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Der Sumpfplanet

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Nr. 418

Der Sumpfplanet

Ein neuer Gast in Peleffs Schloss

von Clark Darlton

Als Atlantis-Pthor, der durch die Dimensionen fliegende Kontinent, die Peripherie der Schwarzen Galaxis erreicht – also den Ausgangsort all der Schrecken, die der Dimensionsfahrstuhl in unbekanntem Auftrag über viele Sternenvölker gebracht hat –, ergreift Atlan, der neue Herrscher von Atlantis, die Flucht nach vorn.

Nicht gewillt, untätig auf die Dinge zu warten, die nun zwangsläufig auf Pthor zu­kommen werden, fliegt er zusammen mit Thalia, der Odinstochter, die Randbezirke der Schwarzen Galaxis an und erreicht das sogenannte Marantroner-Revier, das von Chirmor Flog, einem Neffen des Dunklen Oheims, beherrscht wird.

Neben Atlan und seiner Gefährtin, deren Weg im Marantroner-Revier von Abenteu­ern und tödlichen Gefahren gekennzeichnet ist, operiert noch ein Fremder in den Randbezirken der Schwarzen Galaxis.

Dieser Fremde ist Nomazar, der Mann ohne Gedächtnis. Auf unerklärliche Weise gelangte er in das Rghul-Revier, den Herrschaftsbereich des Neffen Duuhl Larx, und wurde zuerst als Sklave gehalten.

Jetzt nimmt sich Peleff Nomazars an und bringt ihn zu seiner Geheimwelt. Diese Geheimwelt ist DER SUMPFPLANET …

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Die Hautpersonen des Romans:Nomazar - Ein Gefangener erlangt den Status eines »Gastes«.Peleff - Der Valvke verliert das Vertrauen des Herrschers vom Rghul-Revier.Scarta - Gefährtin von Nomazars Flucht.Harkles, Morn, Ura und Pram - Gäste in PELEFFS SCHOSS.

1.

Bereits kurz nach dem Start der PELEFFS ATEM brachten Roboter den mit Ketten ge­fesselten Gefangenen in eine andere Kabine, die speziell für solche Zwecke eingerichtet war. In die Metallwände waren Ringe einge­lassen, an denen sich die Ketten befestigen ließen. Nomazar leistete keinen Widerstand, der ohnehin sinnlos gewesen wäre. Seit er der Gefangene des Transfusionsgebundenen Peleff war, hatte sich die Möglichkeit zu ei­ner Flucht von Tag zu Tag verringert. Jetzt, in seinem Schiff an die Zellenwand gekettet, war sie auf Null gesunken.

Nomazars Erinnerung war nicht zurück­gekehrt, noch immer wußte er nichts über seine Herkunft. Vergeblich hatte er sich das Hirn zermartert, um Anhaltspunkte zu fin­den. Besonders in seiner augenblicklichen Situation schien ihm das wichtig zu sein, denn Peleff wollte ihn auf den Planeten Ca-gendar bringen, wo er einem peinlichen Ver­hör unterzogen werden sollte. Cagendar galt als die Hauptwelt des Rghul-Reviers, des Einflußgebiets von Duuhl Larx, dem Neffen des Dunklen Oheims.

Was aber sollte ein Mann aussagen kön­nen, der über keine Erinnerung verfügte?

Peleff gehörte zum Volk der Valvken, und Gerüchte besagten, daß er der letzte Überlebende dieses Volkes sei, das einst von dem Neffen des Dunklen Oheims ausgerot­tet worden war.

Wenn das stimmte, überlegte Nomazar, so wäre es kein Wunder gewesen, wenn Peleff diesen Neffen aus tiefstem Grund seiner Seele haßte. Warum also sollte er seinen Ge­fangenen, der als Spion und als Feind gilt, dem Neffen ausliefern?

Es war ein schwacher Hoffnungsschim­

mer, gestand Nomazar sich ein, aber in sei­ner Lage war er gezwungen, sich an jeden sichtbaren Strohhalm zu klammern, um sich nicht selbst aufgeben zu müssen.

Peleffs Schiff, die PELEFFS ATEM, war ein riesiger Organraumer mit gewaltigen Geschütztürmen und einer Besatzung, die – von den beiden Galionsfiguren abgesehen – ausschließlich aus Robotern bestand.

Peleff selbst war alles andere als ein er­freulicher Anblick. Nur 1,60 Meter groß be­saß er einen schwammigen und fetten Kör­per, den er unter einem wallenden Umhang zu verbergen suchte. Aus dem Kapuzenum­schlag ragte ein knochiger und spitz zulau­fender Kopf mit zwei großen, gelben Augen hervor. Der Mund war schnabelförmig, sei­ne Sprache bellend und rauh. Um seine kör­perliche Unbeweglichkeit herabzumindern, trug Peleff unter seinem Gewand eine Schwebeanlage auf Antigravbasis, die ihm ein federleichtes Dahingleiten ermöglichte.

Zum hundertsten Mal überprüfte Nomazar die Ketten, die ihn an die Wand der Kabi­nenzelle fesselten, als er draußen auf dem Gang die mechanisch klingenden Schritte ei­nes Roboters vernahm. Die Tür öffnete sich, ein rollendes Etwas aus Metall glitt in den Raum und schob dem Gefangenen eine Schüssel mit übelduftendem Brei zwischen die Füße. Dann verschwand es wieder.

Da Nomazar die angeketteten Hände ziemlich frei bewegen konnte, verzehrte er den widerlichen Brei. Er mußte bei Kräften bleiben, wenn er überleben wollte.

Mit den Füßen schob er den leeren Napf weit von sich und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Vielleicht konnte er ein wenig schlafen.

Aber kaum hatte er seine Augen geschlos­sen, als die Tür schon wieder geöffnet wur­de. Drei unterschiedlich gebaute Roboter ka­

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men herein, dann folgte Peleff. In der Zel­lenmitte blieb er stehen und betrachtete sei­nen Gefangenen, als hätte er ihn noch nie gesehen.

Nomazar gab den forschenden Blick ohne Regung zurück und überlegte, was der Fett­wanst von ihm wollte.

Peleff gab seinen Robotern einen Wink, und schon begannen diese, die Schlösser der Ketten aufzuschließen und Nomazar zu be­freien. Er blieb jedoch auf dem Boden sit­zen, weil er nicht wußte, was das alles zu bedeuten hatte.

Peleff verriet Ungeduld, als er bellte: »Nun steh schon auf! Ich habe dir einen

Vorschlag zu machen.« Peleff wollte ihm, seinem Gefangenen,

einen Vorschlag machen? Nomazar begriff überhaupt nichts mehr, aber er stand lang­sam auf, um den Mächtigen nicht zu erzür­nen.

»Ich höre, Peleff«, sagte er. »Komm mit«, forderte Peleff ihn auf. »Es

gibt bessere Kabinen als diese.« Nomazar folgte Peleff, der seine Roboter

fortgeschickt hatte. Peleff öffnete eine Tür und gab Nomazar

einen Wink, einzutreten. Zögernd gehorchte der Gefangene, denn so ganz traute er dem Frieden nicht.

Der Raum war bequem eingerichtet. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Gastkabine.

Als sie sich in zwei luxuriösen Sesseln gegenüber saßen, begann Peleff:

»Du wirst gehört haben, daß ich keine le­benden Wesen um mich haben kann, ohne Widerwillen zu empfinden. Das ist auch der Grund für meine Roboterbesatzung – sie stört mich nicht. Selten nur ist es mir mög­lich, die Gesellschaft eines anderen Lebewe­sens zu genießen, ohne den erwähnten Wi­derwillen zu verspüren.«

Er schwieg und sah Nomazar erwartungs­voll an.

Der meinte: »Ja, ich hörte davon, wenn ich es auch

nicht verstehen kann.«

Clark Darlton

Etwas wie ein Lächeln glitt über die Züge des Fetten, dann sagte er:

»Du scheinst eine dieser seltenen Ausnah­men zu sein, denn deine Gegenwart stört mich nicht. Es wäre schade, wenn ich dich dem Neffen des Dunklen Oheims ausliefere, bei dem dich nur der Tod erwarten würde. Vielleicht bist du ein Spion, vielleicht auch nicht. Dort, wohin ich dich nun bringen wer­de, spielt das auch keine Rolle mehr.«

»Wohin willst du mich bringen? Nicht nach Cagendar?«

»Nein, ich bringe dich auf den Planeten Caudin. Er gehört zwar ebenfalls zum von Duuhl Larx beherrschten Rghul-Revier, aber niemand kennt diese Welt, auf die ich mich hin und wieder zurückziehe. Ich besitze dort einen prächtigen Palast, in dem du dich wohl fühlen wirst. Nicht als mein Gefangener, sondern als mein Gast.«

Nomazar benötigte eine ganze Minute, um die Neuigkeit zu verdauen. Er ahnte, daß ein Haken an der Sache war. Peleff würde niemals aus reiner Menschenfreundlichkeit handeln, sondern nur zu seinem eigenen Vorteil.

»Ich bin sehr froh, dein Gast sein zu dür­fen, Peleff, wenn mir auch nicht klar ist, was ich dir nützen könnte. Ich sagte dir schon, daß ich keine Erinnerung an meine Vergan­genheit besitze und daher ein schlechter Ge­sellschafter bin. Auch fürchte ich, daß der Neffe sehr ungehalten sein wird, wenn du mich nicht auslieferst.«

»Das laß nur meine Sorge sein«, erwider­te Peleff ungehalten. »Es ist nicht das erste­mal, daß ich seinen Befehlen zuwiderhand­le.« Ein Schatten überzog sein Gesicht. »Ich habe mehr als nur eine Rechnung mit ihm zu begleichen.«

»Ist die Welt Caudin bewohnt?« fragte Nomazar, um das Thema zu wechseln.

»Nur meine Gäste leben dort, wo der Pa­last steht. Er ist von einem riesigen Sumpf­gebiet umgeben, das einen natürlichen Schutzwall abgibt. In den Sümpfen gibt es viele Arten von Lebewesen, aber keine intel­ligenten. Das ist einer der Gründe, warum

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sich niemand für diese Morastwelt interes­siert, aber für mich ist es eine Art von Para­dies. Caudin gehört mir allein – das ist ihr Geheimnis.«

»Als dein Gast …?« dehnte Nomazar sei­ne Frage. »Willst du mich für den Rest mei­nes Lebens in deinem Palast beherbergen?«

»Wäre das nicht besser, als auf Cagendar hingerichtet zu werden? Neffe und Oheim verstehen keinen Spaß. Sie würden dich tö­ten lassen, daran kann kein Zweifel beste­hen. Und vorher gäbe es noch unangenehme Tage und Nächte für dich.«

»Die Alternative dazu klingt besser«, gab Nomazar zu, der schon seltsame Dinge er­lebt hatte, seit er sich im Randgebiet der Schwarzen Galaxis aufhielt. Gerade so weit zurück reichte seine Erinnerung. »Ich bin al­so einverstanden mit deinem Vorschlag. Was werde ich zu tun haben?«

»Nichts! Du wirst dich frei im Palast be­wegen können und mir dann, wenn ich an­wesend bin, Gesellschaft leisten. Du wirst nicht allein sein, denn du bist nicht mein einziger Gast. Aber stelle keine Fragen mehr, bald siehst du alles mit deinen eigenen Augen.« Peleff erhob sich und schaltete die Schwebeanlage ein. »Du wirst von nun an diese Kabine dein eigen nennen. Ich schicke dir Roboter zu deiner Bedienung. Die haben den Auftrag, dir alle Wünsche zu erfüllen. Ich suche dich auf, bevor wir unser Ziel er­reichen.«

Nomazar blieb sitzen, als der Valvke dav­onschwebte.

Was steckte nun wirklich hinter Peleffs Angebot? Er handelte ganz offensichtlich gegen die Interessen von Duuhl Larx, wenn er seinen Gefangenen in sein Versteck brachte.

Besser als der sichere Tod war es, daran bestand kein Zweifel. Und vielleicht bot sich irgendwann einmal die Gelegenheit zur Flucht von dem Sumpfplaneten.

Nein, so schlecht sah die Zukunft jetzt nicht mehr aus, mußte Nomazar sich einge­stehen. Solange er lebte, gab es Hoffnung.

Wenn er nur wüßte, wer er war und wie

seine Vergangenheit aussah! Ehe er darüber weiter nachdenken konnte,

erschien einer der Roboter und erkundigte sich nach seinen Wünschen. Nomazar dach­te an den fast ungenießbaren Brei und wollte schon abwinken, als ihm einfiel, daß er nun Wünsche äußern durfte. Er befahl also, daß ihm verschiedene Lebensmittel gebracht wurden, von denen er sich die geeigneten aussuchen wollte.

Der Roboter rollte davon und kehrte kurze Zeit später mit einem Dutzend Gefäße zu­rück, die unterschiedliche Speisen und Ge­tränke enthielten. Fast alle waren gut und genießbar.

Nomazar schwelgte, bis er satt war. Dann streckte er sich auf dem breiten Lager aus und schloß die Augen.

*

Zwei Tage vergingen, in denen sich No­mazar von den vergangenen Strapazen er­holte und wieder zu Kräften kam. Peleff ließ sich nicht sehen, aber die Roboter erfüllten alle Wünsche des »Gastes«.

Am dritten Tag erschien Peleff und setzte sich unaufgefordert in den freien Sessel.

»Wir nähern uns Caudin und werden bald landen. Ich hoffe, meine Roboter haben dich zufriedenstellend bedient.«

»Danke, keine Beschwerden. Ich fühle mich wohl.«

»Gut, das soll in Zukunft immer so sein. Nur ein sich wohl fühlender Unterhalter

ist auch ein guter Unterhalter.« Er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: »Sobald du deine neue Umgebung kennen­gelernt hast, muß ich Caudin für einige Zeit verlassen. Ich begebe mich nach Cagendar, um Duuhl Larx davon in Kenntnis zu setzen, daß ich dich gefangen und bei einem Flucht­versuch getötet habe. Damit dürfte der Fall erledigt sein.«

»Wird Duuhl Larx das glauben?« »Was bleibt ihm anderes übrig? Er kann

mir nicht das Gegenteil beweisen. Doch komm! Du kannst mich begleiten«, sagte

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Peleff und erhob sich. »Von der Zentrale aus wirst du Caudin schon sehen können.«

Nomazar folgte ihm durch Gänge und Korridore zum Bug des nierenförmigen Or­ganschiffs. Auf dem großen Frontschirm stand ein Planet. Über weiten Abschnitten lagen weiße Nebelfelder, die das Licht der Sonne reflektierten. Andere Teile wiederum wirkten dunkel, was auf eine dichte Vegeta­tion schließen ließ.

»Das System ist nicht einmal auf den Kar­ten verzeichnet«, erklärte Peleff. »Es kann kein besseres Versteck als Caudin geben.«

Das Schiff näherte sich schnell der ge­heimnisvollen Welt, von deren Oberfläche immer mehr Einzelheiten zu erkennen wa­ren. Es gab auch einige kleine Meere, aber Sumpf und Urwald blieben das Hauptmerk­mal des Planeten.

»Früher einmal«, fuhr Peleff in seinen Er­klärungen fort, »hat es auf Caudin eine Zivi­lisation gegeben, aber das muß sehr lange her sein. Man findet überall die noch halb im Sumpf versunkenen Ruinen.«

Immer tiefer ging die PELEFFS ATEM. Nomazar sah Teile der versunkenen Ruinen­städte erst, als Peleff ihn darauf aufmerksam machte. Sonst bemerkte er nur die unüber­sehbaren Sümpfe und Regenwälder, die ihre Feuchtigkeit aus den dichten Nebelschwa­den bezogen, die über den meisten Gebieten lagen.

Caudin war kein erfreulicher Anblick. Aber Caudin war besser als der sichere Tod auf Cagendar.

»Jetzt beginnt der Dominante Morast.« Peleff deutete auf den unteren Rand des Bildschirms. »Er ist das größte zusammen­hängende Sumpf und Waldgebiet Caudins. Hier gibt es auch die meisten Ruinen. Es muß der einstige Mittelpunkt der unterge­gangenen Zivilisation sein.«

Das Schiff bewegte sich westwärts und holte die Sonne ein. Aus dem Nachmittag wurde wieder der Vormittag.

»Gleich kommt PELEFFS SCHOSS in Sicht«, erklärte der Transfusionsgebundene. »Der Palast steht ziemlich genau in der Mit-

Clark Darlton

te des Dominanten Morasts und wäre sicher­lich schon längst darin versunken, wenn er nicht durch Schwebeprojektoren gehalten würde.« Er deutete in Flugrichtung. »Sieh – dort taucht er auf.«

Am Horizont erschien etwas, das Noma­zar an eins jener Gewächse erinnerte, von denen er sich in den Wäldern anderer Wel­ten ernährt hatte. Auf einem kurzen, runden Stiel wuchtete ein Gebilde, das man als flachgedrückte Halbkugel bezeichnen konn­te, die mit der Schnittfläche auf dem Stiel ruhte. Das ganze Bauwerk sah aus wie ein riesiger Pilz.

Erst als das Schiff näherkam und noch tiefer absank, erkannte Nomazar die riesige Größe des Palasts. Er war wie eine mittlere Stadt, die man in einem einzigen Gebäude untergebracht hatte.

In der Mitte der Pilzhaube schimmerte ein rundes Landefeld, auf dem die PELEFFS ATEM mit einem sanften Ruck aufsetzte. Die Geräusche des Antriebs erstarben. Ir­gendwo im Schiff waren die Schritte der Ro­botermannschaft zu hören.

»Wir sind da«, sagte Peleff mit einer Spur von Stolz in seiner bellenden Stimme. »Über Bewegungsfreiheit wirst du dich nicht zu be­klagen haben. Auch nicht über mangelnde Gesellschaft. Auf die meine wirst du aller­dings für eine kurze Zeit verzichten müs­sen.«

»Du willst gleich wieder fort?« »Ich sagte doch schon, daß ich Duuhl

Larx informieren will, und ich halte es für besser, es gleich zu tun. Keine Sorge, du wirst dich hier schon zurechtfinden. An Flucht solltest du allerdings lieber nicht den­ken. Im Palast kannst du dich völlig frei be­wegen, aber du darfst ihn nicht verlassen. Das haben schon einige versucht. Sie ver­schwanden im Dominanten Morast und kehrten nie zurück.«

»Und deine anderen … Gäste?« »Sie werden dich als einen der Ihren auf­

nehmen, keine Sorge. Du hast notfalls im­mer noch die Roboter, wenn du Rat benö­tigst. Sie folgen stets ihrer Programmierung,

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die sie von mir erhielten.« Er deutete auf den Bildschirm. »Da kommt bereits dein Empfangskomitee.«

Am Rande der Landeplattform erschienen fünf Metallkugeln, die mit Tentakeln und anderen Auswüchsen versehen waren. Sie bewegten sich knapp über der Oberfläche schwebend schnell voran und hielten seitlich vom Schiff an.

Peleff gab Nomazar einen derben Stoß. »Worauf warten wir? Komm, ich liefere

dich bei ihnen ab. Sie bringen dich in den Palast und zeigen dir alles. Frage sie nur, sie werden antworten. Die Translatoren sind eingebaut, Sprachschwierigkeiten kann es also nicht geben. Auch nicht mit den ande­ren Gästen.«

Als sich die Außenluke des Schiffes öff­nete, schlug Nomazar feuchtstickige Schwü­le entgegen. Sofort brach ihm der Schweiß aus allen Poren. Der Wechsel von der syn­thetischen Atemluft auf das tropische Klima erfolgte zu schnell, die Umstellung würde einige Zeit in Anspruch nehmen. Aber seine Sorge war unberechtigt.

»Im Innern des Palasts sorgt die Klimaan­lage für einen angenehmen Aufenthalt«, ver­sicherte Peleff. Er sagte einige Worte in ei­ner unbekannten Sprache zu den wartenden Robotern und wandte sich dann noch einmal an Nomazar:

»Sie haben nun ihre Anordnungen und werden dich führen. Handle niemals gegen ihre … ihre Ratschläge. Ich werde in weni­gen Tagen zurück sein.«

Er drehte sich um und verschwand im In­nern des Schiffes. Hinter ihm schloß sich die Luke. Noch während Nomazar, von den fünf Robotern geleitet, zum Rand der Plattform schritt, erhob sich die PELEFFS ATEM und stieg schnell in den dunstigen Himmel Caudins empor.

Sekunden später war das Schiff nicht mehr zu sehen.

Die Roboter führten Nomazar zu einer rechteckigen Kabine, die auf einen Knopf­druck hin in das Innere des Riesenpilzes hin­absank. Nomazar schätzte, daß sie sich etwa

in der Mitte der flachen Halbkugel befan­den, als die Kabine anhielt. Die Tür glitt zur Seite und gab den Blick auf eine hell er­leuchtete Halle frei, von der aus unzählige Gänge und Türen in alle Richtungen weiter­führten.

Zum erstenmal ergriff einer der Roboter das Wort und sagte:

»Wir bringen dich zu deinem Wohnraum, Gast des Peleff. Wenn du ihn verläßt, so merke dir stets die Wege, die du gehst, da­mit du zu ihm zurückfindest. Siehst du über­all an den Wänden der Halle und in den Gängen die Monitoren? Wenn du dich ver­irrst oder sonst Wünsche hast, drücke die Knöpfe darunter ein. Du bekommst dann Kontakt mit uns.«

Nomazar nickte nur und folgte ihnen. Sie begegneten weder einem Lebewesen

noch anderen Robotern. Der Palast schien wie ausgestorben. Aber der Eindruck konnte täuschen, denn schließlich war er riesengroß und mußte Hunderte von Räumen enthalten.

Eine Tür wurde geöffnet, die Roboter nahmen eine abwartende Haltung ein.

»Wir sind am Ziel. Dieser Wohnteil steht du deiner Verfügung. Du findest alles, was du zum Leben benötigst. Rufe uns, wenn du uns brauchst.«

Sie gingen davon und ließen ihn allein. Nomazar betrat den Raum und schloß die

Tür hinter sich. Neugierig sah er sich um und begann, sofort mit der Untersuchung des Quartiers, das nach dem Willen Peleffs sein künftiges Heim sein sollte.

Ein komfortables Gefängnis für Lebens­längliche.

Es gab einen Wohnraum, ein Schlafzim­mer mit sanitären Anlagen und eine automa­tische Küche mit Lebensmittelvorräten. Es würde einige Zeit dauern, bis er mit der Be­dienung der unterschiedlichen Apparaturen vertraut war. Jemand mußte ihm dabei hel­fen.

Aber noch verspürte Nomazar keinen Hunger. Er wollte sich ein wenig umsehen. Er öffnete die Tür zur Halle und betrat sie, nachdem er das Schloß wieder hatte ein­

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schnappen lassen.

*

Eine Sekunde später drückte er sich in ei­ne der vielen Nischen. Aus einem der Gänge auf der gegenüberliegenden Seite kamen zwei Gestalten und schritten quer durch die Halle. Sie bemerkten den heimlichen Lau­scher nicht, der sich nicht zu rühren wagte. Der eine mochte zwei Meter hoch sein und erinnerte entfernt an einen riesigen Vogel mit gebogenem Schnabel und gestutzten Flügeln, die er wie ein Gewand um seinen Körper geschlagen hatte. Der andere war et­was kleiner und fast humanoid. Nicht weit von Nomazar entfernt blieben sie stehen. Sie schienen sich zu streiten, und das in einer Sprache, die Nomazar verstand.

