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steeldoc 02/04 Rauten – Konstruktion und Ornament Bauen in Stahl Bautendokumentation des Stahlbau Zentrums Schweiz

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Rauten – Konstruktionund Ornament

Bauen in Stahl Bautendokumentation des Stahlbau Zentrums Schweiz

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Dass sich der Schweizer Rückversicherer ernsthaftum gute Architektur bemüht, hat er schon mehrfachbewiesen. Und dies nicht erst seit dem Seminar - gebäude von Meili & Peter in Rüschlikon (2000): erinnert sei auch an die Bauten am Zürcher Mythen-quai, etwa an das Clubhaus von Hans Hofmann (1958) oder an den Bürokomplex von Werner Stücheli(1969). Mit Norman Foster steht ein Architekt hinterdem Entwurf des 180 Meter hohen Turmes, dessenBauten und deren Gestalt meist massgeblich vom In -teresse an neuen Technologien und nachhaltigen Lösungen geprägt sind. So rechnet Foster damit, dassmit dem Swiss Re Gebäude der britische Richtwert für ein Niedrigenergie-Büro, der bei 175 kWh/m2 liegt, umbis zu 25 kWh/m2 unterschritten werden kann. Dazuträgt auch die Gebäudeform bei.

Hohe Räume im HochhausIm dichten Gefüge der Londoner Innenstadt scheintder 40 Stockwerke zählende Turm nur mit der Fuss spitze aufsetzen zu wollen. An der breitesten Stelleeinen Durchmesser von 56 Metern aufweisend, re -duziert sich dieses Mass im Erdgeschoss, wo die Glas-fassade zur Steigerung der Transparenz zu sätzlichüber grosse Öffnungen verfügt, auf 49 Meter: Die neugeschaffene Plaza, in deren Zentrum das Gebäudesteht, soll möglichst hell und grosszügig wirken. Ladenlokale im Parterre charakterisieren den Aussen-raum als öffentlich, und Sitzgelegen heiten laden zumVerweilen ein. Der Aufenthalt soll hier angenehmersein als vor anderen Hoch häusern, da die aerodynami-sche Form des Turmes nicht nur die Angriffs flächeauf die Fassade reduziert – was sich für die Bemes-sung des Stahlskelettes und der Curtain-Wall beson derspositiv auswirkte –, sondern auch die lästigen Fall-

Intelligenter Knoten

Swiss Re London

BauherrSwiss Re Investments Ltd, London

ArchitektenFoster & Partners, London

TragwerksplanerOve Arup & Partners, London

Baujahr2000–2004

winde mindert. Im Innern profitieren bis zu sechs -geschossige Höfe, die sich an der Fassade als spi -ralförmige Bänder abzeichnen, von der Tannenzap-fenform des Ge bäudes. Als wesentliche Kom ponentedes Energiekonzeptes werden die so genannten«Lightwells» nicht nur als Mittel zur besseren Belich -tung der Büro flächen genutzt, sondern fungierengleichermassen als die Lungen des Gebäudes.Unterschied liche Druckverhältnisse an der Fassadeunterstützen nämlich den natürlichen Luftstrom in denmit ausklapp baren Fenstern ausgestatteten Höfen. Davon ziehen auch die angrenzenden BüroflächenNutzen. Gleichwohl gibt es aber auch eine mechani-sche Lüftung, deren zentrales Element in der Abluft -fassade zu finden ist.

Mit den «Lightwells» ist jener Punkt des Projektes angesprochen, der wie kein zweiter räumliche, öko lo -gische, betriebliche und konstruktive Aspekte des Ge bäudes in sich vereint. Die Büroflächen in über -schau bare Bereiche von durchschnittlich 16 x 11 Meterzonierend, dienen die sechs Deckeneinschnitte auchals Balkone und lassen geschossübergreifende Sichtverbindungen entstehen. Und ist Höhe etwas,was in Hochhäusern nur beim Blick durchs Fenster,also in Relation zu den Nachbarbauten, erfahrbar ist,gibt es hier bis zu 24 Meter hohe Räume im Innern.Von aussen zeichnen sich die «Lightwells» als dunkleBänder ab, die sich spiralförmig um das Gebäudewinden und mit der Neigung der diago nalen Druck -stäbe korrespondieren.

Steifes Korsett und stützenfreie GrundrisseZusammen mit horizontalen Zugstreben bilden dieDiagonalstützen der Fassade ein steifes Korsett, denso genannten «Diagrid», so dass der Kern nur nochvertikale Lasten abzutragen hat. Die Grossmass -stäblichkeit der Tragstruktur – die A-förmigen Fassa -denrahmen reichen über zwei Geschosse und weiseneine Spreizung von rund neun Metern auf – schlägtsich auch in der Konstruktion der Decken nieder. Auf

Im Herzen der Londoner City hat Norman Foster das zweithöchste Hochhaus der Stadt gebaut. Von der Bevölkerung auch als «erotische Gurke» bezeichnet,ist die un ge wohnte Form des neuen Domizils von Swiss Re London aber mehr als der Auswuchs blühender Architektenfantasie oder Imponier gehabe des Auftraggebers.

