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Denkmalpf lege in Westfalen-Lippe Ausgabe 2.09 Wärmedämmung und Feuchteschutz Solaranlagen in historischen Stadt- und Ortskernen Über die Wandlungen des häuslichen Heizens

Denkmalpf lege - lwl.org · Wichtig für die dauernde und zuträgliche Be-wohnbarkeiteinesRaumesist,dassdessenUm-fassungswände den Durchgang der Wärme von außennachinnenundumgekehrtmöglichstab-

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Denkmalpflegein Westfalen-Lippe

Ausgabe 2.09

Wärmedämmung und FeuchteschutzSolaranlagen in historischen Stadt- und OrtskernenÜber die Wandlungen des häuslichen Heizens

© 2009 Ardey-Verlag MünsterAlle Rechte vorbehaltenLitho/Druck: DruckVerlag Kettler, BönenPrinted in GermanyISSN 0947-829915. Jahrgang, Heft 2/09

Erscheinungsweise 2mal jährlich zum Preis von4,50Euro (Einzelheft) zuzüglich Versand über denArdey-Verlag Münster, An den Speichern 6, 48157 Münster

Herausgegeben vomLWL-Amt für Denkmalpflege in Westfalenim Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe

Redaktion:Dr. Jost Schäfer (Leitung)Dr.-Ing. Roswitha KaiserDr. Thomas SpohnDr. Dirk Strohmann

Anschrift:LWL-Amt für Denkmalpflege in WestfalenFürstenbergstr. 15, 48147 Mü[email protected]

Die Autoren

Aus dem LWL-Amt für Denkmalpflege in Westfalen:Wiss.-Bibl. Sabine Becker M.A.Dr. David GroppD. Hans H. HankeDr.-Ing. Bettina Heine-HipplerAnnegret Herden-Hubertus M.A.Dr.-Ing. Roswitha KaiserDr. Oliver KarnauKlaus Nenno M.A.Dipl.-Ing. Hartmut OchsmannDr. Kurt RöckenerDr. Thomas SpohnDipl.-Ing. Danae Votteler

Andrea ErnstStadt DetmoldUntere DenkmalbehördeRosental 2132756 Detmold

Prof.Dr. Uwe LobbedeyAuf dem Draun 66a48149 Münster

Monika RedegeldStadt IserlohnKommunales Immobilien ManagementWerner-Jacobi-Platz 1258636 Iserlohn

Brigitte Helmes-ReuterKreis SteinfurtObere DenkmalbehördeTecklenburger Straße 1045656 Steinfurt

InhaltSeite 51 Editorial

Aufsätze

Seite 52 Zum Thema. Wärmeschutz und Feuchteschutz historischRoswitha Kaiser

Seite 53 Was ist Behaglichkeit? Über die Wandlungen des häuslichen HeizensThomas Spohn

Seite 65 Solaranlagen in historischen Stadt- und Ortskernen.Einige Fragen aus denkmalpflegerischer SichtOliver Karnau

Seite 68 Stehen Denkmalschutzauflagen im Widerspruch zur Energieeffizienz?Roswitha Kaiser

Seite 71 Innen oder Außen? Die Möglichkeiten der Wärmedämmung am BaudenkmalDanae Votteler

Seite 77 Laubengang-Dämmung. Die Laubenganghäuser in der Siedlung „Wenscht“ in SiegenHans H. Hanke

Seite 80 Auswahlbibliographie zu EnergiesparmaßnahmenSabine Becker

BerichtSeite 82 Die Sanierung des Hauses Letmathe – ein Baustellenbericht

Monika Redegeld

Aus der Praktischen DenkmalpflegeSeite 86 Detmold: Sanierung und erneuerbare Energien in der Hofanlage PotthoffSeite 87 Paderborn: Neue Farbfassung des Heisingschen Hauses

Aus dem BildarchivSeite 88 Gebrauchsspuren und Marginalien

Buchvorstellungen

Seite 90 Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz / LandschaftsverbandRheinland / UVP-Gesellschaft (Hg.), Kulturgüter in der Planung. Handreichung zurBerücksichtigung des kulturellen Erbes bei Umweltprüfungen. Köln 2009

Seite 90 Ingrid Hermannsdörfer / Christine Rüb / Ingo F. Schneider, Solardesign. Photovoltaikfür Altbau, Stadtraum, Landschaft. Berlin 2005

Seite 92 Sophie Elpers / Edeltraud Klueting / Thomas Spohn (Hg.), Landwirtschaftliches Bauenim Nordwesten zwischen 1920 und 1950, Münster 2009

Seite 93 Neuerscheinung des Amtes

Seite 93 Neuerwerbungen der Bibliothek in Auswahl

Mitteilungen

RückschauSeite 94 Pressefahrt 2009 des Deutschen Nationalkomitees für DenkmalschutzSeite 96 Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege in Westfalen-LippeSeite 97 „Am Anfang steht das Denkmal“ – Ausstellung im Landeshaus zu MünsterSeite 97 Fortbildungsreihe „Denkmalpflege – westfälisch – praktisch“ gestartetSeite 98 Treffen der westf. Preisträger des „Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz“

PersonaliaSeite 99 Dr. Richard Borgmann im RuhestandSeite 101 In memoriam: Prof.Dr. Hilde Claussen

Seite 104 Verkäufliches Baudenkmal

Umschlag-Foto: Johann Conrad Schlaun ließ bereits zwischen 1753 und 1757 eine Horizontalsperreaus zwei Lagen Glasscheiben mit versetzten Stößen im Erbdrostenhof zu Münster einbauen. 2009.LWL-Amt für Denkmalpflege in Westfalen (Kaiser).

von Gebäuden (= GEEG), die am 14.Januar d.J.dem Bundesrat zugeleitet wurde. Dieser Entwurfsieht vor, dass ab 2014 nur noch Bestandsge-bäude, welche die Mindestenergieeffizienzkrite-rien erfüllen, im Rahmen von größeren Sanie-rungsmaßnahmen öffentlich gefördert werdendürfen. Eine Klarstellung, dass sich dies nicht ge-gen Baudenkmäler richtet, welche diese Mindest-energieeffizienzgrenzen nicht erreichen, ist bis-her unterblieben.Denkmäler haben oftmals bereits bei einer Be-trachtung des Verhältnisses von Bauen und Nut-zen eine sehr günstige Energiebilanz. Unabhän-gig davon ist es das erklärte Ziel unseres Amtes,engagierte Denkmaleigentümer bei dem Ziel ei-ner energetischen Gebäudesanierung objektbe-zogen zu begleiten. In diesem Heft setzen sicheine Reihe von Aufsätzen – historisch und aktuell– mit diesen Fragen auseinander. Zum „Dauer-brenner“ entwickelt sich dabei die Frage, wie sichhistorische Stadt- und Ortsbilder mit Solaranla-gen vertragen; hierzu hat das LWL-Amt für Denk-malpflege frühzeitig ein denkmalfachliches Posi-tionspapier entwickelt, das als Grundlage bei dernotwendigen Einzelfallentscheidung herangezo-gen werden kann.Der Erhalt des kulturellen Erbes entspricht derIdee und Programmatik der Europäischen Stadt,die nicht nur sozial gerecht, ökonomisch erfolg-reich und ökologisch nachhaltig sein will, son-dern auch attraktiv und baukulturell bedeutsam.Hierzu trägt – im denkmalrechtlichen Zusam-menspiel mit den kommunalen Genehmigungsbe-hörden – wesentlich eine weisungsfreie Denkmal-fachbehörde bei: Mit großen Interesse verfolgtendie Anwesenden daher die Ausführungen in derEröffnungsrede von LWL-Direktor Herrn Dr.Kirsch bei der Eröffnung der Ausstellung „AmAnfang steht das Denkmal“ am 23.April d.J.: ImFalle einer Novellierung des Denkmalschutzge-setzes kündigte Herr Dr. Kirsch seinen Einsatz fürdie fachliche Unabhängigkeit der Denkmalämterinnerhalb der Landschaftsverbände an. SeinerÜberzeugung nach muss die bisherige Regelungzur Benehmensherstellung erhalten bleiben, diesicherstellt, dass denkmalfachliche Positionen ineinen Abwägungsprozess einfließen können –zum Vorteil der Baudenkmäler in Westfalen-Lippe!

Dr. Marcus HarzenetterLandeskonservator

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Als am 11.Dezember 1997 die Vereinten Natio-nen das Kyoto-Protokoll vereinbarten, welcheserstmals völkerrechtlich verbindliche Zielwertefür den Ausstoß von Treibhausgasen in den In-dustrieländern vorgab, hatte sicherlich kaum einDenkmalpfleger eine Vorstellung davon, wiestark die Konsequenzen dieser Vereinbarungheute die baudenkmalpflegerische Beratungs-praxis beeinflussen:Die Bundesregierung reagierte hierauf mit ver-schiedenen klimapolitischen Maßnahmen, allemit dem Ziel, die Abhängigkeit von den fossilenBrennstoffen Erdöl und Erdgas zu verringern,eine wirtschaftliche Energienutzung und Versor-gungssicherheit zu gewährleisten sowie die Ener-gieeffizienz und Nutzung erneuerbarer Energienzu steigern. Erreicht werden soll so eine deutlicheReduktion der klimaschädlichen Emissionen.Eine wichtige ordnungsrechtliche Maßnahmehierbei ist die am 1.Februar 2002 in Kraft getre-tene und seither mehrfach novellierte Energie-einsparverordnung (EnEV). Dank des Engage-ments vieler denkmalpflegerisch interessierterStellen konnte sichergestellt werden, dass beiBaudenkmälern von den Anforderungen dieserEnergieeinsparverordnung abgewichen werdenkann, insbesondere dann, wenn deren Einhal-tung die Substanz oder das Erscheinungsbild be-einträchtigen würde. Das hohe Gut des Umwelt-und Klimaschutzes muss im Dialog – und nicht imKonflikt – mit dem hohen Gut des Denkmalschut-zes umgesetzt werden.Bei allen Aktivitäten auf nationaler und interna-tionaler Ebene ist daher sorgfältig darauf zu ach-ten, dass der Belang der Denkmalpflege nicht„unter die Räder“ gerät. So auch bei dem Entwurfder europäischen Kommission zur Neufassungder Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz

Editorial

Wichtig für die dauernde und zuträgliche Be-wohnbarkeit eines Raumes ist, dass dessen Um-fassungswände den Durchgang der Wärme vonaußen nach innen und umgekehrt möglichst ab-halten oder doch verlangsamen. Dazu ist nebenwärmehaltendem Stoffe auch eine angemesseneWandstärke nötig, die meist schon durch die Auf-nahme der Decken – und anderer Lasten bedingtist. Die Stärke ist aber erst dann vollkommen ge-nügend, wenn sie dem Durchgang der Wärmemöglichst widersteht. Sind die Umfassungs-wände zu dünn oder sehr wärmedurchlassend, soerleiden sie in kalter Jahreszeit auch auf der In-

nenseite starke Abkühlung. … Ziegelmauern un-ter 38cm Stärke werden in der kalten Jahreszeitan der Innenseite leicht feucht, namentlich anfreien Giebeln.

Quelle

Eduard Müller (Bearb.), Ratgeber für Grund- und Gebäude-

besitzer, Hausverwalter, Techniker und Baugewerbetrei-

bende. Dritter Band. Berlin 1909, S.38f.

Bildnachweis

LWL-Amt für Denkmalpflege in Westfalen (Kaiser).

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Roswitha Kaiser

Zum ThemaWärmeschutz und Feuchteschutz historisch

In einem Ratgeber des beginnenden 20.Jahrhunderts ist die Bedeutung von Bauteilkon-struktion und wärmedämmendem Baumaterial für ein hygienisches Raumklima dargestellt.

Dieses herrschafliche Fachwerkgebäude aus dem

beginnenden 17.Jahrhundert hat eine 5cm starke

Strohlehminnendämmung. Innendämmungen mit

Leichtlehm sind im historischen Fachwerkhausbestand

erst seit Ende des 20.Jahrhunderts wieder in größerem

Umfang in der Anwendungspraxis. 2009.

Die vom Menschen primär genutzte Energie-quelle ist das Feuer. Wichtigster Energieträgerwar in früherer Zeit das Holz, wo nicht den na-turräumlichen Voraussetzungen entsprechendTorf an seine Stelle trat. Holzkohle als Verede-lungsprodukt bleibt anderen und zumeist ge-werblichen Prozessen vorbehalten, Steinkohle,Briketts, Koks etc. gewinnen erst im Verlauf des18. und dann im 19.Jahrhundert zentrale Bedeu-tung. Heizen mit Strom ist eine Errungenschaftder ersten, mit Öl und Gas der zweiten Hälfte des20.Jahrhunderts. Seit den ersten verlässlichenZahlen pendelt der Anteil der Aufwendungen fürdie Heizung am Haushaltsbudget großstädtischerHaushalte – Krisenzeiten ausgenommen – zwi-schen 4% 1907 (Wischermann 1997, S.429) und6% (1976 4,9%, 1991 5,1%).

Das Herdfeuer der Kücheund der Ofen der StubeDie zweifache Nutzbarkeit des offenen Feuers –zum Kochen und zur Erwärmung der Umsitzen-den – ist für die Menschen und ihre Häuser zen-tral: Das auch für verschiedene gewerbliche Zwe-cke (Kaspar 2007b) brauchbare offene Herdfeuerder Küche bleibt in Stadt und Land mindestensbis ins ausgehende 18.Jahrhundert und oftmalsbis in das 20.Jahrhundert hinein (Eiynck 1998,S.16f.) die primäre Energiequelle. Dabei ist überJahrhunderte2 unter ‚Küche‘ nicht der relativkleine, gesonderte und monofunktionale Raumheutiger Prägung zu verstehen, sondern lediglichein Funktionsbereich am hinteren Ende einer ho-hen und weiten Wirtschaftsdiele (Abb.1) ohneAbteilung von den landwirtschaftlichen, gewerb-

Thomas Spohn

Was ist Behaglichkeit?Über die Wandlungen des häuslichen Heizens

Die zentrale Warmwasserheizung mit Heizkörpern in jedem Raum gilt heute als selbstver-ständlicher Standard jeglicher Wohnform. Noch im Jahr 1960 dagegen verfügten in der da-maligen BRD nur 12% aller Wohnungen1 über diesen Komfort. Schon dieser 50-Jahre-Vergleich zeigt die Veränderbarkeit des allgemeinen Konsenses hinsichtlich wohnkulturellerStandards. Je weiter der Blick zurück in die Geschichte des häuslichen Heizens geht (Faber1957), um so deutlicher wird, dass diese Vorstellungen natürlich auch von äußeren Faktorengeprägt werden – von klimatischen Voraussetzungen und technischen Erfindungen/‚Mach-barkeiten‘ sowie den verfügbaren Energieträgern –; sie sind aber in erster Linie eine tenden-ziell in Richtung auf ein Mehr an Raumtemperatur, Behaglichkeit und Bequemlichkeit sichwandelnde gesellschaftliche Übereinkunft. Zugleich zeigt sich, dass in jeder Epoche diesergesellschaftliche Konsens gebrochen wird in der sozialen Dimension: Nicht alles, was je-weils als technisch machbar und als üblich gilt, ist von allen finanzier- und damit realisierbar.

1 Rahden-Preußisch Ströhen (Kr. Minden-Lübbecke), Hof Rohlfing, 1776/80. Diese durch viele Veröffentlichungen

klassisch gewordene Aufnahme zeigt idealtypisch die Küche im niederdeutschen Hallenhaus: Am hinteren Ende der

Wirtschaftsdiele ist mittig im Flett das offene Feuer des Küchenherdes mit Rauchfang angeordnet, das seit der Mitte

des 19.Jahrhunderts von der eisernen Kochmaschine abgelöst wird. 1934.

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dem Hochsauerlandkreis und dem Kreis Olpe so-wie dem südlichen Teil des Kreises Soest entspre-chend – verfügten im Jahr 1664 schon 78,8% ne-ben dem Herdfeuer auch über einen Ofen in einerStube als Heizquelle (Spohn 2008, S.73).3 Bei die-sen Öfen handelte es sich bereits kaum mehr umKachelöfen, wie sie als älteste Form in Schrift-quellen und seit dem späten 12.Jahrhundert imarchäologischen Fundgut auftauchen (Hallen-kamp-Lampe 2006), sondern bereits um die jün-gere Ofenform aus fünf gegossenen Eisenplatten.Von den Eisenöfen sind heute nur wenige an Ortund Stelle erhalten und nur in ganz seltenen Fäl-len tatsächlich noch in Gebrauch (Abb.2).Kachelöfen und Eisenöfen sowie der nicht selte-nen Mischform (Eisenöfen mit Kachelaufsatz)war ihre Beschickung nicht von der Stube son-dern von der Diele aus gemeinsam (‚Hinterlader-ofen‘). Die Feuerungsöffnungen wurden bevor-zugt nahe des Herdfeuers angelegt, um gegen denRauch und die Feuergefahr beider Quellen ge-meinsam Vorsorge treffen zu können. Für dieÖfen herrschaftlicher Räume wurden darüberhinaus separate Feuerungsräume oder -gängeangelegt. Eine wesentliche Verbesserung des Be-dienungskomforts und vor allem der Heizkraftstellen die so genannten Windöfen dar (Lehne-mann 1984). Durch ein Ofenrohr, über das derRauch in den Schornstein oder – unerlaubterWeise – direkt ins Freie geführt wurde, entstandein Zug, der die Beschickung im Raum selbst undauch die Befeuerung mit Steinkohle möglichmachte. Solche Vorderladeröfen werden, zuerstim südlichen Westfalen, seit dem späten 17.Jahr-hundert verbreitet. Es war nur ein kleiner techni-scher Schritt, diesen Öfen oben einen Topf aufzu-setzen. So wurde in Nordwestdeutschland mit

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2a/b Stemwede-Westrup (Kr. Minden-Lübbecke),

Stemwederbergstraße 22, 1862. Einer der wenigen in

Westfalen-Lippe noch in Betrieb befindlichen Hinterlader-

öfen, jedoch zwecks besseren Zuges um ein Rauch-

abzugsrohr ergänzt; Blick in die Stube (links) und auf die

Feueröffnung beim einstigen Küchenherdfeuer auf der

Diele (rechts); davor der Torf-Behälter von 1811. 2009.

lichen oder distributiven Funktionen. Erst seitdem 17., zumeist jedoch erst im Verlauf des19.Jahrhunderts wird der Funktionsbereich ‚Kü-che‘ als eigenständiger Raum abgeteilt.Die Ausbildung dieser zentralen Herdstelle vari-iert nach Zeit, Region und sozialer Schicht (Kas-par 1996; Spohn 2003). Grob verallgemeinerndlassen sich Wandlungsvorgänge beschreiben vonder ebenerdigen zur auf Steinsetzungen erhöhtenLage des Feuers, vom einfachen Funkenfang zumschließlich in einen Schornstein mündendenRauchfang und zu einer zunehmend aufwändigenGestaltung der Herdwand mit verzierten Sand-steinplatten oder Fliesen beiderseits einer ge-schmückten Gusseisenplatte als Feuerschutz. Ei-nen tief greifenden Wandel bringt erst am Vor-abend des Industriezeitalters die Ummantelungdes Feuers aus Stein oder vorzugsweise aus Eisenals Vorform der so genannten Kochmaschine.Erst damit ist der beißende Rauch des offenenFeuers weitgehend eingedämmt, der vordem denAufenthalt im Küchenbereich beeinträchtigte.Der Wunsch nach einem kleineren und damit bes-ser sowie gleichzeitig rauchfrei heizbaren Raumführt zur Eingliederung der Stube in das Raum-programm städtischer wie ländlicher HäuserWestfalen-Lippes. Nach Vorläufern (Hähnel 1975)mehren sich seit dem 16.Jahrhundert die Be-funde und bereits im 17.Jahrhundert ist dieStube beinahe obligatorisch (Kaspar 2003,S.350–353). Von den 3090 Haushalten der Städteund Freiheiten des Herzogtums Westfalen – etwa

diesen Potöfen erstmals die Nahrungszuberei-tung unabhängig vom Küchenherdfeuer (Spohn1995b). Dominanter Entwicklungsstrang wurdejedoch die Ummantelung des Kochofens unterBeibehaltung des technischen Prinzips mit Eisen-platten. Er führte zuerst zur fest installiertenFournaise (Abb.3) und schließlich zu dem tech-nisch weiter entwickelten, bis zur Mitte des 20.Jahrhunderts obligatorischen Kochherd. Dieserkann auch – besonders in Mietwohnungen des 20.Jahrhunderts – die wichtigste Wärmequelle sein.So verbreitet Herdfeuer und Stubenofen in denHäusern Westfalen-Lippes spätestens seit dem17.Jahrhundert waren, so wenige Häuser verfüg-ten darüber hinaus über weitere beheizbareRäume. Diese konnten durch zusätzliche Hinter-laderöfen oder durch Wandkamine, wie sie imsüdöstlichen Westfalen4 vorrangig in Steinbau-ten, d.h. in oberschichtlichen Zusammenhängenzu finden sind (Abb.4), beheizt sein. In der zitier-ten Steuerliste von 1664 verfügten nur 244 von3090 Häusern im Herzogtum Westfalen über sol-che zusätzlichen Wärmequellen (Spohn 2008,S.73). Das heißt in der Gegenrechnung, dass, wersich zur Winterzeit nicht in Küche und Stube auf-hielt, in den meisten Häusern fror, zumindestdann, wenn nicht durch entsprechende winter-liche Kleidung auch im Haus selbst Vorsorge ge-troffen wurde. Mit Feuersglut zu füllende, trag-bare Behältnisse wie sie als Fußbänkchen, Bett-pfannen o.ä. in vielen Hausratinventaren der vor-industriellen Zeit erscheinen, konnten nur kurz-fristig Abhilfe schaffen.

Die älteren Maßnahmen zur WärmedämmungTatsächlich wurde jedoch nicht nur zu Hause ge-froren. Wer Kind war, fror des Morgens in derSchule, bis dicht gedrängte Artgenossen das Klas-senzimmer aufgewärmt hatten, und wer gläubigwar, fror sonntags in der Kirche, denn selbst inevangelischen Kirchen mit ihren durch Predigtenbisweilen beträchtlich verlängerten Messen sorg-ten wahre Monstren von Öfen (Abb.5) wohl nurdafür, dass dem Pfarrer bei der Predigt der Atemnicht am Mund gefror.5 Es muss bis hart an dieGrenzen unserer Gegenwart (zähneknirschend)

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3 Hattingen, Zum Ludwigstal 2, 1839. Der eiserne Herd (Fournaise) wurde wohl um 1860 an die Stelle und unter den

Rauchfang des offenen Küchenfeuers gestellt. 2005.

4 Steinfurt-Borghorst, Kirchplatz 5, 1668. In einem der im

19.Jahrhundert vermauerten Wandkamine der ehemaligen

Stiftskurie kam nach Entfernung der Verkleidung das dort

noch aufgeschichtete Brennmaterial zum Vorschein: Torf.

2005

akzeptiert gewesen sein, dass die Behaglichkeitdes Wohnens Schwankungen unterworfen war, sowie auch die jahreszeitliche Bindung von Teilendes Lebensvollzuges eine Selbstverständlichkeitdarstellte. Auf Reisen gingmanmöglichst nicht imWinterhalbjahr und zur Erholung fuhr – wer sichsolches leisten konnte – ohnehin nur im Sommer:Der Übergang zum ganzjährigen Kurbetrieb er-folgte erst im 20.Jahrhundert, weshalb man – wiein den Grandhotels der Alpenregion vor Einsetzendes Wintersports – auf Heizmöglichkeiten in denGast- und Logierzimmern weitgehend verzichtete(zuletzt Kaspar 2007a). Und Mancher hat bitterbereut, die alte Weisheit vergessen zu haben, dassman Kriege vor dem ersten Schnee zu gewinnenoder wenigstens zwischen November und März zuunterbrechen hat. Bester Ausdruck jahreszeitli-cher Bindung des Wohnens in vorindustriellerZeit ist der saisonale Wechsel im Hauptaufent-haltsraum des Hauses: Im größten Teil des ländli-chen Westfalens war dies im Sommerhalbjahr derKüchenbereich, im Winter dagegen die Stube.6

Was die Erwärmungsleistung betrifft, so ist heuteziemlich umstritten, in welchem Maß das Herd-feuer bzw. eine an derselben Stelle am hinterenEnde der Wirtschaftsdiele eingebaute Kochma-schine dieses meist gewaltige Raumvolumen zuerwärmen vermochte. Eine Versuchsreihe desNiedersächsischen Freilichtmuseums Cloppen-burg hat im relativ milden Winter 1974/75 ge-zeigt, dass die Innentemperatur um nur vier bissechs Grad höher lag als die Außentemperatur,und dass die Innentemperatur zwischen dem un-mittelbaren Herdbereich und der Diele um zweibis drei Grad abfiel. Um mehr als Tendenzwerte

kann es sich hierbei nicht handeln, denn das Maßder Erwärmung hängt nicht nur von der Mengeab, sondern auch von der Art des Brennmate-rials: Der Brennwert trockener Eichen- oderBuchenscheite liegt weitaus höher als etwa dervon Torf (Kaiser 1980, S.33). Darüber hinaus istkaum erforscht, inwieweit Häuser einen speziel-len Winterschutz erhielten. Immerhin existierenfür Dänemark und Niedersachsen (allerdings erstfür die zweite Hälfte des 19.Jahrhunderts) Be-lege, dass Fenster und nicht notwendig zu benut-zende Türen mit dicken Lagen von Stroh verhan-gen und sämtliche Ritzen mit geflochtenen Stroh-bändern abgedichtet wurden. Selbst bei starkemFrost sei die Temperatur des gesamten Dielen-raumes, wo ja auch das aufgestallte Vieh für einegewisse Erwärmung gesorgt habe, nie unter denGefrierpunkt gesunken (Dörfler 2005, S.427–429). Auf eine ähnlich temporäre Schutzvorrich-tung deutet die Protokollaussage eines armenEinwohners der Stadt Unna im Jahr 1723 hin. Be-fragt nach seinen Beobachtungen zum Ausbruchdes Stadtbrandes, gab der Bewohner eines klei-nen Mietshauses zu Protokoll, dass er nichts ge-sehen habe, da sein Gaden wie mehrmals wohl indiesem Winter von außen zugehangen und er da-rin gleichsam verwahrt gewesen sei (nach Spohn1995a, S.233).Schon der reinen Konstruktion der in Westfalen-Lippe dominierenden Fachwerkbauten ist mit ih-ren Lehmgefachen und Lehmputzen ein anstän-diger Dämmwert wohl kaum abzusprechen. Da-rüber hinaus können dauerhafte Außenwandver-kleidungen zusätzlichen Schutz bringen. Zwargibt es für die meisten vorkommenden Fassaden-

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5 Bad Laasphe (Kr. Siegen-Wittgenstein), Inneres der Pfarrkirche, um 1250. 1894.

behänge – Sandsteinplatten, Holzschindeln, Bret-ter bzw. Bohlen, häufig Schiefer, seltener Ton-pfannen – jeweils relativ frühe Beispiele (Kaspar2001), die jedoch bis weit ins 19.Jahrhundert hi-nein eher Ausnahmen darstellen. Dies belegenetwa Aufnahmen aus der Frühzeit der Fotografieaus dem Sauerland, in denen die heute fast aus-nahmslos verschieferten Häuser mehrheitlichnoch als Fachwerkbauten erscheinen. Dies bele-gen vielfach aber auch Baubefunde, wie an einemHaus aus der Mitte des 18.Jahrhunderts inSprockhövel. Von diesem vor einer Sanierung2005 an der Wetterseite verschieferten Hausexistiert eine Fotografie mit Holzverschindelung;die Vermutung, diese in der Region einst sehr ver-breitete, jedoch schon seit dem 19.Jahrhundertungebräuchliche Form der Fassadenverkleidunggehöre hier zum ursprünglichen Baubestand, be-stätigte sich nicht: Für die zur Befestigung vonSchindeln in großer Zahl benötigten Hölzer wa-ren erst nachträglich die originalen Hölzer desFachwerkgerüstes abgearbeitet worden (Abb.6).Die relative Seltenheit der Außenwandverklei-dungen in alter Zeit und ihr Vorkommen vor al-lem an den Wetterseiten deuten darauf hin, dassmit ihnen nicht primär eine Wärmedämmung,sondern ein Schutz der Fachwerkhölzer und derAusfachungen vor unmittelbaren Witterungsein-flüssen, insbesondere Regen und Schnee, beab-sichtigt war. Bei der schlagartigen Vermehrungder Außenwandbehänge um und nach 1900dürfte die Minderung der Zugluft in den Ritzenzwischen Hölzern und Gefachfüllungen aber einezumindest nicht unerwünschte Nebenerschei-nung gewesen sein.Maßnahmen der Innendämmung sind vor allemzur Schaffung eines behagliches Raumklimas inden Stuben ergriffen worden. So sind es vorzugs-weise die Stuben der westfälischen Häuser, unter

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6a/b Sprockhövel (Kr. Ennepe-Ruhr), Hauptstraße 85;

Mitte 18.Jahrhundert. Links: Zustand vor 1918 mit Ver-

schindelung der Giebelwand; rechts: nach Abnahme einer

noch jüngeren Verschieferung wurden die Auskerbungen

für die nachträgliche Anbringung der die Verschindelung

tragenden Latten an den Gefügehölzern erkennbar. 1995.

