9
Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. 171, 33--41 (1966) Der Einflull des Gef~il~gebietesder Arteria carotis externa au~ den Ophthalmicablutdruck und das Bulbus- 0rbita- OscUlogramm H. B~]~H]~I~ II. Augenklinik (Vorstand: Prof. Dr. J. B6OK) der UniversitEt Wien Eingegangen am 21. Juni 1966 Der Inh~lt der AugenhShle wird yon zwei Gef~[]gebieten her mit Blu~ versorgt: 1. yon der Arteria earotis interna fiber die Arteria oph- thalmica und deren ~ste; 2. yon der Arteria earotis externa fiber deren orbitale Anastomosen mi~ den ~sten der Arteria ophthalmica. Wohl muB man die in der Regel yon der Arteria carotis in~erna entspringende Arteria ophthalmica ~ls wichtigste Sehlagader der Orbita be~raehten, doeh sind aueh die zur AugenhShle und ihren Gebflden ziehenden s der Arteri~ earotis externa yon groBer funktioneller Bedeutung. Zwi- schen den beiden Strombezirken bestehen im wesentliehen folgende Anastomosen: a) Arteria carotis externa -- Arteri~ maxfllaris -- vorderer Ast der Arteria meningea media -- Arteria lacrimalis -- Arteria ophthalmiea. b) Arteria caro~is externa -- Arteria maxillaris -- Arteriae tem- porales profundae -- Arteria laerimalis -- Arteria ophthalmiea. c) Arteria caro~is externa -- Arteria facialis -- Arteria angularis -- Arteria dorsalis nasi -- Arteria ophthalmica. d) Ar~eria earotis externa -- Ramus ffontalis der Arteria temporalis superficialis -- Arteria fron~alis medialis bzw. lateralis -- Arteria oph- thalmica. A. ELso~IG hat schon darauf hingewiesen, dab beide S~romgebiete im Bereich der Orbita eine funktionelle Einheit bflden. Die oben erw~hnten Anastoraosen garantieren vor allem bei Verschlfissen der Arteria carotis interna die vikariierende Blutzufuhr zur AugenhShle, besonders aber zu den durch die Carotisthrombose in ihrer Ern~hrung gef~hrdeten Gehk~partien. ELscm~IGs klinische und experi- mentelle Befunde wurden inzwisohen durch neuere anatomische und angiographi- sche Untersuchungen best~tigt. Aus einigen Arbeiten, die in den letzten Jahren verSffentlicht worden sind, haben sich nun interessante Aspekte in bezug auf die Anatomie und Physiologie des orbitalen Gef~l]apparates ergeben. So sind vor allem HAYRE~ und D~ss /iberaus sorgf~ltige und eingehende Studien fiber die Topo- graphie der Arterien der AugenhShle zu danken. Unter 106 untersuchten Orbitae fanden sich 6 mit atypischer Gef~Bversorgtmg: viermal entsprang die Arteria ophthalmica aus zwei St~mmen, und zwar sowohl yon der Arteria carotis interna als aueh yon einem dem Stromgebiet der Arteria earotis externa zugehSrigen Gef~Be, n~mlich der Arteria meningea media; zweimal ging die Arteria ophthalmica aussehlieBlich yon der Arteria meningea media ab. 3a Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal., Bd. 171

Der Einfluß des Gefäßgebietes der Arteria carotis externa auf den Ophthalmicablutdruck und das Bulbus-Orbita-Oscillogramm

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Der Einfluß des Gefäßgebietes der Arteria carotis externa auf den Ophthalmicablutdruck und das Bulbus-Orbita-Oscillogramm

Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. 171, 33--41 (1966)

