den_tiger_zähmen_zoo_katze_hund_esel_pferd_kuh_scheinegrippe_schwein_rind_h1n1_china_asien_japan_iran_usa_irak_indien_bibel_jesus_gott

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    TONY ANTHONY / ANGELA LITTLE

    DENTIGER ZHMEN

    ChristlicheLiteratur-Verbreitung e. V.

    Postfach 11 01 35 33661 Bielefeld

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    1. autorisierte Lizenzauflage (CLV) 2009

    Copyright 2004 by Tony Anthony und Angela Little,published by Authentic Media, 9 Holdom Avenue, Bletchley,

    Milton Keynes, Bucks, MK1 1QR, England

    Copyright der deutschsprachigen Ausgabe 2005 by Verlag C.M. Fli, Ltt Kollau 17, 22453 Hamburg

    Originaltitel: Taming the Tigerbersetzung: Dr. Friedemann Lux

    Umschlag: Lucian Binder, MarienheideSatz: CLV

    Druck: CPI Ebner & Spiegel, Ulm

    ISBN 978-3-86699-107-1

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    Ich widme dieses Buch Michael Wright,der mich und so viele andere aus der Wste rief.

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    DEN TIGER ZHMEN,DEN DRACHEN BESIEGEN.

    (CHINESISCHES SPRICHWORT)

    Und ich sah einen Engel vom Himmel herabfahren,der hatte den Schlssel zum Abgrundund eine groe Kette in seiner Hand.

    Und er ergriff den Drachen, die alte Schlange,das ist der Teufel und der Satan,

    und fesselte ihn fr tausend Jahre,und warf ihn in den Abgrund und verschloss ihn

    und setzte ein Siegel oben darauf,damit er die Vlker nicht mehr verfhren sollte.

    Offenbarung20 ,1-3

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    DANKE !

    Dieses Buch beschreibt eine lange Reise, und vieleMenschen haben bei seiner Entstehung eine Rollegespielt.

    Am meisten danke ich meiner Frau Sara fr ihre

    Weisheit. Sie ist meine beste Freundin, die mir immerwieder Mut macht und mich korrigiert. Sie ist mitihrem ruhigen Lcheln der ruhende Pol in einerzutiefst befriedigenden, aber manchmal an die emo-tionale Substanz gehenden Arbeit. Ein groes Danke-schn auch meinen Shnen Ethan und Jacob, die mir

    sagen: Papa, wir vermissen dich so, wenn du nicht da bist, und die mich dann, wenn ich nach Hause komme,daran erinnern, dass Vter zum Spielen, Geschichten-Vorlesen und Schmusen da sind.

    Dieses Buch wre nicht mglich gewesen ohne diehingebungsvolle Beharrlichkeit von Angela Little, der

    besten Mitautorin, die man sich wnschen kann. Vonunserer ersten Begegnung an waren wir auf einer Wel-lenlnge, und ihre Begeisterung fr dieses Projekt istebenso unermdlich wie ansteckend gewesen. Danke,dass du dieses Projekt angenommen und durchgefhrthast. Danke, dass du verstanden hast, wer ich frher war

    und wer ich heute bin.Angelas Ehemann Phil: Danke fr all deine Hilfe undErmutigung. Ein groes Dankeschn auch an euren SohnSamuel, der so viel Zeit mit Mama grozgig geopferthat. Ich danke den vielen Freunden und Verwand-ten, die Angela bei diesem Projekt untersttzt haben

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    vor allem Gordon und Dorothy Little, Tony und LindaSmith sowie Chris und Linda McIntire fr all ihre ganz

    praktische Hilfe und Ermutigung.Malcolm Down und das Team des Verlags Authen-tic Publishing: Danke fr eure Begeisterung, euren Mutund euren Glauben an dieses Buch.

    Ich danke ferner den Vorstandsmitgliedern meinesWerkes, die mir so treu Leitung und Richtung fr meine

    Arbeit geben: Rob Land, Martin Eady, Sara Anthony,David Coleman, David Duell, Patrick Russell-Mott, TinaMay, Jane Christian und Luke Dobson.

    Ich danke meinen Mentoren: George Verwer, Ste-ven Hembery, Gwyn Jordan, David Chadwick und PaulWilcox, deren Weisheit und Rat mein Leben und meine

    Arbeit reicher gemacht haben.Und nicht zuletzt: Danke, lieber Leser, dass du dir dieZeit nimmst, meine Geschichte zu lesen.

    Tony Anthony

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    KAPITEL 1

    Shane DSouza war kaum noch zu erkennen. Er warzusammengeschlagen, zerstochen, vergewaltigt, auf jedenur erdenkliche Art demoliert. Die Wrter hoben ihn vondem Zellenfuboden, auf dem sich groe, dunkelrote

    Blutpftzen gebildet hatten, und legten seinen Krperauf eine schmutzige Trage. Dann trugen sie ihn durchden dunklen Korridor zur Krankenstation. Die kleineGruppe der Zuschauer lste sich auf. Wir alle wussten,wer den jungen Mann aus Sri Lanka so zugerichtet hatte,aber niemand sagte ein Wort. Der Gefngnisverwaltung

    war es egal. Fr sie war es ein Knastbruder (oder, aufGriechisch, fylakismenos) weniger im Block B. Er wrde bald durch einen anderen ersetzt werden. Es wrdekeine Untersuchung geben, keine Strafe fr den Tter,keine Gerechtigkeit fr meinen Freund.

    Es war ein ganz normaler Tag im Zentralgefng-

    nis von Nikosia. Wir waren Mrder, Drogenhndlerund Schmuggler, Gangster, Kinderschnder, Diebe, Ver-gewaltiger, Terroristen und Betrger, ein stinkenderEintopf menschlicher Verderbtheit, von den gemeinstender Gemeinen bis zu denen, die einfach Pech gehabthatten, zusammengewrfelt in einem zypriotischen

    Gefngnis.Es gab viele Gesetze in diesem Gefngnis, aber siestammten nicht von der Obrigkeit. Wir lebten nacheinem Gesetzbuch der Gewalt, dessen eines Ziel dasberleben war. Jeder fr sich, stndig galt es, auf derHut zu sein, keiner wusste, wann das nchste Blut ver-

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    gossen wrde, womglich nur so aus Spa. Aber zwi-schen mir und Shane hatte es so etwas wie ein Bndnis

    gegeben, und als ich sah, was da mit Shane passiert war,stieg die schwarze Wut in mir hoch.Al Capone oder Alcaponey, wie die Griechen ihn

    nannten war ein Exemplar von der belsten Sorte. Sei-nen wirklichen Namen kannte niemand. Er war einervon den kriminellen Geistesgestrten. Die Gerichte

    gaben sich nicht mit psychiatrischen Anstalten ab, sieluden die Verrckten einfach bei uns ab. Sie warenihr eigenes Gesetz, die Verrckten, und Alcaponeywar einer der Allerschlimmsten. Er war ein Barbaraus Zypern, ein Einzelgnger, der kaum seine Mutter-sprache beherrschte. Er sa wegen Mord und diverser

    Vergewaltigungen ein und war ein Psychopath ersterGte. Whrend wir anderen unsere Zeit mit Drogen,kleineren Diebsthlen (meist Zigaretten und Schoko-lade, unsere hauptschliche Whrung) und gelegent-lichen handwerklichen oder knstlerischen Arbeitenverbrachten, bestand Alcaponeys Tagewerk darin,

    andere Insassen zusammenzuschlagen, zu verstmmelnund zu vergewaltigen. Er war ein Lebenslnglicher, derentschlossen schien, uns anderen das Leben zur Hlle zumachen.

    An dem Tag, an dem er Shane so zurichtete, schworich, Shanes Rcher zu werden. Alcaponey war einen

    guten Kopf grer als ich. Er trainierte mit Hanteln, undseine Arme waren so dick wie meine Oberschenkel, aberich wusste, dass ich ihn kriegen konnte. Ich wusste: Ichkonnte ihn mit meinen bloen Hnden tten, er wrde bezahlen fr jeden Schlag, fr jede Untat, fr jeden Trop-fen von Shanes Blut.

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    In den nchsten Tagen hing eine stumme Wolke derVorahnung ber dem Gefngnis. Jeder wusste, dass ich

    hinter Alcaponey her war. Es wrde nicht schn werden.Ich wartete nur auf den richtigen Augenblick. Fast zweiWochen vergingen, und mit jedem Tag stieg meine Wutund meine Entschlossenheit, ihn auf jede nur erdenklicheArt leiden zu lassen. Es reichte mir nicht, ihn zu tten.Bevor ich ihn zur Hlle schickte, sollte er mich auf Knien

    um Gnade anflehen. Ich war ein Kung-Fu-Meister derWeltklasse, ich konnte ihn buchstblich in Stcke reien.Ich konnte es jederzeit, mit meinen bloen Hnden, auchwenn ich, wie die meisten Mnner hier, oft eine Klinge bei mir trug. Wir brachen die Klingen aus unseren Rasie-rern heraus und versteckten sie anschlieend unter der

    Zunge oder an anderen Stellen, wo die Wrter sie nichtleicht entdeckten. Nicht, dass die Wrter sich viel Mhemachten. Einigen von ihnen bereitete unsere Bewaff-nung ein sadistisches Vergngen, andere schauten ein-fach weg. Was ging es sie an, wenn der nchste Insassezusammengestochen oder mit dem Rasiermesser an der

    Kehle vergewaltigt wurde?Gammodi bastardos!Pltzlich hallte Alcaponeys krei-schender Schrei durch den dunklen Korridor, im nchs-ten Augenblick presste er mich gegen die Betonwand.Ich rgerte mich ber mich selber, dass ich nicht besseraufgepasst hatte, doch gleichzeitig schoss das Adrenalin

    durch meine Adern. Endlich war die Stunde der Abrech-nung mit diesem Teufel da.Der Gestank seines Atems war widerlich, als er das

    ganze Gewicht seines riesigen Krpers gegen michdrckte, bis unsere Nasen sich berhrten. Eine Klingeschnitt in meinen Hals, suchte nach meiner Halsschlag-

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    ader. Meine freie linke Hand schoss nach vorne undpackte sein schweiiges Gesicht, mein Daumen hing

    ber seiner Augenhhle, bereit, zuzustechen. Wir ran-gen stumm miteinander, ich kalkulierte blitzschnellmeine Mglichkeiten. Ich wusste, dass ich einen lebens- bedrohenden Schnitt bekommen wrde, aber das zhlte jetzt nicht. Nichts zhlte mehr. Wenn ich sterben musste,wrde ich zuerst ihn tten.

    Ich wollte sein Blut. Sein Auge wre ein Kinder-spiel, danach wrde ich mit meinen Zhnen sein Ohrabreien. Der Hass und die Wut kochten in mir aberdann war pltzlich noch etwas anderes da. In der Hitzedieser Sekundenbruchteile sprte ich auf einmal, dasshier noch ein zweiter Kampf tobte, tief in mir drinnen,

    und dieser Kampf hatte kaum etwas mit Alcaponey zutun, sondern ganz mit mir selber. Es war, als ob einepltzliche innere Stimme, ein neues Bewusstsein meineeingefleischten Kmpferinstinkte schwchte. Ein Bildschoss in meinen Kopf ein Bild von etwas, worberich erst an diesem Morgen gelesen hatte. Ein unschuldig

    verhafteter Mann, dessen Freund ihn verteidigen wollte,indem er das Ohr eines Dieners der Anklger abschnitt.Alcaponeys Ohr war nur Zentimeter von meinemMund.

