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Der Zielstern

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Nr. 100Der ZielsternSeit dem Geschehen im letzten Roman sind 57 Jahre vergangen - auf der Erdeschreibt man das Jahr 2102.von K. H. Scheer

Die Verhältnisse haben sich konsolidiert. Atlans Stellung als Imperator Gonozal konnte mit Hilfe seinerterranischen Freunde gefestigt werden. Terraner nehmen wichtige Positionen auf Arkon ein, um das GroßeImperium handlungsfähig zu erhalten.Das Solare Imperium ist zur bedeutendsten Handelsmacht im bekannten Sektor der Milchstraße und imarkonidischen Kugelhaufen M-13 außerhalb der galaktischen Randzone geworden. Siedlerschiffetransportieren unaufhörlich Auswanderer zu Pionierwelten. Kontakte zu zahlreichen fremden, intelligentenRassen werden gepflegt.Zu diesem Zeitpunkt findet in aller Stille die Erprobung eines neuen Raumschiffsantriebs statt, eines Antriebs,der die Raumschifffahrt zu ungeahnter Blüte bringen wird. Wie diese Erprobung verläuft und was während derFahrt der FANTASY alles geschieht, das schildert Ihnen K. H. Scheer in diesem Band.

Die Hautpersonen des Romans:Perry Rhodan - Administrator des Solaren Imperiums.Leutnant Brazo Alkher - Er läßt sich seine Koffer tragen.Dr. Arno Kalup - Ein fähiger Hyperphysiker - und ein Choleriker.Oberst Jefe Claudrin - Kommandant des Forschungskreuzers FANTASY.Reginald. Bull - Perry Rhodans Freund und Vertrauter.Gucky - Der Allround-Mutant ist ihre letzte Starthilfe.Auris von Las-Toor - Sie nimmt mit den Besuchern des Blauen Systems Kontakt auf.

1.

»Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun, Mister!«Alfo Zartus fuhr zusammen. In verkrampfter

Haltung blieb er stehen. Seine Hand umklammertedie Zahnprothese, als handle es sich um dasGriffstück einer gefährlichen Waffe.

»Umdrehen, Hände über den Kopf erheben unddas Gebiß fallen lassen«, ordnete die gleiche,unpersönlich klingende Stimme an, die Zartus ausseiner heimlichen Tätigkeit aufgeschreckt hätte.

Er lauschte den Worten nach und versuchte dabei,den Standort des Sprechers ausfindig zu machen.

Dicht vor Zartus glitt das breite Förderband dervollautomatischen Zubringerstation XVIII lärmendüber die spiegelblanken Laufrollen. Die auf demBand liegenden Aggregate wären Teilprodukte einesferngesteuerten Waffenschwenkarms der geheimenEinbauserie LA-185-GEZO-III, bestimmt für dieAußen-Drehkranzkuppeln von Schweren Kreuzernder TERRA-Klasse.

Das Besondere an den Konstruktionen waren dieneuartigen Feldgleitlager, mit denen die im absolutenVakuum ständig auftretenden Schmierproblemeendgültig überwunden worden waren.

Alfo Zartus blickte sich wie gehetzt um. Es warniemand zu sehen. Der schmale, langgestreckte Gangbot keine Versteckmöglichkeit. Lediglich die stabilen

Tragfüße des Laufrollengerüstes wären eventuelldazu geeignet gewesen, einem Mann Deckung zubieten.

Zartus folgte seinem Instinkt. Mit einer raschenHandbewegung schob er die Oberkieferprothese inden Mund. Für einen Augenblick fühlte er denschmerzhaften Druck des Mikrofilmbehälters, dersich bei dem hastigen Einsetzen verschoben hatte.Verzweifelt begann Zartus mit der Zunge zu arbeiten,bis die ausgehöhlte Saugplatte in diecharakteristischen Linien seines Gaumens hineinglittund dort Halt fand. Das Druckgefühl verschwand.

Aufatmend, in unbewußter Reaktion unsicherlächelnd, richtete sich der klein gewachsene Mannauf. Langsam erhob er die Hände.

»Tüchtig, Mister«, sagte jemand spöttisch. »WieSie das können! Sie sollten im Zirkus auftreten.«

Zartus wußte, daß er verloren war, wenn man ihnin diesem Sektor der automatischen Bandstraßeerwischte. Der irdische Mond hatte sich im Laufe derletzten 5? Jahre erheblich verändert, besser gesagt: erwar verändert worden.

