Auswertung können dann wieder andere Beteiligte im Unternehmen, Sponsor oder HR-Verantwortliche, informiert werden.

Die langfristigen Wirkungen von Coaching als Empowerment werden am besten in einem Follow-up etwa ein Jahr nach Abschluss der Coaching-Zusammenarbeit eruiert. Hierbei lohnt insbesondere die Unterscheidung von Breitenwirkung und Tiefenwirkung. Zu-gleich lassen sich über Skalierung Ent-wicklungen in den Blick nehmen, die Selbstentwicklung, Selbststeuerung und Selbstveränderung betreffen. Für den Unternehmenskontext können zahlenbasierte Ergebnisse ebenso

relevant sein wie Rückmeldungen in Feedbacks, Appraisals, Reviews oder Personalgesprächen, veränderten Auf-gabenstellungen, Übertragung anderer Verantwortungsbereiche und so wei-ter. Wie verhält sich die Bewertung der Selbstkompetenz im Vergleich zu den Kompetenzzuschreibungen im Fremd-bild?

Coaching als Empowerment kann in vielfältiger Weise sichtbar wirken. Häu-fig liegen dieseWirkungen außerhalbdes Gesichtskreises des Coachs. Auf Seiten der Kunden werden Wirkungen des Coachings nach Abschluss häu-fig nicht mehr primär dem Coachingzugeordnet. Ein Auftraggeber oder Sponsor im Unternehmen beobachtet, wenn überhaupt, die Wirkungen von Coaching, solange der Prozess dau-ert.

Langfristige Wirkungen von Coaching können am ehesten von der Human Resources-Abteilung eines Unter-nehmens beobachtet werden. Dazu braucht es aber einen konzeptionellen Rahmen für den Einsatz von Coaching im Unternehmen, eine schriftliche Er-fassung des anfänglichen Anliegens und der Vertragsgestaltung sowie ei-nen Abschlussbericht. Ein solcher fällt je nach Autor (Klient selbst, Coach,Sponsor, 360°-Feedback) unterschied-lich aus, kann aber Kriterien liefern, die für übergreifende Evaluationen im HR-Bereich wesentlich sind. Solche unternehmensspezifischen Evalua-tionen sollten dann vermehrt auch wissenschaftlichem Vergleich und sy-stematischer Auswertung zugänglich gemacht werden.

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PraXis

transition- coaching – schnelle Wirksamkeit garantier tVon Elmar Rinck und Thorsten BraunJobwechsel (Transitions) sind wichtige und zugleich riskante Übergänge – für die Führungskraft wie auch für die Organisation. Einer Organisation drohen hohe Ko-sten und Verluste, wenn eine Führungskraft ihre Funktion zu langsam ausfüllt, sie nicht die erwarteten Leistungen bringt und damit ihre „Anlaufkurve“ zu flach ist. Der Betreffende selbst hat damit auch noch das hohe Risiko eines nachhaltigen Karriereknicks. Das Coaching-Konzept des Global Logistics Centers der Daimler AG in Germersheim war für den Coaching-Preis 2008 (Kategorie „Organisation“) nominiert.Ausgangssituation

Die Anforderungen an Führungswechs-ler sind vielfältig: Neben einer neuen Aufgabenstellung sehen sie sich mit einer neuen Umgebung, einem neuem Chef und einer neuen Rolle konfron-tiert. Es gilt, sich sowohl inhaltlich auf neue Fachthemen einzustellen als auch das eigene Selbstmanagement (leading yourself) neu zu gestalten. Hinzu kommt der neue oder veränder-te Aspekt von Führung: Die erste Füh-

rungsposition oder die Führung eines neuen Teams (leading the others) ist zu gestalten. Diese Anforderungen werden durch die oft schwierigen mi-kropolitischen Herausforderungen im neuen Umfeld (leading the business) ergänzt. Insgesamt geht es also um Kernkompetenzen, die häufig weniggreifbar und wenig eingeübt sind.

Im Jahr 2005 wurden die überfach-lichen Qualifizierungsthemen imDaimler-Konzern zentralisiert und

spartenweise standardisiert. In die-sem Zusammenhang wurde auch im Themenfeld Coaching unter zentraler Koordination ein Netzwerk zur Schaf-fung einheitlicher Qualitätsstandards eingerichtet. Als Beauftragter und Verantwortlicher für das Global Logi-stics Center in Germersheim (GLC) er-hielten wir von unseren betrieblichen „Schlüsselkunden“ den Auftrag, stra-tegie- und businessrelevante Themen der Organisationsentwicklung (OE) in die PE- und Coaching-Arbeit mit Füh-

Tabelle 1: Die Coaching-Landkarte

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rungskräften vor Ort zu integrieren. Neben einem neuen Management-modell und dem Kostensenkungspro-gramm CORE, wurden gleichzeitig vier Unternehmenswerte, sieben Leader-ship-Kompetenzen mit einem neuen Führungskräfteentwicklungs-Prozess, einem konzernweiten Potenzialvali-dierungs-Assessment-Center sowie einem einheitlichen Zielvereinbarungs- und Beurteilungssystem in die Organi-sation „getrieben“. Diese OE- und PE-Interventionen führten in dieser Zeit zu einem deutlichen Mehrbedarf an Führungswechsel-Coachings.

Das nachfolgend beschriebene „Tran-sition-Coaching-Konzept“ wurde mit der GLC-Geschäftsleitung abgestimmt und in der Qualifizierungsbroschürefür alle Führungskräfte des Standorts veröffentlicht. Die Konkretisierung der Ziele und der Rahmenbedingungen er-folgte in den Regelkommunikationen der Abteilungen durch die betriebsin-ternen Prozessberater. In diesen „Re-kos“ wurden auch die Beauftragungs-, Entwicklungs- und Ernennungsstan-dards erläutert. Als Standard für eine erste Orientierung dient die Coaching-Landkarte des Unternehmens. Sie hilft, das Führungswechsel-Coaching einzuordnen (s. Tabelle 1).

Unmittelbar nach Beauftragung oder ErnennungnimmtdiejungeFührungs-kraft an einem 2 x 4-tägigen, obliga-torischen Ernennungsprogramm teil. Daneben erhält ein Führungswechsler optional das Angebot eines Transition-Coachings für diesen sechs bis neun Monate dauernden, wichtigen Lebens-abschnitt.DasjeweiligeCoachingwirdin Germersheim von vier internen, aus-gebildeten und zertifizierten Coachsvereinbart und durchgeführt. Bei Be-darf werden zwei bis drei weitere, zerti-fizierteundinstruierteexterneCoachshinzugezogen.

Sieben BesonderheitenMit unserem Konzept verbinden wir das klassische Coaching mit dem Fo-kus auf persönliche und systemische Fragestellungen mit der Business-Perspektive (s. Abb. 1). Hier steht die Wirkung, also der messbare Output und die Performance des Klienten, im Vordergrund.

Fokussierung auf die „Anlaufkurve“Einer Organisation drohen hohe Kosten und Verluste, wenn eine Führungskraft ihre Funktion zu langsam ausfüllt, sie nicht die erwarteten Leistungen bringt unddamit ihre„Anlaufkurve“zuflachist. Der Betreffende selbst hat damit auch noch das hohe Risiko eines nach-haltigen Karriereknicks.Mit Hilfe des von uns entwickelten Transition-Coachings können diese Übergänge erfolgreich gestaltet wer-den, weil:

die „Anlaufkurve“ in einer neuen •Funktion optimiert wird,

typischen „Anfängerfehlern“ vor-•gebeugt werden kann,

persönliche Schwächen der Füh-•rungskraft durch systematische Begleitung erkannt und kompen-siert werden.

Systematische RisikoanalyseDie Analyse von gescheiterten Füh-rungswechseln zeigt, dass die Ursache des Scheiterns oft in einem negativen Zusammenspiel der Chancen und Risi-ken der Funktion mit den Stärken und Schwächen der Person liegt. Erfolg oder Misserfolg resultieren daher nie allein aus der Person, sondern immer aus der Kombination von Aufgabe (Funktion), Situation und Person. Der Übergang wird zum Misserfolg, wenn die Risiken der neuen Stelle falsch eingeschätzt werden und es der Füh-rungskraft an Erfahrungen, Fertigkei-ten, Flexibilität und Zeit fehlt, um auf neue Anforderungen angemessen rea-gieren zu können.

Folgende Bestandsaufnahmen im Tran-sition-Coaching haben sich bewährt:

SWOT-Analyse (Chancen/Risiken •und Stärken/Schwächen)

Analyse der Business-Situation•

Analyse der Cross-Roads-Ebenen•

Im Rahmen des Coachings wird zu-nächst eine Risiko-Analyse durchge-

Coaching Feld Fokus Ziel

Leadership-Coaching Der Fokus liegt auf den täglichen Herausforderungen einer Führungs-kraft im Kontext von Management und Führung („leading the business“, „leading others“)

Erfolgreiches Managen und Umsetzen von Unternehmenszielen und die Ver-besserung von Leistung

Personal-Coaching Der Fokus liegt auf der Person und ihren Verhaltensmustern („leading yourself“, „leading others“)

Erfolgreiches Gestalten persönlicher Herausforderungen

Führungswechsel-Coaching Der Fokus liegt auf der neuen Man-agement-Funktion

Effektive Orientierung und Handlungs-fähigkeit bei der Übernahme einer neuen Führungsposition

Internationales Führungswechsel-Coaching

Der Fokus liegt auf der neuen inter-nationalen Management-Funktion sowie dem Beginn bzw. Abschluss des internationalen Einsatzes

Effektive Orientierung und Handlungs-fähigkeit bei der Übernahme einer Führungsposition in einem internation-alen Umfeld

Abb. 1: Eine Kombination von klassischem Coaching mit Business-Consulting-Ansätzen

Business-/System

ebene

Personenebene

Transition CoachingMessbarer Output

& Performance

Business Consulting

Mensch &Beziehungen

Klass. Coaching

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Unterschiedliche Management-Levels (Experte, Team-Manager, Function-Manager, Business-Manager) stellen unterschiedliche Anforderungen an die Ausgestaltung der Führungsfunkti-on und das Managen von Übergängen (Cross-Roads). Wir stellen in unseren Coachings immer wieder fest, dass die Übergänge zwischen den verschiede-nen Ebenen nicht trivial sind und der neuen Führungskraft einiges an An-passungs- und Lernfähigkeit abverlan-gen.Esistnotwendig,dassbeijedemLevel-Übergang neue Skills, eine neue Form der Zeit- und Energieverwendung sowie neue (Arbeits-) Werte erlernt oder verlernt werden müssen.

Aus den Anforderungen der Business-Situation und der Level-Einordnung der Funktion leiten sich weitere „Tretmi-nen“ ab, die im Übergangsprozess zu berücksichtigen sind: Es ist klar, dass ein Sanierer völlig andere Schwerpunk-te setzen muss als ein Manager, der eine Einheit übernimmt, die sich in einernachhaltigenErfolgsphasebefin-det.

Engpassfokusierung

Nach der Risikoanalyse werden drei Phasen durchlaufen, die dazu dienen, dass sich die Führungskraft orientiert, dem Vorgesetzten, dem Team und den wichtigen Schlüsselpersonen gegen-über positioniert und die geplanten Vorhaben realisiert. Dabei werden mit den wichtigen Business-Themen

auch die persönlichen Themen behan-delt. Zentraler Fokus beim Transition-Coaching sind nach unserer Erfahrung die Business-Themen.

Die persönlichen Anliegen des Klienten werdenzuBeginneinerjedenCoaching-Sitzung mit Priorität versehen. Diese stehen in aller Regel in Verbindung mitdenEinflüssendes jeweiligenSy-stems oder der Organisation. Themen wie Macht- und Einflussbeziehungen,Vertrauen, Widerstände, Ängste und Krisen stellen dabei den Engpass dar, in dem sich der Führungswechsler nun professionell bewegen soll. Der „Engpass“ des Führungswechslers bestimmt also im Wesentlichen den Schwerpunkt des Coachings.

Erstellen eines Business-Plans – Wo die Reise hingehen sollUm einen steilen Anstieg der „An-laufkurve“ sicher zu stellen, ist es im Rahmen des Transition-Coachings für jeden Klienten obligatorisch, ei-nen Business-Plan für seinen Ver-antwortungsbereich zu erstellen. Der Business-Plan ist eine Art Bauplan zur strategischen Entwicklung einer Or-ganisationseinheit, die der Führungs-wechsler in enger Abstimmung mit dem Vorgesetzten erstellt. Er besteht aus drei Teilen:

Orientierung:• Der erste Teil dient zur Bestandsaufnahme und damit

führt. Diese Analyse gleicht – bezogen auf den Übergang – die Chancen und Risiken der Funktion mit den Stärken und Schwächen der Person ab.

Eine neue Führungskraft kann in ih-rer neuen Position mit vier Business-Situationen konfrontiert werden: Neugründung (Start-up), Sanierung (Turn-around), Neuausrichtung (Re-strukturierung) und Stabilisierung ei-ner Erfolgsstrategie. Jede dieser vier Situationen oder Typen stellt andere Anforderungen und beeinflusst we-sentlich das Leadership-Handeln.

Start-up- und Turn-around-Situatio-•nen erfordern „Jäger“, die schnell handeln können und bereit sind, Risiken einzugehen. In einem Turn-around ist es beispielsweise wichtig, eine rasche Analyse der Geschäfts- und Marktlage (Markt-situation, Produkte, Strategien, Technologien) vorzunehmen und entschiedene Schritte der Sanie-rung einzuleiten.

Die Fähigkeiten bei einer • Restruk-turierung oder der Stabilisierung einer Erfolgsstrategie haben hin-gegen mehr mit „Gartenbau“ als mit „Jagd“ zu tun. Der erfolgreiche „Gärtner“hegtundpflegtdieKul-tur und Politik im Unternehmen. Bei einer Restrukturierung und der Fortführung eines Erfolgs haben die Führungskräfte mehr Zeit, die Umgebung zu sichten, Strategien zu entwickeln und Beteiligte einzu-beziehen.

Da sich die Anforderungen stark un-terscheiden, stolpern „Jäger“ leicht, wenn sie eine Erfolgsstrategie fortset-zen oder eine Restrukturierung vorneh-men, genauso wie „Gärtner“ leicht an Turn-around- und Start-up-Situationen scheitern. Beim Übergang in eine neue Funktion gilt, dass oft die Erfolge von gestern die Misserfolge von morgen vorprogrammieren, wenn es der Füh-rungskraft nicht gelingt, die Situation klar zu analysieren, eigene Fähigkeiten realistisch einzuschätzen und Ziele und Vorgehensweisen der Situation anzupassen.

Abb. 2: Praxishandbuch

Treffen

Bestandsaufnahmeder Situation

Stabilisierungeiner

Erfolgsstrategie

Business Situation

Neuausrichtung(Restrukturierung)

Neugründung(Start up)

Sanierung(Turn around)

6 MonateSteckbrief der Abteilung

SWOT Analyse der Funktion

Vision/neues Selbstverständnis

Strategische Handlungsfelder/Ziele

Leistungsportfolio

Geschäftsmodell

Kundengruppen und derenErwartungen

Kernprozesse

Projekte und VorhabenMasterplanMitarbeiter Portfolio

Schlüsselpersonen undErwartungsanalyse

Übergabegespräch

Situationsanalyse

Fakten und Prioritäten

Macht und Einflussstrategie

Startbesuche

Stabsübergabe und Antrittsrede

Ziele und Meilensteine

Veränderungsnotwendigkeit undbereitschaft

Veränderungsphasen und kultur

Werte und Antreiber

360° Feedback (optional)

Businessthemen

System /persönlicheThemen

3er Gespräch Einzel Coachings Team Workshop Einzel Coachings 3er Gespräch

Instrumen

te/Che

cklisten

Cross RoadsEbenen

Orientierung Positionierung Realisierung

BusinessManager

FunctionManager

TeamManager

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zur Standortbestimmung in der neuen Funktion.

Positionierung: • Der zweite Teil enthält den Zukunftsentwurf so-wie die Konkretisierung des (Über-gangs-) Vorhabens aus Sicht der Führungskraft.

Realisierung:• Und der dritte Teil beschreibt, wie das gesamte Ver-änderungsvorhaben mithilfe von ProjektenundMaßnahmenumge-setzt wird und welcher Zeitrahmen dafür geplant ist.

Mithilfe des Business-Plans wird deut-lich, mit welchen Vorhaben der Klient seine Funktion vorwärts bringen will, welche Ressourcen seine Mitarbeiter haben und wie er sie am effektivsten einsetzen kann. Dadurch lösen sich meist auch die persönlichen Führungs-probleme, weil der Betreffende an Pro-

filgewinntundseinunternehmerischerGestaltungswille sichtbar wird.

Die schriftliche Fixierung der Business-Themen erweist sich stets als schöp-ferischer Akt der Klarheit und Fokus-sierung. Damit bringt er genau die Ori-entierung, die so oft in den Übergangs-phasen fehlt. Diese Klarheit wirkt sich insbesondere auf die Mitarbeiter aus, die endlich verstehen, was ihr (neuer) Chef plant, die an der Konkretisierung und Umsetzung beteiligt werden und zielgerichtet arbeiten können. Hierzu ein symptomatisches Feedback-Zitat aus einem abgeschlossenen Transiti-on-Coaching: „Endlich haben wir einen Chef, der weiß was er will!“

Mitstreiter ins Boot holenEine weitere Besonderheit unseres An-satzes besteht in der simultanen Be-arbeitung von Business-, persönlichen und systemischen Themen. Dazu ist die erste Grundvoraussetzung, dass der Vorgesetzte von Anfang an nicht nur beteiligt, sondern auch für den Per-sonalentwicklungsprozess seines Mit-arbeiters verantwortlich ist. Diesem Aspekt wird durch ein gemeinsames

Auftragsklärungs- und Zielvereinba-rungsgespräch zu Beginn und einem Bilanzierungsgespräch zum Ende des Coachings Rechnung getragen.

Im Rahmen eines Teamentwicklungs-prozesses ist ein eintägiger Team-Workshop fester Bestandteil des Tran-sition-Coachings. Hier können wech-selseitige Erwartungen und Spielregeln formuliert sowie die Anforderungen und Konsequenzen aus dem Business-Plan mit dem Team bearbeitet werden. Durch die Einbeziehung wichtiger Lei-stungspartner (Kunden, Lieferanten, Betriebsrat, ausgewählte Führungs-kräfte auf gleicher Ebene) und deren Erwartungen wird nicht nur die persön-liche Ankopplung unterstützt, sondern darüber hinaus werden Grundlagen für stabile Prozesse und gute Arbeitser-gebnisse gelegt.

Persönliche und organisationale Span-nungsfelder bearbeitenNachdem in den ersten Wochen die Er-wartungen mit dem Vorgesetzten, dem Team und den Leistungspartnern ge-klärt und durch den Führungswechsler erste „Duftmarken“ gesetzt wurden,

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Elmar Rinck (Jahrgang 53), Leiter Prozessberatung und Training im Glo-bal Logistics Center (Germersheim) der Daimler AG. Im Rahmen der Be-ratung von Führungskräften, Team- und Bereichsentwicklungsprozessen sowie von Strategieberatung/Chan-ge Management-Beratung hat er eine Vielzahl von (neuen) Managern gecoacht. Er ist Lehrtrainer NLP und hat – neben anderen – eine Fortbil-dung in systemischer Beratung.

[email protected]

rege, freiwillige Nachfrage nach die-sem Angebot für Führungswechsler entwickelt. Dies sollen exemplarisch zwei Zitate belegen: „Es war ein wirk-lich turbulentes Jahr und ich hätte es bei Weitem nicht so überstanden ohne dasTransition-Coaching.Ichwärejetztan einer ganz anderen Stelle und mit völlig anderen Problemen behaftet und hätte die Hälfte meiner Probleme nicht erkannt. Ich bin also enorme Schritte weiter gekommen!“ „Jetzt bin ich so-weit, dass ich vielen neuen Kollegen, die zum Teamleiter aufsteigen, den Ratschlag gebe: „macht das - investiert die Zeit“ - möglichst am Anfang, denn wenn man im Teufelskreis drin ist, wird es immer schwieriger, den Kopf wieder heraus zu strecken und sich von dem Stress zu lösen. Das ist eine Lerner-fahrung aus den letzten eineinhalb Jahre, dass man dieses Thema nicht aufschieben sollte, nach dem Motto „ich schaffe es schon irgendwie“.

Im Rahmen ihrer Diplomarbeit im Fach Psychologie an der Universität Trier konnte Katrin Bickerich die positive Wirkung von Transition-Coaching auf die Person und Organisation nachwei-sen. Transition-Coaching

optimiert die Anlaufkurve bei der •Übernahme einer neuen Führungs-position – Führungskräfte findenschneller in ihre Rolle und werden schneller in ihrer Funktion wirk-sam;bietet einen umfangreichen Me-•thoden- und Instrumentenkoffer

bleibenSpannungsfelderhäufignichtaus. Klassische Dilemmata der Füh-rung wie beispielsweise Verändern vs. Bewahren oder Kontrolle vs. Ver-trauen stehen in einem engen Zusam-menhang mit persönlichen Werten, Einstellungen und Verhaltensweisen. Diese haben einen entscheidenden Einflussdarauf,wie der Klient agiert und welche Wirkung er entfaltet. Aus diesem Grund werden diese Themen simultan–jedochausunsererErfah-rung meist vorrangig – zu den Busi-ness-Themen bearbeitet.

Praxishandbuch mit Checklisten und reflektorischen FragenAls Leitfaden für den gesamten Coaching-Prozess erhält der Klient zu Beginn ein Praxishandbuch in Form einer CD (s. Abb. 2). Diese wird so-wohl in den Gesprächen genutzt, als auchbeiderErarbeitungspezifischerThemen zwischen den Sitzungen. Das Praxishandbuch dient für den gesam-ten Coaching-Prozess als Navigations-hilfe,um–jenachPhase–relevanteThemenzuidentifizierenundzubear-beiten. Neben den relevanten Busi-ness- und System-/ oder persönlichen Coaching-Themen finden sich hierwichtige Hinweise zur Business-Situa-tion, zu Übergängen im Cross-Roads-Modell und dem Prozess-Ablauf.