    Los, Tony, bei zu, du bist schnell, du schaffst das,sagte die Stimme meines Instinkts.

    Nein, warte Wer das Schwert nimmt, wird durchdas Schwert umkommen Wo hatte ich das nurgehrt?

    Komm, Mann, tus einfach, worauf wartest du?Ich sprte, wie Alcaponeys freie Hand nach mei-

    ner Leistengegend tastete. Sein bses Grinsen enthllte

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    abgebrochene, verfaulte Zhne, als meine Finger sichin sein Gesicht gruben und an der ledernen Haut ris-

    sen. Die Stimme kam wieder: Willst du dich zusammen-stechen und vergewaltigen lassen wie Shane?Was hielt mich ab? Ich wusste es nicht. Ich lockerte

    meinen Griff um das Scheusal nicht, aber irgendetwashinderte mich daran, mein nchstes Manver auszu-fhren. Ich wei nicht, wie lange er dauerte, der Kampf

    der beiden Stimmen in mir. Einen Schweitropfen aufAlcaponeys Gesicht lang? Oder eine Ewigkeit? Es war,als ob die Zeit stillstand. Es war ein Dialog, der meinganzes Leben betraf, ja mein innerstes Wesen das, wasich war, der Mensch, der ich geworden war.

    Ich wusste, welche Stimme gewinnen musste. Aber

    was dann? Sollte ich mich genauso verstmmeln undschnden lassen wie mein Freund? Oder konnte ich die-ser neuen Stimme, die so entschieden und gewiss klang,vertrauen? Und dann kamen pltzlich Worte aus meinemMund. Deutliche, ruhige, vollmchtige Worte. Alcapo-ney kannte nur Griechisch, aber in diesem unwirklichen

    Augenblick sprach ich Englisch. Ich sprach die Worte,und dann lockerte ich meinen Griff und wartete.Ich sprte, wie ein Schocksto durch Alcaponeys

    Krper ging. Er zitterte, bekam eine Gnsehaut. In sei-nen trben Augen war auf einmal eine namenlose Angst.Gleich wrde er angreifen oder? Dann hob sein Krper

    sich, und er lockerte seinen Griff. Wir standen da, immernoch nur Zentimeter voneinander entfernt, und starrtenuns an. Dann drehte er sich um und floh. Er rannte wieein Besessener, die Hnde vor den Kopf geschlagen. Seintierischer Schrei echote von den Betonwnden, dann ver-schwand er in der Dunkelheit.

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    Ich langte nach meinem Hals und zog die Klingeweg. Kein Tropfen Blut. Sie hatte mich noch nicht ein-

    mal gekratzt.

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    KAPITEL 2

    Ich war vier Jahre alt, als der Fremde kam. In unserHaus kamen kaum Besucher, und als es an der Tr klin-gelte, war ich ganz aufgeregt. Ich stand am oberen Endeder Treppe und schaute zu, wie mein Vater den Fremden

    einlie und ins Wohnzimmer fhrte. Der Fremde warchinesisch, wie meine Mutter. Ich stahl mich nach untenund schaute durch die nur angelehnte Tr. Meine Elternund der Fremde unterhielten sich so leise, dass ich nichtverstand, was sie sagten, aber ich sah das Gesicht desFremden; es sah niedertrchtig aus.

    Komm rein, Antonio. Die Stimme meiner Mutterlie mich zusammenzucken. Ich ging in das Zimmer,mit abgewandtem Gesicht an dem Fremden vorbei, undversuchte, mich hinter den Beinen meines Vaters zu ver-stecken. Meine Mutter packte mich und zog mich zusich. Ich schaute hilflos zu meinem Vater hin, aber der

    starrte wortlos auf den Kamin. Er blinzelte heftig, als ober etwas im Auge hatte.Pltzlich packte der Fremde mich am Handgelenk.

    Ich versuchte, mich loszureien, aber sein Griff war fest,und meine Mutter sah mich mit jenem Blick an, den sie benutzte, wenn ich still sein sollte. Sie reichte dem Frem-

    den eine kleine Tasche, und bevor ich michs versah,waren wir drauen und gingen durch den Vorgarten zurStrae, weg von meinen Eltern.

    Von der Reise wei ich nicht mehr viel. Der Fremdesprach kein Wort mit mir. Ich hatte keinen Schimmer,wohin er mich bringen wrde. Als wir auf einmal im

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    Flughafen waren, begann ich zu vibrieren, halb aus Auf-regung, halb aus Angst. Dies konnte ein tolles Abenteuer

    werden aber nein, hier stimmte etwas nicht. Wir stie-gen in ein Flugzeug, und immer noch sagte der Fremdenichts. Mit der Zeit wurde meine Angst immer grer.Der Flug schien kein Ende nehmen zu wollen. Sicherwrden bald Mama und Papa kommen, und wir wr-den zurck in unser Haus gehen und alles wre wie-

    der gut? Ich wusste nicht, dass das Flugzeug nach Chinaflog.Mit meinen vier Jahren konnte ich das Labyrinth

    des Lebens meiner Eltern nicht verstehen. Alles, wasich wusste, war, dass meine Mutter mich hasste. Als ichdort in dem Flugzeug sa, hatte ich nur einen Gedan-

    ken: Warum war sie diesmal bse auf mich? Was hatteich getan? Ich wusste bereits, dass ich das Leben meinerMutter ruiniert hatte. Das hatte sie mir selber gesagt. Siewar immer wtend auf mich.

    Einige Zeit vor dem Besuch des Fremden gab eseinen Vorfall, den ich nie vergessen habe. Wir waren aus

    unserer kleinen Wohnung im West End von London inein groes Haus in Edgware im Nordwesten Londonsgezogen. Fr mich war dieses Haus ein Palast, und icherinnere mich, wie ich begeistert quietschend von einemZimmer ins andere rannte. Mama und Papa hatten eingroes neues Bett gekauft, und ich hpfte darauf herum,

    mit dem Kopf hinein in die weiche Bettdecke. Auf ein-mal kam meine Mutter hereingestrmt. Hr sofortauf, du dummes Kind!, schrie sie und schlug mich hef-tig auf die Beine. Dann trat sie an die Frisierkommode,nahm den groen Spiegel in die Hand und fing an, sichzu betrachten. Sie streckte ihr Kinn nach vorne, befhlte

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    ihre Lippen und putzte ihre Augenwimpern, wie dasihre Art war. Ich machte, dass ich von dem Bett wegkam,

    aber in meiner Eile stolperte ich und fiel noch einmal indie Bettdecke. Ich konnte nicht anders, ich lachte nocheinmal.

    Im nchsten Augenblick hatte sie sich auf michgestrzt. Um meinen Kopf krachte und klirrte es, dannkam die Stimme meiner Mutter, mit schrillen Flchen.

    Mein Kopf tat pltzlich furchtbar weh. Du Trottel, washab ich dir gesagt?, kreischte sie. Da hast dus!Sie stolzierte aus dem Zimmer und knallte die Tr

    hinter sich zu. Ich wollte mich bewegen und konntenicht. Der Rahmen des Spiegels lag ber meinen Schul-tern, und rasiermesserscharfe Glassplitter stachen mir in

    den Hals und das Gesicht. Ich sprte, wie das Blut lief,und es wurde mehr, als ich mich vor Schmerzen wandund einen groen Splitter aus meiner Wange zog.

    Ich fuhr aus dem Schlaf. Das Flugzeug stand, unddie Leute stiegen alle aus. Wo waren wir? Ich versuchte,mir die Augen zu reiben, aber der Fremde hielt meine

    Hand immer noch wie in einem Schraubstock. Die Men-schen um uns herum unterhielten sich angeregt, aberich verstand kein Wort, die Stimmen waren so hoch undkomisch. Angst. Verwirrung. Wer war dieser Mann?Wohin hatte er mich gebracht? berall sah man Passa-giere mit Taschen, Gepckwagen und Paketen, aber dies

    war nicht derselbe Flughafen wie zu Beginn unsererReise. Die Luft war dick von Zigarettenqualm und ande-ren komischen Gerchen. Vor lauter Angst und Mdig-keit begann ich zu weinen und zu schluchzen. Schhh!, befahl der Fremde und verdoppelte seinen Griff, dassich seine Fingerngel in meinem Fleisch sprte. Der

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    Schmerz lie mich rasch wieder verstummen. DerFremde zog mich weiter, hinaus in die Abendluft. Und

    jetzt merkte ich, dass ich weit, weit von zu Hause fortwar.Wie ein verngstigtes Kaninchen schaute ich nach

    links und rechts. Wo waren meine Eltern? Die Menschentrugen Kleider, die ich noch nie gesehen hatte. Manhrte laute Rufe und Hundegebell. Ein Mann trug einen

    Kfig mit Vgeln. Dann hielten wir an, vor einem dr-ren Mann, der eine Art schwarze Seidenjacke mit weiten,losen rmeln und hohem Kragen trug. Ich erfuhr spter,dass er mein Grovater war. Es gab keine Begrung,kein Lcheln, keine Erklrung. Sie hoben mich ohneUmstnde auf seinen von einem Pferd gezogenen Kar-

    ren, dann schnalzte er mit der Zunge, und wir fuhren indie Nacht hinein.Wir verlieen den Flughafen. Tiere huschten durch

    das Zwielicht, die Bume sahen bizarr aus. Ich hatte einewahnsinnige Angst, und mir war halb bel von demGestank, der in der Luft hing. (Ich erfuhr spter, dass er

    von der Lilienseife kam, die mein Grovater benutzte.Sie ist in China sehr beliebt, wegen ihrer antiseptischenEigenschaften, aber der Gestank ist mir immer auf denMagen geschlagen.) Es wurde der Geruch meiner Ver-folgungsangst.

    Die Fahrt schien kein Ende nehmen zu wollen. Als

    der Karren endlich anhielt, war es stockdunkel gewor-den. Ich konnte kaum etwas sehen, aber ich sprte, dasswir vor einem Tor standen und dass in dem Tor meh-rere Frauen waren. Vielleicht warteten sie auf uns. DieFrauen mochten mich nicht, das merkte ich sofort. Aberwas hatte ich nur falsch gemacht? Ich musste immer

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    mehr an meine Mutter denken. Dann gingen die Frauen,mit verchtlichen Blicken und krhenartigen Lauten. Bis

    auf eine. Sie war Jowmo, meine Gromutter.Wir gingen in das Haus. Ich bibberte vor Klte.Immer noch sprach niemand zu mir. Ich versuchte zufragen, wo ich war, aber als ich sprechen wollte, wardie Reaktion ein Finger auf den Lippen und ein hartesShhh! Ich war vier Jahre alt und mutterseelenallein in

    einer fremden, feindseligen Welt.Das Haus war komisch. Ich fuhr zusammen, als pltz-lich eine ganze Wand sich bewegte. Die Frau brachtemich zu einem Bett in der Ecke. Es sah ganz anders ausals mein Bett zu Hause Bambusstcke auf einem wack-ligen Rahmen. Das Bett knarrte, als ich mich hinlegte,

    und kniff mir in die Haut, wenn ich mich bewegte. Dasdnne Baumwolltuch war kaum gro genug, um michzu bedecken, aber ich zog es um meine Schultern, zogdie Knie an meine Brust und weinte leise, bis der Schlafkam. In den folgenden Tagen und Wochen lernte ich es bald, meine Trnen zu unterdrcken.

