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| Der Internist 9·99 M 284 M. Broglie Der Medizinische Dienst der Krankenkassen Zum Recht des MDK auf Einsicht in vertragsärztliche Behandlungsunterlagen dig und wirtschaftlich ist (§ 275 Abs. 3 SGB V). Da es in der Vergangenheit wieder- holt vorgekommen ist, daß niedergelas- sene Ärzte in den Verdacht gerieten, voreilig Auskunft erteilt zu haben, ist zu empfehlen, sich für jede Anfrage schriftlich den Grund mitteilen zu lassen. Grund der Auskunft im Einzelfall schriftlich erfragen. Ein unter den Vertragsärzten weit ver- breiteter Irrtum ist, die Ärzte des MDK und die niedergelassenen Ärzte seien durch die Berufsordnung untereinan- der sowieso von der Schweigepflicht entbunden. Das Informationsrecht des MDK ist eingeschränkt („soweit… er- forderlich ist – § 276 Abs. 2 S. 1 2. HS SGB V“). Die Anfrage muß deshalb kon- kret d.h. einzelfallbezogen sein. Eine Anfrage dergestalt, alle Behandlungs- unterlagen zur Durchführung einer Begutachtung zu übersenden, genügt hierfür regelmäßig nicht. Nur die erforderlichen Auskünfte er- teilen. Eine Herausgabe von Originalunterla- gen zum dauerhaften Verbleib bei dem MDK ist in jedem Fall ausgeschlossen. Der Arzt ist zur Aufbewahrung seiner Unterlagen für die Dauer von minde- stens 10 Jahren verpflichtet. Darüber hinaus ist er im Regelfall als Hersteller der Unterlagen auch deren Eigentümer und somit berechtigt, über deren Ver- wendung alleine zu bestimmen. Für die Auskunftspflicht genügt deshalb ein At- test, gegebenfalls eine Kopie der Kran- in Fällen von Arbeitsunfähigkeit, wenn sie zur Sicherung des Behand- lungserfolges erforderlich ist oder Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit be- stehen. Die Krankenkassen beauftragen den Medizinischen Dienst außerdem zur Prüfung der Notwendigkeit medizinischer Vorsorgeleistungen (§ 23 SGB V) und medizinischer Rehabilitationsmaß- nahmen (§ 40 SGB V), (die nicht mit den berufsgenossenschaftlichen Rehabilitationsmaßnahmen zu ver- wechseln sind). Sie haben ferner durch den medizini- schen Dienst prüfen zu lassen die Kostenübernahme einer Behand- lung im Ausland, häusliche Krankenpflege für länger als 4 Wochen. Darüber hinaus besteht eine Vielzahl weiterer Aufgaben, auf die der Vollstän- digkeit halber zumindest hingewiesen werden soll. Die Feststellung, ob die Anfrage ei- ner dieser Fragestellungen dient, wird dadurch erschwert, daß die Kranken- kassen in einigen Fällen bei der Beauf- tragung des MDK einen Beurteilungs- spielraum haben. Das heißt, Auskunfts- ansprüche des MDK können bei Über- prüfungen entstehen, die die Kranken- kassen durchführen dürfen, aber nicht durchführen müssen. Für den vertrags- ärztlichen Internisten ist hier beispiels- weise an die Prüfung zu denken, wel- che Art der Dialysebehandlung Zentrumsdialyse, Limited-Care-Dialyse, Heimdialyse – im Einzelfall notwen- In gesetzlich zugelassenen Fällen veran- lassen die Krankenkassen gutachterliche Stellungnahmen des MDK. Zu diesem Zweck übermitteln sie ihm die erforder- lichen personenbezogenen Patientendaten (§ 276 Abs. 1 S. 1 SGB V). Häufig entstehen im Rahmen der Prüfung jedoch Fragen, deren Beantwortung nicht allein mit den von der Krankenkasse übermittelten Unterlagen zu beantworten sind. Dies kann zu Konflikten führen, wenn der MDK deshalb direkt bei den an der Behandlung beteiligten Vertragsärzten anfragt. Gemäß § 276 Abs. 2 S. 1 2. HS SGB V sind die Leistungserbringer verpflichtet, So- zialdaten auf Anforderung des MDK unmittelbar an diesen zu übermitteln, soweit dies für die gutachterliche Stel- lungnahme und Prüfung erforderlich ist (so auch § 62 BMV-Ä/PK; § 19 BMV- Ä/EK). Der Arzt muß deshalb wissen, ob der MDK im Einzelfall eine gesetzliche Aufgabe wahrnimmt. Gesetzliche Aufgaben des MDK und der Krankenkassen maßgebend Gemäß § 275 Abs. 1 SGB V ist der MDK zur Stellungnahme auf Anfrage einer gesetzlichen Krankenkasse verpflichtet, wenn dies nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit einer Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforder- lich ist bei Erbringung von Leistungen, ins- besondere zur Prüfung von Voraus- setzungen Art und Umfang der Lei- stung, bei Einleitung von Maßnahmen zur Rehabilitation,

Der Medizinische Dienst der Krankenkassen Zum Recht des MDK auf Einsicht in vertragsärztliche Behandlungsunterlagen

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Page 1: Der Medizinische Dienst der Krankenkassen Zum Recht des MDK auf Einsicht in vertragsärztliche Behandlungsunterlagen

| Der Internist 9·99M 284

M. Broglie

Der Medizinische Dienstder KrankenkassenZum Recht des MDK auf Einsicht invertragsärztliche Behandlungsunterlagen

dig und wirtschaftlich ist (§ 275 Abs. 3SGB V).

