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1.12.2017 Das ZF-Stiftungsmodell Die Verflechtungen zwischen der Zeppelin-Stiftung und ZF sind aus historischen Strukturen gewachsen und bergen Konfliktpotenzial Von Thomas Domjahn ZF ist ein Stiftungsunternehmen. Das bedeutet, dass die Aktien des Konzerns nicht wie die von Siemens oder Daimler an der Börse gehandelt werden, sondern im Besitz von zwei Stiftungen sind. Hauptaktionär mit 93,8 Prozent der Aktien ist die Zeppelin-Stiftung. Die restlichen Anteile (6,2 Prozent) besitzt die Dr. Jürgen und Irmgard Ulderup Stiftung. Letztere ist nach der Volkswagen-Stiftung die zweitgrößte Stiftung in Niedersachsen und seit 2003 im Besitz der ZF- Anteile. Die Geschichte der Zeppelin-Stiftung reicht deutlich weiter zurück. Sie wurde schon 1908 gegründet. Ursprünglicher Stiftungszweck war die Förderung des Luftschiffbaus. Heutiger Stiftungszweck ist laut Satzung vor allem die Förderung von Wissenschaft, Forschung, Bildung, Erziehung, Kunst und Kultur in der Region. Unter anderem fördert die Stiftung die Zeppelin-Universität, das Graf-Zeppelin-Haus und das Klinikum Friedrichshafen. Das Stiftungsvermögen stellt somit ein städtisches Sondervermögen dar. Vorsitzender der Zeppelin-Stiftung, die auch mit 3,75 Prozent an der Zeppelin GmbH und zu 100 Prozent an der gemeinnützigen Vermögenstochter "Zeppelin-Stiftung Ferdinand gGmbH" beteiligt ist, ist Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand. Der Lokalpolitiker sitzt auch als einfaches Mitglied im ZF-Aufsichtsrat. Früher war der OB sogar Vorsitzender des ZF- Gremiums. Kontrolliert wird die Zeppelin-Stiftung vom Gemeinderat. Dass sich Lokalpolitiker ins operative Geschäft des globalen Unternehmens einmischen, ist ZF- Chef Stefan Sommer ein Dorn im Auge. "In dem Moment, in dem zum Beispiel lokalpolitische Erwägungen aus Friedrichshafen die Unternehmensstrategie bestimmen, wird es für den unternehmerischen Erfolg kritisch", hatte der Unternehmenslenker im Sommer gesagt und damit einen Streit mit der Stiftung provoziert. OB Brand sieht das naturgemäß anders. "Die wichtigste Aufgabe ist es, das Vermögen der Stiftung zu sichern und zu erhalten", erklärte er. Deshalb fordert er eine hohe Dividende. "ZF braucht Zukäufe im digitalen Bereich" Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen sieht ZF strategisch auf dem richtigen Kurs und kritisiert die Forderungen der Zeppelin- Stiftung.

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1.12.2017

Das ZF-Stiftungsmodell Die Verflechtungen zwischen der Zeppelin-Stiftung und ZF sind aus historischen Strukturen gewachsen und bergen Konfliktpotenzial Von Thomas Domjahn

ZF ist ein Stiftungsunternehmen. Das bedeutet, dass die Aktien des Konzerns nicht wie die von Siemens oder Daimler an der Börse gehandelt werden, sondern im Besitz von zwei Stiftungen sind. Hauptaktionär mit 93,8 Prozent der Aktien ist die Zeppelin-Stiftung. Die restlichen Anteile (6,2 Prozent) besitzt die Dr. Jürgen und Irmgard Ulderup Stiftung. Letztere ist nach der Volkswagen-Stiftung die zweitgrößte Stiftung in Niedersachsen und seit 2003 im Besitz der ZF-Anteile. Die Geschichte der Zeppelin-Stiftung reicht deutlich weiter zurück. Sie wurde schon 1908 gegründet. Ursprünglicher Stiftungszweck war die Förderung des Luftschiffbaus. Heutiger Stiftungszweck ist laut Satzung vor allem die Förderung von Wissenschaft, Forschung, Bildung, Erziehung, Kunst und Kultur in der Region. Unter anderem fördert die Stiftung die Zeppelin-Universität, das Graf-Zeppelin-Haus und das Klinikum Friedrichshafen. Das Stiftungsvermögen stellt somit ein städtisches Sondervermögen dar. Vorsitzender der Zeppelin-Stiftung, die auch mit 3,75 Prozent an der Zeppelin GmbH und zu 100 Prozent an der gemeinnützigen Vermögenstochter "Zeppelin-Stiftung Ferdinand gGmbH" beteiligt ist, ist Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand. Der Lokalpolitiker sitzt auch als einfaches Mitglied im ZF-Aufsichtsrat. Früher war der OB sogar Vorsitzender des ZF-Gremiums. Kontrolliert wird die Zeppelin-Stiftung vom Gemeinderat. Dass sich Lokalpolitiker ins operative Geschäft des globalen Unternehmens einmischen, ist ZF-Chef Stefan Sommer ein Dorn im Auge. "In dem Moment, in dem zum Beispiel lokalpolitische Erwägungen aus Friedrichshafen die Unternehmensstrategie bestimmen, wird es für den unternehmerischen Erfolg kritisch", hatte der Unternehmenslenker im Sommer gesagt und damit einen Streit mit der Stiftung provoziert. OB Brand sieht das naturgemäß anders. "Die wichtigste Aufgabe ist es, das Vermögen der Stiftung zu sichern und zu erhalten", erklärte er. Deshalb fordert er eine hohe Dividende.

