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Der Finanzdienstleister DBV Das Magazin des 1/2016 Commerzbank: Ohne gute IT läuft kein Geschäftsmodell Ulrich Probst und Erhard Pfeiffer vor der AR-Wahl in der ING DiBa Filialwelt: Der Umbau fordert großen Tribut

DBV Heft 3 2015 Umschlag€¦ · Es ist aber noch zu beweisen, dass dieses Betriebstempo nicht aus der Substanz he-rausgepowert wurde. So laufen Stellwerke und Leittechnik – die

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Der Finanzdienstleister DBVDas Magazin des

1/2016

Commerzbank: Ohne gute IT läuft kein Geschäftsmodell

Ulrich Probst und Erhard Pfeiffer vor der AR-Wahl in der ING DiBa

Filialwelt: Der Umbau fordert großen Tribut

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THEMEN SEITE

DBV Inhaltsverzeichnis

Unsere Tarifkommissionen

PRIVATES BANKGEWERBEFEIKES Ursula – VerhandlungsführerinBAUMANN WalterBEESE UteBETZEN SigridBRÄGER KarinCHLEBNITSCHEK GottliebFREUND PetraHAMACHER Karl-HeinzHEINRICH NorbertJÄCKEL AndreasLANGENSIEPEN PetraMAGDZIAK MartinÖRS BülendSCHOCK VolkerSÖLTER KarlSTEGMILLER-KÖFERL Gabriele, Dr.SZUKALSKI StephanTÖGEL JürgenWOLFF KarstenZATCHER MatthiasVOLKS- UND RAIFFEISENBANKENBUFF Heinz – VerhandlungsführerALBRECHT ThomasBEESE UteBENTERBUSCH Heinz-NorbertBETZEN SigridERMANN WolfgangGRIGGEL StefanLÄTZSCH HolgerLINDEN StefanMAGET JürgenPIASTA RobertREHMISCH SteffenRIEDEL MichaelSCHAFFER MonikaSCHILLER SilkeSCHULZ ChristianSTECKEL RainerTER BRAAK GerhardWINGEN ReinholdWITTIGER HelmutVERSICHERUNGSGEWERBEBEESE Ute – VerhandlungsführerinKADNER ThomasKASTORFF EvaKROPP ChristophLINDMEIER JohannMATTHES Kurt-WaltherSCHMIDT CarlaSEIFER Sonja

Herausgeber:DBV – Gewerkschaft der FinanzdienstleisterKreuzstraße 20, 40210 DüsseldorfTel.: 0211/36 94 558, Fax: 0211/36 9679E-Mail: [email protected]: http://www.dbv-gewerkschaft.deRedaktion, verantwortlich für den Inhalt undAutor, wenn nicht anders benannt: Oliver PoppStändige Mitarbeiter:Sigrid Betzen, Stephan SzukalskiFotos: Oliver Popp Titelfoto: Oliver PoppAgentur Fotolia (www.fotolia.de)(Bild hintere Umschlagseite)Postanschrift: Der FinanzdienstleisterKreuzstraße 20, 40210 DüsseldorfSatz, Gestaltung und Druck: Dönges –Gutenberghaus Druck & Medien GmbH & Co.KGAm Güterbahnhof 19, 35683 DillenburgTel.: 02771/8718-0, Fax: 02771/8718-20Papier: Gedruckt auf chlor- und säurefreiemumweltfreundlichem PapierPostverlagsort: DüsseldorfBezugspreis: EURO 1,25Jahresbezug: EURO 3,75jeweils zuzüglich Zustellgebühr,für Verbandsmitglieder ist der Bezugspreisim Mitgliedsbeitrag enthalten.Erscheinungsweise: 3 mal jährlichMit Namen gezeichnete oder signierte Beiträgestellen die Ansicht des Verfassers nicht unbe-dingt die des Herausgebers oder der Redaktion dar. Für unverlangt eingesandte Beiträge wird keine Haftung übernommen. Kürzungen und redaktionelle Änderungen behalten wir uns vor. Die Rücksendung von Manuskripten erfolgt nur, wenn Rückporto beiliegt.

Besuchen Sie uns auf der neuen Homepage……in unserem Online-Angebot finden Sie übersichtlich allesWissenswerte über den DBV. Aktuelle Nachrichten von unsund aus der Presse, wer wir sind und was wir tun,Tarifinformationen und Gehaltstabellen, Kommentare zuUrteilen im Arbeits- und Sozialrecht, das Seminar-Angebotunserer Bildungs-GmbH, Spar-Angebote in unseremVorteilsportal. Betrachten Sie den DBV im Film, „blättern“ Siein unseren Zeitschriften oder schauen Sie in unserem Twitter-Profil vorbei. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim

Entdecken! Bei Fragen, Wünschen undKritik schreiben Sie uns gern eine Mail an [email protected] auf die Homepage zu gelangen, scan-nen Sie einfach mit Hilfe einer QR-Leser-App auf Ihrem Smartphone den links stehenden QR-Code.

DBV-Mitgliedern finden in unserem Vorteilsportal dauerhaft Rabatte und Vergünsti-gungen bei 500 Anbietern. Auf dieser Seite können Sie aus Angeboten zu günstigenReisen, Autos, Sport- und Gesundheitsangeboten wählen, oder auch preiswerte Mode,Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräte finden: http://dbv.mitgliedervorteile.com/.Oder scannen Sie einfach den rechts stehenden QR-Code mit ihrem Smartphone.Melden Sie sich dann auf der Seite oben an mit Benutzername: dbv001, Passwort:vielfalt001. Viel Freude beim Entdecken…

E Titelthema ING DiBa: Der Bank die richtige Balance geben 2-3

E IT / Technik Commerzbank: Durch den Code wandern 4-6

E Arbeitsrecht Digitalisierung:Aus der Bedrohung ein Werkzeug machen 6-7

E Bankberuf Filialbanken: „Meinen Beruf gibt es in dieser Form nicht mehr“ 8-9Berliner Bank: Schlaflose Nächte 9

E Rat und Tat Deutsche Bank:Fragen und Antworten zur Strategie 2020! 10-11

E Arbeitswelt Gewerkschaft und Betriebsrat 2.0 12-13

E Aufgefallen Trauer am Arbeitsplatz:„Bewerten Sie nichts, sondern fragen Sie!“ 14-15

E Organisation 16

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DBVGrußwort

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Stephan Szukalski

Abfahrt und Bahnhof

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

sicher sind Sie auch schon mit der Bahn gefahren: zu geschäftlichen Terminen, zurFamilie oder in den Urlaub. Ich tue dies regelmäßig – und das aus der Erkenntnis, dassdas für mich das sinnvollste Reisemittel ist. Die Vorteile der (im Normalfall) ordentli-chen Zügigkeit von Stadtzentrum zu Stadtzentrum, die Möglichkeit des Arbeitens,der Zeitungslektüre, des Essens oder des Abschaltens während der Fahrt überwiegenfür mich die Nachteile von Zugverspätungen, von einigen wirklich ärgerlichenZugausfällen, von Gedränge und manchmal dem Ausfall von technischen Service-Leistungen in Zügen oder auf Bahnsteigen. Wir alle kennen Spotgeschichten über dieBahn, und doch nutzen viele von uns sie selbstverständlich.

Die grundsätzliche Organisation des Bahnbetriebs gehorcht einem bestimmten Takt,der sich im Zugfahrplan zeigt. Der Fahrplan enthält das Ziel, Unterwegshalte,Abfahrts- und Ankunftszeiten, das richtige Gleis und den zum Zweck passenden Zug(von Regionalexpress bis ICE), im Internet auch Preisangaben, auch den Service anBord wie W-LAN-Nutzung, Fahrradmitnahme oder Kinderabteil. Kurz: Eine nötigeund meist verlässliche Orientierung.

Ein Fahrplan ist auch für das Funktionieren anderer Wirtschaftseinheiten unerlässlich.Leider müssen die Beschäftigten in etlichen Finanzinstituten inzwischen Zweifelhaben, ob es einen solchen Fahrplan bei Ihnen im Hause wirklich gibt und wenn ja,ob er eingehalten wird.

In der größten Bank in unserem Land – eben der Deutschen Bank – haben die ober-sten Konzernlenker vor einem Jahr im April 2015 angekündigt, dass es einen neuenFahrplan, die Strategie 2020 geben soll. Und sie nannten dem Betriebspersonal wieauch Kunden, Investoren und Öffentlichkeit bis Ende Oktober schrittweise einigeZiele des geplanten Betriebs – die Geschwindigkeit und der Takt auf einigenStrecken, sprich Geschäftsfeldern, soll gleich bleiben oder sich erhöhen; anderegeschäftliche Verbindungen werden dagegen zusammengestrichen oder in einigenFällen eingestellt. Wo der Betrieb ausgebaut werden soll, soll sich auch der Serviceverbessern.

Abfahrts- und besonders Ankunftszeiten für die einzelnen Züge, also ein klarer Taktfür die Zeit nach dem Konzernumbau, sind dagegen den Reisenden oft noch unklar.Insbesondere bleibt offen, ob Kunden und Investoren letztlich bereit sind, den Preisfür die neuen und alten Leistungen zu bezahlen. Denn es ist auch für viele noch nichtabsehbar, welche Betriebsmittel die Deutsche Bank genau wann und auf welchenStrecken bereitstellen will, und ob diese zum Einhalten des Fahrplans auch ausrei-chen, wenn den Zügen und Anlagen, sprich den Konzerneinheiten zusetzen.Personelle und technische Reserven sind jedenfalls schon stark ausgedünnt und wer-den laut Strategie 2020 per Saldo weiter zusammengestrichen. Nicht ohne Grund istdie Belegschaft der Deutschen Bank in großer Sorge, dass sie am Ende des Tageszumindest einen beachtlichen Teil des Preises selbst zahlen muss – in Form von starkerhöhtem Druck der Leitzentrale, die Leistung zu steigern, sich zu verändern, denKonzern-Zug per Altersvertrag, Abfindung oder nach Kündigung zu verlassen. ZumGlück genießt der Not-Fahrplan des Arbeitsrechts Bestandsschutz. Wir beantwortenIhnen auf den Seiten 10 und 11 die drängendsten Fragen, auf was Sie alsMitarbeiter/in der Deutschen Bank sich verlassen können und wie wir, der DBV,Ihnen dabei helfen werden.

Ein schlankeres, aber verlässlicheres Kursbuch fährt die ING DiBa. Die Direktbank istdamit am Markt erfolgreich und kann sogar Personal aufnehmen. Wichtig bleibt aberdie Kontrolle über das richtige Gleichgewicht von Gas geben, bremsen und steuernin der deutschen Konzern-Lokomotive – und diese Rolle wollen Ulrich Probst undErhard Pfeiffer für die Interessen der Beschäftigten übernehmen. Wir wünschen Ihnenviel Erfolg in der Aufsichtsratswahl am 27. April (Seiten 2 und 3).

Lange Zeit schien die Commerzbank von der Erfolgsschiene abgekommen – schonbald, nachdem sie 2008 das Netz der Dresdner Bank übernommen hatte, dass viel-fach im Parallelverkehr gegenseitig Kunden raubte. Fahrpläne wechselten dann imJahresrhythmus, bevor die vorigen sich einspielen konnten. Ein realistischesKonzernziel konnten deshalb weder Öffentlichkeit noch Belegschaft erkennen. Nunlegte der Vorstand wieder scheinbar eine Erfolgsbilanz mit großen Überschüssen vor.Es ist aber noch zu beweisen, dass dieses Betriebstempo nicht aus der Substanz he-rausgepowert wurde. So laufen Stellwerke und Leittechnik – die IT – der

Commerzbank unter Voll-Last. Es müssen dringend neue Infrastruktur und Spezialistenher, um weiter einen sicheren Betrieb zugewährleisten. Doch daran wird gespart(Seiten 4 und 5).

Es ist generell über alle Häuser hinweg unklar,wie die klassischen Zugflotten, sprich Filial-netze, angesichts niedriger Margen und hoherRegulierungskosten zukunftsträchtig betriebenwerden können. Um im Bild zu bleiben – dieneueren Vertriebskanäle online oder übersoziale Medien können als Billigflieger undFernbusse dem Platzhirsch Kunden abnehmen,weil sie mit einfacherem Aufbau niedrigerePreise für die gleichen Leistungen aufrufenkönnen. Die Beschäftigten der angestammtenBankorganisation können aber auch mitzunehmender Digitalisierung Schritt halten –wenn sie sich beim Einstieg oder bei erkenn-baren Veränderungen früh auf nachgefragteoder auf neue Technik gestützte Geschäfts-felder spezialisieren – gerade die Jüngerenhaben hier gute Karten (Seiten 8 und 9). Unddie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnentrotz aller Umbrüche ihre Rechte wahren –wenn ihre Betriebsräte die Möglichkeitenneuer Technik nutzen (Seiten 6 und 7).