Da es in der Vergangenheit wieder-holt vorgekommen ist, daß niedergelas-sene Ärzte in den Verdacht gerieten,voreilig Auskunft erteilt zu haben, istzu empfehlen, sich für jede Anfrageschriftlich den Grund mitteilen zulassen.

Grund der Auskunft im Einzelfallschriftlich erfragen.

Ein unter den Vertragsärzten weit ver-breiteter Irrtum ist, die Ärzte des MDKund die niedergelassenen Ärzte seiendurch die Berufsordnung untereinan-der sowieso von der Schweigepflichtentbunden. Das Informationsrecht desMDK ist eingeschränkt („soweit… er-forderlich ist – § 276 Abs. 2 S. 1 2. HSSGB V“). Die Anfrage muß deshalb kon-kret d.h. einzelfallbezogen sein. EineAnfrage dergestalt, alle Behandlungs-unterlagen zur Durchführung einerBegutachtung zu übersenden, genügthierfür regelmäßig nicht.

Nur die erforderlichen Auskünfte er-teilen.

Eine Herausgabe von Originalunterla-gen zum dauerhaften Verbleib bei demMDK ist in jedem Fall ausgeschlossen.Der Arzt ist zur Aufbewahrung seinerUnterlagen für die Dauer von minde-stens 10 Jahren verpflichtet. Darüberhinaus ist er im Regelfall als Herstellerder Unterlagen auch deren Eigentümerund somit berechtigt, über deren Ver-wendung alleine zu bestimmen. Für dieAuskunftspflicht genügt deshalb ein At-test, gegebenfalls eine Kopie der Kran-

● in Fällen von Arbeitsunfähigkeit,wenn sie zur Sicherung des Behand-lungserfolges erforderlich ist oderZweifel an der Arbeitsunfähigkeit be-stehen.

Die Krankenkassen beauftragen denMedizinischen Dienst außerdem zurPrüfung der Notwendigkeit● medizinischer Vorsorgeleistungen

(§ 23 SGB V) und● medizinischer Rehabilitationsmaß-

nahmen (§ 40 SGB V), (die nichtmit den berufsgenossenschaftlichenRehabilitationsmaßnahmen zu ver-wechseln sind).

Sie haben ferner durch den medizini-schen Dienst prüfen zu lassen● die Kostenübernahme einer Behand-

lung im Ausland,● häusliche Krankenpflege für länger

als 4 Wochen.

Darüber hinaus besteht eine Vielzahlweiterer Aufgaben, auf die der Vollstän-digkeit halber zumindest hingewiesenwerden soll.

Die Feststellung, ob die Anfrage ei-ner dieser Fragestellungen dient, wirddadurch erschwert, daß die Kranken-kassen in einigen Fällen bei der Beauf-tragung des MDK einen Beurteilungs-spielraum haben. Das heißt, Auskunfts-ansprüche des MDK können bei Über-prüfungen entstehen, die die Kranken-kassen durchführen dürfen, aber nichtdurchführen müssen. Für den vertrags-ärztlichen Internisten ist hier beispiels-weise an die Prüfung zu denken, wel-che Art der Dialysebehandlung –Zentrumsdialyse, Limited-Care-Dialyse,Heimdialyse – im Einzelfall notwen-

In gesetzlich zugelassenen Fällen veran-lassen die Krankenkassen gutachterlicheStellungnahmen des MDK. Zu diesemZweck übermitteln sie ihm die erforder-lichen personenbezogenen Patientendaten(§ 276 Abs. 1 S. 1 SGB V). Häufig entstehenim Rahmen der Prüfung jedoch Fragen,deren Beantwortung nicht allein mit denvon der Krankenkasse übermitteltenUnterlagen zu beantworten sind. Dieskann zu Konflikten führen, wenn der MDKdeshalb direkt bei den an der Behandlungbeteiligten Vertragsärzten anfragt.

Gemäß § 276 Abs. 2 S. 1 2. HS SGB V sinddie Leistungserbringer verpflichtet, So-zialdaten auf Anforderung des MDKunmittelbar an diesen zu übermitteln,soweit dies für die gutachterliche Stel-lungnahme und Prüfung erforderlichist (so auch § 62 BMV-Ä/PK; § 19 BMV-Ä/EK).

Der Arzt muß deshalb wissen, obder MDK im Einzelfall eine gesetzlicheAufgabe wahrnimmt.