    Meine Tage begannen um vier oder fnf Uhr mor-gens. Mein Grovater (ich musste ihnLowsinennen,was Meister oder Lehrer bedeutet) kam in meinZimmer und schlug mich mit seinem Bambusstock amKopf, um mich zu wecken. Ich lernte es bald, schon auf-zustehen, bevor ich seine Schritte hrte, und ihn zu be-

    gren. Geschlagen hat er mich trotzdem. Lowsis Pr-gel waren brutal. Ich gewhnte mich schlielich an sie,aber sie waren nicht leicht zu ertragen. Er benutztefrisch geschnittene Bambusstcke, die er mir gegen dieOhren schlug, oft so lange, bis ich blutete. Meistensgab es keinerlei Grund fr die Schlge, auer dass ich

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    fr LowsiLo han quilo(der kleine auslndische Teu-fel) war. Es war seine Methode, mir das Rundauge

    auszutreiben.Als einziger mnnlicher Enkel meines Grovatershtte ich eigentlich eine ganz andere Behandlung ver-dient gehabt. In China bringen Jungen der Familie Glckund Ehre und werden oft als kleine Kaiser bezeichnet.Sie sind der Augenstern ihrer Eltern und mehr noch ihrer

    Groeltern und werden entsprechend verwhnt. Abermeine Mutter hatte einen Auslnder geheiratet einenin England geborenen und aufgewachsenen Italiener und damit ihrer Familie Schande gemacht, wofr ich jetzt offenbar zu ben hatte.

    Jeden Morgen folgte ich Lowsi hinaus in den Hof,

    wo er seine Morgen-bungen machte. Mehrere Stundenlang bibberte ich in meinem dnnen Baumwollgewand,aber ich wagte es kaum, meine Augen von ihm zu neh-men, damit er mich nicht wieder schlug. Nur dann undwann schaute ich verstohlen zu dem Dach und den Mau-ern hinauf, die mit allerlei bizarren Dingen wie Drachen,

    Phnixen, fliegenden Pferden, Einhrnern und einemauf einem Huhn reitenden Mann verziert waren.Zuerst konnte ich nur zuschauen, whrend Lowsi

    seine merkwrdigen Bewegungen machte. Ich mussteganz still stehen und durch meine Nase ein- und denMund ausatmen. Es war furchtbar langweilig. Als ich

    im Laufe der Wochen seine Sprache zu lernen begann,erklrte er mir, dass seine BewegungenTai Chiwaren,eine Disziplin, die grundlegend fr das Kung Fu ist.

    Mir wurde bald klar, dass mein Grovater ein Gro-meister in der uralten Kampfkunst des Kung Fu war. DieMenschen in dem Dorf verehrten ihn. Das war auch der

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    Grund, warum unser Haus prchtiger war als die ande-ren. Ich fand, dass es fast ein wenig aussah wie der Tem-

    pel auf dem Hgel.Ich wei nicht sehr viel ber meine Vorfahren, abermein Grovater kam aus Nordchina. Nach der japa-nischen Invasion floh er nach Kanton. Er gehrte zurSippe Soo, die direkt auf Gong Soo zurckging, einender sogenannten ehrwrdigen Fnf, die bei der Zer-

    strung des ursprnglichen Shaolin-Tempels unter derManchu-Dynastie 1768 entkamen. Gong Soo war unter-getaucht und hatte weiter sein Kung Fu praktiziert. SeinWissen war von einer Generation zur nchsten weiter-gegeben worden, bis zu meinem Grovater, CheungLing Soo.

    Als Shaolin-Mnch war mein Grovater stolz auf die-ses fnfhundert Jahre alte Erbe. Nachdem er den Tempel,in dem er ausgebildet wurde, verlassen hatte, beganner seine eigenen Stile zu entwickeln und ein Kung-Fu-Lehrer zu werden. Er wurde bald ein hoch angesehenerGromeister. Doch da er keinen eigenen Sohn hatte,

    war die Soo-Linie zum Aussterben verurteilt. Ich warder unerwartetste und seltsamste Schler, den er hatte,und vielleicht war das der Grund, warum er mir bei derAusbildung nichts ersparte. Er wusste, dass ich als hal- bes Rundauge keinen leichten Stand haben wrde. Inden folgenden Jahren fhrte Lowsi mich in die Geheim-

    nisse und Schtze der alten Kampfkunst ein und machtemich zu einem hochdisziplinierten, wahrhaft erleuchte-ten Jnger und unschlagbaren Kmpfer.

    Der Schler der Kampfkunst muss eine ganze Le- bensart bernehmen, die vllig anders ist als alles, wasdie westliche Welt kennt. Die Wurzeln des Kung Fu

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    liegen in der geistlichen Disziplin und Praxis des Tao-ismus. Der Vater des Kung Fu soll der indische Mnch

    Bodidharma sein, der den Chinesen unter dem NamenTa Mobekannt ist. Nach der Legende verlie er zuBeginn des 6. Jahrhunderts sein Kloster in Indien, um dieLehren des Buddha in China zu verbreiten. Als er durchdie Berge Nordchinas wanderte, kehrte er in einemKloster ein, das den NamenShaolinhatte.Shaolinbe-

    deutet junger Baum also ein Baum, der starke Windeund Strme berstehen kann, weil er biegsam ist.Ta Mo verlangte von seinen Schlern uerste Dis-

    ziplin im Meditieren und der Suche nach Erleuchtung.Aber sie schliefen beim Meditieren immer wieder ein.Er erkannte, dass dies an der Schwche ihrer Krper

    lag, und entwickelte eine Reihe von bungen, die er soerklrte:Der Weg des Buddha ist fr die Seele, aber Seele

    und Leib sind untrennbar. Darum gebe ich euch eineMethode, durch die ihr eure Energie so entwickelnknnt, dass ihr die Gegenwart des Buddha erlangt.

    Diese bungen waren eine Art Meditation durchBewegung. Aber sie waren auch eine hchst ntzliche Artder Selbstverteidigung, wenn die Mnche auf ihren Rei-sen von Rubern angegriffen wurden. Doch das Haupt-ziel Ta Mos war und blieb nicht die krperliche Ertchti-gung, sondern die Kultivierung der inneren Energie des

    Chi ein Wort, das man am ehesten mit Atem, Geistoder Lebenskraft bersetzen kann.Die Pflege und Entwicklung des Chi steht im Zen-

    trum aller taoistischen Knste, einschlielich der Kampf-kunst, der Philosophie und der Heilkunst. Diese Tage, alsich im Hof meines Grovaters in stundenlanger bung

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    mein Atmen unter Kontrolle brachte, sollten das Funda-ment fr ein mchtiges Gebude werden.

    Eines Tages zog Lowsi mir orangefarbene Gewnderan und nahm mich mit in den Shaolin-Tempel. Der Him-mel war strahlend blau, als wir die vielen Stufen zu demEingang hochstiegen. Die Luft roch merkwrdig s.Rucherstbchen und Kirschblten, klrte Lowsi michauf. Wir benutzen sie als Geschenke, um dem Buddha

    unsere Ehre zu erweisen. Ich schaute ihm zu, wie er fruns mehrere Stbchen anzndete. Das Aroma wird dirhelfen, deine Gedanken zur Ruhe zu bringen, erklrteer. Wenn du dem Weg der Erleuchtung folgst, wirst duwie der Rauch werden, der von den Rucherstbchen inden Himmel steigt.

    Mein Meister fhrte mich an eine ruhige Stelle, umunsere Meditation zu beginnen. Er bemerkte, wie ichneugierig zu mehreren Mnchen hinsah, die geradeeine Kampftechnik bten. Sie haben ihre Fe undUnterschenkel mit Schnren zusammengebunden,erklrte er, zur Strkung und zum Schutz beim Trai-

    ning der Fubewegungen. Ich schaute sprachlos zu,wie rasend schnell die Tritte hin- und herflogen.Lowsi erklrte: Sie lernen gerade den Weg des Kra-nichs, eines der traditionellen Shaolin-Kampfsysteme.Eines Tages kam ein Mnch dazu, als ein groer Affeund ein Kranich miteinander kmpften. Es schien, als

    ob der Affe den Vogel ohne Mhe entzweibrechenkonnte, doch der Vogel war viel verschlagener als derAffe. Er schlug mit seinen Flgeln und schoss vor undzurck, bis er den Affen in die Flucht schlug. Beachtedie Anmut in ihren Bewegungen, den weit ausholen-den Tritt und die Stellung auf einem Bein. Schau dir

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    an, wie sie die Hnde wie den Schnabel eines Kranichseinsetzen.

    Im Laufe meiner Ausbildung meisterte auch ich denWeg des Kranichs und viele andere Systeme des KungFu. In der chinesischen Kampfkunst soll es nicht wenigerals 1500 Stile geben. Die Nachahmung von Tieren ist dieklassische und lteste Kung-Fu-bung des Shaolin. MeinMeister erklrte mir, dass der Mensch, der schwcher ist

    als das Tier, sich zum berleben vor allem auf seinenVerstand verlsst. Doch wer die Bewegungen und dasDenken eines bestimmten Tieres wahrhaftig nachzu-ahmen lernt, der meistert die Kunst des Stillhaltens undraschen Handelns, der Beobachtung und der Reaktion,der stetigen Bewegung und des pltzlichen Angriffs.

    Und jetzt konzentriere dich! Der Ruf riss meineAufmerksamkeit von den Mnchen weg.Richte dein Denken auf diese Flamme. Lowsi stellte

    eine brennende Kerze vor mich. Konzentriere dich aufdie innere Flamme und mach deinen Kopf leer. Und jetztfang an zu atmen.

    Mehrere Stunden lang starrten wir in die Kerzen-flamme. Ich sehnte mich danach, meine Augen zu schlie-en, aber jedes Mal, wenn sie schwer wurden, traf derBambusstock mein Gesicht. Jedes Mal, wenn Lowsidachte, dass ich die Konzentration verlor, schlug ermich. Der Sinn dieser stundenlangen Meditation war,

    mich in Kontakt mit dem Chi zu bringen. Ich erfuhr,dass alles in der Welt ein Ergebnis negativer und posi-tiver kosmischer Krfte war, des Yin und des Yang, unddass man diese Krfte durch das Studium des Chi mit-einander in Harmonie bringen konnte. Im menschlichenKrper kann man sich das Chi am besten als den Fluss

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    von Energie vorstellen. Fr die Jnger des Tao bestimmtdas Chi unsere Muskelbewegungen, unser Atmen, den

    Schlag des Herzens und das Funktionieren des Nerven-systems.Wenn du das Chi in Krper und Geist vollstn-

    dig harmonisieren kannst, dozierte Lowsi, kommstdu zur Erleuchtung und zum inneren Frieden und ent-deckst Krfte in dir, die bernatrlich zu sein scheinen.