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Bankenbessere Fahrpläne in die Zukunft aufstellen,wenn die Arbeitnehmer und ihre Vertreterdabei effektiv mitwirken können. Die Signalestehen nur auf Grün, wenn alle im Betrieb ander richtigen Stelle nach dem persönlichenVermögen und der Befähigung dazu anpackenkönnen.

Ich wünsche Ihnen auf alle Fälle, dass Sie auchin Zukunft mehr als nur Abfahrt und Bahnhofverstehen!

Ihr Stephan Szukalski

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DBV Titelthema

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ING-DiBa: Der Bank die richtige Balance geben

Verfügung, dass er seine Anlage-Entscheidung leichter treffen kann. DieGrenze zur echten, ausführenden Beratungüberschreiten wir dabei nicht.“ DerCoburger ist seit seiner Jugend mit Anlagenan der Börse aktiv, bis hin zu Währungs-geschäften und Optionsscheinen. „Ich woll-te immer genau wissen, wo genau meinGeld gerade ist und was es da macht.Allgemein – ja, ich höre nicht auf, Fragen zustellen, und will die Zusammenhänge bes-ser verstehen“, beschreibt er seinen wesent-lichen Antrieb. 2010 bis 2014 studiert er des-halb berufsbegleitend mit Erfolg Wirtschafts-recht.

Bereits seit 2002 wirkt Ulrich Probst imBetriebsrat der DiBa, dabei nie freigestelltund somit immer auch mit fester Ver-bindung zu den Kollegen und Abläufen.Zusätzlich engagiert er sich seit über 10Jahren auch im europäischen Betriebsrat(EBR) der Gruppe, zusammen mit Vertreternaus 15 Ländern. Hier kommen ihm auchseine Fremdsprachen-Kenntnisse zu Gute.

Besonders der EBR macht ihm deutlich, wiewichtig Kontakte und das Denken überStandorte hinaus sind. „Wir hören dort eini-ge Pläne des Konzerns eher als im nationa-len Betriebsrat. Wir erfahren da auch vonden EBR-Kollegen, wie bestimmte Pilotpro-jekte zum Beispiel in den Niederlandenoder Italien wirken. Wir sehen auch, dassdie Geschäftsführung von den Arbeitneh-mern manchmal ganz verstanden wird und,was global gut gemeint ist, lokal eine ganz andere Wirkung entfalten kann.“ Einaktuelles Thema ist die Zusammenarbeitund Zentralisierung einiger Funktionen im Konzern, mit der möglichen Verla-gerung von Arbeitsplätzen in der IT, im Ser-vice-Center oder auch in anderen Berei-chen. Der EBR wird vom AmsterdamerManagement nur informiert, die echteMitbestimmung geschieht auf nationalerEbene. „Es ist entscheidend, dass wir dieInfos von weiter oben in unsere Arbeit hierin Deutschland einbringen können. Auchdeswegen sind unsere drei Standorte für dieZukunft gesetzt.“

Es muss dafür gekämpft werden, dass dieArbeit in diesem Umfang in Deutschlandbleibt. „Insbesondere die Sonn- undFeiertagsarbeit muss bei uns möglich blei-ben“, blickt Ulrich Probst mit Sorge auf eineerfolgreiche Klage gegen die entsprechendeAusnahme-Genehmigung in der hessischen

Sie begleiten die Bank seit Langem – und kennen das niederländischeOranje daher in allen Varianten. Ulrich Probst und Erhard Pfeiffer sindMitarbeiter der ING DiBa – und wollen sie nun auch mitgestalten. Am 27.April 2016 sind Aufsichtsratswahlen in der Bank – und die beiden Bayernwollen Verantwortung als oberste Aufseher übernehmen. So sehen sienach der Wahl ihren Auftrag: Sich stark machen für eine Mitsprache imSinne ihrer Kolleginnen und Kollegen, wenn der Kurs der Bank gesetzt wird.

Beide sind dabei schon seit einigen Jahren im Betriebsrat aktiv. „DerAufsichtsrat ist nun ein logischer Schritt, um unsere Einflussmöglichkeitenund Vernetzung zu komplettieren“, begründet Ulrich Probst dieKandidatur des Duos. „So können wir auf Augenhöhe mit dem Vorstandim Gespräch sein und die Geschäftspläne während ihres Entstehens ein-sehen und mitgestalten“, sieht der 49-jährige Oberfranke nun einengroßen zeitlichen Vorteil des im Aufsichtsrat möglichen Handelns.

Im Aufsichtsrat der deutschen ING DiBa stellt das Management seineQuartalszahlen, aber auch die langfristigen Absichten vor – betreffendalle drei Standorte: Frankfurt als Hauptsitz, Nürnberg und Hannover.Inzwischen arbeiten fast 4000 Beschäftigte im wachsenden Unter-nehmen – was den Entscheidungen auch der Arbeitnehmer-Vertreter imAufsichtsrat eine immer größere Tragweite gibt. „Die Bank hat eineStrategie, aber die muss in unseren Augen begleitet werden. Das bedeu-tet für uns, die drei Pole Eigentümer, Kunden und Mitarbeiter fort-während auszubalancieren, denn die Ziele sind dort nicht immer diesel-ben“, beschreibt Ulrich Probst seine Erwartung.

Die neue Rolle will er mit hohem Einsatz auch in der Freizeit ausfüllen –um Anregungen von Kollegen zu sammeln und im Aufsichtsrat einzubrin-gen, vor allem aber, um sachgerechte eigene Impulse geben zu können.Und, um im Rahmen des rechtlich Erlaubten – ein Aufsichtsrat hat weit-gehende Verschwiegenheitspflichten – den Mitarbeitern eine Orientie-rung über die Arbeit des Gremiums zu geben.

Ulrich Probst und Erhard Pfeiffer verbinden dabei ihre Überzeugungen –das Vertrauen in die gute Arbeit der viertausend „Klein-Unternehmer“ imUnternehmen ING DiBa, der Glauben an ausgewogene Vereinbarungenmit der Geschäftsführung und das Eintreten für die Gemeinschaft. „Wirsind fraglos unterschiedliche Lebenswege gegangen und sind da imDetail auch zu unterschiedlichen Positionen gekommen. Aber diesejeweils andere Sicht mancher Dinge ist ja auch gut, um sich gedanklichnicht immer wieder im Kreis zu drehen“, sieht Ulrich Probst eine positi-ve Grundlage für ihre Arbeit im Aufsichtsrat.

Er selbst, Jahrgang 1966, stammt aus dem ländlichen Lautertal beiCoburg, wo man sich kennt und vertraut. Mitte der 1990er Jahre steigtder gelernte Offizier in die Vermögensverwaltung ein und betreut eingrößeres lokales Familienportfolio. Er besucht nebenher einige betriebs-wirtschaftliche IHK-Fortbildungen und holt so den Großteil der„Banklehre“ nach. Ende 1999 wechselt er schließlich zum damaligenQuelle-Bank-Nachfolger Entrium Direct Bankers in Nürnberg: „Da hat mirmeine gute Praxis im Wertpapierhandel geholfen“, meint Ulrich Probst.Bis heute ist er telefonischer Kundenbetreuer mit SchwerpunktWertpapier und Steuern. Im Jahr 2003 erfolgt die Übernahme durch dieAmsterdamer ING-Gruppe und von da an wird als DiBa firmiert.

Seit nunmehr 17 Jahren führt er vielfältige Kundenaufträge aus. „DasEntscheidende ist: Wir stellen den Kunden die Informationen zur

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DBVTitelthema

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Ulrich Probst und Erhard Pfeiffer wollen für die Kollegen in der Bank einiges nach vorn bringen. Foto: O. Popp

Gewerbeordnung. Die Bank mit ihremRund-um-die-Uhr-Geschäftsmodell, aberauch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterhaben sich fest auf die Arbeit auch außer-halb von Werktagen eingestellt. Damit ver-bunden sind zum Teil steuerfreie Zuschläge:„Im Durchschnitt machen diese Zusatzver-dienste netto 200 Euro aus, bei etlichenKollegen auch deutlich mehr. Sie rechnenfest damit in ihrer Lebensführung.“ DasDienst-System sei inzwischen auch ordent-lich geregelt und wird fair gehandhabt. Esgebe auskömmliche Freizeit-Ausgleiche, diebeispielsweise gut für Weiterbildung, dieBetreuung Angehöriger oder auch unter-schiedlichste Ehrenämter hergenommenwerden. „Durch die Klage von außen könn-te die Arbeit aber bald bundesweit sehrschematisch auf die Werktage beschränktwerden, was unseren Wünschen nicht ge-recht wird“, sieht Ulrich Probst dann auchdie Gefahr der Auslagerung etlicher Arbeits-plätze ins Ausland, wo weiter sonntags gear-beitet werden darf.

Dies zeigt die Wechselwirkung der nationa-len und europäischen Arbeitsgesetze – aufdie die Arbeitnehmervertreter langfristig nurEinfluss nehmen können, wenn sie ebenfallsübergreifend agieren. Auch deswegen istdie Beteiligung im Aufsichtsrat der ING DiBaein unerlässlicher Teil der Interessenvertre-tung für die Belegschaft in Frankfurt,Nürnberg und Hannover. „Wir sind inzwi-schen gewöhnt an die Einflussnahme derGroup. Es geht dem Arbeitgeber vor allemdarum, wo in Europa am günstigsten pro-duziert werden kann, besonders die IT unddas Back-Office betreffend“, stellt ErhardPfeiffer fest. Der 57-Jährige hat bereits seit1994 Erfahrungen in der Bank in den ver-schiedensten Verantwortlichkeiten sammelnkönnen. Seit 2010 ist er in unterschiedlichenFunk-tionen in der Gremiumsarbeit unter-wegs. 2010 bis 2014 Betriebsratsvorsitzenderam Standort Nürnberg, zudem von 2011 bis2014 als Gesamtbetriebsratsvorsitzenderund seit 2015 stellvertretender Betriebsrats-vorsitzender. „Diesen Weg hatte ich so nieerwartet“, blickt er auf einen langen Weg inder Bankenwelt zurück.

Aufgewachsen an der Donau zwischenRegensburg und Ingolstadt, steigt er nachder Lehre und einem BWL-Studium an derFachhochschule Regensburg mit 26 Jahrenin den Bankensektor ein. Erste Adresse istdie BMW-Bank in München und sein Auf-gabengebiet die Kunden- und Händler-finanzierung von BMW-Fahrzeugen imBundesgebiet. Mit 30 wechselt er in dieFirmenberatung der damaligen CC-Bank inder Oberpfalz und baut eine Vollbank-Filialein Regensburg auf. Er ist seit 1994 alsFührungskraft dann beim Aufbau derQuelle-Bank in Nürnberg dabei, „eine heiße Zeit mit einem kleinen Team im

schwankenden Geschäft der Konsumentenkredite und des Kredit-kartengeschäftes“

Ab 1998 firmiert die Quelle-Bank neu unter Entrium-Direct-Bankers under ist dabei, als die Bank sich 2002 für die Übernahme durch die ING herausputzt. Unter neuen Banknamen bleiben die Kredite sein Metier –in der Prozessbegleitung vom Neugeschäft über die Mahnung bis zumInkasso aller Produkte. Er leitet in Frankfurt von 2006 bis 2008 dasRessort Debitorenmanagement – ein oft schwerer Job angesichts persön-licher Schicksale in der Kundschaft. Seine Neigung, bei sinnvollem Neuen„Ja” zu sagen, bringt ihn schließlich 2010 zum Betriebsrat. „Ja, ich wollteda mitmachen, mal etwas von der anderen Seite bewegen. Und ich kannauch ohne Titel gut arbeiten und habe eben Jahre als Führungskraft ausgesetzt, was mein Chef erstmal überrascht hat“, schmunzelt ErhardPfeiffer über seinen Tapetenwechsel.

Für manche Schubladendenker ist er als früherer Chef und nunBetriebsrat schwer zu fassen. „Das Wichtigste ist, die Emotionen draußenzu lassen. Es ist nicht unredlich, in beide Richtungen einen Draht zuhaben, zu Führungskräften und zu den Kollegen. Das hat bei mir ein starksachliches Vorgehen gefördert, und das konnten dann auch meineVerhandlungspartner akzeptieren.“ Das heißt für ihn im Betriebsrat nun,nicht gleich mit dem Gesetzbuch zu drohen, sondern in echtenVerhandlungen einen Kompromiss mit der Arbeitgeberseite zu suchen.