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radial angeordneten Breitflanschträgern basierend,überbrücken die 54 cm hohen Profile eine Distanz von14 Metern ohne eine einzige Stütze. Die Träger liegenim Grundriss um je 10° zueinander versetzt, so dassdie Deckenfelder an der Fassade eine maximaleSpannweite von 4,5 Meter aufweisen. Dieses Masskorrespondiert allerdings nur auf jedem zweiten Geschoss mit der Stützen lage; auf Höhe der Knoten istdie Distanz doppelt so gross, so dass zusätzlich eintangentialer Randträger eingeführt werden musste.

Besondere Beachtung verdienen die Knoten. Da dieDruckstäbe keine Krümmung aufweisen, erfolgen anihnen sämtliche Richtungsänderungen – sowohl imGrundriss als auch im Schnitt. Die Knoten be stehenaus zusammengeschweissten, facettenartig ange -ordneten Stahlplatten mit vorbereiteten Schraub ver -bindungen für die anzuschliessenden Tragwerksteile:Druckstäbe aus Rundrohren, Zugstreben als Kasten-träger und Deckenbalken in Form von Breitflansch-trägern. Letztere lagern auf den Knoten gleitend auf und werden von Gewindestangen in ihrer maxi-malen Ausdehnung limitiert. Beim Errichten des Stahl baus dienten die Stangen als Hilfsmittel, den Ab-stand zum Zentrum konstant zu halten und die De -for ma tionen unter zunehmender Eigenlast zu regeln.

Einem gänzlich anderen Konstruktionsprinzip folgtdie Spitze des Gebäudes, wo sich neben haus -technischen Räumen auch ein Panoramarestaurant

befindet. Die Kuppel bildet ein eigenständiges, von den Decken abgelöstes Tragwerk, dessen netz -artige Struktur keine separaten Knoten aufweist. Anden Kreuzungspunkten sind die Rechteckprofile(Querschnitt 110 x 150 mm) auf gleicher Ebene ge -stossen und miteinander verschweisst. Die Ver gla -sung liegt wie bei einer Pfosten-Riegelkonstruktiondirekt auf den Profilen und wird von Press leiten gehalten.

Doppelte FassadeVon Level 0 bis 38 basiert die Verglasung auf ge-schosshohen Elementen, die mittels Konsolen amStahlskelett befestigt sind. Die 4 Meter hohen Gläserwerden von umlaufenden, thermisch getrennten Aluminiumprofilen gerahmt, deren Bauhöhe so grossbemessen ist, dass sie nur am Fuss und an der Spitze gehalten werden müssen. An den Befestigungs -punkten schliessen insgesamt vier Elemente an, darunter auch die angrenzenden Dreiecke, diemittels aussteifender Einschieblinge mit den rauten-förmigen Panelen verbunden sind.

Hinter den horizontalen Fugen befinden sich trichter-förmige Stutzen für die Ansaugung von Frischluft, die geschossweise aufbereitet wird und via abge -hängter Decke in die Büros gelangt. Eine Glasfront,die auf der Innenseite des «Diagrids» liegt und nur zuReinigungszwecken geöffnet werden kann, ver -vollständigt die Gebäudehülle zur Abluftfassade. Auf

Swiss Re London

GrundrissMassstab 1: 600

Hinter den spiralförmigen Bändern befinden sich die so-genannten «Lightwells» –mehrgeschossige Bereiche,die der zusätzlichen Belichtungund der natürlichen Belüftungder Büroflächen dienen.

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Während in den oberen Ge -schossen die Montage desStahl baus noch voll im Gangewar, wurde unten bereits die Fassade angebracht.

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AxonometrieMassstab 1 : 501 Diagonalstütze2 Knoten3 Zugstrebe4 Deckenträger, gleitend

gelagert5 Gewindestangen, regeln die

radiale Ausdehnung6 Platten für die tangentiale

Fixierung von Pos. 47 Deckenträger8 Konsole für die Glasfassade

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dem Weg zur Lüftungszentrale passiert die Abluft ausden Büroräumen diesen Zwischenraum, wodurchgleichzeitig von der Sonneneinstrahlung erwärmteLuft abgesaugt wird. Bei den «Lightwells» wurde statteiner inneren Verglasung dunkel gefärbtes Sonnen-schutzglas eingesetzt.