    Die Nutzbarmachung des Chi ist ein Grundstein in derKunst des Kung Fu. Sie gibt dir Geschmeidigkeit undFluss. Er tauchte seine Hand in eine kleine Vase mitWasser, dann hielt er sie hoch, bis sich an der Spitze sei-nes Zeigefingers ein kleiner Tropfen bildete. Ein ein-ziger Wassertropfen. Allein ist er harmlos, sanft und

    machtlos. Aber was auf der Erde kann der Macht einerFlutwelle widerstehen? Sie hat die Macht, alles zu zer-stren, was sich ihr in den Weg stellt. Lerne es, das Chizu zgeln, Junge. Zapfe seine universelle Energie an,und auch du wirst eine Kraft haben, die um ein Viel-faches grer ist als deine natrliche Kraft.

    In den folgenden Jahren verstand ich das Chi allmh-lich immer besser. Es war der innere Gott, die Wur-zel meiner Macht. Wenn ich die Energie meines Kr-pers an das Chi ankoppelte, konnte ich mit der bloenHand Ziegel zertrmmern und noch ganz andere Dingeschaffen. Das Chi steigerte auch mein Bewusstsein, bis

    dahin, dass ich im Dunkeln die Bewegungen eines Geg-ners wahrnehmen konnte und groen Schmerzen wider-stehen konnte, indem ich sie ber meinen ganzen Kr-per verteilte.

    Alles in meinem Leben in China kreiste um die Aus- bildung zum Kung-Fu-Kmpfer. Als Novize musste ich

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    die niedrigsten und schwierigsten Arbeiten in unseremHaus und im Tempel bernehmen. Lowsi war die ganze

    Zeit dabei, meinen Krper auf das eigentliche Kampf-training vorzubereiten. Eine meiner ersten bungen bestand darin, meine Hnde in einen Eimer mit Sandzu tauchen. Stundenlang musste ich dies unter seinemwachsamen Auge tun, bis meine Hnde wund warenund bluteten. Nach ein paar Wochen bekam ich eine

    Hornhaut, sodass ich den Schmerz nicht mehr sprte.Darauf gab Lowsi kleine Steinchen in den Eimer, unddie Prozedur begann von Neuem. Alle paar Tage nahmer grere Steine, bis ich schlielich meine Hnde mitgroer Wucht zwischen scharfkantige Steinbrocken sto-en konnte, ohne auch nur eine Blase zu bekommen.

    Eine meiner Hauptaufgaben war die Versorgung derTiere. Meine Groeltern hatten Reisfelder und hieltenHhner, Ziegen, Khe und ein Pferd. Fr gewhnlichwar ich mit den Tieren allein. Hier war kein Lowsi, dermir dauernd streng etwas zuflsterte. Wenn ich bei denTieren war, konnte ich die Schmerzen meiner Ausbil-

    dung und meinen Hass auf meinen Grovater fr eineWeile vergessen.Eine andere willkommene Abwechslung war der

    Gang zum Markt mit meiner Gromutter. Ich musste rie-sige Lasten tragen, aber sie waren besser als die gnaden-losen Schlge meines Lehrers. Der Markt war laut und

    bunt. Man feilschte, man schrie, man spielte Mah-Jongg.In Kfigen sah man lebendige Tiere aller Art: Hunde,Enten, Ziegen, Kaninchen, Vgel, Schlangen. Auf gro-en Holzkarren wurden exotische Fische feilgeboten. Ichhielt mich immer dicht an meine Gromutter, damit derSchlangenmann mich nicht sah. Er war sehr alt und

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    buckelig, mit einem dnnen Spitzbart, einem noch dn-neren Schnurrbart und einem Gesicht, das so runze-

    lig war wie eine Backpflaume. Seine verschrumpeltenFinger hatten lange gelbe Ngel; mit dem zugespitztenNagel des einen Daumens schnitt er den Sumpfschild-krten, die er verkaufte, die Kehle auf. Er verkauftealle mglichen Insekten und Schlangen lebendig, tot,getrocknet oder gehutet.

    Eine weitere Quelle der makabren Faszination warder Medizinladen. Hier gab es riesige Glasbehlter mitzusammengerollten Kobras und Regale mit Krgen, diealle mglichen Krperteile von Tieren enthielten, dazuSkorpione, kleinere Schlangen, Kfer jeder Gre undArt und ganze Trauben von Honigbienen, alle in stark

    riechenden Flssigkeiten konserviert.Gromutter konnte ewig mit der Kruterfrau feil-schen. Mit Staunen betrachtete ich die riesigen Peperoni, bunten Pulver und bizarr aussehenden Wurzeln, ausdenen sie Ginseng- und Ingwer-Tees machte. Auf derStrae roch es kstlich aus den groen Woks, in denen

    die Menschen ihre Mahlzeiten kochten. Es waren die1970-er Jahre, und halb Kanton schien eine Baustelle zusein. Neben den traditionellen Marktbuden und Ldenschossen riesige westlich aussehende Bauten in dieHhe, errichtet von Arbeitern, die barfu oder in San-dalen auf Bambusgersten umherkletterten, die so aus-

    sahen, als ob ein Windsto sie umwerfen konnte.Wir bahnten uns einen Weg durch Berge von Schuttund scharf riechenden Marktabfllen, geschickt denlstigen Wahrsagestckchen-Verkufern ausweichend.Mich zog es immer zu den Kalligrafen hin, den traditionel-len Schnschreibern, die sich mit Pinsel und Tinte an den

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    Straenrand setzten. Sie benutzen ein besonderes Xuan-Papier, das aus Baumrinde und Reisstroh hergestellt

    wird, erklrte Jowmo mir. Die Leute lassen sich vonihnen Briefe und besondere Ankndigungen schreiben.Meine Gromutter war nicht gerade herzlich zu mir,

    aber sie schien mich gern ber die Sitten und Tradi-tionen ihres Volkes aufzuklren. In China gibt es vieleFeste und Feiertage. Das wichtigste ist das Neujahrsfest.

    Der chinesische Kalender folgt dem Mondjahr, und seinZyklus wiederholt sich alle zwlf Jahre, wobei fr jedes Jahr ein anderes Tier steht.

    Es gibt eine Legende, nach der der Buddha, bevorer von der Erde ging, alle Tiere zu sich kommen lie,erklrte Jowmo. Aber nur zwlf von ihnen waren bereit,

    zu ihm zu gehen, um sich von ihm zu verabschieden. AlsBelohnung versprach er diesen zwlf, nach jedem vonihnen ein Jahr zu benennen, und zwar in der Reihen-folge, in der sie eintrafen. Die Tiere stritten sich, wer vonihnen als Erster zum Buddha gehen sollte. Sie einigtensich schlielich auf einen Wettkampf: Das erste Tier, das

    das gegenberliegende Ufer des Flusses erreichte, wredas erste, und die brigen wrden nach ihrer Reihen-folge ihr Jahr bekommen. Alle zwlf Tiere gingen an dasFlussufer und sprangen hinein. Aber die Ratte war heim-lich auf den Rcken des Ochsen gesprungen, und alsdieser gerade als Erster ans andere Ufer springen wollte,

    sprang sie von seinem Rcken und gewann den Wett-kampf, und der Ochse wurde nur Zweiter. Die anderenkamen in dieser Reihenfolge an: der Tiger, das Kanin-chen, der Drache, die Schlange, das Pferd, das Schaf, derAffe, der Hahn, der Hund und zuletzt das langsame, behbige Schwein.

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    Jowmo erzhlte mir diese Geschichte viele Male.Meistens lachte sie laut ber das arme Schwein. Du bist

    im Jahr des Hahns geboren, erklrte sie mir. Wer unterdem Zeichen des Hahns geboren ist, versteht es, hartzu arbeiten und klare Entscheidungen zu treffen. Er hatkeine Angst, seine Meinung zu sagen, aber pass auf: DerHahn kann sehr prahlerisch und selbstsicher sein. Unddu wirst auch sehr tapfer sein. Sie sah mich fest an, als

    sie das sagte.Eine wachsende Spannung lag in der Luft, als dasNeue Jahr nher kam. Der zwanzigste Tag des zwlf-ten Mondes war der Tag des groen Jahreshausputzes.Meine Gromutter nannte ihn das Fegen des Bodens. Jede Ecke des Hauses musste blitzsauber gemacht wer-

    den. Ich half ihr, groe rote Papierrollen an die Wndeund in das Tor zu hngen, auf denen in schner schwar-zer Tinte Gre und die besten Wnsche fr die Familiegeschrieben standen. Wir schmckten das ganze Hausmit Blumen, Mandarinen, Orangen und groen birnen-frmigen Pampelmusen. Die werden uns Glck und

    Reichtum bringen, erklrte meine Gromutter, als siesorgfltig eine Fruchtschale richtete. (Im Chinesischenklingt das Wort fr Mandarine genauso wie das frGlck, und das fr Orange genauso wie das frReichtum.)

    Wenn das Haus sauber ist, werden wir das Fest vor-

    bereiten und uns von Zaowang, dem Kchengott, ver-abschieden, fuhr meine Gromutter fort. Am erstenTag des neuen Jahres, wenn die Feierlichkeiten vorbeisind, kommt Zaowang dann zurck. Es gab jede MengeArbeit. Smtliche Speisen mussten vor dem Neujahrstagzubereitet werden, damit man am Neujahrstag selber

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    alles Scharfe (wie Messer und Scheren), das das Neu- jahrsglck beschdigen konnte, wegschlieen konnte.

    Am Vorabend des Neuen Jahres versammelte sich dieganze Familie in unserem Haus. Sie war aus ganz Chinagekommen. Fr die, die nicht kommen konnten, stelltemeine Gromutter leere Teller auf den Tisch. Das istein Zeichen fr ihre Gegenwart bei dem Festmahl, auchwenn sie nicht selber da sein knnen, erklrte sie mir.

    Ob es auch einen Teller fr meine Mutter gab? Aber ichtraute mich nicht, zu fragen. Viele der Gste behandel-ten mich genauso herablassend wie mein Grovater,aber wenigstens gab es ein paar andere Kinder meineCousinen, lauter Mdchen , mit denen ich spielenkonnte. Es war auch eine dicke Frau mit einem groen,

    stets lchelnden Gesicht da, die mir verschmitzt zuzwin-kerte. Sie war die Schwester meines Grovaters und hieLi Mei (Pflaumenblte). Seine andere Schwester, LiWei, machte ihrem Namen (schne Rose) wenig Ehre.Ich fand sie berhaupt nicht schn. Sie hatte denselbenspitzen Blick wie mein Grovater. Um Mitternacht, als

    das Bankett zu Ende war, mussten die Mdchen und ichuns vor unseren Groeltern und den anderen Erwach-senen verneigen, als Zeichen des Respekts. Ich machtewohl oder bel mit, aber ich hasste sie trotzdem.

    Am Neujahrstag bekamen wir als Geschenk roteLaiSee-Umschlge, in denen Glcksgeld war. Alle trugen

    neue Kleider, und mein Grovater trug einen schnenroten Seidenanzug, auf den mit Goldfden ein kunst-voller Drache gestickt war.

    Ich gewhnte mich rasch an mein neues Leben, aberich merkte auch, dass ich hier, unter diesen Menschen,immer ein Auenseiter wre. In England war meine

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    Mutter stolz auf mein orientalisches Aussehen gewesen,aber hier, bei den Chinesen, war ich mehr oder weniger

    ein auslndischer Teufel. Ich war ganze sechs Jahre alt,als ich entdeckte, dass dieser Hass auf die, die anderssind, auch bei Kindern keine Grenzen kennt.

