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458 Gerd VoB: Das Cushingsche Syndrom Das Cushingsehe Syndrom als Initialerseheinung bei Sehizophrenien. Von Gerd VoB, Dfisseldorf. Mit 10 Textabbildungen. Innersekretorische StSrungen sind bei der Schizophrenie nichts Un- gewShnliehes. Immerhin sind die yon uns in KSnigsberg beobaehteten F/ille, die hier mitteilen zu diirfen, ich Herrn Prof. Bostroem verdanke, interessant genug, um kurz auf sie einzugehen. Ieh sehicke voraus, dal3 ieh bei Durchsieht der in den letzten 25 Jahren entstandenen Literatur nur wenig F/Llle yon Schizophrenie gefunden habe, bei denen man ein innersekretorisches Syndrom (also nicht nut irgendein innersekretorisches Einzelsymptom) feststellen konnte; ein solches innersekretorisches Syn- drom wird aber nur dann in Beziehung zur Psyehose selbst gesetzt werden kSnnen, wenn seine ersten Erseheinungen in die Zeit kurz vor den Aus- brueh der Psyehose oder in die ersten Wochen der manifest gewordenen Psychose fallen. Kehrer wies kiirzlich, allerdings in umgekehrtem Zu- sammenhang darauf hin, da6 er bei seinen Kranken mit Morbus Cushing gelegentlieh Gefiihlsverarmung und Andeutung yon Halluzinationen be- obaehten konnte. Jeder unserer F/~lle 1/iBt die Hauptsymptome des Cushingschen Syndroms deutlich erkennen, und zwar in erster Linie den charakteristischen Fettverteilungstyp in Verbindung mit einem Hoehdruek. Hinzu kommen -- bei den einzelnen F/~llen in verschiedenem Ma6e -- die anderen Begleiterseheinungen eines Cushing-Syndroms. Lediglich Striae distensae haben wir bei diesen Kranken auffallenderweise nie gesehen. 1. Pro]ektion: Herr K., 34 Jahre alt, fiihrte seit einem halben Jahr vor der Aufnahme ,,komische Re@n". Seit dieser Zeit so dick geworden, daft ihm die Kleider nicht mehr paBten. Gewichtszuoahme von 30 P/und. Obwohl er nicht arbeitete, unmiifliger Appetit. AB fast den ganzen Tag. KSrperlich: MuskulSs, mit pyknischem Einschlag. Be- tr/~chtliche, gleichmiiBig am Stamm und im Gesicht verteilte Fettansammlungen. Blutdruck auf 1501105mm Hg erhSht. Polyglobulie yon 6800000, Lymphocytose yon 37,5. Psychisch: Akustische Halluzinationen. Beziehungs-, Vergiftungsideen. 2. Pro]ektion: Herr It., 46 Jahre alt. 14 Tage vor der Klinikaufnahme Verfolgungsideen, glaubte erschossen zu werden. Einige Monate vorher war den Eltern aufgefallen, dal3 er, ohnehin recht wohl beleibt, noch auflerordentlich stark (60 P/und) an Ge- wicht zugenommen hatte. Er zeigte einen unmiifligen Appetit. Befund: Pykniker mit Fettansammlungen am Gesicht (Vollmondgesicht) und am Stature bei Frei- bleiben der Extremit/iten. Blutdruck 170/100 bis 190/110mm Hg. Urin Spur EiweiB, vereinzelt Ery. Psychisch: MassiveWahnideen, depressiven und paranoiden Inhaltes, Vergiftungsideen. ~ngstliche Stimmungslage. Auffallend: Ununterbrochener Rede- drang. Im Laufe der Erkrankung zunehmend akustische ttanuzinationen. Ver- /inderungsgeffihle. In 3 Monaten trotz gutem Appetit Gewichtsabnahme yon

Das Cushingsche Syndrom als Initialerscheinung bei Schizophrenien

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Page 1: Das Cushingsche Syndrom als Initialerscheinung bei Schizophrenien

458 Gerd VoB: Das Cushingsche Syndrom

Das Cushingsehe Syndrom als Initialerseheinung bei Sehizophrenien.