Der Einflull des Gef~il~gebietes der Arteria carotis externa au~ den Ophthalmicablutdruck

und das Bulbus- 0rbita- OscUlogramm

H. B ~ ] ~ H ] ~ I ~ II. Augenklinik (Vorstand: Prof. Dr. J. B6OK) der UniversitEt Wien

Eingegangen am 21. Juni 1966

Der Inh~l t der AugenhShle wird yon zwei Gef~[]gebieten her mi t Blu~ versorgt: 1. yon der Arter ia earotis in te rna fiber die Arter ia oph- tha lmica u n d deren ~s t e ; 2. yon der Arteria earotis externa fiber deren orbitale Anas tomosen mi~ den ~ s t e n der Arteria ophthalmica. Wohl muB m a n die in der Regel yon der Arteria carotis in~erna entspr ingende Arteria ophthalmica ~ls wichtigste Sehlagader der Orbi ta be~raehten, doeh sind aueh die zur AugenhShle u n d ihren Gebflden ziehenden s der Arteri~ earotis ex terna yon groBer funkt ionel ler Bedeutung. Zwi- schen den beiden Strombezirken bestehen im wesentl iehen folgende Anas tomosen:

a) Arter ia carotis ex terna - - Arteri~ maxfllaris - - vorderer Ast der Arter ia meningea media - - Arter ia lacrimalis - - Arter ia ophthalmiea.

b) Arter ia caro~is externa - - Arteria maxillaris - - Arteriae tem- porales profundae - - Arteria laerimalis - - Arter ia ophthalmiea.

c) Arter ia caro~is externa - - Arter ia facialis - - Arter ia angularis - - Arter ia dorsalis nasi - - Arter ia ophthalmica.

d) Ar~eria earotis ex terna - - Ramus ffontalis der Arter ia temporal is superficialis - - Arter ia fron~alis medialis bzw. lateralis - - Arter ia oph-

thalmica.

A. ELso~IG hat schon darauf hingewiesen, dab beide S~romgebiete im Bereich der Orbita eine funktionelle Einheit bflden. Die oben erw~hnten Anastoraosen garantieren vor allem bei Verschlfissen der Arteria carotis interna die vikariierende Blutzufuhr zur AugenhShle, besonders aber zu den durch die Carotisthrombose in ihrer Ern~hrung gef~hrdeten Gehk~partien. ELscm~IGs klinische und experi- mentelle Befunde wurden inzwisohen durch neuere anatomische und angiographi- sche Untersuchungen best~tigt. Aus einigen Arbeiten, die in den letzten Jahren verSffentlicht worden sind, haben sich nun interessante Aspekte in bezug auf die Anatomie und Physiologie des orbitalen Gef~l]apparates ergeben. So sind vor allem HAYRE~ und D~ss /iberaus sorgf~ltige und eingehende Studien fiber die Topo- graphie der Arterien der AugenhShle zu danken.

Unter 106 untersuchten Orbitae fanden sich 6 mit atypischer Gef~Bversorgtmg: viermal entsprang die Arteria ophthalmica aus zwei St~mmen, und zwar sowohl yon der Arteria carotis interna als aueh yon einem dem Stromgebiet der Arteria earotis externa zugehSrigen Gef~Be, n~mlich der Arteria meningea media; zweimal ging die Arteria ophthalmica aussehlieBlich yon der Arteria meningea media ab.

3a Albrecht v . Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. , Bd. 171

Page 2: Der Einfluß des Gefäßgebietes der Arteria carotis externa auf den Ophthalmicablutdruck und das Bulbus-Orbita-Oscillogramm

HAY~H und DAss geben aber auch noeh einen bemerkenswerten Hinweis auf die Phyllogenese: Bei einigen h6heren S~ugetieren entspringt die Arteria ophthalmica stets yon der Arteria carotis externa.

Die speziellen histologischen Verh~ltnisse, welche den Ursprung der Ar~eria ophthalmiea vom Carotissiphon kennzeichnen, haben B6oK und SOHWA~z-KARsTE~ efforscht. Die feingewebliehen Strukturelemente lassen Schlfisse auf den l~unk- tionsmeehanismus zu: Wahrseheinlich dienen die am Abgang der Arteria ophthal- mica yore Carotissiphon nachweisbaren spiralig angeordneten l~uskelfasern als Drossel- oder Verteilerventil.