    Eines Tages, als ich wieder mit meiner Gromuttervom Markt zurckkam, hielten wir an dem Dorfteichan, um zu verschnaufen. Jowmo legte sich in den Schat-

    ten, und ich schlenderte umher und warf Steine in dasWasser. Pltzlich umzingelten mich mehrere Jungen,die nicht viel lter als ich waren. He, Rundauge, wasmachst du hier?, sagte einer und spuckte mich an. Ichwar ganz schockiert. Was hatte ich blo falsch gemacht?Was sagten sie da? Er spricht noch nicht mal unsere

    Sprache, spottete ein anderer Junge und schlug michheftig auf den Mund. Komm, Rundauge, sag was! Ichsuchte nach Worten. Mein Mund schmeckte nach Blut.Dann kam der zweite Schlag in mein Gesicht. Er war soheftig, dass ich das Gleichgewicht verlor und rckwrtsin den Dreck fiel. Die Jungen strzten sich wie Furien auf

    mich, schlugen und kratzten mich und rissen mich amHaar. Ich rang nach Luft und schrie nach meiner Gro-mutter, aber sie kam nicht. Sie schlugen und traten mich,schrien und lachten, dass es mir durch den Kopf hallte, bis sich alles zu drehen begann und es mir schwarz vorden Augen wurde. Dann Stille, kein Schmerz, nichts

    mehr.Als ich ein paar Tage spter wieder zu mir kam, lagich im Krankenhaus. Meine beiden Arme und Beinewaren eingegipst. Als ich versuchte, mich zu bewegen,riss der Schmerz wie ein Messer durch meinen ganzenOberkrper.

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    Eines Abends ich lag immer noch im Krankenhausund war nur halb bei Bewusstsein sah ich wie durch

    einen Schleier hindurch, dass Lowsi und ein andererMann neben meinem Bett standen. Ich bekam nicht vielvon ihrem Gesprch mit, aber sie schienen die Jungen,die mich berfallen hatten, zu kennen.

    Kinder der Triade, aus Schanghai, sagte derFremde. Sie haben ihre Verwandten besucht.

    Dann wussten sie nicht, wer dieser Junge ist?,zischte Lowsi.Offensichtlich nicht.Sind sie bestraft worden?O ja, die Familie hat sie schwer bestraft, und die

    ltesten mchten sich morgen mit euch treffen, um euch

    um Vergebung zu bitten.In den folgenden Jahren machten die Jungen ausSchanghai einen groen Bogen um mich. Als Kinder ausTriaden-Familien (der notorischen chinesischen Mafia)lernten auch sie Kung Fu, aber jeder wusste, dass sie nie-mals die gleiche Ausbildung erhalten wrden wie ich.

    Htten sie gewusst, dass ich ein Jnger des hochver-ehrten Cheung Ling Soo war, sie htten meine Familieniemals so entehrt und wren mir mit groem Respektund Ehrerbietung gegenbergetreten. Solche Vorfllevergisst man bei den Chinesen nicht leicht. Noch Jahrespter trugen diese Jungen die Last ihres Fehlers mit

    sich herum. Als ich als Erwachsener nach einer lngerenAbwesenheit in das Dorf zurckkehrte, hrte ich, dasseiner der damaligen Angreifer glaubte, dass ich wieder-gekommen war, um mich zu rchen. Er hatte solch eineAngst, dass er Vorbereitungen traf, mit seiner Familiefortzuziehen.

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    Ich verbrachte viele Wochen in dem Krankenhaus.Kaum war ich frei von meinem Gips, ging mein Leh-

    rer wieder mit mir in den Hof, wo ich wie ein Tier benmusste. Der Schmerz war so gro, dass mir die Trnenkamen. Aber Trnen, das wusste ich, duldete mein Gro-vater nicht, und da kam auch schon der nchste Schlagdes Bambusstocks auf meine Ohren. Ich sprte, wie derHass in mir kochte. Ich war erst sechs Jahre alt, aber jede

    Faser meines Krpers, jeder Tropfen meines Blutes schrienach Rache.In der nchsten Nacht wachte ich schweigeba-

    det auf. Ich hrte das Schnarren der Insekten drauenund wusste: Es war noch lange nicht Morgen. Das Hauswar still und friedlich, aber meine Albtrume fachten

    meinen Hass zu einer lodernden Flamme an. Ich warfmich auf meinem Bett hin und her, die frischen Wun-den schmerzten. Das Bild meines Grovaters und sei-nes Bambusstocks folterte mich. Es wrde nie aufhren.Aber wie konnte ich auch nur noch einen Tag ertragen?Es gab nur einen Ausweg.

    Als ich lautlos durch die Kche ging, hatte ich Angst,dass das ganze Haus den Schlag meines Herzens hrenkonnte. Lowsi bewahrte einige seiner Kampfbeile ineiner groen Truhe auf. Wir suberten und putzten sietglich, sodass ich sie gut kannte. Ich whlte eines derBeile und hielt es hoch, dass es wie ein Spiegel aufleuch-

    tete. Die Klinge war rasiermesserscharf.Ein Strahl des Mondlichts brach durch die Bambus-lden, und ich sah den schlafenden Krper meinesGrovaters. Ich blieb einige Schritte vor ihm stehenund sah ihn an, der Hass und der Ekel wie Wellen. Ichmerkte pltzlich, wie schwer ich atmete. Es war ironisch,

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    dass ich seine Lehren benutzte, um mich zu beruhigenund auf den tdlichen Hieb vorzubereiten.Konzentriere

    dich auf das Chi. Lenke deinen Krper durch deinen GeistMitangehaltenem Atem ging ich zu dem Bett. Er lag reglosda.

    Ich hob das Beil ber sein Herz.

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    KAPITEL 3

    Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name Dieses Gebet hatte mein Vater manchmal gesprochen,wenn er mich ins Bett brachte. Er sagte, dass er Katho-lik war, weil er Italiener war und weil Gott die Katho-

    liken liebte. Aber wenn es Gott gab, dann hatte er mich jedenfalls vergessen. Er hatte keinen Platz in meinergrausamen Welt. Mein Leben in England verschwammzusehends zu einem undeutlichen Erinnerungsnebel.Ich wusste nicht einmal mehr genau, wie das Gesichtmeines Vaters aussah.

    Konfuzius hatte gelehrt: Der Frieden im Staat beginnt mit der Ordnung in der Familie Wer seineEltern liebt und achtet, wird nie seine Mitmenschen has-sen oder verachten. Konfuzius sprach auch von Liebe,Tugend und Ehre als den hchsten Idealen der Gesell-schaft.

    Ich wusste mit meinen sechs Jahren schon eineMenge ber Ehre und Tugend. Diese Dinge hatte man buchstblich in jede Faser meines jungen Krpers hinein-geschlagen. Aber Liebe? Was war das? Ich hatte nie wel-che erfahren. Ich war ein ungewolltes Kind, ein aus-lndischer Teufel, der denen, die mich lieben sollten,

    nichts als Schande und Unglck gebracht hatte. KeinWunder, dass mein junges Herz von solch einem Hassverzehrt wurde.

    Ich packte das Beil noch fester und lie die volleWucht meines Armes nach unten fallen.

    Wie ein Blitz schoss Lowsis linke Hand nach oben

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    und packte meinen Arm. Im nchsten Augenblick hatteer ihn hinter meinen Rcken gedreht, mich mit seiner

    Rechten am Hals gepackt und zu Boden geworfen. Eswar ein Manver, das ich in den folgenden Jahren selberlernen und benutzen wrde. Mit dieserDim Lo-Technikkann man einen Angreifer im Bruchteil einer Sekunde bewegungsunfhig machen. Sie ist von einer verwand-ten,Dim Makgenannten Technik abgeleitet; htte mein

    Grovater sie benutzt, ich wre tot gewesen.Lowsis Finger gruben sich tief in meinen Nacken undpressten meinen Kopf auf den Fuboden. Ich keuchtenach Luft. Lieber tot sein als so Aus dem Rckblick binich mir nicht sicher, ob seine durchdringenden Augen,die sich in die meinen bohrten, nicht eine Spur lchel-

    ten. Vielleicht war dies hier das, wonach er sich gesehnthatte: eine Demonstration, dass irgendwo in diesemschmutzigen Auslnderblut noch genug von dem Fami-liengeist der Soo war, um die Linie der Shaolin-Kmpferweiterzufhren. Alles, was ich damals sprte, war dasvolle Gewicht seiner Wut und seines Hasses auf mich. Er

    zog mich an den Haaren aus dem Haus hinaus, riss mirdie Kleider vom Leib und schrie mir ins Gesicht, dass ichdie Lektion, die er mir jetzt erteilen wrde, nie vergessenwrde.

    Er hatte recht. Er schlug mich gnadenlos, und dannmusste ich mich splitternackt in die eisige Strmung

    des Flusses stellen. Es war eine der kltesten Nchtedes Winters, und nach mehreren Stunden der Klte undSchmerzen kam ein schwarzes Loch. Als ich wieder zumir kam, lag ich wieder im Krankenhaus, mit Unterkh-lungen und Verletzungen, die mich an die Tr des Todesgefhrt hatten.

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    Nach dieser Episode verhrtete sich etwas tief in mir.Ich beugte mich unter Lowsis Willen. Ich war wie ein

    Pferd, das sein Herr eingeritten hatte. Ich war entschlos-sen, so zu werden wie er. Ich wrde mir seinen Respektverdienen, indem ich fhig wrde, von Mann zu Mannmit ihm zu kmpfen. Ich wurde stark, konzentriert undentschlossen.

    Als ich acht Jahre alt war, hatte ich mein Vorrecht

    als Lowsis Jnger voll angenommen. Als Novize warich durch strenge Prfungen gegangen. Jetzt, wo Lowsiberzeugt war, dass ich dem Weg des Kung Fu hin-gegeben war, fing er an, mich in die Geheimnisse seinerKunst einzuweihen, whrend ich gleichzeitig den Wegdes Taoismus betrat, der mich zur inneren Erleuchtung

    fhren sollte.Meine Ausbildung erklomm eine hhere Stufe. Wirarbeiteten tglich mindestens acht Stunden, bten neueTechniken ein, bauten meine Kraft und Schnelligkeitauf. Ein Groteil meines tglichen Trainings vollzog sichmit dem Mook Jong(hlzerner Mann), einem krfti-

    gen mannshohen Holzpfahl mit hervorstehenden Holz-stcken, die Arme und Beine in verschiedenen Win-keln darstellten. Der Mook Jong ist entweder an einerArt Gestell befestigt oder ruht auf einer massiven hl-zernen Basis. Lowsi hatte einen der Bume im Hofdurch Beschneiden und Schnitzen zum Mook Jong

    umfunktioniert.Mit dem Mook Jong wirst du lernen, die Winkel undEntfernungen deiner Angriffsbewegungen genau ein-zuschtzen, sagte Lowsi. Benutze stets die wirkungs-vollste Bewegung. Und so trat und boxte ich stunden-lang um den Mook Jong herum, aus allen mglichen

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    Stellungen und Winkeln, und lernte so, einen Gegneraus krzester Distanz anzugreifen.