Von

Gerd VoB, Dfisseldorf.

Mit 10 Textabbildungen.

Innersekretorische StSrungen sind bei der Schizophrenie nichts Un- gewShnliehes. Immerhin sind die yon uns in KSnigsberg beobaehteten F/ille, die hier mitteilen zu diirfen, ich Herrn Prof. Bostroem verdanke, interessant genug, um kurz auf sie einzugehen. Ieh sehicke voraus, dal3 ieh bei Durchsieht der in den letzten 25 Jahren entstandenen Literatur nur wenig F/Llle yon Schizophrenie gefunden habe, bei denen man ein innersekretorisches Syndrom (also nicht nut irgendein innersekretorisches Einzelsymptom) feststellen konnte; ein solches innersekretorisches Syn- drom wird aber nur dann in Beziehung zur Psyehose selbst gesetzt werden kSnnen, wenn seine ersten Erseheinungen in die Zeit kurz vor den Aus- brueh der Psyehose oder in die ersten Wochen der manifest gewordenen Psychose fallen. Kehrer wies kiirzlich, allerdings in umgekehrtem Zu- sammenhang darauf hin, da6 er bei seinen Kranken mit Morbus Cushing gelegentlieh Gefiihlsverarmung und Andeutung yon Halluzinationen be- obaehten konnte. Jeder unserer F/~lle 1/iBt die Hauptsymptome des Cushingschen Syndroms deutlich erkennen, und zwar in erster Linie den charakteristischen Fettverteilungstyp in Verbindung mit einem Hoehdruek. Hinzu kommen - - bei den einzelnen F/~llen in verschiedenem Ma6e - - die anderen Begleiterseheinungen eines Cushing-Syndroms. Lediglich Striae distensae haben wir bei diesen Kranken auffallenderweise nie gesehen.

1. Pro]ektion: Herr K., 34 Jahre alt, fiihrte seit einem halben Jahr vor der Aufnahme ,,komische

Re@n". Seit dieser Zeit so dick geworden, daft ihm die Kleider nicht mehr paBten. Gewichtszuoahme von 30 P/und. Obwohl er nicht arbeitete, unmiifliger Appetit. AB fast den ganzen Tag. KSrperlich: MuskulSs, mit pyknischem Einschlag. Be- tr/~chtliche, gleichmiiBig am Stamm und im Gesicht verteilte Fettansammlungen. Blutdruck auf 1501105 mm Hg erhSht. Polyglobulie yon 6800000, Lymphocytose yon 37,5. Psychisch: Akustische Halluzinationen. Beziehungs-, Vergiftungsideen.

2. Pro]ektion: Herr It., 46 Jahre alt. 14 Tage vor der Klinikaufnahme Verfolgungsideen,

glaubte erschossen zu werden. Einige Monate vorher war den Eltern aufgefallen, dal3 er, ohnehin recht wohl beleibt, noch auflerordentlich stark (60 P/und) an Ge- wicht zugenommen hatte. Er zeigte einen unmiifligen Appetit. Befund: Pykniker mit Fettansammlungen am Gesicht (Vollmondgesicht) und am Stature bei Frei- bleiben der Extremit/iten. Blutdruck 170/100 bis 190/110 mm Hg. Urin Spur EiweiB, vereinzelt Ery. Psychisch: Massive Wahnideen, depressiven und paranoiden Inhaltes, Vergiftungsideen. ~ngstliche Stimmungslage. Auffallend: Ununterbrochener Rede- drang. Im Laufe der Erkrankung zunehmend akustische ttanuzinationen. Ver- /inderungsgeffihle. In 3 Monaten trotz gutem Appetit Gewichtsabnahme yon

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als In i t i a l e r sche inung bei Schizophrenien. 459

Abb. 1. Herr 1~, 1. Projektion.

Abb. 2. I~err H. 2. 1)ro]ektion.

Abb. 3. Fraulein N. Man beachte die Alopecie. 3. Projektion.

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40 Pfund, zugleich psychische Besserung, die auch 2 Jahre nach der Klinikent- lassung angehalten hatte.