7 Dortmund-Syburg, Hohensyburger Straße 95, um 1860.

2009.

denen sich ein Keller befindet. Zur Isolierung istan der Unterseite der Stubenfußböden zumeistWellerwerk (von Stroh ummantelte und mit Lehmgetränkte Latten) angebracht. Zudem sind dieDecken der Stuben häufig verputzt. Dies verhin-dert das Entweichen warmer Luft durch Ritzen inden Fußbodenbohlen des darüber liegenden Ge-schosses; seltener sind Belege für eine besondereDämmung oberhalb der Stubendecke etwa durcheinen Estrich. Für den Versuch, in Steinbautendie Kälte der Umfassungswände durch das Ein-stellen der hölzernen Blockstube zu mindern, wiesie für Mittelalter und frühe Neuzeit in vielen Tei-len Südostdeutschlands und dem angrenzendenAusland nachgewiesen ist, liegen aus Westfalenkeine Befunde vor. Allerdings war die Zahl derSteinbauten hier begrenzt; aber selbst als sie ins-besondere in Mittelgebirgsregionen in den Jahr-zehnten um 1850 vorübergehend zunahm, gab esnur selten das Bemühen, wenigstens der Stubedurch fachwerkene Außenwände ein behagliche-res Raumklima zu verleihen (Abb.7).

Die Lambris, d.h. die hüft- bis schulterhohe höl-zerne Wandverkleidung oder -vertäfelung, wiesie schon seit dem 16.Jahrhundert vielfach inStuben nachweisbar ist, wird wohl neben Zwe-cken der Dekoration und des Schutzes der Wändevor dem Abrieb durch herum gerückte Stühleauch der Wärmedämmung gedient haben. BeiFenstervorhängen, wie sie seit der Mitte des17.Jahrhunderts auf Gemälden oder Stichen häu-figer zu sehen und – neben Jalousien – um 1830für die große Mehrzahl von Stuben anzunehmensind, scheinen der Sichtschutz und die dekorativeFunktion im Vordergrund zu stehen (Schürmann/Ueckermann 1994). Dem Schutz vor Zugluft dien-ten wohl eher die hölzernen Läden. Obwohl be-reits das einschlägige Lexikon des 18.Jahrhun-derts ermahnt, es würden die Stuben und Kam-mern im Winter wärmer halten, wenn man siealle mit Läden von Außen verwahrte (Krünitz1769, S.601), fanden auch die Fensterläden erstim Verlauf des 19.Jahrhunderts allgemeinereVerbreitung (Spohn 1995, S.86). Zumindest beioberschichtlichen Steinbauten erfreute sich eineVariation, nämlich der innen angebrachte undim geschlossenen Zustand in den Laibungen derFenster zusammengeklappte Fensterladen, seitdem 17.Jahrhundert größerer Beliebtheit(Abb.8).Gebräuchlich waren auch temporär anzubrin-gende Schutzvorrichtungen. Die im Spätherbstinnenseitig einzuhängenden „Winterfenster“

dürften angesichts der hohen – und hier alsozweifach aufzubringenden – Kosten für Fensterauf wohlhabende Haushalte beschränkt geblie-ben sein. Nicht unerwähnt bleiben soll eine heuterar gewordene Schutzvorrichtung der Bewohnerdes rauen Sauerlandes. Mit einfachen Haken anwenigen Ösen im Fachwerkgefüge befestigt, kön-nen die aus vier Teilen bestehenden Wind- undSchneefänge im Sommerhalbjahr platzsparendim Haus gelagert werden (Abb.9).

Die Vermehrung der Zahl separatzu beheizender RäumeIn der großen Mehrzahl der ländlichen wie städ-tischen Häuser Westfalen-Lippes blieben – wiedargestellt – bis weit ins 19.Jahrhundert hinein

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10 Dortmund-Brakel, Rüpingstraße, um 1850.

Warmluftöffnung der über der Stube gelegenen

Schlaf-Kammer in geöffnetem Zustand. 2008.

8 Schwerte (Kr. Unna), Haus Villigst, 1819. Der innen

angebrachte Klappladen ist im geöffneten Zustand in der

Fensterlaibung untergebracht und gestalterisch mit der

gesamten Raumdekoration vereinheitlicht. 2009.

9 Winterberg (Hochsauerlandkreis), Marktstraße.

Letztes in Gebrauch befindliches Beispiel eines

winterlichen Windfangs. 2009.

das offene Herdfeuer der Küche sowie der Stu-benofen die einzigen unmittelbaren Wärmequel-len. Vielfache Baubefunde belegen jedoch das Be-streben, weitere Räume an der Wärme der Stubepartizipieren zu lassen.Da ist zum einen die runde oder quadratische Öff-nung in der Stubendecke, deren passgenauerVerschluss bei Bedarf zu öffnen war (Abb.10).Freilich haben solche Öffnungen den Nachteil,dass sich nicht nur die Wärme der Stube, sonderngleichzeitig deren verbrauchte Luft in den darü-ber liegenden Kammern ausbreitet. So liegt dieIdee nahe, die warme Luft in einem eigenen Be-hältnis einzudämmen, wie es im ausgehenden 18.Jahrhundert der sich mit Heizungsfragen intensivbeschäftigende Schwelmer Prediger Müller alszylindrischen blinden Ofen beschreibt (nach:Hellbeck 1986, S.95). Bemerkenswert ist auchein Baubefund aus der Mitte des 19.Jahrhundertsin einem Haus in Kreuztal-Ernsdorf; hier ist einGefach einer Fachwerkwand nicht mit Lehm-flechtwerk oder Ziegel ausgefüllt, sondern beid-seitig mit je einer Blechplatte beplankt, die dieWärme des durch das Gefach geführten Rauchesan die angrenzenden Räume abgeben.Da ist zum anderen eine spezielle Stellung desStubenofens, die freilich eine Unabhängigkeitvom Küchenherdfeuer und damit die Konstruk-tion als Vorderladerofen voraussetzt; dement-sprechend sind Belege vor dem 18.Jahrhundert

kaum zu erwarten. Zwei Räume sind von einemOfen dann beheizbar, wenn er in eine Aussparungder gemeinsamen Trennwand gestellt ist (Abb.11). Das Problem der noch bestehenden Lückenzwischen Ofen und Wand konnte entweder pau-schal durch die Anbringung einer die ganze Öff-nung verschließenden und zu einem Raum umden Ofen gerundeten Metallplatte gelöst werden(dazu: Spohn 2007, S.107) oder in filigranerWeise, wie dies ein Bauantrag von 1904 be-schreibt: Die Wandöffnung, in welcher der ge-meinsame Ofen aufgestellt ist, ist soweit sie nichtdurch denselben ausgefüllt wird, durch einennach dem Profil des Ofens ausgeschnittenes la-ckiertes Eisenblech geschlossen.7 Das in vielenHäusern zu beobachtende Phänomen zweier‚Türöffnungen‘ nebeneinander (Abb.12) könnteso seine plausible Erklärung finden.Am häufigsten wurde der Wunsch nach Vermeh-rung der Zahl separat beheizbarer Räume jedochdurch eine größere Anzahl an Öfen bewerkstel-ligt. Was zunächst als rein soziales Problem er-scheint, war doch mit jedem Ofen eine erheblichefinanzielle Investition verbunden, hatte auch einetechnische Voraussetzung, die erst mit der Ab-kehr von den weiten, besteigbaren Schornsteinengegeben war. Erst die seit dem Ende des 18.Jahr-hunderts aufkommende, durch preußische Kabi-nettsorder vom 04.10.1821 für unbedenklicherklärte und danach schnell üblich werdende

59

11 Horneburg (Kr. Recklinghausen), Horneburger Straße 28, um 1840. Der Ofen ist in die Wand eingestellt, wird von der

Stube aus beheizt und gibt – mit einer Metallplatte verkleidet – auch an den dahinter gelegenen Raum Wärme ab. 1999.

doch auf Klöster (Böddeken, Dalheim, tom Roden)und Burgen (Lüdinghausen) sowie den ober-schichtlich-städtischen Bereich (Höxter, Geseke)beschränkt (Peine 2001, S.43).Seit dem frühen und verstärkt dem ausgehenden18.Jahrhundert wird mit weiteren Formen derBeheizung experimentiert. Hauptanwendungsbe-reiche zunächst aller Zentralheizungsarten wa-ren auf der einen Seite größere (Versammlungs-)Hallen und insbesondere Orangerien und Ge-wächshäuser sowie auf der anderen Seite Ge-meinschaftseinrichtungen wie Kasernen und Ge-fängnisse, mehrklassige Schulen und vielräumigeVerwaltungsbauten. Wie die Beispiele aus Min-den (Kaspar 2003, S.427–430) zeigen, scheinensich im 19.Jahrhundert auch in Westfalen Heiß-und Warmluft- sowie Dampfheizungen – etwa fürDefensionskaserne und Garnisonslazarett (1827–1829), Gymnasium (1879) und Mädchenschule(1893), Krankenhaus (1904) und Fabrikgebäude(1905), Hotel (1905), Oberpostdirektion (1906)Kreishaus (1908), Stadttheater (1910) – besonde-rer Beliebtheit erfreut zu haben. Auch für die Be-heizung von Orangerien liegen aus Westfalen ausder Mitte des 19.Jahrhunderts Befunde vor.Orangerie und Gewächshäuser von Schloss Hüffebei Preußisch Oldendorf wurden – 2006 aufge-deckt – von vier Kanalheizungen erwärmt. DieAbbildung (Abb.13) zeigt im Vordergrund Stufen,die zum Ofenloch herunter führen. Dahinter istder Ofenrost erkennbar. Oben rechts knickt derinsgesamt 21m lange Heizkanal in Richtung

russische Röhre (Spohn 1995a, S.80) bewirkt mitihrem weit engeren Querschnitt hinreichend Zugzum Anschluss mehrerer Öfen.8

In welcher Form auch immer, so war jedenfallsum 1900 die Zahl heizbarer Räume selbst imMietwohnungsbau der Großstädte so weit fortge-schritten, dass die bis dahin allgemein üblichenKriterien der Gebäudestatistik – die Berechnungvon Wohnungsgrößen in einem festen Verhältnisvon heizbaren zu nicht heizbaren Zimmern – ge-ändert werden mussten. Dies wurde 1910 revi-diert, da man erkannte, dass sich dieses feste Ver-hältnis gravierend geändert und dies zu Fehlin-terpretationen der realen Lage am Wohnungs-markt geführt hatte: Plötzlich schien ein Überan-gebot an großen und ein Unterangebot an kleinenWohnungen zu herrschen (Wischermann 2007,S.424).

Die zentrale Heizung mehrerer RäumeZu unterscheiden sind die Zentralheizungen nachdem wärmeübertragenden Mittel in vier Grup-pen, nämlich Heizungen mit den Feuergasen desHeizmaterials, mit erwärmter Luft, mit Wasser-dampf und mit erwärmtem Wasser (Vetter 1911;Körting 1937). Die Beheizung eines sehr großenRaumes oder die gemeinsame Erwärmung meh-rerer Räume durch eine einzige Heizquelle istnicht eigentlich eine Erfindung der Neuzeit. Mit-telalterliche Warmluftheizungen – so genannteEstuarien – sind auch in Westfalen verschiedent-lich archäologisch nachgewiesen, scheinen je-

60

12 Hagen-Westerbauer, Haus Harkort, 1756. Die rechte der beiden Öffnungen dürfte einstmals einen beide

Erdgeschossräume beheizenden Ofen aufgenommen haben. 2008.

Orangerie ab, wo die Rauchgase schließlichdurch einen Schornstein ausgeführt werden.Obgleich also auch in Westfalen-Lippe alle Neue-rungen recht zeitnah übernommen wurden, bliebder Einsatz mancher Zentralheizungsformen auf-grund spezifischer technischer Voraussetzungendoch begrenzt bzw. für den ständigen Einsatz inWohnräumen gänzlich ungebräuchlich, wie sichetwa die Feuergasheizung wegen der Vergif-tungsgefahr fast von selbst verbietet. Aber auchdie Probleme bei allen Arten von Überdruckhei-zungen blieben unüberwindbar. Dies gilt beson-ders für die Dampfheizung, die einen immerwäh-renden Luftzug erforderlich macht; die Nutzungdieser Heizungsart in Wohnhäusern wurde daherschon von ihren frühen Propagandisten nur fürgroße Räume (Treppenhäuser, Säle) für sinnvollerachtet (Kühn 1837/1983, S.102–104). ÄhnlicheProbleme bietet auch die ältere Form der Warm-luftheizung, wie sie z.B. schon 1831 als Neben-produkt einer Kochmaschine vorgeschlagenwurde (Hölzel 1831/1983, Tafel117/118). Auchhier wird die Entfernung der erwärmten Raum-luft über Abluftkanäle notwendig, was zu einemEnergieverlust führt und wodurch zudem ange-sichts unterschiedlichen äußeren Winddruckseine konstante Raumtemperatur nicht gewähr-leistet werden kann. In modifizierter Form er-freute sich jedoch im Jahrzehnt nach 1945 in den

Siedlerhäusern der Flüchtlingssiedlungen und inden Tausenden von landwirtschaftlichen Aussied-lungsgehöften die Warmluftheizung … mit Heiz-ofen im Keller (Bauantrag von 1955) großer Be-liebtheit. Die warme Luft zirkuliert in weiten Röh-ren bis zu Klappen in den Wänden oder in niedri-gen Keramikkörpern in allen Zimmern. Dieses inder Anschaffung relativ kostengünstige Heizsys-tem wurde jedoch in den meisten Häusern baldersetzt, da zum einen die Heizkraft kaum aus-reichte, um Räume im Obergeschoss oder imDachraum zu erwärmen, und da zum anderen

61

14a/b Siegen, Einfamilienhaus von 1948/49 an

der Spandauer Straße. Keramik-Warmluftheizung;

oben: Feuerseite; unten: Keramikkörper.

13 Preußisch Oldendorf, Schloss Hüffe, 2006 ergrabene

Reste einer von ursprünglich vier Kanalheizungen der

Orangerie; um 1840. Im Vordergrund Stufen zum Ofenloch,

dahinter der Ofenrost und oben rechts abknickend der

Heizkanal in Richtung Orangerie. 2006.

den Hausbewohnern, die im Nachhinein vonHaustelefon oder Rohrpost sprechen, die Schall-übertragung lästig war (nach: Spohn 2000,S.281). Dasselbe Problem beeinträchtigt auchdas Vergnügen an den wie Kachelöfen wirkendenWarmluftheizungen, die in wohlhabenden Haus-halten bis ins erste Drittel des 20.Jahrhundertsgerne so aufgestellt wurden, dass sie in zwei odermehrere Räume ragten (Abb.14).Durchgesetzt unter allen Zentralheizungssyste-men hat sich letztlich die Erwärmung der Räumedurch zirkulierendes Wasser, anfänglich heiß,später nurmehr warm: Durch die mäßigen Tem-peraturen auf den mild erwärmten Heizkörpernkann kein Staub versengen, der die Raumluft ver-schlechtern würde (Körting 1937, S.117). Die Zir-kulation erfolgte allein aufgrund der Unter-schiede der Dichte zwischen erwärmtem (aufstei-gendem) und wieder erkaltendem (abfallenden)Wassers. Diese Schwerkraftheizung war im Ge-brauch relativ träge und schlecht steuerbar. Erstder Einbau von Pumpen seit den 1960er Jahrenermöglicht die feine Temperaturregelung im ein-zelnen Raum mittels Thermostat.Die Heizkörper von Dampf- und Warmwasserhei-zung waren anfänglich ganz ähnlich den älterenVorderladeröfen gestaltet (Körting 1937, S.120),

wohl um mögliche Hemmungen vor der neuenTechnik abzubauen, ein Phänomen, das sich auchbei vielen anderen technischen Neuerungen, wieetwa bei der Kutschenform früher Eisenbahn-waggons und Automobile, beobachten lässt. Einegrundlegend neue Form wurde erst mit denrippenförmigen Heizkörpern gefunden, von de-nen sich angesichts des konstanten Heizsystemsnicht wenige bis heute in Funktion befinden. DerEisenguss der Rippen erfolgte bei frei stehenden

62

16a/b Beispiele aufwändiger Heizkörperverkleidungen

aus dem ersten Drittel des 20.Jahrhunderts; oben:

Detmold (Kr.Lippe), Arminstraße11, 1919–1936; unten:

Hagen-Emst, Hohenhof, Stirnband10, 1906. Um 1930.

15 Frei stehender Rippen-Heizkörper aus Gusseisen

mit floraler Zier, frühes 20.Jahrhundert. Emsstraße67 in

Rheine (Kr. Steinfurt). 1989.

Heizkörpern oftmals mit ornamentalen oderfloralen Verzierungen (Abb.15). Noch beliebterwurde jedoch die Anordnung der Heizkörper ineigenen Nischen – zur Minderung des Luftzugesbis heute vorzugsweise unter den Fenstern. Diestark luftdurchlässige Verkleidung dieser Ni-schen hat schon früh (Warlich 1908, S.166–172)Raumgestalter und Künstler auf den Plan geru-fen, die auch in Westfalen-Lippe hervorragendeBeispiele hinterließen (Abb.16). Kaum erhaltensind dagegen die Herzstücke der älteren Zentral-heizungen, seien es die Kochherde der Mehreta-genmietwohnungen, seien es die Kessel undBrenner in den Kellern der Einfamilienhäuser;gelegentlich findet sich in den Dachräumen nocheines der notwendigen Überdruckgefäße. Hin-sichtlich Bedienungskomfort, Leistung und Le-bensdauer fortlaufend optimiert, werden sie nachEnde ihrer Funktion zumeist spurlos entsorgt.Damit war in großbürgerlichen Verhältnissenschon kurz nach 1900, spätestens aber in den1920er Jahren ein Niveau erreicht, auf das intechnischer Hinsicht in der Masse der Wohnun-gen noch ein halbes Jahrhundert zu warten warund das in gestalterischer Hinsicht auch die ar-chitekturbeflissenen Schichten in der Folgezeitkaum mehr erreichten. Hier dominiert vielmehrbis heute der Versuch, mittels immer kleinererRadiatoren oder besser noch mittels Fußboden-heizungen die Quelle der Wohnbehaglichkeit un-

sichtbar zu machen und damit als selbstverständ-liche Voraussetzung (optimal gedämmter Häuser)erscheinen zu lassen. Dass gleichzeitig der Ka-minofen als flackernder Blickfang des Wohn-raums an Beliebtheit zunimmt – vergleichbar derManie des Freiluftgrillens parallel zum Ceran-Feld und zur Mikrowelle in der High-Tech-Küche – ist als Phänomen durchaus nicht neu,wie etwa deutlich wird an der Villa, die BrunoPaul für den Soester Unternehmer Sternberg ab1924 entwarf (Schäfer 1993, S.47ff.). Hier wie invielen anderen Villen der Epoche gehen mo-dernster technischer Komfort und – in diesemFall – die avantgardistische Formensprache derArchitektur einher mit der besonderen gestalteri-schen Aufmerksamkeit für eine Reminiszenz:Zentraler Blickfang der Wohnhalle ist ein offenerKamin (Abb.17), wie er größer und reicher in dersoeben untergegangenen Zeit des offenen Herd-feuers im traditionellen Haus kaum war.9

Anmerkungen

1 1970 waren es bereits 40% und 1991 79,5% (König

2000, S.238).

2 Besonders in Notzeiten ist von vielfältigsten Provisorien

auszugehen (Lehnemann 2008).

3 Diese Zahlen aus dem Südosten sind nicht für ganz

Westfalen zu verallgemeinern, denn im Nordwesten hatte

der Wandkamin eine weit höhere Bedeutung als der Ofen

(Eiynck 1998; Kaspar 1996).

63

17 Soest, Villa Sternberg, 1927. Offener Kamin in der Wohnhalle. 1990.

4 Anders im Nordwesten; siehe Anm.3.

5 Die bisweilen fatalen Folgeschäden der dauerhaften Be-

heizung dafür nicht ausgelegter Bauten oder Bauteile –

nicht nur Kirchen, sondern auch Gewölbekeller als ‚urige

Weinlokale‘ u.ä. – müssen hier ausgespart bleiben.

6 Noch deutlicher bestand in Küstennähe ein Wechsel zwi-

schen Sommer- und Winterstube etwa in Teilen Schleswig-

Holsteins und zwischen Sommer- und Winterküche im

westlichen Teil Ostfrieslands (Gläntzer 1980, S.105).

7 Erläuterung zum Bauplan der Oberförsterei Ewig; Bau-

aktenkammer der Stadt Meinerzhagen.

8 Das Thema ‚Schornstein in den Häusern Westfalen-

Lippes‘ muss hier ausgespart bleiben. (Spohn 1995a, S.79;

Spohn 1998).

9 Für Materialien und Kritik danke ich Peter Barthold, Ulrich

Barth, Hans Hanke und Fred Kaspar sowie Gerlinde Sextro

(UDB Steinfurt) und Jürgen Uphues (UDB Hattingen).

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Bildnachweis

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Gerlinde Sextro (Untere Denkmalbehörde Stadt Steinfurt):

4; LWL-Amt für Denkmalpflege: 16b (Bildarchiv); 13 (Bar-

thold), 16a, 17 (Brockmann-Peschel), 12 (Gropp), 14

(Hanke), 5 (Ludorff), 11, 15 (Nieland), 2, 3, 6b, 7, 8, 9, 10

(Spohn). – Reproduktion aus: Karin Ardekamp/ Hans-Dieter

Pöppe, Sprockhövel wie es früher war. Gudenshagen-Glei-

chen 1997, S.19: 6a.

64

Die Arbeitsgemeinschaften wurden Mitte der1980er Jahre ins Leben gerufen. Ausschlagge-bend war die Wertschätzung der außerhalb derBallungsräume an Rhein und Ruhr gelegenenKlein- und Mittelstädte mit ihren von Krieg undWirtschaftsaufschwung weitgehend verschontenhistorischen Stadt- und Ortskernen. Das damalszuständige Fachministerium für Stadtentwick-lung und Verkehr stellte am 28. Februar 1985 inRemscheid-Lennep ein Programm zur Erhaltungund Erneuerung von historischen Stadtkernenvor. Dieses Landesprogramm ging von folgendenPrinzipien aus:– Grundriss und Aufriss der historischen Stadt-kerne sollen geschützt und gepflegt werden,

– auf Veränderungen des gewachsenen Stadt-grundrisses und auf Aufweitungen des histori-schen Straßennetzes soll verzichtet werden.

In Westfalen ist der größte historische StadtkernLippstadt (135ha), der kleinste Siegen (4ha).Zum Zeitpunkt der Gründung der Arbeitskreisewaren Solaranlagen noch nicht bekannt. DasThema konnte darum im Landesprogramm auchgar nicht erfasst werden. Seit einigen Jahren ken-nen wir aber Solaranlagen vor allem in zwei Ar-ten: Es gibt Fotovoltaik-Anlagen zur Stromerzeu-gung, der gewinnbringend ins Stromnetz einge-speist wird, und Solarthermie-Anlagen, in denenBrauchwasser meist für die Nutzung im eigenenGebäude erwärmt wird. Aus denkmalfachlicherSicht sind diese Solaranlagen nach ihren Folgenfür die dauerhafte Erhaltung der denkmalge-schützten Substanz und nach ihrer Wirkung fürdas Erscheinungsbild des Baudenkmals zu beur-teilen. Obwohl man bei Solaranlagen von einemGewicht von rund 15kg/m² ausgehen und also mitden entsprechenden Auswirkungen auf die Ge-wichtsbelastung von Dachstühlen rechnen muss,soll im Folgenden die – keineswegs unerhebliche– Frage der dauerhaften Substanzerhaltung nichtbehandelt werden. Für die Arbeitsgemeinschaf-ten der historischen Stadt- und Ortskerne ist jadie Beurteilung der optischen Wirkung solcherSolaranlagen auf das Erscheinungsbild der Ge-samtheit ihrer Quartiere entscheidend. Die fol-genden Überlegungen beziehen sich auf westfäli-

sche Mitgliedsstädte der beiden Arbeitsgemein-schaften.Entscheidendes Kriterium für die Aufnahme indie Arbeitsgemeinschaften der historischen Stadt-und Ortskerne war und ist das von verfremden-den Veränderungen verschonte Erscheinungsbildder Städte und Orte. In allen Mitgliedsstädten und-orten gibt es zudem meist eine Vielzahl von Bau-denkmalen. Für die Bewahrung ihrer besonderenDenkmalqualität ist ihr Erscheinungsbild wesent-lich. In aller Regel stehen sie harmonisch nebenBauten, die selbst keine Denkmalqualität haben,und bilden mit ihnen zusammen ein selten gewor-denes und schützenswertes Miteinander. Histori-sche Hausformen mit den typischen Steildächernfindet man neben jüngeren Bauten, deren Kuba-tur sich an den älteren Bauten orientiert: Sattel-dächer sind vorherrschend, meist sind sie mit tra-ditionellen Pfannen oder Natursteinen gedeckt. Ineinigen Fällen ist die von diesen Grundmerkma-len bestimmte Dachlandschaft nicht nur von derStraße aus, sondern auch von höher gelegenenStraßen oder viel besuchten Aussichtspunkten zusehen. Beispiel hierfür ist u.a. Eversberg in Me-schede, wo man von der hoch gelegenen Burg-ruine aus auf den malerisch gelegenen histori-schen Ort hinunterschauen kann und wegen derbesonderen Topographie auch von tiefer gelege-nen Blickpunkten außerhalb des Ortes größereTeile der Dachlandschaft erfassen kann.Solaranlagen, wie sie zur Zeit montiert werden,verändern aber das Erscheinungsbild von Dä-chern erheblich. Wegen ihres Materials, wegenihrer Farbigkeit und wegen ihrer Oberflächen-struktur weichen sie von dem Bild einer traditio-nellen Dacheindeckung deutlich ab. Die großen,glatten und unstrukturierten Glasplatten auf denmeist dunklen oder blauschwarzen Paneelen be-wirken eine neuartige Erscheinung der Dach-oberfläche, die mit Natursteinplatten oder Zie-geln bewegt und kleinteilig strukturiert ist. In derFolge verändert sich die Ausgewogenheit zwi-schen Fassade und Dach und damit das Erschei-nungsbild der Häuser insgesamt.Nach den Vorschriften des DSchG NW ist die An-bringung einer Solaranlage erlaubnispflichtig bei

65

Oliver Karnau

Solaranlagen in historischenStadt- und OrtskernenEinige Fragen aus denkmalpflegerischer Sicht

In Nordrhein-Westfalen haben sich 56 Gemeinden zu den Arbeitsgemeinschaften der histo-rischen Stadtkerne (37) und der historischen Ortskerne (19) zusammengeschlossen. Unterder Schirmherrschaft des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Ministerium für Bauen undVerkehr haben sich diese Städte dazu verpflichtet, ihr kulturelles Erbe sorgsam zu erhaltenund behutsam zu entwickeln. Absichten und Aufgaben der Mitgliedsstädte und -orte gehendarum auf vielfältige Weise mit denkmalpflegerischen Anliegen einher, weshalb es eine engeZusammenarbeit mit den Denkmalpflegeämtern und -behörden gibt.