    Als Novize hatte ich viele Stunden zugeschaut, wieLowsi die traditionellen Waffen der Shaolin-Mncheherstellte. Er fertigte Klingen aller Formen und Gren,und ein Teil meiner Tagesroutine bestand darin, sie mitFlintstein und l zu schrfen. Als Gromeister stelltemein Grovater seine eigenen Waffen her, und als sein

    Jnger lernte ich auch dies.Auf unseren Ausflgen in die Natur musterten wirimmer die Bume, auf der Suche nach dem idealen Astfr einen Stock oder Speer. Wir machten mehrere Pil-gerreisen zu einem Tempel in Tibet, um den herumprchtige Weiden wuchsen, aus denen wir lange, voll-

    kommen gerade Stcke schnitzen konnten. Lowsi hatteimmer eine Axt dabei, und wir hackten die ste ab undreinigten sie, bis sie glatt waren. Sie mussten stark undgleichzeitig flexibel sein, und ich testete sie, indem icheinen Anlauf nahm und mich dann, hnlich einem Stab-hochspringer, mit dem Stab nach oben katapultierte.

    Und jetzt schau gut zu, befahl Lowsi. Und er nahmeinen der Stbe und begann mir die Techniken des Shao-lin-Kmpfers zu zeigen. Mit raschen, geschmeidigenBewegungen demonstrierte er mir, wie ich einen Angrei-fer blockieren konnte. Denke daran: Ein guter Kmpferkonzentriert sich zuerst immer auf die Verteidigung. Du

    musst jederzeit den nchsten Schritt deines Gegners vor-hersagen knnen.Wir bten mit den 18 klassischen Waffen der Shao-

    lin, darunter Knppel, Speer, Schwert, Dreizack undPeitsche, und bauten sie alle in meine Tai-Chi-Rou-tinen ein. Wir benutzten die Waffen sowohl zum all-

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    gemeinen Kraft- und Geschicklichkeitstraining als auchzum Kampftraining. Der Umgang mit den Waffen war

    gefhrlich, und ich verletzte mich immer wieder. EinesTages zeigte Lowsi mir zwei Holzstcke, die durch einSeil miteinander verbunden waren. Ein einfachesNun-chaku, verkndete er. Ich schaute zu, wie er das Nun-chaku mit atemberaubender Geschwindigkeit um sei-nen Krper wirbeln lie und przise gegen Ziele schleu-

    derte. Dies kann in einem Kampf eine tdliche Waffesein, erklrte er mir.Ich fing an, jeden Tag mit dem Nunchaku zu trainie-

    ren, um meine Arme zu krftigen. Ich lie es nach derSchmetterlingstechnik ber meinen Kopf und um mei-nen Krper kreisen. Der Trick bestand darin, das Nun-

    chaku mglichst schnell und mglichst nah um den Kr-per kreisen zu lassen, ohne von ihm getroffen zu werden.Mir knallte es oft gegen den Hinterkopf, und es dauerteeinige Zeit, bevor Lowsi mich mit der noch gefhr-licheren Metallversion bekannt machte, bei der das Nun-chaku aus einer Kette und zwei Metallstcken besteht.

    Noch mehr Kraft und Geschmeidigkeit gaben mir dieKurzkeulen. Dies sind zehnseitige, massive Eisenteile,die sehr schwer sind, und ich musste stundenlang mitihnen trainieren. Oft fhrte Lowsi mich zum Fluss, woich mit den Keulen im tiefen Wasser Tai-Chi-Bewegun-gen ausfhren musste. Bewege deinen Krper, als ob

    du an der Luft bist, rief er mir zu, whrend ich mich derStrmung entgegenstemmte und meine Muskeln zwang,schnell und zielbewusst zu arbeiten. Konzentriere dichund tu so, als ob das Wasser nicht da ist.

    Ich hinterfragte nie, was Lowsi mir auftrug, und ertrieb mich stndig bis an meine uersten Grenzen. Oft

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    lie er mich beim ben allein, aber ich wagte es nie, inmeinem Eifer nachzulassen. Ich hatte auf die harte Art

    gelernt, dass ich mir nie sicher sein konnte, dass er michnicht doch beobachtete.Eines Tages ging er mit mir auf eine Wiese in der

    Nhe unseres Hauses. Es war ein schner Frhlingstagmit einem tiefblauen Himmel. Er reichte mir die Keulenund befahl mir, meine bungen zu beginnen. Ich bte,

    bis mir alles wehtat. Mach weiter!, rief Lowsi mir zu,whrend er fortging. Die Zeit verging. Wo blieb er? Ver-steckte er sich in den Bumen? Ich durfte mein Temponicht drosseln. Ich bte weiter, eine Stunde nach deranderen, bis meine Muskeln brannten und die Schmerz-trnen mir das Gesicht hinabschossen. Als die Sonne

    unterging, kam Lowsi zurck. Du kannst jetzt auf-hren, sagte er. Er gnnte mir nie ein Wort des Lobesoder der Ermutigung, aber ich merkte allmhlich, dassich dabei war, mir seinen Respekt zu verdienen.

    Das krperliche Training war nur ein Teil meinerAusbildung. Der Kung-Fu-Schler muss sich voll in

    Kunst und Wissenschaft dieser Kampfkunst vertiefen.Ich studierte Kalligrafie, Sprachen und Geschichte, undvon meinen ersten Tagen als Novize an verbrachte ichviele Stunden damit, das Verhalten von Insekten, Vgelnund anderen Tieren zu beobachten.

    Eines Tages brachte Lowsi ein Holzkstchen hin-

    aus in den Hof. Die Art, wie er es hielt, lie mich neu-gierig werden, aber machte mir auch Angst. Er rief michzu sich, und als ich kam, langte er mit einer Zange indas Kstchen hinein. Ein Skorpion. Sieh her, wie ersich bewegt, flsterte Loswi. Er ist kampfbereit, ermag es nicht, wenn jemand ihn berhrt oder anfasst.

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    Er hielt den zappelnden Skorpion an seinem Schwanzhoch, dann platzierte er ihn sehr vorsichtig auf den Tel-

    ler seiner offenen Hand. Schau her, jetzt ist er ruhiger,aber immer noch kampfbereit. Ich schaute nervs zu.Ich muss meine Hand vollkommen ruhig halten, fuhrer fort. In der Hand ist Energie, und die darf das Tiernicht spren.

    Ich hielt den Atem an. Es geht ein leichter Wind. Ich

    bewege mich mit ihm, damit das Tier keinen Widerstandin mir sprt, erklrte Lowsi. Er hielt den Skorpion nochein paar Augenblicke auf seiner Hand, dann drehte ersie, und das Tier fiel auf den Boden. Ich sprang instink-tiv zurck. Lowsi hob das Tier mit der Zange wieder aufund legte es zurck in das Kstchen. Streck deine Hand

    aus, wies er mich an. Ich tat es, aber die Hand zitterte.Konzentriere dich auf deine Atmung. Verlangsame dei-nen Herzschlag, damit du nicht schwitzt. Er darf in dei-ner Hand keinen Puls und keine Feuchtigkeit spren.Ich konzentrierte mich und verlangsamte meine Atmung eine Technik, die anfing, mir zur zweiten Natur zu

    werden. Ich war dabei, zu lernen, durch kontrolliertesAtmen die verschiedenen Funktionen meines Krpers zu beherrschen und zum Beispiel Schmerzen wegzuatmenund meine Krpertemperatur zu verndern. Ich atmetealso und merkte, wie meine Angst weniger wurde.

    Lowsi ffnete das Kstchen wieder. Versetze dich an

    die Stelle des Skorpions. Geh in ihn hinein. Was wird erals Nchstes tun? Was sieht er gerade? Wie atmet er?Er legte das Tier vorsichtig auf meine Hand und hieltden Blick auf mich gerichtet, whrend ich in die richtigeMeditationshaltung schlpfte. Ich stand vollkommenreglos, aber mit voll wachen Sinnen da. Ein pltzlicher

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    Luftsto, ein unerwartetes Gerusch, und der Skorpionkonnte zustechen. Wann wrde mein Meister das er-

    lsende Signal geben, den Skorpion fallen zu lassen?Als es endlich kam, kippte meine Hand schneller als derBlitz, und mein Grovater lchelte.

    Von den ersten Tagen meiner Ausbildung an prak-tizierte ich die Kunst, mich innerlich in Tiere hineinzu-versetzen. Diese Technik ist unerlsslich, wenn man die

    zahlreichen Tiersysteme der Shaolin-Kmpfer erlernenwill.In unserem Hof war eine Gottesanbeterin. Ich musste

    buchstblich stundenlang ihre Bewegungen studieren,so lange, bis ich sie nachahmen konnte. DasTang LangChuan(Gottesanbeterin-Kung-Fu) entstand in Nord-

    china zur Zeit der Ming-Dynastie, erklrte Lowsi mir,als wir eines Tages wieder das Tier studierten. Es gabkein Kung-Fu-System, das nicht seine Geschichten oderLegenden hatte. Man nimmt an, dass der Grnder die-ses Systems der Boxer Wang Lang war, vor ber vierhun-dert Jahren, fuhr Lowsi fort. Nach der Legende verlie

    er seine Heimatprovinz Shantun, um im Honan-Tempelsein Kung Fu zu vervollkommnen. Aber er wurde unzu-frieden mit seiner Kunst, bis er eines Tages zufllig sah,wie eine Gottesanbeterin mit einem viel greren Tierkmpfte. Die Gottesanbeterin besiegte ihren Gegner, undWang nahm sie mit in den Tempel, um ihre Bewegungen

    zu studieren. Er baute diese in sein bisheriges Systemein, nahm die Fubewegungen des Affenstils dazu undschuf so den Gottesanbeterinstil des Nordens.

    Nach dieser Geschichte fing Lowsi an, mir das Tang-Lang-Chuan-System anzutrainieren. Die Schlssel- bewegung ist der Gottesanbeterin-Haken, erklrte er

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    gestoen hat, lsst sie ihr Opfer nicht mehr los, bis estot ist.

    Ist das eine Dim-Mak-Technik?, fragte ich.Richtig. Fr das Schlangensystem ist das Chi un-erlsslich. Du musst es nutzen, um die Ringel- undSchlngelbewegungen einer Schlange nachzuahmen.Nur durch das Chi erreicht man den richtigen Fluss, derdie Technik funktionieren lsst.

    Einmal, als mein Grovater und ich wieder durch denWald hinter unserem Haus gingen, merkte ich, wie sichim Unterholz etwas bewegte. Ich hatte es bereits gelernt,meine Sinne stets offen zu halten, und hatte vor allemmeine auersinnliche Wahrnehmung geschrft. Derweie Tiger, sagte mein Meister, als ob er meine Gedan-

    ken las. Er verzog keine Miene, als er weiterging. Er lebtauf diesem Berg und ist uns den ganzen letzten Kilo-meter schon gefolgt. Hast du ihn erst jetzt bemerkt?

    Wir gingen weiter, und Lowsi erzhlte mir, wie derweie Tiger lebte und sich an seine Beute anschlich.Nach einer Weile kletterten wir auf einen Baum.

    Pass auf, sagte Lowsi. Der Tiger wird bald kom-men. Er ist neugierig.Als wir eine halbe Ewigkeit auf dem Baum geses-

    sen hatten, ersphten wir in einer kleinen Lichtung die bezaubernde Fellzeichnung des seltenen und schnenTieres. Wei der Tiger, dass wir hier sind?, fragte ich.

    Natrlich. Die Frage ist: Was wird er tun? Schaudir an, wie er sich bewegt. Ist er hungrig? Oder spiele-risch?