»Und ich sage dir noch einmal, Morn«, sprach der Riesenvogel zu dem Humanoi­den, »mir hat Peleff mehr Gunst erwiesen als dir und den anderen. Meine Gesellschaft ist ihm am liebsten, verlaß dich darauf. Wir werden ja sehen …«

»Unsinn!« erwiderte der mit Morn Ange­sprochene. »Du bildest dir nur zuviel ein, Harkles. Er schätzt uns alle, mich natürlich besonders. Wir sollten ihn eines Tages selbst entscheiden lassen.«

Harkles setzte zu einer heftigen Entgeg­nung an, überlegte es sich dann aber anders. In ganz anderem Tonfall sagte er:

»Weißt du übrigens, daß ein Neuer einge­troffen ist? Wir haben einen Konkurrenten im Kampf um die Gunst Peleffs erhalten. Wir müssen ihn gleich in seine Schranken weisen, damit er uns das gewonnene Terrain nicht streitig machen kann. Was meinst du?«

»Wir besprechen das noch mit den ande­ren. Hast du ihn gesehen?«

»Nein, ich hörte nur davon. Peleff erträgt seine Gegenwart so gut wie die unsere, sonst wäre er nicht hier. Sollen wir ihn nicht gleich aufsuchen?«

»Nein, noch nicht.« Harkles setzte sich wieder in Bewegung und strebte einem Gang zu, der seitwärts lag. Morn folgte.

Clark Darlton

»Gehen wir zu den anderen und …« Die Stimme wurde leiser und Nomazar

verstand kein Wort mehr. Er überlegte, was er mit dem Gehörten

anfangen sollte. Klar war nur, daß sie es auf ihn abgesehen hatten und ihm ihren Willen aufzwingen wollten. Fürchteten sie wirklich, Peleff würde ihn begünstigen? Und wenn schon? Was würden sie verlieren?

Nomazar ahnte, daß ihm keine leichte Zeit bevorstand.

*

In den folgenden Stunden blieb Nomazar keine Zeit, sich um die anderen Gäste Peleffs zu kümmern. Da er Appetit verspür­te, befaßte er sich mit der Küche. Zu seiner Verblüffung mußte er feststellen, daß an al­les gedacht war. Zwar konnte er nicht wis­sen, ob die verschiedenen Speisen, die er aus den Fächern zog, synthetisch erzeugt wor­den waren oder nicht, aber sie waren durch­aus genießbar. Eines der Getränke enthielt sogar eine geringe Menge Alkohol.

Nachdem er gegessen und getrunken hat­te, duschte er und legte sich ins Bett, um ein wenig zu schlafen. Als er schließlich er­wachte, fühlte er sich wie neugeboren.

Er legte seine Kleidung wieder an und öffnete die Tür zur Halle. Sie war leer, nicht einmal einer der Roboter war zu sehen. So leise wie möglich zog er die Tür ins Schloß und überlegte, in welcher Richtung er mit seiner Exkursion beginnen sollte.

Er entsann sich der beiden Lebewesen – Harkles und Morn –, die gesagt hatten, sie wollten »zu den anderen gehen«. Das konnte nur bedeuten, daß jener Gang, in dem sie verschwunden waren, zu den übrigen Wohn­räumen führte.

Es würde besser sein, einer Begegnung so lange wie möglich aus dem Weg zu gehen und erst einmal den Palast selbst kennenzu­lernen. Also wandte sich Nomazar in die entgegengesetzte Richtung.

Das Licht schien in dem Riesengebäude immer und überall zu brennen. Es kam aus

9 Der Sumpfplanet

Wänden und Decken und war gleichmäßig verteilt, so daß keine Schatten entstanden. Nomazar schritt einen breiten Korridor ent­lang. In großen Abständen zweigten rechts und links kleinere Gänge ab. Türen waren selten.

Vor einer blieb er stehen und öffnete sie. Dahinter lag ein riesiger Saal, der allem An­schein nach schon seit langem nicht benutzt worden war. Zwei Roboter in ihm gingen ei­ner Tätigkeit nach, die man mit einigem Wohlwollen als »Saubermachen« bezeich­nen konnte.

Nomazar entdeckte eine der Liftkabinen und ging hinein. Bei seiner Ankunft hatte er sich gemerkt, wie die Kontrollen bedient wurden. Somit war es nicht schwer für ihn, die Kabine aufwärts in Bewegung zu setzen.

Sie brachte ihn hinauf zur Plattform. Jetzt erst wurde ihm klar, daß er sehr lan­

ge geschlafen hatte, denn die weißgelbe Sonne war erst kürzlich aufgegangen. Sie stand noch dicht über dem Horizont, stieg aber relativ schnell. Er hatte bereits eine vol­le Nacht im Palast verbracht, aber in seinem Innern gab es den Unterschied der Tageszei­ten nicht, weil es nie dunkel wurde.

Nach allen Seiten dehnte sich bis zum fer­nen Horizont das Sumpfgelände. Dort, wo der Untergrund einigermaßen fest zu sein schien, wuchsen Bäume und andere Vegeta­tion. Dazwischen schimmerten tückisch die öligen Oberflächen der Seen und Teiche. Darüber lag eine dünne Nebelschicht, die sich in der Sonnenstrahlung auszulösen be­gann.

Jetzt erst bemerkte Nomazar, daß ihn frö­stelte. Nachts wurde es also kühl, während tagsüber fast eine tropische Hitze über der unheimlichen Landschaft lastete.

Flucht? Nomazar schüttelte den Kopf. Nein, eine

Flucht war ausgeschlossen, wenn er nicht zufällig irgendwo ein Raumschiff auftreiben konnte. Wenn der ganze Planet so aussah wie hier, fand er nirgendwo eine Zuflucht. Da war es schon besser, gleich im Palast zu bleiben und auf eine bessere Gelegenheit zu

warten. Aus den Augenwinkeln heraus erhaschte

er eine Bewegung. Schnell drehte er sich um und sah Harkles und Morn auf sich zukom­men. Sie mußten ihm heimlich gefolgt sein.

Nomazar blieb ruhig stehen und wartete. Das Vogelwesen hielt an und betrachtete

ihn mit offensichtlicher Neugier, dann fragte er:

»Du bist der Neue? Wie heißt du und wo­her kommst du?«

Nomazar hatte sich vorgenommen, so gut wie möglich mit den anderen Gästen Peleffs auszukommen und jeden Streit zu vermei­den.

»Ich bin Nomazar und wurde, wie ihr, von Peleff hierhergebracht. Was ich hier soll, weiß ich nicht, aber vielleicht könnt ihr es mir sagen.«

Morn drängte sich vor. Seine Stimme war ein wenig schrill.

»Du weißt genau, warum du hier bist, so wie wir alle es wissen. Aber wir sind länger hier und haben ältere Rechte. Versuche nur ja nicht, dich bei Peleff einzuschmeicheln. Du wärest nicht der erste, den wir von hier oben aus in den Sumpf werfen.«

»Immer mit der Ruhe«, mahnte Nomazar. »Es ist nicht meine Absicht, euch eure Rech­te streitig zu machen. Peleffs Gunst ist für mich ohne Interesse. Ich will Frieden mit euch, das ist alles.«

Der Riesenvogel Harkles stolzierte nervös hin und her, um sich dann vor Nomazar auf­zubauen. Sein Gefieder war gesträubt.

»Du lügst! Wem die Gunst Peleffs gleich­gültig ist, begeht Selbstmord. Also wird je­der von uns Wert darauf legen müssen, sich bei ihm beliebt zu machen. Du bildest keine Ausnahme.«

»Ich werde ihn auf keinen Fall herausfor­dern oder wütend machen«, gab Nomazar zu. »Aber ich lege keinen Wert darauf, sein Lieblingsgast zu werden. Seid ihr damit zu­frieden?«

Morn schob Harkles zur Seite. »Zufrieden? Nun, wir werden ja sehen,

was die anderen dazu sagen. Wir holen dich

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später ab, dann lernst du sie kennen. Weißt du, wo Peleff ist? Er hat uns gleich nach sei­ner Ankunft hier wieder verlassen.«

Nomazar hatte nicht die Absicht, diesen neiderfüllten Kreaturen, die nur auf ihren ei­genen Vorteil bedacht waren, ein gefährli­ches Geheimnis mitzuteilen. Das Wissen darum, daß Peleff den Neffen Duuhl Larx betrog, war vielleicht eines Tages ein le­benswichtiges Faustpfand, auf das er nicht verzichten wollte.

»Ich weiß es nicht. Er teilte mir nur mit, daß er einige Tage unterwegs sei und bald zurückkehre.«

»Na schön.« Morn gab Harkles einen Schubs. »Gehen wir.«

Sie entfernten sich in Richtung eines an­deren Liftes und ließen Nomazar einfach stehen, der darüber keineswegs böse war.

Nach einem letzten Blick auf die im Son­nenschein glitzernden Sumpfflächen betrat er die Kabine und fuhr in »sein« Stockwerk hinab.

Unangefochten erreichte er sein Quartier und betrat es.

In seinem Sessel saß eine junge, humanoi­de Frau und blickte ihm mit einem freimüti­gen Lächeln entgegen.

*

Langsam zog Nomazar die Tür hinter sich zu und betrachtete sie. Unbefangen gab sie seinen Blick zurück und ließ sich die Muste­rung offensichtlich gern gefallen. Dazu hatte sie auch allen Grund, denn sie war außeror­dentlich hübsch.

Nomazar setzte sich in den zweiten Sessel ihr gegenüber.

»Wer bist du?« fragte er. »Scarta wurde ich genannt, bevor ich in

Peleffs Hände fiel. Das ist lange her. Und du bist Nomazar, der Neue?«

Seinen Namen hatte er erst vor wenigen Minuten Harkles und Morn mitgeteilt. Nach­richten schienen sich ja hier ziemlich schnell zu verbreiten.

»Ja, der bin ich. Woher weißt du das?«

Clark Darlton

»Spricht sich schnell herum, wenn ein Neuer eintrifft. Warst du lange mit Peleff unterwegs? Wo fing er dich?«

Nomazar verspürte keine große Lust, alle wiederkehrenden Fragen einzeln zu beant­worten. Also sagte er:

»Harkles und Morn teilten mir mit, daß ich heute abgeholt würde, um die anderen kennenzulernen. Ich nehme an, dann findet ein regelrechtes Verhör statt. Es wird also genügen, wenn ich dort alle Fragen beant­worte.«

»Wie du meinst«, erklärte sie sich einver­standen. »Ich dachte nur, es wäre gut, wenn ich dich auf einige Dinge aufmerksam ma­che.«

»Ich glaube, selbst schon einiges heraus­gefunden zu haben«, sagte er. »Eifersüchteleien und Neid sind an der Ta­gesordnung, jeder möchte sich bei Peleff einschmeicheln. Ich fragte mich nur, welche Vorteile das bringt.«

Sie schien enttäuscht zu sein, daß sie kei­ne Neuigkeiten los werden konnte. In ihren Augen blitzte es zornig auf, was ihrer Schönheit jedoch keinen Abbruch tat.

»So, du weißt also schon alles …?« Und schon lächelte sie wieder sanft, als sei nichts geschehen. »Um so besser, dann kann ich mir lange Erklärungen sparen.« Sie erhob sich. »Den Rest wirst du dann noch früh ge­nug erfahren.«

Er hielt sie zurück. »Ich wollte dich nicht verärgern, Scarta.

Du willst schon gehen, warum?« »Ich muß zu den anderen. Einer von uns

wird dich holen, wenn es Zeit ist.« Sie ging zur Tür, öffnete sie, ging hinaus,

und schloß sie wieder.

2.

In dem großen Raum hatten sich etwa zwei Dutzend verschiedenartige Lebewesen versammelt, die Nomazar neugierig entge­genblickten, als dieser von Harkles herein­geführt wurde. Sie hockten in Gruppen zu­sammen an Tischen, auf denen Schüsseln

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und Krüge standen. In PELEFFS SCHOSS schien es weder Hunger noch Durst zu ge­ben.

»Der Neue!« stellte Harkles vor. »Er heißt Nomazar.«

Wenn Nomazar geglaubt hatte, nun wür­den ihm die »Gäste« vorgestellt, so sah er sich getäuscht. Kaum beendete Harkles sei­nen Satz, entstand ein heilloses Durcheinan­der. Keiner ließ den anderen zu Wort kom­men. Einige sprangen auf, eilten auf Noma­zar zu und umringten ihn, wobei sie pausen­los auf ihn einredeten.

Am liebsten hätte er auf dem Absatz kehrt gemacht und den Raum verlassen, aber dazu war es bereits zu spät. Der Rückzug war ihm abgeschnitten.

»Ich verstehe kein Wort!« brüllte er schließlich. »Könnt ihr nicht einer nach dem anderen sprechen? Wie soll ich eure Fragen beantworten, wenn ich sie nicht verstehe?«

Die auf ihn Eindringenden wichen er­schrocken zurück, gaben aber den Weg zur Tür nicht frei. Harkles versuchte, Ordnung in die Versammlung zu bringen, was ihm schließlich auch gelang. Das aber nur, weil er rief:

»Ruhe! So hat das doch keinen Zweck! Wollen wir dem Neuen nicht endlich mal klarmachen, wie er sich bei uns zu verhalten hat? Er muß wissen, daß wir es sind, die Peleffs Wohlwollen besitzen. Er muß erfah­ren, daß wir ihn nicht aus den Augen lassen werden – und daß er noch einige Proben be­stehen muß, ehe wir ihn als einen der Unsri­gen anerkennen.«

Vergeblich versuchte Nomazar der ver­rückten Gesellschaft klarzumachen, daß er nicht die Absicht habe, sich an dem Wettbe­werb um Peleffs Gunst zu beteiligen. Man ließ ihn kaum zu Wort kommen und unter­brach ihn immer wieder. Dabei wurden aus den anfänglichen »guten Ratschlägen« im­mer mehr Drohungen, bis ihn schließlich ein bärenähnliches Monstrum angriff und in ei­ne Ecke zu drängen versuchte. Nun verlor Nomazar endgültig die Geduld, abgesehen von der Tatsache, daß er sich jetzt wehren

mußte. Er wartete den günstigsten Moment ab und knallte dem Angreifer die geballte Faust auf die Kinnspitze. Der Bär hielt in seinen Bewegungen inne, dann kippte er langsam um und blieb reglos liegen.

»Er hat ihn getötet!« kreischte Morn. »Er hat Ura getötet!«

Harkles richtete sich wieder auf. »Nein, Ura ist nur bewußtlos.« Er sah No­

mazar an. »Du führst dich ja gut bei uns ein, Neuer. Ura wollte nur mit dir reden.«

Nomazar gab keine Antwort. Schweigend schob er die auf ihn zu Drängenden mit sei­nen starken Armen beiseite und kämpfte sich vor bis zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um und rief:

»Macht, was ihr wollt! Aber laßt mich mit eurem Unsinn in Ruhe! Verschont mich mit eurer Gesellschaft!«

Er ging, aber noch während er die Tür schloß, vernahm er das wütende Geschrei der »Gäste«.

*

Bereits am nächsten Tag bekam Nomazar zu spüren, was mit den »Proben« gemeint war, die Harkles erwähnt hatte. Ohne jede Ankündigung drangen Ura und zwei andere kräftig gebaute Lebewesen bei ihm ein und nutzten seine Überraschung, ihm mit Stricken die Hände auf den Rücken zu bin­den.

Das alles ging so schnell, daß er keine Zeit zur richtigen Gegenwehr mehr fand. Sie zerrten ihn hinaus auf den Gang und stießen ihn schließlich in eine Liftkabine, die nach oben fuhr.

»Was wollt ihr denn von mir?« fragte No­mazar, von bösen Ahnungen erfüllt. »Was habe ich euch getan?«

»Das fragst du noch?« erkundigte sich Ura höhnisch. »Du hast versucht, mich um­zubringen. Dafür wirst du bestraft.«

Nomazar mußte an Harkles und Morns Andeutungen denken und erschauerte. Ein Sturz von der Pilzkappe in die Tiefe bedeu­tete den sicheren Tod.

12 Clark Darlton

»Ihr seid verrückt!« tobte Nomazar und warf sich trotz seiner gefesselten Hände auf Ura, der ihn ohne Anstrengung zurück­schleuderte.

»Ganz ruhig!« mahnte das Ungeheuer. »Hier ist niemand, der dir helfen könnte oder wollte. Stirb gefaßt, das ist leichter.«

So nahe war Nomazar selten dem Tod ge­wesen, auf der anderen Seite reichte seine Erinnerung nicht weit genug zurück, um das richtig beurteilen zu können. Zum erstenmal seit seinem Aufenthalt im Palast Peleffs ver­spürte er Angst. Gab es denn keinen Aus­weg?

Scarta! Sie mußte von dem Todesurteil wissen!

Warum hatte sie ihn nicht gewarnt, wenn sie so etwas wie Sympathie für ihn empfand? Wagte sie es nicht, sich gegen die Mehrheit aufzulehnen?

Und was würde Peleff sagen, wenn er von dem selbständigen Handeln seiner Zwangs­gäste erfuhr?

Der Lift hielt an. Ura und seine beiden Begleiter stießen ihren Gefangenen ins Freie. Es war Mittag, und die feuchte Hitze schlug ihnen entgegen wie heiße Dämpfe. Nomazar weigerte sich, auch nur einen Schritt zu tun. Sie packten ihn und schleiften ihn mit sich, aber der Weg bis zum Rand des Pilzdaches war weit. Nomazars Peiniger ge­rieten ins Schwitzen, aber sie gaben nicht auf.

Noch einmal bäumte sich Nomazar gegen die bevorstehende Hinrichtung auf und ver­setzte seinen Henkern mit den Ellenbogen empfindliche Schläge. Sie ließen ihn sogar überrascht los und er konnte ein paar Schrit­te fortlaufen. Aber sie holten ihn schnell wieder ein, verprügelten ihn und zerrten ihn dann weiter, bis der Rand des Daches er­reicht war.

Schaudernd sah Nomazar in die Tiefe. »Es ist soweit«, erklärte Ura mit einem

seltsamen Unterton in seiner rauhen Stimme. »Genieße noch einmal den Anblick dieser herrlichen Landschaft und spüre die Wärme der Sonne auf deiner Haut. Bald wirst du

dort unten liegen, von allen vergessen.« »Und Peleff?« fragte Nomazar hoffnungs­

los. Ura lachte dröhnend. »Glaubst du, er würde dich vermissen?« »Wenn ihr überzeugt seid, daß er mich

nicht vermißt, warum seid ihr dann so eifer­süchtig? Warum glaubt ihr dann, ich stünde in seiner besonderen Gunst? Das ist doch mehr als unlogisch.«

Ura deutete auf den Rand des Daches, hinter dem der Abgrund lag. »Spring doch endlich!«

»Freiwillig? Ihr seid verrückt! Dann könnt ihr später Peleff sagen, ich hätte Selbstmord begangen, wenn er Rechenschaft von euch verlangt. Nein, da könnt ihr lange warten.«

Es entstand eine längere Pause, in der No­mazar die Hölle der Ungewißheit durch­machte. Dann geschah etwas, das mehr als seltsam war.

Ura zog ein Messer aus seinem Fellum­hang und zerschnitt Nomazars Stricke. Dann sagte er:

»Bilde dir nicht ein, daß dir deine kluge Rede das Leben gerettet hat. Aber Peleff gab uns alle Freiheiten, nur nicht die, einen an­deren zu töten. Trotzdem warne ich dich! Es ist uns nicht verboten, jemand mit Prügel zu bestrafen, wenn uns das einfällt. Wenn du vernünftig bist, wird dir nichts geschehen, aber hüte dich davor, uns bei Peleff anzu­schwärzen.«

Die Erleichterung kam so plötzlich, daß Nomazars Knie noch immer zitterten, als er vom Rand des Daches zurückwich.

»Laßt mich künftig in Ruhe, das wird das beste für uns alle sein«, riet er mit schwa­cher Stimme. »Richtig betrachtet sitzen wir doch alle in einem Boot. Oder ist einer von euch freiwillig hier?«

Zu seiner Überraschung entgegnete Ura: »Anfangs nicht, aber nun preisen wir uns

glücklich, Peleff aufmuntern zu dürfen, wenn er sich im Palast aufhält. Je mehr wir uns um seine Gunst streiten, desto erfreuter ist er.«

13 Der Sumpfplanet

Nomazar begann immer mehr zu ahnen, daß Peleff sich mit seinen Gästen lediglich zwei Dutzend Hofnarren hielt, die ihn auf­muntern sollten, wenn er sich hier im Palast von seinen geheimnisvollen Aktionen erhol­te. Auch schien es klar zu sein, daß er seine Gefangenen psychisch hatte manipulieren lassen, eine Behandlung, die ihm – Nomazar – noch bevorstand.

Wenn es dazu kam, war er verloren. Er würde dann keinen eigenen Willen mehr be­sitzen, sondern sich glücklich preisen wie al­le anderen, um einen wohlwollenden Blick Peleffs zu kämpfen.

»Gehen wir endlich!« forderte Uran ihn auf.

Nomazar folgte ihnen in einigem Ab­stand.

*

In den folgenden zwei Tagen verließ er sein Quartier nicht, um jede Begegnung zu vermeiden. Er war zwar beruhigt, daß ihm keine unmittelbare Gefahr mehr drohte und das die im ersten Gespräch erwähnten »Hinrichtungen« nur ein Bluff gewesen wa­ren, aber er verspürte trotzdem kein Verlan­gen danach, sich mit den manipulierten »Spaßmachern« herumzuschlagen.

Um so überraschter war er, als Scarta ihn aufsuchte.

Erfreut bot er ihr Platz an und ging in die Küche, um zwei Krüge des alkoholhaltigen Getränks zu holen, das, wie er wußte, eine aufmunternde Wirkung hatte.

»Ich bin froh, daß du gekommen bist, ob­wohl ich böse auf dich war.«

»Böse? Warum?« Sie tranken sich zu. »Weil du mich nicht warntest, als Ura

mich in den Sumpf werfen wollte. Du hättest mir sagen können, daß es nur ein Scherz war.«

Sie schüttelte den Kopf. »Das war leider unmöglich, ich hätte

mein Gesicht verloren. Man glaubt, ich sei ebenso manipuliert wie sie alle, aber das ist

nicht der Fall.« »Also doch beeinflußt!« stellte Nomazar

fest und sah seinen Verdacht bestätigt. »Warum bist du es nicht?«

»Noch nicht!« betonte sie energisch. »Ich wurde kurz vor deiner Ankunft hierherge­bracht und kam unter die Psychohaube, aber die Wirkung tritt erst nach einiger Zeit ein. Ich muß schauspielern, um nicht ständig von den anderen belästigt zu werden. Früher oder später werde ich aber so sein wie sie al­le. Daran ist nichts zu ändern.«

Er sah sie forschend an. »Flucht …?« deutete er vorsichtig an. Sie schien ein Stück von ihm zurückzu­

weichen. »Flucht?« wiederholte sie. »Nein, du

kannst den Gedanken daran vergessen. Wo­hin sollte ich flüchten? Ich oder du?«

»Wir beide!« sagte er ruhig. Ein freudiges Erschrecken huschte über

ihr Gesicht, aber nur für den Bruchteil einer Sekunde. Dann schüttelte sie den Kopf.

»Auch für uns beide wäre die Flucht sinn­los, aber …«

»Aber?« »Woher soll ich wissen, ob ich dir ver­

trauen kann? Wir kennen uns kaum, und du bist neu hier. Ich rate dir, dich öfters mit Ro­botern zu unterhalten. Sie wissen mehr als wir. Und manche von ihnen scheinen sehr gesprächig zu sein, wobei nicht klar ist, ob sie dazu programmiert wurden oder nicht.«

Er warf ihr einen fragenden Blick zu. »Ich verstehe nicht, was du damit meinst.

Was sollte uns die Gesprächslust von Robo­tern nützen?«

»Immerhin kennen sie Caudin besser als wir. Die Schweberoboter können sich sogar über die Sümpfe hinweg gefahrlos bewegen, und sie unternehmen sehr oft Ausflüge, wenn Peleff es ihnen befiehlt. Ich glaube, er interessiert sich für die Überreste der ver­schollenen Zivilisation.«

»Richtig, er erwähnte sie einmal in einem Gespräch. Im Fall einer Flucht wären die Roboter allerdings eine große Gefahr, wenn sie uns verfolgen.«

14

»Das stimmt, aber ich sagte schon, daß sie mehr wissen als wir. Du mußt unabhängig von mir zu dem gleichen Ergebnis gelangen wie ich, deshalb rede mit ihnen und frage sie aus. Täusche Interesse an untergegangenen Kulturen vor. Wenn du die gleichen Dinge erfährst wie ich, weiß ich, daß ich dir ver­trauen kann.«

Nomazars Verdacht, daß sie ihn hereinle­gen wollte, verflüchtigte sich wieder. Er ahnte zwar nicht, was er Wichtiges von den Robotern erfahren konnte, aber sie mußte es ja wissen. Also erklärte er sich mit ihrem Vorschlag einverstanden.