Fazit, Evaluation und Er-folgeVier Jahre nach der Einführung des Transition-Coachings und den be-gleitenden Standards hat sich eine

Die Autoren

Thorsten Braun (Jahrgang 70), Pro-zessberater und Trainer im Global Logistics Center (Germersheim) der Daimler AG. Diplom-Psychologe mit Fortbildungen zum Systemischen Organisationsberater, Systemischen Coach und Change-Management-Be-rater. Seit zehn Jahren in verschie-denen Unternehmen als Trainer, Berater und Coach mit den Schwer-punkten Veränderungsprozesse, Teamentwicklungen, Führungskräf-teentwicklung und Coaching tätig.

[email protected]

für den spezifischen Anlass desFührungswechsels – damit werden häufigerstmalseineganzheitlicheOrientierung und ein Bewusstsein für die vielfältigen Aspekte und Anforderungen in der neuen Rolle ermöglicht;

unterstützt die simultane Weiter-•entwicklung der drei Leadership-Kompetenzen (leading yourself, leading others, leading the busi-ness);

ermöglicht eine situative und •schnelle Ankoppelung an das Team, das Management und wich-tige Leistungspartner;

fokussiert durch die Analyse der •Business-Situation und der per-sönlichen Themen die individuel-len Anforderungen des Klienten und unterstützt mit einer praxiso-rientierten Umsetzung.

Als „Sparringspartner“ für die Kon-zeption und Übertragbarkeit auf mit-telständische Unternehmen fungierte Dr. Franz Metz von der Beratergruppe Palatina GmbH. Gemeinsam erhielten wir 2008 vom BDVT den internationa-len Deutschen Trainingspreis in Gold und durften unser Konzept bei der Didacta im März 2008 einem breiten Publikum vorstellen und mit ihm dis-kutieren. Im Oktober 2008 wurde das Coaching-Produkt aus Germersheim beim Coaching-Kongress des DBVC in Potsdam in der Finalrunde ausgezeich-net.

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PraXis

c o a c h i n g b e i m W e c h s e l d e r g e s c h ä f t s f ü h r u n g i n e i n e m f a m i l i e n u n t e r n e h m e nVon Marion Rosskogler und Josef Leenen

Die Rekrutierung des Nachfolgers aus dem Kreis der Unternehmerfamilie ist eine typische Erwartung in Familienunternehmen. Wirtschaftliche Entscheidungskriterien werden da-bei oft mit familiären Erwartungen vermengt. Daraus können Konflikte entstehen, die den Nachfolgeprozess beeinflussen.

Als das Telefon an einem Freitagabend klingelt, meldet sich eine Dame, die einen Coach für ihren Ehemann und sich selbst sucht. Frau Kraft ist seit zirka sieben Jahren Geschäftsführerin eines mittelstänidischen Familienun-ternehmens, und da es mit ihrer Ar-beitsbelastung und der Situation im Unternehmen so nicht weiter gehen könne, werde ihr Mann (Betriebswirt-schaftler wie sie selbst) in zirka einem halben Jahr mit in das Unternehmen eintreten.

Sie wünscht sich eine vertragliche Ver-einbarung mit ihrem Mann sowohl für den geschäftlichen als auch den priva-

ten Bereich, der die Aufgabenteilung zwischen ihnen beiden regelt. Daher hält sie ein Coaching für sinnvoll, müs-se aber ihren Mann noch überzeugen. Ihre Frage an den Coach: „Würden Sie so etwas denn machen?“ Aufgrund meiner Erfahrung erläutere ich, Marion Rosskogler, ihr, dass ich auch solche Paar-Coachings durchführe – aller-dings nur in der Konstellation eines Coach-Paars (s. Kasten). Frau Kraft gefällt der Gedanke, als Paar mit zwei Coachs zu arbeiten, und es wird ein weiteres Telefonat zur Terminvereinba-rung eines Vorgesprächs vereinbart, sobald ihr Mann mit einem Coaching einverstanden sei.

Solche Termine zum „Kennenlernen“ sind Bestandteil unseres Coaching-Konzepts und gehören daher vor den Start des „eigentlichen“ Coachings. Das Vorgespräch dient der Klärung des Auftragsrahmens – Dauer und Anzahl der Sitzungen sowie sonstiger Rahmenbedingungen; aber auch der Darstellung unserer Coaching-Metho-den. Und selbstverständlich checken auch beide Seiten vor einer möglichen Zusammenarbeit die berühmte „Che-mie“. Beim Zustandekommen einer Zusammenarbeit wird ein schriftlicher Vertrag geschlossen, der die abge-sprochenen Rahmenbedingungen und sonstigeVereinbarungenfixiert.

29 3/2009

Wenige Tage später – inzwischen ha-ben wir beiden Coachs Kontakt mit-einander aufgenommen – meldet sich Frau Kraft wieder und berichtet, dass ihr Ehemann mit einem Coaching ein-verstanden sei, aber die Bedingung gesetzt habe, dass die Coachs nicht so „weichgespülte Psychos“ sein dürf-ten. Unsere Versicherung, dass wir beide gestandene Wirtschaftspsycho-logen sind und neben der Coaching-Ausbildung zudem über Ausbildungen in Familientherapie oder systemischer Beratung verfügen, vermag sie zu be-ruhigen. Und für uns Coachs ist der systemische Ansatz in einem solchen Setting sowieso auf der Hand liegend. Es kommt innerhalb kurzer Zeit zu ei-nem Vorgespräch. Das Gespräch fin-det in unseren Räumlichkeiten statt und ist für eine Stunde angesetzt.

VorgesprächFrau Kraft berichtet uns, dass ihr Ehemann in etwa einem halben Jahr in das Familienunternehmen ihrer Ur-sprungsfamilie eintreten werde. Er soll dort alle verwaltungsbezogenen Aufga-ben übernehmen, die bisher zu einem großen Teil ihre Mutter (68 Jahre) inne hatte. Sie selbst hat schon vor zirka sieben Jahren die Geschäftsführung von ihrem Vater übernommen, der bis-lang noch einige langjährige Kundendes Unternehmens betreut und ihr auch bei Bedarf mit Rat und Tat zur Seite steht.

Große Spannungen im Unternehmen gibt es immer wieder zwischen ihr und ihrer Mutter. Für sie selbst kommt zur Geschäftsführertätigkeit auch noch die häusliche Situation mit zwei Kin-dern, die Betreuung und Unterstützung brauchen, hinzu. Die Situation belastet sie zunehmend und hat auch zu diver-sen gesundheitlichen Beeinträchtigun-gen geführt. Frau Kraft scheint intuitiv erkannt zu haben, dass bei einer er-folgreichen und umfassenden Lösung für sie persönlich sowie das Unterneh-men große Vorteile entstehen können, siebeidernotwendigenKonfliktlösungaber einer professionellen Unterstüt-zung bedarf. Ihre Lösungsidee lautet, dass ihr Ehemann seine leitende Tä-tigkeit in einem anderen Unternehmen beenden und in das Familienunter-

nehmen ihrer Familie wechseln soll, um beim Ausscheiden ihrer Eltern aus dem Unternehmen die Aufgaben ihrer Mutter zu übernehmen.

Uns interessiert selbstverständlich, wie ihre Eltern den Einstieg eines an-geheirateten Familienmitglieds ins Familienunternehmen beurteilen. Wir erfahren von ihr, dass ihr Ehemann sich die Anerkennung der Eltern – vor allem der Mutter – schon seit einiger Zeit durch sein ausgleichendes Verhal-ten bei Streitigkeiten zwischen Mutter und Tochter erworben hat. Auch hat er bereits häufiger neben seiner der-zeitigen Tätigkeit an wesentlichen Ent-scheidungen mitgewirkt und für das Unternehmen wirtschaftlich wichtige Projekte erfolgreich abgewickelt.Weiler deshalb beruflich doppelt belastetist, engagiere er sich bei der Erziehung und im Haushalt weniger.

Das Familienunternehmen macht zir-ka 7,2 Mio. Euro Umsatz mit etwa 65 Mitarbeitern und wurde vom Großvater gegründet. Es gehört dem Vater und den Geschwistern. Mit dem Vater (73 Jahre), erzählt Frau Kraft, versteht sie sich gut und seine Anwesenheit im Un-ternehmen – er hat nach wie vor dort ein Büro – stört gar nicht, da er sie ge-währen lässt und nur auf Nachfragen Unterstützung gibt. Vor allem mit der Mutter hatte Frau Kraft in den letzten Jahren aber große Auseinandersetzun-gen, da sie sich gegen jedwede Ver-änderungen im Finanzbereich sträub-te und es daher bei Besprechungen große Auseinandersetzungen gegeben hatte, weil sie Entscheidungen ihrer Tochter nicht akzeptieren wollte.

Da Gespräche mit ihrer Mutter nur zu Spannungen führten, hatte sie ihrem

Vater deutlich gemacht, dass sich et-was ändern müsse, da sie sonst das Unternehmen verlasse. Ihrem Vater sei wohl klar geworden, dass das Fa-milienunternehmen andernfalls ver-kauft werden müsste. Denn ihr Bruder, der stiller Gesellschafter des Familien-unternehmens ist, hat die Übernahme der Geschäftsführung schon vor Jah-ren abgelehnt. Der Unternehmensver-kauf aber ist für den Vater undenkbar.

Diese Veränderungen bedeuteten ei-nen vollständigen Rückzug der Eltern aus dem Unternehmen und die Über-nahme diverser Aufgaben im Unter-nehmen durch Herrn Kraft. Mit dieser Vorgehensweise erklärten sich sowohl die Eltern als auch der Bruder von Frau Kraft einverstanden. Bei Unternehmen-sentscheidungen sitzt Herr Kraft nicht mit am Tisch. So scheint Frau Kraft die Lösung, das Unternehmen gemeinsam mit dem Ehemann zu führen, auch als Sicherung der Unternehmensnachfol-ge zu betrachten, um den „Auftrag des Vaters“, das Unternehmen zu erhalten, zu erfüllen.

Auf unsere Frage, wie Herr Kraft die Situation erlebt und ob er Gefahren sieht, äußert er, dass sein Wechsel in das Familienunternehmen seiner Frau folgerichtig ist, da er sich bereits schon in verschiedenen Projekten imUnternehmen engagiere. Auch glaubt er, dass er, falls es tiefgreifende Kon-flikte mit seiner Ehefrau gäbe, jeder-zeit wieder aus dem Unternehmen ausscheiden und seine Karriere in einem anderen Unternehmen fortset-zen könne. Was das Coaching betrifft, ist er zu der Überzeugung gekommen, dass es sinnvoll sei, Vereinbarungen schriftlicher Art zu treffen und daher eine Unterstützung hilfreich sei.

Warum coachen wir zu zweit?

DieVorteilesindnichtnurinderDopplungzufinden,vierAugensehenundvierOh-ren hören mehr. Eine große Chance im Coaching zu zweit liegt in der Polarität, die zwei Coachs bieten können. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn wir offen vor den Klienten miteinander diskutieren, was unsere Wahrnehmung und Intuition unssagt,unddiesaufdieKlienteneinwirken lassen(ReflectingTeamnachTomAndersen). Es ist nie die eine Sichtweise, das eine Erklärungsmodell, sondern es entstehen oftmals zwei Pole, zwischen denen sich die Klienten ihre eigenen Wege suchen müssen. Sie erhalten beim Coaching durch einen weiblichen und einen männlichen Coach dabei zusätzlich ein umfängliches Feedback sowohl aus männ-licher als auch weiblicher Perspektive. Je unterschiedlicher die durch uns angebote-nen Alternativen, umso besser lässt sich ein eigener Weg entwickeln.

P R A X I S

30 3/2009

Aufgabenteilung die Möglichkeit zu verschaffen, unbeschwerter auch die klassische Frauenrolle leben zu kön-nen, wenn ihr Mann in das Unterneh-men eintritt und ihr dort den Rücken freihält.

Das Paar, so berichtet Frau Kraft fe-derführend, geht an die Bearbeitung der Rollen und der neuen Aufgaben-zuordnung – geschäftlich und privat – eher rational heran. Frau Kraft lässt während der Aufgabensammlung am Flipchart konfliktäre Momente insbe-sondere bei der häuslichen Aufgaben-verteilung erkennbar werden. Immer wieder äußert sie, dass ihr Mann die Dinge, die er eigentlich bereits über-nommen habe, nicht zuverlässig und ihren Vorstellungen entsprechend aus-führe, und er so keine Entlastung für sie darstelle.

Herr Kraft beschreibt seine Art der Aufgabenerledigung als angemessen und sucht bei einigen zu verteilenden Aufgaben eher nach zusätzlicher Un-terstützung von außen. So stellt er beispielsweise in Frage, ob Frau Kraft gewisse Aufgaben überhaupt erledigen müsse, oder ob stattdessen manches nicht von der vorhandenen Haushälte-rin übernommen werden könne. Bei einigen Aufgaben wehrt sich Frau Kraft jedoch vehementmit dem Argument,dies nicht in fremde Hände geben zu wollen, was Herr Kraft nicht nachvoll-ziehen kann.

Wir arbeiten mit zirkulären Fragen: „Was meinen Sie, denkt Ihr Partner

bezüglich ihrer gegenwärtigen und zu-künftigen Rolle im Unternehmen und der Kleinfamilie?“. Dem Paar soll er-möglicht werden, mehr Verständnis für die Gefühle und die Reaktionen des Anderen und damit Nähe für und zum Gegenüber zu entwickeln. Dies führt jedoch in dieser Sitzung noch nichtsehr in die Tiefe. Herr Kraft kann mit solchen Fragen teilweise nur wenig an-fangen oder sich nur sehr schwer auf sie einlassen.

Etwa nach der Hälfte der Sitzungszeit nehmen wir – wie wir das immer ma-chen – eine zirka zehnminütige Aus-zeit. Wir wollen unsere Sichtweisen austauschen und zu einem fundiert begründeten weiteren Vorgehen fin-den. Am Ende der Sitzung haben wir zwei Flipcharts mit einer vorläufigenAufgabenteilung sowohl für die ge-schäftlichen als auch die privaten Auf-gaben erarbeitet.

Da Herr Kraft sich während der Sitzung sehr zurückhaltend und beobachtend verhält, hauptsächlich auf direkt an ihn gerichtete Frage antwortet und auch beiderReflexionderSitzungsichnurvage äußert, erstaunt es uns, dass er sich bei der Verabschiedung ausdrück-lich für die Sitzung bedankt.

Wir geben dem Paar Hausaufgaben mit auf den Weg, die sie bis zum nächsten Treffen erledigen sollen:

Inhalt für den formalen Arbeits-•vertrag für Herrn Kraft zusammen stellen.

Auf uns wirkt Herr Kraft – trotz dieser Worte – sehr zurückhaltend und ab-wartend. Wir verabreden eine Bedenk-zeit – mindestens eine Nacht darüber schlafen – für die Entscheidung, mit uns das Coaching zu wagen. Wir ver-einbaren, dass sie nach ihrer Zusage von uns einen Vertrag für drei Sitzun-gen mit einem zeitlichen Umfang von drei Stunden pro Sitzungen erhalten würden, mit dem Ziel, Vereinbarun-gen über die Aufgabenteilung für den geschäftlichen und privaten Bereich schriftlich zu fixieren. Das Ehepaarentscheidet sich innerhalb kurzer Zeit für ein Coaching mit uns.

1. SitzungWir starten in die erste Sitzung mit ei-ner Erhebung der Ist-Situation, damit wir uns ein Bild über die Ausgangslage des Systems für das Coaching machen können, und erfahren weitere Details.

Nach dem Studium arbeitete Frau Kraft in einem Großunternehmen. Nachdem der Bruder die Übernahme der Geschäftsführung für das Fami-lienunternehmen abgelehnt hatte, wurde Frau Kraft von ihrem Vater ins Unternehmen „gerufen“. Ursprünglich war es gar nicht ihre Absicht, in das Unternehmen einzusteigen. Seit sie die Geschäftsführung und vor allem das Marketing übernommen hat, hat das Unternehmen große Umsatzstei-gerungen zu verzeichnen, worauf sie sehr stolz ist.

Frau Kraft ist in zweiter Ehe mit ihrem Ehemann verheiratet. Für Herrn Kraft ist es die erste Ehe. Es gibt eine Toch-ter (9 Jahre) aus erster Ehe und einen gemeinsamen Sohn (4 Jahre). Frau Kraft berichtet, dass sie ihre Situation als Hausfrau und Mutter sowie als Ge-schäftsführerin eines Unternehmens als sehr aufreibend und mittlerweile auch in jeder Hinsicht als belastendempfindet. Ihre Beschreibung zeigt,dass sie sich in den letzten Jahren als alleinerziehende und voll berufs-tätige Mutter fühlt. Daraus erwuchs der Wunsch, sich durch eine neue

Familienunternehmen und ihrer Beratung

Unternehmen, die maßgeblich von einer Familie oder einem in der Anzahl be-schränkten Eigentümerkreis beeinflusst werden, bezeichnet man als Familien-unternehmen oder auch als Familienbetrieb. Familienunternehmen, so zeigt die Forschung (Simon; Wimmer & Groth, 2005), werden erst dann als erfolgreich an-erkannt, wenn sie über mehrere Generationen bestehen und wirtschaftlich erfolg-reich arbeiten. Dies wird durch den Begriff „Mehrgenerationen-Familienunterneh-men“ beschrieben.Es gibt inzwischen eine Fülle von Forschungs-, Informations- und Beratungsquel-len. Wir wollen in diesem Zusammenhang unter anderem auf folgende Institutio-nen hinweisen:

das Bonner Institut für Mittelstandsforschung (IfM) (• www.ifm-bonn.org),die Stiftung Familienunternehmen (• www.familienunternehmen.de) sowiedas Wittener Institut für Familienunternehmen (• wifu.uni-wh.de)

31 3/2009

Informelle Vereinbarungsinhalte, •die den offiziellen Arbeitsvertragspezifizieren (Achtung, die zeitli-che Belastung für private Aufga-ben beachten!) überarbeiten.Neuverteilung der Familien-Auf-•gaben ab dem Zeitpunkt des Eintritts von Herrn Kraft ins Un-ternehmen überarbeiten und sie einer Prüfung bezüglich Stärken/Schwächen (Eignung) und Neigun-gen (Wünschen, Vorlieben) unter-ziehen.

2. SitzungDas Ehepaar hat, was die geschäftli-che Aufgabenteilung betrifft, die Haus-aufgaben sehr formal bearbeitet, und dieprivateAufteilungscheintjederfürsich alleine überarbeitet zu haben. Der Versuch einer Auseinandersetzung über die private Rollenklärung hat das Ehepaar zwischen den beiden Sitzun-gen nicht versucht. Frau Kraft hat sich damit offenbar ausführlicher befasst, was sich auch in unserer weiteren Ar-beit bestätigt. Sie hat zu diesem Teil des Anliegens den deutlich höheren Leidensdruck. Bei der Besprechung der häuslichen Aufgaben entstehen immer wieder deutliche Meinungsun-terschiede, die sich an kurzen aber heftigen Wortgefechten festmachen. Auch wird ihre Stimme immer wieder durchdringend und die Heftigkeit ihrer Äußerungen zeigt ihre emotionale Be-teiligung, während er sehr ruhig wirkt.

Wir ziehen uns zur Beratung zurück. Ich, Josef Leenen, beabsichtige, im Sinne von „Störungen haben Vorrang“, den im Raum befindlichen Konflikt,die emotionale Seite des Zusammen-lebens zwischen dem Ehepaar anzu-sprechen. Wir diskutieren in diesem Zusammenhang die Fragen, wo die Grenze zwischen Coaching und Paar-therapie liegt und wie sich eine paar-therapeutische Intervention mit unse-rem Auftrag verträgt. Auf Grund der Ausgangsüberlegung, dass erst die emotionale Ebene stimmig und belast-bar sein muss, bevor es zu tragfähigen Absprachen kommen kann, entschlie-ßen wir uns für eine paartherapeuti-sche Intervention.

Wir laden Frau Kraft ein, ihren bisher zurückgehaltenen Emotionen nachzu-

gehen und sie berichtet tränenreich über erlittene Verletzungen in der Be-ziehung und von fehlendem Vertrauen zu ihrem Mann. Damit scheint sie ihren Mann zu erreichen, denn er zeigt sich emotional offener und ihr zugewand-ter. Uns gibt dies die Hoffnung, dass die Beiden an diesem Vertrauens- und Verletzungsthema bis zur nächsten Sit-zung arbeiten, und so zu substantiel-len Vereinbarungen kommen werden.

3. SitzungWir Coachs haben uns bei der Vorberei-tung dieser Sitzung darauf verständigt, als Einstieg direkt an die Endsituation (Frau Kraft war in Tränen ausgelöst...) anzuknüpfen, da das fehlende Vertrau-en in das kooperative Verhalten des Ehemanns seitens Frau Kraft im priva-ten Bereich erst bearbeitet sein muss, bevor beide zu einer tragfähigen Ver-einbarung kommen können.

So starten wir mit der Frage in die Sitzung, wie es den beiden nach un-serer letzten Sitzung ergangen ist, und ob sie noch weiter über das feh-lende Vertrauen und die Verletzungen der Vergangenheit gesprochen haben. Sie verneinen unsere Frage und Frau Kraft meint, sie habe sich mal wieder verleiten lassen, sich direkt auf die sachliche Ebene (nach Watzlawick: der Inhaltsaspekt) zu begeben. Sie hätten zwar während des vergangenen Urlaubs eine gute Zeit miteinander ver-bracht, aber im Auto auf dem Weg zum heutigen Coaching festgestellt, dass siesichansonstenmitdenKonfliktender privaten Vereinbarung nicht mehr befasst hätten.

Es gibt dann im Laufe der Sitzung im-mer wieder heftige Diskussionen über – aus Sicht von Frau Kraft – mangel-hafteOrganisationderprivatenPflich-ten durch ihren Mann. So hat er bei-spielsweise die Beaufsichtigung der Hausaufgaben der Tochter der Haus-hälterin aufgetragen, die Durchführung aber nicht mehr kontrolliert. Die Toch-ter hatte daher zum Abgabetermin das Heft nicht in Ordnung. Sie wird so zum SymptomträgerdesKonfliktszwischendem Paar.

Es kristallisiert sich immer wieder her-aus, dass es für sie keine Entlastung

sei, wenn sie die zu erledigenden Din-ge nicht „aus dem Kopf“ habe. Daher möchte sie sich hundertprozentig dar-auf verlassen können, dass ihr Ehe-mann seine Aufgaben ohne ihr Zutun – nach ihren Normen – verlässlich erle-digt. Zurzeit kann sie nur für kurze Zeit loslassen, wenn sie weit genug weg ist undvondaherkeinenEinflussnehmenkann.