    Ich beobachtete den Tiger, wie er geschmeidig durchdas Unterholz schlich. Er sieht entspannt aus, flsterteich. Das Tier reckte sich und ghnte, dann legte es sich

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    in das Farnkraut. Und Hunger hat er nicht, kommen-tierte ich zufrieden.

    Nein, aber er ist hellwach. Er hrt unser Flsternund wittert unseren Geruch. Er ist nur deswegen so ent-spannt, weil er uns nicht als Gefahr sieht.

    Ich konnte meine Augen nicht von dem edlen Tierreien. Dieses exquisite Fell, diese perfekte Zeichnung,diese herrliche, unverdnnte Muskelkraft, die jeden

    Augenblick aus ihrem Schlummer erwachen konnte.In den folgenden Wochen suchten wir regelmig denweien Tiger. Er kam nie in die Nhe der Stadt, aber oftin den Wald am Fue des Berges. Manchmal legte meinGrovater frisches Fleisch aus, um ihn anzulocken. Ich begann, an meiner Imitationstechnik zu arbeiten. Du

    musst nicht nur verstehen, wie er sich bewegt, schrfteLowsi mir ein, sondern auch, wie er denkt und wie eratmet. Du musst seine Reaktionen vorhersehen knnen.Erst dann wirst du das Tiger-System meistern.

    Eines Tages folgten wir dem Tiger in eine kleine Lich-tung in dem Wald, wo er oft ruhte und spielte. Wir gin-

    gen bewusst gegen den Wind, sodass er uns erst wit-tern konnte, wenn wir ganz nahe waren. Als wir nherkamen, blickte der Tiger auf und zuckte einmal mit demSchwanz, wie um zu zeigen, dass er uns kannte. Lowsimachte es sich hoch auf einem benachbarten Baum bequem; niemand konnte so klettern wie er. Als auch ich

    anfing, den Baum hochzuklettern, stoppte er mich. Gehzu dem Tiger, flsterte er.Wir hatten das Tier viele Wochen lang aus relativ kur-

    zer Distanz beobachtet, aber ich wusste nur zu gut, dassein Tiger ein hochgefhrliches Raubtier war, das michmit einem einzigen Prankenhieb tten konnte.

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    Er kennt dich, fuhr Lowsi fort. Geh zu ihm, alsob du zu ihm gehrst. Es ist ein Muttertier. Werde sein

    Junges. Habe keine Angst, sonst greift er dich an unddu stirbst. Ich kontrollierte meinen Atem und konzen-trierte meine Gedanken. Ganz langsam legte ich meinenStock hin, dann begann ich, mit hngenden Armen lang-sam auf den Tiger zuzugehen.Ich darf ihm keine Angstmachen,schrfte ich mir ein. Augen auf den Boden rich-

    ten, dem Tiger nicht in die Augen sehen, ganz entspannt locker sein Nur wenige Menschen in der Welt haben das Vor-

    recht gehabt, einen weien Tiger in freier Wildbahnauch nur zu sehen. An diesem Tag legte das gewaltigeTier seinen Kopf gegen mich und lie sich von mir wie

    eine Hauskatze hinter den Ohren kraulen. Ich schautezu meinem Meister hoch und lchelte. Pltzlich knacktedort, wo er sa, ein Zweig. Ich verlor meine Konzen-tration, fuhr zusammen und zog meine Hand hastigvon dem Tiger zurck. Die Pranke des Tigers flog inmeine Richtung. Ich konnte gerade noch ausweichen,

    bevor sie in mein Fleisch riss, aber als ich zurcksprang,hob der Tiger seine zweite Vorderpranke zum nchs-ten Hieb. Er machte Anstalten, aufzustehen, und ichwusste: Jetzt ging es um alles oder nichts. Ich mussteeinen khlen Kopf bewahren.Gesicht nach unten, kein Augenkontakt. Ja nicht fortrennen, sonst hat er dich gle

    Ich zwang mich in die gleiche passiv-lockere Haltung,mit der ich gekommen war, hielt meinen Blick aufdie Pranken des Tieres gerichtet, sah ihm nicht in dieAugen. Der Tiger stoppte, und als ich einen langsamenSchritt rckwrts machte, legte er sich zurck in dasUnterholz.

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    Lowsi begrte mich mit einer Verneigung daserste Mal, dass er mir dieses Respektzeichen gnnte.

    Du lernst gut. Von diesem Tag an nannte er michLo FuZai(Kleiner Tiger).Ich studierte verschiedene Tiere, aber am meisten

    zog es mich zu dem Tiger hin. Das Kung-Fu-System desTigers dient der Krftigung von Knochen, Sehnen undMuskeln. Die Bewegungen sind kurz, zackig und krf-

    tig und betonen Kraft und Spannung. Der Tiger ist vonNatur aus ein defensives Tier, das erst dann, wenn esgleichsam mit dem Rcken zur Wand steht, angreift,dann allerdings nicht mehr zu stoppen ist. Der Tiger-Kmpfer ist eine Kampfmaschine, die alles zerreit undzerbricht, was ihr in den Weg kommt. Das Tiger-System

    mit seiner Tigerklauen-Handposition ist uerst ntz-lich im unbewaffneten Kampf gegen bewaffnete Geg-ner. Der Verteidiger packt die Waffe des Angreifers undmacht sie damit fr diesen nutzlos.

    Eines Morgens, als ich vielleicht zehn Jahre alt war,fhrte Lowsi mich wieder in den Wald. Es war noch sehr

    frh, die Sonne war noch nicht aufgegangen. Wir gin-gen mehrere Kilometer weit, wobei wir wie blich medi-tierten, aber auf einem Weg, den ich noch nicht kannte.Dann tauchte eine Art Holzgestell aus dem Wald auf.Ich betrachtete es und sah, dass es von einem dicken Asteines krftigen Baumes herabhing, an einem Seil, das zu

    dem Ast eines anderen Baumes weiterging. Das Gestellwar achteckig und mochte drei Meter breit sein. Es hingwaagrecht unter dem Baum, und aus seiner unteren Seiteragten Hunderte messerscharfer Metallspitzen, die allegleich lang waren. Mein Mund wurde trocken, als ich dievielen Fuspuren auf dem Boden unter dem Gestell sah.

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    Stell dich unter das Gestell, befahl Lowsi. Wieimmer gehorchte ich ihm, ohne zu fragen. Ich schaute

    zu den mrderischen Ngeln hoch, die in dem mat-ten Licht der Morgendmmerung leuchteten. Nimmdie Tiger-Haltung ein. Ich hockte mich hin, whrendLowsi an dem Seil zog, bis das Gestell nur noch Zenti-meter von meinem Krper entfernt war. Noch tiefer, bis deine Beine parallel zum Boden sind! Ich gehorchte.

    Dies ist der Flachtiger, erklrte Lowsi. Er dientnicht zum Kmpfen, aber er wird deine Beine krf-tigen. Er lie das Gestell noch tiefer herunter. Stehnicht auf. Und fort ging er, zurck in die Richtung desHauses.

    Ich blieb eine halbe Ewigkeit lang in dieser Posi-

    tion. Es wurde heller, und obwohl die Hitze des Tagesnoch lngst nicht ihre volle Kraft hatte, strmte mirder Schwei ber den Leib. Meine Beine brannten vorSchmerz, aber wie sollte ich mich unter diesen mrde-rischen Ngeln bewegen? Dann war auf einmal Lowsiwieder da. Er ging langsam um den Nagelrahmen

    herum und prfte, wie ich lag. Er sah, wie ich litt; dieTrnen und der Schwei strmten mir die Wangenhinab. Du kannst dir Erleichterung verschaffen, indemdu ein Bein flach ber den Boden bewegst, sagte er. Eswar ein schwieriges Manver, aber es nahm mir einenTeil des Krampfes weg. Dies ist eine Pfeil-und-Bogen-

    Stellung, erklrte Lowsi. Dein vorderes Bein ist jetztangewinkelt, wie ein Bogen, und das hintere Bein in denBoden gestemmt und so gerade wie ein Pfeil.

    Mit dem Nagelrahmen brachte Lowsi mir eine ganzeReihe flacher Stellungen bei. Es waren tiefere Ver-sionen vieler der Tigerstellungen, die ich schon kannte.

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    Zu meinem Training gehrte das blitzschnelle Wech-seln von der Pfeil-und-Bogen-Position zur Stellung der

    kmpfenden Katze, der Drehstellung und so weiter biszur Pferdestellung. In monatelangem ben lernte ichdas Manvrieren in Flachpositionen, und meine Bein-muskeln wurden steinhart. Auf hnliche Art bauteLowsi auch meine Armmuskeln auf. Es war ein grau-sames Training. Wenn ich dort unter dem Nagelgestell

    lag, reichte er mir Steine, die ich in den Hnden zu hal-ten hatte. Der Schmerz war unertrglich, aber ich konnteund wollte nicht aufgeben.

    Mit der Zeit gingen viele dieser Stellungen mir inFleisch und Blut ber. Lowsi testete mich immer wie-der. In einer Nacht kam er zu mir in mein Zimmer, wh-

    rend ich schlief, und schttete einen Eimer Eiswasserber mich. Ich fuhr hoch und nahm sofort die Positiondes kmpfenden Pferdes an, ohne zu wissen, was ber-haupt los war. Die Schulter weiter nach vorne, schrieer, whrend er mich schlug. Dann, in freundlicheremTon, befahl er mir, aufzustehen und mit in den Hof zu

    kommen.Als wir drauen waren, langte Lowsi in einen Korbund zog ein teuer aussehendes Tintenfass, mehrere schngearbeitete Messingschreibfedern und mehrere BogenPapier hervor. Schreibe alles auf, was du ber die Tech-nik des kmpfenden Tigers gelernt hast. Die Aufgabe

    war eine willkommene Pause in der endlosen Kette vonAusdauerbungen, aber die Pause wurde lang. Lowsilie mich vom frhen Morgen bis zum spten Abendschreiben.

    Ich kannte den Hof bislang nur als einen Ort desElends und der Folter, aber an diesem Tag, als ich

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    allein dort sa und nachdachte, sah ich, dass er eigent-lich schn war. Hinter dem Mondtor in der gegenber-

    liegenden Mauer leuchtete der Sdhang des Hanshan Si,des Kalten Berges. Wenn ich die Augen zusammen-kniff, konnte ich gerade eben die Umrisse des hoch berdem Cassia-Wald gelegenen Klosters ausmachen. bermeinem Kopf tanzten alle mglichen Fabelwesen aufdem Dach und den Hofmauern. Sie hatten mich schon

    immer fasziniert. Inzwischen wusste ich, dass sie dasHaus vor bsen Geistern schtzen sollten.Wie die meisten Chinesen, waren auch meine Ver-

    wandten sehr aberglubisch, aber ich merkte, wiemeine Kung-Fu-Ausbildung mir die innere Kraft gab,mit jeder Art von Angst fertig zu werden. Es gibt kei-

    nen Gott, auer dem Gott in dir selber, sagte Lowsimir wieder und wieder. Benutze das Chi, um deineAngst zu berwinden. Lowsi hatte viele Strategien,um mir meine ngste auszutreiben. Einmal stiegenwir mehrere Tage lang einen Berg hoch, bis wir einenschwindelerregenden Grat erreichten. Mitten in einem

    heftigen Unwetter musste ich meine bungen begin-nen. Ich konnte mich fast nicht konzentrieren in demkalten Regen, der in meine dnne Kleidung biss, undden Windben, die mich fortzufegen drohten.