Sie nahm ihren Krug. »Er ist leer. Holst du noch einen …?« Als sie sich viel später von ihm verab­

schiedete, war sie nicht mehr ganz nüchtern. Aber ihre Meinung hatte sie nicht geändert.

*

Noch ein wenig unschlüssig stand Noma­zar vor dem Rufgerät mit dem Monitor in der Halle.

Was sollte er dem Roboter sagen, der er­scheinen würde, wenn er den Knopf ein­drückte? Er konnte doch nicht einfach mit der Tür ins Haus fallen. Außerdem wußte er nicht, ob Peleff inzwischen wieder einge­troffen war oder nicht. Aber dann erinnerte er sich, daß Peleff selbst empfohlen hatte, sich bei Fragen stets an die Roboter zu wen­den. Er tat also nichts Verbotenes.

Er drückte auf den Knopf und wartete. Der kleine Bildschirm leuchtete auf. Er

zeigte das mit Plastik verkleidete »Gesicht« eines Roboters, der fast humanoid wirkte.

»Ich will mit einem von euch reden«, sag­te Nomazar klopfenden Herzens. »Peleff hat es mir erlaubt.«

»Jeder darf diesen Wunsch äußern. Wel­ches Spezialgebiet?«

Das war eine direkte Frage und erforderte auch eine ebenso direkte Antwort.

»Die untergegangene Zivilisation. Peleff sprach mit mir darüber.«

»Dafür ist P-Acht zuständig«, lautete die

Clark Darlton

prompte Entgegnung. »Er wird sich in dei­nem Quartier melden.«

Das war alles. Der Bildschirm wurde dun­kel.

Nomazar suchte sein Wohnquartier auf, um die Ankunft des Roboters abzuwarten. Was mochte Scarta gemeint haben, als sie sagte, wenn er dasselbe erführe wie sie, kön­ne sie ihm vertrauen? Es konnte doch nur bedeuten, daß sie von einem Geheimnis wußte, das ihr ein Roboter mitgeteilt hatte. Auf der anderen Seite schien es mehr als un­wahrscheinlich, daß die im Sinn Peleffs pro­grammierten Roboter gegen seine Interessen handelten. Oder gehörte auch das zu seinem »Spiel«?

Eine halbe Stunde später erschien P-Acht. Er war ein Schweberoboter und sah aus wie eine dicke Scheibe, die auf Antigravfeldern ruhte.

»Ich bin erfreut, daß mein Spezialgebiet dein Interesse findet«, sagte er zur Begrü­ßung und ließ sich auf dem Boden nieder. »Es gibt nur wenige Gäste, denen etwas an untergegangenen Kulturen liegt. Du mußt wissen, daß diese Welt vor langer Zeit von Intelligenzen beherrscht wurden, die den Sumpf nicht kannten. Dieser entstand erst später, als die fortschreitende Zivilisation die Gesetze der Natur vernachlässigte. Die Natur rächte sich.«

Tief im Unterbewußtsein Nomazars regte sich der Hauch einer vergessenen Erinne­rung. Ihm war so, als hätte er genau diese Geschichte schon einmal gehört, wenn sie sich auch ganz woanders abgespielt haben mochte.

»Erzähle mir mehr darüber«, bat Noma­zar.

»Deshalb bin ich hier. Auch Peleff, unser Herr und Meister, interessiert sich für die Ruinen des verschollenen Volkes, das einst diese Welt bewohnte. Zwar sinken diese Ruinen immer tiefer ein, und eines Tages werden sie verschwunden sein. Manche je­doch stießen beim Absinken auf festen Un­tergrund und verändern ihre Stellung nicht mehr. Sie zu erforschen, gehört zu meinen

15 Der Sumpfplanet

Aufgaben.« »Du bist viel unterwegs?« »Sumpf und Morast bedeuten keine Hin­

dernisse für mich, wie du dir denken kannst. Kein Gebiet der Oberfläche dieser Welt ist mir unbekannt. Ich habe jede Ruine regi­striert.«

Nomazar hatte einen verrückten Einfall. »Wäre es dir erlaubt, mich einmal mitzu­

nehmen, wenn du auf Erkundung gehst?« »Das ist nicht erlaubt und wäre auch zu

gefährlich. Wenn uns die Flugmonstren an­greifen, müßte ich dich absetzen, um mich zu verteidigen. Ich bin lediglich ermächtigt, alle deine Fragen zu beantworten. Also fra­ge!«

Nomazar zögerte. Er hätte viel dafür ge­geben, wenn er wüßte, was Scarta mit ihren Andeutungen gemeint hatte. Wonach sollte er sich erkundigen?

»Gibt es auch im Dominanten Morast sol­che Ruinen?«

»Einige sind sogar vom Dach des Palasts aus zu erkennen, sie versinken jedoch all­mählich. Nur Schwebefelder könnten sie noch retten. Da es sich aber nur um Trüm­mer handelt, lohnt sich der Aufwand nicht.«

»… nur um Trümmer …« wiederholte Nomazar langsam. »Heißt das, daß an ande­rer Stelle mehr als nur Trümmer zu finden sind?«

»Technische Anlagen, meinst du? Intakte Kultstätten? Ja, es gibt sie. Im Westen, wo die Wälder beginnen und der Untergrund fest ist, konnte ich Reste der einstigen Tech­nik studieren. Sie war hoch entwickelt, konnte aber den Untergang nicht aufhalten. Ich nehme an, daß ein Teil der Bevölkerung diese Welt verließ, als sie zu versumpfen be­gann.«

Nomazar horchte auf. »Diese Welt verließ?« vergewisserte er

sich. »Das würde bedeuten, daß es Raum­schiffe gab.«

»Jede technische Zivilisation entwickelt die Raumfahrt«, belehrte ihn der Roboter. »So auch diese. Aber die einstigen Raumhä­fen sind heute von Morast oder Urwald be­

deckt und nur schwer zu finden. Ein gut er­haltener liegt in den westlichen Wäldern, die ich schon erwähnte.«

Nomazars Herzschlag beschleunigte sich merklich, aber er blieb äußerlich ruhig. Er wußte, wie wichtig es war, sich jetzt nicht zu verraten und gleichgültig zu bleiben.

War es das, was Scarta gemeint hatte? »Was sind schon Raumhäfen, wenn alle

Schiffe verschwunden sind?« meinte er vor­sichtig.

P-Acht ging in die gestellte Falle. »Wer sagt denn, daß sie alle verschwun­

den sind? Natürlich blieben welche zurück, aber wahrscheinlich nur deshalb, weil sie fluguntüchtig waren. Sonst wären sie zur Flucht benutzt worden.«

Nomazar konnte sich nicht erinnern, je ein Raumschiff selbst geflogen zu haben. Er kannte sie nur als Gefangener oder unfrei­williger Gast. Vielleicht war er in seinem früheren Leben, das er vergessen hatte, mit der Raumfahrttechnik vertraut gewesen, aber das half ihm jetzt nicht weiter.

Scarta vielleicht …? »Nun, beschädigte Maschinen lassen sich

reparieren. Ich wundere mich, daß Peleff noch nicht daran gedacht hat.«

»Warum sollte er? Er hat sein eigenes Schiff und ist nicht daran interessiert, daß es mehrere davon gibt.« P-Acht schwebte lang­sam empor und näherte sich der Tür. »Wenn du wieder Fragen hast, rufe mich. Ich stehe zu deiner Verfügung.«

Nomazar hätte noch hundert Fragen ge­habt, aber es erschien ihm besser, seine Neu­gier nicht zu übertreiben. Außerdem hatte er schon einiges erfahren, das ihm wichtig er­schien.

»Danke, P-Acht, heute nicht mehr. Ich freue mich auf unsere nächste Unterhal­tung.«

Der Roboter verließ ihn ohne besonderen Abschied.

Nomazar streckte sich auf seinem Bett aus und schloß die Augen, um besser nachden­ken zu können.

Die untergegangene Zivilisation hatte also

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die Raumfahrt gekannt und entsprechende Relikte hinterlassen. Wenn er die Flucht aus PELEFFS SCHOSS wagte und wenn es ihm gelang, den Hafen im Westen zu finden, be­stand immerhin die Möglichkeit, daß er ein Schiff entdeckte, das noch halbwegs flugfä­hig war. Aber allein würde er das niemals schaffen.

Er mußte mit Scarta sprechen! Er verließ sein Quartier, um sie aufzusu­

chen.

*

Er hatte kaum den Korridor betreten, der zu den anderen Wohnräumen führte, als ihm der bärenähnliche Ura und ein großes Ech­senwesen den Weg versperrten.

»Du hattest Besuch?« fragte Ura mit ei­nem seltsamen Unterton in seiner rauhen Stimme.

Es war Nomazar nicht klar; ob er Scarta oder den Roboter meinte, also erwiderte er zurückhaltend:

»Ist das verboten?« »Das nicht, aber ausgerechnet P-Acht,

den Spezialisten, der sich mit Peleffs Lieb­lingsthema befaßt … das gibt zu denken. Und wir denken, du hast ihn nur deshalb an­gefordert, um dich später entsprechend bei Peleff einschmeicheln zu können. Das ist gegen unsere Abmachung.«

»Unsinn! Ich interessiere mich eben für untergegangene Kulturen. Das hat nichts mit Peleff zu tun.«

»Eine Ausrede! Hier, Pram ist der glei­chen Meinung.«

Die Echse deutete eine zustimmende Ge­ste an. Der mächtige Schuppenschwanz, auf den sie sich stützte, zitterte leicht. Ein Schlag mit ihm würde nicht gerade ange­nehm sein. Nomazar beschloß, die beiden Gegenspieler nicht zu reizen.

»Ihr irrt euch wirklich. Ich habe verspro­chen, mich nicht an dem Wettbewerb um Peleffs Gunst zu beteiligen, und wäre froh, wenn ihr mir das endlich glauben würdet. Ihr verschwendet eure Zeit.«

Clark Darlton

»Zeit haben wir mehr als genug. Aber wir wollten dir etwas zeigen. Begleite uns.«

»Was wollt ihr mir zeigen?« erkundigte sich Nomazar mißtrauisch. »Wieder einmal den Sumpf um den Palast? Danke, der letzte Ausflug reicht mir noch.«

»Nicht den Sumpf, sondern einen Teil von PELEFFS SCHLOSS, den du noch nicht kennst. Er liegt unten in der Basis, wo auch die Maschinenanlagen verborgen sind. Das dürfte dich interessieren.«

»Und warum? Da steckt doch wieder eine Bosheit dahinter.«

Pram mischte sich ein: »Kommst du nun mit, oder sollen wir

nachhelfen?« Er hob drohend den Schuppenschwanz,

bereit zum Zuschlagen. »Schon gut, ich werde mit euch gehen. Ihr

dürft mich ja nicht töten, oder wollt ihr ge­gen das Gesetz verstoßen?«

»Niemand denkt daran, dich zu töten oder zu verletzen. Bleibe zwischen uns, ich gehe voran.«

Es war für Nomazar kein gutes Gefühl, die große Echse stets einen Schritt hinter sich zu wissen. Die Liftkabine war fast zu eng für sie. Die Ausdünstungen Prams wa­ren alles andere als angenehm, aber Noma­zar wagte es nicht, sich die Nase zuzuhalten. Er war froh, als der Lift anhielt und sie auf einem breiten und nur spärlich erleuchteten Gang standen, der in beide Richtungen führ­te.

»Hier entlang«, befahl Ura und ging nach rechts. Nomazar folgte ihm, Pram dicht auf den Fersen. Er bereute es bereits, sich auf das ungewisse Abenteuer eingelassen zu ha­ben, aber jetzt war es zu spät für einen Rückzieher. Irgendwo war das gleichmäßige Summen von Maschinenanlagen tief unter ihnen. Vielleicht waren es die Aggregate der Schwebefelder. Vor einer Metalltür hielt Ura an.

»Hinter ihr liegt ein Geheimnis«, flüsterte er, als fürchte er eine Abhöranlage. »Wir nehmen an, es stammt noch aus der Zeit der versunkenen Zivilisation. Willst du es für

17 Der Sumpfplanet

uns erforschen?« »Warum tut ihr es nicht selbst?« fragte

Nomazar, noch mißtrauischer als vorher. »Es ist dein Spezialgebiet, nicht das unse­

re, glauben wir.« Nomazar traute den beiden nicht. Sie ta­

ten zu geheimnisvoll und gingen zu sehr auf seine eigenen geheimen Wünsche ein. Das war kein Zufall.

Schließlich siegte seine Neugier. »Gut, dann offenbart mir das Geheimnis.«

Ura nickte schwerfällig und preßte seine riesige Pranke gegen die Mitte der Tür. Quietschend öffnete sie sich nach innen. Pram, der direkt hinter Nomazar stand, gab diesem einen kräftigen Stoß, der ihn in den dämmerigen Raum katapultierte und hinfal­len ließ. Ehe er sich wieder aufrappeln konn­te, schloß sich die metallene Tür.

Nomazar sprang auf und rannte zur Tür. Mit beiden Fäusten trommelte er gegen die dicke Fläche.

»Laßt mich raus, ihr Halunken! Jetzt ist es aber genug mit den dummen Scherzen. Wenn Peleff das erfährt, geht es euch dreckig.«

Keine Antwort. Nomazar versuchte es noch ein paarmal,

dann gab er es auf. Sie hatten ihn überlistet, ohne ihm direkten Schaden zuzufügen. Grob ausgelegt bedeutete das, daß ihnen keine Be­strafung drohte. Sie konnten auch behaup­ten, er hätte sich freiwillig in das Gefängnis begeben.

Nachdem er sich beruhigt hatte, begann er sein Verlies zu untersuchen. Die Tür schied nach einiger Zeit aus, denn sie war nicht zu öffnen. Der Raum selbst war kahl und leer. Ein kleiner Gittergrill dicht unter der Decke verriet die Klimaanlage. Sonst wies nichts darauf hin, daß sich hier jemals ein Lebewe­sen aufgehalten hatte.

Das perfekte Gefängnis. Hier würde ihn niemand finden.

*

Scarta betrat das Wohnquartier Nomazars

und war erstaunt, ihn nicht vorzufinden. Das Ergebnis seiner Unterredung mit P-Acht in­teressierte sie aus verschiedenen Grün den, und sie wunderte sich, daß er noch keinen Kontakt mit ihr aufgenommen hatte.

Befand er sich wieder einmal auf einem Erkundungsgang im Palast? Aber dann hätte er doch zumindest eine Nachricht für sie hinterlassen können. Oder war ihr Verhältnis noch nicht so eng, daß er sich dazu hätte verpflichtet fühlen müssen?

Jedenfalls war sie verärgert – und ein we­nig beunruhigt. Sie kannte schließlich die anderen Gäste Peleffs und traute ihnen jede Hinterlist zu. Noch ein paar Wochen – und sie war auch soweit.

Oder würden es nur Tage sein, bis die Wirkung der Psychobehandlung einsetzte?

Eile war geboten. Hastig deckte sie den Tisch für zwei Per­

sonen und deutete damit an, daß sie hier ge­wesen war und auf ihn gewartet hatte, dann verließ sie Nomazars Quartier und begab sich zum täglichen Treffpunkt.

Die unfreiwilligen »Gäste« trafen sich hier regelmäßig, um sich gegenseitig das Le­ben schwer zu machen, aber auch, um Neu­igkeiten auszutauschen. Je länger Peleff ab­wesend war, desto unruhiger wurde sie. Ih­nen fehlte die Gelegenheit, sich bei ihm be­liebt zu machen.

Als Scarta den Saal betrat, suchte sie No­mazar – und fand ihn nicht. Ihre angeborene Vorsicht veranlaßte sie, keine diesbezügli­che Frage zu stellen. Vielleicht durchwan­derte er tatsächlich die Labyrinthe des Pa­lasts und hatte einfach vergessen, sich zum täglichen Treffen einzufinden, wie ihm emp­fohlen worden war.

Wie gewöhnlich hatte Harkles das große Wort. Er plusterte sich auf und brüstete sich damit, Peleffs besonderes Wohlwollen zu besitzen und sein Lieblingsgast zu sein. Er würde sich glücklich schätzen, betonte er, bis zu seinem natürlichen Ende auf PELEFFS SCHLOSS weilen zu dürfen. Es entstand, ebenfalls wie immer, eine heftige Diskussion, die auf Scarta lächerlich wirkte,

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weil sie noch unbeeinflußt geblieben war. Lange konnte es aber nicht mehr dauern, bis auch sie dem Hypnozwang erlag und so wurde wie die anderen. Ura unterbrach den Großsprecher Harkles nach einiger Zeit:

»Du hast nur starke Worte, aber du kannst keine Taten vorweisen. Und die größte Tat ist immer, den gefährlichsten Konkurrenten auszuschalten. Und wer ist der größte Kon­kurrent? Ein neuer Gast! Das ist ein ganz na­türlicher Vorgang, wie wir wissen. Wer also einen Neuen für eine Weile ausschaltet, hat etwas für uns alle getan.«

Harkles sträubte das Gefieder. »Und du willst andeuten, etwas für uns al­

le getan zu haben?« »Das will ich! Oder siehst du nicht, daß

der Neue fehlt?« »Dieser Nomazar? Er wird in seinem

Quartier sein und darüber nachdenken, wie er die besondere Gunst Peleffs erlangen kann.«

»Sieh dort nach, du wirst ihn nicht fin­den.«

Scarta begann zu ahnen, was geschehen war. Aufmerksam lauschte sie dem Ge­spräch, von dem sie sich Aufschluß über den jetzigen Aufenthaltsort Nomazars erhoffte.

»Das ist kein Beweis. Werde deutlicher, Ura!«

Mit fast widerlicher Selbstgefälligkeit be­richtete Ura nun von seiner und Prams »Hilfsaktion«, die zur Festsetzung Noma­zars im Fundament des Palasts führte. Er schloß:

»Wir haben damit nicht gegen das Gesetz verstoßen, denn wir haben dem Neuen kein Leid zugefügt. Wir haben ihn lediglich in ein anderes Quartier gebracht, das ist alles. Wenn er dort verhungert, so ist das seine ei­gene Schuld. Außerdem ging er freiwillig, weil er neugierig war. Ist es unsere Schuld, wenn er die Tür nicht zu öffnen vermag?«

Scarta wollte protestieren, schwieg dann aber. Sie hätte nur einen Verdacht auf sich gelenkt, und gerade das konnte sie nicht ge­brauchen, wenn sie ihr Vorhaben ausführen wollte, ehe es zu spät dazu war.

Clark Darlton

Zum Glück fragte Harkles: »Ach, und wo befindet sich der Neue

jetzt? Jeder kann behaupten, ihn ausgeschal­tet zu haben, wenn er den Beweis schuldig bleibt.«

»Dann warte es ab. Nomazar wird nicht mehr auftauchen.«

»Und Peleff? Was wird er sagen, wenn sein neuer Gast fehlt?«

»Er wird ihn vergessen. Wir sind seine Lieblinge.«

Scarta hielt es nun nicht mehr aus, auch wenn sie damit ein Risiko einging.

»Du Großmaul!« fuhr sie Ura wütend an. »Ein Dummkopf bist du auch noch! Meinst du wirklich, Peleff würde dich lieben, wenn du einen Gast verschwinden läßt? Er hat ihn ausgesucht, und er wird es dir übelnehmen, wenn du ihn derart hintergehst.«

Ihre Worte, lösten einen unbeschreibli­chen Tumult aus. Meinung stand gegen Mei­nung, aber schließlich bequemte sich Ura dazu, Nomazars Aufenthaltsort zu verraten, wenn auch nur ungefähr.

Man beschloß, bis zum nächsten Treffen über weitere Maßnahmen nachzudenken, und trennte sich höchst unbefriedigt.

Nur Scarta war einigermaßen zufrieden. Wenn sie jetzt Nomazar half, würde er mit Sicherheit bereit sein, ihren Vorschlag anzu­nehmen.

Noch in der selben Nacht – wenigstens außerhalb des Palasts war es nun Nacht – begann sie mit ihrer Suche nach dem Ge­fängnis Nomazars.

*

Nomazar hockte in einer Ecke seines Ker­kers und begann zu ahnen, daß nur die Rückkehr Peleffs für ihn die Rettung bedeu­tete. Der Transfusionsgebundene würde ihn vermissen und Nachforschungen anstellen. Früher oder später würden Ura und Pram ge­stehen müssen, was sie getan hatten.

Und was war mit Scarta? Was sollte sie schon unternehmen, wenn

sie seinen Aufenthaltsort nicht kannte?

19 Der Sumpfplanet

Es war eine verrückte und zugleich aus­sichtslose Lage, in der er sich befand. Wa­rum auch hatte er sich so leichtfertig in eine Falle locken lassen? Hoffnungslosigkeit be­mächtigte sich seiner. Hunger und Durst be­gannen ihn zu quälen, und mit einer gewis­sen Wehmut dachte er an sein Wohnquartier zurück. Dort würde er wenigstens nicht ver­dursten oder verhungern. Flucht! Zum er­stenmal seit er auf Caudin war, nahm der Gedanke an Flucht konkrete Formen an. Es würde nicht Peleff sein, vor dem er flüchten würde, sondern seine sogenannten Gäste. Lieber wollte er sein Leben im Sumpf oder im Urwald beenden, als der Gefangene von Verrückten zu sein – falls er jemals seinen Kerker verlassen konnte.

Dann waren da noch die Ruinen und der intakte Raumhafen, den PAcht erwähnte. Er bedeutete einen schwachen Hoffnungs­schimmer, Caudin für immer verlassen zu können. Zumindest würde es ihm vielleicht gelingen, ein Gefährt instand zu setzen, das ihn auf die andere Seite des Planeten brach­te.

Wenn Scarta ihm dabei half. Aber es ging nicht nur darum, daß sie ihm

half, mußte er sich eingestehen. Er hatte echte Zuneigung zu der humanoiden Frem­den gefaßt. Wenn er schon in der Wildnis le­ben sollte, dann mit ihr, auf keinen Fall aber allein.

Doch die ganzen Überlegungen und Pläne waren sinnlos, wenn er diesem Kerker nicht entfliehen konnte.

Der einzige Ausweg war die Tür. Hun­dertmal schon hatte er sie untersucht, aber kein Anzeichen dafür entdeckt, daß sie auch von innen her zu öffnen war. Boden, Wände und Decke der Zelle waren massiv. Ohne entsprechendes Werkzeug war ihnen nicht beizukommen.

Er besaß nur ein einziges Werkzeug: seine Hände.

Die erzwungene Tatenlosigkeit war nicht mehr zu ertragen. Spontan erhob er sich und begann, ruhelos in der geräumigen Zelle herumzuwandern. Immer wieder machte er

vor der Tür halt und lauschte. Aber er hörte nur das gleichmäßige Summen der Maschi­nenanlagen, die PELEFFS SCHOSS am Le­ben erhielten.

Aber dann hörte er plötzlich ein anderes Geräusch.

Jemand pochte von außen an der Metall­tür.

Es war nur ein schwaches Pochen, das an seine Ohren gelangte, aber er konnte es deutlich vernehmen. Schnell drehte er sich um und klopfte mit den Hacken seiner Schu­he zurück.

*

Scarta hörte das Klopfen hinter der Tür. Der Roboter P-Acht, der sie begleitete,

sagte: »Das muß dieser Nomazar sein, der sich

für die versunkene Zivilisation dieser Welt interessiert. Vielleicht hat er versucht, hier Reste dieser Zivilisation zu finden und sperrte sich versehentlich selbst ein. Wir werden ihn befreien.«

Scarta verzichtete darauf, ihren Verdacht zu äußern und stimmte ihm zu.