Einzeldenkmalen, in der Umgebung von Einzel-denkmalen und in Denkmalbereichen.Wenn die Solaranlagen direkt auf Dächern vonBaudenkmalen montiert werden sollen, mussalso über eine denkmalrechtliche Erlaubnis ent-schieden werden. Weil nach dem Gesetz eine Er-laubnis zu erteilen ist, wenn Gründe des Denk-malschutzes nicht entgegenstehen, ist das immereine Einzelfallentscheidung. Für die Beurteilungist die Unterschutzstellungsbegründung heranzu-ziehen, wobei gegen die Anbringung einer Solar-anlage insbesondere die (bau-)künstlerische,aber auch die städtebauliche Bedeutung der Bau-denkmale angeführt werden können. In diesemPunkt treffen sich also die Anforderungen desDSchG NW mit der Selbstverpflichtung der histo-rischen Stadt- und Ortskerne, ihre besonderenstädtebaulichen Qualitäten zu bewahren.Zusätzlich zum Schutz ihrer Einzeldenkmale ha-ben viele, aber doch nicht alle historischen Stadt-und Ortskerne durch kommunale Satzungen nochGebiete bezeichnet, in denen Maßnahmen gemäߧ9DSchGNW erlaubnispflichtig sind. SolcheDenkmalbereiche können u.a. Stadtgrundrisse,Stadt-, Ortsbilder und -silhouetten erfassen. AlsBeispiel sei hier die Denkmalbereichssatzung derStadt Meschede vom 17.9.2004 für den Histori-schen Ortskern Eversberg genannt. Die Montagevon Solaranlagen ist in diesen Denkmalbereichenebenfalls erlaubnispflichtig. Hinzu kommen man-cherorts auch Erhaltungs- und Gestaltungssat-zungen, die je nach Alter und Anspruch schon So-laranlagen behandeln, so z.B. die Gestaltungssat-zung der Stadt Meschede vom 17.9.2004 zumSchutz der baulichen Eigenart des OrtskernesMeschede-Eversberg.Es gibt aber auch Solaranlagen, die nicht auf denBaudenkmalen selbst, sondern in ihrer Umge-bung montiert werden sollen. Wegen der meistgroßen Dichte des Denkmalbestandes in den his-torischen Stadt- und Ortskernenmuss auch in die-sen Fällen nach den Vorschriften des DSchGNW

über eine denkmalrechtliche Erlaubnis entschie-den werden, dann freilich nach den meist wenigerrestriktiv wirkenden Vorschriften des Umge-bungsschutzes. In einigen Stadt- und Ortskernensind solche Anlagen auch schon ausgeführt, undman kann ihre Wirkung vor Ort studieren.Zwar liegen aus Nordrhein-Westfalen bislangnoch keine entsprechenden Urteile zur denkmal-rechtlichen Zulässigkeit von Solaranlagen aufBaudenkmalen und in Denkmalbereichen vor.Aber es gibt zu dieser Frage obergerichtliche Ent-scheidungen aus Baden-Württemberg und Nie-dersachsen, die hilfsweise herangezogen werdenkönnen. Hier ist von den Gerichten festgestelltworden, dass die Anbringung von Solaranlagendurchaus das Bild einer Altstadt erheblich beein-trächtigen kann. Umweltschutz und Denkmal-schutz sind zwar Gemeinwohlaufgaben von ho-hem Rang, aber keine hat Vorrang vor der ande-ren. Sollte nach Einzelfallprüfung erwiesen sein,dass die Anbringung einer Solaranlage zu einerwesentlichen Beeinträchtigung des Denkmalsund/oder seines Erscheinungsbildes führt, sosetzt sich der Denkmalschutz gegen die Eigentü-merinteressen durch.Die angeführten Beispiele und die genannten Vor-schriften und Urteile lassen erkennen, dass imFalle der historischen Stadt- und Ortskerne –aber natürlich nicht nur dort – die Frage nach derZulässigkeit von Solaranlagen eine besondereBrisanz hat. Das Netz der bei Solaranlagen anzu-wendenden Vorschriften kann zwar eng gezogenwerden: Einzeldenkmalstatus, Denkmalbereichs-satzung, Erhaltungs- und Gestaltungssatzungen,Selbstverpflichtung in der Arbeitsgemeinschaftder historischen Stadt- und Ortskerne. Und dochsehen sich die Mitgliedsstädte immer wieder un-ter Druck gesetzt, Solaranlagen in ihren schüt-zenswerten Quartieren zulassen zu sollen.Betrachtet man die Mitgliedstädte und -orte derArbeitsgemeinschaft, so fällt auf, dass die ge-schlossene, unveränderte Dachlandschaft meist

66

Blick über die intakte Landschaft und auf die Gemeinde Meschede-Eversberg. Aufnahme zur Zeit der Bildung der

Arbeitsgemeinschaft 1985.

eine große Rolle spielt. In einer aktuellen Selbst-darstellung der Mitgliedstädte zum Thema„Bauen im Bestand – Denkmalpflege zwischenRekonstruktion und Moderne“ präsentieren sichdeshalb auch mehrere westfälische Städte mitVogelschau-Abbildungen ihrer Dachlandschaf-ten, darunter Bad Laasphe, Freudenberg, Hallen-berg, Lügde, (Rheda-)Wiedenbrück, Schieder-Schwalenberg, Schmallenberg – auch wenn dieDächer so in einigen Orten von der Straße ausnicht zu sehen sind. Offenkundig wird die (bau-)künstlerische und städtebauliche Bedeutung derDächer gern und stolz vorgeführt.Der besondere Wert der historischen Stadt- undOrtskerne muss also abgewogen werden gegendie individuellen Eigentumsrechte. Für eine Ab-wägung muss eine differenzierte Beurteilung derjeweiligen Stadt- bzw. Ortskerne erfolgen. Zwarhaben alle ein besonders schützenswertes Er-scheinungsbild, aber nicht in allen Stadt- undOrtskernen sind die Dächer gleichermaßen sicht-bar und bedeutend. Das gilt es in speziellen Ana-lysen des Ortsbildes herauszuarbeiten. In derFolge kann man dazu kommen, die Zulässigkeitvon Solaranlagen in den historischen Stadt- undOrtskernen unterschiedlich zu beurteilen. In Or-ten, deren Dächer nur teilweise von der angren-zenden Straße in Erscheinung treten, wird mangegebenenfalls anderer Auffassung sein als in Or-ten, in denen die Dachlandschaft „von oben“, alsoauch von höher gelegenen Straßen oder viel be-suchten Aussichtspunkten zu sehen sind. Hiersind die von modernen Veränderungen weitge-hend verschonten Dächer sozusagen mit begrün-dend für die Mitgliedschaft in den Arbeitsgemein-schaften der historischen Stadt- und Ortskerne.Die intakten Dachlandschaften würden verfrem-det, wollte man hier Solaranlagen zulassen. Umin solchen Fällen Verluste an Denkmal- wie Ge-staltqualität zu vermeiden, erscheint aus fachli-cher Sicht ein genereller Verzicht geboten.Die Akzeptanz für den Verzicht auf Solaranlagenkann durch das Angebot von Alternativmöglich-keiten erhöht werden. Die historischen Stadt- undOrtskerne könnten je nach Bedarf eine oder meh-rere Gemeinschaftsanlagen initiieren, an denensich interessierte Bürger dann beteiligen können.Vielerorts gibt es dafür schon Vorbilder. So hat dieGemeinde Nottuln in Appelhülsen einen „Fotovol-taik-Park“ errichtet. Denkbar ist auch, dass eineKommune Dächer ihrer eigenen (nicht denkmal-geschützten) Bauten außerhalb der historischenStadt- und Ortskerne zur Verfügung stellt.Man muss zugeben, dass diese Fragen bei Solar-thermie-Anlagen möglicherweise anders zu stel-len sind als bei Fotovoltaik-Anlagen. Die optischeWirkung der bei dieser Technik meist eingesetz-ten Flachkollektoren ist wegen des vergleichba-ren Materials, wegen ihrer Farbigkeit und wegender glatten Abdeckplatte aus Glas zwar sehr ähn-lich wie bei den Fotovoltaik-Anlagen, aber in al-

ler Regel werden nicht so viele Elemente benötigtund sie werden meist zur Versorgung des eigenenHauses eingesetzt, weshalb eine entfernte Auf-stellung nicht möglich ist. Im Effekt muss manDacheinbau- und Dachaufbau-Flachkollektorenwie aneinandergereihte Dachflächenfenster be-urteilen. In den historischen Stadt- und Ortsker-nen werden Dachflächenfenster schon seit lan-gem ganz selbstverständlich als verfremdendesElement abgelehnt und allenfalls ausnahmsweisezugelassen. Das Anliegen, die Kosten für Heizungund Brauchwasser zu reduzieren, ist aber durch-aus berechtigt. Den Verzicht auf Solarthermie-Anlagen muss man also durch Aufzeigen von Al-ternativen zumutbar machen, wofür u.a. Wärme-pumpenheizungen in Frage kommen.Zusammenfassend wird man festhalten müssen,dass Solaranlagen die speziellen Alleinstellungs-merkmale der historischen Stadt- und Ortskernewirklich ernsthaft gefährden können. Hierübergibt es keinen Zweifel, und es dürfte auch kaummöglich sein, Kompromisslösungen etwa in Formvon Flächenreduzierungen, Verschiebung derElemente o.ä. zu finden. Da der Druck auf Eigen-tümer wie Erlaubnisbehörden aber sehr hoch ist,wird man Konflikte wohl nur vermeiden können,wenn realistische Alternativen entwickelt undaufgezeigt werden. Hinzukommen muss eine in-dividuelle Betrachtung der energetischen Bilanzder jeweiligen Häuser und der Nutzungsbedürf-nisse ihrer Bewohner. Es ist also eine qualifizierteund unabhängige Beratung der Eigentümer not-wendig, die von der Arbeitsgemeinschaft organi-siert und unterhalten werden könnte. Zöge mannun ein Fazit, so dürften die historischen Stadt-und Ortskerne damit eine realistische Chance ha-ben, den speziellen Herausforderungen zu begeg-nen, die in nächster Zeit durch Energiepreisstei-gerungen und das unabweisbare Gebot der Res-sourcenschonung auf uns zukommen – und dabeitrotzdem ihre besonderen Qualitäten zu bewah-ren.

Literatur

http://www.hist-stadt.nrw.de/; http://www.nottuln.de/foto

voltaik.htm. – Felicitas Buch, Solaranlagen in Gesamtanla-

gen. Eine Einführung in die Problematik. In: Denkmalpflege

in Baden-Württemberg 33 (2004), S.169–174. – Historische

Stadt- und Ortskerne in Nordrhein-Westfalen. Eine Doku-

mentation. Hg.v. Ministerium für Stadtentwicklung, Kultur

und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf

1995. – Walter Ollenik, Bauen im Bestand – Denkmalpflege

zwischen Rekonstruktion und Moderne. Dokumentation der

Fachtagung vom 29. August 2007 in Arnsberg. 2008. –

Bernd H. Schulte, Solaranlagen und Denkmalschutz, in:

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter 1 (2008), 1–7. –

Octavia Zanger, Solaranlagen auf Baudenkmälern?, in:

Denkmalpflege im Rheinland 24 (2007), S.33–35.

Bildnachweis

LWL-Amt für Denkmalpflege in Westfalen (Brückner).

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1. Der Umweltschutz ist eine wesentlicheWurzel des Denkmalschutzes.Bei der Diskussion um die Einbeziehung der Kul-turdenkmäler in eine effizientere Nutzung vonEnergie scheint die Reform der denkmalpflegeri-schen Prinzipien um 1900 vergessen, bei der sichdamals das Bewusstsein durchsetzte, „wie engdie Anliegen des Naturschutzes mit denen derDenkmalpflege verknüpft sind.“ (Achim Hubel,Denkmalpflege: Geschichte, Themen, Aufgaben.Stuttgart 2006, S.290) Vergessen ist auch die Tat-sache, dass „bis zum Ende des 19.Jahrhundertsalle Häuser aus Materialien gebaut wurden, dieweitgehend den Kriterien eines ‚Öko-Hauses‘ ent-sprechen“ (ebda., S.296) und die reparatur-freundlich sind. Bei der Energieoptimierung liegtder Fokus auf dem laufenden Gebäudebetrieb,nicht auf Herstellung, nicht auf Abbruch oder dendamit einhergehenden Stoffkreisläufen und Ener-gieaufwendungen. Das ureigene Interesse vonuns Konservatoren heißt Eingriffsminimierung.Es ist geradezu als Paradoxon zu bewerten, dasssich der denkmalpflegerische Grundsatz der Res-sourcenschonung dem Druck der Energieeffi-zienz im Gebäudebetrieb nach EnEV ausgesetztsieht.

2. Denkmalschutz geschieht auf derGrundlage gesetzlicher Bestimmungen.Man kann auch bei Rot über die Ampel fahren,um Energie zu sparen. Beide Energieeinsparfel-der, Verkehr wie Bauen, unterliegen gesetzlichverankerten Regelwerken. Wer bei Rot über dieAmpel fährt, riskiert neben seiner eigenen undanderer Gesundheit auch ein saftiges Bußgeldund Fahrverbot. Wer sein Haus dämmt, riskiertdessen Gestaltverlust, wer es nach den Regelnder Energieeinsparverordnung EnEV 2007 nichtdämmt, der riskiert ein saftiges Bußgeld. Wer einKulturdenkmal oder sonstige schützenswerteBausubstanz hat und nicht genug dämmt, dermuss dem Verordnungsgeber nachweisen, dasser es unterlässt aus Gründen mangelnder Wirt-schaftlichkeit, der Beeinträchtigung von Substanz

und/oder dem Erscheinungsbild des geschütztenObjektes.

3. Bei Denkmälern erfordern Maßnahmen zurEnergieeffizienz besondere Rücksichtnahme.Der Ausnahmeparagraph der Energieeinsparver-ordnungen 2002 wie 2007 wie 2009 räumt ein,dass bei Baudenkmälern und sonstiger erhal-tenswerter Bausubstanz besondere Rücksicht-nahme zu treffen ist, wenn Maßnahmen zur Stei-gerung der Energieeffizienz die Substanzund/oder das Erscheinungsbild beeinträchtigen.Ob der Tatbestand einer Beeinträchtigung imSinne einer Ausnahmegewährung vorliegt, darü-ber haben nach Novellierung der Energieeinspar-verordnung die Fachbehörden untereinander zubefinden. Diese Regelung halten wir für gut, jafür wesentlich besser als die vorherige und demDenkmalschutzbelang angemessen. Denkmal-pflegerische Auflagen spiegeln die Abwehr ge-genüber beeinträchtigenden Maßnahmen wider,denn „angesichts des hohen Ranges des Denk-malschutzes und im Blick auf Art.14 Abs.2 Satz2GG muss der Eigentümer es grundsätzlich hin-nehmen, dass ihm möglicherweise eine rentab-lere Nutzung des Grundstücks verwehrt wird.Art.14 Abs.1 GG schützt nicht die einträglichsteNutzung des Eigentums.“ (zitiert nach BerndH. Schulte, Solaranlagen und Denkmalschutz,in: Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter1/2008, S.2)

4. Energieberatung statt Energieausweisfür Denkmäler!Wir Denkmalpfleger begrüßen sehr, dass derEnergieausweis nach §16 für Baudenkmälernicht verbindlich eingeführt worden ist, da er dendenkmalpflegerischen Belangen nicht gerecht ge-worden und der notwendigen fachlichen Über-prüfung des Anspruchs des Denkmalschutzes ge-genüber dem Klimaschutz zuwidergelaufenwäre. Abgesehen davon existieren bei den Soft-wareprogrammen wohl reale Unzulänglichkei-ten, lassen sich z.B. gemessener Verbrauch und

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Roswitha Kaiser

Stehen Denkmalschutzauflagenim Widerspruch zur Energieeffizienz?Im Rahmen des Kongresses „Herausforderung Energieeffizienz für Denkmalschutz undStadtumbau“, veranstaltet vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklunganlässlich der Denkmalmesse Leipzig am 20. November 2008, wurde der hier abgedruckteVortrag seitens der Vertreterin des Arbeitskreises Bautechnik der Vereinigung der Landes-denkmalpfleger gehalten. Er stellt sich der im Titel wiedergegebenen Frage des Veranstal-ters und versucht, mit kurzgefassten 10 Thesen eine Grundsatzposition der Denkmalpflegezur klimapolitisch begründeten Herausforderung zur Verbesserung der Energieeffizienz imgeschützten Gebäudebestand zu formulieren.

Die Antwort auf die oben gestellte Frage lautet: NEIN! Dazu 10 STANDPUNKTE

errechneter Bedarf an Energie nicht in Deckungbringen. Über die Unzulänglichkeiten der An-wender – besonders bei der Umsetzung derDIN18599 – möchte ich erst gar nicht reden.Nach wie vor benötigen wir mehr denn je eineEnergieberatung für die Baudenkmäler und kei-nen Kurzausweis. Die denkmalverträglichstenErgebnisse der energetischen Gebäudesanierungbeim geschützten Bestand sind dann zu verzeich-nen, wenn es gelingt, alle an einer MaßnahmeBeteiligten im Vorfeld an einen Tisch zu holenund ein gemeinsames Konzept für die praktischeUmsetzung zu erarbeiten. Nur die Vereinbarkeitvon Maßnahmen energetischer Gebäudesanie-rung mit gleichzeitig oder zuvor öffentlich geför-derten Denkmalpflegemaßnahmen ist volkswirt-schaftlich sinnvoll und nur eine nachhaltige Be-währung von baulichen Eingriffen für die be-triebliche Energieeinsparung bürgt für realewirtschaftliche Amortisation. Stichwort: Bau-schadensbericht der Bundesregierung (abge-schafft).

5. Denkmalpflegerisches Ziel im Einzelfallist der Kompromiss – auch in Fragen derEnergieeffizienz.Das eingetragene Denkmal braucht „nicht stetsunverändert erhalten zu bleiben. Der Eigentümeroder Nutzungsberechtigte kann vielmehr eine Er-laubnis beantragen, Substanz oder Erscheinungs-bild des Denkmals zu verändern, so auch für bau-liche oder anlagentechnische Maßnahmen derenergetischen Ertüchtigung. Stehen der ge-wünschten Veränderung Gründe des Denkmal-schutzes nicht entgegen, ist die Erlaubnis zu er-teilen. Dabei lassen sich – nach der Rechtspre-chung des OVG NRW – die Gründe des Denkmal-schutzes, die die Erteilung der Erlaubnis verhin-dern können, nicht in abstrakter, auf alle denkba-ren Einzelfälle anwendbarer Form benennen,sondern müssen stets aus den Besonderheitendes zur Entscheidung stehenden konkreten Fallesabgeleitet werden. Vorzunehmen ist eine von derQualität des jeweils zu schützenden Denkmalsabhängige Einzelfallprüfung, ob und inwieweitdie Schutzzwecke des Denkmalschutzgesetzesdurch die in Rede stehende Maßnahme bezogenauf das konkret betroffene Denkmal gestört odervereitelt werden könnten … Nicht schon jede ge-ringfügige Beeinträchtigung denkmalrechtlicherBelange kann deshalb zur Verweigerung einerbeantragten Erlaubnis … führen … (Denkmal-pflege) verfolgt das Ziel, den Eigentümern trotzder ihnen auferlegten Einschränkungen eine fle-xible, profitable und zeitgerechte Nutzung desDenkmals im Rahmen des denkmalrechtlich Ver-tretbaren zu ermöglichen.“ (Schulte, S.3–4) Esversteht sich daher von selbst, dass der Denkmal-schutzbelang in der täglichen Arbeit nicht absolutgesetzt werden kann. Unser Ziel im denkmalpfle-gerischen Alltag ist der Kompromiss, der in der

Abwägung der unterschiedlichen Belange, auchin der Diskussion um den öffentlichen Belang desKlimaschutzes beim Kulturdenkmal, gefundenwird.

6. Denkmalschutz steht für Ressourcen-schonung. Nachhaltigkeit erfordert Langzeit-erfahrung.In gewisser Weise fungiert die Denkmalpflege ak-tuell als Seismograph für das, was beim gewach-senen Baubestand allgemein geht und was nichtgeht. Je höher die Anforderungen der EnEV andie wärmeübertragenden Umfassungsbauteilevon Gebäuden werden, desto größer wird derZwang zur Perfektionierung. Wo aber die Voraus-setzungen im Bestand lückenhaft sind, drohtganz allgemein das Scheitern in der Praxis. DasPostulat der Langzeiterfahrung von Sanierungs-methoden treibt uns Denkmalpfleger schon seitDekaden um. Im Alltag sind wir oft Sachverstän-dige für Bauschäden. Zu dichte Anstriche, das be-rühmt-berüchtigte Beta-Verfahren, verschim-melte Dämmschichten und viele andere Kaprio-len neuzeitlicher Sanierungsmethoden begleitenuns auf Schritt und Tritt. Unsere Forderung be-zieht sich daher getreu der Parole Weniger istMehr auf den Nachweis der fehlertoleranten, dergutmütigen Baupraxis mit dem Ziel der Nachhal-tigkeit. Allzuoft begleiten wir die Sanierung derSanierung. Lieber 6cm richtige als 20cm falscheDämmschichtdicke möchte man dem Denkmalei-gentümer ans Herz legen. Die reale Investitions-begrenzung ist ohnehin dessen Portemonnaie.

7. Gefragt ist das sinnvolle Maßder Energieeffizienz beim Denkmal.Wir Deutschen sind ein normengläubiges Volk.Wenn für die Außenwand im Bestand per Verord-nung ein U-Wert von 0,45W/m²K gefordert wird,dann wollen wir 0,45. Wird demnächst 0,35 perVerordnung gefordert, dann wollen wir eben0,35W/m²K, auch wenn die Physik uns formelhaftmit der Hyperbelkurve veranschaulicht, dass vielmehr nicht viel mehr bringt, was die Beziehungzwischen Dämmschichtdicke und Dämmwirkunganbelangt. Der Niedrigenergiehausstandardbeim Bestandsgebäude ab 2009 wird ohne künst-liche Belüftung bauklimatisch nicht funktionie-ren. Das bedeutet weitere Eingriffe. Das bedeutetAbhängigkeit von ständiger Stromversorgung.Auf der anderen Seite gibt es das ungehobeneEinsparpotential des Nutzerverhaltens, das fürjedes Grad Raumtemperatur weniger eine Heiz-energieersparnis von 7% (andere sagen 3%, wie-derum andere sagen 6%) bringt. Die EnEV hältarithmetische Lösungen für Standardneubaufällebereit, für die komplizierten Sonderfälle bleibenals Ausweg nur die bürokratische Ausnahmeoder Befreiung. Wir Denkmalpfleger streiten unsum das sinnvolle Maß der energetischen Ertüch-tigung von Baudenkmälern.

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8. Der gesetzliche Auftrag der Denkmalpflegebeinhaltet die sinnvolle Nutzung.Denkmalgeschützte Energieschleudern sind nichtim Interesse der Denkmalpflege, da qua lege diesinnvolle Nutzung von Denkmälern gefordert ist.Ein nicht mehr finanziell sicherzustellender oderklimapolitisch verantwortbarer Betrieb eineszum dauernden Aufenthalt von Menschen ge-dachten Denkmals entzieht dieses jedenfalls imNormalfall einer sinnvollen Nutzung. Reduziertauf die Möglichkeit reiner Anschauung würde einsolches Denkmal ein museales sein. Im Normal-fall ist ein Denkmal kein Museum. Im Normalfallist das Denkmalensemble kein Freilichtmuseum,daher darf der Denkmalbereich auch nicht zumEnergieslum werden.

9. Städtebau und städtebaulicher Denkmal-schutz sind nicht im Fokus der EnEV.Die EnEV beschäftigt sich allein mit dem Einzel-gebäude. Sie beschäftigt sich nicht mit der einzel-nen Wohnung, sie beschäftigt sich auch nicht mitstädtebaulichen Konsequenzen ihrer Umsetzung.Das unterscheidet die Verordnung des Bundeswesentlich von den Inhalten der länderspezifi-schen Denkmalschutzgesetze. Gerade der städte-bauliche Denkmalschutz genießt eine hohe Ak-zeptanz in der Bevölkerung. Städtebaulicher„Denkmalschutz hat die Erhaltung baulicher An-lagen aus historischen Gründen im weitestenSinne im Auge; er will geschichtliche, insbeson-dere städtebauliche Entwicklungen, aber auchallgemein- oder sozialgeschichtliche Ergebnisseund Zeitabschnitte dokumentieren. … Denkmal-schutz und Denkmalpflege zielen darauf, histori-sche Zusammenhänge in Gestalt einer baulichenAnlage … sowie von Straßen-, Platz- und Ortsbil-dern in der Gegenwart zu veranschaulichen.“ (zi-tiert nach Schulte, S.2) Wenn wir Denkmalpflegerheute gefragt werden, warumwir uns zieren, z.B.Solaranlagen in historischen Stadtkernen zuzu-lassen, so müssen wir uns auf die Grundsätze desstädtebaulichen Denkmalschutzes berufen, esgeht nicht um Bodenrecht nach BauGB.Das Bodenrecht bezieht vorhandene Anlagen vonhistorischem Wert in ihrer Bedeutung für einenachhaltige städtebauliche Entwicklung, einedem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozi-algerechte Bodenordnung und eine menschen-würdige Umwelt in seine Regelung ein. Städte-baurecht und Denkmalrecht werden nach mei-nen Erfahrungen von den Verfechtern eines un-eingeschränkten Klimaschutzes im Baubestandleider verwechselt.

10. Denkmalschutz sollte mit der Fragenach dem Einsatz erneuerbarer Energienverknüpft werden.Es gibt einen kleinen aber feinen Unterschiedzwischen Primärenergie und Endenergie, der fürdas Verständnis der EU-Strategie der CO²-Redu-zierung von Bedeutung ist: Brüssel interessiertder Primärenergiebedarf der verschiedenenHeizenergieträger mit unterschiedlichen Anteilenan erneuerbarer Energie, weil die Politik globalden Energiemix zu Gunsten erneuerbarer Res-sourcen ändern muss. Den kostenbewussten Ver-braucher dagegen interessiert die Endenergie,die ihm monatlich für den Betrieb seines Denk-mals in Rechnung gestellt wird. Theoretisch istdas globale Potential regenerativer Energien3078fach ausreichend vorhanden. Uns Deutschekann aus der Satellitenperspektive gegooglet einkleines rotes Marzipan-Schokolade-Quadrat inder Wüste Gobi solarenergiewärmetechnisch er-lösen. Nur, wie kriegen wir die Schokolade hier-her, ohne dass sie schmilzt? Muss die historischeDachlandschaft jetzt zur Photovoltaikwüste wer-den?Ketzerisch gefragt: Müssen Dächer geschützterKulturdenkmäler und Dachlandschaften ge-schützter Denkmalbereiche dafür herhalten, opu-lent geförderte Marktbereiter für eine exportori-entierte industrielle Photovoltaikanlagenproduk-tion zu sein, die hierzulande bezüglich ihrerEnergieausbeute nicht einmal effizient ist? DerEinsatz erneuerbarer Energien beim Baudenk-mal ist ein Aktionsfeld, das breiter gefächert ist,als es die lästige Frage nach der Photovoltaik aufdem Denkmaldach vermuten lässt. Allerdingssind die Investitionen für den Einsatz von nach-wachsenden Rohstoffen für den energetischenGebäudebetrieb hoch, es fehlen mehr dezentraleLösungen auch für historische Stadt- und Orts-kerne. Den brausenden Verkehr hat man in derVergangenheit in teure Tunnel gezwängt, hatUmgehungsstraßen gebaut, die die historischenStadtkerne nicht zerschneiden und die Ziele desstädtebaulichen Denkmalschutzes für Jedermannanschaulich machen. Wo bleiben die großen Lö-sungen für die geschützten Areale? Uns fehlt einSonderprogramm: Konzepte erneuerbarer Ener-gien bei Denkmälern und bei geschützten Ensem-bles.