    Bald danach begann Lowsi, mir meine ersten Kmpfezu vermitteln. Wir fuhren zu Tempeln in ganz China, bis

    nach Shandong und Tanggu im Nordosten, nach Lan-zhou und Chengdu, im Westen bis nach Tibet und ge-legentlich nach Pakistan. Ich hatte gelernt, keine Gefhlezu zeigen, aber wenn wir nach Hongkong fuhren, sprteich jedes Mal ein inneres Erregungszittern. Es war Endeder 1970-er Jahre, und in Hongkong pulsierte das Leben.

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    Hier gab es Sportwagen, Mnner in eleganten westlichenAnzgen und berall Neonlichter und Musik.

    Bei meinem ersten Hongkong-Besuch ging es umdie Kumatai-Kmpfe. Sie waren illegal, was Polizistenund Beamte nicht daran hinderte, munter mitzuwet-ten. Das Kumatai ist ein totaler Freistil-Wettbewerb,in dem Kmpfer aus allen Systemen der Kampfkunstgegeneinander antreten knnen, erklrte Lowsi, als wir

    unsere Pltze in der Arena einnahmen. Die Zuschauerschienen schier rasend zu sein; so eine Atmosphrehatte ich noch nirgends erlebt. Mein Grovater sah mei-nen Blick und erklrte: Die Zuschauer hier wollen Blutsehen. So mancher Kampf endet mit dem Tod eines derGegner. Ich wusste, dass Lowsi selber viele Male im

    Kumatai gekmpft hatte. Eines Tages wirst du der Herr-scher des Kumatai sein, sagte er mir, und ich wusste: Erhatte recht.

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    KAPITEL 4

    Als ich zwlf Jahre alt war, erffnete mein Grovatermir, dass sie mich zurck nach England schicken wr-den, zu meinen Eltern. Meine Gefhle waren gemischt;halb freute ich mich, halb hatte ich Angst. Auf der Fahrt

    zum Flughafen schwiegen Lowsi und ich. Als der Ter-minal in Sicht kam, erklrte er mir, dass meine Ausbil-dung in London weitergehen wrde. Ich habe ber dieInternationale Kung-Fu-Fderation in Genf das Ntigeveranlasst. Sie wird dir einen Lehrer besorgen und deineAusbildung finanzieren. Der Karren blieb stehen. Ich

    werde mich ber deine Fortschritte auf dem Laufendenhalten, und spter kommst du zu mir zurck. Und erverneigte sich und fuhr fort.

    Als das Flugzeug in den Himmel stieg, fragte ichmich, was mich in London erwarten wrde. In den acht Jahren, die ich in China gelebt hatte, hatte ich mehrere

    Besuche zu Hause gemacht, manchmal ein, zwei Monatelang. London hatte mich immer fasziniert. Ich liebte dieSpielwarengeschfte, die Punks am Trafalgar Square,die roten Doppeldeckerbusse, die Lichterreklame amPiccadilly Circus. Aber mit meinen Eltern zusammen zusein, war nie einfach. Fr sie schien mein Leben in China

    nicht zu existieren. Vor allem meine Mutter tat so, als seiich nie fort gewesen. Wir sprachen kaum miteinander.Dass das Englische mir zur Fremdsprache gewordenwar, machte die Sache nicht einfacher. Meine Sprache das war jetzt das Kantonesische. Sprach meine Muttersie noch, oder hatte sie ihre eigene Muttersprache ver-

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    gessen? Ich fragte sie nie. Es gab vieles an meiner Fami-lie, das ich nicht verstand.

    Ich musste an meinen letzten Besuch in England den-ken. Ich war damals neun Jahre alt gewesen. Eines Tageswar ich mit meiner Mutter zum Supermarkt gegangen.Wie blich stopfte sie den Einkaufswagen mit allen mg-lichen Sachen voll. Dann sah ich, dass ganz unten, unterihrer Handtasche, eine teure Packung Garnelen lag.

    Guck, Mama, sagte ich unschuldig, als sie den Wagenan der Kasse auslud. Das hast du vergessen!O, wie dumm von mir! Mit rotem Gesicht zog

    sie die Garnelen aus dem Wagen und kramte in ihremPortemonnaie nach mehr Geld.

    Ist schon gut, sagte die Kassiererin, so was kann

    mal passieren.Meine Mutter sah rgerlich aus, als wir den Ladenverlieen, aber das war ich gewhnt. Ich verstand nicht,was da schiefgelaufen war, aber ich wusste, dass ich bes-ser nicht weiterbohrte.

    Ich htte den Vorfall bald vergessen, wenn er sich

    nicht ein paar Tage spter wiederholt htte. Diesmal wares eine teure Schachtel Pralinen. Als wir zur Kasse gin-gen, zog meine Mutter sie aus dem Wagen und schob sieunter ihren Mantel. Mama, du hast Ich unterbrachmich. Ihr finsterer Blick sprach Bnde.

    Gab es auch schnere Erinnerungen? Doch. Ich

    dachte an meine frhe Kindheit, als meine Eltern in demgroen Haus in Edgware wohnten. Mein Vater war einerfolgreicher Fernsehtechniker, und sein Geschft mussgut gelaufen sein. Eines Abends kam er lachend und sin-gend nach Hause. Einer seiner Kunden hatte ihm einedicke Rechnung in bar bezahlt. Er platzte durch die Tr

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    und warf ein ganzes Bndel Geldscheine in die Luft.Mutter rannte wie ein kleines Mdchen zu ihm und

    fing an, die Scheine aufzuheben. Ich schaute vergngtzu, wie Vater sie um die Taille packte und hochhob undwie sie beide einen Freudentanz auffhrten. Es war eineder wenigen glcklichen Szenen, an die ich mich von zuHause erinnerte.

    Die Stunden vergingen, und ich gab mich dem ein-

    lullenden Gerusch der Triebwerke hin. Schlielichschlief ich ein; die Stewardess weckte mich, als wirunseren Anflug auf London Heathrow begannen.

    Die Stewardessen kmmerten sich rhrend um mich.Als wir gelandet waren, begleitete mich eine zu demTerminalgebude, wo meine Eltern auf mich warteten.

    Ich hatte nur mein Handgepck dabei. Ich mustertedas Meer der Gesichter in der Empfangshalle. Da warmeine Mutter, wie immer in eleganten Kleidern, grellgeschminkt und mit einer Handtasche, die zu ihrenSchuhen passte. Und neben ihr Mir stockte der Atem.War mein Vater nicht ein stattlicher Mann mit mar-

    kanten Gesichtszgen, olivenfarbener Haut und dickem,welligem schwarzem Haar? Jetzt sa er in einem Roll-stuhl, klein und blass, und sein Haar war grau gespren-kelt. Ich begrte beide mit einer kurzen Verbeugung.Meine Mutter, die betreten und unbehaglich aussah, gabmir einen spitzen Kuss auf die Wange.

    Spter erfuhr ich mehr ber die Krankheit meinesVaters. Er hatte Multiple Sklerose. Die Diagnose warkurz nach meiner Geburt gekommen. Vielleicht war dasder Grund, warum meine Mutter mich immer gehassthatte, vielleicht war es meine Schuld.

    Bei meinem Vater hatte ich mich immer wohler

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    gefhlt als bei ihr. Er nahm sich Zeit fr mich undzeigte mir manches. Die Dosen und Schachteln mit all

    den verschiedenen Schrauben, Muttern und Bolzen fas-zinierten mich. Er brachte mir das Schachspielen beiund bastelte, nach Vorlagen in den Bchern, die er las,Modelle mit mir. Er las stndig groe Bcher ber Tech-nik und Maschinenbau. Nur Fuball oder Fangen oderRuber und Gendarm spielte er nie mit mir. Jetzt wusste

    ich, warum. Er konnte nur ein paar Schritte laufen undwurde rasch mde. Oft schlief er mit einem Buch aufden Knien ein. Mutter ging viel aus, meistens einkaufen.

    Auch wenn es eine Erleichterung war, nicht mehrunter der Fuchtel meines Grovaters zu leben, fiel mirdas Wiedereinleben in England schwer. Der ganze west-

    liche Lebensstil war mir fremd geworden. Anfangskonnte ich auf der weichen Matratze nicht schlafen undlegte mich stattdessen auf den Fuboden.

    Meine Eltern schickten mich in die nchstliegendeGesamtschule, und abends besuchte ich einen Sprach-kurs, um mein Englisch zu verbessern. Ich hasste die

    Schule. Ich hatte nichts gemein mit den anderen Jun-gen. Ihre Gossensprache und ihre Aufsssigkeit gegen-ber den Lehrern schockierten mich. In der chine-sischen Kultur herrschte Disziplin; dort war es selbst-verstndlich, die lteren Menschen zu ehren und ihnenzu gehorchen.

    He, Schlitzauge, wo willst du hin? Das war Steve Jenkins, der Anfhrer einer Bande, der mich seit meinemersten Tag in der Schule aufzog und provozierte. Meh-rere Wochen lang hatte ich versucht, die Typen zu igno-rieren. Gehst du zum Chinesen essen, wie? Die ande-ren lachten, whrend sie mir ber den Schulhof folgten.

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    He, Chinese, ich sprech mit dir! Ich ging weiter, aberin mir kochte es. Ich hatte ihnen lange ihren Spa gelas-

    sen. Sie kannten mich nicht. Eines der ersten Prinzipiendes Kung Fu ist, Konflikte nicht zu provozieren und nurdann aktiv zu werden, wenn man sich verteidigen muss.Aber diese Typen gaben nicht auf, und ich war ihrerSprche und Schikanen herzlich mde. Steve Jenkinswar ein groer, hsslicher Bursche, der sich einen Sport

    daraus machte, schwarze und asiatische Schler zu mob- ben. Ich hatte ihn zusammen mit seinem Vater gesehen.Beide hatten kahl rasierte Schdel, und sein Vater hattemehrere Ttowierungen der National Front.

    Komm, Chinese! Was ist mit dir? Hast du Angst zureden? Ach ja, du sprichst ja kein Englisch, wie konnte

    ich das vergessen? Jenkins begann, um mich herum-zutanzen, die Augen zu Schlitzen zusammengezogen.Die anderen taten es ihm nach, lachend und johlend.Ich musste an den Tag zurckdenken, wo die Triaden- Jungen mich fast totgeschlagen hatten. Das wrde mirnicht noch einmal passieren! Jenkins schob sein Gesicht

    vor meine Nase, weiter an seinen Augen ziehend. Lassmich in Ruhe, sagte ich. Er lachte hsslich und sagte,meinen Akzent nachahmend: Ihr sollt ihn in Ruhe las-sen, hat er gesagt, he, wie? Er schaute kurz seine Bandean, dann stie er mich heftig gegen meine linke Schulter.Ich revanchierte mich mit einem blitzschnellen Schlag in

    sein Gesicht, der ihm die Nase brach. Er fiel rcklings aufden Boden. Die anderen sahen sprachlos zu, wie er sichvor Schmerzen schreiend und fluchend wand und ver-suchte, den Blutschwall zu stoppen. Ich sah den anderenin die Augen. Sie drehten sich um und rannten davon.Es fhlte sich gut an.

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