Ein denkbares Thema im Aufsichtsrat ist für Erhard Pfeiffer die Strategieder Geschäftsführung zur Digitalisierung. Die ist für viele in der Bank nicht recht erkennbar. „Was machen wir mit den Kollegen, die in dieserneuen Welt nicht mehr so schnell mitkommen können oder wollen, undderen alte Tätigkeiten langfristig wegfallen? Darauf brauchen wir eineAntwort. Da müssen wir auch nicht in Ängste ausbrechen, sondern diebetreffenden Mitarbeiter frühzeitig vorbereiten, und ein Budget für individuelle Lösungen schaffen“, registriert er einen wichtigen Punkt auf der Agenda. Beide, der „Senior“ und der „Junior“, sehen genügendDenkanstöße für die To-do-Liste im Aufsichtsrat – aber genauso vieleAnsätze zu Lösungen.

Oliver Popp

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DBV IT / Technik

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Commerzbank: Durch den Code wandern

Lange haben Bastler, Programmierer undSpieler auf diesen Rechner gewartet: 1983kommen die ersten Sinclair ZX Spectrum auf die deutsche Ladentheke – nach demCommodore C64 der meistbenutzteRechner in dieser Zeit. Der kleine Schwarze– im Grunde eine etwas höher bauendeTastatur – hat es auch Carsten Fischer ange-tan. Der damals 14-Jährige leiht sich einGerät aus und beginnt, Zahlen und Befehlezu kleinen Programmen zusammenzu-schreiben. Diese Passion ist der rote Fadenauf dem Lebensweg des inzwischen gestan-denen Technikers in der Commerzbank.

„Seit diesen Tagen habe ich immer ge-wusst, wo ich beruflich hin will“, bekenntder 1969er Jahrgang, der in Warburg(Westfalen) auf dem Land zwischen Kasselund Paderborn aufwächst und dort heutewieder – mit Familie – lebt. Als Juniormacht er noch in der Schule Informatik-kurse in Pascal, schließt sein Abitur ab undwill zum bib in Paderborn, ein privatesBildungszentrum, das auf Informatik-Berufespezialisiert ist. Doch die Kosten sind zuhoch.

Darum bewirbt sich Carsten Fischerzunächst vor dem Wehrdienst pro forma1990 bei verschiedenen Banken – derOnkel arbeitet in der Commerzbank, unddie Eltern wollen auch, dass der Bub eine grundsolide Banklehre macht. Beieinem Rechenzentrum der bayerischenGenossenschaftsbanken in Münchengelingt ihm dann wunschgemäß derEinstieg in die IT. Schnell schafft er hier die Ausbildung zum DV-Kaufmann(Datenverarbeitung) unter anderem zumCobol-Programmierer und wird 1994direkt in die Rechenzentrale übernommen.„Wir waren in der Ausbildung schon meistJungs, aber auch einige Mädels. Die Frauenwaren disziplinierter als wir, haben das teilsals ‚Duales Studium‘ durchgezogen; ande-re sind dann meist in den Vertrieb oder indie Buchhaltung gegangen. Wir Männersind eher direkt in die Programmierung. Ichvermute, wir können uns etwas besserfokussieren, durch den Code wandern,wenn man manchmal bis zwei oder dreiStunden an einer fraglichen Stelle nachdem Fehler suchen muss“, beschreibt ereine wichtige Qualität der Arbeit.

Carsten Fischer ist in München einer der Entwickler der EC-Karten-verwaltung der Geno-Banken – den laufenden Betrieb verbessern, neuausgegebene Karten schneller autorisieren, Folgebestellungen verein-fachen. Der Job ist für ihn gut zu schaffen – aber auf Dauer doch zu weitweg von der Heimat. Deshalb bewirbt er sich 1997 in der Commerzbankund startet dort in der Verwaltung der MFC-Karten. Auf diese Multi-Funktions-Chipkarten können Kunden und Händler digitales Geld laden –und eben das dahinter stehende Buchungssystem hält unter anderem derWarburger am Laufen, zusammen mit vier anderen im Team. „Die Händlerwaren nie das Problem – aber unsere interne Buchhaltung ist uns beiUnstimmigkeiten auf die Füße gestiegen. Wenn zum Beispiel mal 7 Centim System verloren gingen, dann konnte man sich schon mal den Wolfdanach suchen. Für eine exakte Bilanz sind die aber ebenso wichtig wiegroße Beträge“, beschreibt er die schwierigen Fälle. Er sieht sich als eigent-lich ruhigen Menschen – aber mit Druck umgehen fällt auch ihm schwer.„Man entkommt dem Druck aber nur, wenn man die Lösung findet.Darum bin ich nie wirklich verzweifelt, sondern habe mir gesagt: ‚Komm,wir haben es sonst auch immer gepackt, und also werden wir es auch diesmal hinbekommen, wenn wir nur genau genug prüfen‘“, bewiesCarsten Fischer in vielen Fällen Geduld.

Im Jahr 2000 schwillt die IT-Blase immer weiter an, und vieleMitarbeiter/innen auch in der Commerzbank haben das Gefühl, bessermal was Neues in der Technik zu lernen, um für die Bank weiter „aktuell“zu bleiben. So auch der Westfale, der in Frankfurt als „Lead Designer“ eineBanking-Projekt übernimmt – zigtausende Kundendaten aufbereitenund etwa für neue Vertriebskanäle zugänglich machen, für dieBerater/innen in den Filialen die Risiken in diesen Finanzdaten einfacherabschätzbar zu machen. Also ein Wechsel weg von der akribischenBildschirm-Arbeit hin zur Leitung von Kollegen und Budget-Verantwortung.„Ich habe diese Jahre als ‚kontrollierte Offensive‘ gesehen, um mit RudiVöller zu sprechen. Als Projektleiter musst du noch stressresistenter sein

Die Commerzbank setzt ein deutliches Zeichen in der Frankfurter Skyline. Eine gutfunktionierende IT ist die Voraussetzung für Strahlkraft auch in Geschäftsmodell.

Foto: Nikolas17 / Nikolas Scheuer

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DBVIT / Technik

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als ohnehin. Das hieß für mich, fachlich sattelfest zu werden in neuenSystemen wie Java Script oder Visual Basic, zugleich Motor und Mittlerzwischen dem eigenen und anderen Teams zu sein und auch zu denEtagen weiter oben“, beschreibt Carsten Fischer seine Verantwortung bis2008. Und lange fühlt er sich in dieser Struktur gut aufgehoben und erfährtechte Unterstützung von seinen direkten Chefs.

Es ist aber die Zeit, in der die technische Infrastruktur auch in der gelbenBank immer komplexer wird und ein ursprünglich kleiner, gut funktionie-render Kern wie ein Blumenkohl um neue Funktionen wächst – damit aberauch weniger berechenbar, fehleranfälliger wird. Mit Millionenauf-wand treibt die Bank Projekte voran – „SingleSignOn“, „OptimierungKundentypologie“, zu MiFID oder auch „KonzernPerson“ stehen nachein-ander auf Carsten Fischers Auftragsliste, monatelange Projekt-Weiterbildungen mit Abschlüssen (IPMA). „Ich lerne wirklich gern etwasNeues und probiere mich alle paar Jahre an anderer Stelle aus. Doch essoll schon Sinn ergeben“, bemängelt der Projektchef mancheRichtungsänderung der Konzernstrategen, die gerade ab etwa 2006 mitbeinahe permanenten Umstrukturierungen der Bank-IT beginnen, dieeigentlich schon mit den Funktionserweiterungen genug zu tun hat.

Die Projektleiter wie er müssen für immer mehr geradestehen, ohne dasssie selbst mehr disziplinarische Kompetenz erhalten, etwas anzuordnen.Etliche werden befördert, ohne einen Cent mehr Gehalt zu bekommen.„Deswegen, aber vor allem wegen der Familie und unseren drei Kindernhabe ich mich dann 2009 dazu entschlossen, aus der Projektleitung aus-zusteigen und wieder in die Programmierung zu gehen“, begründetCarsten Fischer seinen vorerst letzten großen Wechsel, der mit der IT-Integration der Dresdner Bank-Systeme in die Commerzbank zusam-menfällt.

Der größte Vorteil bis heute: Als Entwickler kann er nun in Tele-Arbeit inWarburg arbeiten, und ist nur Donnerstag und Freitag am festenArbeitsplatz gegenüber der Frankfurter Messe, wo freitags während derJour Fixe alle wesentlichen Dinge im Team ausgetauscht werden. „Es istnicht übertrieben zu sagen: Das gute soziale Miteinander ist in den Teams,

die ich kenne, geblieben. Die meistenChefs sind entgegenkommend, zumBeispiel in Familienangelegenheiten. DasArbeiten in meiner IT-Abteilung ist sehrvielfältig und aktuell auch so kollegial, wieich es davor noch nicht erlebt habe undwie es sicher nicht typisch ist im faktenba-sierten IT-Geschäft“, lobt Carsten Fischerdas Betriebsklima – zu dem er fraglos auchselbst positiv beiträgt.

Organisatorisch ist er nun einemEntwickler-Pool zugeordnet, aus dem sichdie Fachabteilungen der Bank überProjekte für ihre Erfordernisse bedienen.Das heißt, dass der 46-Jährige und seineKollegen einen Terabyte großen Daten-Pool betreiben und diesen je nach Auftragdurchforsten – neudeutsch auch Big Data,Data Warehouse oder Data Mininggenannt. Die Arbeit erinnert an Gold-schürfen und die Kollegen um CarstenFischer durchsuchen also die Daten derBank für das Risiko-Management, dass wirnach den eigenen Auflagen und denVorschriften der externen Bankaufsehererfüllen müssen. Carsten Fischer machthier die Daten durchschaubar, welcheRisiken die Kunden eingegangen sind undwelche Risiken dann aufsummiert auf dieBank zukommen. Diese RMDB (RiskManagement DataBase) stellt den kon-zernweiten Datenhaushalt für die Risiko-steuerung bereit. Über die RMDB werdendie ökonomisch und regulatorisch risikore-levanten Rechenkerne angesteuert und dieErgebnisse der Rechenkerne verarbeitet,Risikosysteme mit Daten versorgt undAuswertungsbestände für ad-hoc-Analysenbereitgestellt.

Doch ein typischer Tag umfasst noch mehrAufgaben. Er beginnt 6:45 Uhr mit demlängeren Hochfahren des heimischen PC,und dem Routine-mäßigen Prüfen voneventuellen Fehlern und Abbrüchen in derProduktion. Dann eine Kaffeepause, dasArbeiten an der alle zwei Monate nötigengrößeren Produkt-Aktualisierung (Release-Wechsel) oder auch das Vorbereiten vonTests für neue Programme, ob sie auch stabil und wie gewünscht laufen.Anschließend Mittagessen mit der Familie,nachmittags zum Beispiel Beantwortenvon Anfragen mittels Telefon, Outlook undChat zu Neuerungen und Engpässen inProduktionsabläufen der Bank. „Ich emp-finde das als wirklich erfüllend, denn es istkeine Fließband-Arbeit, obwohl dasanderswo schon seit Jahren so angekün-digt wird. Stattdessen eine agile Ent-

Carsten Fischer ist Fachmann im technischen Risiko-Management. Foto: O. Popp

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DBV IT / Technik / Arbeitsrecht

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Digitalisierung: Aus der Bedrohung ein Werkzeug machen

wicklungs- und Reparaturtätigkeit mit wenig bürokrati-schen Regeln von weiter oben und mit einem je nachBedarf kurzfristig wechselnden Team, das das aufgetreteneProblem schnell operativ löst.“

Der Wechsel ist insofern eine Konstante in der Karriere vonCarsten Fischer. „Der Vorteil in einem Großunternehmenist eben, dass ich es nicht verlassen muss, um etwas ganzAnderes zu machen. Und wenn man sich umschaut undanbietet, bekommt man auch sehr bald die Chance dafür“,sieht der dreifache Familienvater seine Zukunft weiter in seinem Mikrokosmos des Data Warehouse derCommerzbank-IT.

Den Makrokosmos der Technik der Bank sieht allerdingsnicht nur er skeptisch. Viele Systeme sind zunehmendkomplex, laufen mit hohem Aufwand und dennoch einertendenziell sinkenden Zahl von Mitarbeitern. Es ist einefalsch verstandene Loyalität, wenn sich die Kollegen immerweiter mit nicht leistungsanerkennenden Bezahlung undArbeitsbedingungen begnügen. „Wir sollten uns nicht sowiderspruchslos abspeisen lassen“, verweist CarstenFischer etwa auf Vorgesetzte, die hart arbeitendenMitarbeitern auch nach Jahren kleinste Gehalts-steigerungen verweigern (müssen?), so dass diese sich„mehr Netto“ mit dem Umzug in kleinere Wohnungenerkaufen.