»Aber wie ist die Tür zu öffnen? Ich weiß es nicht.«

»Sehr einfach«, sagte PAcht und deutete auf die Mitte der Tür. »Lege deine Hand flach darauf. Meine Gliedmaßen verfügen nicht über die notwendige Körperwärme, das Schloß zu aktivieren.«

Scarta begriff. Sekunden später öffnete sich die Tür. Nomazar fiel direkt in die Arme Scartas,

weil er sich gegen die Tür gelehnt hatte, um besser lauschen zu können. Sie fing ihn auf.

»Also doch! Wer hat dich eingesperrt?« »Ura und Pram.« Scarta wandte sich an P-Acht: »Du hast es

gehört und wirst Peleff unterrichten, wenn er zurückkehrt.«

Der Roboter erwiderte: »Ich weiß nicht, wann der Herr zurück­

kehrt, aber Ura und Pram haben eindeutig gegen das Gesetz verstoßen, wenn auch nur

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indirekt. Ich werde Peleff informieren.« Scarta warf Nomazar einen bezeichnen-

den Blick zu, ehe sie sagte: »Ich danke dir für deine Hilfe, P-Acht.

Wir brauchen dich jetzt nicht mehr.« Sie wartete, bis der Roboter hinter einer

Gangbiegung verschwunden war, dann fuhr sie fort:

»Hör zu, Nomazar! Sie werden dich um­bringen, wenn du nichts unternimmst. Hast du darüber nachgedacht?«

Nomazar nickte. »Ich habe darüber nachgedacht, und du

bist der einzige, dem ich vertrauen kann. Ich habe mit P-Acht gesprochen. Es gibt noch intakte Raumhäfen im Westwald. War es das, was du meintest?«

»Ja. Wenn wir sie erreichen, bevor bei mir der Hypnoprozeß wirksam wird, haben wir es vielleicht geschafft. Bist du bereit, das Risiko auf dich zu nehmen?«

»Flucht?« »Flucht!« Er nahm ihren Arm. »Begleite mich in meine Wohnung. Ich

habe lange nichts mehr gegessen und getrun­ken. Dort können wir weiterreden.«

»Verzeih, ich hätte das fast vergessen.« Sie fanden den Weg nach oben und gin­

gen Hand in Hand wie zwei alte Freunde. Nomazar wußte, daß vor ihnen ein Stück

unbekannter und gefährlicher Zukunft lag, aber er war gewillt, das Risiko auf sich zu nehmen.

3.

Wenige Schritte vor dem Rand des Pilz­dachs blieb Nomazar stehen und blickte nach Westen. Scarta hielt sich dicht neben ihm. Die Morgensonne war in ihrem Rücken und konnte sie nicht blenden.

Nebelschleier lagen über dem Dominan­ten Morast, begannen sich aber bereits zu verflüchtigen. Nomazar schätzte die Entfer­nung bis zu den Wäldern am Horizont auf etwa fünfzehn Kilometer, aber dazwischen erhoben sich vereinzelt Grasinseln und

Clark Darlton

Buschgruppen aus dem Sumpf. »Hältst du es wirklich für möglich, daß es

einen Weg durch den Morast gibt, Scarta? Wird es nicht so sein, daß wir schon nach ein paar hundert Metern steckenbleiben oder versinken?«

»Ich kann deine Frage nicht beantworten, aber wir müssen das Risiko eingehen, wenn wir die Wälder erreichen wollen. Wir sind erst dann in Sicherheit, wenn wir den alten Raumhafen finden.«

»Und wie verlassen wir unbemerkt den Palast? Die Roboterwachen sind überall.«

»Wir haben in den letzten beiden Tagen einen großen Teil des Palasts erforscht, ohne von den Robotern daran gehindert zu wer­den. Die Maschinenanlagen im Fundament bieten tausend Verstecke. Da auch Peleff nicht mit einer Flucht seiner Gäste rechnet, sind seine Wachroboter mehr zur Zierde da. Ich erzählte dir schon von dem Gang, den ich unter dem Niveau des Dominanten Mo­rasts entdeckte. Er führt meiner Ansicht nach direkt ins Freie. Wahrscheinlich han­delt es sich um einen geheimen Fluchtweg, der vergessen wurde.«

»Ich habe darüber nachgedacht.« Noma­zar deutete schräg nach unten. »Meinen Be­rechnungen nach müßte er irgendwo dort im Sumpf enden, vielleicht auf einer der Gras­inseln, die gut zu sehen sind. Aber nur dann, wenn er die Richtung nicht ändert.«

»Es kommt auf einen Versuch an. Not­falls können wir immer noch behaupten, le­diglich einen Spaziergang unternommen zu haben. Neugier ist nicht verboten.«

»Und wann?« Ihr Gesicht wurde ernst. »Sobald wie möglich, denn in meinem

Unterbewußtsein regt sich schon der Wunsch, für immer hier zu bleiben und Peleff zu dienen. Die Wirkung der Psycho­behandlung beginnt sich bemerkbar zu ma­chen, wenn ich sie auch noch erfolgreich un­terdrücken kann. Aber ich weiß nicht, wie lange noch.«

»Dann wird es allerdings Zeit. Heute nacht?«

21 Der Sumpfplanet

»Von mir aus ja. Aber da ist noch ein an­deres Problem: Wir benötigen Lebensmittel­vorräte. Ich habe einen Lederbeutel besorgt, den wir vollpacken können.«

»Ein Problem also, das bereits gelöst ist. Etwas anderes macht mir jedoch Sorge: Waffen!«

»Ja, Waffen! Draußen gibt es viele unbe­kannte Gefahren, Raubtiere mit Sicherheit. Wir brauchen zumindest eine Waffe.«

»Und woher?« »Auch darüber habe ich nachgedacht. Wir

müssen einen der Wachroboter unschädlich machen und ihm den Strahler abnehmen. Und zwar erst im letzten Augenblick, denn ich weiß nicht, ob sie untereinander in Ver­bindung stehen oder sich in gewissen Zeitabständen in der Steuerzentrale melden müssen. Unser Vorsprung muß so groß wie möglich sein.«

Scarta antwortete nicht sofort. Aufmerk­sam studierte sie das Gelände und prägte sich markante Einzelheiten ein.

»Wir müssen versuchen, die erste Grasin­sel zu erreichen, dort scheint der Boden fest und trocken zu sein. Sie ist auch ziemlich groß. Von ihr aus scheint ein einigermaßen sicherer Streifen bis zur nächsten Insel zu führen – man sieht es an der Färbung. Wenn wir Glück haben, schaffen wir es.«

Er nickte. »Gut, dann schlage ich vor, daß wir noch

vor Anbruch der Dunkelheit aufbrechen. Dann haben wir die ganze Nacht vor uns.«

Sie kehrten zum Lift zurück und begaben sich in Nomazars Quartier, um haltbare Le­bensmittel zu beschaffen. Wasser erschien ihnen nicht so wichtig, davon gab es in den Sümpfen mehr als genug.

Dann begann das lange Warten.

*

Es war ungefähr die Zeit, zu der sich die Gäste Peleffs im Versammlungsraum trafen. Man würde Nomazar und Scarta zwar ver­missen, sich aber keine Gedanken deshalb machen. Ein paar gehässige Bemerkungen,

das würde alles sein. Die beiden Flüchtlinge erreichten mit dem

Lift die unterste Etage des Fundaments. Das Summen der Maschinenanlagen war zu ei­nem starken Brummen geworden. War­tungsroboter gingen ihrer Beschäftigung nach, ohne sich um die beiden Gäste zu kümmern. Das gehörte nicht zu ihrer Aufga­be.

Aber auch einer der Wachroboter, dem sie begegneten, nahm kaum Notiz von ihnen. Nomazar stellte mit einem schnellen Blick fest, daß er einen eingebauten Energiestrah­ler besaß. Im Notfall würde sich eine derarti­ge Waffe leicht ausbauen lassen, wenn man ihren Träger bewegungsunfähig gemacht hatte.

Ohne besondere Hast schritten sie durch die riesige Hallen, die mit Maschinen­blöcken und Schalttafeln angefüllt waren. Sie wirkten wie Experten, die ein Werk be­sichtigten.

»Wo beginnt der Geheimgang?« fragte Nomazar flüsternd.

»Wir müssen noch ein Stück laufen. Ich hoffe nur, daß ich mich noch erinnern kann. Hier unten sieht alles ziemlich gleich aus.«

»Den nächsten Roboter schnappen wir uns …«

Nach einer Weile hielt Scarta an. »Ich kann mich entsinnen, hier gewesen

zu sein. Rechts befindet sich die Fertigungs­zentrale für die synthetischen Nahrungsmit­tel, die mit den einzelnen Wohnquartieren in Verbindung steht. Alles vollautomatisch. Wir müssen den nächsten Nebengang nach links nehmen. Ich bin jetzt ganz sicher.«

Nomazar wurde immer unruhiger, denn sie begegneten keinen Robotern mehr. Ohne eine Waffe würde er die Flucht auf keinen Fall antreten. Als er Scarta seine Bedenken mitteilte, sagte sie:

»Ich bin nicht sicher, aber im Depot könn­ten auch Waffen gelagert sein.«

»Depot?« »Wir sind gleich da. Es ist angefüllt mit

verschlossenen Kisten aus Metall, wahr­scheinlich Ersatzteile, Instrumente – was

22

weiß ich? Und bestimmt auch Waffen.« Sie befanden sich bereits im Nebengang,

der wie der Hauptkorridor nur schwach er­leuchtet wurde. Scarta ergriff Nomazars Arm und zog ihn mit sich, als sie eine der Hallen passieren wollten, die rechts und links hinter türlosen Öffnungen lagen.

»Hier ist es.« Im ersten Augenblick schien es unmög­

lich zu sein, sich in dem Wirrwarr der aufge­stapelten Kisten und Behälter zurechtzufin­den, aber dann ging Nomazar systematisch vor. In einer halb ausgeräumten Kiste fand er Werkzeug, mit der sich die geschlossenen leicht öffnen ließen. In der vierten schon la­gerten die gesuchten Waffen.

Es waren handliche Energiestrahler mit Ladestreifen, die nicht viel Platz einnahmen. Dazu Gürtel mit Vorratstaschen.

»Nun kannst du auch eine nehmen«, riet Nomazar und bediente sich. »Damit läßt sich schon einiges anfangen.«

»Außerdem fühlt man sich wohler«, meinte sie und legte den breiten Gürtel an, in den zehn Ladestreifen paßten. »Es kann sein, daß wir von den Sumpfungeheuern an­gegriffen werden, die es dort geben soll. Hat P-Acht dir nichts darüber gesagt?«

»Nur einige Andeutungen, die nicht ver­lockend klangen. Wir werden ja sehen. Die größte Sorge machen mir eventuelle Verfol­ger aus dem Palast.«

»Auch die Roboter dürfen nicht töten, höchstens paralysieren.«

Nachdem sie sich außer den Waffen noch mit Messern und einem Feuerzeug ausgerü­stet hatten, verließen sie den Lagerraum wieder und folgten dem Gang, von dem Scarta mit Bestimmtheit sagte, daß es der richtige sei. Die Räume auf beiden Seiten waren zum größten Teil leer und wirkten vernachlässigt.

»Gleich erreichen wir die Trümmer«, sag­te Scarta.

»Welche Trümmer?« »Sie stammen aus der Decke. Sie muß

früher einmal halb eingestürzt sein, aber man hat die Trümmer nur teilweise entfernt.

Clark Darlton

Dieser Teil des Palasts wird schon lange nicht mehr benutzt.«

»Hoffentlich kommen wir durch.« »Bis zum Geheimgang habe ich es schon

einmal geschafft«, tröstete sie ihn. Wenig später endete der bisher gemütli­

che Spaziergang. Sie mußten über Beton­klötze und Stahlträger klettern, die den Weg versperrten. Das Licht reichte kaum noch aus, die Hindernisse zu erkennen. Auf der anderen Seite konnten sie aber sicher sein, hier keinem Roboter mehr zu begegnen.

Der Gang endete vor einer glatten Wand, in der zu ebener Erde eine kleine Öffnung eingelassen war, die kaum einen halben Me­ter hoch war. Dahinter war es stockfinster.

»Das ist er«, sagte Scarta. »Es gibt kein Licht, daher konnte ich, als ich ihn entdeck­te, nur einige Meter vordringen. Jetzt haben wir ja das Feuerzeug.«

Nomazar verlor keine Zeit. Er legte sich auf den Bauch und kroch durch die Öffnung, bis er die Decke über sich zurückweichen spürte. Er zündete das Feuerzeug an und leuchtete die Umgebung ab. Der neue Gang war kleiner als der, durch den sie gekommen waren. Die Wände waren roh behauen, ein sicheres Zeichen dafür, daß sich auf dem Grund des Dominanten Morasts fester Fels­boden befand. Es sei denn, überlegte Noma­zar, man hatte vom Palast aus einfach eine Betonröhre durch den Sumpf gelegt. Der Unterschied war bei der ungewissen Be­leuchtung nicht zu erkennen.

Scarta richtete sich neben ihm auf. »Bis hierher bin ich gekommen. Von nun an be­treten wir Neuland.«

»Wenn in den Gang Wasser eingedrungen wäre, hätte es sich hier gesammelt. Wir ste­hen wohl an der tiefsten Stelle, denn es geht vor uns leicht bergan, der Oberfläche entge­gen.«

»Los jetzt! Verlieren wir keine Zeit mehr!« drängte sie.

Er hielt das brennende Feuerzeug in die Höhe und setzte sich in Bewegung. Der Ge­heimgang war besser erhalten als jener im Fundament des Palasts. Welchen Zwecken

23 Der Sumpfplanet

er auch immer gedient haben mochte, er schien für die Ewigkeit gebaut worden zu sein.

Sie kamen gut und schnell voran. Drau­ßen mußte es bereits dunkel sein. Nichts deutete darauf hin, daß ihre Flucht schon be­merkt worden war.

Nomazar versuchte abzuschätzen, welche Entfernung sie zurücklegten und wo sie sich befanden. Als er damit rechnete, daß sie die Hälfte des Weges bis zur Grasinsel hinter sich und vielleicht zehn Meter an Höhe ge­wonnen hatten, schlug er eine kurze Pause vor. Es hatte wenig Sinn, sich schon jetzt zu verausgaben.

Sie gingen in die Hocke, weil der Boden feucht und kalt war, und lehnten sich mit dem Rücken gegen die Felswand.

»Es ist erst der Beginn«, erinnerte er. »Das Schwerste liegt noch vor uns.«

»Als ob ich das nicht wüßte«, erwidert sie. »Aber wenn du nicht aufgetaucht wä­rest, hätte ich es bestimmt allein versucht. Du brauchst dir also niemals den Vorwurf zu machen, mich zu diesem Abenteuer über­redet zu haben.«

Sie saßen im Dunkeln, denn er hatte das Feuerzeug ausgemacht. Er konnte ihr Ge­sicht nicht sehen, spürte aber die Wärme ih­res Körpers. Der feindselige Unterton in ih­rer Stimme befremdete ihn.

Sollte die Umwandlung bereits begonnen haben?

»Spürst du eine Veränderung?« fragte er. »Ich meine, hast du das Gefühl, das die psy­chische Manipulation einsetzt, stärker als bisher?«

»Wie kommst du denn darauf?« Es klang ehrlich verblüfft. »Nein, ich glaube nicht. Es ist nicht stärker geworden. Das würde ich bestimmt merken. Hoffentlich«, fügte sie noch hinzu.

Er unterdrückte das ungute Gefühl, das ihn plötzlich überkam.

»Ich glaube, wir gehen jetzt weiter. Ich bin froh, wenn ich wieder den Himmel über mir habe. Aber ein leichter Luftzug verrät, daß wir es nicht mehr weit haben, bis wir die

Oberfläche erreichen. Der Gang endet im Trockenen, das ist jedenfalls sicher.«

Sie erhob sich. »Einverstanden«, sagte sie nur.

*

Nomazar schätzte, daß sie weitere zwei Stunden gelaufen waren, als der Luftzug stärker und die Umgebung kühler wurde. Sie näherten sich dem Ende des unterirdischen Ganges.

Ohne Licht gingen sie vorsichtig weiter, bis sie weit vor sich den diffusen Schimmer des nächtlichen Himmels von Caudin sahen. Die Sterne schimmerten nur schwach, weil sich bereits die ersten morgendlichen Nebel­schwaden bildeten. Im Osten mußte es be­reits dämmern.

»Warte hier«, riet Nomazar. »Ich sehe nach, wo wir sind.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er gebückt weiter, weil sich die Decke des Ganges senkte. Wie zu Beginn der Wande­rung mußte er sich hinlegen und kriechen, bis er endlich im Freien war und sich wieder aufrichten konnte.

Ohne Zweifel endete der Geheimgang auf der Grasinsel, die sie vom Dach des Palasts aus entdeckt hatten. Zum Glück gab es meh­rere dieser Inseln, so daß der Verdacht der späteren Verfolger nicht sofort auf diese fal­len mußte, falls der Geheimgang wirklich unbekannt geblieben war.

Nomazar flüsterte in das Erdloch hinein: »Du kannst herauskommen, Scarta. Alles

in Ordnung. Bald geht die Sonne auf.« Sie kroch ins Freie und sah sich um. »In einer Stunde ist es hell. Bis dahin

können wir die nächste Insel nicht erreichen. Vom Palast aus wären wir leicht zu ent­decken. Aber werden wir im Dunkel der kommenden Nacht den Weg zu ihr finden?«

Nomazar studierte aufmerksam ihre Um­gebung.

»Bleib hier. Ich mache einen kleinen Rundgang«, entschied er schließlich. »Dann antworte ich dir auf deine Frage.«

24

Er durchquerte die Grasinsel in westlicher Richtung, bis er ihren Rand erreichte. Der Durchmesser betrug etwa zweihundert Me­ter. Sie lag knapp einen Meter über dem Ni­veau des Morasts und war dicht mit Gras und niedrigen Büschen bewachsen, die eine ausgezeichnete Deckung boten. Der Boden war fest und trocken, wie erwartet.

In der Morgendämmerung konnte Noma­zar die nächste Insel im Westen undeutlich erkennen. Er sah aber auch den dunklen Streifen, der die beiden Inseln verband. Er sah aus wie ein schmales Band. Wahrschein­lich war es ein Felsgrat, der dicht unter der Sumpfoberfläche lag. Auf ihm würde man sicher den Morast durchqueren können, aber wenn man nur einen Schritt daneben geriet, war man unweigerlich verloren.

Nomazar kehrte zu Scarta zurück. »Wir werden den ganzen Tag über hier bleiben und notfalls im Gang Schutz suchen. Ich ha­be den Weg zur nächsten Insel ausfindig ge­macht. Das wird gefährlich, wir werden sehr vorsichtig sein müssen. Ich werde vorange­hen und einen Stab benutzen, um die Tiefe auszuloten. Ein Abkommen von dem Grat wäre der sichere Tod.«

»Du willst nachts gehen?« »Wir haben keine andere Wahl, weil die

Strecke vom Palast aus einzusehen ist – das haben wir doch schon besprochen. Ruhen wir uns jetzt aus. Wir werden in der kom­menden Nacht alle unsere Kräfte brauchen.«

Es wurde schnell heller und wärmer. In der Mitte der Insel im dichtesten Gebüsch richteten sie sich ein provisorisches Lager ein. Der Einschlupf zum Geheimgang war in weniger als einer Minute zu erreichen.

Scarta war nach kurzer Zeit schon einge­schlafen.

Nomazar betrachtete sie. Ihre Züge wirk­ten gelockert und nicht mehr so angespannt wie zuvor. Im Schlaf war sie noch schöner als sonst. Alle Sorgen und Probleme waren jetzt von ihr genommen. Nomazar hätte sie am liebsten in seine Arme genommen, aber irgend etwas hielt ihn davon ab. Er streckte sich aus und versuchte zu schlafen.

Clark Darlton

*

Ein unbestimmtes Geräusch weckte ihn auf. Es war hell. Die Sonne stand hoch im Zenit, die Nebelschwaden waren ver­schwunden. Die Luft war stickig und heiß. Und feucht.

Das Geräusch stammte von einem Flugro­boter, der dicht über der giftig schimmern-den Sumpffläche dahinglitt, genau auf die Grasinsel zu, die offensichtlich sein Ziel war. Der Richtung nach zu urteilen, kam er unmittelbar vom Palast her.

Nomazar rollte die schlafende Scarta un­ter einen dichten Busch, ohne daß sie er­wacht wäre.

Es war zu spät, um noch den Versuch zu wagen, in dem Geheimgang Unterschlupf zu finden. Aber Nomazar war sicher, daß sie von oben her nicht zu entdecken waren, wenn der Roboter keine empfindlichen Me­ßinstrumente für organische Materie bei sich führte. Optisch gaben Büsche und Gras ge­nügend Schutz.

Es hatte nichts zu bedeuten, sprach No­mazar sich Mut zu, wenn der Roboter die In­sel anflog. Flüchtlinge mußten die Erhöhun­gen im Sumpf aufsuchen, wenn sie nicht er­trinken wollten. Wenn also die Flucht be­reits entdeckt worden war, konnte es kein Wunder sein, wenn die Inseln abgesucht wurden.

Er blieb regungslos liegen, als der Robo­ter den Rand der Grasinsel erreichte und sein Tempo verringerte. Er flog in zehn Me­tern Höhe und begann zu kreisen, wie ein Raubvogel. Nun kam es nur noch darauf an, wie empfindlich seine Suchgeräte waren.

Zweimal überflog der Roboter das Ver­steck. Es gab kein Anzeichen dafür, daß er die Flüchtlinge entdeckt hatte. Nomazar hielt die Luft an, als die Maschine schließ­lich abdrehte und Kurs auf die Nachbarinsel nahm.

*

25 Der Sumpfplanet

Scarta erschrak nachträglich, als sie von dem Vorfall erfuhr.

»Und du bist sicher, daß er uns nicht ge­ortet hat?«

»Absolut sicher. Warum sollte er sonst weitergeflogen sein?«

»Ein Trick …?« »Nein, er war bewaffnet. Du kannst beru­

higt sein und weiterschlafen. In fünf oder sechs Stunden brechen wir auf.«

»Ich habe Hunger.« »Ich auch. Aber danach wird geschlafen.« Sie warf ihm einen merkwürdigen Blick

zu. »Wenn du meinst«, murmelte sie nur.

*

Sie weckte ihn, als es dunkel wurde. »Du hast fest geschlafen, Nomazar. Selbst

ein Sturm hätte dich nicht aufgeschreckt. Es wird Zeit.«

Er richtete sich auf. »Bist du schon lange wach?« »Seit einer halben Stunde. Aber ich habe

etwas gefunden, als ich einen kleinen Spa­ziergang unternahm. Komm, ich zeige es dir.«

Er verzichtete auf Fragen und folgte ihr zum südlichen Rand der Insel im Sumpf. Sie blieb dicht vor dem Übergang zum Wasser stehen und deutete wortlos auf den Boden.

Nomazar sah es sofort. Das Gras war von mächtigen Gliedmaßen niedergetrampelt und mit Schlamm bespritzt worden. Ein rie­siges Ungeheuer war hier an Land gegan­gen, um zu grasen. Zum Glück hatte es dar­auf verzichtet, die ganze Insel abzuweiden, aber immerhin war eine große Lichtung ent­standen.

»Jetzt wissen wir«, sagte Scarta nüchtern, »womit wir es in der nächsten Zeit zu tun haben werden.«

Nomazar versuchte, ruhig zu bleiben. »Und wenn schon! Wir haben unsere

Energiestrahler. Damit halten wir sie uns schon vom Leib.«

Sie ging nicht mehr darauf ein.