Aus den beschriebenen anatomisehen Befunden wird ersichtlieh, welch groSe Vorsieht man bei der Interpretat ion ophthalmodynamo- metrischer un4 ophthalmodynamographischer MeSergebnisse walten lassen sollte : Verwendet man doch bei diesen augen~rztlichen Methoden, die den Gehirnkreislauf beurteflen he]fen, das Auge bzw. den gesamten orbitalen Gef~$apparat als Manometer ffir den intrakraniellcn Blut- druck. Als erster hat GOL])~A~ EinwKnde dagegen erhoben, ophthalmo- dynamometrische Ergebnisse ohne EinschrKnkung als Ma$ cerebro- vascul~rer Widerstandsver~nderungen zu werten. Vor allem beim Priifen medikament6ser Einflfisse auf den Ophthalmicablutdruek mu$ immer daran gedacht werden, da$ fiberschieBende Kreislaufregulationen im Bereich der Arter~a carotis externa das dynamometrische Resulta$ ver- fs kSnnten. Nun seheint die Ophthalmodynamometrie wegen des relativ geringen Umfanges des als Manometer fungierenden GefKSbezir- kes derartigen Einwirkungen gegenfiber ziemlich refrakt~r. Allen Ver- suchen aber, aus den Resultaten der 0phthalmodynamographie naeh H A G ~ isolierte WiderstandsverKnderungen im intrakraniellen Ver- teilungsgebiet der Arteria carotis interna abzulesen, muB groSe Skepsis entgegengebracht werden.

An Pat ienten mit Carotisversehliissen und an Kranken mit Arterfitis temporalis kann man immer wieder Befunde erheben, die die spezielle Bedeutung des Gef~Bgebietes der Ar~eria carotis externa fiir die Resultate der Ophthalmodynamographie beweisen.

1. 0phthalmodynamographische und opthalmodynamometrisehe Be- funde bei Patienten mit Carotisthrombose :

Wird bei eLuer Thrombose der Arteria carotis interna die arterielle Blutzufuhr zur betroffenen Hemisphere vorwiegend fiber die homo- laterale Arteria carotis externa via Arteria ophthalmica gewKhrleistet, so registriert man auf der Seite der Thrombose meist ein durchaus normales Bulbus-0rbi ta-0scfl logramm (normales Pulsationsvolumen, normale Werte des Blutdrucks).

Der ophthalmodynamometrisch ermittelte Blutdruck in der Arteria ophthalmica aber ist eindeutig diskordant erniedrigt.

Diese Diskreloanzen zwischen dem ophthalmodynamographischen und dem ophtha]modynamometrisehen Be~und sind mit der unter solchen t~reislaufverh~lt- nissen differenten Lage der MeBstellen beider Verfahren zu erkl~ren. Mit der

Page 3: Der Einfluß des Gefäßgebietes der Arteria carotis externa auf den Ophthalmicablutdruck und das Bulbus-Orbita-Oscillogramm

Carotis externa, Ophthalmicablutdruck und Bulbus-Orbita-Oscillogramm 35

Ophthalmodynamometrie mist man stets den Blutdruok in der Arteria ophthalmioa (SEIDEL, DUKE-ELDER, GOLDMANN, FRIEDENWALD). Die bei der Ophthalmo- dynamometrie auftretenden Gef~i~kriterien entspreehen keineswegs dem Blutdruck in der Zentralarterie, sondern vielmehr dem unter unbeeinfluBten Kreislauf- bedingungen im ngehsthSheren Kreislaufabsehnitt herrschenden Blutdruck. ])ber die Definition der MeBstelle und fiber die Faktoren, welehe den hier bestehenden Blutdruck bestimmen, hat WEIGELIN eingehend berichtet.

Die Me~ste]le der Ophthalmodynamographie befindet sich (nach HAGER und WEIOELIN) wahrscheinlich am Abgang der Arteria ophthalmica veto Carotissiphon oder aber etwas distal davon, in der Spitze des Orbitaltrichters. Diese Annahme wird etwa folgendermaBen begrfindet: Im Gegensatz zur Ophthalmodynamometrie, bei der dureh den i~el~vorgang ein relativ kleiner GefgBabschnitt, n~mlieh vor- wiegend der der Zentralarterie, beeinfluBt wird, erfolgt bei der Ophthalmodynamo- graphie eine Beeintr~ehtigung des gesamten orbita]en Kreis]aufes. Sowohl HAO~R a]s aueh WEIO~LI~ meinen, dab hierbei ausschlieBlieh oder vorwiegend die _N~ste der Arteria ophthalmiea erfa{tt werden; sie legen daher die Me~stelle an den Ober- gang zwisehen dem dureh die Dynamographie beeinfluBten und dem nieht mehr beeinflul3ten Kreislaufabschnitt, also an den Ursprung der Arteria ophthalmiea veto Carotissiphon.