Herr Kraft gesteht seine Unzulänglich-keiten ein. Er hätte daher gerne ihre Unterstützung und möchte deshalb die anstehenden täglichen privaten Aufgaben nicht ganz alleine machen. Bei ihm zeigt sich, dass er bei priva-ten und familiären Belangen gerne auf seine Frau zurückgreifen und nicht die alleinige Verantwortung übernehmen will.

Auch stellt sich wieder deutlich heraus, dass sie in emotionalen Situationen das Gefühl hat, ihrem Ehemann ihre emotionaleBefindlichkeitnichtvermit-teln zu können und er auf ihre Gefühle nicht eingeht oder sie nicht versteht. Er gibt ihr nur ungenügend Feedback und hört nicht aktiv zu. Daraus ergibt sich für uns die Frage: Wer von den Ehepartnern darf und/oder muss wann und wo und zu welchen Bedingungen stark oder schwach sein?

In der zweiten Hälfte der Sitzung er-zählt Frau Kraft von einem für ihre Beziehung entscheidenden Erlebnis mit ihrem heutigen Ehemann, das sie bewogen hatte, sich auf ihn „einzulas-sen“. Bei einer Bergwanderung mus-sten sie gemeinsam – und nur so war es möglich – ein Hindernis überque-ren. Dies war ihnen beiden gelungen, weil sie sich zu hundert Prozent auf ihn verlassen habe, sie habe sich sicher und nicht unter Druck gesetzt gefühlt.Damit hat sich Frau Kraft an eine Si-tuation erinnert, in der sie das Vertrau-en zu ihrem Mann verspürte, dass ihr durch die vergangenen Ereignisse und den Alltagsstress verloren gegangen war.Diese Erinnerung schien auch jetztwieder Vertrauen und Geborgenheit bei ihr zu wecken, denn sie rückt auf dem Sofa näher an ihrem Mann her-an und schließlich halten sie sich die Hand.

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P R A X I S

32 3/2009

Er wird mit Eintritt in das Famili-•enunternehmen keine beruflicheDoppelbelastung mehr zu bewälti-gen haben und hat dann nach der Einarbeitung auch mehr Zeit für die Familie.

Die Elterngeneration legt die ope-•rative Verantwortung und die Auf-gaben vollends in die Hände der nachfolgenden Generation und verabschiedet sich aus dem Un-ternehmen.

Um diese Punkte abzusichern, verein-baren wir einen zusätzlichen Coaching-Termin in zwei Monaten. Dann soll die Umsetzung überprüft werden und ge-gebenenfallsnocheineFeinjustierungvorgenommen werden.

4. SitzungIn dieser Sitzung haben wir mit dem Paar vor allem die Erfahrungen mit der neuen Situation bearbeitet. In der Zwischenzeit hat Herr Kraft begonnen im Familienunternehmen zu arbeiten und Frau Kraft ihre Tätigkeit im Unter-nehmen reduziert. Damit haben beide Klienten an der neuen Rollenverteilung gearbeitet.

Herr Kraft berichtet, dass er sich lang-sam in seine Rolle im Unternehmen einfindet.DieswerdedurchdenRaum,denseineFraujetztfreigemachthabe,unterstützt. Dennoch gebe es immer wieder die Notwendigkeit, die Arbeits-felder voneinander abzugrenzen, was immer besser gelinge. Eine Herausfor-derung, insbesondere für einige Mitar-beiter,seienjedochihreunterschiedli-chen Führungsstile. Während er zuwei-len kurz und bündig Aufträge verteile, würde seine Frau darüber oftmals erst mit den Mitarbeitern diskutieren. Dies

habe bei einigen mittleren Führungs-kräften zu einer gewissen Verunsiche-rung geführt.Frau Kraft berichtet von ihren Heraus-forderungen, die Arbeit klar zu delegie-ren, was ihr aber zunehmend gelinge. Sie müsse sich noch etwas auf die Veränderungen einstellen, insbeson-dere in ihrem Mann ein Gegenüber im Unternehmen zu erleben, das auf Au-genhöhe agiert.

Wir haben als Coach mit einem „Refra-ming“ herausgearbeitet, warum sich diemanchmalgegenläufigenTempera-mente und Führungsstile doch ergän-zen, wenn sie klug eingesetzt werden und den Mitarbeitern bei aller Unter-schiedlichkeit der Führungskräfte Ori-entierung bieten.

Bezogen auf die private, häusliche Ar-beitsteilung hat sich zunächst durch die Halbtagstätigkeit von Frau Kraft eine Entspannung eingestellt. Jetzt gilt es hier, nach der Einarbeitung von Herr Kraft im Unternehmen, die ange-dachte Aufgabenteilung verstärkt um-zusetzen.

Wir gehen gemeinsam mit dem Gefühl aus dem Coaching, wichtige Schritte bei der Umsetzung der Nachfolgere-gelung getan zu haben. Das Unterneh-men ist nun gut auf die Zukunft vorbe-reitet. Jedoch bleiben das verträgliche Zusammenleben in der Kleinfamilie und die erfüllte Paarbeziehung auch weiterhin Schlüsselfaktoren für die gute und vertrauensvolle Zusammen-arbeit von Herrn und Frau Kraft im Fa-milienunternehmen.

Zum Ende der Sitzung vereinbart das Ehepaar Folgendes, um das gemein-same Verständnis und Vertrauen zu stärken, und um dem Bedürfnis, Un-ternehmen und Familie miteinander zu vereinbaren, gerecht zu werden:

Sie lässt sich nicht mehr so ein-•fach auf die „sachliche Ebene“ bringen, sondern besteht auf Ge-hörfürihreEmpfindungen.

Er gibt ihr deutliche Rückmeldung, •was bei ihm angekommen ist.

Er arbeitet weiterhin an seiner •Sensibilität und Aufmerksamkeit für die häuslichen Notwendigkei-ten und sie hilft und unterstützt ihn, damit er eine Chance und Zeit hat, auf die Wünsche seiner Frau einzugehen.

Beide versuchen zu verstehen, •dass Lösungen mitunter auch aus Kompromissen bestehen.

Sie sind einig, dass Veränderun-•gen, auch wenn Herr Kraft in vier Wochen im Unternehmen seine Arbeit aufnimmt, Zeit brauchen, insbesondere, da er sich erst ein-arbeiten muss.

Sie verabreden eine dreimonatige •Halbtagsarbeit von Frau Kraft ab dem Firmeneintritt ihres Mannes, damit sie mehr Zeit für die Familie hat und auch ihre Tätigkeitsfelder im Unternehmen neu organisieren kann.

Die Autoren

Marion Rosskogler, Dipl.-Psych., Coach und Managementtrainerin aus Meerbusch. Ihr Metier sind die Themen Führung, Zusammen-arbeit und Konflikt. Sie coachtFach- und Führungskräfte, insbe-sondere bei Fragen der Unterneh-mensnachfolge.

http://www.rosskogler.de

Josef Leenen, Dipl.-Psych., Dipl.-Soz.-Päd., Coach und Manage-menttrainer aus Bonn. Seine Schwerpunkte liegen im Projekt-management, im Coaching von Vertriebsmitarbeitern und in der Teamentwicklung. Seit Jahren begleitet er Familienunternehmen bei Nachfolgefragen.

[email protected]

Foto: Martina BergFo

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33 3/2009

sPotLightDer coaching-marktVon Peter-Paul Gross

Wie vermarkten sich Coachs? Bewerben Sie ihre Dienstleistung? Welche Marketing-Maß-nahmen nutzen sie und welche davon sind besonders erfolgswirksam? Wie werden Kun-den auf Coachs aufmerksam? Worauf legen sie bei der Auswahl von Coachs besonderen Wert? Und wie hoch ist das Budget von Kunden für Coaching-Maßnahmen? Fragen dieser Art standen im Fokus einer breit angelegten Studie zum deutschen Coaching-Markt, die am Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement der Philipps-Universität Mar-burg durchgeführt wurde.

S P O T L I G H T

34 3/2009

Coaching boomt nach wie vor! Die Entwicklung des Coaching-Marktes in Deutschland ist beeindruckend. Längst wurden Kritiker abgestraft, die im Coaching nur einen kurzfristigen Modetrend sehen wollten. Coaching ist momentan das Schlagwort moder-ner Personalentwicklung; und wenn man neueren Studien glauben darf, ist zukünftig mit noch größerem Bedeu-tungsgewinn zu rechnen.

Die Gründe für die gestiegene Popula-rität von Coaching sind auf zwei Ebe-nen zu verorten:

Es haben sich die externen Rah-•menbedingungen vieler Branchen und Märkte verändert, in denen die Unternehmen und deren Mit-arbeiter agieren. Durch die In-ternationalisierung des Wettbe-werbsumfelds, durch schnellere Innovationszyklen, Verbreitung von Informations- und Kommu-nikationstechnologien, den per-manent geforderten organisatori-schen Wandel und so weiter sind auch die Anforderungen an die Führungskräfte hinsichtlich der Komplexität ihrer Aufgaben, ihrer Flexibilität, Zielorientierung, Kom-

munikationsfähigkeit und sozialen Kompetenzen gestiegen.

Die Unternehmen selbst haben er-•kannt, dass Mitarbeiter eine wert-volle „Ressource“ des Unterneh-mens darstellen, die es zu pfle-gen gilt. Im Zuge der gestiegenen Bedeutung der Personalentwick-lungsfunktion hat auch Coaching an Popularität gewonnen.

Dabei ist Coaching aus Sicht der •Wirtschaftswissenschaften ein noch recht wenig bearbeitetes Forschungsfeld. Es ist also leicht nachzuvollziehen, dass die nach wie vor boomende Branche das In-teresse einiger Marktforscher auf sich gezogen hat.

Die Marburger Coaching-Markt-StudieIn der Studie zum deutschen Coaching-Markt 2008/09 stand die vorvertragli-che Verhandlungssituation zwischen Coachs und ihren Kunden im Fokus.

Neben demografischen Fragen•wurden Coachs zu Angebotsstra-tegien, also ihrem Marketing be-fragt.

Die Kunden von Coaching-Dienst-•leistungen, in diesem Fall Ent-scheider, die über die Auswahl und den Einsatz von Coaching in Unternehmen bestimmen, wur-

den zu Nachfragestrategien, also dem Auswahlprozess externer Coaching-Dienstleister befragt.

Die Studie entstand im Rahmen mei-ner Diplomarbeit am Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanage-ment der Philipps-Universität Marburg. Sie die trägt den Titel „Angebots- und Nachfragestrategien im deutschen Coaching-Markt – Dienstleistungsmar-keting in der Personalentwicklung“. Die kompletten Ergebnisse dieser Studie erscheinen im vierten Quartal dieses Jahres als Buch. Zu diesem Anlass planen wir in Marburg eine Tagung.Im Gegensatz zu anderen Marktstudi-en (s. Kasten) liegt den Ergebnissen eine verhältnismäßig große Stichprobe zu Grunde. Auf der Seite der Coachs haben sich knapp 1.100 Teilnehmer durch den Online-Fragebogen geklickt. Die Stichprobe der Nachfrageseite ist kleiner, gleichwohl aber sehr spezi-fisch, denn bei den243 Teilnehmernhandelt es sich um Entscheidungsträ-ger. Die größte Gruppe in dieser Stich-probe stellen dabei Geschäftsführer mit einem Anteil von 26 Prozent dar, gefolgt von Personalentwicklern (18%) und Abteilungs- oder Bereichsleitern (16%).

Der Einschätzung zur Grundgesamtheit von Coaching-Anbietern liegt eine Ana-lyse der Zahlen zur Einkommenssteu-er des Statistischen Bundesamtes zu Grunde. Nach der Interpretation dieser vorliegenden Zahlen wurde die Zahl der in Deutschland tätigen Coachs auf 8.000 festgelegt. Damit kann die Stichprobe mit einem Anteil von 13,63 Prozent aller Coachs als repräsentativ für den deutschen Coaching-Markt an-gesehen werden.

Der durchschnittliche CoachDer durchschnittliche Coach ist weib-lich (53%). „Mrs. Coach“ ist 47 Jahre alt. Jede Dritte hat eine kaufmänni-sche Ausbildung (29%), die durch ein Studium der Psychologie (27%), der Wirtschaftswissenschaften (25%) oder der Pädagogik (21%) ergänzt wurde. SiebesitzteinespezifischeCoaching-oderBeraterausbildung(72%)undjedeDritte hat auch eine therapeutische Zusatzausbildung (33%) absolviert. Sie

Studien zum Coaching-Markt

Jörg Middendorf führt gemeinsam mit dem Deutschen Bundesverband Coaching e.V. (www.dbvc.de) die Coaching-Umfrage Deutschland durch. Inzwischen liegen seit 2002diejährlicherscheinendenStudienergebnissevor.Dieaktuelle7.Coaching-Umfrage Deutschland basiert auf der Befragung von 432 Teilnehmern. http://www.coaching-umfrage.de/ergebnisse.htm

http://www.dbvc.de/cms/index.php?id=408

Auf europäischer („European Coaching Survey 2007/08“) und seit Neuesten auf internationaler Ebene („Global Coaching Survey 2008/09“) untersucht Frank Bres-ser die Coaching-Branche. Seine Daten beruhen bislang in weiten Teilen auf der Befragung von Verbandsfunktionären und können daher noch keine hohe Validität beanspruchen. http://www.frank-bresser-consulting.com/europeancoachingsurveygerman.html

http://www.frank-bresser-consulting.com/global-coaching-survey.html

0% 60% 155

Durchschnittlich Minimum Maximum Basis n

Fachbuchautorenschaft (solitär) 86% 25% 300% 8

Spezialisierung 72% 50% 100% 3

Gezielte Ansprache 70% 30% 100% 4

Fachbuch und Artikelveröffentlichungen 66% 10% 300% 11

Produktion von Kundenzufriedenheit 59% 10% 100% 9

Mund zu Mund Komm. / Virales Marketing 48% 15% 100% 23

Kaltakquise 43% 10% 100% 12

Spezielle Coaching / Beraterausbildung 37% 0% 100% 199

Erwerb von Zusatzqualifikationen 36% 10% 50% 9

Kooperationen 30% 20% 50% 4

Netzwerke/ Networking 30% 5% 80% 28

Einrichtung einer Homepage 25% 0% 200% 228

Vorträge 21% 2% 80% 9

Beitritt in einen Coaching Pool 15% 0% 100% 146

Artikelveröffentlichungen (solitär) 13% 10% 20% 3

B i i i i B f b dBeitritt in einen Berufsverband 10%10% 0% 60% 155Tabelle 1: Prozentuale Erhöhung der Auftragszahlen nach einer Maßnahme.

35 3/2009

organisiert ihre Arbeit selbstständig alsFreiberuflerin(40%),istselbststän-dig mit einer eigenen Firma (21%) oder arbeitet als vernetzte Einzelanbieterin in einem Coaching-Pool (17%).

Bisher kann nur jeder zehnte Coachallein von Coaching leben (10%). Jede Zweite (59%) erwirtschaftet durch Coaching allerdings bis zu 30 Prozent ihres Jahreseinkommens. Das durch-schnittliche Tageshonorar liegt bei 63 Prozent der Coachs zwischen 1.000 und 2.000 Euro. Der durchschnittli-che Stundensatz im Coaching liegt bei 150 Euro. Wobei der größte Teil der Coachs (78%) ihre Dienstleistung bis zu diesem Durchschnittssatz anbietet. Darin ist auch ehrenamtliches Enga-gement enthalten. Coachings werden allerdings auch bis hin zu einem Stun-densatz von 500 Euro angeboten.

Die KlientenEs gibt keine Branche, die sich durch den Einsatz von Coaching besonders auszeichnet. So arbeiten Coachs bei-spielsweise in der Automobilindustrie (34%), in Handel und Vertrieb (39%), bei Banken und Versicherungen (38%) oder im Gesundheits- und Sozialwesen (37%). Auffällig ist, dass einige Coachs überspezifischesBranchenwissenver-

fügen – einige konzentrieren sich zum Beispiel auf das Gesundheits- und Sozialwesen (22%) oder die Finanz-branche (Banken und Versicherungen: 20%).Die größte Gruppe von Klienten der Coachsfindetsichmit71Prozent immittleren Management. Mit dem ge-hobenen Management arbeiten mit 61 Prozent ähnlich viele Coachs, wie mit Nachwuchsführungskräften (60%). Mitarbeiter werden zu 50 Prozent ge-coacht und lediglich 33 Prozent coa-chen Top-Executives.

Der Handwerkskoffer der CoachsDie Frage nach Methoden und Ansät-zen wurde in zwei Spalten gegliedert. Differenziert konnten Angaben darüber gemacht werden, ob man einem kom-pletten Ansatz oder lediglich Elemente eines Ansatzes bei der Arbeit als Coach nutzt. Als meistverwendete „ganze“ Ansätze sind der Systemische Ansatz (34%) und die Supervision (28%) zu nennen. Den Kern der Arbeit als Coach scheint allerdings der bedarfsadäquate Einsatz von Elementen verschiedener Ansätze im Coaching darzustellen (ek-lektizistischer Ansatz). Unter den the-rapeutischenAnsätzenwerdenhäufigElemente aus der Gesprächstherapie (53%), der Verhaltenstherapie (50%)

oder der klientenzentrierten Kommu-nikation (50%) verwendet. Unter den kommunikationstheoretischen Ansät-zen sind beispielsweise Elemente aus dem Neurolinguistischen Programmie-ren (NLP) (45%), der Transaktionsana-lyse (TA) (43%) sowie der Gesprächs-Rhetorik (41%) populär. Elemente aus der Supervision (47%) und dem 360-Grad-Feedback (31%) werden aus der Gruppe der Feedback-Ansätze häufigverwendet.

Das Marketing der CoachsLediglich knapp mehr als die Hälfte aller Coachs bewerben ihre Dienstlei-stung (55%). Etwas mehr als die Hälfte der werbenden Coachs tut dies seit maximal fünf Jahren (56%). 41 Pro-zent gaben 2008 zwischen 1.000 und 5.000 Euro für Werbe-Maßnahmen aus.

Konkrete Werbe-Maßnahmen sind beispielsweise die eigene Homepa-ge (94%), die Pflege von Netzwerken(81%), der Aufbau eines Corporate-Designs oder einer Corporate-Identity (62%) sowie die Öffentlichkeitsarbeit/PR (38%).

Dabei stellen 43 Prozent der Coachs in ihrer Werbung besonders ihre Qua-

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Budgetanteile für Coaching in %(absolute/relativeWerte zur Basis n)

Abb. 1: Wie viel (in Prozent) Ihres Budgets für PE-Maßnahmen geben Sie im Jahr ungefähr für

Coaching aus?

S P O T L I G H T

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lifikation oder die Ausbildung sowiedie Kompetenzen in den Vordergrund; gefolgtvonihrenberuflichenErfahrun-gen (30%) sowie dem Themenblock Schwerpunkte, Spezialisierung oder USP (24%).

Die Coachs, die ihre Dienstleistung bewerben, wurden in einer weiteren Frage darum gebeten, eine Einschät-zung über die Werbewirkung verschie-dener Maßnahmen abzugeben. Die Ergebnistabelle1zeigtdiesubjektivenEinschätzungen von Coachs dazu, wie sich ihre Auftragszahlen nach einer konkreten Marketing-Maßnahme pro-zentual verändert haben. In der Spalte „Durchschnittlich“ sind alle Angaben zu Veränderungen in den Auftragszah-len gemittelt. Die Spalten „Minimum“ und „Maximum“ visualisieren die ab-soluten Prozentwerte der niedrigsten (Minimum) und höchsten (Maximum) Veränderungseinschätzung zu ex post erzielten Auftragszahlen. Die „Basis n“ zeigt die absoluten Zahlen der Nennun-gen von Coachs. Die große Differenz in dieser Spalte der Nennungen ergibt sich, da vier Maßnahmen in der Frage-tabelle bereits vorgegeben waren und

offen um die Ergänzung weiterer Maß-nahmen und deren Bewertung gebeten wurde. Aus diesem Grund sind die Ant-worten der Coachs bei der qualitativen Auswertung in passende Merkmalska-tegorien zusammengefasst worden.

Aus den Maßnahmen „Fachbuchauto-renschaft“ und „Artikelveröffentlichun-gen“ wurden drei Kategorien gebildet, da es Probanden gab, die bei ihren Angaben beide Maßnahmen zusam-mengefasst, etwa durch das Merk-mal „Veröffentlichungen“, erwähnten und bewerteten. Nach den Angaben der befragten Coachs entfaltet eine „Fachbuchautorenschaft“ mit durch-schnittlich 86 Prozent der Nennungen die nachhaltigste Wirkung in der Er-höhung der Auftragszahlen. Die Erhö-hung der Auftragszahlen rangieren hier zwischen mindestens 25 und maximal 300 Prozent.Die Coachs, die die „Fachbuchauto-renschaft“ und „Artikelveröffentlichun-gen“ gemeinsam angaben, vermuten, aus diesen Maßnahmen im Durch-schnitt 66 Prozent mehr Aufträge er-halten zu haben. Die Bandbreite liegt hier zwischen 10 und 300 Prozent.

Interessant sind die Daten zur solitä-ren Maßnahme „Artikelveröffentlichun-gen“: Durch diese singuläre Maßnah-me erhöhten sich die Auftragszahlen

der Coachs lediglich um durchschnitt-liche 13 Prozent. Die Bandbreite reicht hier von 10 bis 20 Prozent. Der Ver-gleich zwischen diesen drei Merkmals-kategorien lässt vermuten, dass wis-senschaftliche Veröffentlichungen, die häufig in Form von Artikeln veröffent-licht werden, von Kunden weniger zur Kenntnis genommen werden.

Die wissenschaftliche Reputation ei-nes Coachs wird von Kunden für die praktische Arbeit mit Klienten offenbar weniger beachtet. Eine Fachbuchauto-renschaft, die – wenn man sich am Durchschnitt der 7.129 Buch-Angebote zum Thema Coaching bei Amazon ori-entiert – in den meisten Fällen einen eher populärwissenschaftlichen Cha-rakter besitzt, wird dagegen vermut-lichhäufigervonKundenbemerktundauf Grund von „vermeintlich“ höherer Praxisorientierung für die praktische Arbeit mit Klienten stärker gewichtet.