Auch der Bonus ist kein Quell der Freude: Bis 2003 bedeutete er für Tarifangestellte recht konstant ein 14.Monatsgehalt, dann wurde er in eine Variable umgewan-delt und erlaubt nun im Ergebnis der jüngstenBetriebsvereinbarung der Bank, bei einem Null-Konzernergebnis auch den individuellen Bonus auf null zusenken. Fragen löst auch das fixe Ziel des Vorstandes aus,die IT-Kostenquote bis 2020 auf 60 Prozent des Ertrages zu senken, die derzeit noch 72 Prozent ausmacht. „Dashilft uns als Selbstzweck doch überhaupt nicht und isthöchstens unter größten Schmerzen zu erreichen. Wollenwir das wirklich?“, sieht er es als völlig legitim an, wenn die Beschäftigten der Bank ihre Ansprüche im Kleinen wieim Großen konsequenter nach außen tragen.

Weniger Formalismen und mehr Vertrauen in derZusammenarbeit zählen in seinen Augen unbedingt dazu– genau wie eine höhere Wertschätzung speziell in Formeiner stärkeren direkten finanziellen Beteiligung derBelegschaft am Unternehmenserfolg. „Weil ihre Produktenicht (körperlich) greifbar sind, sehe ich kaum eineBranche, die stärker als die Banken abhängig ist von einerfunktionierenden IT“, woraus Carsten Fischer eine starkeAusgangsbasis der Techniker in den Verhandlungen um dieZukunft der Beschäftigten in der Commerzbank ableitet.

Oliver Popp

und Gestaltungsrechte zur Verfügung. Aberdie Umsetzung in der Praxis ist oft schwer,und wir sind alle in einem Lernprozess“, weißer um die Anstrengungen, die vor denBetrieben liegen.

Immer mehr Unternehmen richten interne„Social Business-Plattform“ ein, die ähnlichwie etwa bei Facebook neue Kooperations-formen ermöglichen, wie etwa die gleichzei-tige Bearbeitung von Dokumenten oderspontane Chats zwischen Kollegen. Ähnlichder E-Mail-Nutzung wird hier eine neueArbeitskultur entstehen – mit guten undschlechten Folgen. „Welche Kontrolle solldabei zum Beispiel erlaubt sein – soll derChef dabei stets zugucken?“, fragt Prof.Wedde aus Arbeitnehmersicht. Wenn Vor-gesetzte auf der Basis von Zielvereinbarun-gen nur noch das Endergebnis abnehmen,brauchen sie den Prozess dahin nicht zuüberwachen, wenn sie die Selbstständigkeitihrer Mitarbeiter ernst nehmen. „Eine guteLösung wäre dann, dass Arbeitgeber undArbeitnehmer gemeinsam realistische Ziele

Betriebsräte sind an vielen Stellen gefordert, die Rechte der Beschäftigten zuwahren. Die Arbeitgeber auch in der Finanzbranche digitalisieren ihreUnternehmen mit neuen Systemen und Arbeitsweisen – dadurch entstehteine Zahl neuartiger Arbeitsplätze, per Saldo werden aber schon heuteabsehbar mehr (klassische) Stellen gestrichen. Weniger offensichtlich öffnetdie Technisierung auch ein neues Einfallstor für andere Benachteiligungender Interessen der Arbeitnehmerseite. Doch können Betriebsräte lernen, wiesie mit dieser Entwicklung Schritt halten können.

Im Grunde ist Digitalisierung im Finanzsektor nicht neu – die SB-Zonengibt es bereits seit 30 und das Online-Banking seit etwa 15 Jahren. Es istvielmehr die zweite große Welle der Entwicklung, die nun für großeHoffnungen einerseits und große Befürchtungen andererseits sorgt. DieKommunikation und einfache Geschäftsprozesse mit Kunden laufen ver-mehrt über soziale Medien wie Facebook und Twitter, virtuelle Robo-Advisor geben Anlage-Empfehlungen, mittels Big Data werten Geldhäuserdie Datenspur des Verhalten ihrer Kunden aus, um neues Geschäft zugenerieren. Prof. Dr. Peter Wedde beobachtet diese Technisierung seit 30Jahren – als gelernter Jurist, als Professor für Arbeitsrecht und Recht in derInformationsgesellschaft im Fachbereich Informatik und Ingenieur-wissenschaften der Frankfurt University of Applied Sciences sowie als wissenschaftlicher Leiter eines Forschungsinstituts, dass sich auch mitTechnikfolgeabschätzung befasst. „Die Grundfesten des deutschenArbeitsrechts stellen den Betriebsräten nach wie vor wirksame Abwehr-

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DBVArbeitsrecht

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Prof. Dr. Peter Wedde. Foto: privat

vereinbaren sowie wirklich autonomeProzesse, die ohne ‚Zwischenchefs‘ funktio-nieren. Stattdessen gibt es oft nur einescheinbare Eigenverantwortlichkeit, die sichauf variable Arbeitszeiten oder Bonussystemegeschränkt.“ Von heute aus gesehen wirktdas auf viele wie eine Traumwelt – aber lang-fristig denkende Unternehmen sollten indiese Richtung handeln.

Der Kampf um Arbeitnehmer-Rechte beginntoft mit der Art des Umgangs mit persönli-chen Daten. Mitarbeitern wird nicht immervermittelt, eigene oder anvertraute Daten injeder Hinsicht streng zu schützen. Oder siemachen durch steigendes Arbeitspensum,sich wiederholende Routinen und mangeln-de Rechtskenntnisse in der Arbeit mitKundendaten Fehler. „Wer ist zum Beispielhaftbar, wenn auf Twitter ein Geschäft ausKundensicht falsch angebahnt und später vonihm angefochten wird? Die Bank wappnetsich – und dann ist es eine Frage der Aus-le-gung der bestehenden Regeln und desWillens, ob sich das Haus auch vor diebetreffenden Mitarbeiter stellt“, sieht derForscher einen großen Graubereich.

Die Einhaltung von Regeln, die sogenannteCompliance, müssen die Finanzinstitutegegenüber den Aufsehern der BaFin & Co.inzwischen streng beachten, da Verstößehohe Strafen und Imageschäden nach sichziehen können. Den Schutz ihrer Mitarbeiterund die Absicherung, dass sie sich regeltreuverhalten und sicher arbeiten können, sehenviele Arbeitgeber dagegen, ebenso wie die Einhaltung von Datenschutzvorgaben,manchmal als „weiche“, verhandelbare Vor-gabe oder gar als Hemmschuh. „KooperativeGeschäftsführungen lassen Betriebsräte mit-reden beim Datenschutz. Andere verweigerndas unter dem Verweis, dass BR hier keinMitbestimmungsrecht haben, was zunächstmal stimmt. Doch bei den technischenEinrichtungen für Leistungs- und Verhaltens-kontrolle, die ja im Zuge der Digitalisierungauch immer mehr anwachsen, haben Be-triebsräte eines der stärksten Mitbestim-mungsrechte überhaupt“, sagt Prof. PeterWedde unter Hinweis auf § 87 Absatz 1, Nr. 6des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG, derBetriebsräten bei der Einführung und Anwen-dung technischer Einrichtungen ein wirk-sames Beteiligungsrecht zuweist.

So informierte ein Unternehmen nun, weni-ge Tage vor Ende März 2016, den Betriebsrat,am 1. April (!) eine neue Personalinforma-tions-Software einführen zu wollen – die BR-Beteiligung könne ja nachgeholt werden.Und es ist so, dass buchstäblich jedeSoftware schon aufgrund protokollierterLogin-Daten ein Kontrollpotenzial hat. „JederBR könnte eine einseitige Einführung vonmitbestimmungspflichtiger Software pereinstweilige Verfügung bei Gericht wirksamstoppen und so eine Vereinbarung erzwin-gen. Das ist das Herz der Mitbestimmung,und auf dieser Klaviatur sollten Betriebsrätelernen zu spielen.“

Am besten fahren die Betriebsräte, die sich aktiv mit ihren Rechtenbeschäftigen, die die Folgen einer Entwicklung oder einer Entscheidungdes Arbeitgebers versuchen abzuschätzen oder etwa per Gutachterabschätzen zu lassen. „Die Digitalisierung im Betrieb ist zugegeben sehrkomplex. Es gibt zum Beispiel nicht die ideale EDV-Rahmen-Betriebs-vereinbarung. Wenn es zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung einegute Vertrauensbasis gibt, können sich BR mal auf eine Pilotregelung zurDigitalisierung einlassen und auf Basis der hierbei gewonnenenErkenntnisse anschließend eine Betriebsvereinbarung abschließen. Wennes ein vertrauensvolles Miteinander nicht gibt, dann sollten Betriebsrätedavon freilich die Finger lassen und vorab auf dem Abschluss einer umfas-senden Regelung bestehen“, stellt Peter Wedde klar.

Betriebsräte können die Digitalisierung auch für sich nutzen. Sie könnensich in Internet-Foren schnell Fachlösungen für drängende Probleme fin-den. Sie können ein kostengünstiges und aktuelles ePaper als Mitarbeiter-Info mailen, statt teurer und langsam auf Papier. Und nicht zuletzt könnensie sich ausbedingen, die technischen Erfassungssysteme ihres Arbeit-gebers selbst zu nutzen, um etwa Überstunden-Massierungen statistischzu erfassen und Einspruch zu erheben, wenn viele Beschäftigte einesBereiches noch zwischen 20 und 22 Uhr eingeloggt sind. Die Frage ist auchhier wiederum, ob genug Vertrauen vorhanden ist, damit die vomArbeitgeber bezahlten Netzwerk-Administratoren dem BR einen echtenZugang schaffen – das kann in der Praxis auch das BetrVG kaum er-zwingen.

Die bewährte Stärke bleibt insofern modern: Selbstbewusste Betriebs-räte und Gewerkschaften arbeiten gut zusammen und sind tief in der Belegschaft verwurzelt – dann können die Arbeitnehmer mit derDigitalisierung mithalten. Dies besonders angesichts der neuen euro-päischen Datenschutz-Grundverordnung, die noch im April 2016 imEuropäischen Parlament verabschiedet werden und nach nationalenUmsetzungen ab Sommer 2018 in ganz Europa Gesetz sein wird. In eini-gen Punkten wird der deutsche Standard des Datenschutzes erhalten, inentscheidenden Punkten aber verwässert. Demnach dürfen einzelneArbeitnehmer der weitergehenden Erfassung ihrer Daten doch zustimmen,genauso, wie durch eine Betriebsvereinbarung vom Datenschutzstandardnach unten abgewichen werden kann – beides ist als Folge von individu-ellem und kollektivem Druck des Arbeitgebers denkbar. „Ich sehe imEuropäischen Parlament derzeit keine breite Unterstützung der spezifi-schen Interessen von Arbeitnehmer. Dies mag daran liegen, dass es imEuropäischen Parlament seit Längerem eine konservative Mehrheit gibt,die sich vorrangig den Interessen der Wirtschaft verpflichtet fühlt“, unter-streicht Prof. Wedde.

Oliver Popp

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DBV Bankberuf

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Wolfgang Ermann. Fotos: O. Popp

Filialbanken: „Meinen Beruf gibt es in dieser Formnicht mehr“

Früher kamen viele Kunden einmal pro Woche in dieFiliale – heute manchmal nur noch einmal im Jahr. Dazukommen die steigende Regulierung und die niedrigenZinsen, die den Aufwand steigern und die Erträgeschmälern. Zum einen ändert das die Arbeitsweisen inder Finanzwelt. Onlinebanken bieten ihre Dienste inzwi-schen rund um die Uhr an und ziehen so Kunden an.Darauf müssen die Filialbanken reagieren, viele weitenihre Angebote in und außerhalb ihrer Zweigstellen aus.Zum anderen wirkt sich das auch auf den Ausbildungs-beruf „Bankkauffrau/-mann“ aus. Der wird immer stärkerauf den Vertrieb zugeschnitten, und die Neueinsteigersind dort immer früher angehalten, sich auf einenbestimmten Geschäftsbereich bzw. eine Anlageform zuspezialisieren. Wolfgang Ermann, Vorsitzender des DBV-Regionalverbandes Süd und gelernter Filialbanker, beob-achtet die Entwicklung seit über 30 Jahren – mit gemisch-ten Gefühlen.

Den Beruf, den ich gelernt habe, gibt es in dieser Formnicht mehr. Wer zu meiner Zeit Bankkaufmann lernte,der verstand sich im besten Fall als lebenslangerBegleiter seiner Kunden, vom ersten Sparkonto über dieBaufinanzierung bis hin zur Altersvorsorge. Mag sein,dass die Leute das heutzutage überhaupt nicht mehr

wünschen. Aber davon abgesehen: Es wäre auch garnicht mehr möglich! Die Regulierer haben die ganzheit-liche Beratung faktisch abgeschafft – weil Generalistenheute nicht mehr in der Lage sind, das von denAufsehern geforderte Spezialwissen aller Teilbereichebei sich zu bündeln.