Bei einem Verschlul] der Arteria carotis interna, der durch einen Kollateral- kreislauf zwisehen der homolateralen Arteria earotis externa und der Arteria ophthalmiea kompensiert wird, muB jedoeh, entsprechend der ge~nderten StrS- mungsriehtung des Blutes, die MeBstelle der Ophthalmodynamographie im Gebiet der Arteria carotis externa liegen: dieses reprgsentiert ja dann den ngehsthSheren, dureh den MeSvorgang nicht mehr beeinfluBten Gef~Bbezirk.

Es wird daher verst~ndlieh, dab man bei derartigen Fgl]en ein norma]es oph- thalmodynamographisehes Resultat erha]ten kann: entsprieht doeh der Blutdruck in der Arteria earotis externa auf der Seite des Versehlusses der Arteria carotis interna durehaus dem Blutdruek der gesunden, kontralateralen inneren Hals- schlagader.

Es empfiehlt sich also, stets beide Methoden - - 0phthalmodynamometrie und Ophthalmodynamographie - - anzuwenden, um eine grSSere diagnostisehe Sieher- heir zu erlangen.

2.0phthalmodynamographische und ophthalmodynamometrische Be- funde bei Patienten mit Arterfitis temporalis:

Bei Patienten mit Arterfitis temporalis sind die Bulbus-0rbita- Oscfllogramme stets dana stark deformiert, die Amplituden der 0scilla- tionen vermindert, wenn der orbitale Gef/~$apparat vonder Erkrankung betroffen ist. Dieser Befund ist ganz unabh/~ngig davon, welche Anteile des arteriellen Gef/~$systems der AugenhShle st/~rkere Ver/~nderungen aufweisen. Das ophthalmodynamometrische Resultat bei Patienten mit ocul/~rer Form der Arterfitis temporalis kann hingegen variieren: Be- treffen die entzfindlichen L/isionen vorwiegend die ~ste der Arteria ophthalmica, vor allem aber ihren Stature, dannist der dynamometrisch ermittelte Blutdruck in der Arteria ophthalmica diskordant erniedrigt, Beschr/~nken sich die Ver~tnderungen jedoch auf die Arteria carotis externa und ihre orbitalen Anastomosen mit den ~sten der Arteria ophthalmica, dann ist der Ophthalmicablutdruck in der Regel ganz

3*

Page 4: Der Einfluß des Gefäßgebietes der Arteria carotis externa auf den Ophthalmicablutdruck und das Bulbus-Orbita-Oscillogramm

36 H. BETTV.LHE~ :

normal. Bei solchen Patienten kann man angiographiseh schwerste Obturationen der Arteria earotis externa nachweisen, w/~hrend das GefaBgebiet der Arteria carotis interna einschlieBlich des Stammes tier Arteria ophthalmiea vSllig normal erscheint. Aus dem Vergleich der ophthalmodynamographisehen und angiographisehen Befunde ergibt sich also ein weiterer wiehtiger Hinweis auf die Bedeutung des Gef/~B- gebietes der Arteria earotis externa ftir die Blutversorgung der Augen- hShle; es wird aber auch tier EinfluB der zur AugenhShle ziehenden Ramifikationen der ~uBeren Halssehlagader auf das Ophthalmodynamo- gramm ersiehtlich.