Der Dialog Denkmalschutz – Energieeffizienzmuss einen ganzheitlichen Blick eröffnen: ZumKlimaschutz gehört die kulturelle Ressourcen-schonung, materiell wie immateriell, weil einDenkmal nicht nur existiert, sondern auch eineBedeutung hat. Wir alle sind es, die ihm diese Be-deutung letztendlich zumessen.

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EinführungAus den verschiedensten Gründen besteht der be-rechtigte Wunsch der Denkmaleigentümer nachenergetischer Verbesserung ihrer Gebäude. Bun-despolitisches Ziel ist die Reduzierung der Emis-sion von Kohlendioxid. Mit der Einsparung diesesklimaschädlichen Gases bei der Erzeugung vonHeizenergie werden nachhaltige Ziele des Um-weltschutzes verfolgt. Daraus resultierend sinddie Anforderungen, die die Energieeinsparver-ordnung vorgibt, in der Novellierung 2007 nocheinmal verschärft worden. Auch bei Nichterfül-lung, wie es bei Baudenkmalen möglich ist, kanndas nachträgliche Dämmen zu einer spürbarenReduzierung der Transmissionswärmeverluste,der Verbesserung der thermischen Behaglichkeitund der Vermeidung von Schimmelpilzbildungführen.Um die Möglichkeiten der Energieeinsparung ei-nes Gebäudes insgesamt zu ermitteln, sind alleBauteile der Gebäudehülle sowie die technischenEinrichtungen zur Erzeugung von Heizwärmeund Warmwasser zu betrachten. Es empfiehltsich also eine Bestandsaufnahme sowie eineEnergiebilanz für das Gebäude zu ermitteln, wo-bei Wärmeverluste, z.B. durch Wärmebrücken,zu berücksichtigen sind. Durch die Erneuerungeiner Heiztherme mit niedrigem Nutzungsgradoder der Umstellung auf einen anderen Energie-träger kann schon in erheblichem Maß Energieeingespart werden, ohne dass Eingriffe in dieBausubstanz nötig sind. Undichte Haus- oderWohnungstüren sowie Wohnraumfenster führenzu unangenehmen Zuglufterscheinungen undstellen einen Abfluss wertvoller Wärmeenergiedar. Hier können einfache und kostengünstigeMaßnahmen weiterhelfen, um Energie einzuspa-ren. Die Ermittlung der größten energetischenSchwachstellen sollte dann zu einem sinnvollenund für das Baudenkmal erlaubnisfähigen Maß-nahmenkonzept führen. Es kann sich bei einerumfassenden Betrachtung herausstellen, dassbereits das nachträgliche Dämmen der unterstenoder obersten Geschossdecke bei ungenutztenKeller- und Dachräumen eine effektive Maß-

nahme für das gesamte Gebäude darstellt, ohnedie Nutzer oder Bewohner von Gebäuden wäh-rend der Ausführung einer solchen Maßnahme zubehindern. Erst nach Ausschöpfung aller mögli-chen kompensativen Maßnahmen ist zu überle-gen, inwieweit eine Außenwanddämmung auf derInnen- oder Außenseite des Baudenkmals mög-lich oder sinnvoll ist. Ist eine Dämmung der Ge-bäudehülle unumgänglich, ist zunächst zu prü-fen, wie der Denkmalwert des Gebäudes begrün-det wird, d.h. die Gründe zur Unterschutzstellungdes Denkmalobjekts sind für die Bewertungdurch die Denkmalbehörden heranzuziehen. Dengeplanten Maßnahmen der Wärmedämmungoder der energetischen Ertüchtigung dürfen ge-mäß §9 Denkmalschutzgesetz des Landes Nord-rhein-Westfalen keine Gründe des Denkmal-schutzes entgegenstehen. Das bedeutet, dass diehistorische Bausubstanz und das charakeristi-sche Erscheinungsbild des jeweiligen Baudenk-mals nicht beeinträchtigt werden. Welche Bau-teile des Gebäudes mit welchen Baustoffen ge-dämmt bzw. nachgerüstet werden können, unter-liegt der Einzelfallprüfung, für die der Eigentü-mer eines Baudenkmals bei der Unteren Denk-malbehörde eine denkmalrechtliche Erlaubniseinholen muss.

Eigenschaften von Außenwänden undDämmstoffenDer Eingriff in das bestehende System eines Ge-bäudes durch nachträgliche Dämmmaßnahmenführt zu einer Veränderung der hygrischen Ver-hältnisse. Es sollten grundsätzlich in der Denk-malpflege oder Altbausanierung erfahrene Pla-ner oder Sachverständige beteiligt werden. Wer-den aus Unkenntnis unverträgliche Materialiensowie Dämmsysteme verwendet, kann es zu meisterst viel zu spät erkannten Durchfeuchtungenund Bauschäden kommen, die dann möglicher-weise schon zu einer Zerstörung wertvoller Bau-substanz geführt haben.Im Folgenden werden neben den wärmetechni-schen Eigenschaften, die im Zusammenhang miteiner nachträglich angebrachten oder eingebau-

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Danae Votteler

Innen oder Außen?Die Möglichkeiten der Wärmedämmung am Baudenkmal

Meist winken die Eigentümer denkmalgeschützter Häuser ab, wenn es um die Wärmedäm-mung geht, da sie wissen, dass die Erhaltung des Erscheinungsbildes eines Baudenkmaleszu den erklärten Zielen der Denkmalpflege gehört. Also meinen sie, dass Dämmen grund-sätzlich unmöglich sei. Dass es dennoch erfolgreiche Möglichkeiten der Innendämmunggibt, entgegen der althergebrachten Vorurteile, dass nur die Außendämmung bauphysika-lisch richtig ist, soll der folgende Text zeigen. Unter Beachtung einiger Hinweise ist die häufigkritisierte Innendämmung eine gute Alternative. Die dritte, jedoch seltene Einsatzmöglichkeitder Dämmung bei Bestandsbauten bildet die sogenannte Kerndämmung, eine Dämmung imInneren des Bauteils. Diese Variante stellt das Einblasen eines losen Dämmstoffes in Hohl-räume von Wänden und Decken dar.

ten Dämmung stehen, auch feuchtetechnischeAspekte angesprochen. Neben dem Feuchtig-keitsschutz durch Regen von außen muss dieBausubstanz auch gegen Feuchte von den Innen-räumen her geschützt werden. Warme Innen-raumluft weist einen größeren Gehalt an Wasser-dampf auf als kältere, die je nach vorhandenemTemperaturgefälle auf der Wandinnenseite oderim Inneren des Bauteils als Kondensat ausfallenkann. Aus diesem Grund sind die komplexen bau-physikalischen Prozesse der Wandkonstruktio-nen sowie das Heiz- und Lüftverhalten der Nutzerzu berücksichtigen und zu bewerten. Neu entwi-ckelte computergestützte Berechnungsverfahrenkönnen nichtstationäre Verhältnisse berücksich-tigen, um zu einer hygrothermischen Beurteilungzu gelangen.Kapillaraktive und dampfdiffusionsoffene Eigen-schaften von Dämm- und Wandbaustoffen bietenden Vorteil, Wasser in zwei Aggregatzuständenals Feuchtigkeit oder als Dampf im Bauteil wei-terzuleiten, so dass die Feuchtigkeit bis an dieOberfläche der Wand gelangt und abtrocknenkann. Je nach vorhandenem Dampfdruckgefälle,welches von den jahreszeitlich unterschiedlichenTemperaturen abhängt, findet die Austrocknungnach außen oder zur Innenseite der Wand hinstatt.Folgende Grundsätze sind bei allen Dämmmaß-nahmen an Außenwänden zu beachten:– Undichtigkeiten auf der Innenseite der Außen-wand vermeiden – Konvektionsvorgänge füh-ren zum erhöhten Eintrag von dampfförmigerFeuchtigkeit in die Konstruktion.

– Undichtigkeiten auf den Fassadenseiten mitSchlagregenbeanspruchung vermeiden.

– Hohlräume zwischen unterschiedlichenSchichten im Wandaufbau vermeiden – hierkann es zur Kondensatbildung kommen unddie Kapillarität der Wand ist unterbrochen, umFeuchtigkeit weiterzuleiten.

– Feuchteeintrag während der Bauzeit geringhalten und die vollständige Austrocknung derBaufeuchte gewährleisten.

– Ausfachungsmaterialien für Fachwerkkon-struktionen sollten einen ähnlichen Wärme-durchlasswiderstand wie das Holzwerk aufwei-sen, um eine erhöhte Feuchtebelastung desHolzes zu vermeiden.

– Absperrende Materialien bei Putzen, Verklei-dungen sowie Anstrichen auf der Innen- undAußenseite der Außenwände vermeiden.

– Die WTA-Merkblätter1 zur Fachwerkinstand-setzung sollten Beachtung finden.

– Wärmebrückenbildung bei nachträglicherDämmung beachten. In die Außenwände ein-bindende Bauteile wie Wände und Decken kön-nenWärmebrücken bilden, so dass Kondensatez.B. zu Fäulnisschäden oder Schimmelbildungführen können.

Dämmstoffe in ihrer angebotenen Material-und FormenvielfaltEine Auswahl an den gebräuchlichsten Dämm-stoffen2:

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Anorganische Dämmstoffe

Lieferform Wärmeleitfähigkeit λ Wasserdampfdiffusions-[W/(m·K)]3 widerstandszahl µ4

synthetisch Mineralfaser- Matten, Platten, 0,035–0,045 1–2dämmstoff Rollen (Klemmfilze),(Glas- oder Einblas- oderSteinwolle) Stopfware

Schaumglas, Platten 0,040–0,060 ∞ (dampfdicht)Schaumglas- Granulatschotter (Schüttung)

Blähglas 0,070–0,093 1–5

Kalziumsilikat Platten 0,045–0,065 3–20(-schaum)

Mineralische Platten 0,040–0,045 3–5Dämmplatte

natürlich Blähperlit Granulat 0,045–0,070 3–5(Schüttung),Platten

Blähton Granulat 0,085–0,10 2–8(Schüttung)

Einer der verbreitetsten Dämmstoffe ist die Mine-ralfaser, die als Glas- oder Steinwolle angebotenwird und häufig als Zwischensparrendämmungzum Einsatz kommt. Natürliche und nachwach-sende Ersatzstoffe sind Fasern aus Holz, Flachsoder Hanf. Ein bereits seit 1908 hergestellterDämmstoff ist Holzwolle, bekannt als Holzwolle-leichtbauplatte (HWL), die zement- oder magne-sitgebunden ist, aber geringe wärmedämmendeEigenschaften besitzt. Als Granulat angeboteneDämmstoffe können in vorhandene Hohlräumevon z.B. zweischaligem Mauerwerk oder Deckeneingeblasen werden. Trockenbaukonstruktionenals Innen- oder Außendämmung sowie alsSchrägdachdämmung können ebenfalls mit lo-sem Dämmstoff z.B. den Zellulosefasern verfülltwerden. Geblähte oder extrudierte Granulate na-türlicher (Perlite, expandiertes Vulkangestein,Ton oder Bims) oder synthetischer (expandiertesPolystyrol) Herkunft finden sich häufig als Zu-schlagstoffe von wärmedämmendem Putz wieder.Geschäumte Dämmstoffe wie Polystyrol- oder Po-lyurethan werden als Platten zum Dämmen ver-schiedenster Bauteile angewendet (z.B. Perime-ter- und Flachdachdämmung). Häufig werden siefür Wärmedämmverbundsysteme im Außen-wandbereich genutzt. Glasschaumschotter oderSchaumglas ist geschäumtes Glas und eignet sichsehr gut für erdberührte Bauteile, da dieses Ma-terial zugleich als kapillarbrechende Schicht ein-gesetzt werden kann. Weniger gebräuchlich sindKork, Baumwolle, Schafwolle, Schilf und Strohsowie diverse Kunstharzschäume. Einen genaue-ren Überblick bietet die einschlägige Literatur.Die organischen Dämmstoffe aus nachwachsen-den Rohstoffen bilden im gesamten Dämmstoff-markt nur einen sehr kleinen Anteil, haben aberden Vorteil, dass sie CO²-neutral sind und für ihreHerstellung wenig Primärenergie verbrauchtwird. Bei energieaufwändig hergestellten Dämm-stoffen (z.B. Steinwolle) und Materialien deren

Ausgangsstoff Erdöl ist (z.B. Polystyrol), werdenzwar Energiekosten während der Betriebszeitdes Gebäudes eingespart, die Nachhaltigkeit ih-rer Anwendung im Sinne einer Ressourcenscho-nung ist aber in Frage zu stellen.

Die Möglichkeiten der AußendämmungDa bei den meisten Baudenkmälern das äußereErscheinungsbild, also die Ausbildung, Gliede-rung und Gestaltung der Fassade oder der sicht-baren Baukonstruktion zu den charakteristischenMerkmalen zählt, ist eine außen angebrachteWärmedämmung nur in den seltensten Fällenmöglich, auch wenn sie aus bauphysikalischenGründen am sinnvollsten ist. Gestaltungsele-mente auf den Fassaden würden durch Dämm-maßnahmen optisch verloren gehen. Durch au-ßen aufgebrachte Dämmpakete ändern sich dieProportionsverhältnisse der Anschlüsse vonFenstern, Sockel, Traufe oder Ortgang empfind-lich, was zu einer Beeinträchtigung des Erschei-nungsbildes führen kann.Wärmedämmputz außen: Verputzte Fassadenohne Stuckapplikationen können, sofern der vor-handene Putz keine Denkmalwertigkeit aufweist,mit einem Wärmedämmputz versehen werden.Die meisten Wärmedämmputze werden als Un-terputze in unterschiedlichen Stärken, eventuellauch mehrlagig, aufgebracht. Die gewünschteOberflächengestaltung erfolgt durch den an-schließend aufzubringenden Oberputz. Minerali-sche Putzsysteme bieten den Vorteil der Kapillar-aktivität, also einer günstigen Wasserleitfähigkeitdes Baustoffs, um anfallende Feuchtigkeit an dieFassadenoberfläche zu führen. Bei vorhandenenmassiven Wandkonstruktionen aus Ziegelmauer-werk oder Naturstein ergänzen mineralischePutze den homogenen Wandaufbau.5

Hinterlüftete Fassade mit Wärmedämmung: SindFassaden verkleidet, kann eine Dämmung auf dieWandkonstruktion hinter der Verkleidung ange-

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Organische Dämmstoffe

Lieferform Wärmeleitfähigkeit λ Wasserdampfdiffusions-[W/(m·K)]3 widerstandszahl µ4

synthetisch Polystyrol Platten, 0,030–0,040 EPS 20–100(expandiert EPS, Einblasware XPS 80–200extrudiert XPS)

Polyurethan Platten 0,024–0,030 30–200

natürlich Holzwolle Platten 0,090 2–5

Holzfasern Platten, Matten, 0,040–0,090 5–10Einblas- oderStopfware

Zellulosefasern Flocken 0,040–0,045 1–2(Einblasware),Platten

Flachs Matten, Rollen, 0,037–0,045 1–2Hanf Einblas- oder 0,040–0,050

Stopfware

bracht werden. Dieses Material, welches vorzugs-weise aus einem feuchtestabilen, diffusionsoffe-nen Dämmstoff in Platten- oder Mattenform be-steht (meistens ein Faserdämmstoff), darf nureine geringe Stärke aufweisen, damit sich die An-schlüsse am Sockel, den Fenstern, der Traufe unddem Ortgang nicht auffallend verändern. Die hin-terlüftete Verkleidung aus regional typischen Ma-terialien wie Schieferschablonen, Holzbretternoder -schindeln, aber auch Blechplatten sowieSandsteintafeln, findet sich meist an Fachwerk-häusern und gewährleistet eine Abtrocknung vonFeuchtigkeit aus der Außenwand. Um eine Fach-werkwand dauerhaft vor Witterungseinflüssendurch Schlagregen zu schützen, empfiehlt sichauf der wetterzugewandten Seite eine Verklei-dung anzubringen. Daher ist die Abnahme tra-dierter Verputze und Verkleidungen, um eineFachwerksichtigkeit zu erreichen, grundsätzlichabzulehnen. In Regionen mit hoher Schlagregen-beanspruchung der Gruppe III haben sich inWestfalen-Lippe meist Fassadenbekleidungenmit den genannten Materialien, in der Mehrheitals Verschieferungen, durchgesetzt.Wärmedämmverbundsysteme (WDVS): So sinn-voll eine außen aufgebrachte Wärmedämmungaus bauphysikalischen Gründen ist, birgt sie we-sentliche Nachteile. Das authentische Erschei-nungsbild geht durch die erhebliche Dämmstoff-stärke, die diese Systeme mit sich bringen, verlo-ren. Ein weiterer negativer Effekt ist das soge-nannte Leopardenmuster, das entsteht, wenn sichMontageteile und Dübel im Putz abzeichnen. Dieäußere Putzschicht ist durch den Dämmstoff vonder Wandkonstruktion entkoppelt. Die Außen-putze bleiben mangels Wärme aus den innerenBauteilschichten länger kühl und feucht. Beson-ders auf nördlich ausgerichteten und verschatte-ten Fassaden ist es nur eine Frage der Zeit, bisVeralgungen sichtbar werden. Die verbreitetstenDämmstoffe sind aus Polystyrolschäumen oderMineralfasern, die mit mineralischen oder orga-nischen Klebern auf die Fassade montiert werdenund zusätzlich oder ausschließlich an die Wandgedübelt werden. Das System aus Dämmstoff undKleber oder Mörtelbett wird anschließend mit ei-nem Putz oder Fliesen, Klinkerriemchen o.ä. ver-kleidet. Zu den als Wärmedämmverbundsystemverwendeten nachwachsenden Materialien zäh-len Hanf oder Schilf. Wegen der großen Material-stärken sind die WDVS an den meisten Denkmal-fassaden nicht akzeptabel. Geschäumte Dämm-stoffe als Kunststoffe sind nicht kapillaraktiv undnicht diffusionsoffen, sperren also die Fassadenach außen ab und verhindern Diffusionsströmevon innen nach außen. Wenn das Abtrocknen vonFeuchtigkeit auf der Innenseite der Wand durchabsperrende Schichten wie z.B. aus Wandfliesen,kunststoffhaltigen Tapeten oder Anstrichen zu-sätzlich erschwert wird, verbleibt die Feuchtig-keit im Bauteil. Verwendung können im Ausnah-

mefall Wärmedämmverbundsysteme an erneuer-ten Außenwandteilen finden, wenn anschließendein Putz aufgebracht wird, der dem Charakterdes Baudenkmals gerecht wird und das erwähnteProblem der Anschlüsse nicht ins Gewicht fällt.Hier sind aber mögliche Wärmebrücken zu be-rücksichtigen, die entstehen können, wenn dieübrigen Außenwände oder angrenzende Bauteileeine höhere Wärmeleitfähigkeit gegenüber dergedämmten Wand aufweisen.

Die InnendämmungDie altbekannte Problematik der Innendämmungliegt in der Gefahr der Unterschreitung der soge-nannten Taupunkttemperatur. In den kälterenSchichten der Außenwand vor der innenseitigenDämmschicht kann es zum Ausfall von Tauwas-ser bzw. Kondensat kommen, welches Bauschä-den verursachen kann, sofern es nicht an dieBauteiloberflächen gelangen und abtrocknenkann. Wandkonstruktionen mit organischen An-teilen, wie die Hölzer der Fachwerkbauten, sindhier besonders gefährdet. Aus diesem Grund istein kapillaraktiver Wandaufbau bzw. die Verwen-dung kapillaraktiver Baustoffe dringend zu emp-fehlen. Feuchte Dämmmaterialien können zu-sätzlich zu einer verminderten Dämmeigenschaftder Wände führen.6

Dämmung von Fachwerkgebäuden mit Lehmbau-stoffen: Überzeugungsarbeit für den BaustoffLehm müssen die Denkmalpfleger nur noch inden seltensten Fällen leisten. Inzwischen habensich die diversen Möglichkeiten der Wandaufbau-ten mit Lehmbaustoffen allgemein durchgesetzt.Die Hersteller bieten eine Vielzahl von Möglich-

74

1 Innendämmung mit Leichtlehm und Wandheizung in

einem Fachwerkhaus. 2009.

keiten an, die bestehende Wandkonstruktion vonFachwerk- oder Bruchsteinbauten thermisch auf-zuwerten. Die erdfeuchten Lehme und Lehm-putze werden in Big Bags vor der Haustür derDenkmaleigentümer abgesetzt, so dass diesenicht mehr gezwungen sind, den Lehm im eige-nen Garten zu ergraben um ihn dann bedarfsge-recht mit Sand abzumagern. Selbst Baulaien kön-nen heute Lehmausfachungen und Lehmputzeselbst herstellen. Dazu sind verschiedene Varian-ten möglich, eine Wärmedämmung aus Lehm-baustoffen auf der Innenseite der Außenwand zumontieren:– Einstampfen einer Leichtlehmschüttung mitZuschlagstoffen, z.B. Holzhäckseln, zwischeneiner Lattung, die am Fachwerk befestigt wird.Als Schalung dient Schilfrohrgewebe, das an-schließend den Putzträger bildet.

– Aufbringen von Dämmplatten, meist Holz-weichfaserplatten, die in ein Mörtelbett ausLehm eingedrückt werden.

– Vormauern einer Innenschale aus Leichtlehm-steinen.

Lehmbaustoffe und Dämmplatten aus Holzfasernvereinen die Anforderungen, die an kapillarak-tive und dampfdiffusionsoffene Baustoffe gestelltwerden. Bewährt haben sich in Verbindung mitInnendämmungen aus Lehm Wandheizungenoder Temperiersysteme, bei denen Heizschlan-gen in eine Lehmpackung eingebettet werden, diemit Lehmputzen bedeckt wird.Innendämmung mit mineralischen Dämmplattenund Kalziumsilikat: Neben den seit einigen Jah-ren bekannten und erprobten Kalziumsilikatplat-ten gibt es weitere mineralische Materialkompo-sitionen, die als feste Mineraldämmplatten für dieInnendämmung angeboten werden. Diesen Bau-stoffen ist gemein, dass sie die thermischen Ei-genschaften von Außenwänden erheblich verbes-sern. Mit herkömmlichen Dämmstoffen lässt sichKalziumsilikat in der Wirkungsweise nicht ver-gleichen. Das Erreichen der in der EnEV vorge-gebenen Werte ist unsicher, für den Denkmalbe-

stand auch nicht notwendig. Die mineralischenDämmplatten schneiden im Vergleich der Wär-meleitfähigkeiten etwas besser ab. VerschiedeneUntersuchungen mit Kalziumsilikatplatten habengezeigt, dass sich die Wärmedurchgangswertevon massiven Wandkonstruktionen nahezu hal-bieren lassen.7 Ihr Vorteil liegt in ihren kapillar-aktiven und dampfdiffusionsoffenen Eigenschaf-ten sowie der einfachen Montage mittels einesvollflächig aufgebrachten mineralischen Kleb-mörtels. Der Untergrund dazu muss eben seinoder wird mit einem Ausgleichmörtel überzogen,damit die Platten hohlraumfrei montiert werdenkönnen. Daher lassen sich Kalziumsilikatplattenund mineralische Dämmplatten sehr gut im Ge-bäudebestand verwenden und sind besonders imBereich der Denkmalpflege zu empfehlen. MitStärken ab 25mm verkleinern sie nur unwesent-lich die Innenräume. Nachteilig wirkt sich aus,dass Fußleisten versetzt werden müssen und zurVermeidung von Wärmebrücken an in die Außen-wand einbindenden Innenwänden und Deckenzusätzliche Übergangsbereiche mit eingedämmtwerden müssen. Kalziumsilikatplatten bestehenim Wesentlichen aus zelluloseverstärktem Kal-zium- oder Siliziumoxid. Die mineralische Dämm-platte wird aus Kalk, Zement, Quarzsand (Silizi-umdioxid) in porosierter Form hergestellt. Lehm-anteile können auch enthalten sein. Die sich da-raus ergebenden alkalischen Eigenschaften (ho-her ph-Wert) wirken sich hemmend gegenüberder Schimmelpilzbildung aus. Aufgrund der fei-nen kristallinen Struktur besitzen Kalziumsilikat-platten sehr gute Feuchtespeichereigenschaften.Angemerkt sei noch, dass das Glaserverfahren

75

3 Innendämmung mit Holzweichfaserplatten im Mörtelbett

in einem Fachwerkhaus. 2009.

2 Innendämmung mit Leichtlehm und Holzhäckseln

zwischen Holzlatten eingebracht. 2009.

zur Berechnung der Tauwassermenge für dieVerwendung von Kalziumsilikatplatten ungeeig-net ist. Die mit dem Glaserverfahren errechneteKondensatmenge ist höher als die Trocknungs-mengen, da der Kapillartransport unberücksich-tigt bleibt.8 Zur Vermeidung von Kondensatbil-dung in den inneren Bauteilschichten sollte derWärmedurchlasswiderstand der Innendämmung0,8m²K/W nicht übersteigen. Um die Austrock-nung von Feuchtigkeiten nach innen zu gewähr-leisten, sollte die diffusionsäquivalente Luft-schichtdicke der innenliegenden Schichten (sd-Wert) im Rahmen von 0,5 bis 2,0m bewegen.9

Gefahren bei Wandaufbautenmit innenseitiger DampfbremseUm innenseitig aufgebrachte nicht diffusionsof-fene und nicht kapillaraktive Dämmstoffe sowiedie gesamte Wandkonstruktion vor Feuchtigkeitdurch Wasserdampf aus der Raumluft zu schüt-zen, werden häufig Wandaufbauten gewählt, dieauf der Rauminnenseite mit einer Dampfbremseversehen werden müssen. Eine theoretisch bau-physikalisch richtige Konstruktion, die aber miterheblichen Gefahren verbunden ist. Undichtig-keiten lassen sich auf Grund von Verarbeitungs-fehlern, Perforationen durch Installationsöffnun-gen und nachträgliche Montagen kaum vermei-den. Konvektionsströme leiten in diese undichtenBereiche erhebliche Mengen Wasserdampf in dieWandkonstruktion, die zu Bauschäden führenkönnen. Insbesondere sind Fachwerkkonstruk-tionen durch den großen Anteil an Holz gefähr-det, eine Dichtigkeit in den Anschlüssen ist kaumzu erreichen. Die Dampfbremse verhindert au-ßerdem das Austrocknen von Bauteilfeuchtigkei-ten in die Innenräume, so dass ein Feuchtetrans-port nur noch nach außen stattfinden kann. Hin-terlüftete Fassaden und Luftschichten unterhalbder Dacheindeckungen bieten hier größere Si-cherheit als unbelüftete Aufbauten. Zementputzeund absperrend wirkende Kunststofffarben aufder Fassade behindern ein Austrocknen nach au-ßen hin. Der Wandaufbau mit innenliegenderDampfsperre und den in Trockenbauweise innen-seitig meist verwendeten Gipskartonplatten be-sitzt keine absorbierenden Eigenschaften fürWasserdampf aus der Luft.Eine Weiterentwicklung der Dampfsperre oder-bremse ist die sogenannte feuchteadaptiveDampfbremse mit einem variablen Diffusionswi-derstand (sd-Wert). Die Durchlässigkeit für Was-serdampf soll anfallendes Kondensat im Winterzu einer Austrocknung in den Sommermonatenführen. Wie bei allen Kunststoffen ist die Lebens-dauer und damit die dauerhafte Funktionsfähig-keit dieser speziellen Dampfbremse ungewiss.Positive Ergebnisse wurden bei einem Freiland-versuch an einem Versuchsfachwerkhaus durchdas Fraunhofer Institut für Bauphysik (IBP) inHolzkirchen ermittelt. Eine feuchteadaptive

76

Dampfbremse wurde innenseitig vor einen Mine-ralfaserdämmstoff aufgebracht. Die Schwankun-gen der Holzfeuchte waren während des Jahres-verlaufes gegenüber Konstruktionen ohneDampfbremse sehr gering und kritische Holz-feuchten von über 20Masse-% wurden sogarauch auf der niederschlagsbelasteten Seite ver-mieden. Die feuchteadaptive Dampfbremse för-derte die Austrocknung.10 Langzeitversuche lie-gen hierzu jedoch noch nicht vor.