Doch der Reihe nach: Ich betreue seit mehr als 10Jahren Kolleginnen und Kollegen im Bankgeschäft alsBetriebsrat, und kenne dieses selbst aus meiner eigenenZeit als gelernter Bankkaufmann und Kundenberater seit 1985. Der Strukturwandel in unserer Branche kam zunächst schleichend, zum Beispiel mit derAutomatisierung der Filialen / mit den SB-Zonen undspäter mit dem Onlinebanking. Richtig heftig wurde esaber erst in jüngsten Jahren – und zwar aus dreiGründen: Erstens hat sich das Verbraucherverhalten radi-kal verändert. Früher erledigten die Kunden selbstver-ständlich ihre Bankgeschäfte in direkter Absprache undkamen entsprechend oft in die Filiale – heute tretenimmer mehr andere, technikgestützte Zugangswege andiese Stelle. Der zweite Faktor ist, wie schon angedeu-tet, der Regulierungswahn. Wer heutzutage im Kunden-geschäft arbeiten will, den zwingen die vielen neuenAuflagen alle zwei Monate zu irgendeiner Schulung. Derdritte Grund sind die niedrigen Zinsen. Sie verändernalles. Denn weil die Banken mit ihren Einlagen undKrediten immer weniger verdienen, steigt die Notwen-digkeit für die Branche und letztlich für die Berater, dieErträge im Provisionsgeschäft weiter auszubauen.Lebensversicherungen und Bausparverträge stehendabei im Fokus. Das liegt nicht jedem.

Gerade viele altverdiente Kollegen haben darum dieLust verloren. Manche versuchen nur noch irgendwierauszukommen – zum Beispiel über den vorzeitigenRuhestand. Jüngere Kollegen fürchten unterdessen, dasssie in der Filiale, in der sie ausgebildet wurden, womög-lich keine Zukunft mehr haben. Wer flexibel ist, der siehtzu, dass er der Spezialisierung in der Filialbank folgtoder auch in einem telefonischenKundenberatungszentrum unterkommt. Manche vonden Jungen wechseln aber auch einfach die Branche.

Früher war Banker ein „9-to-5“-Job, sehr gut mit derFamilie vereinbar. Auch das hat sich für viele Kollegengeändert. Ein Beispiel: Bekannte deutsche Online-banken unterhalten große Call-Center. Da wird rund um die Uhr gearbeitet, in einem fließenden Schicht-Rhythmus, an sieben Tagen die Woche. Der moderneVerbraucher wünscht das so. Aus „9-to-5“ ist „24/7“geworden. Die IT-ler dieser Banken können übrigensWochen voraus genau abschätzen, zu welchen Zeitenwie viele Kunden anrufen. Entsprechend werden dieSchichten bestückt. Dass da mal ein Kollege fünfMinuten durchschnaufen kann, weil gerade niemand in der Leitung ist – eine Seltenheit.

Im Moment wird auf Bundesebene diskutiert, ob es mitder Öffnungsklausel der Gewerbeverordnung überhauptvereinbar ist, dass Bankgeschäfte zum Grundbedürfnisder Deutschen gehören, welche auch sonntags bereit-gestellt werden dürfen. Nur: Wenn das zukünftig verbo-ten würde, dann verlegen Banken Ihre Call-Center in das

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DBVBankberuf

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Perspektive: Wolfgang Ermann betreut Bankbetriebe von Nürnberg aus.

Ausland. Deshalb denke selbst ich als langjährigerGewerkschafter inzwischen: Auf Basis fairer Tarifverträgeund Betriebsvereinbarungen wird man in Deutschlandimmer ausreichend Bankkaufleute finden, welche zuRandzeiten und an Wochenenden arbeiten wollen, vorallem wegen der -teilweise auch steuerfreien-Zuschläge.

Was man bei allem Wehklagen aber auch sagen muss:Die meisten Filialbanken haben ihre Personalplanungrechtzeitig an den sinkenden Bedarf angepasst. Dass esin der Branche mal zu einer regelrechten Entlassungs-welle kommt, kann ich mir darum nicht vorstellen. Unddadurch, dass viele ältere Kollegen wie beschrieben,vorzeitig ausscheiden, tun sich auch immer wiederattraktive Lücken für die nachrückende Generation auf.Als Bankkaufmann kann man also durchaus nochKarriere machen – auch wenn der Beruf nicht mehr derselbe ist wie früher.

Wolfgang Ermann

technischen Reserven. Ganz im Gegenteil begann schonbald die anfangs 1200 Köpfe zählende Belegschaft durchVerfügungen aus Frankfurt zu schrumpfen, und das BerlinerManagement musste ebenso wie die Belegschaft um jedessinnvolle neue technische System, sogar jeden Berater-Tisch und selbst jede Beratungsunterlage im typischenBerliner Bank-Gelb bei den neuen Herren nachbetteln.Dieses Gefühl, „vergessen“ zu werden, zieht sich bis heutedurch.

Mit ihrer weiterhin guten Leistung konnten die Berliner denschleichenden Verfall nie wirklich selbsttätig aufhalten. DieEntscheidungen fielen stets woanders und wurden auchnur selten vorab mit dem Betroffenen abgestimmt.Deswegen fehlt nun auch der Glaube, dass nach demWegfall der Marke der Wechsel der BB-Mitarbeiter inandere Konzern-Einheiten gleichberechtigt läuft, wenn eszu einer 1:1-Entscheidung zwischen ihnen und den ange-stammten Deutsche Bank-Kollegen in Berlin kommt. „Wirhaben nur die Gewissheit, dass wir uns am besten selbsthelfen können und müssen“, sieht ein Mitarbeiter die Kraftdes Zusammenhalts, die ihnen in der Bank schon öfter half.

Oliver Popp

Eine traditionsreiche Marke unter den deutschen Banken soll bis Ende 2017 von der Bildfläche verschwinden – dieBerliner Bank. Dieser Fakt ist bereits seit November imGrundsatz bekannt, und nur das Ende eines Jahre währendschmerzlichen Abbau-Prozesses innerhalb des DeutscheBank-Konzerns. Die noch 450 Mitarbeiterinnen undMitarbeiter in den 37 Standorten haben gehört, dass sie inder Deutschen Bank aufgehen. Mehr wissen sie bisher nicht,und alles bleibt vage. Im Zuge der Strategie 2020 schwebensie wie alle anderen Konzern-Beschäftigten deshalb zusätz-lich in Unsicherheit.

Das innerliche Grübeln beherrscht die meisten Kollegen.„Wir wissen manchmal gar nicht mehr, was der Tag unsbringt. Wir sind wir personell so dünn besetzt wie noch nie,schaffen es aber immer irgendwie, für unsere Kunden da zusein. Von denen kommen einige schon seit Jahrzehnten zuuns. Weil wir eine ehrliche Ansprache haben, weil wir dashalten, was wir versprechen“, meint eine langjährigeMitarbeiterin. Eine solche langfristige Ansprache von derBank vermisst nicht nur sie. „Es ist einfach demotivierend,und dann bringt man eben weniger Umsatz als vorher. DerDruck der kurzfristigen Ziele bleibt aber. Da ist es schwer,abends überhaupt Schlaf zu finden“, beurteilt sie dasErgebnis einer längeren Entwicklung.

2006 hatte die „blaue“ Deutsche Bank die „gelbe“ BerlinerBank (BB) aus der in schwere Schieflage geratenen und not-geretteten früheren Berliner Bankgesellschaft herausge-kauft. Schon damals war für die Berliner allerdings keinevernünftige Strategie der Deutschen Bank erkennbar. „Manhatte das Gefühl, dass wir als günstige Gelegenheit wegenunseres soliden Kundenstamms gekauft wurden, aber auchals Testfeld für neue Produkte, bevor sie im Konzern einge-führt werden“, sagt ein anderer Mitarbeiter. Doch bekamdie „BB“ dafür kaum jemals die nötigen personellen und Die Berliner Bank geht in der Deutschen Bank auf.

Berliner Bank: Schlaflose Nächte

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DBV Rat und Tat

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Deutsche Bank: Fragen und Antworten zur Strategie 2020!Die neue Strategie der Deutschen Bank wird im April ein Jahr alt – mög-licherweise betroffenen Mitarbeitern stellen sich nach wie vor vieleFragen. Wir versuchen, hier einige der häufigsten, die derzeit an uns her-angetragen werden, zu beantworten.

Mein direkter Vorgesetzter hat durchblicken lassen, ich sei vomStellenabbau betroffen, und sollte mich doch am Besten schon malauf offene Stellen bewerben!

Ihr Vorgesetzter scheint mehr zu wissen, fragen Sie ihn am bestengleich nach den Lottozahlen vom nächsten Wochenende! Aber imErnst: Derzeit weiß Ihr Vorgesetzter nur, wie groß die Organisations-einheit, die er derzeit leitet, nach Umsetzung der Struktur nachVorstellung der Bank sein soll. Ob das tatsächlich so kommt, istGegenstand der Verhandlungen mit den Betriebsräten. Erfahrungs-gemäß werden im Zuge solcher Interessenausgleichsverhandlungennoch eine Vielzahl von Veränderungen an den ursprünglichen Plänenvorgenommen. Selbst die Frage, ob Ihr heutiger Vorgesetzter tatsäch-lich auch in Zukunft noch für die Einheit zuständig sein wird, ist in vie-len Fällen noch nicht final geklärt.

Wie sieht denn ein realistischer Zeitplan für den Prozess aus?

Das hängt von vielen Faktoren ab. Neben dem Verhandlungsverlauf istauch der Bereich, in dem Sie beschäftigt sind, maßgeblich, da dieBetriebsräte gar nicht alle Themengebiete gleichzeitig verhandeln kön-nen. Für PBC ist vor Ende des 2. Quartals nicht mit einem Abschlussder Verhandlungen zu rechnen. Es würde uns zumindest nicht wun-dern, wenn sich diese auch noch in das 3.Quartal hineinziehen könn-ten. Erst nach dem Abschluss eines Interessenausgleichs kann derStellenbesetzungsprozess starten.

Soll ich mich denn jetzt schon auf offene Stellen bewerben?

Das hängt natürlich davon ab, wie sehr sie an der möglichen Stelleinteressiert sind. Reine Panik oder „Sprüche“ Ihres Vorgesetzten sindein schlechter Ratgeber. Entscheiden Sie ausschließlich danach, in wieweit die neue Stelle zu Ihren Wünschen und Zielen passt. Auch immöglichen neuen Bereich ist ein Stellenbesetzungsverfahren zumin-dest wahrscheinlich. Es spricht aber vieles dafür, dass derzeit ausge-schriebene Stellen dauerhaft erhalten bleiben, und ein an Ihnen inter-essierter neuer Vorgesetzter auch beim Stellenbesetzungsverfahren anIhnen festhalten dürfte. In jedem Fall aber lohnt sich bei einemVorstellungsgespräch die Frage, ob und wie stark die neue Abteilungbetroffen ist.

Wie sieht das Stellenbesetzungsverfahren eigentlich aus?

So ganz genau kann man das noch nicht sagen, da die Verhandlungenwie gesagt derzeit noch andauern. Es spricht aber vieles dafür, dasssich in den betroffenen Bereichen alle Mitarbeiter – etwa durchAusfüllen eines Bewerbungsbogens – auf die verbleibenden Stellenbewerben müssen, auch wenn der bisherige Arbeitsplatz erhaltenbleibt. Die Details werden aber sicher nach Abschluss durch dieBetriebsräte und die Bank kommuniziert – insofern keine Angst, dassSie was verpassen!

Kann ich in einer solchen Phase überhaupt in Urlaub gehen?

Sie wären überrascht, wie viele Mitarbeiter der Bank nicht nur für zwei bis drei Wochen, sondern im Zuge von z.B. Krankheit,Erziehungsurlaub, Abordnungen, unbezahltem Urlaubs/Sabbaticalsund vielen anderen Gründen auch für etliche Wochen oder garMonate nicht im Hause sind. Alle diese Kollegen müssen für einStellenbesetzungsverfahren mitgenommen werden. Außerdem gibt es

im Rahmensozialplan, der gerade erst verlängert wurde, eine vier-wöchige Entscheidungsfrist, die einzuhalten ist. Uns ist aus derVergangenheit kein einziger Fall bekannt, dass in ähnlichen Situationen(die ja unter dem gleichen Regelwerk abgewickelt wurden) auch nurein Mitarbeiter wegen Urlaubs nicht berücksichtigt wurde. Unser Rat:Gehen Sie in Urlaub, wie das geplant war, und versuchen Sie in derZeit möglichst wenig über das Thema Veränderungen nachzudenken.Nach Ihrer Rückkehr ist erfahrungsgemäß noch Zeit genug dafür.