»Es wird Zeit, daß wir weitergehen. Bald ist es völlig dunkel. Die beiden Wanderstäbe habe ich schon abgeschnitten. Hoffentlich genügen sie, uns den richtigen Weg zu zei­gen.«

»Hoffentlich«, erwiderte Nomazar. Am Anfang ging alles reibungslos. In

dem Dämmerlicht waren die dunkleren Um­risse des Grats gut zu erkennen. Dann aber, als es finster wurde, mußte Nomazar, der voranging, sich voll und ganz auf sein Tast­gefühl verlassen. Bei jedem Schritt blieb er stehen und prüfte die Strecke, die vor ihnen lag. Der Schlamm darüber war nie höher als zwanzig Zentimeter. Der Gratweg selbst hat­te eine durchschnittliche Breite von einem Meter.

Zu schmal, um Sicherheit zu bieten, und zu breit zum Sterben.

Naturgemäß kamen sie nur langsam vor­an, und bis um Mitternacht hatten sie höch­stens fünf Kilometer geschafft.

»Das dürfte mehr als die Hälfte sein«, seufzte Nomazar, als sie eine Pause einleg­ten. »Wir werden die andere Grasinsel bis zum Morgengrauen erreichen. Wenn wir Glück haben und der Grat reicht.«

»Vom Palast aus sah es aber so aus.« »Das kann täuschen. Aber verlassen wir

uns auf unser Glück.« »Wenn nur nicht so ein Ungeheuer auf­

taucht.« »Und uns für ein Grasbüschel hält?« Er

lachte lautlos. »Wir wollen es nicht hoffen. Aber weiter! Wir müssen es schaffen, bevor es hell wird.«

Es war finster, und zu beiden Seiten lauer­te der Tod.

Er lauerte in vielfacher Form, wie sie bald merkten.

Nomazar leuchtete nur selten mit dem Feuerzeug, weil Licht in dieser Situation keine Hilfe bedeutete. Nur der Tastsinn half. Er benötigte das Licht nur dann, wenn er rechts oder links im Sumpf ein verdächtiges Geräusch hörte, das auf ein sich näherndes Tier schließen ließ.

Und das geschah oft, und je später – oder

26

früher – es wurde, immer öfter. Der Lichtschein des Feuerzeugs reichte

nur wenige Meter, und es gelang Nomazar kein einziges Mal, den Verursacher eines verdächtigen Geräuschs leibhaftig zu Ge­sicht zu bekommen. Wenn das Licht auf­flammte, nahm er nur noch ein sich rasch schließendes Loch im Morast wahr.

Plötzlich hielt er an. »Ich fühle keinen Grund«, flüsterte er und

stocherte mit seinem Stock im Sumpf her­um. »Der Grat scheint hier stark abzusinken. Das ist es, was wir befürchteten.«

Scarta lehnte sich leicht gegen ihn. »Ist das nun das Ende?«

»Ich weiß es nicht. Halte mich fest, wenn ich mich vorbeuge. Wir müssen versuchen herauszufinden, ob es sich um eine Lücke im Grat handelt.«

Es war ein gefährliches Unterfangen. Wenn er ausrutschte und Scarta ihn nicht halten konnte, würde er im Morast ver­schwinden, ehe er wieder Halt fand. Kein Wunder also, daß er so vorsichtig wie mög­lich zu Werke ging.

Zuerst stieß er einen Stab senkrecht nach unten, bis auch die Hand mit Schlamm be­deckt war. Er fand Widerstand. Der Grat setzte sich also gut zwei Meter unter der Oberfläche fort. Das war zu tief.

Etwas später stieß der Stab abermals auf eine feste Grundlage, allerdings erst in zwei Meter Entfernung. Nomazar trat einen Schritt zurück.

»Eine Lücke, wie ich vermutete. Praktisch eine Senke in dem sonst ziemlich gerade verlaufenden Felsgrat. Sie ist zwei Meter breit und ebenso tief. Das ist nicht ganz so schlimm, wie ich befürchtet habe, wenn ich auch nicht weiß, wie wir sie überqueren sol­len.«

»Schwimmen?« »Unmöglich in dem Schlammbrei. Aber

warte mal …« Er hockte sich nieder und streckte den

Stock aus, bis er fest auf der gegenüberlie­genden Seite des Loches lag.

»Was soll das?«

Clark Darlton

»Das wirst du gleich sehen. Gib mir dei­nen Stock.«

Sie tat es zögernd und neugierig zugleich. Er legte den zweiten Stock dicht neben den anderen und prüfte ihre Tragfähigkeit, in­dem er Scarta bei den Händen hielt und sich darauf stellte.

Das frische Holz hielt. »Ich probiere es zuerst, Scarta. Kriechen

wird am besten sein, denn das Gewicht wird gleichmäßig verteilt. Außerdem rutscht man nicht so leicht aus. Wir hätten an Stricke denken sollen.«

Mit den tastenden Händen voran kroch Nomazar auf die schwankende Brücke und erreichte die andere Seite des Schlamm­lochs, ehe er sich ganz ausgestreckt hatte. Mit der linken Hand hielt er sich fest, wäh­rend er mit der rechten den unsichtbaren Grat abfühlte. Dann rutschte er weiter, bis er wieder festen Grund unter den Füßen hatte.

»Du kannst nachkommen, aber vorsichtig, Scarta.«

Die Lücke im Grat kostete sie mehr als ei­ne halbe Stunde.

*

Sie erreichten die zweite Insel vor Mor­gengrauen und beschlossen, erst einmal den Tag abzuwarten, ehe sie ihre Flucht fortsetz­ten. Es war möglich, daß nur diese beiden Inseln durch das Felsband verbunden waren. Niemand wußte, wie es nun weitergehen sollte.

Auch diese Insel war dicht bewachsen. Es gab sogar einige Bäume. Nomazar hätte gern ein Feuer angezündet, damit sie ihre durchnäßte Kleidung trocknen konnten, aber das schien ihm zu gefährlich zu sein. Das Holz war feucht, und den Rauch hätte man vom Palast aus bemerken können.

Scarta rollte sich in dem einigermaßen trockenen Gras zusammen und versuchte zu schlafen. Nomazar durchstreifte die Insel, die etwas größer als die erste war. Sie bot auch mehr Schutz.

Die Westseite war am wichtigsten. Das

27 Der Sumpfplanet

Ufer war hier ungemein flach und senkte sich nur allmählich in den Sumpf hinein. Von einem Grat oder Felsband war nichts zu sehen. Jenseits des Morasts, nur noch vier oder fünf Kilometer entfernt, begann der Wald, im Grund wahrscheinlich auch nichts anderes als eine riesige Insel.

Dazwischen, etwa in der Mitte, entdeckte Nomazar einige unregelmäßige Formatio­nen, die er nicht einzuordnen vermochte. Da sie sich nicht bewegten, hielt er sie für Fel­sen, die aus dem Sumpf ragten. Das wieder­um ließ ihn vermuten, daß der Morast an dieser Stelle nicht sonderlich tief sein moch­te.

Ein Geräusch schreckte ihn hoch. Mit mächtigen Flügelschlägen erhob sich ein großer Vogel aus dem nahen Gebüsch und strebte dann im Gleitflug auf die vermeintli­che Felsengruppe zu. Bevor er sie erreichte, ging er mit nach vorn gestreckten langen Beinen nieder und landete im Sumpf.

Er stand mitten im Sumpf! Und er versank nicht! Sicher, das konnte Zufall sein und es war

möglich, daß der hier heimische Vogel die seichten und ungefährlichen Stellen kannte. Auf der anderen Seite sah Nomazar seine Hoffnung bestätigt.

Er kehrte zu Scarta zurück und setzte sich neben sie.

Inzwischen war es hell geworden. Die Sonne kam hervor und begann, die Feuch­tigkeit wegzudampfen. Es wurde warm.

Nomazar aß eine Kleinigkeit und suchte dann nach Wasser. Er fand auf der Nordseite einen kleinen Tümpel. Das Wasser schmeckte bitter, aber es löschte den Durst.

Drüben beim Palast rührte sich nichts.

*

Sie verbrachten den ganzen Tag auf der Insel und nutzten die Zeit, sich stärkere und längere Holzstangen abzuschneiden. Erst als es zu dunkeln begann, verließen sie das si­chere Land und wateten in den Sumpfsee hinaus.

Vorsichtig stakten sie sich voran. Der Schlamm war nicht so zähflüssig wie erwar­tet und reichte an den tiefsten Stellen nur bis zu den Knien. Sie kamen schnell vorwärts. Es war schon finster, als sie endlich die »Felsgruppe« erreichten.

»Das sind ja Ruinen!« entfuhr es Noma­zar, als er sein Feuerzeug für den Bruchteil einer Sekunde aufflammen ließ.

»Aber nicht der Raumhafen«, meinte Scarta enttäuscht.

»Natürlich nicht, aber immerhin Ruinen. Wir werden einen guten Unterschlupf fin­den. Oder sollen wir weitergehen und die Nacht ausnutzen?«

»Ich weiß nicht recht …« »Ich nehme an, auch bis zum Wald ist der

Sumpf so flach wie bisher. Aber wir haben Zeit genug, uns die Ruinen anzusehen. Willst du hier draußen warten?«

»Es ist mir lieber.« Nomazar tastete sich durch die Dunkel­

heit, stolperte über die herumliegenden Trümmer und fand endlich so etwas wie einen Eingang. Erst jetzt wagte er es, das Feuerzeug aufflammen zu lassen. Vor ihm lag ein halb verschütteter Gang, der schräg in die Tiefe führte. Risse und Bruchstücke verrieten, daß er einmal waagerecht verlau­fen sein mußte und abgesunken war. Ein bleicher Schimmer erregte Nomazars Auf­merksamkeit. Etwas reflektierte den Licht­schein stärker als der Fels. Er ging weiter und leuchtete. Auf dem Boden, gegen die Wand gelehnt, lag das weißliche Skelett ei­nes fremden Lebewesens. Also hatte schon vor ihm einer der Gäste Peleffs die Flucht gewagt, war aber nicht weiter als bis zu die­ser Ruine gekommen.

Schaudernd wandte er sich ab und kehrte zur Oberfläche zurück.

»Nichts«, sagte er nur, denn er wollte Scarta nicht unnötig beunruhigen. »Versuchen wir den Wald zu erreichen, be­vor es hell wird. Wir haben noch etwa fünf Stunden bis Sonnenaufgang.«

»Und wie weit ist es bis zum Wald?« »Ein paar Kilometer, mehr nicht.«

28

»Also gut, gehen wir.« Bereits nach einigen hundert Metern wur­

de das Sumpfwasser tiefer und reichte ihnen bis zur Höhe des Gürtels. Der einzige Vor­teil war nur, daß das Wasser wärmer war als die Nachtluft. Scarta verlor nun vollends den Mut und begann zu jammern. Am liebsten wäre sie umgekehrt. Nomazar mußte ihr im­mer wieder Mut zureden.

»Es ist nicht mehr weit, wir dürfen nicht aufgeben. Im Wald können wir uns ausruhen und die Sachen trocknen. Dort sind wir in Sicherheit.«

»Das wären wir in PELEFFS SCHLOSS auch.«

»Jetzt sei ruhig, Scarta!« Sie schwieg, aber wenig später schrie sie

plötzlich auf. »Da war etwas an meinen Beinen! Ich ha­

be es genau gespürt.« Er blieb stehen. »Ein Fisch! Vielleicht gibt es hier wel­

che?« »Es hat sich im Fleisch festgebissen, No­

mazar! Hilf mir doch!« Er stützte sie, damit sie das eine Bein an­

heben konnte. Mit den Händen fühlte er sie ab, bis er etwas Glattes und Glitschiges zu packen bekam. Es war kein Fisch, viel eher eine Wasserschlange.

Er zog sein Messer und schnitt den Kopf des Tieres ab, der sich fest im Bein Scartas verbissen hatte. Den zuckenden Rumpf warf er weit von sich.

»Tut es sehr weh?« »Nicht mehr so wie vorher.« Er leuchtete die Stelle ab. Der Kopf des

Tieres, nicht viel größer wie sein Daumen­nagel, steckte zur Hälfte im Fleisch. Er muß­te entfernt werden, und zwar sofort.

Nomazar hielt die Messerspitze in die Flamme.

»Du mußt jetzt die Zähne zusammenbei­ßen, Scarta. Es wird weh tun.«

»Mach schon!« sagte sie tapfer. Trotzdem schrie sie auf, als die Messerspitze in das Wadenfleisch drang und den Schlangenkopf aushob. Es blutete stark.

Clark Darlton

»Warte, ich schneide ein Stück von mei­nem Hemd ab. Die Wunde sollte verbunden werden.«

Scarta verbiß ihre Schmerzen und ließ ihn gewähren. Als sie endlich weiter gingen, humpelte sie. Er stützte sie, was ihren Vor­marsch noch mehr verlangsamte.

Dann – endlich – tauchte vor ihnen der Waldrand auf.

Sie waren in Sicherheit.

4.

Scarta schleppte sich bis zur nächsten er­höhten Stelle und ließ sich dann ins Gras sinken, das reichlich unter den nicht zu dicht stehenden Bäumen wuchs.

»Ich kann nicht mehr, Nomazar, wir müs­sen uns ausruhen. Es wird auch bald hell.«

»Im Wald können wir tagsüber wandern, er bietet genügend Schutz. Vom Palast aus sind wir nicht mehr zu sehen. Aber du hast recht: deine Wunde braucht Ruhe zum Hei­len. Mußte uns das auch noch bei den letzten Metern passieren!«

»Ich bin froh, daß es nichts Schlimmeres war«, gab sie zurück und versuchte gequält zu lächeln. »Es hätte ja auch eine Riesen­schlange sein können.«

»Aha«, freute er sich. »Du hast deinen Humor wiedergefunden.«

»Ich hatte eigentlich nie welchen«, meinte sie. Er sammelte Gras und Laub, um ihr ein Lager zu bereiten. Da er trockenes Holz fand, entfachte er ein kleines, rauchloses Feuer, dessen schwachen Schein er mit einer Wand aus Zweigen abschirmte. »Versuche jetzt zu schlafen, ich halte Wache, damit wir keine Überraschungen erleben.«

Sie schloß die Augen, aber der Schlaf kam erst nach langer Zeit. In ihrem Bein pochte das Blut.

Langsam wurde es hell. Nomazar hockte im Gras, mit dem Rücken an einen Baum gelehnt. Die Energiepistole lag entsichert auf seinem Schoß.

Er begann müde zu werden und einzu­nicken, aber immer wieder rissen ihn ver­

29 Der Sumpfplanet

dächtige Geräusche im Wald hoch. Er hatte das Gefühl, ständig von Feinden umschli­chen zu werden, obwohl er keinen von ihnen zu Gesicht bekam.

Als Scarta sich umdrehte, betrachtete er ihr Bein. Es war stark angeschwollen und hatte sich verfärbt.

Vorsichtig erhob er sich, um einen Rund­gang zu machen, da ihn sonst der Schlaf überwältigt hätte. In einiger Entfernung fand er einen geeigneten Baum, der leicht zu er­klettern war. Er schob seine Waffe in den Gürtel und machte sich an den Aufstieg.

Der Baum überragte die anderen in der Nachbarschaft. Nomazar gelangte bis hoch in den Gipfel und sah sich um.

Im Osten war der Palast vor dem Horizont gut zu erkennen. Eine Silhouette hob sich deutlich gegen den grauen Himmel ab. Nach Westen zu erstreckte sich der endlose Wald. Wenn Lichtungen oder Sümpfe dazwischen­lagen, so konnte man sie nicht sehen. Dahin­ter gab es sogar ein paar niedrige Berge. Dort würde das Land trocken und fest sein.

Im Norden war wieder Sumpf. Nomazar kletterte wieder herab und ging

zu Scarta, die sich gerade wohlig ausstreck­te, bis sie ihr geschwollenes Bein bemerkte. Sie schrak zusammen.

»Was ist das? Es tut aber gar nicht mehr weh.«

»Eine Entzündung«, beruhigte er sie. »In ein paar Tagen geht sie zurück und die Wun­de heilt zu. Sei froh, wenn es nicht mehr so weht tut. Fühlst du dich kräftig genug?«

»Und du? Hast du überhaupt geschlafen?« »Das hole ich später nach. Wir müssen

weiter, weg vom Waldrand. Ich rechne noch immer mit Verfolgern.«

»Man hat uns bestimmt vermißt und Alarm geschlagen. Eigentlich wundere ich mich, daß nicht ganze Schwärme von Schweberobotern hinter uns her sind.«

»Ein Zeichen, daß Peleff noch nicht zu­rück ist«, hoffte Nomazar.

Sie frühstückten und traten den Weiter­marsch an.

Immer in Richtung Westen.

*

Am dritten Tag ihrer Flucht geschah ge­nau das, was sie befürchtet hatten.

Die Schwellung an Scartas Bein hatte be­reits nach wenigen Stunden nachgelassen, und die Wunde begann schnell zu heilen. Sie hatte keine Schmerzen mehr.

Das Gelände lag schon mehrere Meter über dem Morastniveau, der Boden war fest und trocken. Wasser gab es gelegentlich in kleinen Tümpeln. Es genügte zum Durst lö­schen und waschen.

Nomazar versuchte sich die geringsten Kleinigkeiten zu erinnern, die er von P-Acht erfahren hatte. Wenn es diesen alten Raum­hafen wirklich gab, so mußte er in der Wal­debene vor den flachen Bergen im Westen liegen. Bis zu den Bergen waren es minde­stens noch dreißig Kilometer Luftlinie.

Scarta war sehr still geworden, und wenn Nomazar ein Gespräch mit ihr zu beginnen versuchte, antwortete sie nur unwillig und einsilbig. Es wurde immer offensichtlicher, daß sie ihre Flucht zu bereuen begann.

Die psychische Manipulation? Ohne jeden Zweifel setzte die Wirkung ein.

Nomazar wußte, daß er nichts dagegen tun konnte, und beschloß, von nun an auf je­de ihrer Bewegungen zu achten und sie nicht mehr aus den Augen zu lassen. Gegen die Behandlung Peleffs gab es kein Mittel, we­nigstens kannte er keins. In diesen Dingen besaß er weder eine Erinnerung noch Erfah­rung. Die Katastrophe ereignete sich am frü­hen Nachmittag. Es war aber nur die erste von mehreren.

*

Auf einem Hügel machten sie Rast. Er lag inmitten einer weiten Lichtung und gestatte­te einen guten Überblick auf die nähere Um­gebung. Sie waren noch keinen gefährlich wirkenden Tieren begegnet, nur einmal wäre Nomazar fast in die Fänge einer fleischfres­senden Pflanze geraten, wenn ihn die ge­

30

bleichten Skelette nicht rechtzeitig gewarnt hätten.

Nur das Summen der zahlreichen Insekten war zu hören.

Und dann ein anderes, noch weit entfern­tes Summen, das sich allmählich näherte.

Nomazar lauschte. Eine vage Erinnerung stieg ihn ihm hoch. Eine Erinnerung an ein Ereignis, das nicht lange zurücklag.

Der Tag auf der ersten Insel! Die Erkenntnis der Gefahr traf ihn wie ein

Blitzschlag, aber sie kam zu spät. Die auf der Suche nach den Flüchtlingen befindli­chen Schweberoboter waren über der Lich­tung, ehe er aufspringen und Schutz im na­hen Wald suchen konnte.

Und dann geschah etwas anderes, das ihn erstarren ließ.

Scarta war ruhig sitzen geblieben, aber sie zog ihren Strahler aus dem Gürtel. Sie entsi­cherte ihn und richtete ihn nach oben, um ein halbes Dutzend grelle Energiebündel zu den heranschwebenden Robotern zu schicken.

Aber sie zielte nicht auf die Roboter, son­dern absichtlich daneben. Sie wollte sie nur auf sich aufmerksam machen.

»Scarta! Bist du verrückt!« schrie Noma­zar. »Los, in den Wald!«

Er achtete nicht darauf, ob sie ihm folgte oder nicht, sondern sprang auf und begann zu laufen. Aber er kam nicht weit.

Dicht vor ihm flammte das dürre Gras auf und bildete in Sekundenschnelle eine pras­selnde Feuerwand, die zu breit war, um noch darüber hinwegzuspringen. Gleichzeitig san­ken die Roboter schnell tiefer und schnitten ihm die anderen Fluchtwege ab.

Er blieb stehen und drehte sich um. Scarta stand auf dem Hügel, den Strahler auf ihn gerichtet.

Da begriff er, daß sie es gewesen war, die ihm den Fluchtweg versperrt hatte. Sie hatte das Gras in Brand gesetzt.

»Scarta!« rief er ihr zu. »Wir kehren nach PELEFFS SCHLOSS

zurück«, sagte sie ruhig. »Es ist besser so. Wozu überhaupt diese ganze Flucht? Peleff

Clark Darlton

wird uns ganz besonders lieben, wenn wir freiwillig zurückkehren.«

Die Roboter waren gelandet und bildeten einen undurchdringlichen Wall um Noma­zar, der sich nur langsam von seiner gren­zenlosen Enttäuschung erholte.

Alles war umsonst gewesen. Scarta hatte ihn verraten, ohne eigentlich schuld an die­sem Verrat zu sein.

Widerstandslos ließ er sich von den Robo­tern ergreifen.

Zuvor gelang es ihm noch, seinen Ener­giestrahler in den Gürtel zu schieben. Nie­mand nahm ihm die Waffe ab. Zwei Schwe­beroboter waren es, die seine Arme packten und ihn dann emporhoben. Langsam sackte die Lichtung unter ihm weg. Er sah nur noch, daß auch Scarta auf die gleiche Art und Weise transportiert wurde.

Es war ein reiner Zufall, daß er nach We­sten blickte, und was er sah, raubte ihm den Atem.

In geringer Entfernung, es waren viel­leicht nur fünf oder sechs Kilometer, hörte der Wald auf. Eine weite Grasebene löste ihn ab, und inmitten dieser Ebene standen sechs flache Gebäude, die nur noch Ruinen waren. Auffällig an ihnen war ihre Anord­nung.

Sie bildeten aneinandergereiht einen Kreis von mehr als einem Kilometer Durchmesser, soweit sich das abschätzen ließ. Zwischen ihnen wuchs kaum Gras. Die nahezu runde Fläche wirkte wie aus nacktem Fels.

Der Hangar …? Nomazar blieb keine Zeit, das Phänomen

länger zu studieren. Seine beiden Roboter schwenkten herum und nahmen Kurs auf den Palast.

*

Drei Tage hatten sie für die Strecke benö­tigt, die von den Robotern nun in kürzester Zeit bewältigt wurde. Ein wenig wehmütig sah Nomazar nach unten. Deutlich erkannte er die einzelne Ruine im Dominanten Mo­rast, die zweite Insel und den felsigen Ver­

31 Der Sumpfplanet

bindungsgrat zwischen ihr und der ersten. In Flugrichtung aber stand der Riesenpilz

PELEFFS SCHLOSS wie eine furchtbare Drohung.

»Ist Peleff schon zurückgekehrt?« fragte er die Roboter und richtete zum erstenmal seit seiner Gefangennahme das Wort an sie.

Zu seiner Überraschung erhielt er sogar Antwort.

»Nein, aber es wird nicht mehr lange dau­ern. Unsere Orterstation hat Impulse aufge­fangen, die auf die baldige Annäherung ei­nes Raumschiffs schließen lassen. Ein direk­ter Kontakt erfolgte noch nicht.«

»Wird Peleff uns bestrafen – Scarta und mich?«

»Nein. Wer Lust hat zu fliehen, der darf es versuchen. Wir fangen ihn wieder ein, oder er kommt in den Sümpfen um.«

Nomazar schwieg. Flucht war also erlaubt. Na gut, dann war

dies nicht sein letzter Versuch. Der nächste mußte erfolgen, ehe man ihn unter die Psy­chohaube zwang und manipulierte. Das ge­schah aber erst nach Peleffs Rückkehr.

Sie überflogen die Insel, auf der der Ge­heimgang endete.