Anmerkungen

1 Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für

Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege/WTA. Für die Fach-

werkinstandsetzung sind eine Reihe von Merkblättern er-

schienen.

2 Systematik und Angaben der Wärmeleitfähigkeit nach:

Margit Pfundstein u.a. Stuttgart 2007.

3 Die Wärmeleitfähigkeit λ gibt an, wie viel thermische

Energie das Material weiterleitet. Nach DIN4108 gelten

Baustoffe als Dämmstoff, die eine Wärmeleitfähigkeit

≤0,10W/(m·K) aufweisen. Dämmstoffe mit Werten von

0,030–0,050W/(m·K) gelten als gut.

4 Die Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl µ wird für

die Berechnung des Diffusionsverhaltens von Bauteilen he-

rangezogen. Für den dimensionslosen Faktor wird die

Dampfdichtigkeit einer 1m dicken Luftschicht und einer 1m

dicken Materialschicht verglichen.

5 Fachwerkinstandsetzung nach WTAIV: Außenbekleidun-

gen. WTA-Merkblatt E-8-4-00/D, 2.3 Wärmedämmputz. Der

Putz ist mehrlagig mit einer Putzbewehrung auszuführen.

Dämmputzstärken sind nach DIN18550, Teil3 in Stärken

von 20 bis 100mm möglich.

6 Siehe Innendämmung nach WTAI, Planungsleitfaden,

MerkblattE-6-4. Erläuterung der Vor- und Nachteile sowie

Grundlagen der feuchtetechnischen Beurteilung und bau-

physikalischen Auswirkungen von Innendämmsystemen.

7 U. Ruisinger, H. Petzold, J. Grunewald / P. Häupl, Ener-

getische Bewertung von Gebäuden mit raumseitiger Wär-

medämmung aus Calciumsilikat, TU Dresden, Institut für

Bauklimatik, Aufsatz 2004, S.6, Quelle: (www.klima

platte.de/PDF/TU_DD/Energiefachtagung.pdf). Das Institut

für Bauklimatik Dresden hat das analytische Berechnungs-

verfahren COND2002 zur hygrothermischen Beurteilung

von Wandkonstruktionen entwickelt. Das Feuchtespeicher-

und Transportverhalten wird durch ein vereinfachtes Mate-

rialmodell beschrieben.

8 a.a.O. S.13.

9 Fachwerkinstandsetzung nach WTAIV: Außenbekleidun-

gen. WTA-Merkblatt 8-1-96/D, 1.3 Tauwasserschutz

10 M. Krus, u.a. 2009.

Literatur

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werke und Fachwerk. Instandhalten – Erhalten. 1. Schwer-

punkt Wärme- und Feuchteschutz. Stuttgart 2008. – Heike

Böhmer (Bearb.), U-Werte alter Bauteile. Arbeitsunterlagen

zur Rationalisierung wärmeschutztechnischer Berechnun-

gen bei der Modernisierung. Stuttgart. 2005. – Frank Ess-

mann / Jürgen Großmäntel / Gerd Geburtig, Energetische

Sanierung von Fachwerkhäusern. Die richtige Anwendung

der EnEV. Stuttgart 2005. – Wolfgang Lenze, Fachwerkhäu-

ser restaurieren – sanieren – modernisieren. Stuttgart 2005.

– Eckhard Reyer / Kai Schild / Stefan Völkner, Kompendium

der Dämmstoffe. Stuttgart 2001. – Margit Pfundstein / Ro-

land Gellert / Martin Spitzner / Alexander Rudolphi, Dämm-

stoffe. Grundlagen, Materialien, Anwendungen. Stuttgart

2007. – Arbeitsblätter der Vereinigung der Landesdenkmal-

pfleger in der Bundesrepublik Deutschland, Nr.27: Die no-

vellierte Energieeinsparverordnung (EnEV2007). Natur-

dämmstoffe. Bauthema. Stuttgart 2006. – Neue Lösungen

zur energetischen Sanierung von Fachwerkhäusern in: M.

Krus / K. Sedlbauer / C. Fitz: Helmuth Venzmer (Hg.): Euro-

päischer Sanierungskalender 2009. – Fachwerkinstandset-

zung nach WTA. Band1: WTA-Merkblätter 8-1 bis 8-9. Frei-

burg 2001. – Fachwerkinstandsetzung nach WTA. Band2:

Aktuelle Berichte. Stuttgart 2002. – Innendämmung nach

WTA I. Planungsleitfaden. Merkblatt E-6-4. München 2008.

Bildnachweis

LWL-Amt für Denkmalpflege: 1–3 (Votteler).

So war es auch in der 1952 begonnenen Siedlung„Wenscht“ in Siegen-Geisweid. Dort fanden in1400 Wohnungen 6000 Menschen aus ganzDeutschland ein neues Zuhause. Von Interesse isthier der große Bereich dieser Siedlung – „das vor-dere Wenscht“ – der zwischen 1955 und 1960 er-richtet wurde. Dieser Teil ist geprägt durch dasdamals hochmoderne, „organische“ Leitbild. Ini-tiator war der Arbeitsdirektor der Stahlwerke

Südwestfalen, Erich Dudziak, leitender Architektwar Dipl.-Ing. Helmut Erdle.Der Stuttgarter Helmut Erdle (1906–1991) warsechzig Jahre als Architekt tätig. Nach 1945 hatteer sich einen Namen gemacht mit seinen Entwür-fen zum Wiederaufbau der Stadtzentren vonStuttgart, Essen und Friedrichshafen sowiestädtebaulichen Arbeiten z.B. für Kassel, Karls-ruhe, Koblenz, Oberkochen oder Heidenheim. Mit

77

Hans H. Hanke

Laubengang-DämmungDie Laubenganghäuser in der Siedlung „Wenscht“ in Siegen

Nach 1945 entstand die weitaus größte Zahl von Neubauten in geschlossenen Siedlungen.Als überaus hilfreich und wegweisend für die gebaute Zukunft der Bundesrepublik erwiesensich die 1951 bis 1955 gebauten 25 „Marshallplan-Siedlungen“. Bautechnik, Bauausfüh-rung, Bauorganisation und Architektur waren, mit Einschränkungen, von einer bis dahin niegekannten Qualität im sozialen Wohnungsbau. Die Siedlungen zeigten auch städtebaulichsehr hochwertige Ergebnisse.

1 Siegen, Luftaufnahme der Siedlung „Wenscht“ 1957.

dem Neubau der ECA-Siedlung in Reutlingen1951 bis 1953 und der Siedlung Amorbacher Feldin Neckarsulm 1952 bis 1955 setzte Erdle bereitsin den frühen 1950er Jahren überregionalMaßstäbe.Städtebaulich auffallend bei der SiedlungWenscht ist die enge gestalterische Verbunden-heit der Häuser mit umgebenden Teichen und vorallem dem zentralen Park im Albichtal. Das ab-wechslungsreiche Grün zwischen den Häusern istder Schmuck der schlicht-eleganten Bauten.Hinzu kommen Kunstwerke, die mit einer The-menpalette von der Vertreibung über die Heimat-findung in „das Wenscht“ bis hin zur himmlischenErlösung die Bewohner begleiten und inspirierensollten.Fünf Laubenganghäuser am Fichtenweg stellendie größte architektonische Innovation des Pro-jektes dar. Sie bieten interessante Einzelheiten:Durch Wechsel in der Fassadengliederung unddie Stellung der Baukörper werden immer neueEin- und Ausblicke sichtbar. Die Laubenganghäu-ser sind dreigeschossig und weisen pro Stock-werk fünf Wohnungen von jeweils etwa 54m²Wohnfläche auf. Alle Wohnungen sind mit einemBalkon zur Südseite ausgestattet, der mit seinemtrapezförmigen Grundriss ein wichtiges Gestal-tungsmerkmal ist. Die Wohnungen im Erdge-schoss besitzen ebenerdige Eingänge, die ande-ren Wohnungen sind durch Laubengänge er-schlossen, die über zwei Treppenhäuser erreich-bar sind. Drei der Laubenganghäuser tragen anden Stirnseiten der Treppenhäuser große Kratz-

putz-Wandgemälde Adolf Saengers mit den fami-lienorientierten Themen „Garten“, „Spiel“ und„Hausmusik“. Die im Siegerland damals einzigar-tigen Laubengänge wurden schon in der 1960erJahren in Zeitschriften gewürdigt.„Das vordere Wenscht“ ist eine Gartenstadthöchster Qualität. Sie ist eine der letzten gut er-haltenen Siedlungen nach Marshallplan-Musterin NRW und sucht bisher ihresgleichen inDeutschland.Von den denkmalwerten, aber sanierungsbedürf-tigen Laubenganghäusern wurde das Haus Fich-tenweg32–33 als Musterhaus ausgesucht und einKonzept entwickelt, das einen Kompromiss zwi-schen dem Abbruchbegehren der Eigentümerge-sellschaft und den denkmalpflegerischen Ansprü-chen darstellt.Zunächst wurden drei unabhängige Architektur-büros um Gutachten gebeten. Ziel war es, mo-derne und familiengerechte Wohnungszuschnittedurch Maßnahmen im Bestand zu verwirklichen.Alle Büros stellten Lösungen vor, die im Kosten-rahmen von rd.900000 bis 1,3Mio.Euro für die1000m² Wohnfläche / 6000m³ Bruttorauminhaltpro Haus blieben. Es handelte sich um die BürosProf. Dipl.-Ing. Spital-Frenking u. Partner aus Lü-dinghausen, Architekten und Ingenieure Sonntagu. Partner aus Siegen sowie die Dipl.-Ing. Archi-tektin Köster aus Bochum.Ein besonderes Problem stellte dabei die Wärme-dämmung der Laubengänge und auskragendenBalkonplatten dar. Im Vorfeld war sogar disku-tiert worden, ob die Laubengänge entfernt und

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2 Siegen, Siedlung „Wenscht“, Haus mit Laubengang vor der Sanierung 2001.

als aufgeständertes Neubauteil wieder errichtetwerden könnten.Die Büros Sonntag und Köster schlugen einca.10cm dickes äußeres Wärmeverbundsystemaus Dämmung, Putz und Anstrich vor, das BüroSpital-Frenking favorisierte dagegen eine innen-liegende Dämmung mit Lehmkonstruktion undzusätzlichem Temperiersystem. Auch die ande-ren Probleme mit Wohnungsgrößen, -standardsund barrierefreiem Zugang konnten in allen Ent-würfen gelöst werden.Mit dem innenliegenden Dämmsystem hätte sichdie Eigentümergesellschaft einverstanden er-klärt, wenn es ein gleichartiges Referenzobjektgegeben hätte, was aber nicht der Fall war. Kri-tisch betrachtet wurde aber auch die mit der In-nendämmung einhergehende Verkleinerung derohnehin nicht großen Räume.Zur Ausführung der Sanierung kam 2007/08 zu-nächst ein Mischkonzept aus den drei Ergebnis-sen an einem anderen der Laubenganghäuser,dem Fichtenweg20–21. Die Planung setzte einviertes Büro, das des Architekten Vogel aus Sie-gen, um. Verwirklicht wurde u.a. der barriere-freie Zugang über einen vorgestellten Aufzug so-wie 16cm Außendämmung. Hierzu wurde folgen-der Kompromiss gefunden:1. Dachüberstand und -neigung blieben gewahrt.2. Die kleinen asymmetrisch angeordneten Dach-raumöffnungen an den Giebelseiten blieben zu-mindest optisch – nicht unbedingt funktional – er-halten. Das galt auch für andere feingliedrige Öff-nungen z.B. an den Treppenhausaußenwänden.

3. Der Vergrößerung der rückwärtigen Erdge-schoss-Fenster zu Türen im Wohnzimmerbereichsowie deren Sicherung durch Schlagläden oderRollläden wurde zugestimmt. Die Rollladenkäs-ten treten nicht aus der Fassade hervor und ver-kleinern nicht die Fensterflächen gegenüber denursprünglichen Fenstermaßen.4. Eine Vergrößerung der Balkone eventuell auchohne Schrägstellung der Balkonplatten wäre hin-genommen worden, kam aber nicht zur Ausfüh-rung.5. Die Balkonbrüstungen wurden in der Art undFarbigkeit des vorhandenen „Welleternits“ er-neuert.6. Die Dämmummantelung der außenliegendenBodenplatten wurde an den Vorderkanten so aus-gebildet, dass die Massivität durch Vorkragungenund Schattenfugen an den Balkonen sowie einemStabgeländer an den Laubengängen optisch ge-mildert wurde. Es sei angemerkt, dass das ur-sprüngliche Geländer längst verloren war.7. Die Wohnungseingangstüren wurden behin-dertengerecht verbreitert. Die neuen Eingangstü-ren wurden nur in Etwa den ursprünglichen imAussehen angepasst und mit Lichtöffnungen an-gefertigt.8. Die Hauswände mit Kunstwerken wurden nurzwei cm stark gedämmt, die Kunstwerke bliebenaber ausgespart.Im Mai 2008 war das Haus fertiggestellt. Der Auf-zug ist eine klare und passende moderne Er-gänzung. Die Rollladenkästen sind einwandfreiversenkt und unsichtbar – ein geringer Vorteil der

79

3 Siegen, Siedlung „Wenscht“, Haus mit Laubengang nach der Sanierung im Jahre 2008.

Dieter Ansorge (Hg.), Historische Holzbauwerke undFachwerk. Instandsetzen – Erhalten. 1. Schwer-punkt Wärme- und Feuchteschutz. Stuttgart 2008.

Michael Balkowski, Handbuch der Bauerneuerung.Angewandte Bauphysik für die Modernisierung vonWohngebäuden. 2., aktualisierte u. erw. Aufl. Köln2008.

Arne Barth (Red.), Energieeffizientes Bauen. Energyefficient buildings. Stuttgart 2008. (Architektur +Wettbewerbe 214).

Johannes Berner, Solares Bauen. Berlin 2005. (Son-nenenergie 2005; Sonderheft).

Heike Böhmer (Bearb.), U-Werte alter Bauteile.Arbeitsunterlagen zur Rationalisierung wärme-schutztechnischer Berechnungen bei der Moderni-sierung. Stuttgart 2005.

Jörg Böhning, Altbau-Modernisierung kompakt. Die100 wichtigsten Konstruktionen und Anschlüsse fürdas Bauen im Bestand. Köln 2007.

Jürgen Brück, Neue Energiekonzepte für Haus- undWohnungsbesitzer. Mit Checklisten, Spar-Tipps undFörderprogrammen. Berlin [u.a.] 2008. (DIN Rat-geber).

Bundesarbeitskreis Altbauerneuerung e.V. (BAKA)(Hg.), Bauen im Bestand. Schäden, Maßnahmenund Bauteile. Katalog für die Altbauerneuerung; mit51Tabellen. 2., aktualisierte und erw. Aufl. Köln2009.

Die Energie der Nachkriegsmoderne. Von Wärme-brücken, Kühlrippen, Kondenswasser, Energie-effizienz, Revitalisierungskonzepten undDenkmalschutz. Das Tagungsprogramm und der390seitige Tagungsreader auf einer Daten-CD ; der

dicken Dämmung. Das Haus ist mit einer aufwän-digen und denkmalpflegerisch bedenklichen, weilhausdurchgreifenden Technik zur Beheizung so-wie Be- und Entlüftung (Unterflur) ausgestattetworden. Die Baukosten wurden so sicherlich we-sentlich gesteigert. Leider wird diese Kostenstei-gerung grundlos der Denkmalpflege angerech-net. Wärmetechnisch dürfte das Gebäude ziem-lich perfekt sein, zudem sind alle Wohnungen vonMietern begehrt – die künftige Nutzung und Er-haltung sind also gesichert.Dieser Versuch, das erste der fünf Laubengang-häuser zu sanieren, hat demnach gezeigt, dassein Abbruch dieser Häuser unnötig ist. Zu disku-tieren ist aber, wie stark das originale Erschei-nungsbild mit dem Denkmalwert der Häuser ver-knüpft ist. Der Denkmalwert der Laubengang-häusern beruht:1. auf deren Erscheinungsbild,2. auf der städtebaulichen Gruppierung in derhervorragenden Siedlung,3. auf der sehr speziellen Bautechnik – längs ge-spannte Fertigteilbetondecken –,4. auf den damals neuartigen Grundrissen sowie5. auf der Pionier-Architektur in Siegen-Wittgen-stein.

In dieser Abwägung ist ein denkmalpflegerischgut vertretbares Ergebnis erzielt worden, denndie o.a. Gründe 2.–4. für den Denkmalwert sindin der originalen Substanz ablesbar geblieben. ImZusammenhang mit der Substanzerhaltung wares vielleicht sogar falsch, flächenbündige Rollla-denkästen zu fordern, denn dafür mussten dieoriginalen Fensterstürze ausgestemmt werden.Auch der Punkt1 – das bloße Erscheinungsbild –ist gewahrt worden, es fehlt allenfalls an derOberfläche so manche Differenzierung des Origi-nalputzes zwischen körnig und glatt. Die Wah-rung des Erscheinungsbildes ist aber nicht zuletztder Tatsache geschuldet, dass es sich hier von An-fang an um verputzte Bauten handelte. Deren Er-scheinungsbild lässt sich leichter auf eine neueOberfläche übertragen, als es bei verklinkertenBauten der Fall ist.Trotzdem: Dieses in intensiver Diskussion gewon-nene Ergebnis soll für die nächsten Laubengang-häuser im Hinblick auf die Dämmung und dasVerhältnis zum Wert des originalen Erschei-nungsbildes noch einmal überprüft und modifi-ziert werden.

Bildnachweis

Stadt Siegen, Untere Denkmalbehörde: 1. – LWL-Amt für

Denkmalpflege in Westfalen: 2, 3 (Hanke).

80

Sabine Becker

Auswahlbibliographiezu EnergiesparmaßnahmenAus den Beständen unserer Bibliothek haben wir eine Auswahl von Publikationen ab demErscheinungsjahr 2005 zur energetischen Sanierung von historischer Bausubstanz zusam-mengestellt.

DVD-Film zur gleichnamigen Tagung am 17. und18.April 2008 in der Akademie der Künste. 2008.

D. Eschenfelder, (Hg.), Altbausanierung mitmoderner Haustechnik. Gesetzliche Grundlagen,Sanierungskonzepte, ökologische und ökonomi-sche Aspekte. München 2005.

Frank Essmann/Jürgen Gänßmantel/Gerd Geburtig,Energetische Sanierung von Fachwerkhäusern. Dierichtige Anwendung der EnEV. Stuttgart 2005.

Dirk Fanslau-Görlitz u.a., Atlas Bauen im Bestand.Katalog für nachhaltige Modernisierungslösungenim Wohnungsbaubestand. Mit 168 Tabellen. Institutfür Bauforschung e.V. Köln 2008.

Bernd Fischer u.a., Energieausweis und neue EnEV.[Mit allen Änderungen ab 01.10.2007]. Freiburg2007. (WRS aktuell). Beil: 1CD-ROM

Nabil Fouad/Thorsten Richter, Leitfaden Thermo-grafie im Bauwesen. Theorie, Anwendungsgebiete,praktische Umsetzung. 2. unveränd. Aufl. Stuttgart2007.

Jürgen Gänßmantel/Gerd Geburtig/Frank Essmann,EnEV und das Bauen im Bestand. EnergieeffizienteGebäudeinstandsetzung. Berlin 2006.

Georg Giebeler u.a., Atlas Sanierung. Instandhal-tung, Umbau, Ergänzung. 1.Aufl. Basel [u.a.] 2008.

Roberto Gonzalo, Energieeffiziente Architektur.Grundlagen für Planung und Konstruktion. Basel[u.a.] 2006.

Doris Haas-Arndt/Fred Ranft, Altbauten sanieren –Energie sparen. Informationspaket 2., vollst.überarb. Aufl. Berlin 2008. (BINE-Informations-dienst)

Peter Häupl, Bauphysik. Klima, Wärme, Feuchte,Schall ; Grundlagen, Anwendungen, Beispiele.Berlin 2008. Beil: 1CD-ROM

Gerhard Hausladen/Michael de Saldanha/PetraLidl, Petra, ClimaSkin. Konzepte für Gebäudehüllen,die mit weniger Energie mehr leisten. München2006.

Manfred Hegger, Energie-Atlas. Nachhaltige Archi-tektur. 1. Aufl. Basel [u.a.] 2008. (Edition Detail).

Gans-Dieter Hegner (Hg.), Energieausweise für diePraxis. Handbuch für Energieberater, Planer undImmobilienwirtschaft. 1.Aufl. Köln 2008. (Bau,Immobilien, Vergabe).

Rainer Kemner u.a., Wärmebrückenkatalog. Fürden Fensteraustausch im Gebäudebestand. iBatInstituts-Gesellschaft für Betriebs- und Arbeits-technik des Tischlerhandwerks mbH. Hannover2006.

Alfred Kerschberger/Martin Brillinger/MarkusBinder, Energieeffizient sanieren. Mit innovativerTechnik zum Niedrigenergiestandard. 1.Aufl. Berlin2007. Beil: 1CD-ROM.

Thomas Königstein, Ratgeber energiesparendesBauen. Auf den Punkt gebracht. Neutrale Fachinfor-mationen für mehr Energieeffizienz. 4., bearb. underw. Aufl. Taunusstein 2009. (Bau-Rat).

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81

Die Sanierung des Hauses Letmathe –ein BaustellenberichtErste Überlegungen zur Instandsetzung des Hau-ses Letmathe gab es bereits im Jahr 2000. In Zu-sammenarbeit mit dem „Förderverein Haus Let-mathe“ sollte ein Konzept für die Sanierung undNutzung des Gewölbekellers erarbeitet werden. InGesprächen mit möglichen Zuschussgebern unddem LWL-Amt für Denkmalpflege kristallisiertesich schnell heraus, dass das Gebäude wegen sei-ner besonderen Bedeutung zunächst unter bau-historischen Gesichtspunkten betrachtet werdenmüsse. Erst auf der Grundlage einer Gesamtinter-pretation der Befunde könnten in einem weiterenSchritt konkrete Planungen entwickelt werden.Die im Jahr 2002 durchgeführte bauhistorischeUntersuchung brachte überraschende Ergeb-nisse. So konnte rekonstruiert werden, dass das

Schäden bei der energetischen Modernisierung.40.Bausachverständigen-Tag im Rahmen derFrankfurter Bautage 2005. Veranstalter: RKW Ratio-nalisierungsgemeinschaft Bauwesen, Eschborn …Stuttgart 2005.

Christian Schittich (Hg.), Im Detail. Solares Bauen ;Strategien, Visionen, Konzepte. München 2005.

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Helmuth Venzmer (Hg.), Bauphysik und Bausanie-rung. 19. Hanseatische Sanierungstage vom 13. bis15. November 2008 im Ostseebad Heringsdorf,Usedom. Vorträge. 1.Aufl. Stuttgart 2008. (ForumAltbausanierung ; 3).

Helmuth Venzmer (Hg.), Europäischer Sanierungs-kalender 2009. Lehmbau, Holzschutz, Bauten-

schutz, Bauwerksdiagnostik, Sachverständigentä-tigkeit, Restaurierung, Denkmalpflege. Mit CD-ROM. Stuttgart 2009.

Wolfgang Waldschmidt, ABC der Wärmepumpe.Frankfurt am Main [u.a.] 2007.

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Bernhard Weller (Hg.), Energieeffiziente Sanierungvon Baudenkmalen und Nichtwohngebäuden. Ener-gieeinsparung im Gebäudebestand. Forschung undUmsetzung am Beispiel. Vortragsreihe zu Energieund Baudenkmal. Technische Universität Dresden,Fakultät Bauingenieurwesen. Dresden 2007.

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Deutsche Energie-Agentur (DENA):http://www.dena.de/

Baunetz wissen: http://www.baunetzwissen.de/

Denkmalpflege Forum, Arbeitskreis Bautechnik:http://www.denkmalpflege-forum.de/Arbeits-gruppen/Ag2_Neu/body_ag2_neu.html

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Bericht

1 Historische Aufnahme von Haus Letmathe. Postkarte

von 1908.