Muss ich mich denn überhaupt bewerben?

Das hängt nicht zuletzt von Ihren persönlichen Zielen und Plänen ab.Wenn Sie Ihren Arbeitsplatz erhalten wollen, empfehlen wir dringenddie Mitwirkung am Verfahren. Die Bewerbung dokumentiert IhreEntschlossenheit, Mitarbeiter der Bank zu bleiben. Sie sollten in die-sem Fall auch in Gesprächen mit Vorgesetzten und Personalabteilungniemals schwanken, oder gar andeuten, dass Sie für Abfindungenansprechbar wären. „Wackelkandidaten“ zu bearbeiten, ist eine Spe-zialität jedes Personalers. Auch Ihr Vorgesetzter, der ja ebenfalls dasZiel verordnet bekam, die Einheit zu verkleinern, wird sehr genau hinhören, wenn Sie laut über Aufhebungssummen nachdenken. Vordiesem Hintergrund ist die Beteiligung am Stellenbesetzungsverfahrenein wichtiger Schritt zum Arbeitsplatzerhalt.

Ich bin an einer Altersregelung interessiert. Sollte ich mich jetztschon dazu äußern?

Sollten Sie an einer Altersregelung ernsthaft interessiert sein, sprichtvieles dafür, schon jetzt beim Vorgesetzten den Hut in den Ring zuwerfen. Die Konditionen für Vorruhestand und Altersteilzeit stehenbereits fest. Sollten Ihnen die Details nicht geläufig sein, empfehlen wirein Gespräch mit Ihrem zuständigen Betriebsrat. Dazu gilt in derDeutschen Bank das Prinzip der doppelten Freiwilligkeit: Das heißt, Siekönnen zu einem entsprechenden Angebot nein sagen, die Bank istaber andererseits nicht dazu verpflichtet, eines zu geben. Sich frühzei-tig zu äußern, erhöht die Chancen, auch zum Zuge zu kommen.

Ein Warnung sei an dieser Stelle aber auch gegeben: Unsere Antwortauf die Frage beginnt nicht ohne Grund mit dem Hinweis: „Sollten Siean einer Altersregelung ernsthaft interessiert sein…“. Wir haben es inder Vergangenheit immer wieder erlebt, dass sich Kollegen lockernach Altersregelungen erkundigt haben, eher um das Thema zu ver-stehen, als aus ernsthaftem Interesse. Die Folge war fast immer, dasssich Personalmitarbeiter dann auf die Kollegen gestürzt haben, umeinen „Abschluss“ zu erzielen. Unterschätzen Sie nicht die Professio-nalität Ihrer Personalabteilung!

Wenn der Preis stimmt, würde ich auch einen Aufhebungsvertragunterschreiben! Was tun?

Sprechen Sie mit Ihrem Betriebsrat, bevor Sie an den Vorgesetztenoder die Personalabteilung einen Hinweis geben. Ihr Betriebsrat kenntden aktuellen Sozialplan, und kann Ihnen eine Indikation geben, wiehoch eine Abfindung mindestens sein muss. In manchen Fällen ist einAufschlag auf den Sozialplan möglich, etwa bei besonderen sozialenHärten oder einer Schwerstbehinderung. Wir befürchten aber, dassangesichts der aktuellen Lage der Bank die Bäume nicht mehr ganz sohoch in den Himmel wachsen, wie dies in der Vergangenheit der Fallwar. Ihr örtlicher Betriebsrat sollte aber eine sinnvolle Einschätzunggeben.

Ansonsten empfehlen wir, VOR UNTERSCHRIFT des Aufhebungs-vertrages mit dem Entwurf zum zuständigen Arbeitsamt zu gehen, undsich eine Auskunft einzuholen, was diese Unterschrift für IhrenAnspruch auf Arbeitslosengeld bedeuten würde. Die regionalenArbeitsämter gehen in der Praxis oft sehr unterschiedlich mit diesenSachverhalten um. Daher ist vor Aussagen von „fachkundigen“

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DBVRat und Tat

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Stephan Szukalski. Foto: privat

Kollegen in der gleichen Lage wie Ihrer Vorsichtgeboten. Was bei deren Arbeitsamt gilt, muss beiIhrem noch lange nicht gelten. Zu weiteren sozialver-sicherungsrechtlichen Themen, z.B. die Auswirkun-gen einer Sperre durch das Arbeitsamt auf IhreKrankenversicherung, sowie allgemeine Fragen derVertragsgestaltung können DBV-Mitglieder auchgerne eine Rechtsberatung durch den DBV (kosten-los) in Anspruch nehmen. Sprechen Sie unsereRechtsstelle telefonisch oder per Mail dazu an!

Unterschreiben Sie jedenfalls nichts, dessen Auswir-kungen Sie nicht verstehen. Bei Aufhebungsverträgengilt fast immer: Unterschrieben ist unterschrieben,und nachträgliche Änderungen sind fast immerunmöglich. Besonders perfide sind nach unsererAnsicht die Anlagen zum Aufhebungsvertrag, mitdenen Sie bestätigen, dass Sie auf sozialversiche-rungsrechtliche Belange hingewiesen wurden.Konkret besteht die „Beratung“ der Bank in der Regelausschließlich darin, dass Sie sich kundig machen sol-len. Tun Sie das auch – bevor Sie unterschreiben!Risiken und Nebenwirkungen gehen nämlich aussch-ließlich zu Ihren Lasten, und einige Monate ohneArbeitslosengeld, oder ohne Krankenversicherung,können sehr unangenehm werden!

Wenn ich beim Stellenbesetzungsverfahren durchsRaster falle: Kann ich gekündigt werden?

Für DBV-Mitglieder sind Kündigungen bis Juli 2017tariflich ausgeschlossen, sofern Sie in den ehemaligenPlattformeinheiten beschäftigt werden (also KSG, DBDirekt, KEBA). Für andere Bereiche der Bank gilt die-ser tarifliche Kündigungsschutz nicht. Allerdings hatder Konzernbetriebsrat administrative Hürden in denRahmeninteressenausgleich eingebaut, die Kündi-gungen sehr erschweren. Außerdem sieht das deut-sche Arbeitsrecht eine Sozialauswahl vor, die demArbeitgeber weitere erhebliche Hürden auferlegt. DieDeutsche Bank hat kaum Erfahrung mit Sozialaus-wahl, und darf nicht auf Mithilfe der Betriebsräte,etwa durch einen Punktekatalog hoffen, die betriebs-bedingte Kündigungen rechtssicher machen würden.Insofern glauben wir nicht daran, dass es tatsächlichdazu kommt, bzw. dass im Falle einer Kündigungdiese vor dem Arbeitsgericht Bestand hätte. Zur

Wahrheit gehört aber auch, dass die Bank Kündigungen nicht ausschließt, und eine endgültige Garantie niemand geben kann.

Wie gehe ich mit dem Stress und der Angst in dieser unsicheren Zeit um?

Nichts von dem, das gerade in der Bank passiert, hat mit Ihnen als Mensch oder Personzu tun. Ihre Arbeitsleistung, Ihre Ziele und Erfolge – oder auch Misserfolge, sind nichtdie Ursache für die neue Struktur. Die Bank verändert sich wieder einmal – wenn wirehrlich sind, hat sie das in den letzten Jahren ständig getan. Nur, weil jetzt gerade stän-dig in der Zeitung darüber zu lesen ist, hat sich an der Langzeit-Situation noch nichtsgeändert. Bislang sind Sie damit klar gekommen, lassen Sie sich auch jetzt nicht davonverrückt machen. Es hilft, sich vor allem mit den Situationen zu beschäftigen, die sichtatsächlich stellen, und nicht mit denen, die sich vielleicht stellen könnten. Sicher ist:Die Journalisten, die jede Woche Zeilen über die Deutsche Bank füllen müssen, wissenauch nicht mehr über das, was in der Bank passiert. Im Zweifel sind Sie als Mitarbeitersogar besser informiert, bzw. können Informationen besser einordnen.

Fakt ist aber, dass Sie als Mitarbeiter fast immer auf Ihr Einkommen aus IhremArbeitsverhältnis angewiesen sind. Da ein neues, gleichwertiges Arbeitsverhältnis nichtauf den Bäumen wächst, sind Ängste und Sorgen vorprogrammiert. Das ist auch ok,lassen Sie sich aber nicht von diesem Gefühlen beherrschen. Wer aus dem Bauch

heraus panisch reagiert, macht Fehler. Wichtig sind die harten Fakten. Hier ein paardavon, die Sie sich gelegentlich vor Augen führen sollten:

1. Sie haben einen gültigen Arbeitsvertrag! Dieser endet erst, wenn Sie einenAufhebungsvertrag unterschreiben, oder anderweitig zur Beendigung beitragen.Dieser Schritt will also wohlüberlegt sein. Unterschreiben Sie nichts, nur um IhreRuhe zu haben. Dieser Rat kommt Ihnen vielleicht komisch vor, aber Sie wärenerstaunt, wie oft wir als Banken-Gewerkschaft mit den schlimmen Folgen solcherKurzschlussreaktionen zu tun haben. Viel häufiger übrigens, als mit betriebsbeding-ten Kündigungen.

2. Sie haben sich nichts zu Schulden kommen lassen! Das wäre aber eine wichtigeVoraussetzung, um Ihnen zu kündigen. Betriebsbedingte Kündigungen halten wir in der jetzigen Situation für sehr sehr unwahrscheinlich. Sollte sich die Bank auf diesemschmalen Grat begeben, sind wir ziemlich sicher, Ihnen helfen zu können, wenn Sie uns nur lassen.

3. Ihr Vorgesetzter hat Ziele, die Personalabteilung hat Ziele! Sehen Sie also zu, dassSie nicht Teil des Bonusgesprächs vom nächsten Jahr werden. Die gute Nachrichtdabei ist: Das kann eigentlich nur passieren, wenn Sie einen Aufhebungsvertragungeprüft unterschreiben.

4. Sie sind Gewerkschaftsmitglied, und können sich auf Ihren Rechtsschutz verlassen!Nicht unerheblicher Teil davon ist die Beratung – wenn es um die Ausgestaltung oderGrundlagen von Verträgen geht, um sinnvolles Verhalten in der aktuellen Situation,Auswirkungen auf Rente oder Krankenversicherung … Wenn Sie noch kein Gewerk-schaftsmitglied sind, sollten Sie es in der jetzigen Situation schnellstens werden. Übrigens ist ein dezenter Hinweis in Personalgesprächen, die unangenehmer wer-den, dass man als Gewerkschaftsmitglied über Rechtsschutz verfügt, und sein gutesRecht auch durchzusetzen weiß, manchmal bereits ganze Jahresbeiträge wert.

Was bringt mir denn eine Gewerkschaftsmitgliedschaft in der jetzigen Situation?

Die für die Bank gültigen Tarifverträge gelten rechtssicher nur für Gewerkschafts-Mitglieder. In besonderem Maße gilt das für die Kündigungsschutz-Tarifverträge in derehemaligen Plattform. Die Tatsache, dass Sie als Nicht-Gewerkschaftsmitglied bislanggenauso behandelt wurden, wie Gewerkschaftsmitglieder, heißt gerade in kritischenSituationen gar nichts.

Neben diesem tariflichen Schutz von Gewerkschaftsmitgliedern können Sie aber aucheinfach und unkompliziert zu allen Fragen rund um den Arbeitsvertrag fachkundigeAntworten bekommen. Gerade wenn es darum geht, ob und wie Ihr Arbeitsvertragbeendet wird, ist der Blick von außerhalb der Bank, noch dazu von jemandem, der aufIhrer Seite steht, Gold wert.

Sie haben weitere Fragen?

Wir sind sicher, dass wir auch mit diesem umfangreichen Katalog nicht alles beantwor-ten konnten. Stellen Sie als DBV-Mitglied gerne Ihre individuellen Fragen: [email protected]. Bitte teilen Sie uns dabei immer mit, in welchem Bereich derDeutschen Bank, bzw. in welchem Tochterunternehmen Sie beschäftigt sind, da dierechtlichen Rahmenbedingungen sich teilweise erheblich unterscheiden können. Wirversprechen Ihnen eine schnelle, fachkundige und natürlich strikt vertrauliche Antwort!