Gesetzliche Aufgaben des MDK und derKrankenkassen maßgebend

Gemäß § 275 Abs. 1 SGB V ist der MDKzur Stellungnahme auf Anfrage einergesetzlichen Krankenkasse verpflichtet,wenn dies nach Art, Schwere, Daueroder Häufigkeit einer Erkrankung odernach dem Krankheitsverlauf erforder-lich ist

● bei Erbringung von Leistungen, ins-besondere zur Prüfung von Voraus-setzungen Art und Umfang der Lei-stung,

● bei Einleitung von Maßnahmen zurRehabilitation,

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kenakte. Die Auskunft ist nur so um-fangreich zu gestalten, wie dies zur Be-antwortung der Frage erforderlich ist.

Auskunft über Entlassungsberichtdurch den niedergelassenen Arzt

Noch nicht abschließend geklärt ist, obwegen § 276 Abs. 2 SGB V eine Ver-pflichtung des Arztes besteht, nach sta-tionärem Aufenthalt des Patienten denEntlassungsbericht herauszugeben.Nach der Begründung des Regierungs-entwurfes zu § 276 SGB V soll dessenAbsatz 2 generell eine Rechtsgrundlagefür die Übermittlung des Krankenhaus-entlassungsberichts an den MDK dar-stellen, soweit dies für dessen Aufga-benerfüllung erforderlich ist. Die Ge-richte beurteilen diese Herausgabe-pflicht uneinheitlich. Die Weitergabedurch den niedergelassenen Arzt kannmit dem Urheberrecht des Kranken-hausarztes kollidieren, wenn dieser ei-ner Verwertung widerspricht. Außer-dem ist die Herausgabe durch den nie-dergelassenen Arzt meist nicht erfor-derlich, da der MDK ein eigenes Betre-tungsrecht bei Krankenhäusern undRehabilitationseinrichtungen hat, umKrankenunterlagen einzusehen (§ 278Abs. 4 SGB V).

Zur Minimierung des ärztlichenRisikos ist zu empfehlen, zusätzlich zueinem schriftlichen Auskunftsbegehrendes MDK eine Einverständniserklärungdes Patienten zu verlangen. Verweigertder Patient ausdrücklich die Weiterga-be des Entlassungsberichts, muß sie so-gar unterbleiben.

Aufwand keine leistungsgerechte Ver-gütung erwarten. Nach § 21 Abs. 3 SGBX erhält er auf Antrag lediglich eineEntschädigung nach Maßgabe des Ge-setzes über die Entschädigung von Zeu-gen und Sachverständigen (ZSEG). Fürdie Ausstellung eines Befundscheinesoder die Erteilung einer schriftlichenAuskunft ohne nähere gutachterlicheÄußerung fällt beispielsweise eine Ge-bühr zwischen 20,00 DM und 40,00DM an. Im Einzelnen gilt die Anlage zu§ 5 ZSEG.

Gesundheitsreform 2000

De lege ferenda wird sich im Rahmender Gesundheitsreform 2000 der Auf-gabenkatalog des MDK vermutlich er-weitern. Zu erwarten ist auch eine ver-stärkte Inanspruchnahme durch dieKrankenkassen als sogenannte anbie-terunabhängige Instanz zur medizini-schen Steuerung der Leistungen in derGKV. Das Recht zur Auskunft bei denniedergelassenen Ärzten wird im Wort-laut absehbar dahingehend geändert,daß die dem Medizinischen Dienst zuübermittelnden Daten sowohl die eige-nen Unterlagen und Befunde als auchdie vorliegenden Unterlagen und Be-funde anderer Leistungserbringer um-fassen müssen.

Rechtsanwälte Broglie, Schade & Partner GbRLeipziger Straße 35D-65191 Wiesbaden

Vorrang der Auskunft durchKrankenkassen

Ein weiteres Problem ist die Frage, obder Arzt die Auskunft mit der Begrün-dung verweigern kann, der MDK habenicht alle bei der Krankenkasse vorlie-genden Unterlagen beigezogen. Mitdem Gesetzestext läßt sich argumentie-ren, daß in diesem Fall die Herausgabevon Unterlagen bei dem Arzt nicht er-forderlich i.S.v. § 276 Abs. 2 S. 1 2. HSSGB V ist. Allerdings ist der niederge-lassene Arzt häufig nicht in der Lageabschließend zu beurteilen, über wel-che Unterlagen die Krankenkasse ver-fügt. Da er dies nur vermuten kann, ister auf die Angaben des MDK angewie-sen. Hat er allerdings den Eindruck,daß der MDK Auskünfte z.B. standart-mäßig bei niedergelassenen Ärzten ein-holt oder hat er aus anderen Gründen(berechtigte) Zweifel, ob die bei derKrankenkasse vorhandenen Unterlagenschon angefordert wurden, kann er imEinzelfall die Unterlagen zumindest zu-rückhalten, bis ihm eine Bestätigungder Krankenkasse vorgelegt wird. Umdem Eindruck des vertragsarztwidri-gen Verhaltens vorzubeugen, empfiehltes sich, die jeweils zuständige Kassen-ärztliche Vereinigung ausreichend zuinformieren.

Vergütung von Auskünftengegenüber dem MDK

Der (Vertrags-)Arzt kann, soweit miteinzelnen Leistungsträgern keine Son-dervereinbarungen bestehen für seinen