Die Maßnahme „gezielte Ansprache“ wurde bei der Kategorisierung bewusst von der Maßnahme „Kaltakquise“ ge-trennt. Gezielt angesprochen werden in der Regel bereits bestehende Kun-den, um auf ein besonderes Angebot hinzuweisen. Bei der Kaltakquisition geht es um Neukundengewinnung. Die-se Unterscheidung liefert vermutlich schon einen ersten Hinweis darauf, warum Coachs durch gezielte Anspra-che im Durchschnitt 70 Prozent mehr Aufträge erhielten. Die Spannbreite der Nennungen für diese Kategorie lag zwischen 30 und 100 Prozent. Durch Kaltakquise konnten Coachs ihre Auf-tragszahlen im Durchschnitt um 43 Prozent steigern, die Spannbreite der Merkmalsausprägungen in dieser Ka-tegorie lag zwischen zehn und 100 Prozent.

Die Coaching-EinkäuferDie Kunden von Coachs stammen aus Unternehmen aller Größenordnungen und Branchen. Die meisten von ihnen sind über den Austausch mit Kollegen auf Coaching aufmerksam geworden (28%). Mit 67 Prozent überwiegt der Anteil derer, die mit dem Einsatz von Coaching zufrieden sind. 58 Prozent der Kunden attestieren einen mittle-ren, 42 Prozent einen hohen Erfolg für

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ihr Unternehmen durch den Einsatz von Coaching.

Coach-VorauswahlDie meisten Kunden werden auf Coachs durch Empfehlungen aufmerk-sam (Mund-zu-Mund-Kommunikation, Meinungen aus ihrem Netzwerk; 58%). 17 Prozent finden den Coach durchdie gezielte Suche im Internet. Bei der Auswahl von Coachs sind unter ande-rem Referenzen und positive Erfahrun-gen Dritter mit dem Coach (34%), die Schwerpunktkompetenzen des Coachs (18%) sowie Ausbildung und Erfahrung des Coachs (17%) wichtige Kriterien. Zwei- bis dreistündige Vorstellungsge-spräche zum Kennenlernen gehören für 25 Prozent der Kunden zum Stan-dard bei der Auswahl. Entscheidend sind für die Vertragsvergabe bei 17 Prozent das Fitting zwischen Coach und Klienten („Chemie“). Die Passung des Coachs zur Firmenphilosophie oder -kultur ist für zwölf Prozent ent-scheidend.

AuswahlkriterienWesentliches Auswahlkriterium ist für Kunden eine spezifische Coaching-oder Beraterausbildung, diese wird von 54 Prozent als sehr wichtig und von 29 Prozent als wichtig eingestuft. Interessant ist, dass eine Promotion lediglich von zwei Prozent der Kunden als wichtig, und von 82 Prozent als unwichtig markiert wurde. Dass ein Coach Berufserfahrung als Coach be-

sitzt, halten 72 Prozent der Kunden für sehr wichtig, 21 Prozent für wichtig. Auch eigene Branchenerfahrung ist von Vorteil (sehr wichtig: 49%, wichtig: 30%). Unter den persönlichen Eigen-schaften wünschen sich Kunden unter anderem Vertrauenswürdigkeit und Integrität (sehr wichtig: 77%, wichtig: 16%) sowie Persönlichkeit und Aus-strahlung (sehr wichtig: 71%, wichtig: 21%) von ihrem Coach. Mehrfach wur-de in einer ergänzenden, offenen Fra-gestellung erwähnt, dass die Auswahl eines Coachs häufig eine Sache des„Bauchgefühls“ sei.

Coaching-BudgetsBei fast drei Viertel der Kunden von Coaching-Dienstleistungen liegt der Anteil von Coaching an Personalent-wicklungsbudgets bei nicht mehr als 20 Prozent. Das Personalentwick-lungsbudget der Kunden, die über 60 Prozent ihres Budgets in Coaching in-vestieren, liegt bei unter 10.000 Euro. In Anbetracht der Vielfalt möglicher Personalentwicklungsmaßnahmen ist der Anteil von Coaching an Personal-entwicklungsbudgets mit einem Mit-telwert von 16,85 Prozent doch recht respektabel (s. Abb. 1). Es bleibt ab-zuwarten, wie sich dieser Anteil in den nächsten Jahren entwickeln wird.

Der Autor

Peter-Paul Gross, Dipl.-Kfm. und Sprech-wissenschaftler univ. (DGSS), promoviert über die Durchsetzung von Standards in wissensintensiven Dienstleistungsmärkten im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Marburg. In Kürze gibt er zu-sammen mit Prof. Dr. Michael Stephan und Norbert Hildebrandt das Buch „Organisation und Marketing von Coaching – Management innovativer Personalentwicklungsdienstlei-stungen“ (ISBN: 978-3-17-020376-1) he-raus. Seit 2006 arbeitet er als Kommunika-tionstrainer. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Rede- und Gesprächs-Rheto-rik,KonfliktmanagementundMarketing.

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K a r r i e r e m u s t e r e r k e n n e nEin Coaching-Tool von Jason Kay

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KuRZBESCHREIBuNGDiesesTooldientderIdentifizierungvonKarriere-Motiva-tionen mit Bezug auf strategische Karriere-Planung und Mitarbeitermotivation. Dies bedeutet, dass es nicht um spezifische inhaltliche Interessen, sondern um dasMu-ster der persönlichen Karriere-Orientierung geht.

Insgesamt macht das Tool Motivationen, die oft intuitiv sind, in strukturierter Form besser erkennbar, und stellt eine gemeinsame Sprache für das Verständnis von Karri-eremotivation bereit. Das Modell deckt traditionelle Sicht-weisendesberuflichenErfolgsab, istabernichtaufsiebeschränkt,undkanndieKarriereoptionenfürdiejenigenverbessern, die eine weniger konventionelle beruflicheLaufbahn wünschen.

ANWENDuNGSBEREICHEDas Modell kann als Hauptinstrument beim Karriere-Coa-ching verwendet werden, in dem Beratung und Anleitung bei der strategischen Karriereplanung gefragt sind. Außer-dem hilft es, das Zusammenspiel von individueller Moti-vation und Organisationskultur besser zu verstehen. So kann es auch im Rahmen eines Outplacement-Coaching eingesetzt werden.

Zudem kann es als Zusatzinstrument in einem bereits be-stehenden Coaching eingesetzt werden, beispielsweise im Coaching mit Führungskräften, wenn ein strukturierter Überblick benötigt wird, um die Mitarbeitermotivation im Hinblick auf die Bestimmung von Zielen, die Karrierepla-nung und Entwicklungsgespräche zu verstehen. – Zudem lässt sich damit zeigen, wie unterschiedliche Belohnungen verschiedene Motivationen verstärken können.

Z IELSE TZuNG/EFFEK TEDas Ziel in der Karriere-Beratung ist, bewusstere Kar-riereschritte und Entscheidungen zu ermöglichen, die besser zu den persönlichen Motiven passen und sich weniger an dem orientieren, was üblicherweise als beruf-licher Erfolg gilt. Dadurch wird ein hohes Maß an Moti-vation für das Arbeitsleben des Klienten sichergestellt.

Das Ziel in der Mitarbeiterführung ist, Führungskräfte dabei zu unterstützen, die Mitarbeitermotivation be-wusster zu adressieren und zu steuern, damit die Mit-arbeiter besser ihren Aufgaben und den Belohnungen entsprechen. So wird auch eine bessere Ausrichtung auf die persönlichen Entwicklungspläne sichergestellt.

AuSFüHRLICHE BESCHREIBuNGWiesiehtberuflicherErfolgaus?WenndieseFrageinei-ner Gruppe beantwortet wird, überrascht oft die Variati-onsbreite der Antworten. Häufigwirdangenommen,dassalle die gleichen Erfolgsbilder haben, weil alle erfolgreich sein möchten. Genau das ist aber der Clou: Erfolgsbilder (und die zugrunde liegende Karriere-Motivationen) sind in-dividuell.

Ein Praxisbeispiel aus dem Karriere-CoachingHerr P. hat ein Ingenieursstudium absolviert und ist in einem mittelständischen Bauunternehmen angestellt. Er hat jahrelanghartgearbeitet,umtiefreichendesWissenund Erfahrung auf seinem Gebiet zu erwerben (unterstützt durch weiteres technisches Training), und wurde zum Obe-ringenieur befördert. Bei seiner täglichen Arbeit liefert Herr P. regelmäßig gute Ergebnisse und erwarb sich den Ruf, sehr zuverlässig und kooperativ zu sein. Er hilft Kolle-gen in seinem und anderen Teams, indem er sein Wissen mit ihnen teilt. Deshalb wurde er von seinen Vorgesetzten zum Manager eines eigenen Teams befördert. Eine Beför-derung gilt in seiner Firma als Zeichen des Erfolgs.

Doch obwohl Herr P. Freude an der neuen Herausforderung hat, fühlt er sich zu weit von seiner bisherigen, täglichen Arbeit entfernt und vermisst es, sein Know-how anzuwen-den. Herr P. ist etwas überrascht, als er feststellt, dass seine erste Managementposition weniger motivierend ist, als er sich dies vorgestellt hatte. Nach Verhandlungen mit seinem Vorgesetzten macht er eine Seitwärtsbewegung weg von seiner Position als Teamleiter und engagiert sich inderProjektarbeit.

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Die Fragen, mit denen er zum Karriere-Coaching kommt, sind,wieseineberuflicheLaufbahnambestenzuplanensei, und wie gut seine Pläne zu seiner derzeitigen Arbeit passen. Er weiß, dass er sein Leben lang Ingenieur sein wird – es ist mehr als nur ein Job für ihn, eher eine Beru-fung.

Modell-ÜberblickUm unser Tool auf Herrn P. anzuwenden, ist ein Blick auf das Modell von DecisionDynamics nötig. Die ursprüng-lichen Fragen zur Erforschung des beruflichen Werde-gangs, die vor über 30 Jahren MBA-Absolventen gestellt wurden, stellen einen nützlichen Bezugsrahmen zum Verständnis dieses Modells dar (und sind hilfreich, wenn man im Lebenslauf eines Klienten nach Karrieremotiven sucht). Diese Fragen sind:

Richtung:• In welche Richtung hat sich die Karriere eines Klienten entwickelt (aufwärts in der Hierarchie, seitwärts, kaum?).Dauer:• Wie lange ist der Klient auf einer Position ge-blieben, bevor er sich weiter bewegte?Orientierung:• Wie weit ist der Arbeitsinhalt und die Expertise in der momentanen Position des Klienten von seiner Ausgangsposition entfernt?

Diese Faktoren können verwendet werden, um Muster im Lebenslauf des Klientenzuidentifizieren,denendannver-schiedene Karrieremotive zugeordnet werden. Die Muster, die sich aus diesen drei Faktoren ableiten lassen, bilden jeweils einzigartigeMotivations-Kombinationen, die sichim CareerConcepts©-Modell mit seinen vier Typen von Kar-rieremotivationwiederfindenlassen:

Expert.1. Für diesen Typen geht es um den Aufbau von Expertise und das Streben nach Sicherheit. Experten sehen eine erfolgreiche Laufbahn als lebenslange HingabeaneinenBeruf,mit demmansich identifi-ziert, und als kontinuierliche Beherrschung des Wis-sens und der Fähigkeiten, die zu diesem Beruf nötig sind.Linear.2. Dieser Typ schätzt Macht und Leistung und will (linear) nach oben. Folglich ist Beförderung der wichtigste Faktor, da er zunehmende Verantwortung undEinflussmitsichbringt.Herausforderungenwer-den häufig gesucht, da sie die Möglichkeit bieten,den Leistungsaspekt dieser Motivation unter Beweis zu stellen. Erfolg ist erzielt, wenn höhere Ebenen in der Hierarchie erreicht werden, was gewöhnlich durch Statussymbole markiert wird (z.B. das „Eckbüro mit Aussicht“,einTitel).WennmanaufDeutschsagt,je-mand „macht Karriere“, meint man oft diese Art von Motivation. Die Kompetenzen, die mit dieser Motiva-tion einhergehen, sind Wettbewerb, Führung und Ef-fizienz.Spiral.3. Dieser Typ strebt nach Kreativität und Wachs-tum. Im Gegensatz zu den beiden erstgenannten Motivmustern ist dies keine traditionelle Karriereent-wicklung. Vielmehr wird sie durch periodische Seit-wärtsbewegungen charakterisiert, die gewöhnlich von einer zentralen Fähigkeit oder Expertise ausgeht. Diese Veränderungen setzen tendenziell eine Ent-

wicklung von breiteren Fähigkeiten und neuen Anwen-dungen früherer Erfahrungen voraus, wodurch neue beruflicheMöglichkeitenentdecktwerden.Erfolgbe-deutet für diesen Typen die eigene Entwicklung, die anderer Menschen, die von Dienstleistungen oder von Produkten. Die Kompetenzen, die damit einher-gehen,sindTeamwork(undProjektarbeit),Kreativitätund Diversität von Fertigkeiten.Transitory.4. Dieser vierte Typ ist vermutlich der am we-nigsten konventionelle und am stärksten wandlungso-rientierte. Er strebt nach Unabhängigkeit und Vielfalt. Vielfalt ist wichtig, weil er neue Inputs braucht – was bedeutet, dass Menschen mit diesem Motiv ihre Po-sitionen schneller verändern. Die Transitory (transito-risch, etwa „schnelllebig“) genannte Motivation wird durch Mikro-Management (geringe Unabhängigkeit) oder sehr repetitive Arbeit (geringe Vielfalt) demo-tiviert. Die Kompetenzen, die mit dieser Motivation verbunden sind, sind Netzwerken, Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit. Derart Motivierte sehen sich oft vor das Problem gestellt, missverstanden zu werden: Man bezeichnet sie als unfähig, eine Karrie-re zu wählen (ein Personalentwickler beschrieb diese Motivation einmal als das Gegenteil einer Karriereent-wicklung).

Diese vier verschiedenen Motivationsarten können leicht als Persönlichkeitstypologie aufgefasst werden, sind aber keine. In der Regel tragen wir alle Motivationen in einem spezifischenAnteilinuns,diesichineinemeinzigartigenProfil darstellen. Daher muss die persönliche Gewich-tung dieser Motivationenidentifiziertwerden.Diesleistetdieses Tool.

Ein weiterer wichtiger Punkt kommt hinzu: die Unterneh-menskultur, in der der Einzelne arbeitet:

Expert-Unternehmen:• Deren Strategie zielt auf Konso-lidierung. Aufbauorganisatorisch lassen sie sich als flachePyramidebeschreiben.DieHaupt-Leistungsin-dikatoren in solchen Unternehmen sind Qualität und technische Expertise. Anerkennung und technisches Training (Personalentwicklung) sind die zentralen Be-lohnungsanreize.Linear-Unternehmen:• Ihre Strategie zielt auf Wachs-tum. Aufbauorganisatorisch lassen sie sich als steile Pyramide beschreiben. Die Haupt-Leistungsindika-toren in solchen Unternehmen sind Profit und Füh-rungsqualität. Beförderung und Management-Anreize sind die zentralen Belohnungsanreize.Spiral-Unternehmen:• Sie haben eine auf Erneue-rung ausgerichtete Strategie. Aufbauorganisatorisch lassen sie sich als Matrix beschreiben. Die Haupt-Leistungsindikatoren in solchen Unternehmen sind Kreativität und Kompetenzvielfalt. Job-Rotation und Ausbildung sind die zentralen Belohnungsanreize.Transitory-Unternehmen:• Deren Strategie zielt auf Möglichkeiten. Aufbauorganisatorisch lassen sie sich als temporäre Teams verstehen. Die Haupt-Leistungs-indikatoren in solchen Unternehmen sind Schnellig-keit und Anpassungsfähigkeit. Gehaltsbonus und Un-abhängigkeit sind die zentralen Belohnungsanreize.

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Wie im klassischen Fitting-Ansatz auch, postuliert unser Modell, dass Individuum und Organisation zueinander passen müssen, um eine optimale Zusammenarbeit zu gewährleisten.

Identifizierung des spezifischen Motivati-onsclustersErster SchrittZunächst geht es darum, sich eine Übersicht über Herrn P.s Laufbahn zu verschaffen und in einer Laufbahnanalyse unter drei Aspekten nach Mustern zu suchen: Richtung, Dauer und Orientierung.

Richtung:• Herr P. hat sich anfangs nach oben bewegt (Beförderung zum Teamleiter), was eine Linear-Moti-vation nahelegt. Darauf folgte eine Seitwärtsbewe-gung (zur Projektarbeit), die eine Spiral-Motivationimpliziert.Dauer:• Herr P. hat sein gesamtes Arbeitsleben als Ingenieur in derselben Industrie zugebracht, was auf eine Experten-Motivation schließen lässt. Sein schneller Wechsel vom Teamleiter zur Projektarbeitkönnte als Resultat eines Spiral- oder Transitory-Mo-tivation gesehen werden. Ein wichtiger Faktor, der mit Herrn P. geklärt werden müsste, sind seine Gründe für diese Veränderungen und wie lange er plant, in der Projektarbeitzuverbleiben–einelängereVerweildau-er könnte auf eine Spiral-Motivation hindeuten, ein Hang zu schnellerer Veränderung auf eine Transitory-Motivation.Orientierung:• Herr P. befindet sich noch immer imselben Berufsfeld, mit einer gewissen Seitwärtsbe-wegung. Das ist ein starker Indikator einer Experten-Motivation. Dieser Wechsel in ein neues, aber ver-wandtes Gebiet (die Projektarbeit), könnte auf einSpiral-Motiv hindeuten.

Zweiter SchrittDas Interview wird eingesetzt, um Hypothesen zu testen, die im ersten Schritt entwickelt wurden, und um zu klären, in welchem Maße die individuellen Karriereschritte aus ei-genem Antrieb gemacht wurden – und welche Haltung der KlientzujedemSchritteinnimmt.

Im Interview erklärt Herr P., dass die Arbeitsaufgaben, dieerammeistenschätzt,diejenigensind, indenenerseine Expertise erproben, und neue Facetten an ihr ent-decken kann (Expert-Motivation). Er zieht Gewinn aus der AnwendungseinesWissens indenProjekten,andenener arbeitet (das könnte auf eine Kombination von Moti-vationen hindeuten). Er ist in der Lage, sein Experten-wisseninvereinfachterFormanseineProjektkollegenzukommunizieren, ohne als Fachidiot aufzutreten (basierend auf Feedback von Kollegen). Herr P. gibt den Wunsch zu erkennen, in seinem Arbeitsfeld zu bleiben (Expert) und macht deutlich, dass ihm seine langfristigen Positionsver-änderungen nicht ganz klar sind. Er zeigt allerdings eine

Offenheit, seine Karriere zu entdecken – was als Anzei-chen einer Spiral-Motivaton zu sehen ist.

IndiesemSchrittidentifizierenCoachundKlientgemein-sam als die primären Motivationen von Herrn P. „Expert“ und „Spiral“. Auch eine gewisse Transitory-Motivation wur-de identifiziert, die Herr P. in seinemWunsch nach Ab-wechslung in seiner Arbeit erkennen konnte. Diese Kombi-nation von „Expert“ und „Spiral“ kann als Beratungsprofilbeschrieben werden:

Expert:• Bei Herrn P. kommt das darin zum Ausdruck, dass er ein klar abgegrenztes Fachgebiet gewählt hat (Bauingenieurwesen), in dem er sein Wissen vertieft hat. Er macht während des Coachings auch klar, dass er lebenslang Ingenieur bleiben will. Die Karriere-Kompetenzen – Qualität der Arbeit und Zuverlässig-keit – passen hierzu.Spiral:• Herr P. wird durch Teamarbeit immer motiviert, auch durch die Zusammenarbeit mit anderen Teams. Der Wechsel in die Projektarbeit wird von ihm alswichtige persönliche Entwicklung gesehen, da er Viel-falt in seine Arbeit brachte (während er immer noch im Feld seiner Expertise verblieb) und ihm erlaubt, seineExpertiseauszuweiten(umProjektarbeiteinzu-schließen).Transitory:• HerrP.lerntbeiseinerProjektarbeitvieleKollegen kennen, die transitorisch motiviert zu sein scheinen. Einige sind seit mehreren Jahren bei der Firma und werden als Trouble-Shooter oder in quer durchdieOrganisationverlaufendenProjekteneinge-setzt.

Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass Klienten ge-wöhnlich eine Vorstellung von ihrem idealen Karriereweg haben (ihre Präferenzen). Diese sind gewöhnlich beein-flusstvonderArtundWeise,inderwiraufwachsen,undnatürlichvonsozialenEinflüssen.Diese Präferenzen sind etwas Anderes als die persönlichen Karriere-Motivationen und passen mehr oder weniger gut zu diesen.

Wir bieten, da wir das hier vorgestellte Coaching-Tool als CareerConcepts© professionalisiert haben und lizensieren, zur Differentialdiagnostik einen Online-Fragebogen an, mit dempersönlicheMotiveundKarrierepräferenzenidentifi-ziert, und eventuelle Diskrepanzen in Form einer Lückena-nalyse dargestellt werden können. Doch funktioniert das Tool auch ohne diesen Fragebogen und sein Einsatz soll das hier geschilderte Vorgehen auf keinen Fall ersetzen. Auch wenn der Fragebogen eingesetzt wird, ist es ratsam, die hier genannten Schritte mit dem Klienten durchzuge-hen, da dies den Klienten für seine persönlichen Motive sensibilisiert und ihm ermöglicht, sie selbst leichter zu erkennen.

Dritter SchrittDa Herrn P.s Hauptmotivation „Expert“ und „Spiral“ – und nicht „Linear“ – sind, muss er seinen Vorgesetzten (und

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der Personalabteilung) klar machen, dass er nicht weniger motiviert ist als seine „linearen“ Kollegen, sondern an-dere Motivationen hat. Es schließt sich nun die Beratung und Diskussion der Karriere-Strategie an.

Dies ist auch von Bedeutung, da Herrn P.s Organisations-kultur eine Mischung aus „Expert“ und „Linear“ ist: Viele von Herrn P.s Vorgesetzten in seiner Firma sind eindeu-tig „linear“ motiviert. Tatsächlich ist diese Motivation in der Schwesterfirma in den USA sehr dominant, was imWunsch nach Titeln deutlich wird, die die höhere Position in der Organisationshierarchie markieren. Herr P. scherzt oftmitKollegendarüber,dassdieSchwesterfirmakeineAngestellten habe, sondern nur „Senior Vice Presidents“.