Neutralisierende VerkleidungWurde beim Prada Epicenter von Herzog & de Meu -ron darauf geachtet, dass das Fassadentragwerk keine Querschnittveränderungen erfährt, weil die Brandschutzverkleidung wie eine zweite Haut dieTräger umwickeln soll, wurde bei Swiss Re genauumgekehrt verfahren: die Verkleidung aus einbrenn-lackiertem Aluminiumblech beschreibt einen Hohlkörper, in dem unterschiedlich geformte Trag -werksglieder genauso Platz finden wie Brandschutz-massnahmen und Haustechnikinstallationen. Das Resultat ist aber in beiden Fällen gleich: die Konstruk-tion kann nur noch erahnt werden. (ad)

An jeder einzelnen Konsolesind vier Fensterelemente be-festigt. Die geschosshohenRauten sind unten und obeneingehängt; mit den angren-zenden Drei ecken sind sieüber aussteifende Einschieb-linge verbunden.

Knoten im Übergang zwischender Geschossdecke und demLuftraum eines «Lightwells».

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Swiss Re London

Ort 30 St Mary Axe, LondonBauherr Swiss Re Investments Ltd, LondonArchitekten Foster & Partners, LondonGeneralunternehmer Sanska Construction UK Ltd, LondonTragwerksplaner Ove Arup & Partners, LondonFassadenplaner Emmer Pfenninger Partner AG, MünchensteinStahlbau Victor Buyck-Hollandia Joint Venture Ltd, WraysburyFassade Schmidlin AG, Fassadentechnologie, AeschKuppel Waagner Biro, WienKonstruktion Tragstruktur: Tragende Fassade («Diagrid») ausRundrohren, an facettiertem Knoten verschraubt; Kerne ausBreitflanschträgern (nur vertikal belastet); Betonverbunddecke.Cur tain-Wall: Glaselemente mit Rahmen aus thermisch getrenntenAluminiumprofilen, mittels Konsolen punktuell an Stahlkonstruk-tion befestigt.Stahlverbrauch 8’358 Tonnen; davon 29% für «Diagrid», 24%für Kern und 47% für DeckenträgerNettonutzfläche 46’450 m2

Bauzeit Dezember 2000 – Mai 2004

FassadenausschnittMassstab 1:100

VertikalschnittMassstab 1:25

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HorizontalschnittMassstab 1 : 251 Diagonalstütze

Stahlrohr Ø 508/40 mm – Ø 273/12,5 mm

2 ZugstrebeKastenprofil 300/250 mm

3 Deckenträger, radialI-Profil 540/300 mm

4 Deckenträger, tangentialI-Profil 540/300 mm

5 Profilblech-Verbunddecke160 mm

6 Konsole für Glaselement7 Glaselement mit Rahmen

aus thermisch getrenntenAluminiumprofilen (Glas:ESG 10 mm, SZR 16 mm,VSG 2 x 5 mm); dreieckig

8 dito 7; rautenförmig9 Schiebefenster (Glas: VSG

2 x 5 mm)10 Verkleidung Aluminium-

blech 3 mmA Frischluft, geschossweise

aufbereitetB Zuluft Büro via DeckeC Abluft Büro via SchwelleD Abluft Zwischenraum

(Abluftfassade)

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Bauen in Stahl/steeldoc© ist die Bautendokumentation desStahlbau Zentrums Schweiz und erscheint mindestens viermaljährlich in deutscher und französischer Sprache. Mitglieder des SZS erhalten das Jahresabonnement und die technischen Informationen des SZS gratis.

Die Rechte der Veröffentlichung der Bauten bleiben denArchitek ten vorbehalten, das Copyright der Fotos liegt bei denFotografen. Ein Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mitschriftlicher Ge nehmigung des Herausgebers und bei deutlicherQuellenangabe gestattet.

steeldoc 02/04, Juni 2004Bauen in Stahl Bautendokumentation des Stahlbau Zentrums Schweiz

Herausgeber: SZS Stahlbau Zentrum Schweiz, ZürichEvelyn C. Frisch, Direktorin

Designkonzept:Gabriele Fackler, Reflexivity AG, Zürich

Redaktion und Layout:Alois Diethelm (ad)

Fotos:Titel, S. 8 (links) , 19, 20, 21, 23, 26: Christian Richters, MünsterS. 3, 10: Grant Smith (Bell-Pottinger, London)S. 4: Kurt Ackermann (Hrsg.) , Industriebau, Stuttgart 1994S. 5, 7: Carnegie Library, Pittsburgh (USA)S. 6, 12, 15 (unten): Schmidlin AG, AeschS. 8 (unten) , 13, 15 (oben): Victor Buyck – Hollandia Joint VentureLtd, WraysburyS. 9: Akademie der Künste (Hrsg.) , Bruno Taut 1880–1938, Berlin 1980S. 11: Nigel Young (Bell-Pottinger) , LondonS. 24, 25: Takenaka Corporation, Tokio

Administration, Abonnemente, Versand: Andreas Hartmann, SZS

Druck: Kalt-Zehnder-Druck AG, Zug

ISSN 0255-3104

Jahresabonnement Inland CHF 40.–Einzelexemplar CHF 15.–Preisänderungen vorbehalten.

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