3. Pro]ektion:

Frl. N., 38 Jahre alt. Vor der Klinikaufnahme 20 P/und Gewlchtszunahme und Unregelnffifligwerden der Menses. Zugleich Haarausfall entlang der Stirn und

Abb. 4. Herr B. bei der ersten 2Lufnahme. 4. ProjekLion.

Abb. 5. Herr B. bei der zweiten Aufnahme, 10/~Ionate sparer. 5. Projektion.

Schli~fenhaargrenze. Enormes Durstgeffihl. Wurde erst 14 Tage vor der Klinik- aufnahme psychisch auffallig, glaubte sich veffolgt, hSrte dutch die W~nde sprechen. Belastet: Eine Schwester starb friih an Krampfen, ein Bruder ,,Ificht richtig im Kopf". Be/und: Dysplastischer KSrperbau bei infantil hypoplastischem Gesichtstyp. Starke lYettansammlunffen am Gesicht, den Bri2sten und Unterbauch. Etwa 1 cm breiter Haaraus/all, yon der Univ.-Hautklinik KSnigsberg als Alopecia neurotica bezeichnet. Grundumsatz um 3 % erniedrigt. Enorme Blutdruckerh6hung bis auf 2101100 mm Hg. Psychiseh: Massive Sinnest~uschungen des Gesichts, Geruchs und GehSrs. Anfangs recht gute affektive Ansprechbarkeit, sp~terhin zunehmende Verflachung. Wurde dauernd ansta]tsbediirftig.

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als Initialerscheinung bei Schizophrenien. 461

4. Pro]ektion: Heir B. Vor der Kliniksaufnahme fiel den Eltern des 20j~hrigen Mannes sehr

starkes Dickwerden auf. Zugleich psychisch auff~llig. Fiihlt sich hypnotisiert, betet dauernd. Befund: Asthenisch mit pyknischem Einschlag. Grazile Extremi- t/~ten, weite KSrperh5hlen. Vollmondffesicht, Fettansammlungen am Stamm. Grundumsatz um 2% erniedrigt. Blutdruck auf 135/80 erhSht, Tachykardie. Un- m~Biger, an Heil3hunger grenzender Appetit. Psyehisch: Vorwiegend kataton. Mitunter geheimnisvolles Gehabe mit Andeutung von GrSl3enideen. Leerer Affekt. Keine Halluzinationen. Nach 4 Wochen gegen Revers abgeholt, nach 10 Monaten 2. Aufnahme.

5. Projektion: Inzwischen 50 P/und Gewichtsabnahme. Blutdruck auf 125/90 gesunken. Die

vorher deutlich erhShte Pulsfreqnenz war normal geworden. Psychisch: Auch diesmal keine Halluzinationen, aber typisch schizophrene Verflachung und Zer- fahrenheit.

Ich habe Ihnen diese F/~lle demonstriert, weil sie fibereinstimmend und eindrucksvoll das Zusammentreffen eines endokrinen Syndroms, das zweifellos in allen F/~llen dem Cushingschen Syndrom sehr nahesteht, mit dem ersten Auftreten eines schizophrenen Schubes zeigen. Anhalts- punkte fiir einen Hypophysentumor oder Nebennierenrindenver/~nde- rungen fanden wir hie. Man ist daher wohl berechtigt, einen Zusammen- hang dieses Syndroms mit dem der Schizophrenie zugrunde liegenden k5rperlichen Krankheitsvorgang zu vermuten. Das unterstii tzt die bis- her mehrfach gemachte Erfahrung, dab das Cushingsche Syndrom keineswegs pathognomonisch ifir ein basophiles Adenom des Hypo- physenvorderlappens ist, es kSnnen vielmehr alle mSglichen anderen Erkrankungen die prindtre Noxe darstellen. In erster Linie steht hier der Interrenalismus; dieser kann primer entstehen, er kann abet auch durch andere St5rungen endokriner Art hervorgerufen werden, z. B. wie Bauer meint, dutch das Auftreten eines die Nebennierenrinde stimu- lierenden corticotropen Hormons. Dal~ bei der Schizophrenie - - nament- lich wohl bei den akuten F/tllen - - kSrperliche StSrungen eine Rolle spielen, wird kaum noch bezweifelt. Bei unseren Kranken wird man an- nehmen kSnnen, dal3 dieser schizophrene - - sagen wir - - Grundprozel~, sich besonders stark auf endokrinem Gebiet abgespielt und die zum Cushingschen Syndrom gehSrenden hormonalen Anomal ien in Gang gesetzt hat. Bei allen Kranken verschwand auch das innersekretorische Syndrom kurze Zeit nach der Manifestation der Psychose genau so pl5tz- lich, wie es aufgetreten war, was darauf schliel~en 1/il~t, dab der hormonale Mechanismus rasch ablaufen kann, er wird also wohl nicht mit dem die Schizophrenie hervorrufenden Krankheitsvorgang identisch sein; dieser hat vielmehr mit dem Cushingschen Syndrom wohl nur eine Neben- wirkung entfaltet. Es ist aber nicht anzunehmen, dab es sich dabei nur um ein zuf~lliges Spiel der endokrinen Vorg/inge handelt, denn es ist be- merkenswert, dab keiner dieser Kranken den bei der Schizophrenie iiblichen KSrpertypus erkennen li~[~t. Auch spricht der Umstand, dab