EsistjedochdieExpert-Kultur,dieweitereUnterstützungund Training für Herrn P.s technische Expertise sicherstel-len kann. Seine nächsten Schritte bestehen darin, breitere Erfahrung in verschiedenen Projekten zu gewinnen, umseine Expertise aufzubauen und seine Fähigkeiten als beratender IngenieurbeiBauprojekten zu vertiefen (undfolglich seine Spiral-Motivation zu befriedigen). Er selbst kommt zu der Einsicht, seine Projektarbeit als eine Artvon Expertise an sich zu verstehen, die auf seiner Expert-Motivation beruht. Um für ausreichende Variationsbreite in der Zukunft zu sorgen und dabei im gleichen Arbeits-feld zu verbleiben, zieht Herr P. in Betracht, an einigen ProjektenimAuslandzuarbeiten,daihmdasneueErfah-rungen bringen dürfte.

Eine wichtige Überlegung für Herrn P. ist, ausreichend Zeit für sich selbst zu haben, um die Breite seiner Expertise ausbauen zu können, statt schnell von einem Projektzum nächsten zu wechseln. Obwohl er über eine gewisse Transitory-Motivation verfügt, zieht er nicht in Betracht, selbstständiger Berater zu werden, da sein Wunsch nach Sicherheit zu groß ist (Expert-Motivation) und er das Ge-fühlhat,dieVielfaltseinerProjektarbeitwürdeseineTran-sitory-Motivation ausreichend befriedigen.

VORAuSSE TZuNGEN/KENNTNISSECoachs sollen in der Arbeit mit verschiedenen Human-Re-source-Modellen und im Feedback-Geben erfahren sein.

Für die Anwendung des Online-Assessment-Tools (welches einen ausführlichen Report generiert) und des CareerConcepts©-ModellswirdvonunseinZertifizierungs-training angeboten.

PERSöNLICHER HINWEIS/KOmmEN-TAR/ERFAHRuNGENDieses Coaching-Tool lässt sich leicht von Laien verste-hen und hat eine gute Akzeptanz. Da es kein Persönlich-keitsinstrument ist, weckt es kaum Widerstand bei der Anwendung.

quELLEN/WEITERFüHRENDE LITERATuRBrousseau, K. R. & Driver, M. J. (1994). Enhancing Infor-med Choice: A Career-Concepts Approach to Career Ad-visement. Selections, Spring, 24-31.

Brousseau, K. R. & Driver, M. J. (1993). Roadmaps for Career Success, Thousand Oaks, CA: Decision Dynamics Group.

Brousseau, K. R., Driver, M. J., Eneroth, K. & Larsson, R. (1996). Career Pandemonium: Realigning organisations and individuals. Academy of Management Executive, Vol. 10, No. 4. Verfügbar unter: http://www.decisiondynamics.us/global/career_pandemonium.asp?sm=40 [01.7.09]

Coombs, M. W. (1989). Measuring Career Concepts: An Examination of the Concepts, Constructs, and Validity of the Career Concept Questionnaire, Ph.D. Dissertation. Los Angeles: University of Southern California.

Larsson, R. (2005). Research Background: Decision Dy-namics Career Model™. Lund: School of Economics and Management.

Schein, E. H. (1978). Career Dynamics: Matching Indivi-dual and Organizational Needs, Reading, MA: Addison-Wesley.

Der Autor

JASON KAyJg. 1970, Dipl.-Psych. (GB), international ausgebildet (RSA, GB und DE) und europaweit unter-wegs als Berater, Trainer und Coach. Gastdozent bei der IMB Berlin (MBA Ausbildung), BITS Iserlohn (Wirtschaftspsychologie) und BIF Berlin (systemisches Coaching). Gründungsmitglied derCoachingPsychology-AbteilungderBritishPsychologicalSociety.ZertifiziererfürdasCa-reerConcepts-Modell in Deutschland und Österreich. Arbeitsschwerpunkte: Karriere-Coaching und Führungskräfteentwicklung.

E-Mail: [email protected] KaysystemicsTM

Pariser Str. 62 10719 BerlinTel: 030-86394556

Internet: www.careerconcepts.de

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P R O + K O N T R A

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Wenn die Haltung stimmt, ist Persön-lichkeitsdiagnostik im Coaching eine Bereicherung und sorgt für Effizienzund Effektivität bei der Problemlösung und der persönlichen Weiterentwick-lung.

Chefs nachzugrübeln, sie sei nur zu bequem oder habe gar nicht die Ab-sicht, sich wirklich dauerhaft für das Unternehmen einzusetzen. Sie kann auf der Basis von Persönlichkeitsdiag-nostik herausfinden,worin genauderAngelpunkt für ihr Coaching-Anliegen besteht und im Coaching nicht nur am Symptom, sondern direkt an der Ursa-che für ihr Problem oder ihre Schwie-rigkeit arbeiten (zum Beispiel ihr Ge-dächtnis für Unerledigtes optimieren, bislang ungenutzte motivationale Kraftquellen aktivieren etc.).

Besonders Persönlichkeitstests, die sich auf die Messung der Erstreaktion beschränken (Typentests), bergen je-doch die Gefahr, dass der Anwender sie schablonenartig benutzt und da-mit die Entwicklungsperspektive aus den Augen verliert. Aus diesem Grund habe ich die „Entwicklungsorientierte Funktionsdiagnostik“ entwickelt, die eine Person als Ganzes untersucht, also verschiedene Komponenten der Erstreaktion (Kognitive Stile, emoti-onale Ressourcen, motivationale En-ergiequellen) und der Zweitreaktion, also der selbstregulatorischen Kompe-tenzen. Gerade die Selbstregulation er-möglicht es Menschen, sich von ihren kognitiven, emotionalen und motivati-onalen Neigungen (die den Typus oder „Charakter“ ausmachen) zu befreien und diejenigen Ressourcen einzuset-zen, die sie für die geeignetsten hal-ten, um eine anstehende Aufgabe zu erfüllen. Die Entwicklungsorientierte Systemdiagnostik verringert durch ih-ren Aufbau und ihr Konzept die Gefahr, dass der Anwender seinen Klienten mit ihrer Hilfe auf Kategorien oder Typen festlegt und den Möglichkeitsraum da-durch eher beschränkt als öffnet.

Diagnostik ist der Königsweg zur Inter-vention. Das ist bei der Autoreparatur ebenso selbstverständlich wie beim Arzt. Je genauer die Ursache eines Problems ermittelt werden kann, de-sto effizienter ist die Problemlösung.Trotzdem gibt es Vorbehalte gegen-über der Persönlichkeitsdiagnostik. Verstärkt sie nicht das Hierarchie- und Statusgefälle zwischen Berater und Klienten? Hebt sie nicht einseitig De-fizite statt Entwicklungsmöglichkeitenhervor? Legt sie gar Menschen auf feste Eigenschaften fest – statt ihnen Entwicklungspotenziale aufzuzeigen? Solche Bedenken beruhen auf einer berechtigten Sorge: Wer Menschen in ihrer Entwicklung fördern will, sollte sie natürlich nicht wie Autos und auch nicht wie Patienten behandeln, son-dern ihnen authentisch, auf Augen-höhe und mit dem Blick auf ihre Res-sourcen und Entwicklungspotenziale begegnen. Diese Haltung entspricht den Grundprinzipien eines verantwort-lichen und effektiven Coachings: Typi-sierungen sollten nicht als „Wahrheit“ missverstanden werden, sondern als Werkzeug.

Menschen verfügen allerdings über eine besondere Fähigkeit: Sie können die Perspektive wechseln. Das bedeu-tet für die Persönlichkeitsdiagnostik, dasswirdieobjektivePerspektivederDiagnostikmitdemsubjektivenBlick-winkel des Klienten verbinden können. Menschen haben oft das Bedürfnis, objektiveInformationenüberihreStär-ken und Schwächen zu erhalten. Das kann sehr informativ und auch entla-stend sein: Wenn beispielsweise eine „vergessliche“ Person eine entwick-lungsorientierte Diagnostik ihrer Stär-ken und Schwächen erhält, braucht sie nicht mehr über die Vorwürfe des

Prof. Dr. Julius Kuhl, Osnabrück

Lehrstuhlinhaber für Differentielle Psychologie und Persönlichkeits-forschung an der Universität Os-nabrück. Mit der PSI-Theorie hat er eine umfassende Theorie der willentlichen Handlungssteuerung vorgelegt. Mit Hilfe seiner EOS-Po-tenzialanalyse können Motivation und Selbststeuerungsfähigkeiten erfasst werden. In Kürze erscheint sein „Lehrbuch der Persönlichkeits-psychologie“ (ISBN: 978-3-8017-2239-5).

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P R O + K O N T R A

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fikatMeister-Coachreichtdafürnichtaus! Welche Konsequenzen hat es für Kunden, wenn sie Auskunft über ihre Persönlichkeit von einem Anwender erhalten, der ungenügend qualifiziertist? Hier werden zudem ethische Fra-gen berührt.

Wie werden Daten erhoben und ge-nutzt?Der Einsatz von Persönlichkeitsverfah-ren basiert letztlich auf der alten Hoff-nung, Charakter und Persönlichkeit wie innere Organe röntgen zu können, so dass Unternehmen zukünftiges Verhalten der Mitarbeiter voraussa-genkönnen.Bisdatoistdiesjedoch–ich bekenne, zu meiner Freude – eine Illusion geblieben. Business-Coaching tut gut daran, sich auf Versprechen zu reduzieren, die auch einhaltbar sind!

Systemtheoretisch argumentiert wird Persönlichkeit als situationsspezi-fischesVerhaltenbeobachtbar;esistkontextspezifisch.DiesrelativiertdieAussagekraft von Tests. Müssen wir nicht von sich wandelnden, also insta-bilen Ausprägungen innerhalb einer relativ breiten Verhaltensbandbreite ausgehen? Aus dem Studium der Lei-stungskurven von Spitzensportlern lässt sich ohne Mühe ablesen, dass Kontexte, meist als Umfeld beschrie-ben, wesentlich über die Aktualisier-barkeit der Leistung entscheiden. Tests können bei richtiger Anwendung Potenziale (als Konstrukte) messen. Benötigen Unternehmen Aussagen über (theoretische) Potenziale oder über aktualisierbare Leistungen? Ich behaupte, dass Coaching bei Letzte-rem spannend wird, dass wir auf die Gestaltung des Kontextes maßgeblich Einflussnehmenmüssen.

ResümeeDie Verknüpfung von Persönlich-keitstests und Coaching wirft eine

Dr. Walter Schwertl, Frankfurt

Geschäftsführender Partner von Schwertl & Partner Beratergruppe Frankfurt, Senior-Coach und Mit-glied des Sachverständigenrats des DBVC. Seine Arbeitsschwer-punkte liegen im Bereich interner Kommunikation von Organisa-tionen, Coaching-Ausbildung, Business-Coaching, Begleitung von organisationalen Verände-rungsprozessen und Mentoring beiKonfliktmanagementundFüh-rungsthemen. Zuletzt erschien sein Buch „Business-Coaching“ (ISBN: 978-3-531-15626-2).

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Die Frage, ob Persönlichkeitstests im Coaching-Prozess adäquat einsetzbar sind, provoziert grundsätzliche Fragen:

Was wird gemessen?Persönlichkeitstests zu verwenden heißt, sich eines aus den Naturwissen-schaften entlehnten Verfahrens, näm-lich dem des Zählens und Messens, zu bedienen. Die Naturwissenschaften verfügen hierfür über exzellente Metho-den. Persönlichkeitstests hingegen ba-sieren auf Konstrukten, die nicht direkt beobachtbar sind. Die Güte der Daten ist weniger valide. In der Regel stehen am Ende korrelative Aussagen. Kompli-zierte statistische Absicherungen und Validierungsverfahren sind notwendig.

Mit welchen Instrumenten wird ge-messen?„In dreißig Minuten an den Kern der Persönlichkeit!“ Diese – leider nicht erfundene, sondern der Beschreibung eines bekannten Persönlichkeitstests entnommene – Anpreisung verweist ins Reich der Heilsversprechen. Kun-den können kaum zwischen seriöser Persönlichkeitsdiagnostik und pseu-dowissenschaftlichen Fragespielchen unterscheiden. Aufklärung könnte man zwar fordern, aber nicht sichern. Diagnostikinstrumentarien sind zum käuflichenProduktgewordenundwer-den auf dem Markt angepriesen wie Waschmittel.

Wer sollte messen?Die Verwendung psychologischer Tests braucht mehr als eine Manualschulung oder eine erworbene Benutzerlizenz. Denn bereits die Auswahl des rich-tigen Verfahrens setzt umfangreiche Kenntnisse voraus. Aus gutem Grund waren psychologische Tests früher nicht frei erwerbbar. Für den Einsatz von Persönlichkeitstests im Coaching stellt sich die Frage, wer solche Tests überhaupt einsetzen sollte? Das Zerti-

große Anzahl sehr ernster Fragen auf. Ihre Beantwortung wird auch darüber entscheiden, ob sich Business-Coa-ching nicht letztlich doch darauf be-schränken sollte, eine Kunst des Dia-logs zu sein. Wenig valides Coaching wird durch Persönlichkeitstests nicht besser, und gutes Coaching braucht keine Tests. Einer meiner Hochschul-lehrer lehrte mich, Beratung und Dia-gnostik streng auseinander zu halten.

V e r m e s s u n g e n o d e r D i a l o g e

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Wissenschaft

auswahlprozesse für externe coachsVon Romina Henle

Das betriebliche Vorgehen bei der Auswahl externer Coachs ist in der Breite eher hetero-

gen – und nicht immer so systematisch wie es sein könnte und sollte, findet beispielsweise

die Marburger „Studie zum deutschen Coaching-Markt 2008/09“ heraus. Zudem gerät die

individuelle Suche nach dem passenden Coach schnell an ihre Grenzen, zeigt die aktuelle

„Coaching-Umfrage Deutschland“, und dass deshalb Coach-Pools zunehmend wichtiger

werden. Wie gestaltet man Coach-Auswahlprozesse optimal?

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Möchte man dem Thema „Coach-Auswahl“ unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten nachgehen, so wird schnell deutlich, dass es zwar lang-sam an Bedeutung gewinnt, aber bis-lang noch keine validen empirischen Erkenntnisse vorliegen. Meine Diplo-marbeit an der Universität Duisburg-Essen basiert auf einer Auftragsarbeit eines Industrieunternehmens zum Thema „Auswahlprozesse für externe Coachs“ mit der Zielsetzung, Hand-lungsempfehlungen zur Implementie-rung eines Coach-Auswahlprozesses zu generieren.

Um eine entsprechende Grundlage für Handlungsempfehlungen zu schaf-fen, wurden acht Experteninterviews mit Coaching-Verantwortlichen in Großunternehmen durchgeführt, um Vorgehensmodelle der betrieblichen Coach-Auswahlzuidentifizieren.Dabeiwurden die Befragten aufgrund ihrer betrieblichen Stellung sowie ihres Er-fahrungswissens im Bereich Coaching alsWissensträger identifiziertundfürdiese Auftragsarbeit ausgewählt.

Die durchgeführten Experteninter-views zeigen auf, dass die betriebli-chen Vorgehensweisen bei der Aus-wahl externer Coachs eher heterogen alshomogensind.Achtetmanjedocheher auf die Gemeinsamkeiten als auf die Unterschiede, so lassen sich aus den Interviews einige unternehmens-übergreifende Arbeitsweisen ableiten, die als Empfehlungen zur Implemen-tierung von Coach-Auswahlprozessen dienen können. Dabei lassen sich die-se Gemeinsamkeiten in drei Bereichen feststellen:

Eingliederung der Coaching-•Aktivitäten im UnternehmenDesign der Selektionsprozes-•se sowieAuswahlkriterien externer •Coachs.

Wie werden Coaching-Akti-vitäten in Unternehmen ge-steuert?In organisationaler Perspektive zeigt sich, dass bei allen befragten Groß-unternehmen eine zentrale Steuerung der Coaching-Aktivitäten im Mittel-

punkt steht. Dies gewährleistet zum einen eine hohe Transparenz in Bezug auf das Thema Coaching selbst sowie entsprechende Qualitätsstandards be-trieblicher Coaching-Aktivitäten.

Zugleich ist die Systematisierung von Coaching-Aktivitäten in den befragten UnternehmenhäufigmitderBildung ei-nes Coach-Pools verknüpft. Ziel dieser Vorgehensweise ist es, Einzelbeauftra-gungen von Coachs in verschiedenen Geschäftsbereichen durch eine geziel-te zentrale Steuerung der Aktivitäten zu ersetzen. Dies geschieht häufigüber eine zentrale Koordinierungsstel-le für Coaching-Aktivitäten. Diese ist in der Regel im Bereich Personal- und Führungskräfteentwicklung angesie-delt, da hier zumeist bereits Experti-se im Bereich Development, Beratung und Personalauswahl vorliegt.

Neben Erfahrungen in der Personal-auswahl ist allerdings auch ein soli-des Coaching-Wissen erforderlich, um eine fundierte Coach-Auswahl treffen zu können. Dabei ist es empfehlens-wert, dass die für Coaching im Unter-nehmen zuständigen Personen selber über eine Coaching-Ausbildung sowie idealerweise über eigene Coaching-Er-fahrungen verfügen, um entsprechen-de Qualitätsstandards im Rahmen der Coach-Auswahl setzen zu können.

Beim Aufbau des erwähnten Coach-Poolsempfiehltessichzudem,unter-nehmenseigene Anforderungskriterien für externe Coachs aufzustellen. Die Coachs werden dann durch eine auf diesen Kriterien aufbauende Auswahl-strategie im Selektionsprozess evalu-iert.

Wie strukturieren Großun-ternehmen Auswahlpro-zesse für externe Coachs?Die gewonnenen Ergebnisse aus dem Interviewmaterial zeigen, dass Selek-tionsprozesse für externe Coachs in der Regelmehrstufig aufgebaut sind,wobei mehrere Auswahlmethoden und -instrumente in den Selektionsprozess integriert werden. Erprobte Bausteine stellen das Auswahlinterview sowie eine simulationsorientierte Fallübung, sozusagen eine Art „Arbeitsprobe“ des Coachs, dar. Dabei werden diese

entweder als eigenständige Übung in einem komplexen Selektionsverfahren angewandt oder partiell in ein Selekti-onsgespräch integriert.

Die VorauswahlBei der Vorauswahl von Coachs wer-den in der Praxis unterschiedliche In-formationsquellen und -wege genutzt. Eine mögliche Vorgehensweise für ein erstes „Screening“ ist die Auswertung schriftlicher Präsentationsunterlagen des Coachs sowie eine Überprüfung formalerKriterienanhandeinesProfil-bogens.DerEinsatzvonProfilbögenistempfehlenswert und wird von einigen der befragten Unternehmen durchge-führt. Diese ermöglichen, einen direk-ten Abgleich zwischen den vom Unter-nehmen verlangten Anforderungskri-terien und demKompetenz-Profil desCoachs vorzunehmen. Eine gezielte Auswertung der Präsentationsunterla-gen kann ergänzend ebenfalls hilfreich sein.

Weiterhin können Coachs auch tele-fonisch interviewt werden, um deren grundsätzliche Passung zum Unter-nehmen und dessen Coaching-Ver-ständnis zu evaluieren. Hierbei emp-fiehlt es sich, die Beratungsschwer-punkte des Coachs aufzunehmen, um einen Abgleich zwischen den vom Coach angebotenen Beratungsthemen unddenvomUnternehmendefiniertenCoaching-Anlässen vornehmen zu kön-nen. Dabei können auch Kriterien wie Mobilität, regionale Verfügbarkeit und Honorare erstmalig abgefragt werden.Diese Auswahlmethoden geben bereits bei der Vorauswahl erste Hinweise über dieQualifikationen,KompetenzenundErfahrungen des Coachs. Nach dieser ersten Phase des Auswahlprozesses wird entschieden, welche Coachs wei-terhin im Selektionsprozess evaluiert und zu einem persönlichen Kennenler-nen eingeladen werden.

Der Coach-AuswahlprozessHat der Coach die erste Hürde genom-men, so findet danach in der Regelein Assessment in den Räumlichkei-ten des Unternehmens statt. Dabei werden bei den befragten Großunter-nehmen häufig bevorzugt Einzelver-fahren der Personalauswahl für die Coach-Selektion eingesetzt, da diese

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im Vergleich zu Gruppenauswahlver-fahren eine höhere Diskretion und Prozessflexibilität sicherstellen undden Coaching-Verantwortlichen erlau-ben, sich individuell auf den sich be-werbenden Coach einzustellen. Bei den meisten befragten Unternehmen erweist sich ein persönliches Auswahl-gespräch in Kombination mit einer si-mulationsorientierten Fall-Übung als praktikables und zumeist zufrieden-stellendes Vorgehensmodell.

Dabeiempfiehltessich,dassdie fürCoaching im Unternehmen verant-wortlichen Personen in den Gesamt-prozess der Coach-Selektion, von der Auswahl einzelner Coachs bis hin zur Evaluation oder Auswertung einzelner Coaching-Prozesse im Sinne einer ganzheitlichen Prozessverantwortung, eingebunden sind. So lässt sich ein umfassender Blickwinkel auf einzelne

Coachs und deren Coaching-Leistung gewinnen und die Professionalisierung des Themas im Unternehmen gezielt vorantreiben.

Im Mittelpunkt der Coach-Auswahl steht bei den befragten Coaching-Experten das persönliche Erleben des Coachs in einer Beratungssitua-tion. Hierzu eignen sich besonders simulationsorientierte Verfahren der Berufseignungsdiagnostik, die eine Ar-beitsprobe hinsichtlich des Coaching-Verhaltens und des Stils des Coachs im Beratungsprozess liefern können. Diese sollten bei der Konzeption von Auswahlprozessen berücksichtigt wer-den, um die Arbeitsweise des Coachs an einem konkreten Fall zu überprü-fen.