Die beiden Roboter, die Scarta trugen, hatten einen beachtlichen Vorsprung heraus­geflogen und landeten auf dem Pilzdach des Palasts. Nomazar sah sie in der Liftkabine verschwinden und wunderte sich darüber, daß seine eigenen beiden Flugscheiben ihr Tempo noch mehr verringert hatten und in weitem Bogen zu der Insel zurückkehrten, auf der der Geheimgang endete.

Was hatte das zu bedeuten? Sollten sie Verdacht geschöpft oder von dem Gang ge­hört haben und wollten nun Einzelheiten darüber von ihm erfahren?

»Was ist los?« fragte er. »Warum fliegen wir nicht weiter?«

Sie sanken tiefer, der Grasinsel entgegen. »Die Impulse, die geortet wurden, stam­

men nicht von Peleffs Schiff«, gab einer der Roboter schließlich Auskunft. »Wir erhiel­ten die Nachricht gerade. Wir wissen nicht, wie du von PELEFFS SCHLOSS auf die In­

sel gelangt bist, aber sie wird dich einige Zeit festhalten, wenigstens solange, bis wir wissen, wer sich dem Planeten nähert.«

»Warum nehmt ihr mich nicht gleich mit?«

»Weil es schon zu spät ist und wir dein Leben nicht gefährden dürfen.«

Nomazar stellte noch zwei oder drei Fra­gen, erhielt jedoch keine Antwort mehr. Die Roboter mußten in direkter Verbindung mit der Steuerzentrale im Palast stehen und neue Informationen erhalten. Sie landeten unsanft auf der Insel und ließen ihren Gefangenen los. Ehe er sich wieder aufrichten konnte, waren sie schon wieder emporgestiegen und flogen mit hoher Geschwindigkeit davon.

Nomazar begriff nicht, warum er hier si­cherer sein sollte als im Palast. Er bot mehr Schutz als die kleine Insel. Außerdem mach­te er sich Sorgen um Scarta, die man unver­ständlicherweise nicht hier abgesetzt hatte.

Bildete er eine Ausnahme, weil er noch nicht konditioniert war?

Unwillkürlich duckte er sich, als er das grelle Aufzucken von Energieblitzen wahr­nahm. Dann ließ er sich in das Gras fallen und starrte hinüber zum Palast.

Über dem Pilz waren zwei Organschiffe erschienen, beide etwa gleich groß und ge­drungen gebaut. Von ihnen stammten die energetischen Schüsse, die den Palast an verschiedenen Stellen trafen und das Gestein sofort schmelzen ließ. In der Nähe der Lan­deplattform ereigneten sich die ersten Deto­nationen.

Ein Angriff! Es war Nomazar klar, daß sie im Auftrag

des Neffen Duuhl Larx gekommen waren, um Peleff eine Lehre zu erteilen. Spione mußten sein Versteck ausfindig gemacht ha­ben, und die Angreifer nutzten die Abwe­senheit des Hausherrn aus, um sein Domizil zu zerstören.

Jetzt begriff Nomazar, was die beiden Ro­boter gemeint hatten, als sie ihm sagten, auf der Insel sei er sicherer als im Palast.

Aber nun begann sich auch PELEFFS SCHLOSS zu wehren.

32

Wenig später war die Schlacht in vollem Gang.

5.

Von seinem Versteck aus konnte Noma­zar die Geschehnisse in allen Einzelheiten verfolgen, soweit sie sich außerhalb des Pa­lasts abspielten. Er sah, wie sich oberhalb des eigentlichen Fundaments im »Pilzstiel« die Ausfluglöcher für die Schweberoboter öffneten, die wie ein Schwarm Insekten ins Freie drangen und sich auf die herabregnen-den Landetruppen der beiden Schiffe stürz­ten.

Es war bei der Entfernung nicht zu ent­scheiden, ob die Angreifer Roboter oder or­ganische Lebewesen waren. Jedenfalls tak­tierten sie mit außerordentlichem Geschick. Immer wieder gelang es ihnen, einzelne Gruppen von Peleffs Soldaten von den ande­ren abzuschneiden und zu vernichten.

Auf dem Pilzdach schoben sich mehrere Dutzend Energiegeschütze aus ihren Bun­kern, und eröffneten das Feuer auf die Or­ganschiffe, die tiefer gegangen waren. Schon der erste Waffengang zeigte, daß die Angreifer auch in dieser Hinsicht weit über­legen waren. Ein Geschütz Peleffs nach dem anderen wurde getroffen und zerstört.

Die Angriffssoldaten landeten auf dem Palast und stellten sich den bewaffneten Pa­lastwächtern zum Kampf, die mit den noch intakten Liften nach oben gefahren waren und mit Todesverachtung in die Kämpfe ein­griffen.

Die beiden Schiffe stellten das Feuer ein, um die eigene Truppe nicht zu gefährden, die nun ein Geschütz auf dem Dach angrif­fen und es unbrauchbar machten. Unmittel­bar darauf war das nächste an der Reihe. Als sie alle schwiegen, drangen die Angreifer in das Innere des Palasts ein.

Nomazar wagte sich kaum zu rühren, denn bei den Kämpfen kam es immer wieder vor, daß einzelne Roboter zu fliehen ver­suchten und in Richtung der Wälder davon­flogen. Sie wurden sofort verfolgt, und kei-

Clark Darlton

nem von ihnen gelang es, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen.

Bei diesen Fluchtmanövern jedoch gesch­ah es immer wieder, daß Verfolgte wie Jäger dicht über die Insel dahinstrichen, und zwei der Roboter stürzten sogar über ihr ab und blieben stark beschädigt liegen. Die Verfol­ger kümmerten sich nicht um die Wracks, sondern kehrten zum Palast zurück.

Gewaltige Detonationen erschütterten das Bauwerk, an dem sich erste Risse zeigten. Dann wurden große Teile des Fundaments regelrecht aus ihrem Verbund herauskata­pultiert, rasten wie Geschosse davon und versanken schließlich im Sumpf.

Nomazar befürchtete, daß ein solches Trümmerstück bis zur Insel gelangen und ihn unter sich begraben könnte. Auf allen vieren kroch er bis zum Eingang des gehei­men Tunnels und suchte darin Schutz. Wenn er sich aufrichtete, konnte er den Palast über die Grashalme hinweg sehen.

Die Schlacht näherte sich einem entschei­denden Stadium.

Es kündigte sich durch den Rückzug der angreifenden Truppen an, die zu den warten­den Schiffen emporschwebten und in ihnen verschwanden. Kein Roboter folgte ihnen.

Dann fielen die ersten Bomben auf die Landeplattform und verwandelten sie in ein metallisches Trichterfeld. Doch damit nicht genug.

Die größte aller bisherigen Explosionen erfolgte dicht unter dem Pilzdach und hob dieses ein Stück in die Höhe. Dann fiel es wieder zurück, fand aber keinen Halt mehr. Langsam rutschte es seitlich ab, bis die eine Kante im Sumpf landete. Wahrscheinlich stieß es in geringer Tiefe auf Fels, denn es versank nicht weiter.

Der Palast Peleffs erinnerte an einen Rie­senpilz, dessen Kappe man dicht über dem Stiel abgeschnitten und liegengelassen hatte.

Damit schienen die Angreifer zufrieden zu sein.

Die beiden Schiffe eröffneten noch ein­mal das Feuer auf die Ruine und drehten ab. Sie stiegen schnell nach oben und ver­

33 Der Sumpfplanet

schwanden im dunstigen Himmel Caudins. Sie hatten ihren Auftrag erfüllt.

*

Lange Zeit lag Nomazar wie betäubt im Eingang des Tunnels und überlegte, was er nun tun sollte. Er war ziemlich sicher, daß keiner der Gäste Peleffs den fürchterlichen Angriff überlebt hatte. Wahrscheinlich wa­ren auch alle Roboter zerstört worden. Der untere Teil des Fundaments hatte am wenig­sten gelitten. Hier mußten die Mauern am dicksten und widerstandsfähigsten sein. Das wiederum ließ die Hoffnung zu, daß die Ma­schinenanlagen unbeschädigt geblieben wa­ren. Wenn nicht, würden die Aggregate für die Schwebefelder ausfallen und PELEFFS SCHLOSS mußte mit der Zeit für immer im Dominanten Morast versinken.

Es war der Gedanke an Scarta, der Noma­zar zur Aktivität antrieb. Außerdem verspür­te er Hunger, und der Vorratsbeutel war bei der Gefangennahme verlorengegangen. Er würde also ohnehin versuchen müssen, in die Palastruine zu gelangen, um sich mit neuen Lebensmitteln zu versorgen, ehe er den Marsch zum Hangar hinter dem Wald wagte.

Er kroch solange rückwärts, bis er wieder aufrecht stehen konnte. Zum Glück besaß er noch das Feuerzeug und den Strahler, mit dem sich eventuelle Hindernisse aus dem Weg räumen ließen. Er begegnete nieman­den. Seine stille Hoffnung, daß auch Scarta vielleicht Zuflucht im Geheimgang – von der anderen Seite her – gesucht hatte, erfüll­te sich nicht.

Ohne nennenswerte Schwierigkeiten ge­langte er bis zum Palast, robbte durch die kleine Öffnung und kletterte über die schon vorher herumliegenden Gesteinstrümmer im Fundament. Das vertraute Summen der Ma­schinenanlage war Musik in seinen Ohren.

Kein Roboter war zu sehen. Selbst die Wartungsautomaten schienen an der Ab­wehrschlacht teilgenommen zu haben. Der Lift funktionierte noch. Erst in den oberen

Etagen war etwas von den Zerstörungen zu bemerken. Auch stolperte er immer wieder über halb zusammengeschmolzene Roboter.

Je höher er gelangte, desto schlimmer wurde es. Nomazar war nun restlos davon überzeugt, daß niemand der Gäste den An­griff überlebt hatte.

Auch Scarta nicht. Ziellos irrte er durch die Korridore und

Gänge, die er kaum wiedererkannte. Es war fast Zufall, daß er sein ehemaliges Wohn­quartier fand. Die Angreifer hatten es durch mehrere Energieschüsse unbewohnbar ge­macht. Die automatische Küche war zer­stört. Sie gab keine Nahrungsmittel mehr her.

Jetzt kannte er sich aber wenigstens aus. Mit einem Gefühl banger Erwartung rannte er zum ehemaligen Versammlungsraum.

Schon auf den ersten Blick war zu erken­nen, daß hier ein erbitterter Kampf stattge­funden hatte. Einige zerstörte Roboter lagen umher, und zwischen ihnen das getötete Echsenwesen Pram.

Irgend etwas zwischen dem zertrümmer­ten Mobiliar bewegte sich. Nomazar räumte den zerschlagenen Tisch zur Seite und ent­deckte darunter den arg zugerichteten Morn, der ihm angstvoll entgegenblickte.

»Wo sind die anderen?« fragte Nomazar. Morn versuchte sich aufzurichten. Er

stöhnte und schien schlimme Schmerzen zu haben.

»Sie sind alle weg! Die Fremden haben sie mitgenommen.«

»Mitgenommen?« »Ja. Ich hörte etwas von einem Prozeß,

mehr weiß ich auch nicht. Ich verkroch mich hier unter den Tisch, sie fanden mich nicht.«

Er fiel zurück. Blut kam aus seinem Mund.

Nomazar wollte ihm helfen, aber Morn lehnte ab.

»Es ist sinnlos, es geht zu Ende mit mir. Laß mich hier in Frieden sterben.«

»Unsinn! Gib die Hoffnung nicht auf. Weißt du, ob man Scarta auch mitgenom­men hat?«

34

»Ja, sie ist bei den anderen.« Wieder hatte Morn einen Schwächeanfall,

diesmal schlimmer. Nomazar versuchte, ihn bequemer zu le­

gen, aber er sah ein, daß Morn nicht mehr zu helfen war.

Zehn Minuten später war er tot. Langsam begriff Nomazar, was er schon lange geahnt hatte:

Er war der einzige Übriggebliebene der Katastrophe, die Duuhl Larx' Strafgericht über PELEFFS SCHLOSS gebracht hatte.

*

Es dauerte einen ganzen Tag, ehe er die Herstellungszentrale für die Nahrungsmittel im Fundament wiederfand. Auch hier hatten die Angreifer gewütet, ohne jedoch ihr Werk zu vollenden. Wahrscheinlich hatte man sie zu früh zurückbeordert. Nach einigen ver­geblichen Versuchen gelang es Nomazar schließlich, eine der vielen Maschinen wie­der in Gang zu setzen. Sie produzierte einen geschmacklosen Nährbrei, der schnell sättig­te. Später versuchte er, auf das schrägliegen­de Dach zu gelangen, was ihm auch gelang, nachdem er mühevoll die Trümmer in der obersten Etage beseitigt oder zerstrahlt hatte. Das Dach mit der Plattform hatte sich um et­wa dreißig Grad geneigt. Trotzdem würde Peleff mit seinem Schiff hier landen können, denn die zerstörten Geschütze boten genü­gend Halt vor dem Abrutschen.

Die Frage war nur: würde Peleff über­haupt zurückkehren?

Wenn er noch lebte, würden seine von den Angreifern gefangenen Gäste gegen ihn aussagen müssen, soweit sie etwas von sei­nen Machenschaften wußten. Doch allein seine Lebensweise im Palast würde genü­gen, ein Urteil gegen ihn zu fällen.

Noch immer zögerte Nomazar, den Palast zu verlassen und sich auf die Suche nach dem vergessenen Hangar zu machen. Er wartete auf Peleff, so sehr er ihn auch haßte. Aber ohne einen hilfreichen Roboter würde er kaum den Antrieb eines Raumschiffs re-

Clark Darlton

parieren können, falls er ein solches halb­wegs intakt fand.

Peleff aber hatte ein Schiff und Roboter. Zur rechten Zeit würde er ihn schon über­

listen können. Er beschloß, noch drei Tage zu warten,

um dann allein den Versuch zu unterneh­men, ein Raumschiff für sich zu finden.

*

Am zweiten Tag erschien am Himmel ein winziges Schiff und näherte sich in unregel­mäßiger Fahrt der Palastruine.

Nomazar hatte seinen üblichen Rundgang beendet und stand auf dem schrägliegenden Dach, als er das Schiff entdeckte. Der Zick­zackkurs ließ vermuten, daß es einen Antrie­bsschaden hatte und die Antigravanlage be­schädigt war. Trotzdem versuchte es die Landung auf dem mit Kratern übersäten Plattformfeld.

Es kam, wie es kommen mußte. Nomazar hatte sich in einen Geschützhan­

gar zurückgezogen, da er befürchtete, daß einer der Angreifer zurückgekehrt war, um vielleicht durch eine Bombe das begonnene Werk der Zerstörung zu vollenden. Das klei­ne Boot konnte nicht viele Personen fassen. Unter Umständen würde es möglich sein, es zu kapern.

Aber er vergaß diese Absicht sofort wie­der, als das Schiff zur Landung ansetzte. Abgesehen davon, daß der Antrieb zum Teil ausfiel, stellte sich der Pilot auch noch sehr ungeschickt an. Er knallte mit dem Bug ge­gen die schrägliegende Plattform und be­gann sofort rückwärts abzurutschen. Nur eins der fest verankerten Geschütze verhin­derte den Absturz in den Sumpf.

Die erwartete Explosion blieb aus. Nomazar kam aus seiner Deckung und nä­

herte sich vorsichtig dem Wrack, denn etwas anderes war das kleine Schiff nicht mehr. Noch ehe er es erreichen konnte, schwang die Luke auf.

In ihr erschien Peleff. Nomazar erschrak unwillkürlich, als er

35 Der Sumpfplanet

die abgerissene Gestalt des Fettwansts er­blickte, der sich nun anschickte, die Metal­leiter herabzusteigen. Schnell sprang er hin­zu, als der Dicke abzugleiten und auf die Plattform zu fallen drohte, die ihm hier kei­nen Halt geboten hätte.

Im letzten Augenblick bekam er ihn zu fassen.

Peleff blutete aus mehreren Wunden. Es wurde höchste Zeit, daß der Blutverlust ge­stoppt wurde. Er mußte verbunden werden.

»Du, Nomazar?« keuchte Peleff. »Was ist geschehen?«

»Später! Halt dich an mir fest, wir müssen ins Fundament. Das Schiff kann jeden Mo­ment in den Sumpf rutschen.«

Peleff stellte keine Fragen mehr. Willen­los ließ er sich von Nomazar zu dem noch funktionierenden Lift schleppen, wobei er unverständliche Worte murmelte und schreckliche Verwünschungen ausstieß, die offenbar dem Neffen Duuhl Larx galten.

Nomazar führte ihn in ein Quartier, das er selbst zwei Tage lang benutzt hatte, weil es noch einigermaßen in Ordnung war. Schwer ließ sich der Dicke auf das Bett sinken und schloß die Augen.

»Das Blut!« murmelte er kaum hörbar. »Es ist das Blut dieses verdammten Duuhl Larx! Man sollte es fließen lassen, aber ich brauche es noch. Beim bösen Geist, ich brauche es noch!«

Ehe Nomazar fragen konnte, was passiert sei, begann Peleff wieder unverständlich zu reden. Dann verlor er das Bewußtsein. No­mazar zerriß sein Hemd und verband die Wunden des Tyrannen.

*

Peleff war einen vollen Tag ohne Bewußt­sein, und als er schließlich erwachte, war er so schwach, daß er kaum essen oder spre­chen wollte. Nomazar pflegte ihn, als sei er sein bester Freund, und manchmal ließ sich der Patient sogar zu einem Dankeswort her­ab.

»Was ist passiert?« fragte Nomazar am

dritten Tag. »Willst du es mir nicht verra­ten? Schließlich habe ich dir auch von dem Überfall auf den Palast berichtet.«

Der Dicke lag auf dem Rücken und starrte gegen die Decke.

»Das ist etwas anderes, aber ich will dir trotzdem erzählen, was geschehen ist. Auf dem Rückflug hierher schnitten mir Scher­gen von Duuhl Larx den Weg ab. Sie schos­sen auf mein Schiff. Die einst so stolze PELEFFS ATEM ist dahin. Ich selbst konn­te im letzten Augenblick mit diesem Beiboot entkommen. Sie haben es nicht geortet, nur deshalb gelang mir die Flucht.«

»Das ist alles?« »Ist es nicht genug? Mein Schiff ist verlo­

ren und mein Palast eine Ruine. Mein Ver­steck ist verraten, es gibt keine Zuflucht mehr für mich. Wo soll ich denn noch hin?«

»Das Beiboot?« »Es wurde noch im Hangar der ATEM

beschädigt. Ein Wunder, daß ich es bis hier­her schaffte. Du kannst es vergessen. Aber das wäre nicht das Schlimmste. Ich habe auf Caudin noch ein Organschiff verborgen. Für den Notfall. Und den haben wir jetzt.«

Nomazar hielt für eine Sekunde den Atem an.

Peleff besaß ein Raumschiff! »Ein intaktes Schiff?« vergewisserte er

sich. Nach einigem Zögern fuhr er fort: »Ich habe schon daran gedacht, den alten Raum­hafen aufzusuchen, von dem dein Robot P-Acht mir berichtete. Es soll dort einen unter­irdischen Hangar geben …«

»In ihm steht PELEFFS RACHE, mein Schiff!« unterbrach ihn Peleff.

Nun wußte Nomazar, daß er auch ohne Peleff von hier fliehen konnte, aber er brach­te es nicht fertig, den Hilflosen im Stich zu lassen. Außerdem wußte er nicht, ob die Ga­lionsfigur des Schiffes ihm gehorchen wür­de.

Er tat daher das einzig Richtige: Er pfleg­te den Verwundeten weiter, bis er allmählich zu Kräften kam und wieder aufstehen konn­te. Jammernd wanderte der Fettwanst nun durch die Ruinen seines einst so prächtigen

36

Palasts und trauerte der Vergangenheit nach, bis Nomazar es leid wurde.

»Wenn wir nicht bald von hier verschwin­den, werden deine Verfolger auf den Gedan­ken kommen, noch einmal hier nachzuse­hen. Sie werden in einem solchen Fall auch noch den Rest zerstören.«

»Du hast ja recht«, stöhnte Peleff. »Wir werden fliehen müssen. Aber kein einziger Roboter ist funktionsfähig. Wie sollen wir zum Hangar gelangen? Ich kann nicht flie­gen, und der Dominante Morast ist unüber­windlich.«

Nomazar hütete sich, ihm von seiner ver­suchten Flucht zu erzählen. Er zuckte ledig­lich die Schultern.

»Das wird behauptet, aber ich bin sicher, daß wir ihn durchqueren können. Dein treu-er Robot P-Acht hat mir eine Menge verra­ten, was nun auch für dich lebenswichtig ge­worden ist.«

»So, hat er das? Was denn zum Beispiel?« Schon wieder schwang in seiner Stimme

das Mißtrauen mit. »Der Geheimgang, der vom untersten Teil

des Fundaments hinüber zur Grasinsel führt. Kanntest du ihn nicht?«

»Natürlich kenne ich ihn, aber was soll er uns nützen? Früher stand auf der Insel im­mer ein Gleiter, aber heute nicht mehr.«

»Dann versuchen wir es eben ohne den Gleiter«, schlug Nomazar vor. »Oder sollen wir hier warten, bis sie kommen und uns tö­ten?«

»Nein, natürlich nicht«, seufzte Peleff. »Aber ich warne dich! Wenn du einen Ver­rat planst, bist du verloren. Von nun an müs­sen wir zusammenhalten, sonst überlebt kei­ner von uns.«

»Sei unbesorgt. Von nun an sind wir Ver­bündete. Der Neffe Duuhl Larx ist ebenso­wenig mein Freund wie deiner.«

»Gut. Dann wollen wir anfangen. Lebens­mittel!«

»Sind welche im Schiff?« »Genügend, aber der Weg bis zum Schiff

ist lang und weit. Unterwegs finden wir kei­ne Nahrung.«

Clark Darlton

Nomazar mußte heimlich über die Dupli­zität der Ereignisse lächeln. Zum zweiten­mal bereitete er die Flucht aus dem Palast vor. Wieder füllte er einen Beutel mit Le­bensmitteln und versah sich mit frischen Energie-Ladestreifen. Peleff hatte nicht pro­testiert, als er bemerkte, daß sein ehemaliger »Gast« eine Waffe trug.

Dann – endlich – war es soweit.

*

Nur mit viel Mühe gelang es dem aufge­schwemmten Peleff, durch das enge Loch in den Geheimgang zu kriechen. Er hatte sich aus dem Depot mit einer starken Lampe ver­sorgt und Nomazar angehalten, einiges Werkzeug mitzunehmen. Auf den Gedanken war er gekommen, als er erfuhr, daß auf der Insel zwei Schweberoboter abgestürzt seien.

Es war noch einigermaßen hell, als sie die Insel erreichten.

Die beiden Roboter sahen nicht gut aus, aber unverdrossen machte sich Peleff an die Arbeit, nahm einen der Automaten völlig auseinander und benutzte die noch intakten Teile zum Auswechseln. Als es dunkel wur­de, mußte Nomazar leuchten.

»Wir kriegen ihn wieder hin«, sagte Peleff zuversichtlich. »Aber nur den einen. Und ich fürchte, fliegen wird er kaum mehr können. Beide Aggregate sind zerstört wor­den. Immerhin ist er bewaffnet und kann uns verteidigen, wenn wir angegriffen werden.«

Sie verbrachten die Nacht auf der Insel, denn Peleff wagte es nicht, den Marsch in der Finsternis fortzusetzen, ganz abgesehen davon, daß er den Sumpf noch immer für unüberwindbar hielt. Am anderen Morgen ging Nomazar wie zufällig zur Westseite und kehrte wenig später mit der Nachricht zurück, daß er einen Pfad durch den Morast entdeckt habe.

Peleff blieb ungläubig, bis er selbst den dunklen Streifen unter dem Moorwasser sah. Sein bewundernder Blick verriet, daß er No­mazar immer mehr Vertrauen zu schenken begann.