Stephan Szukalski

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DBV Arbeitswelt

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Serie „Mein Leben als Arbeitnehmer: Gewerkschafts- und Betriebsratsarbeit 2.0

Artikelserie:Mein Leben als Arbeitnehmer

Wer hinter dem Titel dieses Beitrages ein Plädoyer für einUpdate in der Gewerkschafts- und Betriebsratsarbeit erwartet,der sollte weiterlesen! Alle anderen, die der Auffassung sind,dass die heutige Form der Gewerkschafts- und Betriebsarbeitauch weiterhin Bestand hat, der sollte sich anderen medialenInhalten zuwenden.

Die Herausforderungen in der Finanzdienstleistungsbranchesind mannigfaltig, und sehr viele Arbeitnehmer/innen sindmindestens einmal in Ihrem Berufsleben von Um- undRestrukturierungsmaßnahmen betroffen – oft ist dies nochweitaus häufiger der Fall. Dennoch interessieren sich nursehr wenige Beschäftigte für die Betriebsrats- undGewerkschaftsarbeit. Die Gründe dafür sind neben wirk-lichem Desinteresse auch oftmals die Unkenntnis, wie

Frau oder Mann eigentlich Betriebsratoder Gewerkschaftler wird. Sicherlichbieten in der heutigen Zeit die moder-nen Medien genügend Material, umsich über die formelle Seite derAufgabe zu informieren. Und da liegtauch die Krux in der Geschichte.

Gewerkschafts- und Betriebsarbeit istüberwiegend davon geprägt, dass wirmit den Kolleginnen und Kollegensprechen und sie mit Sachargumentenüberzeugen. Die Verbindung zwischender Fachkenntnis und deren Anwen-dung findet im Gespräch statt. DiesenSwitch zwischen Theorie und Praxisbeherrschen aber schon heute vieleBetriebsräte nicht mehr.

Als ich mir die ersten Gedanken fürdiesen Artikel gemacht habe, war ichauf der Rückfahrt von einer Betriebs-ratssitzung und stand unter denEindrücken, die die Sitzung auf michgemacht hat. Der Vorsitzende hielteinen Monolog – und wenn eineDiskussion stattfand, dann nur zwi-schen dem Vorsitzenden und seinemStellvertreter. Die übrigen Betriebsrätewaren bloß anwesend. Eine Diskussionals Grundlage für eine Meinungs-bildung in Verbindung mit einer ent-sprechenden Meinungstiefe fand nichtstatt. Häufig kommt es aber auch vor,dass der BR-Vorsitz einen Monologhält, weil die übrigen Betriebsräteschweigen. Simpel ausgedrückt könnteman sagen, dass die Kolleginnen undKollegen im Betrieb halt nicht die rich-tigen Kolleginnen und Kollegen in„ihren“ Betriebsrat gewählt haben. Diesträfe aber nur auf einen sehr geringenProzentsatz zu. Denn oftmals stellensich ja immer wieder die gleichenKollegen zur Wahl und diese werden

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DBVArbeitswelt

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der Betriebsratsarbeit, die ich ebenbereits erwähnt habe.

Wer meine letzten Artikel aus dieserSerie gelesen hat, kennt meine Über-zeugung, dass wir den Wandel derArbeitswelt nur gemeinsam bewältigenkönnen. Dies gilt für unser Wirken alsArbeitnehmer-Vertreter/innen speziali-siert in den örtlichen Betriebsräten undin den übergreifenden Gewerkschaf-ten, als auch im verzahnten gemeinsa-men Auftreten – mit dem Wissen, wasdie Beschäftigten wirklich wollen. Nurein hoher Organisationsgrad in denUnternehmen und eine sehr gute Zu-sammenarbeit zwischen den Betriebs-räten und der Gewerkschaft sichert denKolleginnen und Kollegen eine loh-nenswerte Zukunft in der Arbeitswelt.

Robert Piasta

[email protected]

Robert Piasta. Foto: privat

mit dem Argument gewählt, dass sie ja über ausreichendErfahrung verfügen, um die übrigen Kolleginnen undKollegen zu vertreten.

Betrachten wir die Situation einmal aus einem anderenWinkel. Was wäre denn, wenn bei jeder Betriebsratswahl eingewisser Prozentsatz an Betriebsräten automatisch ausschei-den würde und dadurch gewissermaßen immer eineBlutauffrischung stattfindet? Neue Ideen und Gedankenwürden im Gremium Einzug halten, vielleicht ändern sichauch Mehrheitsverhältnisse – kurz gesagt es käme frischerWind in die Betriebsratsarbeit!

Betriebsratsarbeit der Zukunft zeichnet sich durch guteOrganisation, Aufgabenteilung, gute Teamleistungen, hohe Meinungsvielfalt, gutes Fachwissen, hohes Maß an Konfliktfähigkeit, Gelassenheit im Umgang mit schwie-rigen Situationen und sehr vielen Gesprächen allerBetriebsräte mit den Kolleginnen und Kollegen in der Firma aus.

Da viele dieser Anforderungen in der Vergangenheit wenigBeachtung fanden und damit in der Folge teilweise fast ver-loren gegangen sind, ist der Weg zurück sehr steinig undlang.

Und wie sieht es heute bei der Gewerkschaftsarbeit aus? Die Gewerkschaften sind in meinen Augen schon einenSchritt weiter. In den vergangenen Jahren hat dort eine spürbare Verjüngungskur begonnen. Neue Macher undEntscheider rücken schneller auf als bisher und bekommenfrüher Verantwortung übertragen, müssen dieses Vertrauenaber auch durch messbare Leistung rechtfertigen – indemsie zeitnah und sachgerecht etwas für die Mitglieder, sprichfür ihre Auftraggeber erreichen. Zum Beispiel in Form vonTarifverträgen, die für ganze Arbeitnehmer-Gruppen tatsäch-lich Mängel in den Bedingungen der Arbeit vor Ort beseiti-gen, oder in Form der Durchsetzung von arbeitsrechtlichenAnsprüchen im persönlichen Konfliktfall.

Diese Erneuerung ist umso bemerkenswerter, da ja Gewerk-schaftsarbeit zum überwiegenden Teil – sieht man von denhauptamtlichen Funktionären einmal ab – eine ehrenamtli-che Tätigkeit ist. In den Gewerkschaften ist erkennbar, dassder zukünftige Weg nur über eine Verjüngung der aktivenMitglieder gestaltbar ist.

Die Aufgabe bleibt freilich, dass die Gewerkschaften ihrenOrganisationsgrad gerade in der Finanzdienstleistungs-branche nachhaltig deutlich erhöhen müssen. Einer aktive-ren Spitze muss auch eine vielfältige, streitbare wie auchkompromissfähige Basis folgen. Die Gewerkschaftsarbeitsehe ich dabei als absolut vergleichbar mit den Qualitäten

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Trauer am Arbeitsplatz: „Bewerten Sie nichts, sondern fragen Sie“

Trauerhilfe: Kleine Gesten zählen. Foto: monropic/ fotolia.com

Ulrich Welzel war viele Jahre Vermögensberater in derPostbank, als 2008 drei Erben zu ihm kommen. Es geht um dieZukunft des gut dotierten Depots des verstorbenenFamilienvaters – sollen sie in der Bank auf neuen Namen verlän-gert werden? Es kommt wie so oft: Die Erben ziehen trotz vielerErklärungen bald den Großteil des Geldes zu einer anderen,ihrer Bank ab. „Ich konnte nur ein Drittel für unsere Bank ‚retten‘.Da erst fiel mir ganz bewusst auf, dass ich nicht die richtigenWorte gegenüber den Hinterbliebenen gefunden habe, dassaber auch keine Führungskraft bei uns wirklich wusste, wie trauernde Angehörige von Kunden sensibel empfangen werdensollten. Das lernt niemand in der Bankausbildung.“

Es ist der Wendepunkt in seinem Leben. Vier Tage lang haderter auch beim Abendbrot in der Familie mit dem Trauerfall undseiner Unfähigkeit, das persönliche Schicksal angemessen mitdem Geschäftlichen zu verbinden. Die Arbeitsanweisung fürden „betreuenden“ Berater gegenüber den Angehörigen ist,sehr kurz gefasst: Herzliches Beileid – Wo ist der Erbschein –Neuanlage. Nun wird ihm klar – das professionelle Mustertaugt kaum, es provoziert im Gegenteil Missverständnisse.Jedes Jahr gehen den Banken auf diese Weise hunderteMillionen Euro verloren, es gilt die Gleichung „Kunde tot =Bankverbindung tot“. „Da habe ich mich gefragt: Bleibe ich auf der Beraterseite, oder werde ich zum Mensch?“

Der Münchner entscheidet sich fürs Umdenken undUmlernen. Noch 2008 bildet er sich zum Nachlass-Planer wei-ter, ein erster Schritt. „Viel reden gegenüber Trauernden heißteben nicht, automatisch viel zu bewegen. Ich darf auch alsBerater mal sagen, dass mir die Worte fehlen. Manchmal istdas sogar der Anfang von einem aufrichtigen neuen Kontakt.Das können nur wenige in der Bank intuitiv, aber alle könnenes lernen“, blickt Ulrich Welzel zufrieden auf das erste Trainingzurück.

Im Jahr 2009 verlässt er die Bank und wird bald selbst Trainerfür Führungskräfte von Unternehmen, wie Trauer in derKundschaft zu entsprechen ist. Er wechselt die Perspektive,wird Demenzhelfer, Hospizbegleiter und später Krisen-Interventionshelfer. Heute sind auch Betriebsräte in seinenSeminaren zu Gast, wenn er über das Bewältigen von Trauerauch im Kollegenkreis, am Arbeitsplatz spricht. „Es erschienmir nur folgerichtig, auch den Mitarbeitern und ihren Beraterneine Orientierung zu geben, die bei Tod und schwererKrankheit ihrer Kollegen oder im Familienkreis genauso unsi-cher und ratlos dastehen wie bei Kunden“, sieht Ulrich Welzeleinen hohen Bedarf an empathischer Trauerarbeit.

Es sind kleine Gruppen von acht oder zehn Betriebsräten, dieihn buchen. „Es ist sehr persönlich, viele bringen Trauerfälle ausihrem Betrieb mit. Verlust und Trauer gelten oft als unangeneh-me Störfälle, die schnell abgearbeitet werden sollen, damit dieFirma wieder reibungslos funktioniert. Gerade mit so einembrachialen Vorgehen entstehen aber oft langfristige unter-schwellige Konflikte, die das Miteinander im Betrieb und da-mit die Leistungsfähigkeit des ganzen Unternehmens beschä-digen“, erinnert sich Ulrich Welzel etwa an zwei Vorstände, diewegen einer deplatzierten Äußerung des einen im Trauerfalldes anderen fünf Jahre lang nicht miteinander redeten. Langefand niemand die Zeit oder die Courage, beide einmal zu fragen, was denn die Ursache für das Schweigen ist.

Reden, sich abstimmen ist allgemein wichtig im Betrieb – imFall des Todes oder einer sehr schweren Krankheit ist es dasEntscheidende, um eine gute Entwicklung zu nehmen. So soll-ten sich Betriebsrat, Geschäftsführung und Teamleitung zusam-mensetzen und einen Fahrplan schreiben. „Im Falle des Todeseines Kollegen sollten sie gemeinsam Kontakt zur betroffenenFamilie aufnehmen und einen Termin zum Kondolieren aus-machen. Es sollten nicht mehr als zwei Leute zur Familiegehen, sie nicht überfallen, sondern sich eventuell eine halbeStunde Zeit nehmen für einen Kaffee dort. Das Doppel ausdem Betrieb sollte die Trauerbekundung nicht nur mündlichgeben, sondern auch schriftlich. Das ist der Hauptanker für dieFamilie und gibt unglaublich starken Halt“, rät Ulrich Welzel.Das sollte keine gekaufte Trauerkarte sein oder ein formalerBriefkopf – besser ein schönes, schlichtes Papier mit einerhandschriftlichen Botschaft.