Aus den besehriebenen klinisehen Befunden haben sieh Bedenken erg~ben, ob man die O~hthalmodynamographie nach H~G~R ohne Ein- sehr/s dazu heranziehen dfirfe, intrakranielle Kreislaufregulationen und Widerstandsver~nderungen zu beurteilen. SehlieBlieh ist ja bei diesem Verfahren der Umfang des beim Messen des Ophthalmicablut- drueks beeinfluBten Gef/~f~bezirkes viel gr6Ber als bei der konventionellen Ophthalmodynamometrie. W/~hrend bei der letzteren praktiseh nut ein arterieller ZufluB zum ,,Manometer" existiert, n~mlich der via Arteria ophthalmica - - ArterJa centrMis retinae, hat der gesamte orbitale Gef/~B- apparat zwei versehiedene Zuflfisse. In dem oben dargeleg~en patho- logischen Fall (Carotisthrombose mit Kollateralkreislauf fiber die homo- laterale Arteria earotis externa - - Arteria ophthalmica) sind die Ver- h/~ltnisse (vor Mlem hinsiehtlieh der MeSstelle der OphthMmodynamo- graphic) sogar noch einfacher zu beurteilen als unter normMen Kreis- laufbedingungen. Tats~chlieh 1/~Bt sieh die MeBstelle der Ophthalmo- dynamographie unter regelreehten StrSmungsverh/~ltnissen selbst theo- retiseh nur sehwer definieren. Die KreJslaufregulationen im Bereich der Ar~eria carotis externa unterscheiden sieh zudem noeh grundlegend yon denen des Internagebietes. Wo immer also zwei Gef/s derartig eng miteinander verbunden sind wie die der Arteria carotis interna und der Arteria carotis externa im Bereieh tier AugenhShle, mu$ man die aus einer integralen Pulskurve dieses Gef/~f3apparates resultieren den Mel~werte mit grSl~ter Vorsieht beurteilen. Es erscheint jede~alls unzul/~ssig, aus einer solehen Kurve, die ja die Oseilla~ionen des gesamten orbitMen Gef/~Bpolsters wiedergib~, Rficksehlfisse auf das isolierte Ver- hMten eines der beiclen Zirkulationsgebiete zu ziehen.

Weitere Aufschlfisse fiber die Beziehungen zwisehen den Gef~13- gebie~en der Arteria carotis in~erna und externa in ihrem orbitalen Verteilungsbereich ergaben sieh aus ophthalmodynamographischen und ophthalmodynamometrischen Untersuehungen yon Patienten vor und naeh Ligatur bzw. isolierter Kompression der auf3eren HMssehlagader. Unsere Untersuchungen warden dureh das Entgegenkommen der Kerren der Umversi~tsklinik ffir Kieferehirurgie in Wien (Vorstand: Prof.

Page 5: Der Einfluß des Gefäßgebietes der Arteria carotis externa auf den Ophthalmicablutdruck und das Bulbus-Orbita-Oscillogramm

Carotis externa, Ophthalmicablutdruck und Bulbus-Orbita-Oscillogramm 37

Dr. R. ULLIK) erm6glicht 1. Insgesamt konnten bisher fiinf Kranke untersueht werden, bei denen eine Indikation fiir die Ligatur der Arteria carotis externa bestand.

I m allgemeinen ist das Unterbinden der i~uBeren Halsschlagader angezeigt, wenn wegen neoplastiseher Veri~nderungen im Bereich der Kieferh6hle, der Mundh6hle oder der Ohrspeieheldrfise - - um nur einige MSglichkeiten zu erwi~hnen - - gr6Bere chirurgische Eingriffe erforderlich sind. Die Indikation zur Ligatur muB aber in jedem einzelnen Fall wohl erwogen werden: wegen der oben besehriebenen engen Beziehungen zwischen den Stromgebieten der inneren und auBeren Halsschlagader drohen nieht allzu selten St6rungen der Gehirndurchblutung Ms un- mittelbare Folgen des Unterbindens der Arteria carotis externa. Deshalb wurde nut bei 2 unserer 5 Patienten eine definitive Ligatur der i~uBeren Halsschlagader durehgeffihrt. Bei den anderen 3 Kranken - - ebenfalls Patienten mit neoplastisehen Prozessen der MundhShle bzw. der infra- und retromandibuli~ren Drfisen - - war es mSglich, auf die Unterbindung zu verziehten. Die Arteria earotis externa der betroffenen Seite wurde in jedem einzeinen Fall sorgfs freipr~pariert und dann ca. 1--2 em naeh der Aufteilungsstelle der Arteria earotis communis in. inhere und i~uBere Halssehlaguder fiber einem Deschampssehen F~denhalter manuell v611ig komprimJert. Vor und nach dem Abklemmen wurden jewefls ophthalmodynamometrische (bei 1 Patienten) und ophthalmodynamo- graphische Untersuehungen (bei 2 Kranken) durehgeffihrt.