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462 Fritz Roeder: (~ber die serologische Diagnostik der Schizophrenie

bei schizophrenen Endzust/inden nicht selten eine eigenartige Verfettung, meist allerdings ohne die anderen Cushing.Symptome auftritt, durchaus daffir, dab schizophrene Krankheitsprozesse die Neigung haben, sich auf das Gebiet der hormonalen Vorg/~nge auszudehnen.

Aussprache. Pohlisch-Bonn weist auf die Wiehtigkeit des Zusammen- arbeitens zwischen Psyehiatrie und innerer Medizin (speziell Stoffwechsel- untersuchung) hin.

(Aus der Deutschen Forschungsanst~lt fiir Psychiatrie, Kaiser Wilhelm-Institut Mfinchen.)

Uber die serologisehe Diagnostik der Schizophrenie aus dem Liquor nach der Methode

yon Lehmann-Faeius. Von

Fritz Roeder, Mfinchen.

Von Lehmann-Facius wurde eine Hirn-Lipoidreaktion zur Diagnostik der Sehizophrenie aus dem Liquor cerebrospinalis ausgearbeitet. Das Verfahren besteht darin, dal~ absteigende Mengen des zu untersuchenden Liquors mit einer Emulsion eines Hiraphosphatid enthaltenden Extrak- tes 1, dem Meinickes Standardextrakt (M.K.R. II) zugefiigt ist, versetzt werden. Nach sofortigem Zentrifugieren (15 Min. bei 2500 Touren) wird die sich aus dem Bodensatz bei leichtem Aufschiitteln bildende Flockung beobachtet, und zwar wird jedes Glas einzeln aufgeschfittelt. Nach Lehmann-Facius ist fiir positive Reaktionen charakteristisch, dal] eine Flockung yon grobscholligem Typus bestehen bleibt, die in einer optimalen Mittelzone der Liquorverdfinnungen ara sti~rksten zum Ausdruck kommt. Vor der endgiiltigen Beurteilung wird nach 24 Stunden erneut zentri- fugiert (3 Min. 2500 Touren) und danach die fiber dem Niederschlag stehende Flfissigkeit durch 0,25 ccm physiologische KochsalzlSsung er- setzt. Nach erneutem Aufschiitteln erfolgt dana die endgfiltige Ablesung.

Lehmann-Facius hat zun/~chst mit einem Extrakt aus menschlichem Normalhirn gearbeitet und will gefuaden haben, dab am h/~ufigsten Schizophrenien mit diesem positiv reagierten ; doch auch bei verschiedenen anderen Erkrankungen des Zentralnervensystems habe er mehr oder weniger h/iufig positive Ausschl/~ge erhalten. Lehmann.Facius hat dann die positiven Reaktionen bei den verschiedenen Erkrankungen je nach

1 Die Extrakte miissen durch Herrn Prof. Lehmann-Facius bezogen werden, da eine genaue Anweisung zur Herstellung nicht von ihm publiziert worden ist.