Es werden ebenfalls Auswahlgesprä-che für die Coach-Selektion einge-setzt.DieseunterscheidensichjedochhäufiginderDurchführungundreichenvon eher freien bis zu teilstrukturierten Gesprächsformen, wobei die Offenheit oder Flexibilität des Gesprächsverlaufs

bei einigen der befragten Coaching-Ex-perten klar im Vordergrund steht. Eine gewisse Form der Gesprächsstruk-turierung erhöht allerdings auch die Validität und Vergleichbarkeit, so die Erkenntnisse der Arbeits- und Organi-sationspsychologie. Eine Vollstruktu-rierung des Gesprächs mit standardi-sierten Fragestellungen und Abläufen ist für einen Coach-Auswahlprozess jedochnichtzuempfehlen.

Darüber hinaus ist es zusätzlich rat-sam, die Methoden zu kombinieren, darin scheinen sich alle befragten Coaching-Experten einig zu sein. Dabei gilt es nicht nur, verschiedene Metho-den und Verfahren der Personalaus-wahl im Rahmen der Vorauswahl und Auswahl miteinander zu kombinieren, sondern auch unterschiedliche Ansät-ze der Berufseignungsdiagnostik in die Prozesse zu integrieren, um dem per-sonalpsychologischen Prinzip der Mul-timodalität oder Multimethodalität zu entsprechen. Denn nur die Methoden-vielfalt ermöglicht eine umfassende Perspektive auf den Coach und liefert

Tabelle 1: Übersicht der erhobenen Anforderungskriterien an externe Coachs (Mehr-fachnennungen sind hervorgehoben)

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zusätzliche Informationen, die wieder-um in den Entscheidungsprozess für oder gegen die Aufnahme des Coachs indenCoach-Pooleinfließenkönnen.

Simulation einer Coaching-SituationCoaching-Verantwortliche schätzen es sehr, Coachs in einer Beratungssitua-tion live beobachten zu können, ins-besondere bei der Bearbeitung eines konkreten Fallbeispiels aus ihrer eige-nen Unternehmenspraxis. Dabei lässt sich die Arbeitsweise von Coachs am besten in einer konkreten Coaching-Simulation im Selektionsverfahren er-leben, wobei solche Simulationen sich sowohl für Einzel- als auch für Grup-penverfahren eignen. Bei der Durch-führung einer Fall-Übung, in der eine Coaching-Situation simuliert wird, kann die Herangehensweise des Coachs im Beratungsprozess überprüft werden, wie beispielweise die flexible Anwen-dung von Coaching-Methoden, der Umgang mit dem Klienten, die ange-wandten Fragetechniken sowie, ob der Coach die Kompetenz besitzt, seinen Klienten zu befähigen, seine Lösung selberzufinden.

Aufbauend auf der Coaching-Simu-lation empfiehlt es sich dann, eine schriftliche Fallbearbeitung als weiter-führenden Auswahlschritt einzubauen. Auf Basis der vorhandenen Informatio-nen, die der Coach aus der Übungs-anleitung und im Laufe der Coaching-Simulation gewonnen hat, gilt es nun, ein Falldesign zu entwickeln. Dabei soll der Coach herausarbeiten, wie er im gesamten Coaching-Prozess wei-ter vorgehen würde. Dies beinhaltet sowohl den Prozessaufbau entlang der Coaching-Phasen, die Wahl der Beratungsmethoden zur Bearbeitung des Coaching-Anlasses als auch ein realistisches Zeitbudget. Mit diesem Vorgehen ist der Coach gefragt, er-neut seine methodische Kompetenz unter Beweis zu stellen, und seine eigeneSelbstreflexionzudemonstrie-ren, indem er seine Leistung in der vorherigen Übung kritisch hinterfragt und diese im Rahmen des Falldesigns weiterführt.

Abschließend sollte der Coach die Ergebnisse den Auswählenden kurz

präsentieren, wobei diese damit die Möglichkeit erhalten, vertiefende Fra-gen zum Vorgehen des Coachs in der Beratungssituation zu stellen. Das Kombinieren von Coaching-Simulation mit schriftlicher Weiterbearbeitung ermöglicht es Unternehmen, den vom Coach zuvor im Auswahlgespräch ge-schilderten Beratungsansatz ein wei-teres Mal zu testen oder zu validieren. Zudem kann mit diesem Verfahren die

Transparenz des Coachs in Bezug auf seine Arbeitsweise im Coaching-Pro-zess überprüft werden.Aufbauend auf den dargestellten Er-gebnissen der Experteninterviews zeigt das Flussdiagramm (s. Abb. 1), wie die Coach-Auswahl im Unterneh-men gestaltet werden kann. Der abge-bildete Prozess lässt sich sowohl als Einzel- als auch als Gruppen-Selekti-onsverfahren durchführen.

Kompetenzfelder Anforderungskriterien an externe Coachs

Selbstkompetenz Authentizität, Vertraulichkeit, gestandene Persön-lichkeit, persönliche Veränderungsbereitschaft, professionelle Selbstpräsentation, Selbstreflexion,Sympathie, Offenheit, Flexibilität, Spontaneität, sta-bile Persönlichkeit bzw. emotionale Stabilität, Klarheit, Zielgerichtetheit, positives Menschenbild, persönliche Haltung, ressourcenorientiertes und humanistisches Menschenbild, interkultureller Hintergrund, interna-tionale Erfahrung.

Sozialkompetenz Empathie, Kommunikationsfähigkeit, Verständnis für die Situation des Klienten, Fähigkeit zur Bildung von Vertrauensbeziehungen, adäquater Umgang mit Inter-essenkonflikten,„zwischenmenschlicheChemiehers-tellen“, Anschlussfähigkeit.

Fachkompetenz Akademische Ausbildung, fundierte Coaching-Ausbildung oder vergleichbare Qualifikation, syste-mischer Coaching-Ansatz, Mehrfachausbildungen, ausreichende Berufserfahrung, Business-Erfahrung, ausreichende Coaching-Erfahrung, Erfahrung in der Betreuung von Veränderungs- und Lernprozessen, Er-fahrungen in der Zusammenarbeit mit Führungskräften bzw. Entscheidungsträgern, Erfahrungen in der strat-egischen Beratung, Erfahrungen in unterschiedlichen Branchen und mit internationalen Unternehmen sowie im Aktivitätsfeld des Unternehmens, Erfahrungen in der Personal- und Organisationsentwicklung, Er-fahrungen im Management- oder Beratungsbereich, Erfahrungen auf einer vergleichbaren organisationalen Ebene wie die Klienten, Kenntnisse von Führungs-konzepten, eigene Führungserfahrungen, Kenntnisse betriebswirtschaftlicher Abläufe, Verständnis für die Komplexität von Konzernen.

Methodenkompetenz Umfangreiche Methodenkompetenz und Flexibil-ität in deren Anwendung, Verhandlungstechniken, (systemische) Fragetechniken, eigene Supervision-serfahrung, Transparenz über Coaching-Vorgehen, klares Coaching-Verständnis und -konzept, analytisches Verständnis, Grenzziehung von Coaching zu anderen Beratungsformen oder zur Therapie, Befähigung des Klienten, seine eigene Lösung zu finden, englischeSprachkenntnisse.

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Abb. 1: Ein exemplarischer Auswahlprozess für externe Coachs

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Über welche Kompetenzen sollte ein Coach verfügen?Folgt man den Aussagen der Befrag-ten, so müssen Coachs über mehrere

Kernkompetenzen verfügen und be-stimmte Grundanforderungen erfüllen, um von den befragten Unternehmen beauftragt oder in den Coach-Pool auf-genommen zu werden.

Dabei sind sich alle Experten einig, dass eine fundierte Coaching-Ausbil-dungodereinevergleichbareQualifika-

tion im Mittelpunkt der Anforderungen steht. Je nach beruflichem und/oderakademischem Hintergrund kann die Notwendigkeit der Tiefe dieser Ausbil-dung allerdings variieren. In diesem Zu-sammenhang ist es empfehlenswert, sich mit dem Coaching-Markt und den angebotenen Ausbildungen im Bereich Coaching entsprechend auseinander-zusetzen, da einheitliche Qualifikati-onsstandardshäufignochfehlen.

Weitere Anforderungen an externe Coachs im Bereich der Fach- und Me-thodenkompetenz sind mehrjährigeCoaching-Erfahrungen sowie ein brei-tes Methodenrepertoire, wobei nicht nur die Quantität an Methoden ein Aus-wahlkriterium darstellt, sondern auch derensichereundflexibleAnwendunginderjeweiligenCoaching-Situation.

Der Coach sollte auch über ein funk-tionales Verständnis des beruflichenUmfelds und der Branche seines po-tenziellen Klienten verfügen sowie über ein grundlegendes Verständnis betriebswirtschaftlicher Abläufe, und auch gängige Führungskonzepte und -themen kennen. Inwieweit der Coach selber über eine vergleichbare beruf-liche Erfahrung wie sein potenzieller Klient verfügen sollte, lässt sich an den Befragungsergebnissen nicht ein-deutig ersehen. Allerdings sollte der Coach grundsätzlich zum Unterneh-men und den dort gelebten Werten passen. Damit ist insbesondere die Anschlussfähigkeit des Coachs an die Unternehmenskultur sowie an das Coaching-Verständnis des Unterneh-mens gemeint. Für die befragten Ex-perten spielen zusätzlich Aspekte wie Authentizität und Vertraulichkeit sowie Empathie und Kommunikationsfähig-keit eine besondere Rolle.

Die Tabelle 1 gibt die Qualifikations-und Kompetenzanforderungen an ex-terne Coachs wieder, welche von den befragten Coaching-Experten in den Interviews genannt worden sind.

Der Beitrag der Forschung zur Qualitäts- und Prozess-entwicklungDiese Auftragsarbeit weist darauf hin, dass eine gezielte Weiterentwicklung von betrieblichen Qualitätsstandards

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Weiterbildung Organisationsaufstellung4 Wochenenden von Oktober 2009 bis März 2010 in Berlin

Durch Aufstellungen werden komplexe Zusammenhänge, Arbeitsbeziehungen, Informationen und Handlungsmuster in Organisationen sichtbar gemacht.

Die Weiterbildung Organisationsaufstellung führt in die systemisch-phänomenologische Aufstellungsarbeit ein und richtet den Schwerpunkt auf ddas System Organisation. Sie lernen die Methode sowohl in der Arbeit mit Gruppen als auch für den Einsatz im Coaching kennen.

Termine: 23. – 25. 10.2009 / 15. – 17.01.2010 / 26. – 28.02.2010 / 26. – 28.03.2010

ANGELIKA BAUR CONSULTING

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Tel.: 030 -399 038 80e-Mail: [email protected]

Die Autorin

Romina Henle, Dipl.-Päd, ist seit 2008 beim Energie- und Transportkonzern Alstom im Bereich Training tätig. Für ihre Diplomarbeit „Auswahlprozesse für externe Coachs: Eine explorative Untersuchung in Großunternehmen“ (ISBN: 978-3-639-17147-1) wurde sie für den Deutschen Coaching-Preis 2008 des DBVC nominiert.

[email protected]

und Vorgehensmodellen möglich ist, wenn Wissenschaft und Unternehmen eng miteinander zusammenarbeiten.

Unternehmen, die sich in der Aufbau-phase eines eigenen Coach-Pools be-finden, können mit dieser Arbeit aufein „Benchmarking“ zurückgreifen, wie andere Großunternehmen Coach-

Auswahlprozesse gestalten. Coachs können demgegenüber erfahren, wel-che Hürden sie bei solchen Auswahl-prozessen zu nehmen haben und wel-che Kompetenzen von ihnen gefordert sind. Damit erhöht sich sowohl für Unternehmen als auch für Coachs die Transparenz in Bezug auf ihre Zusam-menarbeit und schafft eine Grundlage

für eine gemeinsame, professionelle Annäherung.

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PhiLosoPhie / ethiKcoaching complexityVon Prof. Dr. Dirk Baecker

In sozialen Situationen spielt sich mehr ab, als auch den raffinierten Akteuren auffällt oder

von ihnen formuliert werden kann. Nimmt man ernst, dass Komplexität definitionsgemäß

nichts anderes als die Überforderung des Beobachters ist und dass diese überforderten

Beobachter nicht etwa im Maße ihrer Überforderung aus der Welt herausfallen, sondern an

ihr und ihrer Selbstorganisation nach wie vor teilnehmen, muss es Formen des Umgangs

mit der Überforderung geben, die sich als produktiv erwiesen haben.

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Komplexität, Ambivalenz und NichtwissenDer Coach ist ein Meister seiner Situa-tion, der alles dafür tut, dem Klienten ein Wissen um ein Nichtwissen beizu-bringen, das dieser Klient erst in dem Moment, in dem die Möglichkeiten des Coachings ökonomisch und poli-tisch, pädagogisch und moralisch voll ausgenutzt sind, auch auf den Coach anwendet. Soll heißen: Dass für den Coach bereits gelten muss, was er dem Klienten erst noch beizubringen versucht, ist offenbar nur selten ein Gedanke, mit dem der Klient auch den Coach zu fassen bekommt.

Nichtwissen steht für den Coach am Anfang und für den Klienten am Ende, doch zwischen diesen beiden Punk-ten entfaltet sich ein Wissen um die Komplexität der Situation des Coa-chens ebenso wie der Situation, in der der Klient steckt, das einzigartig ist. Schritt für Schritt werden Mög-lichkeiten ausgetestet, eine komplexe Situation in Aspekte, Phasen und Brüche aufzulösen, die ebenso viele Schnittstellen freigeben, an denen ein Handeln und Denken so, aber auch anders, ansetzen und sich mit einem Gefühl und Wissen um seine eigenen Alternativen anreichern kann. Schritt für Schritt wird erarbeitet, dass jedenoch so komplexe Situation ihrerseits Moment einer Sequenz, eines Möglich-keitenpfades ist, die nicht nur unter-schiedlich punktiert werden kann, wie Paul Watzlawick gezeigt hat, sondern die immer wieder mit einer Ambivalenz angereichert ist, die nicht etwa ein Zei-chen für die unvollkommene Uneindeu-tigkeit der Situation ist, sondern ein Zeichen für deren ökologische Intelli-genz, ein Zeichen für deren Fähigkeit, Impulse und Gelegenheiten aufzugrei-fen, auf die man angewiesen ist, ohne sie selbst geben oder produzieren zu können.

Wie macht man das? Es geht darum, ein mögliches Managementwissen für Coachs zu entwickeln, und dies im Rahmen der Vermittlung einer Idee, welches (theoretische) Rüstzeug man braucht, um komplexe organisato-rische Zusammenhänge zu verstehen. Ich denke, dass es hilft, Gelassenheit

gegenüber Komplexität zu entwickeln, denn Komplexität ist definitionsge-mäß ebenso unübersichtlich wie un-verständlich. Es macht keinerlei Sinn, die eigenen Bemühungen angesichts von Komplexität, eben weil es so aus-sichtslos ist, zu verdoppeln, weil man damit zwar die eigene Überforderung steigert, aber nicht das eigene Verste-hen.

Komplexe Phänomene sind nicht ein-fach „schwierige“ Phänomene, son-dern sie sind wegen der Anzahl der beteiligten Elemente, wegen der Hete-rogenität dieser Elemente und wegen der Vielzahl sich auch noch laufend än-dernder und natürlich ebenfalls hete-rogener Beziehungen zwischen diesen Elementen, so die knappe Definitionvon Niklas Luhmann, prinzipiell vom menschlichen Bewusstsein nicht zu erfassen – so sehr wir uns auch ge-gen diese Einsicht sträuben mögen. Komplexe Phänomene sind gleichzei-tig, das kommt den bisherigen Überle-gungen entgegen, Phänomene, die wir zwar nicht verstehen, mitdenenwirje-doch gleichwohl interagieren können, und dies mithilfe von Beobachtungen, die darauf hinauslaufen, Erfahrungen mit Erwartungen abzugleichen und di-ese Erwartungen dementsprechend laufend zu korrigieren. Das jedochkann man nur, wenn man in der Lage ist, das eigene Wissen im Kontext von Nichtwissen laufend zu re-evaluieren und zu diesem Zweck vom eigenen Nichtwissen und nicht vom Wissen auszugehen.

Prozeduralisierung„Kontrolle“ ist der dafür von der Ky-bernetik vorgeschlagene, hier angel-sächsisch und nicht teutonisch zu verstehende Begriff: Man kontrolliere sich selbst, indem man nachträgt, wel-che Beobachtungen man macht und wie sie mit den eigenen Erwartungen übereinstimmen beziehungsweise von ihnen abweichen, um daraus Schluss-folgerungen für sich erst noch zu be-währende weitere Erwartungen zu ziehen. Aus Komplexität ergibt sich auf dem Umweg über die Kybernetik ein Managementwissen, das in dieser Prozeduralisierung des Vorgehens im Medium der eigenen Ziele seine Pointe hat. Wohlgemerkt: im Medium der ei-

genen Ziele! Wir sprechen nicht davon, dass Coaching oder gar Management darauf hinausläuft, seine Ziele zu ken-nen und unbeirrt durch sich selbst und durch andere zu verfolgen. Sondern wir sprechen davon, diese Ziele wie der„Stalker“,der„Pfadfinder“, inAn-drej Tarkovskys gleichnamigem Film(UdSSR, 1982) seine Steine immer ein Stück weiter zu werfen, um ihnen nachzugehen und sie dann neu zu wer-fen. Nur so kann man Zielstrebigkeit und Wachsamkeit miteinander kombi-nieren. Und genau darauf kommt es an.

Wenn man Ziele zu Formen degenerie-ren lässt, hat man nur die Wahl zwi-schen den beiden Möglichkeiten, sie entweder zu erreichen oder zu verfeh-len. Das ist eine strukturell eher arme Situation.WennmandieseFormenje-doch medialisiert, das heißt aus ihrer Verdinglichung in die lose Kopplung zu-rückübersetzt, aus der sie gewonnen sind, gewinnt man die Möglichkeit, aus dem Verfehlen und aus dem Erreichen der Ziele Schlussfolgerungen abzulei-ten, die über die Situation Auskunft ge-ben,indermansichbefindet.DieSi-tuation wird strukturell reich, weil man im Medium der Ziele nicht nur Mittel mit Mittel, sondern auch Ziele mit Zielen vergleicht und so die Situation für unterschiedliche und unvorherge-sehene Ausgänge und Fortsetzungen öffnen kann.

Die Wiedereinführung dieser Art eines gelassenen Umgangs mit Komplexität in die komplexe Organisation erreicht der Coach, wenn er ein Meister seines Faches ist, auf drei Wegen, auf dem Wege des Redens, des Führens und des Gestaltens.

RedenFür den ersten Weg ist die Situation des Coachens selbst entscheidend. Coachen heißt im Wesentlichen, mitei-nander zu reden. Dass durch „bloßes Reden“ überhaupt etwas in Bewegung gesetzt werden kann, gehört zu den Wundern der menschlichen Gesell-schaft, über die sich schon Heinz von Foerster anlässlich seiner Beobach-tung einer familientherapeutischen Sitzung gebührlich gewundert hat: Er saß hinter einem Einwegspiegel,

PHILOSOPHIE /E T HIK

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unsichtbar für die Familie und ihren Therapeuten, und beobachtete bei abgeschaltetem Ton die Pantomime der Körperhaltungen. Es kam zu An-spannungen und Entspannungen, Zu-wendungen und Abwendungen, obwohl nichts anderes geschah als Lippenbe-wegungen, die offensichtlich der Pro-duktion von Geräuschen entsprachen. Die so genannte „Immaterialisierung“ der Gesellschaft, sie musste nicht auf den Film oder den Computer warten, sondern hat bereits in der Sprache ihre ersten Anhaltspunkte, was, nebenbei bemerkt, deutlich macht, wie unsinnig der Begriff der Immaterialisierung ist.

Sigmund Freud hat diese Situation des Redens für seine Psychoanalyse der Traumdeutung präzise beschrieben und in das Zentrum von Therapie und Beratung gerückt: Der Patient wird in eine ruhige Lage gebracht und einge-laden, sich selbst, seine Gedanken, Vorstellungen und Erinnerungen zu beobachten, ohne dabei, wie sonst, seine „wahrgenommenen Gedanken-bildungen“ einer mitlaufenden Kritik zu unterziehen und nur diejenigen ernstzu nehmen und auszusprechen, die die Zensur passieren. Der entschei-dende Punkt dabei ist eine Art parallel laufende Zerstreuung und Sammlung von Aufmerksamkeit, die durch die kör-perliche Abwendung vom Therapeuten und das Schließen der Augen unter-stützt wird.

Paul Watzlawick vermutet, dass mit Hilfe dieser Methode nicht nur die Auf-merksamkeit des Patienten auf sich selbst, sondern auch seine Aufmerk-samkeit auf minimale Signale des Therapeuten gesteigert wird, auf die Geräusche des Stifts auf dem Notiz-block, Änderungen der Sitzhaltung und schließlich die tiefen Atemzüge des eingeschlafenen Therapeuten. Wir kön-nen mit dieser Technik des Wandern-lassens einer schwebenden Aufmerk-samkeit mittlerweile so gut umgehen, dass der Coach auf die Couch verzich-ten kann und man sich von Angesicht zu Angesicht unterhalten kann, wäh-

rend die Situationen eruiert werden, in denen der Klient steckt und zu denen er den Rat des Coachs sucht.

Es geht jedoch nach wie vor um eintherapeutisches Reden, in dem the-matisiert werden kann, was weder mit Kollegen, noch mit Freunden und Fa-milienmitgliedern thematisiert werden kann,undindemdiejetztdirektbeo-bachtbaren Reaktionen und Nicht-Re-aktionen des Coachs einen Teil der Le-bendigkeit und Undurchschaubarkeit der Situation simulieren, mit denen es der Klient draußen zu tun hat. Mit Kol-legen, Freunden und Familienmitglie-dern ist Selbiges nicht zu besprechen, weil es hier immer schon darum geht, sich in Positur zu setzen und seine ei-genenNetzwerkidentitätensozupfle-gen, dass Kraft und Mut für Weiteres gefunden werden kann, aber auch ein Image aufgebaut werden kann, das vor Angriffen schützt beziehungsweise be-stimmte Angriffsflächen anbietet undandere dem Blick entzieht.