Die Kompression wurde w~hrend des dynamometrisehen bzw. dynamographisehen MeBvorganges konstant aufrechterhalten. Es ver- steht sieh yon selbst, dab alle Messungen an narkotisierten Patienten effolgten. Wegen der geringen Entfernung zwischen dem MeBgebiet und dem Operationsfeld bedeuten l~ngere Manipulationen, wie sie mit meh- reren verschiedenartigen Untersuehungen zwangsl~ufig verbunden sind, eine unzumutbare und unn6tige Gefahr ffir den Patienten. AuBerdem wi~re es dann nStig, die bei der Ophthalmodynamographie verwendete Augenpulskapsel mehrmals abzunehmen und wieder anzulegen; die vor und naeh der Ligatur bzw. Kompression der Arteria earotis externa registrierten Oseillogramme wiiren dann nur schwer miteinander ver- gleichbar. Wir haben daher yon Anfang an darauf verziehtet, ein und denselben Patienten mit beiden Methoden - - Ophthalmodynamographie and -metrie - - zu untersuehen.

Bei den beiden ophthalmodynamometriseh untersuehten Patienten fanden wir ve t und nach der Ligutur bzw. Kompression der Arteria carotis externa konstante Blutdruckverh~ltnisse: der Ophthalmieablut-

1 Herrn Oberarzt Dr. K. HeLLcAts, tterrn Prof. Dr. S. W v ~ I ) ~ und Herrn Oberarzt Dr. 1%. F~i]~s sei auch an dieser Stelle nochmals herzlich fiir ihre Hilfe gedankt.

8b Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal., ]~d. 171

Page 6: Der Einfluß des Gefäßgebietes der Arteria carotis externa auf den Ophthalmicablutdruck und das Bulbus-Orbita-Oscillogramm

38 1:[. BETTELHEI~r :

druek s sieh nicht gegentiber dem Ausgangswert. Leider ist nur das Megergebnis eines dieser Patienten sicher verwertbar. Der zweite Kranke konnte nut yon einem einzigen Untersueher dynamometriert werden. Die Megteehnik en~spraeh also nieht den yon WSm~LI~ und LOBSTE:~ aufgestellten Prinzipien.

Drei weitere Kranke wurden mit der Ophthalmodynamographie naeh HAG~R untersueht. HAGS~s Vorsehriften, vor allem hinsieh~lieh der exakten Anlage der Augenpulskapsel, warden sorgf/tltig befolgt. Die Kapsel wurde jewefls unmittelbar vor dem Bestimmen des Ausgangs- wertes (d. h. des Wertes vor der Ligatur bzw. Kompression der Arteria earotis externa) angeleg~ and erst naeh dem Messen des Ophthalmiea- blutdruekes unter Kompression bzw. naeh der Ligatur wieder abgenom- men. Am Sitz der Kapsel wnrde also beim Messen des Ausgangs- und des Kompressionswer~es niehts ges

Bei dem ersten Kranken verminderte sieh das Pulsa~ionsvolumen der Arteria ophthalmiea naeh der Ligatur der s Halssehlagader nur unbetr/~ehtlieh gegeniiber dem Ausgangswe~. Der Ophthalmieablut- druek - - wegen Verzerrung des Osefllogrammes nieht exakt ablesbar - - sank nur wenig ab. Bei dam zweiten Patienten wurde die Ar~eria earotis externa wie oben besehrieben freipr/~pariert and komprimiert. Es wurde sorgf/~ltig darauf geaehtet, keine zus/itzliehe Abklemmnng der Arteria earo~is eommunis bzw. interna zu verursachen. Unter der Kompression verminder~e sieh das Pulsationsvolumen deutlieh (Abb. 1, 2), der Oph- thalmieablutdruek war wegen der Deformation der Pulskurve lxieht genau ablesbar, sank aber ebenfalls ab. Die Kompression wurde zweimal wiederholt, der Effekt war exa l t reproduzierbar.