Gebäude um 1475 von Engelbert III. von demWesthove und seinem Sohn als Wehranlage auftrapezförmigem Grundriss errichtet wurde. Esbestand ursprünglich aus zwei zweigeschossigenBruchsteingebäuden, einem kleinen Hof im Ostensowie einem Torturm im Westen und war von ei-nem Wassergraben umgeben. Eine dendrochro-nologische Untersuchung von Dachsparren er-gab, dass die Hölzer in den Jahren 1471 und 1472gefällt wurden.Nachdem Haus Letmathe 1576 als Erbe an dieFamilie von Brabeck fiel, wurden in den Jahren1579 und 1580 umfassende Umbauarbeitendurchgeführt. Ein Teil des Hofes wurde mit einemQuerflügel überbaut und der Torturm bis zurTraufhöhe der beiden flankierenden Flügel abge-tragen. 1812 gelangte Haus Letmathe durch Ver-kauf an Kaspar Dietrich Pütter und Friedrich Eb-binghaus erstmals in „bürgerliche“ Hände. Diesegingen umgehend daran, das Gebäude im Stil desKlassizismus umzubauen. Der südliche Gebäude-flügel wurde aufgestockt und erhielt in der Mitteder nunmehr symmetrisch gestalteten Schauseiteden neuen Hauptzugang über einer großen, zwei-läufigen Freitreppe. Auch die Innenräume wur-den dem Stil der Zeit entsprechend umgestaltet.So entstand der Charakter eines klassizistischenBürgerhauses, der bis heute erhalten gebliebenist.Ein späterer Besitzer, Friedrich Overweg, ließ ab1909 weitere Baumaßnahmen durchführen. AmOstflügel wurde eine hölzerne Loggia mit Blick in

den Park angebaut. Auf der Westseite entstanden1911 und 1912 zwei Treppenhausanbauten zurErschließung der neuen Wohnräume für dieDienstboten im Dachgeschoss. Seit 1975 befindetsich Haus Letmathe im Besitz der Stadt Iserlohn.Ende der 1970er Jahre erfolgte die letzte Ge-samtinstandsetzung mit einigen Umbauten im In-nern.Im Juni 2003 wurde die Planung zu Umbau undUmnutzung von Haus Letmathe präzisiert und einAntrag auf Förderung mit Mitteln des Stadter-neuerungsprogramms des Landes NRW gestellt.Nachdem sich 2006 herausstellte, dass aufgrundveränderter Rahmenbedingungen nicht mehr miteiner Förderung zu rechnen war, wurde nach ei-ner baulichen Lösung gesucht, die mit wenigerAufwand und geringeren Kosten durchgeführtwerden könnte und gleichzeitig ermöglichte, dassdie bisherigen Nutzer weiter im Gebäude verblei-ben. Denn inzwischen war man sich darin einig,dass die Nutzung des Hauses durch die Stadtbü-cherei und das Heimatmuseum für das Denkmaloptimal sei. In Abstimmung mit dem Denkmalamtwurde ein neues Sanierungskonzept erarbeitet,das den Erhalt des klassizistischen Erscheinungs-bildes zum Ziel hatte. Demnach sollten alle Ge-bäudeteile einschließlich der Bauphase 1812/14und die zugehörige Innenausstattung erhaltenbleiben.Im November 2007 wurde als Vorbereitung derBaumaßnahme ein Sachverständiger für Holz-schutz gebeten, die vorhandenen Tragkonstruk-

83

2 Blick auf den Südflügel nach der Sanierung 2009.

tionen auf Schäden hin zu untersuchen. An ver-schiedenen Stellen wurden Öffnungen geschaffenund sofort wurde erkennbar, dass ein akuterSchädlingsbefall vorhanden war. Nach weiterenFreilegungen stellte sich heraus, dass die Schä-den immens waren und neben starkem Pilzbefallauch ein Lebendbefall mit dem gemeinen unddem gescheckten Nagekäfer vorlag. Die Pilz- undInsektenschäden zeigten sich im ganzen Ge-bäude, besonders aber im Bereich des Innenho-fes. Hier hatte das leerstehende Gebäude im Jahr1976 durch Vandalismus große Wassereinbrücheerlitten. Bei der darauf folgenden Sanierungwurde keine professionelle Trocknung der durch-nässten Bauteile durchgeführt. So konnten sichdie tierischen Schädlinge im feuchten und pilzbe-fallenen Holz über Jahrzehnte ungehindert aus-breiten.Es bestand also dringender Handlungsbedarf.Zur Schädlingsbekämpfung wurde eine thermi-sche Behandlung durchgeführt, bei der die Tem-peratur langsam und kontrolliert erhöht wird, bisim Kern der Hölzer 55° erreicht werden. Dabeiwerden die Eiweiße der Schadinsekten denatu-riert, aber auch biologische Schädlinge (wie z.B.der Hausschwamm) werden abgetötet.Vor Durchführung der thermischen Behandlungmussten alle befallenen Hölzer von einer Seiteaus freigelegt werden. Für jeden Raum wurdeeinzeln entschieden, von welcher Seite aus die er-forderlichen Freilegungen erfolgen sollten. Sokonnten vorhandene Stuckdecken und wertvollehistorische Fußböden und wandfeste Ausstat-tungsstücke erhalten werden.Besondere Aufmerksamkeit galt dem großen, re-präsentativen Saal im Nordflügel. Hier wurden

unter der abgehängten Decke klassizistischeStuckprofile und eine Mittelrosette entdeckt. Un-ter dem Teppich kam ein Holzdielenboden mitFries zum Vorschein, der später auf das Jahr1835 datiert werden konnte. In diesem Raum wa-ren die durch den früheren Wasserschaden ver-ursachten Zerstörungen besonders groß.Die Stuckrosette wurde mit ihrer Unterkonstruk-tion aus Lehmwellern und Lehmputz zur Siche-rung aus der Decke herausgeschnitten und nachFreilegung in der Werkstatt auf einer Träger-platte zusammengestellt. Die Deckenuntersichtwurde nach statischen Ergänzungen des Trag-werks in Lehmbauweise unter Verwendung dervorhandenen Lehmweller wieder hergestellt.Der in den Jahren 1812/14 direkt an Ort undStelle aus Kalkmörtel gezogene Zahnfries war sorissig, dass eine Abnahme zur Zerstörung geführthätte. Deshalb wurde er gesichert und die fehlen-den Teile später als Abguss ergänzt. Die „neue“Lehmdecke musste sich dem Fries einschließlichder vorhandenen Durchbiegung anpassen. Diemit Lehm verputzten Wandflächen konnten auf-gearbeitet werden. Zur Untergrundvorbereitungfür den abschließenden mineralischen Anstrichwurde zusätzlich ein dünner Lehm-Feinputz auf-getragen.Der Fußboden bestand aus vier Feldern mit Lär-chenholzbohlen umrahmt mit Eichenfriesen. DieEichenfriese konnten erhalten werden, die Lär-chenbohlen waren so stark geschädigt, dass eineErneuerung notwendig war. Durch Fehlstellen imFußboden und in der Deckenuntersicht des da-runter liegenden Raumes ergab sich ein interes-santer Einblick in die historische Deckenkon-struktion. Auf den tragenden Balken lagen im

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3 Der große Saal im Nordflügel vor der Sanierung 2007.

16.Jahrhundert lediglich ca.55cm breite Eichen-bohlen, die von unten mit einem dünnen Kalkputzversehen waren. Im frühen 19.Jahrhundertwurde der neue Fußboden mit Lagerhölzern di-rekt auf die alten Bohlen aufgebracht. Die De-ckenuntersicht wurde flächengleich mit Lehm-wellern geschlossen und anschließend mit Lehmund einer dünner Kalkschicht verputzt.Der ursprünglich offene Innenhof wurde wahr-scheinlich 1911 mit einem Glasdach überbaut,um Nord- und Südflügel miteinander zu verbin-den. Unter dem äußeren Pultdach gab es ein wei-teres Dach mit farbiger Bleiverglasung, die imWinter 1976 von den unbekannten Einbrechernzerstört wurde. Zwischen den beiden Dächernbefand sich ein nicht begehbarer Hohlraum. Hierwaren noch Reste der alten Traufgesimse derumgebenden Steildächer zu sehen. Im Zuge derSanierungsarbeiten wurden die Glasdächer ent-fernt und ein neues gläsernes Pultdach unterhalbder Trauflinien eingebaut. Das Glasdach dientder Belichtung und Belüftung des Bücherei-Foy-ers.Das Kreuzgratgewölbe im Keller des Südflügelswurde nachweislich um 1692 eingebaut. Zeit-gleich mit dem Gewölbe wurden an der äußerenLängswand mehrere kleine Öffnungen geschaffenund an der gegenüber liegenden Wand eine Ka-minnische mit Backofen eingebaut. Nach Ab-nahme des neuzeitlichen, sehr schadhaftenWandputzes wurden weitere zugesetzte Öffnun-gen gefunden, die wohl der Erbauungszeit desHauses zuzuordnen sind.Der Fußboden des Gewölbekellers bestand ausrechteckigen und polygonal verlegten Kalkstein-platten, deren Ursprungszeit nicht bekannt ist.

Die Platten, die direkt auf gestampftem Lehm la-gen, zogen viel Feuchtigkeit, so dass eine Nutzungdes Raumes nur sehr eingeschränkt möglich war.In Absprache mit dem Denkmalamt wurden diePlatten bis auf einen gut erhaltenen Bereich vorder Kaminnische entfernt, dann ein reversiblerUnterbau eingebracht und darauf großformatigeneue Fliesen verlegt.Wegen nicht ausreichend vorhandener natürli-cher Belüftungsmöglichkeiten wurde entlang derbeiden Längswände eine kombinierte Heizungs-und Lüftungsanlage mit flächengleichen Ausläs-sen eingebaut. Bei den Ausschachtungsarbeitenließen sich Mauerreste freilegen, die von einemVorgängerbau stammen könnten. Unter derca.1,20m dicken Innenwand wurde ein großerHohlraum mit Resten einer früheren Pfahlgrün-dung entdeckt. Es handelte sich um ehemals zweiPfahlreihen, die überwiegend verfault und nichtmehr tragfähig waren.Als Sofortsicherungsmaßnahme wurde der Hohl-raum zunächst mit Beton verfüllt. Durch eingleichzeitig eingebrachtes Leerrohr konnten zurUntersuchung des Untergrundes Sondierbohrun-gen durchgeführt werden. Zusätzlich wurden au-ßerhalb des Gebäudes Schürfgruben angelegt.Als Ergebnis der Untersuchungen stellte sich he-raus, dass der eingebrachte Beton die Wand aufDauer nicht ausreichend und sicher würde unter-stützen können. Deshalb wurde der Untergrundaus tonigem Schluff auf Vorschlag des Bodengut-achters zusätzlich mittels kleinkalibriger Injek-tionen von Zweikomponenten-Harz verfestigt.Dadurch konnte die Standfestigkeit des Gebäudesgegenwärtig gesichert werden. Es ist möglich,dass zu einem späteren Zeitpunkt weitere Maß-

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4 Der Gewölbekeller nach der Sanierung 2009.

locker gruppierten Höfen dokumentiert. Darüberhinaus ist er bedeutend für die Entwicklung derlandwirtschaftlichen Lebens-, Arbeits- und Pro-duktionsverhältnisse, weil er mit seinem in dieserVollständigkeit in Lippe nur noch selten anzutref-fenden Bestand historischer Fachwerkbauten diebäuerlichen Wirtschaftsweisen (Milchwirtschaft,Ackerbau) weitgehend nachvollziehbar belegt.Die denkmalgeschützten Gebäude werden seit2006 von dem Eigentümer mit Landeszuwendun-gen in mehren Bauabschnitten denkmalgerechtsaniert (Haupthaus mit Anbauten) und gesichert(Leibzucht und Speicher).Um das große Gebäudevolumen ökonomisch undökologisch zu beheizen, hat der Eigentümer sichentschieden, eine Hackschnitzel-, Späne- undPellet-Feuerung mit 65KW sowie zusätzlich ei-nen Stückholzkessel mit 38KW einbauen zu las-sen. In Symbiose mit den ortsansässigen Gärt-nern bezieht er deren Baum- und Strauch-schnitte. Lediglich einmal im Jahr fallen Kostenfür einen professionellen Häcksler an. 12–15m³Schnittholz (entsprechen ca.1000Liter Öl) wer-den verarbeitet und kosten ca.60–65Euro. Zu-sätzlich kann mit dem im Betrieb anfallendenBauholz der Stückholzkessel befeuert werden.Die Gesamtkapazität reicht aus, um gegebenen-falls auch den angrenzenden Hofnachbarn zuversorgen. Die Heizungsanlage und der erforder-liche Spänebunker wurden in dem ehemaligenGöpelanbau des Haupthauses untergebracht.

nahmen erforderlich werden. Zunächst soll re-gelmäßig beobachtet werden, ob sich im Wand-putz Setzungsrisse zeigen. Zur Langfristüberwa-chung können bei Bedarf zusätzlich Messbolzenzur Durchführung von Präzisionsnivellements ge-setzt werden, die eine Früherkennung eventuellauftretender Setzungsbewegungen ermöglichen.Im Rahmen der Bauforschung wurden im Jahr2002 auch die Fassaden untersucht. Es konntenneun Putz- und 15 Anstrichschichten gesichertwerden, die jedoch nicht mehr überall vollständigerhalten sind. Diese Befunde sind vermutlich alledem 19. und 20.Jahrhundert zuzuordnen.In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts warendie Süd- und Westseite verputzt, die Nord- undOstseite dagegen nur geschlämmt. Seit Ende des19.Jahrhunderts wurden diverse Neuputze auf-gebracht. Der heutige Spritzbewurf stammtwahrscheinlich aus der Zeit Anfang des 20.Jahr-hunderts und wurde in den 1970er Jahren nurausgebessert. Da dieser Putz ursprünglich ockereingefärbt war, wurde damals ein ockerfarbigerVerschönerungs-Anstrich gewählt.

Die Befunduntersuchung erbrachte dagegen ein-deutig, dass Haus Letmathe im 19.Jahrhundertfast durchgängig mit weißen Kalktünchen verse-hen war. Deshalb wurde entschieden, das klassi-zistische Erscheinungsbild mit einem weißen An-strich wieder herzustellen. Die Dachflächen wur-den nach Befund mit ortstypischem SauerländerSchiefer in altdeutscher Doppeldeckung neu ein-gedeckt.

Monika Redegeld

Literatur

Reinhold Schneider, Von der Wasserburg zum Bürgerhaus.

Die wechselvolle Geschichte des Hauses Letmathe, in: Der

Märker, Jg.52, 2003, Heft07-09, S.101. – Hermann Scho-

ßier, Letmathe – Eine aufstrebende westfälische Stadt. Let-

mathe 1961. – Iserlohn-Lexikon. Iserlohn 1987. – Kunst-

und Geschichtsdenkmäler im Märkischen Kreis (= Veröf-

fentlichungen des Heimatbundes Märkischer Kreis), 3.Auf-

lage 1993.

Bildnachweis

Stadt Iserlohn (Archiv): 1–4.

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Detmold – Sanierung und erneuerbareEnergien in der Hofanlage PotthoffDer bereits im 14.Jahrhundert erwähnte Bauern-hof Potthof gehörte als Vollspännerhof zu dengrößten Hofstätten im Detmolder Nordosten. Mitseinen erhaltenen historischen Fachwerkgebäu-den (Haupthaus von 1799, Leibzucht und Spei-cher aus dem späten 17.Jahrhundert) ist der HofPotthoff bedeutend für die Geschichte der Men-schen in Detmold und in der Region des lippi-schen Hügellandes, weil er zusammen mit ande-ren historischen Hofstellen die Besiedlung mit

Aus der Praktischen Denkmalpflege

Detmold, Hofanlage Potthoff. Wohngebäude. 2009.

Paderborn – Neue Farbfassungdes Heisingschen HausesDas Heisingsche Haus am Marienplatz gehörtaufgrund seiner Bauzier neben dem Rathaus unddem Westgiebel des ehemaligen Jesuitenkollegszu den eindrucksvollsten Gebäuden aus der Zeitum 1600. Lange Zeit galt der fürstbischöflicheHofarchitekt Baumhauer, den Fürstbischof Die-trich von Fürstenberg in Wewelsburg und auch inseiner Neuhäuser Residenz beschäftigte, alsSchöpfer des Heisingschen Hauses. Ein Vergleichmit dem nachweislich von Baumhauer gebautenRathaus deutet darauf hin, dass das Gebäude be-reits Ende des 16.Jahrhunderts und nicht erst zuAnfang des 17.Jahrhunderts entstand und dassdie ornamentalen Giebelumrisse mit Schweif-werk, Obelisken, Karyatiden, Hermen, Löwen-köpfen und Medaillons eher dem über Paderbornhinaus bekannten Bildhauer Heinrich Gröningerzuzuschreiben sind.Die reiche Bau- und Nutzungsgeschichte desHauses wird durch die jüngst erstellte Dokumen-tation der mit der Restaurierung der Außenfas-sade beauftragten Firma R. Ochsenfarth bestä-tigt. Bei der Dokumentaion der Farbfassung wur-den neun Befundstellen mit Erstfassungsrestenan den Werksteinen aus der Erbauungszeit loka-lisiert.Der Restaurierungsvorschlag sah aufgrund derBefundlage eine Fassung der Werksteine nachBefund in einer grau-schwärzlichen Farbigkeitvor. Die Restaurierung der stadtbildprägendenFassade am Marienplatz erfolgte nach Absprachemit dem Referat Restaurierung des Denkmalam-tes in einer lasierenden Technik.Die Putzflächen wurden analog zu zeitgleich da-tierten Befunden (Hallenberg, kath. Kirche; Lipp-stadt, St.Marien; Brakel, Rathauskeller) mit ei-nem sogenannten Mai-Butterton gefasst, wäh-rend die Hermen, Löwenköpfe und Karyatidenweiß abgesetzt wurden.

Bettina Heine-Hippler

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Haus Heising in Paderborn nach seiner Restaurierung

2009.

Bildnachweis:

LWL-Amt für Denkmalpflege in Westfalen (Brockmann-

Peschel).

Die Beheizung der Wohnräume im denkmalge-recht instand gesetzten Vierständerfachwerk-haus von 1799 erfolgt über eine Wandtemperie-rung unter Lehmputz. Hierzu wurden Heizschlei-fen in allen Außenwänden auf einer 10cm-Innen-dämmung mit Holzweicherfaserdämmplattenmontiert und mit Lehm eingeputzt. Das mit Nied-rigtemperatur gefahrene Heizsystem sorgt fürangenehme, konvektionsfreie Strahlungswärme.Auch aus denkmalpflegerischer Sicht ist diesesHypokausten-Prinzip besonders empfehlens-wert, da es durch die „Nachahmung“ der im Som-

mer naturgegebenen Zustände optimale klimati-sche Raumverhältnisse zur Folge hat und somitsubstanzerhaltend funktioniert. Zusätzlich bleibtdurch die minimale technische Ausstattung schonbei der Montage die denkmalkonstitutive Subs-tanz unbeschädigt, und der Verzicht auf Radiato-ren entspricht dem historischen Erscheinungs-bild.

Andrea Ernst

Bldnachweis

LWL-Amt für Denkmalpflege in Westfalen (Kaiser)

Gebrauchsspuren und MarginalienEs ist schon erstaunlich, mit welch hoher Qualitätsich durch moderne Entwicklungstechnik Positiv-abzüge aus alten Kunststoff-, Zelluloid- oder garGlasplattennegativen generieren lassen. Für denBildarchivar stellen diese ursprünglichen Datenneben den gehüteten Fotos, von denen kein Ne-gativ mehr existiert, quasi das Rohmaterial bzw.das Original dar – ein Schatz, der sorgsam ge-trennt von der eigentlichen Bildersammlung si-cher aufbewahrt wird.Die Positivbestände sind Arbeitsmaterial, gehendurch viele Hände und über die Arbeitstische desBildarchivs und sollen eine möglichst präzise Vor-stellung vom Dargestellten ermöglichen. Sie wer-den nicht selten bei Abnutzung oder Verlustdurch frische Abzüge ersetzt.Doch auch hier lassen sich Beispiele finden, diedurch Alterung und Gebrauchsspuren den Cha-rakter eines Originals vermitteln. Anmerkungenfrüherer Bildarchivare, genährt auch durch Aus-künfte sachkundiger Nutzer, Hinweise der Foto-grafen und Entwickler, gezeichnete Notizen fürden Lithografen, Auskünfte zu den Bildrechten

und immer wieder Korrekturen zum Kenntnis-stand über das gezeigte Sujét lassen das Positivzu einem sprechenden Artefakt werden. In denvorliegenden Fällen sind es Mutmaßungen überdas Hundehalsband, Bestimmungen zur Hinter-grundarchitektur sowie sich auf die Historie undvieles mehr beziehende Kommentare, die Auf-schlüsse über den jungen Grafen oder die bereitsuntergegangene Mahlenburg geben.Wie in der japanischen Kunst des Vielfarbenholz-schnittes, der Kalligrafie oder der Tuschmalereinicht nur der zierende Stempel des Künstlerssondern auch die zahlreichen, später im Laufevieler Jahre oft wertsteigernd hinzugefügtenSammlerstempel, geben solche Marginalien ei-nen Blick frei auf die Rezeption, den Umgang unddie Bedeutung eines Bildes – auch des jeweiligenFotos, unabhängig vom Dargestellten.In solchen Fällen gewinnt die Handhabung derBestände einen taktilen Reiz, ausgelöst bereitsdurch den vergilbten und abgestoßenen Basis-karton und intensiviert durch Handschriften, diein die Anfänge der Fotografie verweisen und oftnur noch schwer lesbar sind. Schließlich wird er-

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Aus dem Bildarchiv

1 Portrait Graf von Limburg-Stirum, ca.1675. Karteikarte aus der Spezialsammlung „Bildnisse“, die aus einer

Sicherungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in westfälischen Adelssitzen vor dem 2.Weltkrieg hervor gegangen ist.

Ende 1930.

fahrbar, dass Archivierung tatsächlich etwas zutun hat mit Alter und Vergänglichkeit. Hier liegtkein Anachronismus vor, auch nicht in Zeiten derDigitalisierung, die erfreulicherweise im Bild-archiv des LWL-Amtes für Denkmalpflege inWestfalen ihre Wurzeln geschlagen hat und dieSolidität der dort bereitgestellten Informationenuntermauern wird.

Klaus Nenno M.A.

Bildnachweis

LWL-Amt für Denkmalpflege in Westfalen: 1, 2 (Bildarchiv).

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2 Haus Mahlenburg, Datteln-Ahsen, erw.13.Jh., Abbruch 1972. Karteikarte aus den Anfängen der Inventarisation durch

Ludorff, die zum Teil noch auf Fremdfotos zurückgriff (hier eine Postkarte). Ende 19.Jahrhundert.

Rheinischer Verein für Denkmalpflege undLandschaftsschutz/LandschaftsverbandRheinland/UVP-Gesellschaft (Hg.), Kultur-güter in der Planung. Handreichung zurBerücksichtigung des kulturellen Erbes beiUmweltprüfungen. Verlag des RheinischenVereins. Köln 2009, 50S., ISBN 978-3-86526-035-2, 5,00Euro

Die Handreichung zur Berücksichtigung des kul-turellen Erbes bei Umweltprüfungen ist das Ar-beitsergebnis der AG „Kulturelles Erbe in derUmweltverträglichkeitsprüfung“ der UVP-Gesell-schaft, die seit 15 Jahren beim Rheinischen Ver-ein eine organisatorische Heimat gefunden hat.Aus dem Inhalt: Erstellung eines Anforderungs-profils für die Berücksichtigung des KulturellenErbes in der UVP – Bereitstellung einer Handrei-chung zur Erhebungs- und Bewertungsmethodikim Rahmen der UVP – Formulierung von Stan-dards zum Umfang der Erhebung bei allen Ein-griffsplanungen – Überlegungen zu Ansätzen füreinen Ausgleich für Eingriffe in das KulturelleErbe – Öffentlichkeitsarbeit der planenden Ver-waltungen und der Gutachterbüros.Hilfreich bei der Erstellung der Handreichungwar die bewährte Arbeitsweise des RheinischenVereins, zusammen mit mehreren LVR-Fachbe-reichen des Dezernates für Kultur und Umwelt imSinne einer interdisziplinären Gesamtschau Dia-loge zwischen unterschiedlichsten Fachdiszipli-nen zu organisieren. Nur das Miteinander vonVerbänden, Hochschulen, Verwaltungen und Pla-nern ermöglichte die vorliegenden Ergebnisse.Die Handreichung befasst sich mit Begriffsbe-

stimmungen, Bestandserfassung und Bewertungvon Kulturgütern, Informationsquellen, Leitbil-dern und den Anforderungen an die Praxis derUVP.Bestellungen bitte direkt an den RheinischenVerein, Fax 0221/8092141, E-Mail [email protected]

Ingrid Hermannsdörfer/Christine Rüb/IngoF. Schneider, Solardesign. Photovoltaik fürAltbau, Stadtraum, Landschaft. Berlin 2005,144S., zahlr. Abb., ISBN 3-936314-49-7.

Solarmodule können das vertraute Erscheinungs-bild von historischen Dächern und Dachland-schaften wesentlich verändern. Zum einen tretengroßzügig öffentlich geförderte, großflächig ge-koppelte Fotovoltaikelemente zur Erzeugung undEinspeisung von Strom dominant in das Blickfeldvon Stadtlandschaften. Zum anderen wird dieUnterstützung der Wärmeerzeugung für Brauch-wasser durch thermische Solarmodule auf denDächern der energieverbrauchenden Bauwerkezunehmend zum Stand der Technik. Größe, Tex-tur, kontrastierende Farbigkeit der solarthermi-schen Modulflächen auf den Dächern bringen imRegelfall ebenfalls eine Beeinträchtigung des Er-scheinungsbildes von denkmalgeschützten Ob-jekten und Bereichen mit sich.Um die Akzeptanz von Photovoltaikmodulen u.a.in der Denkmalpflege zu verbessern, ist von 2001bis 2004, gefördert von der Europäischen Kom-mission, ein deutsch-italienisches interdisziplinä-res Forschungs- und Demonstrationsprojekt mitdem Titel PVACCEPT (photovoltaics acceptability)durchgeführt worden. Ziel war die Entwicklungneuer Gestaltungsansätze und neuer Einsatz-möglichkeiten im Altbaubestand. Die Koordina-tion des Gesamtprojektes oblag einem Architek-tenteam der Universität der Künste in Berlin, Ing-rid Hermannsdörfer, Christine Rüb und Ingo F.

90

Buchvorstellungen

Schneider. Daneben waren Herstellerfirmen amProjekt ebenso beteiligt wie Gemeinden und de-ren Behörden, die bei der Realisierung der De-monstrationsobjekte in mehreren europäischenLändern durch Marktforschungsinstitute unter-stützt wurden.In der 2005 erschienenen, zwischenzeitlich abervergriffenen Publikation Solardesign werden ineinem ersten Kapitel Anwendungsfelder in Stadt-raum und Landschaft analysiert und in Form vonfiktiven Fotobearbeitungen dargestellt. Dächer,Fassaden, öffentlicher Verkehrs- und Grünraumsind bearbeitete Anwendungsfelder. Die bei derPlanung einer Photovoltaikanlage zu beachten-den Rahmenbedingungen Energietechnik, Ge-staltung und Konstruktion werden sorgfältig ab-gearbeitet und dargestellt. Für die Demonstrati-onsprojekte wurde insbesondere auf CdTe-Mo-dule aus Kadmium-Tellurid und CIS-Module ausKupfer-Indium-Diselenid zurückgegriffen, dadiese sich sehr gut für farblich und strukturell un-terschiedliche Anpassungen eignen. Durch Se-mitransparenz, aufgedruckte Farben und Musterund neue farbige Oberflächenstrukturen ergibtsich ein variables Einsatzfeld der PV-Module.Multifunktionalität, beispielsweise als Pergola-Element oder in Funktion einer Fahne, und dieMöglichkeit, die Form der Elemente für den Ein-satzort genau zuzuschneiden, erhöhen die Flexi-bilität der Gestaltungsmöglichkeiten.Drei unterschiedliche Ansätze der gestalteri-schen Auseinandersetzung zwischen Baubestandund Solarelementen wurden erprobt: Die solarenElemente stehen absichtlich im Kontrast mit demBestand, alternativ können sie auch einen Dialogmit dem Bauwerk eingehen und dieses interpre-tieren. Die dritte Möglichkeit besteht in der un-auffälligen Verbindung zwischen Elementen undBestand.Konstruktiv können Photovoltaikelemente rever-sibel auf die Gebäude appliziert werden, als addi-

tive Zutaten in Form von eigenen Bauteilen ge-staltet oder in die Bauteile integriert werden.Für den (meist nicht kommerziellen) Einsatz vonPhotovoltaikanlagen bei Dächern, auf Fassaden,im Stadtraum und in der Landschaft führt die Pu-blikation zahlreiche Beispiele auf, bei denen ausdenkmalpflegerischer Sicht durchaus noch Dis-kussionsbedarf besteht. Die mit Photovoltaikplat-ten belegten Kirchendächer erfordern ebensoeine Debatte wie das Beispiel der „DeutschenWerkstätten“ Hellerau, wo blauschillernde poly-kristalline Standard-Module die Ziegeldeckungdes langgestreckten Werkstattdaches ersetzen.Herkömmliche großflächige Fassadenmodule aufmehrgeschossigen Altbauten, die jedoch augen-scheinlich nicht dem Denkmalschutz unterliegen,können aus denkmalpflegerischer Sicht unkom-mentiert bleiben. Es bleiben die positiven Bei-spiele kleinflächiger Photovoltaikzellen auf Denk-mälern wie der Festungsanlage La Spezia oder ander Stadtmauer in Marbach am Neckar, die in derForm von solaren Informationstafeln die Wirkungeiner Werbeanlage entfalten oder auch in Gestaltselbstleuchtender Solarflaggen (Porto Venere)eine eigenständige künstlerische Zutat bilden. BeiDenkmälern der Industrie und Technik ist die ge-stalterische Integration der Photovolatik generellbesser lösbar als im historischen Gebäudeensem-ble.Vorhaben und Demonstrationsobjekte lassen hof-fen, dass die Solarmodulindustrie entsprechenddem Stand der Forschung noch bessere Lösungs-möglichkeiten finden wird, Denkmalschutz undKlimaschutz miteinander zu versöhnen. Aller-dings wäre der Weg wohl eher bei der Antwortauf die Frage der Integration von Anlagen zurUmwandlung thermischer Solarenergie in Wär-meerzeugung für die Gebäude zu suchen als – zu-mindest in unseren Breitengraden – bei der Pro-duktion von Strom auf hiesigen historischenDenkmaldächern. Die Frage der Erhöhung des

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1 Blick auf die Stadt Quedlinburg, wie sie wirklich ist.