Ich will damit nicht sagen, dass man sich dem Blick des Coachs schutzlos offenbart. Eher ist das Gegenteil der Fall. Hier wird erst recht geübt, wie man sich draußen bewähren kann. In derSituationdesCoachensgehenje-doch alle Beteiligten von Vorneherein davon aus, dass es um diese Übung geht, in der man sich dabei zuschau-en kann, wie man Schutz sucht und aufbaut, und schauen sich deswegen gemeinsam an, über welche Techniken und Mechanismen der „Presentation of Self in Everyday Life“ (Erving Goff-man) der Klient verfügt und über wel-che möglicherweise hilfreichen noch nicht. Man konzediert sich seine Tricks und schaut sich an, unter welchen Umständen sie funktionieren und un-ter welchen anderen Umständen man besser auf sie verzichten und sie durch andere ersetzen sollte.

Das Reden ist hier vor allem dazu erfor-derlich, vom Handlungsdruck entlastet die Zeit zu nutzen, sich Situationen nicht nur aus der Perspektive des Kli-enten, sondern auch aus der Perspek-tive anderer Beteiligter anzuschauen. Dem Klienten wird so eine Dynamik der Beobachtung zweiter Ordnung, der Imitation und Abweichung, der rivali-

sierenden Imitation bewusst, die für ihn unbewusst immer schon maßge-bend ist,die ihn jedoch,solange ihmnicht klar ist, inwieweit er ihr immer wieder auf den Leim geht, zu Reakti-onen und Reaktionsmustern verleitet, die er anschließend nur Anlass hat, zu bedauern. Man müsste sich genauer anschauen, wie Coach und Klient in ihrer jeweiligen Gesprächssituati-on und -haltung Erfahrungen mit und Techniken für Strukturaufstellungen nutzen, um sich jeweils die Dynamikder sozialen Strukturen vor Augen zu führen, die sie zu thematisieren versu-chen.

An einer solchen Herangehenswei-se ist nichts selbstverständlich, es müsste im Rahmen einer ausgear-beiteten Theorie des Coachens alles untersucht werden. Vor allem wäre es interessant zu wissen, wann welche Formen der zeitlichen Beschleunigung und Verzögerung, des Wechsels der sozialen Perspektive und der sach-lichen Vertiefung und Verflachungsich bewähren. Ich glaube nicht, dass es hier Standardformen und entspre-chende Rezepte gibt. Aber ich denke, dass es sich lohnen würde, einmal ge-nauer hinzuschauen, um vor diesem Hintergrunddannherauszufinden,wieder individuelle Coach sein Vorgehen variiert und profiliert. – Aber wie sollman hinschauen und Antworten auf dieseFragenfinden,wennwohlkaumeine Situation empfindlicher auf dieBeobachtung durch Dritte reagiert als die des Coachens?

Führen und GestaltenAber nicht auf das Reden kommt es dem Coach an, sondern auf das Führen und Gestalten. Unter prä-ziser Ausnutzung des Prinzips der Selbstähnlichkeit (Fraktalität), dem gemäß in der Situation des Coachens strukturell die selbe Dynamik der Beobachtung zweiter Ordnung herrscht wie in allen anderen sozialen Situationen auch, loten Coach und Klient gemeinsam aus, mit welchen Chancen des Führens und Gestaltens man es in welchen Situationen zu tun hat. Dabei werden wiederum beide Perspektiven eingenommen, die des Führenden und die des Geführten, wo-

Coaching = Persönlichkeit Mitgliedschaftsrolle Führungsverhalten Karriere Organisation Gesellschaft

Gleichung: Die kommunikative Abhängigkeit der für das Coaching entscheidenden Variablen werden auf einen Blick sichtbar mit einer Formel in der von George Spencer-Brown entwickelten Notation.

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beijedereinzelneBeteiligtegrundsätz-lich, und so lange man es mit organi-siertem sozialen Handeln zu tun hat, immer in beiden Rollen vorzustellen ist, in der Rolle des Geführten gegen-über seinen Vorgesetzten und in der Rolle des Führenden gegenüber sei-nen Mitarbeitern.

Unter dem Gesichtspunkt des Führens wird die soziale Situation der Beteiligung unterschiedlicher Perspektiven in Augenschein genom-men, unter dem Gesichtspunkt des Gestaltens die sachliche Situation der jeweiligen Arbeits- und/oderProjektaufgabe.BeideGesichtspunktewerden temporal rekonstruiert, und hierkommtjeneprozeduraleFormdesUmgangs mit Komplexität zum Zuge, die wir eingangs geschildert haben. Mit anderen Worten, die als Gespräch und Beratung gerahmte Situation des Coachings wird genutzt, um jenesNichtwissen zu mobilisieren, das in einer komplexen Situation weiterhilft, indem es diese Situation in einzelne Elemente, vor allem aber Schritte und Phasen auflöst (Analyse) und wieder zusammensetzt (Synthese).

Das Nichtwissen ist die Einsatz-bedingung für die Analyse der Entwicklung einer Situation, weil diese Einsatzbedingung es ermöglicht, sich jedeseinzelneEreignis innerhalbdie-ser Entwicklung in seiner Ambivalenz, in seinerRiskanz,vorallemjedochinsei-ner Offenheit und Unvorhersehbarkeit anzuschauen. Nur deswegen ist Führen ja nötig und Gestalten mög-lich: Jedes einzelne Ereignis kombi-niert Bestimmtheit im Hinblick auf seine Herkunft mit Unbestimmtheit im Hinblick auf seine Zukunft. Wer diese Kombination von Bestimmtheit und Unbestimmtheit nicht nachvollziehen kann, wird weder für die Kombination von Vorwegorientiertheit und Orientierungsbedarf aller Beteiligten noch für die Kombination von

Pfadabhängigkeit undInspirationinje-der sachlich motivierten Entscheidung Verständnis aufbringen und daher weder führen und sich führen lassen noch gestalten und sich gestalten las-sen können.

SelbstorganisationDas Ziel allen Coachens ist da-her die Öffnung der thematisierten Situationen für einen Blick auf die zum Teil durchschauten und be-wusst genutzten, zum Teil undurch-schauten und dennoch ausgenutzten Verfahren der Selbstherstellung, Identitätsbestätigung und Weiter-entwicklung, die für komplexe Situationen typisch sind. Der Klient wird in die Lage versetzt, sich seine Rolle in der Interaktion mit der Black Box der komplexen Situation vor Augen zu führen und diese Interaktion hin-fort sowohl in ihren überraschenden Qualitäten besser nutzen als auch für sich selbst besser abschätzen zu ler-nen.

Die Moral dessen, worum es dem Coaching geht, lehrt uns be-reits die Quantenmechanik, mit der die Systemtheorie, auf deren Überlegungen ich mich hier weit ge-hend bezogen habe, mehr gemeinsam hat, als vielfach angenommen wird. Die Quantenmechanik löst die klassische, Newtonsche Welt der Kräfte und Elemente durch die postklassische, Einsteinsche Welt der Ereignisse und Operationen ab. Ausgehend von der prinzipiellen Unentscheidbarkeit jedereinzelnen aktuellen Situation spricht sie von Formen der Selbstorganisation, in denen schwache Voraussetzungen (die „Umwelt“) in starke Restriktionen (das „System“) umgesetzt und von die-sen ausgenutzt werden.

Interessanterweise korreliert dies mit einer liberalistischen Selbstbeschreibung der modernen Gesellschaft, die vom Individuum

die Stärke zur freien Definition sei-ner Situation verlangt, während sie gleichzeitig dessen Blick für die nur schwache, aber nichtsdestotrotz vor-handene ökologische Determination seiner Situation öffnet. Seither bewe-gen wir uns in einer frei konstruierten Welt, die nicht nach unserer, sondern nach ihrer Pfeife tanzt und in der un-sere Freiheit identisch ist mit unserer Verantwortung. Und mehr kann der Coach dem Klienten gar nicht vor Augen führen.

Aber die Begründung für die Rolle des Coaching im gegenwärtigen Prozess der Umstellung von einer institutio-nellen Welt formaler Organisationen auf eine fließende Welt derNetzwerkorganisation kommt auch ohne die Emphase aus, die mit Begriffen wie Freiheit und Verantwortung ange-deutet wird. Der Mathematiker Louis H. Kauffman hat schon vor über zwanzig Jahren unter Rückgriff auf die Mathematik von George Spencer-Brown und in der Auseinandersetzung mit Ideen der Quantenmechanik ge-zeigt, dass man eine unbestimmte Gleichung in eine bestimmte umfor-men kann, indem man Beobachter einführt, die dort Entscheidungen treffen, wo die Verhältnisse selbst un-entscheidbar sind. Coaching in kom-plexen Organisationen heißt dann, dem einzelnen Mitarbeiter die Augen dafür zu öffnen, dass er oder sie und niemand anderer dieser Beobachter ist. Damit wird der im Begriff schlich-te, doch in der Praxis dramatische Organisationswandel vom beobachte-ten Mitarbeiter zum beobachtenden Mitarbeiter zu vollziehen. Komplexität ist nicht nur das Ergebnis, sondern auch die Einsatzbedingung dieses Mitarbeiterverständnisses.

Organisationsentwicklung und CoachingEine systemisch gestimmte Orga-nisationsberatung kommt mit diesem

George Spencer-Brown: Die Gesetze der Form

George Spencer-Brown, geb. 1923, ist ein britischer Mathematiker, der in den 1960er Jahren für British Railways eine Zählmaschine konstruierte, die rückwärts und vorwärts zählen konnte, um beim Rangieren sicher sein zu können, dass Wag-gons, die in einen Tunnel hineingefahren waren, auch wieder herausgekommen sind. Dabei verwendete er, wie unter Ingenieuren selbstverständlich, imaginäre Zahlen, die das Ergebnis der Wurzel aus -1 sind. Sein 1969 publiziertes Buch The Laws of Form, das zahlreicheNeuauflagen erlebte und seit 1997auch in einerdeutschen Übersetzung (ISBN: 978-3-89094-321-3) vorliegt, ist dann der Versuch, die Möglichkeit dieses Rechnens mit imaginären Zahlen innerhalb der Booleschen Algebra logikfähig zu machen. Dabei gelang Spencer-Brown zur Begeisterung von Bertrand Russell und Heinz von Foerster die Konstruktion eines Kalküls, das so-wohl die Selbstreferenz als auch die Zeit rechenfähig macht und dazu wenig mehr benötigt als die explizite Einführung – besser gesagt: die Selbstentdeckung – des Beobachters.

PHILOSOPHIE /E T HIK

54 3/2009

Selbstverständnis des Coachens an neuartiger Stelle auf eine ihrer historischen Ausgangsformen zurück. Hatte man im Zweiten Weltkrieg entdeckt, dass die Gruppentherapie wirksamer als die Einzelfallpsychoanalyse ist, und hatte man sich anschließend darauf konzentriert, Organisationen aller Art beizubringen, dass sie nicht kausal-mechanische, sondern sozial-kommunizierende Systeme sind, gleichsam um sie auf diese Art aktiv und passiv therapiefähig zu machen (das nennt sich „Organisationsentwicklung“), so geht esdemjüngerenInteresseanCoachingdarum, das Individuum wieder aus der Organisation herauszulösen, um ihm erfahrbar zu machen, an welcher Stelle es für diese Organisation unverzichtbar ist.

Mit dieser Stelle haben die klas-sische Organisationstheorie und Betriebswirtschaftslehre nicht gerech-net. Dank der Komplexitätstheorie im Allgemeinen und der Quantenmechanik imBesonderenweißmanjedoch,dassman mit dieser Stelle nicht nur rechnen kann, sondern auch rechnen muss. Eine der wenigen Voraussetzungen dazu ist die Transformation von Komplexität in Verfahren. Denn in

Verfahren bringt sich der Beobachter zur Geltung, der von der Komplexität überfordert ist.

Diese Transformation kann in Coaching-Sitzungen geübt werden. In der Coaching-Sitzungfließenundschwebendie Aufmerksamkeit des Klienten und des Coachs so frei, wie es der unbestimmten Komplexität der Situation der Organisation angemessen ist. Nimmt man hinzu, dass die Coaching-Sitzung nicht in Gefahr gerät, mit einer Situation verwechselt zu werden, in der bereits Entscheidungen getroffen werden könnten, versteht man, warum wir es gegenwärtig mit einem Coaching-Boom zu tun haben: Die klassische systemische Organisationsberatung musste mit einem hohen Kommunikationsaufwand dafür sorgen, dass Workshops und andere Gruppenformate der Reflexionvon Organisationsentwicklungsmaß-nahmen zum einen als Voraussetzung der Organisationsentwicklung erkannt wurden,zumanderenjedochnochnichtmit dieser verwechselt wurden.

Beim Coaching liegen der Schnitt und Unterschied zwischen einer Coaching-Sitzung einerseits und dem Agieren und Kommunizieren in der Organisation andererseits auf der Hand.DasTransmissionsproblemjedereventuell gewonnenen Einsicht in die Komplexität der Organisation für das Treffen einer Entscheidung innerhalb der Organisation steht allen Beteiligten deutlich vor Auge. Es kann daher zu einem Fokus des Nachdenkens und Besprechens gemacht werden, der sei-

nerseits ein weiteres Mal absichert, dass diese Komplexität nicht unter-schätzt, sondern als Terrain des eige-nen Handelns eingeschätzt wird.

Coaching als FormCoaching ist daher die Form, der Organisation in der Form des Mitarbeiters eine selbstbestimmungs-fähige Unbestimmtheit zur Verfügung zu stellen, die die Voraussetzung dafür ist, dass die Organisation beginnen kann, ihre eigene Komplexität nachhal-tig fruchtbar werden zu lassen.

Der Rest ist eine Frage der Form.Coaching bedeutet, die Persönlichkeit, das heißt die Selbstbestimmungsfähigkeit eines Managers und Mitarbeiters so sich entfalten zu lassen, dass er oder sie sich im Unterschied zur eige-nen Mitgliedschaftsrolle, diese im Unterschied zum Führungsverhalten, dieses im Unterschied zur Karriere, diese im Unterschied zur Organisation, diese im Unterschied zur Gesellschaft und diese im Unterschied zum un-marked state zu beobachten. Mithilfe der von George Spencer-Brown (s. Kasten) entwickelten Notation kann man dies in eine Formel bringen, die die kommunikative Abhängigkeit der für das Coaching entscheidenden Variablen auf einen Blick sichtbar macht (s. Gleichung). Die kommuni-kative Abhängigkeit bedeutet, dass die Werte der Variablen nicht dedu-ziert, nicht kausal abgeleitet, nicht in Handbüchern nachgeschlagen werden können, sondern in der Situation sel-ber, das heißt im Gespräch zwischen Coach und Klient gesucht, erörtert, er-probt und bestimmt werden müssen.

Man kann die Formel von links nach rechts, aber auch von rechts nach links lesen. Von links nach rechts liest man Variablen, die in Kontexten ste-hen, die ihrerseits variabel sind und deren letzter keine Antwort auf alle etwa noch offenen Fragen ist, sondern auf eine Gesellschaft verweist, die durch bestimmte Strukturen ebenso wie durch unbestimmte Entwicklungen gekennzeichnet ist. Wem das zu we-nig ist, der rückt ein weitere Stelle nach rechts – und entdeckt dort die unmarkierte Außenseite der Form, die die einen mit Geistern, Teufeln und Göttern bevölkern, die anderen mit

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Der Autor

Professor Dr. rer. soc. Dirk Baecker lehrt Kulturtheorie und Kulturanalyse an der Zeppelin Universität in Fried-richshafen am Bodensee. Seine Arbeitsgebiete sind die soziologische Theorie, Kulturtheorie, Wirtschaftsso-ziologie, Organisationsforschung und Managementleh-re. Von 1996 bis 2007 lehrte er zunächst Unterneh-mensführung, Wirtschaftsethik und gesellschaftlichen Wandel, dann Soziologie an der Universität Witten/Her-decke. Im Jahr 2000 war er Mitbegründer des Manage-ment Zentrums Witten. Zuletzt erschienen seine Bücher „Studien zur nächsten Gesellschaft“ (ISBN: 978-3-518-29456-7) und „Nie wieder Vernunft: Kleinere Beiträge zur Sozialkunde“ (ISBN: 978-3-89670-622-5).

[email protected]

dem Schicksal, dem Zufall, den glück-lichen Umständen oder auch nur der unbekannten Zukunft.

Mehr braucht man nicht zu wissen: Sechs Variablen, konfiguriert durchsiebenKonstanten,nämlichihrejewei-lige Unterscheidung, genügen, um die Komplexität der Situationen, die das Coachen veranlassen, zu beschrei-ben. Aber jede dieser Variablen isteine Variable, die nur auf dem Umweg über die Bestimmung aller anderen Variablen bestimmt werden kann. Und keine der Variablen steht in einer kau-sal eindeutigen Beziehung zu allen an-deren. Stattdessen ist ihr Verhältnis ein kommunikatives, ein Verhältnis der Abhängigkeit zwischen unabhängi-gen Elementen. Aber immerhin ist die Situation, auf die das Coaching rea-giert, dadurch nicht nur komplex, son-dern auch wiedererkennbar. Dass das eine mit dem anderen zusammen geht, erkennt man jedoch erst, seit mansich traut, postklassisch, das heißt

auf der Grundlage von Unbestimmtheit und daher Bestimmbarkeit und von Unentscheidbarkeit und daher der Möglichkeit der Entscheidung zu den-ken. Das Coaching rückt den Mitarbeiter in einer komplexen Situation dort ein, wo sich bislang nur wagemutige

Mathematiker tummelten und keine Logiker hintrauten. Das macht es so spannend.

R E Z E N S I O N

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wesentlich, dass es dem „Gespräch unter vier Augen“ nicht eine hervor-gehobene Stellung gibt, sondern glei-chermaßen Gruppen und Teams be-rücksichtigt und mit Bezug auf diese drei „Rahmungsmöglichkeiten“ vier Ziele personenorientierter Beratung entwickelt, nämlich (1) Hilfestellung für den Einzelnen, (2) Verbesserung der Leistungen, die der Beratene gegenü-ber den Klienten/Kunden seiner Orga-nisation erbringt, (3) Verbesserung der Zusammenarbeit im Team und (4) Or-ganisationsentwicklung. Unklar bleibt dabei allerdings, in welcher Beziehung diese vier Ziele zu den im ersten Ka-pitel vorgestellten drei Aufgaben ste-hen, die nach Auffassung des Autors für personenorientierte Beratung zen-tral sind, nämlich die Bearbeitung von Konflikten,dieEingewöhnung innichtbekannte organisatorische Rollen und die „Auskühlung“ von unerwünschten Organisationsmitgliedern.

Das dritte Kapitel wendet sich einer ganz anderen Thematik bzw. Frage-stellung zu, nämlich der Evaluation von Coaching und Supervision. Auch hier überrascht der Autor mit einer unge-wöhnlichen Sichtweise bzw. mit wert-vollen Denkimpulsen. Denn nach sei-nerAuffassungberührtjedeEvaluationgrundsätzlich immer die Interessen der Beteiligten und Betroffenen und schränkt dabei unabwendbar ihre für Evaluation wichtige Lernbereitschaft ein. Das führt zu der These, dass „sich die beiden Funktionen der Evaluation – Lernen und Legitimation – nicht gleich-zeitig optimieren lassen“ (S. 108). Vor diesem Hintergrund deutet der Autor – durchaus provokativ – den Erfolg von Coaching als Ergebnis einer Art Kom-plizenschaft von Beratern, Klienten und Auftraggebern, deren Grundlage identische oder kompatible Interessen sind, die Lernimpulse durch (selbst-) kritische Erkenntnisse systematisch verhindern.

Diese „unheilige Allianz“ ist zweifellos einer der Gründe für die Qualitätspro-blematik – oder schärfer formuliert: für die Scharlatanerie-Problematik, die im vierten Kapitel diskutiert wird. Um sie systematisch aufzuschlüs-seln,schlägtderAutorvor,begrifflichzwischen einem engeren und einem weiteren Verständnis von Professiona-lität zu unterscheiden. Ersteres meint Qualitätssicherung durch Verordnung verbindlicher Handlungsstandards, Homogenisierung der Ausbildung und

oaching ist seiner Herkunft entsprechend ein Kind der Pra-

xis – und wenn Wissenschaftler sich mit Coaching befassen, sind es meist Psychologen. Da lässt es aufmerken, wenn ein Professor der Organisations-soziologie ein Buch über Coaching und Supervision schreibt und im ersten Satz seiner Einleitung freimütig be-kennt:„DiesesBuchistvonjemandemgeschrieben worden, der selbst nie Coaching oder Supervision als Dienst-leistung angeboten hat und – darüber hinaus – bisher noch nicht einmal ein Coaching oder eine Supervision ge-nossen hat“ (S. 9).

Das Ziel des Autors ist, mit seinem Buch Coaching und Supervision als per-sonenorientierte Beratung „im Hinblick auf ihre Funktion in Organisationen zu bestimmen“ und – ganz wesentlich! – „anhand dieses Beratungsansatzes einiges über die Funktionsweise von Organisationen zu lernen“ (S. 24). The-matisch geht es also um Coaching und Supervision, die von Organisationen für ihre Mitglieder nachgefragt (und be-zahlt) werden, und nicht um Coaching und Supervision, die von den Klienten

selbst nachgefragt (und bezahlt) wer-den und von denen die Organisation, deren Mitglied der Klient ist, in der Regel nichts weiß. Unter dem Dach dieser thematischen Begrenzung und Zielsetzung gliedert sich das Buch in sechs Kapitel, die unterschiedliche or-ganisationssoziologische Aspekte von Coaching und Supervision beleuchten. Jedes von ihnen bildet eine in sich ge-schlossene Einheit, so dass sie wie in einem Reader in beliebiger Reihenfol-ge gelesen werden können.

Der explizit organisationssoziologische Betrachtungsstandpunkt des Autors generiert viele anregende und man-cherlei durchaus auch irritierende oder gar provozierende Deutungen. Das ist vor allem bei Lesern zu erwarten, die sich bisher nur oder im Wesentlichen mit den psychologischen Aspekten von Coaching und Supervision befasst haben und denen aus didaktischen – oder besser gesagt: therapeutischen – Gründen vielleicht zu raten ist, ihre Lektüre mit dem letzten Kapitel zu beginnen: In dem es um die Grenzen geht, die die Hebelwirkung – und in diesem Sinne Wirksamkeit – von Coa-ching und Supervision in Organisati-onen ganz erheblich beschränken und die auch durch hochwertigste Arbeit nicht zu überwinden sind.

Für das konzeptionelle Verständnis, das der Autor von Coaching und Su-pervision in Organisationen hat, ist

Kühl, Stefan (2008).