37 Der Sumpfplanet

Mit starken Ästen bewaffnet, traten sie den gefährlichen Weg durch den Sumpf an. Diesmal durfte Nomazar vorangehen. Das war gut so, denn er wußte ja, daß die Senke im Grat war. Der Dicke wäre sicherlich ah­nungslos hineingewatet.

Als er sie erreichte, blieb er stehen. Um­ständlich untersuchte er das Hindernis, wäh­rend Peleff vor Angst zitternd hinter ihm stand und pausenlos vor sich hin fluchte. Er bereute es schon, sich auf das Abenteuer eingelassen zu haben und gab Nomazar die Schuld, wenn sie nun beide elendiglich er­trinken mußten.

Nomazar hätte ihn am liebsten in den Sumpf gestoßen, aber er beherrschte sich. Als es ihm jedoch zuviel wurde, herrschte er den Verzagten an:

»Halt den Mund, du Fettsack! Wärest du leichter, wäre alles kein Problem. Die Äste tragen dein Gewicht nicht, du wirst durch den Schlamm gehen müssen. Er reicht dir bis über den Kopf. Aber es sind ja nur zwei Meter.«

»Was hast du gesagt?« brüllte Peleff au­ßer sich. »Zwei Meter?«

»Breite und Tiefe«, bestätigte Nomazar. »Ich werde mich auf die andere Seite schie­ben und dir dann die beiden Stöcke reichen. Halte dich an ihnen fest und rutsche nicht seitlich ab. Dort ist der Morast grundlos tief. Aber wenn du auf dem Band bleibst, kann nicht viel passieren. Schließe die Augen, denn du wirst ganz untertauchen müssen.«

»Ich kann nicht schwimmen.« »Es würde dir auch nichts nützen, wenn

du es könntest. Warte jetzt, bis ich drüben bin.«

Nach bewährter Methode kroch Nomazar auf die andere Seite und reichte dann Peleff die Stöcke.

»So, los jetzt. Ich halte schon fest, aber du mußt es auch tun.«

Der Dicke erinnerte an ein schwerfälliges Monstrum, als er langsam in den Sumpf hin­einsank und sich krampfhaft an den Enden der Stöcke festklammerte. Der Morast reich­te ihm bis zum Bauch, dann bis zur Schulter

und schließlich schlug er über seinem Kopf zusammen. Nomazar zog vorsichtig an, und schon zwei Sekunden später tauchte der Kopf Peleffs wieder auf. Er prustete wie ein Nilpferd, schüttelte sich und kroch weiter, bis er endlich wieder festen Boden unter den Füßen spürte. Der Schlamm tropfte von ihm wie zähflüssiger Teer.

»Ich dachte schon, jetzt sei alles aus«, gab er zu, als sie behutsam weitergingen, auf die halb versunkene Ruine zu. »Wenn du nicht gewesen wärest …«

Dem Roboter, der ihnen folgte, machte die Lücke im Felsband nichts aus. Er ver­sank im Sumpf und tauchte Sekunden später unbeschadet wieder auf.

»In der Ruine gibt es nichts zu sehen«, meinte Peleff, der Nomazars Seitenblick falsch deutete. »Aber wie geht es nun wei­ter?«

»Ich glaube, ich habe mich früher einmal mit geologischen Phänomenen befaßt«, log Nomazar ungerührt. »Wenn mich nicht alles sehr täuscht, müßte sich das Felsband zu ei­ner Art Gipfelplateau verbreitern. Das würde bedeuten, daß der Sumpf bis zum Wald flach ist.«

»Das hört sich gut an, aber es überzeugt mich nicht. Aber noch ist es hell genug. Wir können es ja versuchen.«

Nomazar wußte, daß sie den Wald noch vor Sonnenuntergang erreichen konnten, aber er täuschte Unkenntnis vor. Immer wie­der stocherte er mit seinem Stock im Sumpf herum, als suche er nach dem günstigsten Weg. Sein Zeitplan sah so aus, daß sie vor dem Dunkelwerden den festen Waldboden erreichten.

Peleff schnaufte wie ein vorsintflutliches Ungeheuer, und in gewissem Sinn ähnelte er auch einem solchen. Über und über mit trocknendem Schlamm überzogen, wankte er hinter Nomazar her.

*

»Woher hast du denn das Feuerzeug?« fragte Peleff, als Nomazar das zusammenge­

38

tragene Trockenholz anzündete. »Es stammt aus dem Depot.«

»Gefunden. Ich war allein im Palast. Den Strahler habe ich doch auch aus dem De­pot.«

Als das Feuer loderte und die Wärme sie trocknete, meldete sich der Roboter. Seine Sprechwerkzeuge waren einigermaßen in Ordnung.

»Es nähert sich uns etwas«, sagte er mit krächzender Stimme.

Peleff zog sich sofort in den Schatten der nahen Büsche zurück, die den Schein des Feuers abhielten.

»Was nähert sich?« fragte er schaudernd. »Ein Mumpflick«, gab der Robot Aus­

kunft. Nomazar blickte zurück und suchte

Peleff. »Was ist ein Mumpflick?« fragte er in das

Dunkel hinein. »Keine Ahnung«, kam es gedämpft zu­

rück. »Sicherlich so ein Urtier, von denen es genug hier geben soll. Frage den Roboter.«

Aber der Roboter hatte andere Sorgen. Seine Programmierung befahl ihm, seinen Herren zu beschützen. Und genau das tat er dann auch. Das Mumpflick machte unheim­liche Geräusche, als es sich dem Feuerplatz näherte. Äste und Zweige knackten, und manchmal stürzte sogar ein nicht allzu dicker Baum um. Dann geriet es in den Be­reich des Feuerscheins. Es sah aus wie eine überdimensionale Walze, die sich mit Hilfe unzähliger winziger Beine fortbewegte. Die Länge betrug wohl ein Dutzend Meter. Vorn, wo man den Kopf vermuten konnte, verriet ein zusammengerollter Rüssel, daß sich das Ungeheuer auch unter der Sumpfo­berfläche bewegen konnte, ohne zu ertrin­ken. Der Rüssel diente als Schnorchel. Die Frage war nur, ob das Mumpflick ein Fleisch oder ein Pflanzenfresser war. Zum Glück ließ sich der Roboter nicht die Zeit, das herauszufinden. Er feuerte mehrere Energiebündel gegen das Untier, während sich Peleff immer tiefer ins Gebüsch ver­kroch. Nomazar blieb beim Feuer sitzen,

Clark Darlton

hielt aber mehrere brennende Holzäste be­reit, um sie im Notfall gegen den ungebete­nen Besucher schleudern zu können.

Es war überflüssig. Das Mumpflick stoppte, als es von den er­

sten Energiebündeln des Roboters getroffen wurde. Es schien nicht verletzt worden zu sein, aber wahrscheinlich spürte es einen un­gewohnten Schmerz, denn es wand sich wie ein riesiger Wurm und begann, sich zurück­zuziehen.

Der Roboter schickte noch einige Schüsse hinterher, um dem Angreifer jede Lust zu nehmen, noch einmal zurückzukehren, dann nahm er seinen Wachtposten am Rand der kleinen Lichtung wieder ein.

Peleff kam aus dem Gebüsch gekrochen. »Das war aber knapp«, sagte er. »Ich

wußte ja, daß es hier von Ungeheuern wim­melt.«

»Sie scheinen relativ harmlos zu sein«, gab Nomazar zurück.

Sie aßen und legten sich dicht neben dem Feuer zum Schlaf nieder, nachdem der Ro­bot den Befehl bestätigt hatte, Holz nachzu­legen.

6.

Die Nacht verlief ohne erwähnenswerte Ereignisse.

Peleff hatte sich gut erholt und ließ No­mazar deutlich spüren, daß er ihn nun ei­gentlich nicht mehr nötig hätte.

Nomazar registrierte die Veränderung, ließ sich aber nichts anmerken. Er war auf Peleff angewiesen.

Das Feuer war erloschen, als sie aufbra­chen.

Jetzt übernahm der Roboter die Führung. Er hatte in der vergangenen Nacht selbst

ein wenig an sich herumgebastelt und we­nigstens ein Aggregat seines Antigravfelds soweit in Ordnung gebracht, daß er sich bis zu einem Meter erheben konnte. So schweb­te er dann wie ein guter Geist vor den beiden Männern her.

Immer wieder zwangen kleinere

39 Der Sumpfplanet

Sumpftümpel zu Umwegen. In der ersten Stunde des Marsches legten sie knapp zwei Kilometer zurück.

»Wie weit ist es eigentlich?« fragte No­mazar, als sie vor einer tückisch schimmern-den Wasserfläche standen und der Roboter vorausschwebte, um den besten Weg zu fin­den.

»Ich kenne den Weg nur aus der Luft, zu Fuß bin ich ihn noch nie gegangen. Vom Waldrand an gerechnet vielleicht fünfzehn Kilometer. Bis morgen sind wir da.«

Der Roboter kehrte zurück. »Das Gelände auf der linken Seite ist

trocken und ungefährlich«, informierte er. Sie setzten sich wieder in Bewegung. Nachdem der Sumpfsee umgangen wor­

den war, schlugen sie wieder die Richtung nach Westen ein. Dabei half ihnen die Son­ne, die meist nur verschleiert zu sehen war. Das Unterholz war nicht so dicht, wie No­mazar befürchtet hatte. Man kam gut voran.

Plötzlich stieß Peleff einen Schrei aus und riß sich den rechten Stiefel vom Bein. Als er ihn umdrehte und ausschüttelte, fiel ein kaum fingerlanges Insekt heraus, das sofort davonlief.

»Es hat mich gebissen«, jammerte Peleff. »Nicht giftig, aber sehr schmerzhaft. Wir müssen vorsichtig sein, sie treten fast immer in größeren Mengen auf. Wenn sie ihr Opfer einkreisen können, töten sie es.«

Nomazar sah sich aufmerksam um und entdeckte Dutzende der gefährlichen Insek­ten in nächster Nähe. Sie lauerten halb ver­steckt unter dem Laub und zwischen herun­tergefallenen Ästen. Auch kleine Erdlöcher dienten als Unterschlupf.

Sie schienen auf den günstigsten Augen­blick zu warten.

»Wir müssen hier weg, und zwar schnell!« warnte Nomazar.

Peleff hatte seinen Stiefel wieder angezo­gen.

»Dann los!« Auch wenn sie nur langsam vorankamen,

so sorgten sie doch immer dafür, daß die Beine in Bewegung blieben. Nur so ließ sich

verhindern, daß die Insekten daran empor­kletterten. Diese Taktik half aber nur solan­ge, wie die kleinen Räuber versuchten, vom Boden aus anzugreifen. Schon zehn Minuten später mußte Nomazar erkennen, daß die In­sekten untereinander in Verbindung standen und über eine gewisse Intelligenz verfügten.

Sie änderten ihre Taktik und griffen von oben her an.

Wieder wurde Peleff ihr erstes Opfer. Er ging hinter dem Roboter her und

schnaufte vor Anstrengung. Ihm fehlten die gelegentlichen Ruhepausen.

Nomazar blieb erschrocken stehen, als er die Gefahr erkannte.

Von einem dicken Ast aus regnete eine ganze Wolke der Insekten auf Peleff hinab, der sich gerade darunter befand. Die meisten fanden keinen Halt und fielen ins Laub, aber einigen gelang es doch, sich in den Haaren oder in der Kleidung festzukrallen. Sie such­ten sofort nach einer Stelle, an der sie die ungeschützte Haut erreichen konnten.

Peleff hörte nicht mehr auf zu schreien, während er versuchte, die lästigen Peiniger abzuschütteln. Nomazar sprang hinzu und stieß ihn unter dem Ast weg. Dann half er dem Überfallenen, sich von den Insekten zu befreien. Zwei mußten regelrecht aus dem Halsfleisch gezogen werden, so fest hatten sie sich darin verbissen.

Während dieser Aktion formierten sich die Angreifer neu. In dichten Reihen kamen sie aus dem Unterholz und begannen, die beiden Männer einzukreisen. Jetzt wurde es höchste Zeit, von hier zu verschwinden.

Nomazar entsicherte den Handstrahler und setzte die nächste Kolonne der Insekten in Brand. Das trockene Laub fing sofort Feuer und half, den Angriff zu stoppen. Aber das Feuer griff schnell um sich und be­deutete eine neue Gefahr.

»Weg von hier!« rief Peleff und begann zu laufen. Nomazar folgte ihm.

Hinter den Davonrennenden begann der Wald zu brennen.

*

40

Schon nach mehreren hundert Metern ver­sperrte ein langsam dahinströmender Fluß den Weg. Es war tatsächlich ein Fluß mit gutem, reinen Wasser, wenn es auch einen sumpfigen Geschmack hatte.

»Er ist nicht breit, wir können schwim­men.«

»Ich kann doch nicht schwimmen!« brüll­te Peleff wütend.

Nomazar beruhigte ihn. »Ich werde feststellen, wie tief das Was­

ser ist. Vielleicht finde ich eine Furt. In der Zwischenzeit würde ich dir empfehlen, so weit ins Wasser zu gehen, daß es bis zu den Knien reicht. Ich hoffe, die Insekten können ebensowenig schwimmen wie du.«

»Insekten?« Peleff drehte sich er­schrocken um und sah die ersten von ihnen am Waldrand erscheinen und auf den schmalen Uferstreifen zueilen. »Sind die denn überall?«

Widerstrebend ging er ins Wasser und blieb stehen. Er zog seinen Strahler und setzte den Wald von dieser Seite aus in Brand. Das Feuer bedeutete nun keine Ge­fahr mehr, denn notfalls konnte man unter­tauchen und der Hitze entgehen.

Der Roboter hatte inzwischen schwebend den Fluß überquert und untersuchte das an­dere Ufer.

Nomazar war bis zur Flußmitte vorge­drungen. Das Wasser reichte ihm bis zur Brust und schien nicht tiefer zu werden. Der Boden war weich und schlammig.

»Keine Insekten!« teilte der Roboter von der anderen Seite her mit.

Nomazar ging weiter. Der Flußgrund stieg wieder an. Er drehte sich um und winkte Peleff zu.

»Du kannst kommen! Schwimmen ist überflüssig, wir haben Glück gehabt.«

Zögernd marschierte Peleff los und folgte dabei den Anweisungen Nomazars. Hinter ihm wurde die Feuerwand immer höher, und die Hitze überquerte den Fluß. Wahrschein­lich wäre Peleff aus Furcht vor dem Wasser wieder umgekehrt, wenn das Feuer nicht ge­wesen wäre.

Clark Darlton

Die Insekten machten vor dem Wasser halt.

Endlich erreichte auch Peleff das rettende Ufer und ließ sich in den schmutzigen Sand sinken. Er war total erschöpft.

»Keinen Schritt mehr weiter!« keuchte er. »Den Rest schaffen wir morgen leicht.«

Der Roboter suchte die nähere Umgebung ab und kehrte mit der beruhigenden Nach­richt zurück, daß er weder Insekten noch größere Tiere entdeckt habe.

In dieser Nacht war ein Feuer überflüssig. Das verglühende Ufer auf der anderen

Seite des Flusses wärmte sie, bis am anderen Morgen die Sonne aufging.

*

Nomazar versuchte sich an den Flug mit den beiden Robotern zu erinnern, die ihn eingefangen und zurück zum Palast gebracht hatten. Die flachen Gebäude mit ihrer kreis­förmigen Anordnung lagen vor den Bergen im Westen, konnten also kaum noch mehr als sieben oder acht Kilometer entfernt sein. Ein größerer Sumpf lag auch nicht mehr da­zwischen, behauptete Peleff mit Bestimmt­heit. In drei oder vier Stunden höchstens konnte man also am Ziel sein.

»Und wohin willst du dich wenden«, frag­te Nomazar, als sie sich zum Aufbruch fer­tigmachten, »wenn dein Schiff noch da und intakt ist, und wenn wir Caudin verlassen haben?«

Peleff sah hinauf in den verhangenen Himmel.

»Im Rghul-Revier können wir nicht mehr bleiben, das steht fest. Duuhl Larx sucht mich. Er will mich vor Gericht stellen, was den sicheren Tod bedeutet. Früher oder spä­ter würden uns seine Häscher finden. Du bist dann genauso verloren wie ich, darüber mußt du dir im klaren sein. Nein, wir müs­sen weit fort, und ich habe auch schon eine Idee …«

»Kannst du sie mir verraten?« Peleff gab dem Roboter einen Wink. Sie

brachen auf. Der Wald auf der anderen Seite

41 Der Sumpfplanet

brannte noch immer. »Warum nicht? Wir werden versuchen,

mit dem Schiff das Marantroner-Revier zu erreichen. Dort ist der Neffe Chirmor Flog unumschränkter Herrscher. Er gilt als Geg­ner von Duuhl Larx. Sicher wird es mir ge­lingen, mich mit ihm zu verbünden, denn schließlich weiß ich über eine Menge Dinge Bescheid, die ihm von Nutzen sein können.«

»Und was wird aus mir?« Peleff drehte sich nur kurz um und warf

ihm einen undefinierbaren Blick zu. »Das werden wir noch sehen, Nomazar.« Nach einer Marschstunde stieg das Gelän­

de noch immer leicht an. Es hatte auch keine Sümpfe mehr gegeben. Die Niederung war endgültig zurückgeblieben. Der Boden war trocken und fest, manchmal sogar felsig.

»Wir haben es bald geschafft«, keuchte Peleff. Schweißtropfen standen auf seiner fetten Stirn. »Hinter den flachen Hügeln muß es sein.«

Die Hügel waren nur zwei Meter hoch und noch drei Kilometer entfernt, aber sie nahmen den Männern die Sicht. Auf Peleffs Befehl hin eilte der Roboter voraus. Er sollte berichten, was hinter dem Hügelzug zu se­hen war.

»Ruhen wir uns ein wenig aus«, schlug er Nomazar vor. »Jetzt kommt es auf eine Stunde mehr oder weniger auch nicht mehr an.«

Nomazar war mit der Pause einverstan­den.

»Ich habe von P-Acht nicht viel über die untergegangene Zivilisation erfahren kön­nen«, sagte er, als sie im warmen und trockenen Gras saßen. »Eigentlich schade, daß man nicht weiß, wohin sich die Flücht­linge gewandt haben, die den Untergang überlebten. Es ist überhaupt verwunderlich, daß ein intelligentes Volk nichts gegen den drohenden Untergang unternahm, obwohl es doch vorauszusehen gewesen sein mußte.«

»Vielleicht haben sie es bis zum Schluß selbst nicht glauben wollen. Eine Welt, die Jahrmillionen lang ein Paradies war, kann durch einige Jahrhunderte Technisierung zu­

grunde gerichtet werden – das ist eine alte Erfahrung. Nur lernt niemand daraus.«

Sie schwiegen nachdenklich, und dann kam der Roboter zurück.

»Hinter den Hügeln liegt der Hangar. Ich kenne ihn nur nach der Beschreibung, denn ich war noch nie da. Aber er muß es sein. Nur fürchte ich, daß es Schwierigkeiten ge­ben wird.«

»Wieso denn das?« fuhr Peleff auf. »Schwierigkeiten?«

»Ich wurde beschossen, als ich in Sicht­weite geriet.«

Peleff starrte ihn an wie einen Geist. »Beschossen?« Er warf Nomazar einen

ratsuchenden Blick zu. »Wer sollte dich den beschossen haben? Die Anlage ist verlassen. Niemand lebt dort.«

Nomazar hatte seine eigenen Vermutun­gen, sagte aber nichts. Er mußte an das Ske­lett in der Ruine denken. Vielleicht war es doch einmal früher einem der »Gäste« ge­lungen, bis hierher zu fliehen und zu überle­ben. Aber dann wäre er sicher mit Peleffs Schiff auf und davon.

»Ich wurde jedenfalls beschossen«, blieb der Roboter bei seiner Behauptung und zog sich zurück.

Peleff versank in tiefes Nachdenken.

*

Vorsichtig näherten sie sich dem oberen Rand der Hügelkette. Die letzten Meter kro­chen sie, um vom Hangar aus nicht gesehen zu werden. Dann lagen sie in einer flachen Senke, die genügend Deckung bot, und blickten in die Ebene hinab, die vor und un­ter ihnen bis zu den fernen hohen Bergen im Westen reichte.

Peleff war nervös und unsicher. »Jetzt liege ich hier wie ein Dieb, der sein

Eigentum stehlen muß. Ich kann mir das al­les nicht erklären. Wir werden warten, bis es dunkel wird.«

»Schick doch den Roboter vor.« »Keine schlechte Idee. Dann wissen wir

wenigstens, ob er nicht gelogen hat. Denn

42

die Behauptung, ein Roboter spräche immer die Wahrheit, ist nichts als ein technisches Märchen.«

»Wir werden ja sehen …« Der Roboter glitt auf seinem Schwebefeld

über die nächste Kuppe hinweg und geriet so in den Sichtbereich des Hangars, der in der Tat einen verlassenen Eindruck machte. Aufmerksam beobachteten die beiden Män­ner die Flachbauten. Wenn überhaupt, dann konnte nur von ihnen aus geschossen wor­den sein. Aber es war nichts Verdächtiges zu bemerken.

Es war reiner Zufall, daß Nomazar mehr auf das runde Landefeld achtete, unter dem sich der subplanetare Hangar befand. Ziem­lich genau in seiner Mitte entstand plötzlich eine Bewegung. Ein rechteckiges Stück Bo­den versank in der Tiefe, und schon eine Se­kunde später erschien ein Energiegeschütz.

»Ruf den Robot zurück!« riet Nomazar. »Schnell!«

Peleff hatte ebenfalls gesehen, was gesch­ah. Auf sein Kommando hin kam der Robo­ter zurückgeschwebt, wobei er mehrere Ha­ken schlug. Das war sein Glück. Die zwei Energieschüsse, die ihm galten, fuhren an ihm vorbei und verloren sich im grauen Himmel.

Das Geschütz verschwand wieder in der Versenkung.

Peleffs Gesichtsfarbe hatte sich verändert. »Es stimmt also doch! Vielleicht sollten

wir uns der Anlage von der anderen Seite her nähern. Ich kann nur hoffen, daß nicht Subtuhl dahintersteckt.«

»Wer ist denn Subtuhl?« »Meine Galionsfigur im Schiff. Ein Gro­

de.« Das sagte Nomazar nichts. »Kannst du

Kontakt mit ihm aufnehmen?« »Wie denn? Wir haben kein Funkgerät.

Das ist erst im Schiff über die Bordanlage möglich. Aber wie kommen wir ins Schiff?«

Nomazar antwortete nicht. Scharf beob­achtete er die Gebäude und die Landefläche, aber nicht die geringste Bewegung verriet, daß sich dort jemand aufhielt.

Clark Darlton

Inzwischen sank die Sonne den westli­chen Bergen entgegen. In einer Stunde wür­de die Dämmerung einsetzen.

»Hat der Hangar eine automatische Ab­wehranlage, Peleff?«

»Ich weiß es nicht. Bemerkt habe ich kei­ne, aber ich achtete auch nicht darauf.«

»Spielt auch keine Rolle. Jemand oder et­was reagiert jedenfalls auf unsere Anwesen­heit, und nicht gerade freundlich.«

Als es halbwegs dunkel geworden war, hatten sie ihre Taktik entwickelt. Der Robo­ter würde die Anlage in großem Bogen um­gehen und sich von der entgegengesetzten Seite her dem Hangar nähern.

Peleff und Nomazar warteten die verein­barte halbe Stunde, dann erhoben sie sich und überschritten die schützende Hügelkup­pe, jeden Augenblick bereit, in die Deckung zurückzueilen oder sich in Deckung zu wer­fen.

Aber es geschah nichts. Sollten sie tatsächlich den unheimlichen

Wächter überlistet haben? Vorsichtig gingen sie weiter.