2009.

2 Simulation einer Zerstörung der historischen Dachland-

schaft durch fiktive Photovoltaikelemente.

Anteils erneuerbarer Energien an der Strompro-duktion lässt sich am besten mittels einer odermehrerer Solarstromleitungen von Nordafrikanach Europa lösen. Die wegweisende Industrie-initiative „Wüstensonne zur Stromproduktion fürDeutschland“ hierzu wird, wie der aktuellenPresseberichterstattung zu entnehmen ist, am13. Juli 2009 gegründet.

Roswitha Kaiser

Bildnachweis

LWL-Amt für Denkmalpflege: 1 (Kaiser), 2 (Barth).

Sophie Elpers/Edeltraud Klueting/ThomasSpohn (Hg.), Landwirtschaftliches Bauen imNordwesten zwischen 1920 und 1950.Münster 2009, 332S., ISBN 978-3-402-12803-9, 47,00Euro

Der umfangreiche Band gibt die Vorträge des 20.Treffens der Arbeitsgemeinschaft für Haus- undGefügeforschung in Nordwestdeutschland, dieTeil der Interessengemeinschaft Bauernhaus istund gleichzeitig zum Arbeitskreis für Hausfor-schung gehört, wieder. Das Treffen fand vom 4.bis 6. April 2008 im Freilichtmuseum Arnheim inden Niederlanden statt.Mit dieser Tagung betrat die ArbeitsgemeinschaftNeuland, einmal durch den Tagungsort im be-nachbarten Ausland und zum anderen durch dasThema, das sich schwerpunktmäßig mit demländlichen Bauen in der Zeit von 1933 bis 1945

befasste. Die 20 Aufsätze sind unterschiedlichlang und reichen von fünf bis 21 Seiten. Immeraber sind sie mit teilweise sehr ausführlichen An-merkungen versehen, die neben zusätzlichen Er-läuterungen auch auf die weiterführende Litera-tur verweisen und so zu einer weiteren Beschäf-tigung mit dem behandelten Stoff anregen.An den Anfang wurde der Vortrag von ThomasSpohn gestellt, der mit einer Länge von 17 Seitenund umfangreichen Anmerkungen von insgesamt14 Seiten eine ausführliche und differenzierteEinführung in den Tagungsgegenstand gibt. Inden darauffolgenden Aufsätzen werden ganz un-terschiedliche Bereiche behandelt. Nur einige da-von sollen beispielhaft angesprochen werden. Sowird über den Wiederaufbau von durch Brand-bomben zerstörten Bauernhäusern im südlichenMünsterland berichtet, über deren Planungenman durch das aufgefundene Archiv der Zimme-rei Voss aus Lüdinghausen, die diese Gebäudeüberwiegend errichtete, gut informiert ist. Auchdie Not- und Behelfsunterkünfte aus der Kriegs-und Nachkriegszeit im Münsterland werden be-handelt. Daneben wird die Baufibel und ihre Ziel-setzung thematisiert und es werden die beidenwichtigsten Bearbeiter dieses Planungsinstru-ments – Friedrich Ostendorf und Julius Bender-macher – vorgestellt. Für die Niederlande sindunter anderem in zwei längeren Aufsätzen derWiederaufbau von 8000 durch den Krieg zerstör-ter Bauernhöfe sowie das „Zuiderseeprojekt“,das größte Landgewinnungsunternehmen derNiederlande, bei dem in den Jahren zwischen1927 bis 1929 und 1942 bis 1962 insgesamt fast2000 neue Bauernhöfe entstanden, Untersu-chungsgegenstand. Andere Kapitel befassen sichzum Beispiel mit Entwicklungen im Emsland undim oldenburgischen Raum, beschreiben für Bran-denburg den Aufbau der Saatzuchtstation Süßlu-pine, sparen aber auch die rücksichtslosen Pla-nungen der NS-Diktatur im Saarland und in Loth-ringen für die Nachkriegszeit nicht aus.Zum Schluss werden in zwei Aufsätzen Lebenund Werk eines niederländischen und eines deut-schen Protagonisten der Heimatstilarchitektur –Jan Jans und Gustav Wolf – vorgestellt.Zusammenfassend ist festzustellen, dass in derPublikation das Thema des landwirtschaftlichenBauens von 1920 bis 1950 facettenreich und kri-tisch bearbeitet wurde und es ist zu wünschen,dass dieser Tagungsband viele Leser findet undanregt, sich weiter mit dem Thema auseinander-zusetzen.

Brigitte Helmes-Reuter

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Nach den Tagungsorten Münster (2004) undSoest (2006) fand der dritte Westfälische Tag fürDenkmalpflege am 19. und 20. Juni 2008 in War-burg statt, zu dem nun das obligatorische Ta-gungsheft vorliegt. In ihm lassen sich alle gehal-tenen Vorträge von Mitgliedern des LWL-Amtesfür Denkmalpflege nachlesen, desgleichen Kurz-fassungen der angebotenen Exkursionen in War-burg und seine Umgebung. Diese führten zu denKlöstern Wormeln und Dalheim; zu Kirche undSteinernem Haus in Borgentreich sowie der Sy-nagoge in Borgholz, und auch zu den ThemenHistorismus in Calenberg und Sachlichkeit inScherfede.Die Tagung selbst besuchten rund 200 Teilneh-mer, denen in der Aula des Gymnasiums Maria-num in Warburg ein angemesser und feierlicherOrt zur Verfügung stand.Vorträge wurden gehalten u.a. zu folgenden The-men: Denkmalpflege und Forschung im Team –Gärten, Parks und Wasser – Denkmalpflege undRecht – Einrichtung eines Cafés in den Gewölbe-kellern von Schloss Berleburg – Archive, Biblio-thek, Werkstätten – Bauforschung.

Die Speicherstadt Münster : Heeresverpflegungs-

amt und Reichstypenspeicher ; Konversion und Denkmal-

schutz / hrsg. vom Institut für Vergleichende Städtege-

schichte durch Angelika Oelgeklaus. [Lektorat: Angelika

Oelgeklaus. Mitarb.: Ria Hänisch …]. – Münster : Ardey-

Verl., 2008. – 320S. : zahlr. Ill. ISBN 978-3-87023-274-0 /

3-87023-274-9

Auf einem verkehrstechnisch günstig gelegenenGelände am Rande von Coerde stellte die Wehr-macht im Jahre 1939 eines der größten so ge-nannten Heeresverpflegungsämter im damaligenDeutschen Reich fertig. Das Gebäudeensemblebestand aus neun Kornspeichern und einer Hee-resbäckerei. Nach dem Krieg nutzten die briti-schen Streitkräfte bis 1994 diese Gebäude als„Winterbourne Barracks“. Die Stadt Münsterstand nun, wie viele andere Kommunen auch, vorder schwierigen Aufgabe, ein neues und individu-elles Konzept zur Umnutzung zu entwickeln.Diese Veröffentlichung dokumentiert Geschichteund Gegenwart der Anlage. Der interdisziplinäre

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erkennen – erforschen – erhalten. 3. Westfäli-scher Tag für Denkmalpflege (= Arbeitsheftdes LWL-Amtes für Denkmalpflege in West-falen 6). Bönen 2009, 62S., zahlr. col. Abb.,ISBN 978-3-941100-75-5

Neuerscheinung des Amtes

Neuerwerbungen der Bibliothekin Auswahl

Ansatz der Untersuchung behandelt Aspekteder Militär-, Bau-, Kunst-, Stadt- und Technikge-schichte, bezieht aber auch aktuelle Fragestel-lungen der Denkmalpflege und Konversion sowieder Stadtplanung mit ein.

Holzfenster : Konstruktion, Schäden, Sanierung,

Wartung ; mit 90 Tabellen / Hrsg.: Tobias Huckfeldt …

Autoren: Ulrich Arnold … – 1. Aufl. – Köln : Müller, 2009. –

413S. : zahlr. Ill., graph. Darst., Kt. ISBN 978-3-481-

02504-5 / 3-481-02504-1

Insgesamt 19 Autoren haben ein umfassendesHandbuch über Holzfenster erarbeitet. Das ersteKapitel führt in die historische Entwicklung vonGlasfensterverschlüssen ein. Im Anschluss daranwerden wichtige Fakten zu Holzfenstern konzen-triert und mit Praxisbeispielen reich bebildertaufgezeigt. Dabei spannt sich der Bogen von derAuswahl geeigneter Hölzer für den Fensterbau,dem baulichen und chemischen Holzschutz überklimatisch bedingte und biotische Schäden anHolzfenstern hin zur Wärmedämmung und demSchallschutz der Fenster. Benutzerfreundlich er-schlossen wird das Handbuch durch ein Glossar,das Stichwortverzeichnis und die Übersichtsbil-der im Anhang. Darüber hinaus gibt es hier wei-terführende Informationen zu Instituten, Nor-men, Vorschriften und Literatur.

Speziell mit dem Thema der Holzrestaurierungbeschäftigt sich die folgende Publikation:

Holz : Ergänzung, Festigung, Kittung / Monika Bürger …

[Hrsg.: Fachhochschule Köln, Institut für Restaurierungs-

und Konservierungswissenschaft (CICS)]. – München :

Siegl, 2008. – 304S. : Ill., graph. Darst. – (Kölner Beiträge

zur Restaurierung und Konservierung von Kunst- und Kul-

turgut ; 18). ISBN 978-3-935643-40-5

Mit vier Diplomarbeiten, die sich mit jeweils ei-nem Aspekt der Holzrestaurierung beschäftigen,soll der aktuelle Stand auf dem Gebiet der Ergän-zung, Festigung, Kittung und Verklebung darge-stellt werden. Vorgestellt wird beispielsweise eineStudie, welche die Entwicklung und den erfolg-reichen Einsatz injizierbarer Kittmassen zur Un-terfüllung von stark durch Insektenfraß geschä-digtem und destabilisiertem Holz untersucht.

Umfassende Informationen über unsere Neuerwerbungen

erhalten Sie durch unsere aktuelle Neuerwerbungsliste, die

wir monatlich per E-Mail verschicken.

Sie können die Liste unter folgender Adresse abonnieren:

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Öffnungszeiten der Bibliothek:

Montag–Freitag 8.30–12.30 Uhr und

Montag–Donnerstag 14.00–15.30 Uhr.

Anmeldung erbeten.

Pressefahrt 2009 des DeutschenNationalkomitees für DenkmalschutzZu seiner diesjährigen Pressefahrt hatte dasDeutsche Nationalkomitee nach Westfalen ein-geladen, um das Thema der „Weiter- und Nach-nutzung von Kirchen“ in der Öffentlichkeit stär-ker bekannt zu machen. Aufgrund der praktisch-

denkmalpflegerischen Thematik war der Fach-bereich Praktische Denkmalpflege mit der Vor-bereitung betraut worden. Als Schwerpunkt-region der Bereisung war das Ruhrgebiet ausge-wählt worden, wo sich demografische Verände-rungen an einem starken Bevölkerungsrück-gang, Kirchenaustritten und an der Zunahme

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Rückschau

1 Münster, ehem. katholische Pfarrkirche St.Bonifatius.

2009.

2 Marl, ehem. Pfarrkirche St.Konrad. 2009.

islamischer Bevölkerung deutlich beobachtenlassen.Die Pressefahrt begann am 19. Mai 2009 in Müns-ter. Hier wurde die ehemalige katholische Pfarr-kirche St.Bonifatius, errichtet 1964, als ein Kir-chenbau vorgestellt, der bereits 2005 für eineneue Nutzung als kirchliches Verlagshaus behut-sam umgebaut worden ist. Der Umbau wird kon-trovers beurteilt, da der Innenraum durch dieBüroeinbauten verstellt ist und nur an einigenStellen in Gänze erfahrbar bleibt.Mit der zweiten Kirche war die Bereisung imRuhrgebiet, und zwar in der Chemiestadt Marl,angekommen. Die frühere Pfarrkirche St.Kon-rad, eine für den bekannten KirchenarchitektenEmil Steffann typischen Kirche, ist 1957 in einfa-cher Kubatur mit einem schlichten Satteldach er-richtet worden. Nach Aufgabe der kirchlichenNutzung wurde das Bauwerk zu einer Urnenbe-gräbnisstätte umgebaut. Damit ist St.Konrad seit2006 das erste Kolumbarium in einer ehemaligenKirche in Deutschland. Der Umbau wird allge-mein als sehr gelungen und denkmalverträglichgewürdigt.Einer der wichtigsten, innovativsten Sakralbau-ten der Moderne wurde in Bottrop, zum BistumEssen gehörend, besichtigt. Die katholische Kir-che Heilig Kreuz wurde 1957 nach Plänen des be-deutenden Kirchenarchitekten Rudolf Schwarzfertiggestellt. Raumprägend sind der Parabel-grundriss und der nordwestliche Raumabschlussin Form einer monumentalen Glaswand vonGeorg Meistermann. Vor zwei Jahren wurde sieaus der gottesdienstlichen Nutzung genommenund ist seitdem den sogenannten „weiteren Kir-chen“ des Bistums Essen zugeordnet, die nichtmehr aus Kirchensteuergeldern unterhalten wer-den. Zurzeit steht das Gebäude leer und die zu-künftige Nutzung ist ungewiss. Wegen der beson-deren künstlerischen Qualität der Kirche müssenalle Überlegungen zur Weiternutzung das Ziel ha-ben, Bau und Ausstattung möglichst geringfügigzu verändern.Nach der Mittagspause im Schloss Gelsenkirchen-Horst stand die ehemalige Pfarrkirche HeiligKreuz in Gelsenkirchen-Ückendorf auf dem Pro-gramm. Die Kirche war 1929 von Josef Franke,Architekt aus Gelsenkirchen, in blockhaften For-men errichtet worden. Sie gilt als ein Hauptwerkdes Backsteinexpressionismus der 1920er Jahre.Besonders eindrucksvoll ist der Innenraum, derdurch eines der ersten Parabelgewölbe im Kir-chenbau geprägt ist. Die Kirche ist vom BistumEssen ebenfalls als „weitere Kirche“ aussortiertworden; als Zwischennutzung wird in ihr eineAusstellung über religiöse Mythen und Kulte derWelt gezeigt. Da die Gewölbe- und Raumform be-sonders charakteristisch und selten sind, sollteeine zukünftige Weiternutzung unter der Zielset-zung geplant werden, den Innenraum in seinerGroßform zu erhalten.

Als letzte Kirche wurde am Nachmittag die Evan-gelische Kirche in Dortmund-Lindenhorst vorge-stellt. Es handelt sich um eine im Ursprung mit-telalterliche Dorfkirchenanlage mit einem umge-benden Friedhof. Der Westturm hat sich aus dem12.Jahrhundert erhalten, während das Kirchen-schiff und das Gemeindehaus von 1913 sind. DerKirchensaal zeigt eine einfache Gestaltung mitJugendstil-Einfluss. Die hohen Restaurierungs-kosten für den Westturm in Millionenhöhe konntedie Gemeinde nicht aufbringen. Aufgrund der ex-tremen Randlage am Stadtrand und der demo-graphisch und finanziell schwierigen Entwick-lung kann die Kirche von der evangelischen Ge-meinde nicht mehr gehalten werden. Eine Mach-barkeitsstudie ist zur Untersuchung der mögli-chen Folgenutzung in Auftrag gegeben worden.Der Abend klang mit einer Podiumsdiskussion inder evangelischen Pfarrkirche St.Petri in Dort-mund aus. Die gotische Hallenkirche wurde nachZerstörungen des 18.Jahrhunderts und des Zwei-tenWeltkrieges wiederaufgebaut. Eine besondereKostbarkeit ist der Antwerpener Schnitzaltar von1521. Da die Gemeindegebiete von der Innenstadtrelativ weit entfernt liegen, wurden St.Petri wei-tere Nutzungen für Veranstaltungen wie Kon-zerte, Ausstellungen und Tagungen zugewiesen.Nachdem tagsüber während der Kirchenbesichti-gungen schon lebhaft die jeweiligen Maßnahmendiskutiert worden waren, wurden in der abendli-chen Podiumsdiskussion die Probleme vertiefterörtert. Unter der Moderation von Frau Prof.Dr.Barbara Welzel, Kunsthistorikerin an der Univer-sität Dortmund, diskutierten Dipl.-Ing. Jörg Beste(Architekt), Dr. Herbert Fendrich (Kunsthistori-ker, Bistum Essen), Landeskonservator Dr. Mar-kus Harzenetter (LWL-Amt für Denkmalpflege),Stadtbaurat Dr. Ernst Kratzsch (Stadt Bochum),und Dr. Matthias Ludwig (Theologe).Für den Vormittag des 20.Mai war noch außer-halb des eigentlichen Pressefahrtthemas eineFührung durch das westfälische LWL-Industrie-museum Zeche Zollern in Dortmund-Bövinghau-sen angeboten. Dr. Thomas Parent stellte das Mu-seum vor und referierte eloquent über die Ge-schichte des Ruhrgebietes, während Museumslei-ter Dirk Zache ausführliche Einblicke in die Res-taurierung der Jugendstil-Maschinenhalle gab.Die Pressefahrt – bei sonnigem Wetter in guterStimmung ausgeführt – stieß auf große Resonanzbei den Teilnehmern. Alle zeigten tiefgehendesInteresse an den vorgestellten Kirchenbauten.Schon während der Fahrt gaben die Journalistengute Rückmeldung über die reibungslos verlau-fende Organisation und die zahlreichen, fachkun-digen Informationen, so dass die Bereisung eingelungenes, erfolgreiches Projekt war.

Hartmut Ochsmann

Bildnachweis

LWL-Amt für Denkmalpflege in Westfalen: 1, 2 (Dülberg).

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Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflegein Westfalen-LippeIm Frühjahr begleiteten die 24 Teilnehmerinnenund Teilnehmer der Jugendbauhütte Westfalendie Beschäftigten des LWL-Amtes für Denkmal-pflege auf ihren Dienstreisen. So konnten sie ei-nen kleinen Einblick in die Arbeit des Fachamtesgewinnen. An Baudenkmalen im Sauerland, inDetmold, Minden, Soest, dem Ruhrgebiet unddem Kreis Paderborn wurden denkmalpflegeri-sche Fragestellungen zwischen den jungenLeuten, den amtlichen Denkmalpflegern und denEigentümer/innen und Architekt/innen erörtert.Unterwegs wurde engagiert nachgefragt und wei-ter diskutiert.Die von der Deutschen Stiftung Denkmalschutzins Leben gerufenen „Jugendbauhütten“ bietenin der Trägerschaft der Internationalen Jugend-gemeinschaftsdienste e.V. den Rahmen für ein„Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege (FJD)“.Anknüpfend an die Tradition der mittelalterli-chen Bauhütten bietet diese Sonderform des Frei-willigen Sozialen Jahres praktische Erfahrungenund eine erste berufliche sowie persönliche Ori-entierung. Die erste Jugendbauhütte wurde inQuedlinburg gegründet. Sie feierte Anfang Juniihr zehnjähriges Jubiläum. Robert, ein Teilneh-mer des Jahrganges 2001/02 dort, erklärte wäh-rend der Jubiläumsveranstaltung: „Es war dasbeste Jahr meines Lebens.“ Er studierte in Lü-beck und ist nun als Architekt in Kiel tätig. SechsMonate lang arbeitete er in Afrika. „Ohne die Er-fahrungen in Quedlinburg hätte ich das nicht ge-tan. Auch acht Jahre danach bin ich für diese Zeitnoch dankbar.“Seit September 2007 hat auch Westfalen-Lippeeine Jugendbauhütte mit Sitz in Soest. Betreutvon einem pädagogischen Leiter und an der Seite

erfahrener Fachleute arbeiten junge Frauen undMänner im Alter von 16 bis 26 Jahren in Hand-werksbetrieben, bei Architekturbüros, Förder-vereinen, Stiftungen oder Denkmalbehörden inganz Westfalen-Lippe ein Jahr lang mit. In siebenFachseminaren werden begleitend Stil- und Ma-terialkunde, Forschungs- und Arbeitsmethoden,Grundlagen der Denkmalpflege sowie die Bedeu-tung des europäischen Kulturerbes vermittelt.Darüber hinaus werden traditionelle Handwerks-techniken erprobt.Die westfälische Jugendbauhütte hat sich als Pro-jekt für die gemeinsame aktive Denkmalpflegedie Soester Feldmühle vorgenommen. DieserFachwerkbau wird von den jungen Leuten unterfachkundiger Anleitung vermessen und erforscht– der Kern geht vielleicht bis ins 15.Jahrhundertzurück – und nach und nach restauriert. DieFachseminare finden im benachbarten ehemali-gen Freibad von 1926 statt. Diese beiden Bau-denkmäler bieten ideale Voraussetzungen, denFreiwilligen einerseits die Faszination histori-scher Bauten, alter Handwerkstechniken undBauweisen zu vermitteln und andererseits wie ineiner mittelalterlichen Bauhütte gemeinsam zuarbeiten und zu leben. So nehmen die jungenLeute unabhängig vom späteren Berufsweg dieErfahrung im Umgang mit Geschichte, Original-substanz und handwerklichen Fähigkeiten mit.Die Jugendbauhütte Westfalen wird von derDeutschen Stiftung Denkmalschutz, vom LandNRW sowie dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe unterstützt. Das LWL-Amt für Denkmal-pflege in Westfalen hält eine Begleitung der Ju-gendbauhütte für sehr wichtig, denn viele derTeilnehmerinnen und Teilnehmer schließen einStudium der Kunstgeschichte oder Architekturan, werden Restauratoren oder beginnen einehandwerkliche Lehre. So werden sie vielleicht ei-nes Tages Partner/innen in der Denkmalpflege,im Handwerk oder in verschiedenen Institutio-nen. In jedem Falle erhalten die jungen Menscheneinen unmittelbaren Eindruck von der Vielfaltdenkmalpflegerischer Themen. Wie die Erfah-rungen zeigen, engagieren sie sich weiterhin alsBotschafter für Denkmalpflege, auch bei uns inWestfalen-Lippe.Wer sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr in derDenkmalpflege interessiert oder eine Einsatz-stelle anbieten möchte, wende sich an: Jugend-bauhütte Soest, Oliver Dahn, Ulrichertor4, 59494Soest, Tel.: 02921/9815555, E-Mail: [email protected]; http://www.denkmalschutz.de/jugendbauhuette0.html

Anne Herden-Hubertus M.A.

Bildnachweis

Jugendbauhütte Soest.

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Denkmalpfleger und Jugendbauhüttler unterwegs. 2009.

„Am Anfang steht das Denkmal“ –Rückblick auf die Ausstellung im Landeshauszu MünsterAm 23. April 2009 wurde die Ausstellung „AmAnfang steht das Denkmal“ von LWL-Direktor Dr.Wolfgang Kirsch und Landeskonservator Dr. Mar-kus Harzenetter in der LWL-Bürgerhalle eröffnet.Sie endete am 28. Mai.Ausgangspunkt war eine Ausstellung, die von derArbeitsgruppe Inventarisation der Vereinigungder Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepu-blik Deutschland 2006 erarbeitet worden war. Siesetzte sich zum Ziel, die Inventarisation vonDenkmälern – also ihre Erfassung, Dokumenta-tion und Erforschung – darzustellen und wollteu.a. auf Denkmäler verweisen, die auf den erstenBlick nicht für denkmalwert gehalten werden.Das LWL-Amt für Denkmalpflege in Westfalenmachte es sich zur Aufgabe, diese vielschichtigeund umfangreiche Ausstellung um westfälischeBeispiele zu erweitern. Die für die Region sowichtigen Bereiche wie der Wiederaufbau nachdem Zweiten Weltkrieg und die als Denkmäler er-kannten Bauten der Nachkriegszeit, der Umgang

Fortbildungsreihe „Denkmalpflege –westfälisch – praktisch“ gestartetIn Kooperation mit dem LWL-FreilichtmuseumDetmold, wo die Veranstaltungen auch künftigstattfinden werden, soll unser Fachwissen fürden Umgang mit historischer Bausubstanz wei-tergegeben werden. Dabei wird jeweils einThema in den Mittelpunkt der eintägigen Veran-staltung gestellt. Angesprochen werden sollen dieKollegen/innen der Unteren Denkmalbehörden,Handwerker, Restauratorinnen, Architektinnenund Ingenieure sowie Personen, die mit derDenkmalpflege beruflich oder privat verbunde-nen sind.

mit Ruinen, die Vielfalt der technischen Kultur-denkmäler, die Gartendenkmalpflege und insbe-sondere die Ausstattung von Denkmälern wurdenmit eigenen Bild- und Texttafeln gewürdigt. Dieerarbeiteten Tafeln wurden durch Architektur-modelle (Schenkungen und Leihgaben) und Bei-spiele aus der Restaurierungsabteilung ergänzt,so dass ein repräsentativer Einblick in die Arbeitder Inventarisation und der Praktischen Denk-malpflege in Westfalen entstanden ist.Die Ausstellung diente auch dazu, die Arbeit desLWL-Amtes für Denkmalpflege in Westfalen imLandschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) undin der Öffentlichkeit bekannter zu machen undauf die Erfolge hinzuweisen, die seit Bestehen desnordrhein-westfälischen Denkmalschutzgesetzesin der Denkmalpflege der letzten 30 Jahre zu ver-buchen sind. Die bei der Eröffnungsfeier anwe-senden Richter des höchsten für Denkmalrecht inNordrhein-Westfalen zuständigen Gerichts (OVGNW) nahmen sicher mit Interesse zur Kenntnis,dass sich der LWL-Direktor Dr. Kirsch bei derLandesregierung im Falle einer Novellierung desDenkmalschutzgesetzes für die weitere fachlicheUnabhängigkeit der Denkmalämter im Verhältniszu den Landschaftsverbänden und für den Erhaltder Benehmensherstellung einsetzen möchte.Denn auch wenn die Legaldefinition von Denk-mälern, wie es Landeskonservator Dr. Harzenet-ter sagte, in allen Bundesländern ähnlich defi-niert ist, so haben sich doch die Besonderheitendes nordrhein-westfälischen Gesetzes bewährt,zu denen ausdrücklich die gutachtliche Unabhän-gigkeit der Fachämter in allen denkmalpflegeri-schen Fragen gehört.Es war erfreulich, zur Eröffnung interessierteLaien, Denkmaleigentümer, Mitarbeiter der Unte-ren Denkmalbehörden, der Museen und andererÄmter der LWL-Kulturabteilung und – wie schonerwähnt – auch Richter des OVG NW begrüßen zukönnen.

David Gropp

Bildnachweis

LWL-Amt für Denkmalpflege in Westfalen (Dülberg).

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Eröffnungsrede des LWL-Landesdirektors Kirsch.