Bei dem dritten Patienten bestand eine arrhy~hmisehe Herzaktion (Extrasystolie) mit entspreehend starker Verzerrung des Ophthalmo- dynamogrammes. Die Kurven waren nieh~ verwertbar. H A G ~ hat auf diesen Naehteil seiner Methode bereits hingewiesen.

Aus unseren Untersuehungen sind folgende Sehlfisse zu ziehen: 1. Das Ophthalmodynamogramm entsprieht einer integralen Puls-

kurve, welehe die Osefllationen des gesamten orbitalen Gef/tBapparate reprs

2. Auf Grund ophthalmodynamographiseher Ergebnisse sollte man daher keine Angaben fiber isolierte eerebrovaseul/~re Widerstandsver- gnderungen maehen.

3. Naeh Ligatur bzw. Kompression der/~uBeren Halssehlagader kann man miC der Ophthalmodynamographie eine Reduktion des Oph~hal- mieablutdruekes, vor allem aber des Pulsationsvolumens registrieren. Daraus ergeben sich nieht nut neue Aspekte hinsiehtlieh der Entstehnng der ophthalmodynamographisehen Kurve; man daft in diesen Befunden

Page 7: Der Einfluß des Gefäßgebietes der Arteria carotis externa auf den Ophthalmicablutdruck und das Bulbus-Orbita-Oscillogramm

Carotis extema, Ophthalmicablutdruck und Bulbus-Orbita-Oscillogramm 39

Abb. 1. Ophthalmodynamogramm vor isolierter Kompression der Arteria carotis exSerna (52j/~hriger Patien?~ nait carcinomatfsen Veri~nderungen im Bereich der sublingualen und inframandibuI~ren Driisen). Wegen des niedrigen allgemeinen Blutdrucks (95/70 m m Hg) nut sehr geringe HShe der Amplituden. Die ~ri$erien des Ophthalmicablutdruckes nut schlecht ablesbar, mm t tg : automatische Registrierung des Systemdruckes mittels Druckmarken; P oph~h.: Ophthalmicablutdruck (S, D systolisches bzw. diastolisches Kriterium); A:p Yfittelwert der 6 hSchs~en supradiastolischenPuls-

amplituden; P V Pulsationsvolumen (Berechnung nach HAGEn: A p • 50 _ 8 • 50 =25 mm ~) A e 16

Ae Eichpuls (]~ichpulsvolumen 50 mm a)

Abb. 2. Ophthalmodynamogramm, registriert w~hrend isolierter Kompression der Arteria carotis externa. Deutlicher Abfall des PulsationsvoIumens, m~tBiger Abfall des Ophthalmicablutdruckes.

Allgemeiner Blutdruck (95/70 mm Hg) tmver~ndert

vielmehr auch wei~ere Beweise daftir sehen, dab die Arteria carotis externa schon unter normalen Kreislaufverh/~ltnissen einen bedeutenden Anteil an der Blutversorgung der Orbita hat.

Page 8: Der Einfluß des Gefäßgebietes der Arteria carotis externa auf den Ophthalmicablutdruck und das Bulbus-Orbita-Oscillogramm

40 H. BETT]~EI~:

Zusammenfas sung

Das Gcf/~l]gebiet der Arteria carotis externa hat eine grol]e funk- tionelle Bedeutung ffir die Blutversorgung der Orbita und des Gehirns; darauf weisen unter anderem ophthalmodynamometrisehe, ophthMmo- dynamographische und angiographische Untersuchungsbefunde bei Patienten mit Carotisverschlfisscn oder Arteriitis temporMis hin.

Die klinischen Erfahrungen werdcn durch das Experiment besti~tigt : nach der Ligatur bzw. der isolierten Kompression der ~uBeren ~als- schlagader an Kranken mit neoplastischen Prozessen der Mundh6hle, der Kieferh6hle oder der infra- und retromandibuli~ren Drfisen ergeben sich deutliche ophthMmodynamographisch faBbare Reaktionen; vor Mlem das Pulsationsvolumen der Arteria ophthalmica wird ldeiner.