Niemand kann in der Ausnahme-Situation wissen, was dasBeste für die Angehörigen ist, empfiehlt der Trauer-Experte denMitarbeitern der Firma, die die erste Trauerhilfe leisten:„Bewerten Sie nichts, sie wissen nämlich kaum etwas. FragenSie nach dem Überbringen der Nachricht die Familie, dieHinterbliebenen eher: ‚Wie geht es Ihnen, dir im Moment?Was kann ich für Sie, für dich tun?‘“ Die einfache, ehrlicheGeste zählt – nicht nur beim Kondolieren, sondern auch beimAufsetzen einer Traueranzeige in der Zeitung oder beimHalten einer Trauerrede bei der Beerdigung. Diese letztereAufgabe ist nicht einfach, weil sie den oder die Verstorbene(n)einfühlsam persönlich würdigen soll, ohne unterschwelliganzuecken. Darum widmet Ulrich Welzel dieser Aufgabe aucheinen eigenen Part in seinen Trauer-Seminaren. „Ich habegestaunt, wie viele gute, individuelle Rede-Vorschläge meineTeilnehmer da entwickelt haben. Idealerweise schult das auchweitergehend fürs Leben.“

Getroffen sind die Hinterbliebenen nicht nur als Familien-Mitglieder, sondern auch als Kollegen – und deren guteFreunde im Team selbst. „Ich rate der Gruppe, sich bei Erhaltder Todesnachricht erst einmal Zeit zu nehmen, sich zu finden.Das heißt: Arbeit einstellen, Ruhe walten lassen, Termine absa-gen im engsten Umfeld des oder der Gestorbenen oder des

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Angehörigen. Dafür hat jeder Kunde auch in derBank Verständnis, wenn man es erklärt.“ Es gibtauch kein Schema F, das immer funktioniert,sondern jede trauernde Gruppe muss selbst dieeigenen Rituale der Bewältigung finden. „Männertrauern oft anders als Frauen. Männer ziehensich oft zurück oder stürzen sich später erst rechtin die Arbeit, während Frauen häufig reden,angesprochen werden wollen. Das alles solltenChefs oder Betriebsräte aber eben nicht bewer-ten“, betont der Wegbegleiter.

Betriebsräte sollten Führungskräfte darum ent-schlossen darauf hinweisen, Kollegen nicht zuverletzen – denn die innerliche Kündigung derTrauernden ist manchmal nicht weit weg, wenndie kleine, aber falsche Reaktion des Chefs inschwerer Lage das ohnehin gefüllte Fass zumÜberlaufen bringt. Solche Reaktionen wie „Kopfhoch, das wird schon wieder“ oder „Meine Omahatte das auch“ sind vielleicht gut gemeint, abervöllig kontraproduktiv, so Ulrich Welzel: „Es istfür Führungskräfte einfach sinnvoll, sich externenRat zu holen, statt kurz angebunden bitter zuenttäuschen – oder gar noch eigene Ziele mitder Trauer zu verbinden. So weiß ich von Chefs,die betriebsöffentlich kondoliert haben, in derdabei fast ausgesprochenen Haltung, dass sichdas ja auch positiv auf ihre eigene Karriere aus-wirken wird.“

Stattdessen lebt gute Trauerarbeit im Betrieb vonkleinen, durchdachten Lösungen. „Im familiärenTrauerfall sitzen die Betroffenen in den erstenTagen im Beruf oft allein gelassen in der Kantine,weil die anderen Kollegen nicht wissen, was undwie sie mit ihnen reden sollen. Dann sollte sichdie Gruppe einen festen Plan machen – wer gehtmal ein paar Minuten mit der betroffenen Person

zum Kaffee-Automaten, zur Raucherpause, um den Block oder eben zumEssen. Das hilft.“

Ist ein Kollege gestorben, kann auf den Arbeitsplatz ein kleines Foto, Blumenoder auch eine Kerze gestellt werden. „Da sollte auch ein Pate für den Tischder Trauer bestellt werden, der in der Gruppe ausgewählt wird, der zumBeispiel das Blumenwasser wechselt. Nach zwei Wochen kann der Tischdann auch wieder aufgelöst werden, und nach der Zeit des Abschieds kannes auch wieder weiter gehen“, beschreibt der Trauerbegleiter ein angemes-senes Vorgehen. Bewährt hat sich auch, ein Kondolenzbuch auszulegen – ineiner Bank im Südwesten Deutschlands schrieben die Mitarbeiter in einemTodesfall nicht weniger als 30 solcher Bücher voll. „Das gab der Familie überJahre Kraft, alle Trauer und Scham hinter sich zu lassen.“

Oft ist es auch sinnvoll, den Arbeitsplatz der / des Gestorbenen an-schließend komplett zu verändern oder zu verlegen. Das sollte jemandnicht unmittelbar Betroffenes entscheiden. „Die Hinterbliebenen solltenvom Team auch eingeladen werden, an den nicht veränderten Schreibtischdes Gestorbenen zu kommen, und dort persönliche Dinge abzuholen. DasTeam braucht auch einen Abschied. So haben Kollegen für eine GestorbeneAbschiedsgrüße auf Papierboote geschrieben und den Main herunterge-schickt. Oder Steine gesammelt und bemalt, oder Grüße dem Feuer über-geben.“

Von Trauer tief Getroffene brauchen ihre Zeit der Verarbeitung. Vorgesetztesollten Ihnen währenddessen oder nach ihrer Rückkehr zumindest zeitwei-se einen anderen Arbeitsplatz oder eine andere Arbeitszeit anbieten, wennsie es wünschen. „Unter anderem in der Sparkasse Ludwigsburg undAugsburg können sich Betroffene in existenziellen Krisen fünf Stunden freistellen lassen, zum Beispiel für ein Gespräch bei einer speziellen Trauer-Psychologin. Das ist eine kleine Geste der Geschäftsführung, aber sie wirkt“,gibt Ulrich Welzel ein anderes Beispiel.

Er sieht in seinen Lehrgängen immer wieder das tiefer gehende Interesse derBetriebsräte. Im Falle von längerer Krankheit gibt es gute Regelungen imbetrieblichen Eingliederungs-Management (BEM), wie Kollegen an einenpassenden Arbeitsplatz zurückkehren können – aber für tiefe Trauer steht imBEM so gut wie nichts Konkretes: eine Lücke auch vielen dahin ausgerichte-ten Seminaren der großen Anbieter. Trauerbegleitung ist sehr persönlich undnur schwer in feste Standards zu pressen, die sich im Betrieb leicht bearbei-ten und bei den Kassen leicht abrechnen lassen. „Doch mit einem festenWillen ist die Hilfe auch hier zu organisieren. Eine gute Trauerarbeit ist nachinnen und außen ja auch ein nicht zu unterschätzendes Aushängeschild für die Firma, die das in die Hand nimmt. Ein Beitrag zu einer menschen-würdigen Kultur in den Unternehmen.“

Die Position eines Mitarbeiters im Betrieb spielt dabei keine Rolle. So kameine 87-jährige Kundin in eine Bank und eröffnete einem 17-jährigenAuszubildenden, dass ihr Mann gestorben ist. Der Azubi sagte, dass er nichtweiß, was er sagen soll, nahm die alte Frau in den Arm und brachte sie dannruhig zu einem älteren Berater. „Vor diesem Jungen habe ich großenRespekt, und stelle sein Verhalten gern in meinen Seminaren als Vorbild vor.Ansonsten warne ich im Trauerfall vor Körperkontakt, aber in dem Fall wardas eine Enkelsituation und damit voll in Ordnung.“

Die Arbeit als Trauerberater und -helfer hat den Münchner über die Jahredabei nicht abstumpfen lassen, sondern eher sensibler gemacht. So könntenes auch andere handhaben: „Nach Gesprächen mit Betroffenen, nachSeminaren wasche ich mir Hände und Gesicht, und tanke viel Frischluft. Dasist Achtsamkeit im Kleinen.“ Trauer kann Menschen dazu bringen, ihr Lebenbewusster zu leben. „Wenn es mir gelingt, dass Betriebsräte in existenziellenKrisen von Kollegen sicher und wertschätzend auftreten können, dann istdas für mich die beste Bestätigung.“

Oliver Popp

Am 8. / 9. Juni 2016 richtet die FAZ eine Fachtagung „Trauer am Arbeitsplatz“in ihrer Berliner Redaktion (Mittelstraße 2) aus. Infos unter: [email protected]

Krisenberater: Ulrich Welzel. Foto: O. Popp

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Finanzdienstleisterhaben gemeinsame

Berufsinteressen,die in einem

geschlossenenBerufsverband

besser und nach-haltiger formuliert

werden können.

Überschaubare Zielebilden Vertrauen

und Übersicht.

DBVder kompetente

Partner fürFinanzdienst-

leister

DBV– Gewerkschaft der Finanzdienstleister –

jedoch der Berufsverband der Mit-arbeiter aller Kredit- und Finanzinsti-tute zur Vertretung Ihrer Interessen.

Was wollen wir?P Dafür sorgen, dass die Arbeit-nehmer der Kredit- und Finanz-institute einen gerechten Anteilan der Wirtschaftsleistung ihrerArbeitgeber erhalten.

P Den Geist freundschaftlicherTeamarbeit unter allen Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern dereinzelnen Kredit- und Finanz-institute erhalten und fördern.

P Aktiv dazu beitragen, dass dieKredit- und Finanzinstitute unse-rer Mitarbeiter den größtmögli-chen Erfolg für uns alle erzielen,ohne dass dabei das Wohlerge-hen und die Anliegen der Beleg-schaften mehr als nach denUmständen unvermeidbar beein-trächtigt werden.

beitern der Kredit- und Finanz-institute Interesse an allen Ange-legenheiten der betrieblichenMitbestimmung wecken und dieTeilnahme fördern.

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P Die freiheitliche und demo-kratische Grundordnung unsererGesellschaft auf der Grundlageder sozialen Marktwirtschaft ver-teidigen.

lichen Mitbestimmung der Arbeit-nehmer, insbesondere zur Errei-chung von betriebsfremden und/oder politischen Zielen, verhin-dern.

Werden Sie Mitglied bei uns. Wirkämpfen für Ihre Rechte. Wir wol-len, dass Sie Ihren gerechtenAnteil an der Wirtschaftsleistungunseres Gewerbes erhalten undvon den Arbeitgebern mit zumin-dest der gleichen Aufmerksamkeitund Fürsorge behandelt werden,wie die Kapitaleigner. Kein Share-holder-Value (Wertzuwachs fürden Aktionär) ohne Employee-Value (Wertzuwachs für dieAngestellten des Unternehmens).Die allgemeine Politik überlassenwir den Politikern. Wir sind des-halb politisch neutral und fürjedermann offen, der unsere Zielebilligt.

Wir sind rechtlich eine Gewerkschaft.Aus unserem Selbstverständnis heraus

P Bei unseren Mitgliedern undallen Mitarbeiterinnen und Mitar-

P Den Missbrauch aller Einrich-tungen und Rechte der betrieb-

DBV – Gewerkschaftder FinanzdienstleisterHauptgeschäftsstelleKreuzstraße 2040210 Düsseldorf

Bitteausreichend

frankieren, fallsMarke zur Hand

Ja, ich bin in den Betriebsrat gewähltworden und möchte zu einem DBV-Betriebsrats-Seminar eingeladen werden.

Name

Vorname

Anschrift

E-Mail

Unterschrift

Monatsbeiträge bei Anwendungdes Tarifvertrages für die Bundesrepublik Deutschland

1. Auszubildende, Rentner, Mitarbeiter/innen in Elternzeit oder mit Altersregelung E 7,00

2. bis E 2.127,- brutto E 12,003. von E 2.128,- bis 3.342,- brutto E 17,004. von E 3.343,- bis 4.700,- brutto E 22,505. ab E 4.701,- brutto E 26,50

Beiträge sind als Werbungskosten absetzbar.

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DBV – Gewerkschaft der Finanzdienstleister, Kreuzstraße 20, 40210 Düsseldorf

Beim DBVbestimmen ehren-amtlich engagierteMitarbeiter, nichtbranchenfremde

Berufsfunktionäre.

Der DBV steht zurGewerkschaftsvielfalt

und bejaht denWettbewerb. Der DBV verfolgt keine

branchenfremdenInteressen und vertritt

eine Tarifpolitik, die sicheinzig an den Anforde-rungen der Betroffenen

orientiert.Auf den DBVkönnen Sie sich in

allen Angelegenheitendes Arbeits- und

Sozialrechtsverlassen.

DBV-Beiträgewerden nur für

Verbandszwecke ver-wendet, deshalbbietet der DBV

günstige Beiträge.

DBVGewerkschaft der Finanzdienstleister

Ein gutes Gefühl

Wirist

stärkerals ich!

l Beitritt zum DBV –Gewerkschaft der Finanzdienstleister geworben durch:

l Änderungs-Mitteilung / Mitgliedsnr.: Bei mir haben sich folgende Änderungen ergeben:

Name Vorname geb. am

PLZ / Wohnort Straße / Nr.

Telefon privat geschäftlich l Betriebsrat l Personalrat

Tätig bei in Ehrenamt

Tarifgruppe (bei Auszubildenden Ende der Ausbildungszeit eintragen) Monatsbeitrag (EURO) l Vollzeit l Teilzeit

l Ich ermächtige jederzeit widerruflich den Deutschen Bankangestellten-Verband, meinen satzungs-mäßigen Beitrag von meinem Konto abzubuchen.

l Ich möchte, dass mein zuständiger Regionalverband über meinen Beitritt informiert wird und mich so noch besser betreuen kann.

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