Coaching und Supervision – Zur personenorientierter Beratung in Organisationen.

Wiesbaden: VS.

ISBN: 978-3-531-16092-4300 S24,90 €

Bei amazon bestellen:http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3531160923/cr

C

Kornelia Rappe-Giesecke

Begleitung vonProfessionals,Führungskräftenund Selbstständigen

TRIADISCHE KARRIERE-BERATUNG

57 3/2009

Modelle, die (nicht nur) im Coaching, sondern auch in der Psychotherapie, schon lange ihren Platz haben.

Der Text ist zudem leider insgesamt nicht ausreichend Korrektur gelesen. Neben fehlerhaften Schreibungen – derLeserfühltsichhäufigunvermitteltangesprochen, wenn immer mal wie-der ein „sie“ (Plural) groß geschrieben wurde – leistet sich die Autorin aber auch die eine oder andere sprachliche Ungeschicklichkeit, die ein Redakteur sorgfältiger Weise nicht undiskutiert hätte lassen sollen.

Dieses Werk ist sozialwissenschaft-lichen Laien eher nicht zu empfehlen. Dazu ist die sprachliche Ausgestal-tung zu fachlich. Die Differenziertheit, mit der der Stoff behandelt wird, ist teilweise für Berater-Professionals anstrengend, und teilweise auch re-dundant. Hier ist die Freiheit weiter-zublättern konsequent zu nutzen. Für die Berater und Coachs, die schon etliche Erfahrungen mitbringen, ist diesesBuch trotzdemals Reflexions-grundlage hilfreich, umdie beruflicheRolle, eigene Qualitätsansprüche und Arbeitsroutinen kritisch zu betrachten. Und natürlich ist das Buch zur Erwei-terung des Methodenrepertoires über-aus geeignet.

Dr. Christine Kaul, [email protected]

Restriktion der Zugänge zum Berufs-feld. Letzteres hingegen konzipiert „Professionalität ohne Profession“, versucht also, Qualitätssicherung al-leinmitBezugaufindividuelldefinierteFormen professionellen Handelns zu erreichen. Diese Form von Professio-nalität, die die vorliegende Praxis von Coaching und Supervision kennzeich-net, führt zu den im fünften Kapitel diskutierten Schwierigkeiten der Kom-petenzdarstellung von Coachs und Su-pervisoren.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das von Kühl vorgelegte Buch ein Strauß relativ eigenständiger Essays ist, die ausgehend von einem spe-zifisch organisationssoziologischenBetrachtungsstandpunkt in den vor-wiegend durch die Psychologie domi-nierten Diskurs über Coaching und Supervision in erfrischender Weise alternative Sichtweisen und wertvolle Denkimpulse einbringen.

Professor Dr. Harald GeißlerHelmut-Schmidt-Universität [email protected]

ie Autorin legt ein qualitativ und quantitativ umfängliches Buch

vor, das das Zeug zum Standardwerk hat, auch dann, wenn man dem Ge-danken nicht folgen mag, dass die dar-gestellte, von der Autorin entwickelte Triadische Karriereberatung eine gänz-lich eigenständige Beratungsform sein soll.

Das Buch ist in zwei große Teile unter-gliedert. Der erste Teil ist im Wesent-lichen der Differenzierung und defini-torischen Abgrenzung verschiedener Aspekte gewidmet. So grenzt die Au-torin unterschiedliche Formen berufs-bezogener Beratung voneinander ab. Sie skizziert die Rolle des Beraters in den unterschiedlichen Beratungstypen und Settings. Hervorzuheben ist der hier deutlich werdende, hohe berufse-thische Anspruch, der die Autorin aus-zeichnet. Sie widmet der Indikations-stellung auch deshalb einigen Raum.

Die Triadische Karriereberatung ist – so betont die Autorin – deutlich ein-geschränkt auf bestimmte Klienten-Charakteristika und Fragestellungen. Daher ist der Einsatz sorgfältig ge-genüber anderen Methoden und Bera-tungsformen abzuwägen. Das Reser-

voir für potenzielle Beratungskunden stellen die Gruppen der Akademiker, Führungskräfte, Manager und fach-lichen Spitzenkräfte dar. Notwendige axiomatische Setzung ist die Basistri-ade des Klienten: Person, Profession, Funktion. Das heißt, im Produkt der Interaktion der individuellen Persön-lichkeit, ihrer professionellen Herkunft und ihres Werdegangs und ihrer beruf-lichen,funktionalenEntwicklungfindetder Karriereberater sein beraterisches Aufgabenfeld.

Im zweiten Teil des Buchs wird sehr praxisorientiert und an markanten Karrierebeispielen vorgeführt, wie die konkrete Arbeit in der Triadischen Kar-riereberatung aussehen kann. Dabei wird den persönlichen Werten eines Menschen besondere Bedeutung eingeräumt. Rappe-Giesecke veran-schaulicht beeindruckend, welche un-terschiedlichen und kreativen Wege sie als Beraterin beschreitet, um das Wertesystem ihres Klienten im Bera-tungsprozess transparent und erklä-rungswirksam zu machen. Hilfreich sind dabei in diesem zweiten, prak-tischen Teil der Veröffentlichung Fo-tografien und „O-Ton“-Einschübe ausden Sitzungen.

Den Zugang allerdings zur Idee der Autorin, hier eine eigenständige Bera-tungsformvorzufinden,wirderschwertdurch die zahlreichen Tools, Interven-tionsvorschläge und theoretischen

Rappe-Giesecke, Kornelia (2008).

Triadische Karriereberatung. Die Begleitung von Professionals, Führungskräften und Selbststän-digen.

Köln: EHP

ISBN: 978-3-89797-053-3336 S34,00 €

Bei amazon bestellen:http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3897970538/cr

D

R E Z E N S I O N

58 3/2009

ies ist ein gutes Buch für Coachs – wissenschaftlich fundiert, gut

strukturiert und sinnvoll aufgebaut. Seine höchste Qualität macht dabei aus, dass es beim Lesen den Coach selbst wie im Rahmen eines Coaching-Prozesses Schritt für Schritt durch Themen, Aufgabenstellungen und lö-sungsorientierte Ansatzmöglichkeiten führt.

Damit kann sich auch jeder andereinteressierte Leser ein umfassendes Bild vom Coaching als ziel- und damit erfolgsorientiertem Beratungsangebot machen. Den größten Gewinn wird da-beijedochjemandhaben,derbereits

in Ansätzen über eigene Erfahrungen als Coach verfügt. Wer schon länger in diesem Feld arbeitet, der bekommt nochmals eine Fundierung undRefle-xion bestimmter, bereits selbstver-ständlich gewordener Vorgehenswei-sen geboten.

Anders als in vielen anderen Werken verschwendet der Autor hier keine Zeit mit überzogener Selbstdarstel-lung oder der Lobpreisung allein selig machender Methoden. Es geht ihm

sehr konsequent um die Präsentation eines funktionierenden Beratungsan-gebotes, mit dem der Klient aus der in-dividuellen Ausgangslage heraus Ziele definierenundimAnschlussauchkon-kret erreichen kann.

Jeder der einzelnen Punkte wird zu-nächst bezüglich seiner Relevanz nachvollziehbar erläutert, darauf folgt eine Sichtung der vorhandenen wis-senschaftlichen Grundlagen und son-stiger Forschung. Deren Ergebnisse werden ob ihrer Brauchbarkeit und Praktikabilität für das Coaching über-prüft und – falls plausibel – modellhaft dargestellt. Auch wer kein Freund von schematischen Schaubildern ist, kann so auf einen Blick erfassen, welche As-pekte wie miteinander in Bezug gesetzt wurden. Somit einmal aufgegriffen und verankert, folgt eine Anreicherung mit gelegentlich eingestreuten Praxisbei-spielen, ergänzt durch methodische

Instrumente für bestimmte Aspekte im laufenden Prozess. Relevante und nochmals verdichtete Informationen findensichingrauhinterlegtenKästenextra ausgerückt, was beim schnellen Nachschlagen bei der Orientierung si-cher hilfreich sein dürfte.

Selbst wer aus einer speziellen Schu-le, Richtung oder Ausbildung kommt, findethierandenselbenStellenstruk-turell verwandte Hinweise. In der Inten-sivberatung spricht man von „Zuspit-

zung“, wenn etwas so verdichtet und extremisiert werden soll, dass darüber etwas schwer Zugängliches deutlich werden kann. Hier wird Ähnliches vor-geschlagen: z. B. bei der Anwendung von „Trauerreden zur eigenen Beerdi-gung“. Wer darf und soll dort reden? Und was möchte man über sich ge-sagt wissen? Eine notwendige und hilfreiche Zuspitzung bei Themen wie „Ziele für das eigene Leben“, was da-mit bereits zu den äußerst anspruchs-vollen Fragestellungen im Coaching gezählt werden darf.

Auch die Abfolge der Kapitel von „Be-gründung des Coachings nach Wirk-faktoren, Unterscheidung von Klärung und Problembewältigung, Ressourcen-orientierung, Bedürfnisorientierung …“ bis hin zu „Coaching zur Führung der ei-genen Person, Methoden im Coaching und Ablauf eines Coaching-Prozesses“ mit zusammenfassender Funktion und zusätzlich operativ-organisatorisch sinnvollen Details wirkt reiflich über-legt und baut Zug um Zug schlüssig aufeinander auf. So kommen wirklich alle möglichen Themen vor – mit stetig steigendem Schwierigkeitsgrad.

Insgesamt also eine durchgängig po-sitive Rezension, was viel über den Autor und sein profundes Fachwissen sowie seine Bereitschaft zur verständ-lichen Vermittlung desselben aussagt. Dass es von der Tonality her leider etwas trocken bleibt, liegt am Gegen-stand, der allerdings angemessen und anspruchsvoll aufbereitet wurde.

So ist die einzige Stelle, die wirklich zum Schmunzeln einlädt, ein Zitat ganz zu Beginn bezüglich der wissen-schaftlichen Argumentation jenseitsvon Zielgruppen-Befragungen: „… ha-ben Coachs einfach nach ihrer Mei-nung gefragt. In Abwandlung eines verbreiteten Sprichwortes kann man darauf verweisen, dass wenn man die Frösche befragt, wie eine schöne Landschaft aussieht, dabei immer ein Sumpf herauskommt.“

Petra Jagowpersonality coaching, Kölnhttp://www.petra-jagow.dehttp://www.coach-datenbank.de/ coach_details.asp?userid=170

Wissemann, Mathis (2006).

Wirksames Coaching. Eine Anlei-tung.

Bern: Huber.

ISBN: 978-3-456-84384-1

256 S.26,95 €

Bestellen bei amazon:http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3456843844/cr

D

59 3/2009

Zielgruppenansprache sein, und die Besprechung von verschiedenen Eva-luationsbögen gibt Impulse für die eigene Qualitätskontrolle. Das TTM scheint gut geeignet, die eigenen Be-ratungsbeziehungenzureflektieren.

Auch im zweiten Teil gibt es für den Coach relevante Aspekte: Die Ressour-censpirale kann als Ausgangspunkt zur Beschäftigung mit Burnout-Model-len dienen und das Kapitel „Klinische Psychologie“ enthält eine kurze, aber gute Einführung zum sokratischen Di-alog. Insgesamt ist natürlich das Kapi-tel „Arbeits- und Organisationspsycho-logie“ am nächsten an der Tätigkeit des klassischen Coachs verortet. Aber auch das letzte Kapitel bietet mit der Theorie E. H. Eriksons vielleicht eine neue Perspektive auf die Krisensitua-tion des eigenen Klienten.

Das Fachbuch gibt einen guten Über-blick über verschiedene Aspekte der Beratungstätigkeit in Abgrenzung zur Therapie. Es erhebt nicht den An-spruch, in diesen Aspekten fundiert in die Tiefe zu gehen, bleibt aber meist auch nicht oberflächlich. Wohl jederBerater wird sich in manchen Dingen wieder finden und in der Vielzahl derunterschiedlichen Kapitel Anregungen zum Nachdenken entdecken.

Till [email protected]

eratung und Beratungsbedarf scheinen ein kennzeichnendes

Merkmal unserer modernen Gesell-schaft zu sein“, stellt die Herausge-berin fest. Beratung findet in unter-schiedlichsten fachlichen Situationen statt, hat aber gleichzeitig eine starke psychologische Komponente. In den USA ist „Counselling Psychology“ da-her längst eine eigene Anwendungs-disziplin der Psychologie, während es in Deutschland wissenschaftlich gesehen ein meist wenig beachteter Nischenbereich zu sein scheint. Das ist für die Herausgeberin Anlass, ei-nen Überblick über die Trends und Ent-wicklungen, über Konvergenzen und Unterschiede im Bereich Beratung zu geben.

Das Buch gliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil ist eine theoretische Ein-führung in den Bereich der Beratung. Dazu gehört die Besprechung von zwei konkreten Modellen der Beratung. Im zweiten Teil werden beispielhaft Felder der Beratung in fünf psychologischen Bereichen besprochen und ein Aus-blick auf mögliche Entwicklungen in der Beratung gegeben.

Die Gestaltung des Buches ist profes-sionell und übersichtlich, dazu tragen dievielenTabellenundGrafikensowiedievielengrafischabgesetztenExkursebei, die den Inhalt des Haupttextes un-termauern und meist sinnvoll und inte-ressantflankieren.AlsFachbuchistesvom Schreibstil aus betrachtet relativ flüssig zu lesen.Nurdie zweispaltigeSeitengestaltung macht das Lesen et-was anstrengend.

Das Kapitel über das Transtheore-tische Modell (TTM) – als Modell des Beratungsprozesses – ist sehr ausführ-lich und verständlich geschrieben und durch viele Untersuchungen untermau-ert. Auch der Katalog der Elemente der psychosozialen Beratung, und die Diskussion zur Inanspruchnahme von Beratung sind interessant und gehen vertieft auf die Materie ein. Weniger gelungene Teile des ersten Abschnitts sind die sehr trockene Beschreibung von Therapievariablen und der etwas unstrukturierte Abschnitt zum Motiva-tional Interviewing. Auch dass ein ver-hältnismäßig hoher Anteil der zitierten Studien aus der Gesundheitsberatung stammt, ist etwas störend.

Im zweiten Teil schreiben unterschied-licheAutorenüberihrjeweiligesFach-

gebiet. Damit unterscheiden sich die Kapitel leicht in der Qualität. In der „Pädagogischen Psychologie“ steht die Ressourcenspirale als Kernkonzept im Mittelpunkt. Das Kapitel ist sehr ein-fach und praxisnah geschrieben und Beratungsfelder und -bedarf sind sehr umfassend und mit Beispielen aus der Schule dargestellt. Dagegen ist das Kapitel über „Gesundheitsberatung“ eher langatmig und scheint nicht wirk-lich relevant für Coachs im Business. Im Kapitel „Klinische Psychologie“ ist die sehr gute Übersicht und kurze Erklärung von verschiedenen grundle-genden Psychotherapierichtungen mit Fallbeispielen gut geeignet, sich ein schnelles Bild zu verschaffen. Anhand eines kleinen Falls werden im Kapitel „Arbeits- und Organisationspsycholo-gie“ alle Konzepte und Ideen beispiel-haft dargestellt. Das hält den Leser bei der Stange und macht das Kapitel nach einem sehr abstrakten und the-oretischen Anfang sehr verständlich. Die Autorin geht im Übrigen von einer sehr guten und pragmatischen Coa-ching-Definition aus. Interessant istder Abschnitt über wahrgenommene Merkmale eines guten Beraters. Das letzte Kapitel über „Psychische Kri-sen“ hat einen stark rechtlichen Fokus und eine teilweise sehr extreme Aus-richtung (z.B. Selbst- und Fremdverlet-zungsgefahr des Klienten).

Dem Coach bietet das Buch in der Breite der Abhandlung viele potenziell interessante Abschnitte. Die Analyse der Inanspruchnahme von Beratung mag beispielsweise sinnvoll für die

Warschburger, Petra (Hg.) (2009).

Beratungspsychologie.

Berlin: Springer.

ISBN: 978-3-540790-60-0289 S.34,95 €

Bei amazon bestellen:http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3540790608/cr

B

60 3/2009

Bestseller: Coaching-BücherRang www.coaching-literatur.de www.trainerbuch.de www.amazon.de1 Coaching. Innovative Konzepte

im VergleichRauen, ChristopherHogrefe, 36,95 €

Coaching erfrischend einfachMeier, Daniel & Szabo, PeterBoD, 13,30 €

Coaching: Miteinander Ziele erreichenFischer-Epe, MarenRowohlt, 8,90 €

2 Einführung in das systemische CoachingRadatz,SonjaCarl-Auer, 12,95 €€

Change-TalkSchmidt-Tanger, Martina/ Stahl, ThiesJunfermann, 39,80 €

Handbuch Coaching und BeratungMigge,BjörnBeltz, 49,90 €

3 Handbuch CoachingRauen, Christopher (Hrsg.) Hogrefe, 49,95 €

Die HummelTschepp, Christian/ Schinagl, SusanneJunfermann, 25,00 €

Einführung in das systemische CoachingRadatz,SonjaCarl-Auer, 12,95 €

4 Change-TalkSchmidt-Tanger, Martina/ Stahl, ThiesJunfermann, 39,80 €

Coaching-ToolsRauen, Christopher (Hrsg.)managerSeminare, 49,90 €

Change-TalkSchmidt-Tanger, Martina/ Stahl, ThiesJunfermann, 39,80 €

5 Coaching-ToolsRauen, Christopher (Hrsg.)managerSeminare, 49,90 €

Die Coaching-PraxisSachsenmeier, Ingeborg (Hrsg.), Beltz, 17,95 €

Das Coaching-HandbuchKaweh, BabakVak, 19,95 €

6 Das Coaching-HandbuchKaweh, BabakVak, 19,95 €

Fit for ChangeLeao,Anja/Hofmann,Mathias(Hrsg.) managerSeminare,49,90 €

Coaching Rauen, ChristopherHogrefe, 19,95 €

7 Handbuch Coaching und BeratungMigge,BjörnBeltz, 49,90 €

Der CoachHeitsch, DietermanagerSeminare, 24,90 €

Coaching-ToolsRauen, Christopher (Hrsg.)managerSeminare, 49,90 €

8 Werkstattbuch Systemisches CoachingHargens, Jürgen (Hrsg.)Modernes Lernen, 25,50 €

TeamcoachingAlf-Jähnig, Rainer/ Hanke, Thomas/ Preuß-Scheuerle, Birgit managerSeminare, 49,90 €

Gekonnt coachenSchmidt-Tanger, MartinaJunfermann, 18,00 €

9 CoachingRauen, ChristopherHogrefe, 19,95 €

Lebens CoachingEnglish, Fanita/ Karnath, Joachim iskopress, 21,50 €

Die Frau, die ihr Gehalt mal eben verdoppelt hat ...Asgodom, Sabine (Hrsg.)Kösel, 17,95 €

10 Coaching: Miteinander Ziele erreichenFischer-Epe, MarenRowohlt, 8,90 €

WertecoachingSchlieper-Damrich, Ralph/ Kipfelsberger, Petra/ Netzwerk CoachPro (Hrsg.)managerSeminare, 49,90 €

Handbuch CoachingRauen, Christopher (Hrsg.)Hogrefe, 49,95 €

H u m O R

61 3/2009

conraD coachE i n C o a c h f ü r a l l e F ä l l e

Humanismus 2.0

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Rauen: ...wir hatten doch schon Hel-mut Kohl als „Kanzler der Einheit“...

Webers: Tja, zu dumm nur, dass dieKanadier nun den Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber ausgeliefert ha-ben.Wennderjetztauspackt…

Rauen: Na, ob das zu einem Wertewan-del in der politischen Kaste führt, wage ich zu bezweifeln. Und trotzdem müs-sen wir uns zwischen dem gewohnten „Wie-immer“-Sumpf und einem unbe-quemen Neuanfang entscheiden.

Webers: Was für ein hässliches Wort: entscheiden. Als Deutschland in Trüm-mern lag, war jedem klar, dass sichvielesändern,undjedermitanpackenmuss. Heute, wo der Wirtschaft die Luft aus dem Reifen gelassen wurde, träumen alle naiv davon, dass bald der Onkel mit der großen Luftpumpe kommt…

Rauen: Oder es kommt wahlweise der Motiviations-Coach. In der „Feuerläu-fer-Abteilung“ wird gerne mal heiße Luft produziert. Yes, we coach!

Webers: Das sehen Sie zu negativ! An-fangOktoberfindet inderStuttgarterHanns-Martin-Schleyer-Halle die erste Fachmesse für Motivation, Incentives und professionelle Anreizsysteme statt. Deren Logo ziert eine Möhre. Da wächst dann am Vorabend des „Tages der deutschen Einheit“ zusammen, was zusammen gehört...

Rauen: Chauffeure, die durch halb Eu-ropa zu ihrer Dienstherrin fahren, Vor-stände, die Boni von niedergehenden Firmen kassieren – das alles ist le-gal und vertragsgemäß. Und frei von schlechtem Gewissen. Anscheinend ist heutzutage alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist.

Webers: Legal, illegal, sch…egal, hieß das in der Kohl-Ära. Aber es folgte nicht nur Schröder auf Kohl. Heutzuta-geistinderjungenGenerationeinfun-damentaler Wertewandel beobachtbar. Die haben keine Lust mehr auf diese Spielchen, weil ihnen wohl klar ist, wer die Zeche zahlen muss, die die Alten gerade bestellt haben.

Rauen: Das wäre doch mal ein Ansatz für Politik und Wirtschaft: Wer die Mu-sik bestellt, bezahlt auch. Und haftet. Persönlich. Aber vermutlich würde dann niemand mehr irgendetwas un-ternehmen. Also doch weiter mit Kasi-no-Banken, Vollkasko-Mentalität und Symbolpolitik?

Webers: Oder auswandern! In der Rentnerrepublik macht dann der Letz-te das Licht aus. Oder nichts mehr ernst nehmen, nur noch veralbern! „Horst Schlämmer“, alias Hape Kerke-ling,kandidiert jetztmitvielKlamaukfür Angies Posten.

Rauen: Vielleicht wird Horst Schläm-merja„KanzlerderHerzen“.

Webers: Aber das ist doch das Tra-gische: Hätten wir mal einen solchen „Kanzler der Herzen“ wie die Amis …

Das LetZte

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