*

Bereits vor drei Jahren war es Parentos gelungen, aus PELEFFS SCHLOSS zu flie­hen. Er hatte alle seine Verfolger abgeschüt­telt und war nach wochenlanger Irrwande­rung auf den ehemaligen Raumhafen gesto­ßen. Er war groß und stark und entfernt hu­manoid. Seine Nahrung bestand aus Früch­ten, die er reichlich in der Ebene fand. Manchmal gelang es ihm auch, ein kleineres Tier zu erlegen, das er roh verzehrte. Im un­terirdischen Hangar fand er Peleffs Organ­schiff, aber es gelang ihm nicht, die ver­schlossene Luke zu öffnen oder Kontakt zu dem wartenden Groden Subtuhl aufzuneh­men. Trotzdem bewachte er es, in der heim­lichen Hoffnung, es könnte ihm eines Tages doch noch zur Flucht von dieser Welt ver­helfen.

Doch das lange und vergebliche Warten begann seinen Geist zu verwirren. Amnesie

43 Der Sumpfplanet

trat ein, und er vergaß seine Herkunft. Schließlich vergaß er auch, was er hier woll­te und wer er war.

Er wurde zum Wächter der Hangarruinen. Wenn es ihm auch nicht gelungen war, in

das Raumschiff einzudringen, so war er doch in anderer Beziehung erfolgreich. Das ebenfalls im Hangar unter der Landefläche stationierte energetische Abwehrgeschütz funktionierte noch einwandfrei. Er hatte es mehrmals ausprobiert und auf imaginäre Ziele geschossen.

Richtige Ziele zeigten sich nie. Das geschah heute zum erstenmal. Das Jagdfieber packte ihn, als er den Ro­

boter über den Hügeln im Osten erspähte. Er kannte diese Roboter sehr vage. Hatten sie ihn nicht einst verfolgt und war er nicht vor ihnen geflohen?

Sie waren also seine Feinde! Damit war sein wirrer Geist entsprechend program­miert.

Der Roboter erschien noch einmal und wurde abermals vertrieben.

Als der Tag sich allmählich in die Nacht verwandelte, wurde Parentos ratlos. In der Dunkelheit hatte er noch nie das Geschütz aktiviert, weil es niemals notwendig war. Wie sollte er im Dunkeln sehen?

Tief unter der Oberfläche in Fels einge­bettet lagen die unerschöpflichen Energiere­serven der unbekannten Erbauer. Aber Pa-rentos hatte nie entdeckt, daß sie auch die ausfahrbaren Scheinwerfer mit Energie ver­sorgten, die selbst die finsterste Nacht in hellsten Tag verwandeln konnten.

Nur das rettete Nomazar und Peleff das Leben.

7.

Die beiden Männer hatten sich so weit dem ersten Flachbau genähert, daß er wie ein dunkler Schatten vor ihnen aufragte, der sich nur vage gegen den Nachthimmel ab­hob. Immerhin konnte der unbekannte Geg­ner sie nun mit dem Geschütz nicht mehr er­reichen.

Peleff hatte Nomazar erklärt, daß man von jedem Gebäude aus in den Hangar ge­langen konnte. Die ganze Anlage war er­staunlich gut erhalten, wenn auch die Zwi­schenmauern zum Teil eingestürzt waren.

Sie blieben stehen. »Der Eingang muß rechts sein«, flüsterte

Peleff, den Strahler in seinen zitternden Händen. »Wo bleibt nur der Roboter?«

»Er sieht jetzt auch nicht besser als wir.« »Doch, das tut er. Sein Infrarotauge ist in

Ordnung. Er kann uns also auch in der Dun­kelheit orten. Und nicht nur uns, sondern auch denjenigen, der gefeuert hat – falls es nicht auch ein Robot ist.«

Sie schwiegen und warteten, bis Peleff die Geduld verlor.

»Es hat wenig Sinn, noch länger hier her­umzustehen. Der Roboter wird uns schon finden, und wenn nicht, ist es kein großer Verlust mehr. An Bord meines Schiffes sind noch genug von ihnen, und alle intakt. Halte dich dicht bei mir, sonst verlieren wir uns.«

Nach einigem Herumtasten fanden sie den Eingang zum Flachbau, der von Trümmern halb blockiert war. Auf allen vieren krochen sie darüber hinweg, bis sie wieder aufrecht stehen konnten.

Peleff zögerte, aber dann schaltete er sei­ne Lampe ein.

»Sonst sehen, wir nichts«, erklärte er. »Ich habe in der ganzen Anlage damals kei­ne Handwaffen entdecken können, der Un­bekannte hat also wahrscheinlich nur das fest verankerte Geschütz zur Verfügung. Das kann er schlecht mit sich herumtragen. Hoffentlich gibt es nur dieses eine. Ich könnte mir vorstellen, daß man damit, wenn es im Hangar versenkt ist, auch mein Schiff zerstören könnte.«

»Wir müssen eben schneller sein«, meinte Nomazar.

Sie folgten dem Längskorridor und er­reichten die Liftanlage. Peleff deutete auf die zertrümmerte Kabine.

»Unbenutzbar, wie du siehst. Wir müssen die Treppen nehmen.«

»Wie tief liegt der Hangar unter der Ober­

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fläche?« »Du wirst staunen, wenn du es hörst:

zweihundert Meter.« »Beachtlich«, gab Nomazar zu. »Und du

hast in ihm kein Schiff der unbekannten Fremden gefunden?«

»Nein, der Hangar war leer. Ich hätte mir kein besseres Versteck für die PELEFFS RACHE wünschen können. Aber verlieren wir keine Zeit mehr. Der Abstieg über die Treppe wird alles andere als ein Vergnügen sein.«

Peleff hatte aus mehreren Gründen recht. Abgesehen davon, daß zweihundert Meter

Treppen anstrengend genug waren, kamen noch die von der Decke herabgestürzten Trümmer hinzu, über die man hinwegsteigen mußte. Außerdem waren Wände und die Treppen selbst feucht und glitschig. Noma­zar rutschte mehrmals aus und fiel hin. Peleff erging es nicht viel besser.

Sie brauchten eine gute Stunde, ehe sie den Boden der gewaltigen Höhle erreichten, die man in die Kruste des Planeten ge­schmolzen hatte.

Peleff hatte längst die Lampe ausgeschal­tet. Der Lichtschein wäre bis zur anderen Seite des Hangars zu sehen gewesen.

Die beiden Männer standen da und lauschten.

Sie wagten kaum zu atmen.

*

Von Westen her näherte sich der zusam­mengeflickte Roboter der Hangaranlage. Zwar konnte er Peleff und Nomazar auf der gegenüberliegenden Seite orten, aber noch ehe er sich entscheiden konnte, welchen Weg er einschlagen sollte, um auf sie zu treffen, verschwand die Ortung wieder.

Da wußte der Roboter, daß die Männer in den Hangar eingedrungen waren. Er mußte ihnen so schnell wie möglich folgen.

Wahllos drang er in den ersten Flachbau ein und begann ihn zu durchsuchen. Er orte­te keine Wärmequelle, also auch keinen Gegner. Doch das hatte nicht viel zu bedeu-

Clark Darlton

ten. Die dicken Mauern ließen keine Wär­mespuren durch.

Der unbekannte Feind, der auf ihn ge­schossen hatte, hielt sich logischerweise im Hangar selbst auf, sonst hätte er das Ge­schütz nicht bedienen können, es sei denn, das geschah von einer Leitstelle aus. Da sei­ne Programmierung in erster Linie darauf ausgerichtet war, seinen Herrn – Peleff – zu beschützen, sah sich der Roboter gezwun­gen, so schnell wie möglich in den Hangar zu gelangen.

Ohne die in seinem Körper eingebaute Lampe einzuschalten, bewegte er sich in der Dunkelheit erstaunlich sicher. Seine Optik sammelte auch die geringsten Spuren von Licht ein und verwandelte sie in ein Bild.

Systematisch durchsuchte er den Flach­bau. In einem der vielen Räume, die der Verwitterung standgehalten hatten, entdeck­te er die Reste von abgenagten Knochen. Ei­ne schnelle Analyse bestätigte, daß sie nicht älter als eine Woche sein konnten. Gleich­zeitig verriet sie, daß der unbekannte Feind im Hangar organischer Natur war, also kein Roboter wie er selbst.

Er fand noch mehr Spuren und ältere Knochenreste. Die ältesten waren nahezu drei Jahre alt. Der Unbekannte hatte sich nicht die Mühe gemacht, seinen Unrat fort­zuschaffen. Er hatte einfach ständig sein Quartier gewechselt.

Endlich schwebte der Roboter vor dem Liftschacht. Er zögerte.

Eine Kabine war nicht vorhanden, und die Tiefe des Schachtes betrug nach den Werten der Auslotung zweihundert Meter. Da die Antigravfelder nicht einwandfrei funktio­nierten, konnte das einen verheerenden Ab­sturz zur Folge haben. Blieben also nur die Treppen, die in die Tiefe führten.

Schnell glitt der Roboter über die Trüm­mer auf den Stufen nach unten.

Sein Tastsinn half ihm dabei, denn nun verschwanden auch die letzten Lichtspuren.

Er wurde so gut wie blind.

*

45 Der Sumpfplanet

Parentos lauerte in der Nähe des Geschüt­zes und wartete. Die einzige handliche Waf­fe, die er besaß, war ein Energiestrahler, den er aus einem abgestürzten Wachroboter aus­gebaut hatte. Aber das war schon lange her, und Ersatz-Energiestreifen besaß er nicht. Er mußte sparsam mit seinen letzten Reserven umgehen.

Er war fest entschlossen, sein Versteck gegen jeden Eindringling zu verteidigen. Der Roboter, auf den er geschossen hatte, genügte ihm als Beweis dafür, daß sich ihm keine Flüchtlinge näherten.

Das Geschütz hatte er wieder versenkt. Es stand in der Mitte der Hangarhalle auf einem drehbaren Podest. Mit ihm ließ sich sowohl der Hangar selbst, wie auch das Landefeld an der Oberfläche verteidigen.

Sollten sie nur kommen …! Seine durch das Leben in der Wildnis ge­

schärften Ohren vernahmen vage ein Ge­räusch, das nicht hierhergehörte. Es kam vom Rand des Hangars auf der Ostseite. Pa-rentos unterdrückte sein Verlangen, das Ge­schütz in diese Richtung zu drehen und zu feuern. Es war noch zu früh, seine Position zu verraten.

Zweihundert Meter südlich vom Geschütz stand das Raumschiff auf der Hebebühne, die es an die Oberfläche befördern konnte. Er mußte verhindern, daß die Neuankömm­linge es fanden. Vielleicht gelang ihnen das, was ihm bisher nicht gelungen war, und dann würden sie starten und ihn zurücklas­sen. Nein, das Schiff gehörte ihm allein.

Wieder das Geräusch! Es mußten Schritte sein, die sich ihm vorsichtig näherten.

Angestrengt starrte Parentos in das Dun­kel, aber er konnte nichts sehen. Er wußte, wie das Licht im Innern des Hangars einge­schaltet wurde, aber noch wartete er. Erst dann, wenn die Eindringlinge dicht vor dem Geschütz waren, sollte es hell werden. Sie befanden sich dann ohne Deckung fast mit­ten in der Halle und boten ein gutes Ziel.

Parentos' heimtückischer Plan wäre wahr­scheinlich gelungen, wenn der zusammenge­flickte Roboter Peleffs nicht gewesen wäre

*

Die Infrarotortung zeigte drei Quellen an, als der Roboter die Grundfläche des Hangars erreichte. Die Strahlung kam aus einer Rich­tung, nämlich von Osten. Eine Quelle lag näher als die beiden anderen.

Die Situation war klar: zwischen Peleff und Nomazar einerseits und dem Roboter andererseits befand sich das Energiege­schütz mit dem unbekannten Gegner.

Das erforderte sofortiges Handeln. Völlig geräuschlos schwebte er weiter,

auf die Mitte des Hangars zu, wo er das Ge­schütz wußte. Die etwas stärkere Wärmeab­strahlung führte ihn genau ins Ziel.

Doch bevor er es erreichen konnte, wurde ihm eine schnelle Entscheidung aufgezwun­gen.

Parentos schaltete die Hangarbeleuchtung ein.

Der Roboter sah Peleff und Nomazar, die, von der plötzlichen Helligkeit überrascht, knapp fünfzig Meter vor dem Geschütz ste­hengeblieben waren und viel zu langsam reagierten. Wahrscheinlich wurden sie ge­blendet.

Der kräftig gebaute Fremde aber war vor­bereitet.

Die Hand mit dem Strahler hob sich. Mit hoher Beschleunigung raste der Roboter auf den Gegner zu, denn zum Aktivieren der ei­genen Waffe blieb keine Zeit mehr. Der Aufprall war fürchterlich und für Parentos verhängnisvoll. Zwar gelang es ihm noch, seine Waffe auf die Männer abzufeuern, doch das Energiebündel schoß über sie hin­weg und traf die zweihundert Meter hohe Decke. Geschmolzenes Material tropfte her­ab, richtete aber keinen Schaden an.

Parentos wurde mit zerschmettertem Kör­per zu Seite geschleudert und blieb tot lie­gen. Der Roboter wurde durch den Zusam­menstoß aus seiner Bahn gelenkt und konnte nicht mehr korrigieren. Mit voller Wucht ra­ste er, schräg von oben kommend, gegen die

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massive Verankerung des Geschützes und detonierte. Die Einzelteile wurden in alle Richtungen geschleudert.

Wie durch ein Wunder wurden Peleff und Nomazar nicht durch die herumfliegenden Trümmer getroffen. Sie standen noch immer wie erstarrt auf dem selben Fleck und be­griffen erst langsam, was geschehen war. Alles hatte sich in weniger als zwei Sekun­den abgespielt. »Das war knapp!« stieß No­mazar schließlich hervor.

»Unser Roboter ist nun endgültig hinüber. Er hat uns das Leben gerettet.«

»Das war seine Aufgabe«, erwiderte Peleff emotionslos.

Er ging zu der Leiche Parentos' und beug­te sich hinab.

»Kennst du ihn?« fragte Nomazar. Peleff richtete sich wieder auf.

»Einer meiner Gäste. Er ist vor zwei oder drei Jahren entflohen. Ich hätte nie gedacht, daß er bis hierher kommen würde. Ich hielt das für unmöglich.«

Nomazar gab keinen Kommentar dazu. Außerdem sah er in diesem Augenblick

etwas, das ihn viel mehr interessierte. Er sah die PELEFFS RACHE.

*

Das Schiff stand weit hinter dem demo­lierten Geschütz im hellen Licht der rundum im Hangar angebrachten Scheinwerfer. Es besaß die Form eines gewaltigen Konus. Der Durchmesser des schmaleren Bugs betrug etwa siebzig Meter, der des Hecks gut hun­dertsechzig Meter. Die Gesamtlänge schätz­te Nomazar auf zweihundert Meter, es konn­ten auch etwas weniger sein.

In der Transparentkuppel des Bugs er­kannte er vage die Umrisse der Galionsfigur. Der Grode, den Peleff Subtuhl genannt hat­te, schien ein weißhäutiger Klumpen zu sein, der ständig seine Gestalt änderte. So wenig­stens sah es auf den ersten Blick aus. Später erst konnte Nomazar feststellen, daß die ständig neu geformten Extremitäten diesen Eindruck hervorriefen. Das ganze Wesen

Clark Darlton

war nicht größer als einen Meter. Das also war das Schiff, das sie von die­

ser Welt fortbringen sollte! Peleff kam zu Nomazar zurück. »Ja, das ist die PELEFFS RACHE«, sagte

er stolz, als habe er die Gedanken seines ehemaligen Gastes erraten. »Ein gutes Schiff, das kannst du mir glauben. Aber was stehen wir hier herum? Bereiten wir alles für den Start vor.«

»Hoffentlich ist es unbeschädigt. Dieser Fremde dort hat in der langen Zeit, die er hier verbrachte, sicherlich versucht, in das Schiff einzudringen und könnte wichtige Teile beschädigt haben.«

»Das glaube ich nicht. Wer das Kodewort nicht kennt, kann unmöglich die Luken öff­nen. Und Beschädigungen sind nicht zu se­hen.«

Wenig später standen sie vor dem Organ­schiff.

Peleff sagte ein paar Worte in einer No­mazar fremden Sprache, und über ihnen schwang die Luke auf. Eine schmale Metal­leiter schob sich heraus und senkte sich nie­der.

»Na also!« sagte Peleff zufrieden und kletterte hinauf, dicht gefolgt von Nomazar, den plötzlich ein seltsames Gefühl der Unsi­cherheit beschlich.

In der Zentrale schaltete Peleff die Bord­funkanlage ein und nahm Kontakt mit seiner Galionsfigur auf. Soweit Nomazar erraten konnte, erhielt Subtuhl Anweisungen, einen bestimmten Kurs zu errechnen und zu pro­grammieren. Auch die Zielkoordinaten wa­ren bei den Daten.

Das seltsame Gefühl war stärker gewor­den. Nomazar spürte die Bedrohung, aber sie kam nicht aus dem Schiff. Sie kam von außen.

Vom Landefeld vielleicht …? Gab es noch einen weiteren Gegner, dem

es bisher gelungen war, sich zu verbergen? »Wann sind wir startbereit?« fragte er. Peleff unterbrach seine Verbindung mit

Subtuhl. »In wenigen Stunden, bei Morgengrau­

47 Der Sumpfplanet

en.« Sein Blick verriet Verwunderung. »Warum fragst du?«

»Ich weiß nicht, aber mir ist bei dem Ge­danken an den Start nicht wohl. Es ist, als warne mich etwas. Eine Gefahr …«

»Unsinn! Was soll denn noch passieren? Wir haben das Schiff …«

»Ich meine den Start! Wir haben noch Zeit. Hast du etwas dagegen, wenn ich noch einmal nach oben gehe und mich umsehe?«

»Warum sollte ich? Wenn du nicht recht­zeitig zurück bist, fliege ich allein.«

Nomazar wollte etwas sagen, drehte sich aber dann wortlos um und verließ das Schiff, dessen Luke noch geöffnet war. Schnell durchquerte er den Hangar und machte sich an den beschwerlichen Aufstieg. Er benötig­te wieder eine Stunde dazu, ebensoviel wie beim Abstieg. Im Flachbau nahm er den ent­sicherten Strahler in die Hand. Das Gefühl, nicht mehr allein zu sein, war stärker gewor­den. Wenn er wenigstens jetzt den Roboter dabei hätte. Als er den Ausgang erreichte und ins Freie treten wollte, prallte er zurück. Seitlich auf dem Landefeld standen zwei Or­ganschiffe.

*

Eine halbe Stunde später kletterte er in PELEFFS RACHE zurück und schloß die Luke manuell. Hastig eilte er in die Zentrale, in der Peleff noch mit letzten Startvorberei­tungen beschäftigt war.

»Nun, beruhigt?« fragte er in einem Ton, als wisse er die Antwort bereits.

»Beruhigt? Nur insofern, als mich mein Gefühl nicht getäuscht hat. Draußen auf dem Landefeld stehen zwei Raumschiffe, und ich gehe jede Wette darauf ein, daß Duuhl Larx sie geschickt hat. Es sieht jedoch nicht so aus, als wüßten sie, daß wir hier sind.«

Peleff sackte ein wenig in sich zusammen, als er die schlimme Nachricht vernahm. Lange sprach er kein Wort, dann meinte er:

»Sie warten, daß wir ahnungslos mit der Plattform zur Oberfläche emporsteigen und ganz normal starten. Das ist der Augenblick,

in dem wir wehrlos sind und sie uns vernich­ten können. Ich möchte nur wissen, wie sie von dem Hangar und meinem Schiff erfah­ren konnten.«

»Vielleicht verriet dich einer der entflohe­nen Gäste.«

»Möglich. Aber das spielt nun auch keine Rolle mehr. Wir müssen sie täuschen, ihnen keine Zeit zu einem Angriff lassen. Ich wer­de mit Subtuhl reden. Er wird wissen, was zu tun ist.«

Ohne den Translator einzuschalten, unter­hielt sich Peleff längere Zeit mit dem Gro­den. Als er zu Nomazar zurückkehrte, zeigte sein Gesicht einen zufriedenen Ausdruck.

»Das gibt eine Überraschung!« prophezei­te er fast heiter. »Subtuhl ist unbezahlbar. Hast du die Außenluke verschlossen?«

»Ja.« »Dann kann es bald losgehen.« »Willst du mir nicht verraten, was du vor­

hast?« bat Nomazar. »Du wirst es früh genug sehen«, lehnte

Peleff ab. »Setz dich in den zweiten Sessel. Anschnallen, denn es wird ein wenig turbu­lent zugehen.«

Auch Peleff ließ sich von der Automatik die Gurte anlegen, dann lehnte er sich zu­rück und schaltete den Bildschirm ein, auf dem vorerst nur die Decke des Hangars zu erkennen war.

Dann aber veränderte sich etwas an dieser Decke.

Zuerst entstand ein schmaler Spalt, durch den das schwache Licht der Morgendämme­rung in den inzwischen abgedunkelten Han­gar fiel. Der Spalt vergrößerte sich dann sehr schnell und wurde zu einer riesigen Ausflug­öffnung. Darüber hing der von Nebelwolken verhangene Himmel Caudins.

Nomazar erwartete, daß sich nun die Plattform, auf der das startbereite Schiff ruh­te, langsam nach oben bewegte, aber er täuschte sich. Er täuschte sich genauso wie die Häscher Duuhl Larx', die mit ihren Or­ganschiffen auf der Lauer lagen. Subtuhl, die Galionsfigur, handelte schnell und wagte den Blitzstart aus dem Stand heraus.

48

PELEFFS RACHE schwebte nur wenige Meter auf seinen Antigravfeldern empor, die Schwerkraft und Andruckneutralisatoren be­reits eingeschaltet. Dann beschleunigte das Schiff mit allerhöchsten Werten und raste wie ein Geschoß durch die Öffnung der Hangardecke, um bereits in der nächsten Se­kunde in der Wolkendecke zu verschwinden.

Die Schergen des rachsüchtigen Neffen Duuhl Larx waren mehr als überrascht. Ein verräterischer Tip hatte sie hierhergebracht, sie wußten, daß Peleff hier ein Schiff ver­borgen hatte und mit ihm fliehen wollte. Auch nahmen sie an, daß die Plattform lang­sam nach oben steigen und auf dem Lande­feld erscheinen würde. Das war der Augen­blick, in dem man das Vernichtungsfeuer er­öffnen wollte. Dieser Augenblick wurde ver­paßt. Als die ersten Kommandos gebrüllt wurden und sich die Luken schlossen, war es schon zu spät. Zwar konnten die beiden Schiffe noch starten und eine Ortung der flüchtenden PELEFFS RACHE vornehmen, aber sie waren schon wenige Sekunden spä­ter wertlos. Ihre Spur verlor sich im Hyper­raum.

*

Clark Darlton

Als die Sonne Caudins zu einem winzigen Stern geworden war, vergewisserte sich No­mazar noch einmal:

»Du willst also ins Marantroner-Revier? Und was soll dort mit mir geschehen?«

»Du bist noch immer mein Gast«, erwi­derte Peleff triumphierend. »Von nun an werde wieder ich allein bestimmen, was ge­schieht. Chirmor Flog wird sich mir gegen­über dankbar erweisen und mir Gäste, deren Nähe ich ertragen kann, erlauben. Es wird dir nicht schlecht gehen.«

Nomazar war entschlossen, sich nicht wieder in ein goldenes Gefängnis sperren zu lassen. Tief in seinem Unterbewußtsein reg­te sich seine vergessene Vergangenheit, und er wußte, daß er noch eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hatte. Eines Tages würde er wis­sen, wer er wirklich war, aber bis dahin mußte er sich gedulden. Eins jedoch war si­cher: Nie und nimmer würde er sich noch einmal dem Willen Peleffs beugen und sich zu seinem Sklaven degradieren lassen. Frü­her oder später kam seine Stunde … Die Stunde der Freiheit!

E N D E

Weiter geht es in Atlan Band 419 von König von Atlantis mit: Welt der Schätze von Marianne Sydow