Das Ophthalmodynamogramm stellt eine integralc Pulskurve dar, welche die Osciliationen des gcsamten orbitalen Gcf/~Bapparates wieder- gibt. OphthMmodynamographische Befunde sind daher nicht geeignet, isolierte Widerstandsver~nderungen des intrakraniellen Verteflungs- gebietes der Arteria carotis interna mit Sicherheit zu erfassen.

S u m m a r y The external carotid artery is of special importance for the compen-

satory blood supply of the orbital contents and of the brain. This well known fact could be confirmed by ophthalmodynamometric, ophthalmo- dynamographic and angiographic findings in patients with thromboses of the internal carotid arteries or with temporal arteritis.

The ligation or compression of the external carotid artery - - carried out in patients with carcinomatous changes of the oral cavity and its regional lymph glands - - exerted a distinct influence on the ophthal- modynamogram: before all the pulsation volume decreased.

Therefore the ophthalmodynamogram - - an integral oscillogram trace of the pulsations of the whole arterial system of the orbit - - does not afford reliable information about the cerebrovaseular resistance.

Literatur BETTELHEIig, I-L: Vergleichende ophthMmodynamometrische und ophthMmo-

dynamographische Untersuchungen bei obliterierenden Prozessen der C~rotiden. Klin. Mbl. Augenheilk. 146, 801 (1965).

--Augen~rztliche Beitr~ge zur Diagnostik cerebraler Durchblutungss~5rungen. Kiln. Mbl. Augenheflk. 147, 352 (1965).

- - Uber den ophtha]modynamographischen Nachweis yon Kollateralkreislaufen bei der Carotis~hrombose. Nervenarzt 37, 224 (1966).

- - Bulbus-Orbita-Oszillographie bei DurchblutungsstSrungen des Auges. Klin. Mb]. Augenheilk. 148, 209 (1966).

BScK, J., u. H. SC~WA~z-KA~sT~: Zur Anatomie des Abganges der Arteria ophthalmica. Ber. dtsch, ophthal. Ges. ~8, 257 (1953).

- - - - Further investigations on the anatomy of the origin of the ophthMmic artery. Amer. J. Ophthal. 39, 161 (1955).

Page 9: Der Einfluß des Gefäßgebietes der Arteria carotis externa auf den Ophthalmicablutdruck und das Bulbus-Orbita-Oscillogramm

Carotis externa, Ophthalmicablutdruck und Bulbus-Orbita-Oseillogramm 41

DIL]~OE, D., H. FlSCKGOLD et M. DAVID: L'angiogralohie par soustraetion de l'artbre ophtalmique et de ses branches. Paris: Masson & Cie. 1965.

ELSOH~m, A. : ~Jber den Einflu8 des Verschlusses der Arteria ophthalmica und der Carotis auf das Sehorgan. Albrecht v. Graefes Arch. Ophthal. 89, 151 (1893).

F~IEDENWALD, J. S. : Retinal vascular dynamics. Amer. J. Ophthal. 17, 387 (1934). GOnDMAN~, H. : Ce que nous mesurons en dynamom6trie. Docum. ophthal. (Den

Haag) 7/8, 66 (1954). - - Diskussionsbemerkung. Doeum. ophthal. (Den Haag) 7/8, 246 (1954). I-IAGER, H.: Die Ophthalmo-Dynamographie als Methode zur Beurteflung des

Gehirnkreislaufes. Klin. Mbl. Augenheflk. 142, 827 (1963). HAYnEs, S. S., and R. DAss: The ophthalmic artery. I. Origin and intracranial

and intraeanalieular course. Brit. J. Ophthal. 46, 65 (1962). S]~ID~L, E.: Prinzipielles zur Blutdruckmessung in den intraocularen Arterien.

Albrecht v. Graefes Arch. Ophthal. 116, 537 (1926). W:EIOELr~, E., K. IWAT• U. M. HALDER: Fortschritte auf dem Gebiete der Blut-

druckmessung am Auge. In: Fortschritte der Augenheflkunde. Basel u. New York: S. Karger 1964.

- - , u. A. LO~STErN: Ophthalmodynamometrie. Basel u. New York: S. Karger 1962.

Dr. H. BETTEL]tEEg II . Augenklinik der Universitiit A 1090 Wien IX (Osterreich), Alserstral~e 4