Erläuterung der Wärmebehandlung

Die erste Veranstaltung fand am 27. Mai 2009 zu„Holzinsekten in historischen Fachwerkgebäu-den und Ausstattungen“ statt. Insektenbefall anhölzernen Konstruktionen ist ein zentrales Pro-blem bei der Erhaltung historischer Gebäude. Dr.Hubertus Michels vom LWL-FreilichtmuseumDetmold erläuterte das im Freilichtmuseum ent-wickelte Konzept „Integrierte Schädlingsbe-kämpfung“ an Beispielen im Museum. Dr. UweNoldt vom Johann Heinrich von Thünen-Institut,Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume,Wald und Fischerei, Hamburg, stellte die verbrei-teten, in verbautem Holz lebenden Holzschadin-sekten mit ihren Schadmerkmalen vor. JohnFarnsworth – einer unserer Amtsrestauratoren –zeigte an Fallbeispielen aus der denkmalpflegeri-schen Praxis, mit welchen Folgeschäden zu rech-nen ist, wenn Holzschädlinge tätig waren. Darü-ber hinaus warnte er vor Gesundheitsgefahren

durch früher aufgebrachte Holzschutzmittel, diebei Restaurierungen freigesetzt werden können.Eine kleine Ausstellung (Dr. U. Noldt und J.Farnsworth) zeigte an Exponaten anschaulich dieSchadensbilder. Bei einem Geländegang wurdenbehandelte Objekte besichtigt, u.a. ein mit Folieeingepacktes Fachwerkgebäude, das z.Z. mit 65Grad heißer Luft bei 19% Luftfeuchtigkeit behan-delt wird.Den Bedarf an praxisorientierten Themen zeigtdie Teilnahme von mehr als 100 Personen. Ausdiesem Kreis kamen auch weitere Themenvor-schläge. Es ist geplant, die Fortbildungen unterdem Motto: „Denkmalpflege – westfälisch – prak-tisch“ einmal jährlich anzubieten.

Anne Herden-Hubertus

Bildnachweis

Uwe Noldt (Hamburg).

insbesondere das Thema „Denkmalpflege undStiftungen“ behandelt werden.Das „Deutsche Nationalkomitee für Denkmal-schutz“ hat vor dreißig Jahren (1977) den „Deut-schen Preis für Denkmalschutz“ gestiftet, mitdem all diejenigen ausgezeichnet werden, diesich in beispielhafter Weise der Rettung von Ge-bäuden, Ensembles, Altstadtkernen, Dörfern undarchäologischen Denkmälern verschrieben ha-ben. Er wird in der Regel jährlich verliehen undbesteht in der Vergabe des Karl-Friedrich-Schinkel-Ringes, der silbernen Halbkugel und desJournalistenpreises. In den letzten Jahren sindvom Deutschen Nationalkomitee 16 Preisträgerausgezeichnet worden. Sie stehen für das bürger-schaftliche Engagement im Denkmalschutz inWestfalen-Lippe und haben wichtige Projekte zueinem erfolgreichen Abschluss gebracht. Fastalle haben ihre Arbeit nach der Preisverleihungfortgeführt.Von den dreizehn noch lebenden Preisträgernsind wieder alle nach Warendorf gekommen, de-nen es möglich war: von der ersten westfälischenPreisträgerin Sissi Fürstin Bentheim-Tecklen-burg aus Herzebrock-Clarholz, die 1979 die sil-berne Halbkugel für ihre Arbeiten an Haus Bos-feld in Rheda erhalten hat, bis zum ArbeitskreisDortmund im Förderverein BergbauhistorischerStätten Ruhrrevier e.V. Dortmund, der 2007 fürseine Bemühungen um die Bewahrung originalerZeugnisse des historischen Bergbaus mit der sil-bernen Halbkugel ausgezeichnet wurde.Nach Begrüßungen durch den Bürgermeister vonWarendorf, J. Walter, und durch den stellvertre-tenden Landeskonservator, Dr. R. Borgmann,wurde von Dr. O. Karnau (LWL-AfDW) zunächsteine kurze Rückschau auf das vorherige Treffen2008 in Marsberg-Bredelar gegeben. Anschlie-ßend folgte ein Vortrag des Vorsitzenden der Wa-rendorfer Altstadtfreunde, L. Sandmann, der die

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Treffen der westfälischen Preisträger des„Deutschen Nationalkomitees für Denkmal-schutz“ in WarendorfAuf Initiative des LWL-Amtes für Denkmalpflegesind die westfälischen Preisträger des „Deut-schen Nationalkomitees für Denkmalschutz“ am3. Juni 2009 in Warendorf zu ihrem zweiten Tref-fen zusammengekommen. Ziel des Treffens ist es,die oft schon jahrzehntelange, bedeutende Arbeitder westfälischen Preisträger anzuerkennen undzugleich ein Informations- und Kontakt-Netzwerkerfahrener und hoch motivierter privater Denk-malpfleger zu bilden. 2008 hatte es bereits einsolches Treffen zum ersten Mal gegeben und dieResonanz war so positiv, dass die Preisträger sichauch in diesem Jahr wieder zu einem Erfah-rungsaustausch treffen wollten, auf Einladungder 1985 ausgezeichneten Altstadtfreunde dies-mal in Warendorf. Neben der Arbeit des örtlichenPreisträgers sollte auf Wunsch der Preisträger

Teilnehmer des zweiten Treffens der westfälischen Preis-

träger des „Deutschen Nationalkomitees für Denkmal-

schutz“ vor dem historischen Rathaus in Warendorf. 2009.

1985 mit der Silbernen Halbkugel ausgezeichneteArbeit der Vereinigung für Denkmalpflege, Stadt-erhaltung und Stadtbildpflege e.V. Warendorfdargestellt hat. Die Bandbreite der von der Verei-nigung bearbeiteten Aufgaben ist enorm, und esist deutlich geworden, dass die Altstadtfreundeimmer mit viel Fantasie nach Lösungen gesuchtund ihre Ziele vermittelt haben. Wichtig sei es,mit den zuständigen Partnern nicht über Leser-briefe in der Zeitung zu kommunizieren und di-rekt „im Gespräch zu bleiben“.Der Vortrag „Stiftungen und andere bürger-schaftliche Modelle zur Objektsicherung – Bür-gerschaftliches Engagement für die Denkmal-pflege“ von Dr. F. Kaspar (LWL-AfDW) ging vonder Beobachtung aus, dass städtische Wohn- undLebenskultur vergangener Epochen (noch) nichtausreichend dargestellt wird. Die Bewahrung derhierfür relevanten Baudenkmale ist in den letzten15 Jahren vor allem durch bürgerschaftliches En-gagement in verschiedenen Museumsinitiativenvorangebracht worden. Zumeist stehen dahinterVereine, nicht selten auch als Eigentümer derBauten. Um hierbei weniger abhängig von dempersönlichen Engagement Einzelner oder von derMitgliederstärke eines Vereins zu sein und dieObjekte dauerhaft zu sichern, bietet sich dieGründung einer Stiftung an.Nach Pressetermin und Mittagspause gab es inzwei Gruppen einen Rundgang durch Teilberei-che der Altstadt von Warendorf. Höhepunkte wa-ren die ehem. Vikarie Klosterstraße10, die zur-zeit von den Altstadtfreunden erforscht wird, unddas gegenüberliegende Bürgerhaus Kloster-straße7 mit seinen handgedruckten Bildtapetenim Gartensaal.Im Podiumsgespräch über die Frage „Denkmal-pflege und Stiftungen“ stellten S. Hentschel (Stif-tungsaufsicht Bezirksregierung Detmold), Dr. F.

Kaspar (Stiftung „Kleines Bürgerhaus“ Telgte)und Dr. S. Skudelny (Deutsche Stiftung Denkmal-schutz) die damit verbundenen Fragen aus ihrerPerspektive dar, wobei noch einmal deutlichwurde, dass bei überlegter Formulierung der Stif-tungszwecke eine Fortführung der Arbeit aufDauer ermöglicht werden kann. Bei Interessesteht als erster Ansprechpartner bei jeder Be-zirksregierung die Stiftungsaufsicht bereit undberät gern über die notwendigen Schritte.Vor der Schlussbesprechung berichtete der Vor-sitzende des Fördervereins Kloster Bredelar e.V.,Dr. F.-J. Bohle, über den Fortgang der Arbeitenan diesem Baudenkmal seit dem vergangenenJahr. Im Oktober 2008 konnte der für die öffentli-che Nutzung vorgesehene Bereich eröffnet wer-den. Es sind noch viele Aufgaben zu lösen, aberder Förderverein arbeitet weiter daran mit vielFreude und Engagement.Abschließend dankten die Preisträger noch ein-mal dem LWL-Amt für Denkmalpflege in Westfa-len für die Initiative, ein solches Treffen zu ver-anstalten, dessen Konzeption und Durchführungerneut vom Berichterstatter zusammen mit Wa-rendorfer Altstadtfreunden übernommen wordenwar. 2010 will sich der Kreis wieder zu einem Er-fahrungsaustausch treffen, auf Einladung des2000 ausgezeichneten Fördervereins Projekt Wä-schefabrik e.V. dann in Bielefeld. Neben der Vor-stellung der Arbeit des Fördervereins soll danninsbesondere das Thema „Fördermöglichkeiten“behandelt werden. Im darauffolgenden Jahr2011 hat Sissi Fürstin Bentheim-Tecklenburg denKreis der Preisträger schon nach Rheda eingela-den, wofür alle herzlich danken.

Oliver Karnau

Bildnachweis

LWL-Amt für Denkmalpflege in Westfalen (Karnau).

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Dr. Richard Borgmann im RuhestandDer 31. Juli 2009 war für Dr. Richard Borgmannder letzte Arbeitstag im LWL-Amt für Denkmal-pflege in Westfalen, dem er seit dem 15.11.1976angehörte, zuletzt als Leiter der PraktischenDenkmalpflege und stellvertretender Landeskon-servator. Nach über 32jährigem Wirken in derDenkmalpflege wurde er in den Ruhestand ver-abschiedet.Geboren in Osnabrück verbrachte Richard Borg-mann seine Kindheit und Jugend im westfäli-schen Ibbenbüren, wo er die Volksschule und dasAmtsgymnasium besuchte. Nach dem Abitur1965 und dem Grundwehrdienst bei der Bundes-wehr begann er 1967 mit dem Studium an der

Universität Münster in den Fächern Kunstge-schichte, Volkskunde und Klassische Archäologie,das er 1976 mit der Promotion abschloss.Im gleichen Jahr trat er als wissenschaftlicherReferent beim Westfälischen Amt für Denkmal-pflege in den Dienst des LandschaftsverbandesWestfalen-Lippe. Seine ersten Aufgaben lagen imBereich der Inventarisation und der Denkmal-erforschung. In den Jahren der Vorbereitungzur Verabschiedung des nordrhein-westfäli-schen Denkmalschutzgesetzes war er u.a. an derflächendeckenden Listenerfassung der westfäli-schen Kulturgüter beteiligt, mit deren Hilfe derBestand an erhaltenswerter Bausubstanz erfasstwerden und als Basis für spätere Überprüfungen

Personalia

auf einen eventuellen Denkmalwert dienen sollte.Ende der 1970er Jahre wurde er Betreuer undKoordinator dieses Sonderprojekts.Am 01.07.1980 trat das nordrhein-westfälischeDenkmalschutzgesetz in Kraft und bescherte demWestfälischen Amt für Denkmalpflege durch dievon den Unteren Denkmalbehörden betriebenenEintragungen in die Denkmallisten eine Fülle vonArbeit, da jedes Objekt im Rahmen einer Beneh-mensherstellung in kürzester Zeit begutachtetund bewertet werden musste. Die seinerzeitkleine Abteilung Inventarisation des Amtes wardem Ansturm kaum gewachsen, und die wenigenKolleginnen und Kollegen, unter ihnen auch Ri-chard Borgmann, mussten sich zwangsweise eineerhöhte Stressresistenz zulegen.In den folgenden Jahren wurden in der AbteilungPraktische Denkmalpflege fünf Gebiets- und zweiFachreferate eingerichtet, um der stetig wach-senden Arbeit Herr zu werden. Richard Borg-mann übernahm die Leitung des Referates Nord-west und betreute dort die Kreise Steinfurt undBorken. 1992 wurde er zum ersten Leiter desFachbereichs Praktische Denkmalpflege berufen,der im Rahmen einer Neustrukturierung des Am-

tes Anfang der 1990er Jahre entstanden war undder fünf Gebietsreferate sowie die Fachreferatefür Technische Kulturdenkmäler und Restaurie-rung umfasste.Einerseits aus der Personalnot geboren, anderer-seits aber auch, um den Kontakt zur Praxis nichtzu verlieren, betreute Richard Borgmann auch inden Folgejahren weiterhin Denkmäler, zuletzt imGebiet der Stadt Hamm. Untrennbar mit seinemNamen verbunden ist auch die Klosteranlage Dal-heim, die ihn fast sein ganzes Berufsleben beglei-tet hat, und an deren Sanierung und Wiederbele-bung als Klostermuseum er als denkmalpflegeri-scher Betreuer maßgeblich beteiligt war.2003 fiel ihm die problematische Aufgabe zu, sei-nen Fachbereich nach den Vorgaben einer Orga-nisationsüberprüfung neu zu ordnen und zustraffen. Die neue Struktur mit von nun an dreiGebietsreferaten (Teams) und zwei Fachrefera-ten trat 2004 in Kraft. Am 05.11.2007 wurde Ri-chard Borgmann zum stellvertretenden Landes-konservator ernannt.Auch außerhalb der amtlichen Tätigkeit enga-gierte er sich in vielen Bereichen der Denkmal-pflege, so als Lehrbeauftragter in der Akademiedes Handwerks in Raesfeld, in verschiedenenGremien des Deutschen Nationalkomiteesfür Denkmalschutz, im nordrhein-westfälischenStädtetag, sowie durch eine umfangreiche Vor-tragstätigkeit. Ein besonderes Anliegen war ihmauch der enge Kontakt zum LandesdenkmalamtBrandenburg, das in Zeiten der Wende zum„Partneramt“ wurde und mit dem bis heute derkollegiale und freundschaftliche Gedankenaus-tausch in regelmäßigen Treffen gepflegt wird.In den über drei Jahrzehnten seiner Tätigkeit ar-beitete Richard Borgmann unter drei Landeskon-servatoren in nahezu allen Bereichen der amtli-chen Denkmalpflege. Während seiner Dienstzeiterhielt das Amt seine noch heute bestehendeStruktur. In diese Zeit fällt auch das Inkrafttretendes nordrhein-westfälischen Denkmalschutzge-setzes 1980, in dessen Folge der Personalbestanddes Amtes deutlich aufgestockt wurde, um die er-weiterten Aufgaben bewältigen zu können.Und so geht mit Richard Borgmann eine Persön-lichkeit in den Ruhestand, die über viele JahreKontinuität und Weiterentwicklung des Amtesharmonisch miteinander zu verbinden wussteund damit das LWL-Amt für Denkmalpflege inWestfalen und insbesondere den FachbereichPraktische Denkmalpflege nachhaltig geprägthat.Seine vielfältigen Interessen, seine Lust am Rei-sen, seine Liebe zu den griechischen Inseln, seineFreude an den schönen und angenehmen Dingendes Lebens werden im Ruhestand nun wohl dieangemessene Zeit haben, sich weiter zu entfalten.

Bildnachweis

LWL-Amt für Denkmalpflege (Dülberg).

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Dr. Richard Borgmann

Bibliographie Richard Borgmann

1976

Die Stiftskirche in Barsinghausen (Diss.). Münster1976.

1984

Die Erfassung des „zu schützenden Kulturgutes“(Schnellinventarisation) 1977–79, in: Westfalen 62(1984), S.292–298.

1986

Bürgerhäuser im Kreis Borken, in: Unsere Heimat.Borken 1986, S.95–112.

Neue Befunde zur Baugeschichte des Westflügelsder Klosteranlage (Schloss) Bentlage bei Rheine,in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege 44 (1986),S.59.

1991

St.Fabian und Sebastian Darup. München 1991.(Kleine Kunstführer 1913).

1992

Das Bauernhaus Krommert1 in Rhede, in:Im Wandel der Zeit. 100 Jahre Westfälisches Amtfür Denkmalpflege. Münster 1992, S.280–283.

(zus. mit Jürgen Eberhardt) Das Schiefe Haus inTecklenburg, in: Im Wandel der Zeit. 100 JahreWestfälisches Amt für Denkmalpflege. Münster1992, S.190–207.

Drei Burgmannshöfe in Horstmar, in: Im Wandel derZeit. 100 Jahre Westfälisches Amt für Denkmal-pflege. Münster 1992, S.408–417.

1994

Der Umbau und die Instandsetzung der soge-nannten Feme. Ein Beispiel aus dem ländlichenRaum, in: Denkmalpflege als Standort- undWirtschaftsfaktor: Dokumentation der Tagung desDeutschen Nationalkomitees für Denkmalschutzanlässlich der Fachmesse „Denkmal ’94“ am 26.Oktober 1994 in Leipzig. Bonn 1994, S.57–59.

1996

(zus. mit Hubertus Michels) Die Instandsetzung der„Feme“ in Höxter-Bruchhausen, in: Denkmalpflegein Westfalen-Lippe 2/96, S.3–13.

1999

Denkmalpflege als Dienstleistung. Guter Rat istteuer – in der Denkmalpflege noch umsonst.Qualitätssicherung in der Denkmalpflege, in:Auf dem Weg ins 21.Jahrhundert. Bonn 1999(Schriftenreihe des Deutschen Nationalkomitees fürDenkmalschutz 61), S.69–70.

2002

Der historische Bestand. Fassaden, in: KlosterBentlage. Hg. Stadt Rheine. Münster 2002, S.79–82.

2003

Auferstanden aus Ruinen – das Haus Witten, in:Denkmalkultur zwischen Erinnerung und Herkunft.Bonn 2003 (Schriftenreihe des Deutschen National-komitees für Denkmalschutz 70), S.82–84.

Baudenkmalpflegerische Leitbilder. Denkmalpflege-rischer Leitfaden zur Instandsetzung und Umnut-zung, in: Machbarkeitsstudie Kloster Dalheim,Westfälisches Museum für Klosterkultur. Münster2003, S.22–23.

2007

Zum Umbau und der Erweiterung des GräflichenParkhotels aus der Sicht der Denkmalpflege, in:Gräflicher Park Bad Driburg. Petersberg 2007(Arbeitsheft des LWL-Amtes für Denkmalpflege inWestfalen), S.38–39.

2008

Die Pfarrkirche St.Bonifatius in Münster. „Kirche.und Leben“, in: 1960 plus – ein ausgeschlagenesErbe? Bonn 2008 (Schriftenreihe des DeutschenNationalkomitees für Denkmalschutz 73), S.16–19.

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In memoriamProf.Dr. Hilde ClaussenHilde Claussen, von 1951 bis 1984 im Dienste derDenkmalpflege in Westfalen tätig, starb nach lan-ger Krankheit am 11. April 2009. Geboren wurdesie am 30. August 1919 in Plön (Holstein), ihre Ju-gend verbrachte sie in Marburg. Das 1939 begon-nene Studium der Kunstgeschichte, Germanistik,Geschichte und Klassischen Archäologie führtesie nach München, Wien, Würzburg, Straßburgund Marburg. Dort wurde sie 1950 mit einer Ar-beit über „Die Heiligengräber im Frankenreich.Ein Beitrag zur Kunstgeschichte des Frühmittel-alters“ promoviert. Ein Abstecher auf einer Reiseführte sie im gleichen Jahr nach Vreden, wo un-ter der Leitung von Wilhelm Winkelmann die ka-

rolingische Stiftskirche mit ihrer Krypta ausge-graben wurde. Hilde Claussen entschloss sich, beider Ausgrabung mitzuarbeiten und blieb fortanin Westfalen. Am 1. Januar 1951 wurde sie zu-nächst bei der Abteilung Kulturpflege des Land-schaftsverbandes Westfalen-Lippe eingestellt. Alsderen Leiter Theodor Rensing 1952 als Landes-konservator das Amt für Denkmalpflege beimLandschaftsverband übernahm, folgte sie ihmund blieb dort bis zu ihrer Pensionierung. AmInstitut für Kunstgeschichte der WestfälischenWilhelms-Universität Münster nahm sie einenLehrauftrag wahr. 1988 wurde ihr der Titel Ho-norarprofessorin verliehen. 1999 wurde sie mitdem Verdienstorden des Landes Nordrhein-West-falen geehrt.

Hilde Claussens große Leistung für die Denkmal-pflege in Westfalen bestand im Aufbau eines mo-dernen Restaurierungswesens – nur in Bonn undMünchen gab es bereits Vergleichbares. 1957 ge-lang es, die Planstelle eines akademischen Res-taurators zu schaffen und mit Kurt Schmidt-Thomsen zu besetzen. Als Ergebnis gemeinsamerBemühungen wuchs im Laufe der Jahre eine wis-senschaftlichen Grundsätzen verpflichtete Fach-abteilung heran, zu der eine leistungsfähigeWerkstatt im Hause gehörte. Ein besondererSchwerpunkt war die Ausbildung des Nachwuch-ses und die Weiterbildung der im Lande tätigenfreiberuflichen Restauratoren. Leitendes Prinzipwar der offene Dialog vor dem Original – HildeClaussen stieg auf jedes Gerüst, um die Befundemit den Restauratoren zu diskutieren. Mit nichtnachlassendem kritischen Fragen wurden Beob-achtungen und Hypothesen überprüft und ge-meinsam Lösungen für denkmalpflegerische Pro-bleme erarbeitet. Leistungen anerkannte siespontan mit Lob, aber auch Kritik ließ sie, wennes ihr nötig erschien, deutlich spüren. Claussensintensive Recherchen zu den historischen undkunstgeschichtlichen Quellen trugen Entschei-

dendes zu den Restaurierungen bei, machten siein besonderen Fällen – genannt sei das Aufspürendes Bozzettos Carlo Carlones für die Clemenskir-che in Münster – erst möglich.Bei der großen Arbeitsfülle – in diesen Jahrenwar zugleich mit dem Wiederaufbau der kriegs-zerstörten Bauten auch der Nachholbedarf derjahrzehntelang in ihrer Pflege vernachlässigtenDenkmäler zu bewältigen – behielt sie stets dieRangfolge der Werte im Blick. „Ich habe nie Zeit– aber für die Wiesenkirche in Soest habe ich im-mer Zeit“ war ihre Devise. Es gibt wohl kaum be-deutende Denkmäler in Westfalen, die in jenenJahren nicht restauriert wurden und an denenHilde Claussen nicht in irgendeiner Form mitge-wirkt hätte.Eine der großen Problemstellungen war derSteinzerfall infolge der Luftverschmutzung.Claussen unterstützte die Bemühungen der Res-tauratoren u.a. um eine naturwissenschaftlicheGrundlagenforschung. Die ungewöhnlich guteFotodokumentation, die seit dem Ende des19.Jahrhunderts im Amt angelegt worden war,nutzte sie, um Öffentlichkeitskampagnen mit ein-drucksvollem Bildmaterial zu unterstützen. Einevon ihr mit betreute Pressefahrt mit dem Slogan„Steinsterben“ stand am Ende ihrer dienstlichenTätigkeit.Bei aller Beanspruchung durch die denkmalpfle-gerischen Aufgaben und die notwendige Verwal-tungsarbeit blieb Hilde Claussen als Forscherinder Wissenschaft treu. Ihre damaligen Vorgesetz-ten unterstützten dies durch eine halbjährige Be-urlaubung 1951/52 für ein Reisestipendium derDeutschen Forschungsgemeinschaft, das nachItalien führte, und noch einmal 1954 für eine Sti-pendiatenreise durch Frankreich und dieSchweiz. 1959 nahm sie an der Ausgrabung inder Stephanskirche in Chur (Graubünden) teil.Dadurch konnte sie die in ihrer Dissertation be-gonnenen Forschungen zum frühen Mittelaltervertiefen. 1957 erschien der durch die Grabungin Vreden angeregte Aufsatz über die spätkaro-lingischen Umgangskrypten im sächsischen Ge-biet. Später verfolgte Claussen das Thema mitden Arbeiten über die Krypten der Stiftskirche inMeschede (seit 1967), der Abteikirche in Werden(1974) und der Peterskirche in Fulda (1987) wei-ter. Ein Hauptwerk ist die gemeinsam mit WalterSulser verfasste Monographie über die früh-christliche Memorialkirche St.Stephan in Chur(1978).Der Großteil der Publikationen ist aus der prakti-schen denkmalpflegerischen Arbeit erwachsen.Die Spanne reicht von kleinen örtlichen Führernfür das breite Publikum bis zu grundlegenden Ar-beiten wie zum Beispiel der gemeinsam mit demRestaurator Klaus Endemann verfasste Aufsatzüber die Imad-Madonna (1970) und der als vor-bildlich geltende Beitrag über die Farbigkeit vonromanischen Kirchenräumen in Westfalen

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Prof.Dr. Hilde Claussen

(1978). Beide Arbeitsbereiche – Frühmittelalter-forschung und praktische Denkmalpflege – flos-sen zusammen im Projekt „Karolingische Wand-malerei in Corvey“, mit dem Claussen seit etwa1960 beschäftigt war und zu dem die dort 1993neu entdeckten Vorzeichnungen für lebensgroßeStuckfiguren hinzu kamen. Es füllte die Zeit ihresRuhestandes aus, indessen war es ihr nicht mehrvergönnt, die Arbeit selbst zu Ende zu führen.Glücklicherweise gelang es durch die Mitwirkungvon Anna Skriver, die Publikation in ihrem Sinnefertig zu stellen.Die Kennzeichen der wissenschaftlichen Arbeitenvon Hilde Claussen waren schon in der eingangsgenannten, in der Fachliteratur überaus häufigzitierten, bis heute aber ungedruckten Disserta-tion über die Heiligengräber im Frankenreichausgeprägt: souveräne Beherrschung der Litera-tur, umfassende Quellenrecherche, auch inscheinbar entlegenen Bereichen, intensive Prü-fung der Sachüberlieferung und schließlich ei-genständige Interpretation aus neuer Perspek-tive. Ihr hoher Qualitätsanspruch an sich selbsthat manchen an Termine gebundenen Herausge-ber zur Verzweiflung gebracht. Ergebnis warenviele neue, originelle Erkenntnisse auf äußerstsolider Basis.Zu Claussens Anliegen gehörten nicht nur der in-tensive geistige Austausch mit dem engeren Kol-legenkreis ebenso wie mit der internationalenFachwelt, mit der sie durch vielerlei Freund-schaften verbunden war, sondern auch die För-derung des Nachwuchses. Mehrere Dissertatio-

nen sind durch ihre Anregung entstanden. In al-len Bereichen war es ihr wichtig, dort, wo sie De-fizite sah, sich um Hilfe zu kümmern, in der Regelim Hintergrund. Als Beispiel sei genannt, dass siesich bemühte, hilfreiche Kontakte zu den Kolle-ginnen und Kollegen in der DDR auch unterschwierigen Umständen aufrecht zu erhalten.Hohe Intelligenz, Schnelligkeit des Geistes undscheinbar nie erlahmende Arbeitskraft waren ihrin besonderem Maße geschenkt. Denjenigen, diemit ihr in Verbindung standen, wird ihre persön-liche Anteilnahme und auf der fachlichen Seiteihr Streben nach Qualität und ihr unablässigeskritisches, auch selbstkritisches Nachfragen imGedächtnis bleiben.

Bildnachweis

LWL-Amt für Denkmalpflege in Westfalen (Brückner).

Die umfangreiche Bibliografie Hilde Claussenswird zusammen mit dem Nachruf in der nächstenAusgabe der Zeitschrift Westfalen erscheinen.Zum Andenken an Hilde Claussen findet am Frei-tag, 13.November 2009 ab 11Uhr ein Kolloquiumim Erbdrostenhof, Salzstraße38, 48143 Münsterstatt. Unter dem Titel „Kunst des frühen und ho-hen Mittelalters – Forschung und Denkmalpflege.Kolloquium zum Gedenken an Hilde Claussen“sollen ihr Leben und Werk in verschiedenen Vor-trägen geehrt werden.Den endgültigen Programmverlauf entnehmenSie www.lwl-denkmalpflege-westfalen.de.

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