"ZF braucht Zukäufe im digitalen Bereich"

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen sieht ZF strategisch auf dem richtigen Kurs und kritisiert die Forderungen der Zeppelin-Stiftung.

Page 2: Das ZF-Stiftungsmodellhk0378/publikationen/2017/20171201... · 1.12.2017 Das ZF-Stiftungsmodell Die Verflechtungen zwischen der Zeppelin-Stiftung und ZF sind aus historischen Strukturen

Herr Dudenhöffer, wie gut sehen Sie ZF in der Automobilzulieferer-Branche aufgestellt? Dudenhöffer: ZF ist ein richtig gutes Unternehmen. Stefan Sommer hat zusammen mit Aufsichtsratschef Giorgio Behr das Unternehmen neu erfunden. Die Übernahme von TRW war ein Meisterstück. ZF geht in die Elektromobilität und entwickelt Technologien zum autonomen Fahren. Damit schlägt das Unternehmen genau die richtige Richtung ein, denn der klassische Verbrennungsmotor ist ein Auslaufmodell. Können die Personalquerelen ZF auf diesem Weg bremsen? Dudenhöffer: Ja, wenn der eine nach rechts will und der andere nach links, zerstört man das Unternehmen. Es ist nicht gut, wenn die Stiftung dem Management Knüppel zwischen die Beine wirft. Wo sehen Sie die Konfliktlinie? Dudenhöffer: Von außen betrachtet geht es darum, dass die Stiftung kurzfristig eine höhere Dividende will, um in Friedrichshafen städtische Projekte zu finanzieren. Aus meiner Sicht ist es für ZF aber wichtiger, das Geld in Zukunftsprojekte zu investieren, anstatt es auszuschütten. Sonst gefährdet man den langfristigen Erfolg. Wie könnte der Konflikt aus Ihrer Sicht aufgelöst werden? Dudenhöffer: Wenn die Stiftung kurzfristig mehr Geld will, muss sie einen Teil des Unternehmens an die Börse bringen oder andere Eigenkapitalgeber suchen. So haben es die Porsches auch gemacht. Wenn man Geld rauszieht, blockiert man das Unternehmen und gefährdet dadurch seine Zukunft. Kann man in der heutigen dynamischen Zeit ein Unternehmen überhaupt konservativ führen oder muss man nicht als mechanisches geprägtes Unternehmen wie ZF digitale Kompetenz dazukaufen? Dudenhöffer: Wenn ZF TRW nicht gekauft hätte, würde ZF in spätestens zehn Jahren vor Riesenproblemen stehen. Denn dann werden die mechanischen Komponenten und Getriebe nicht mehr so gebraucht. Man darf nicht nur an den kurzfristigen Profit denken, sondern muss auch an den langfristigen Erfolg denken. Und dazu braucht ZF Zukäufe im elektronischen und digitalen Bereich. Wo liegen die großen technologischen Herausforderungen für ZF? Dudenhöffer: Durch das elektrische und autonome Fahren verkleinern sich die Umsatzchancen für klassische ZF-Produkte. Wenn ZF diesen Zukunftsmarkt verpasst, werden sie in Zukunft mechanische Teile produzieren, die sie an jeder Ecke bekommen. Und dann werden sie in Deutschland keine Löhne auf dem heutigen Niveau mehr zahlen können, sondern in Asien produzieren müssen. Fragen: Thomas Domjahn