Genau betrachtet, war der Trabant zu einereinzigen, ineinander verschachteltenRaumschiffswerft nach arkonidischem Vorbildgeworden. Die größte Bauleistung der Menschheitwar erst wenige Monate zuvor vollendet worden.Seitdem liefen auf dem Mond die Fertigungsbänder,die von relativ wenigen Steuerstationen beherrscht

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wurden.Zartus glaubte zu wissen, daß er von einem

Fernsehauge entdeckt worden war. Hier gab esüberall Überwachungseinrichtungen. Wenn es aberso war - und eine andere Möglichkeit gab es nicht,wie es sich Zartus selbst einzureden versuchte -, sokonnte man kaum bemerkt haben, was er in einerZahnprothese verborgen hatte. Dazu kam dieTatsache, daß er nirgends eine Fernbildkamera sehenkonnte. Wieso aber war man so genau über seineMaßnahmen informiert?

Er blickte sich nochmals um. Er dachte an seineAufgabe, die Mikrokamera unter der Bodenplatteseiner Armbanduhr und außerdem an den LunarenSicherheitsdienst, einer Nebenabteilung der SolarenAbwehr.

Wenn er mit Kamera und Film gefaßt wurde, warseine Laufbahn als Planungsingenieur fürrobotgesteuerte Zubringerstraßen beendet!

Dann drohten Verhöre, Gerichtsverhandlung,Degradierung und eine sicherlich langjährigeZuchthausstrafe oder gar Zwangsarbeit auf einementfernten, luftleeren Satelliten.

Perry Rhodan, Erster Administrator des SolarenImperiums, hatte sich vorbehalten, beistaatsgefährdenden Spionagefällen persönlich denVorsitz zu übernehmen.

Der Gedanke an das Kriegsgericht - denn er standunter Kriegsrecht! - ließ Alfo Zartus die klareÜberlegung verlieren. Nochmals sah er sich um. Denwarnenden Ruf überhörte er.

Mit einem halberstickten Schrei schwang er sichunter Aufbietung all seiner Kräfte auf dasFörderband, wo er sofort zu Fall kam. Mit hoherGeschwindigkeit wurde er auf den schmalenDurchlaß im Fels zugetragen.

Dahinter begann Montagehalle 136, in der die ausallen Richtungen ankommenden Teilprodukte zueinem Großaggregat zusammengebaut wurden.

»Sind Sie wahnsinnig geworden!« hörte er dieStimme des unbekannten Sprechers. »Springen Sieab, so hören Sie doch - Sie sollen abspringen!Lebensgefahr! Mann, springen Sie doch!«

Zartus lachte gegen seinen Willen. Er krallte seineFingernägel in den griffigen Rillenbelag desKunststoffbandes, quittierte das Holpern derGleitrollen mit einem unterdrückten, schmerzhaftenStöhnen und versuchte überdies, darübernachzudenken, wie er aus Halle 136 entkommenkonnte.

Der Unbekannte rief immer noch, aber die Wortewaren schon nicht mehr verständlich.

Alfo Zartus kam eben zu der Erkenntnis, diebelastenden Unterlagen irgendwie vernichten zumüssen, als er von den stählernen Greifern einerrobotgesteuerten Schwenkvorrichtung erfaßt und

nach oben gerissen wurde.Zartus schrie in höchster Not. Plötzlich erkannte

er, daß die Warnruf des Unbekannten kein Trickgewesen waren.

Der kleine Mann wurde durch die Felsöffnunggezerrt und durch die Luft gewirbelt. Nurschemenhaft bemerkte er die auf gleitende Öffnungder Spritzisolationsmaschine, in der größereHalbfertigteile mit einem säure- undtemperaturunempfindlichen Kunststoffbelagüberzogen wurden.

Hinter den Stahltoren flammte es in heller Rotglut.Das Thermoplast Wurde in flüssigem Zustand undunter 1256 Grad Celsius von zahlreichenHochdruckdüsen aufgesprüht.

Der Robotgreifer war erbarmungslos. Er konntenicht zwischen totem Material und einemmenschlichen Körper unterscheiden.

*

Oberst Hildrun, Chef des LunarenSicherheitsdienstes im Sektor F-81, legte diePersonalakten des Planungsingenieurs Alfo Zartus,geboren am 22. Juni 2062 in Lowman, Idaho, zurSeite.

Düster betrachtete er den vor seinem Schreibtischstehenden Sergeanten von oben bis unten. Als seinBlick auf die Schockwaffe im offenen Gürtelhalfterdes Wachmannes fiel, wuchs sein Ärger. Mit demausgestreckten Zeigefinger deutete er auf denStrahler. Hildruns Stimme klang scharf:

»Und das - was ist das? Hatten Sie etwaangenommen, wir hätten Ihnen eine Mausefalle odersonst etwas mitgegeben? Warum haben Sie Zartusnicht mit einem Schockschuß betäubt? Er war dochnahe genug vor Ihnen, oder?«

Der junge Sergeant war blaß. Steif stand er vorseinem Vorgesetzten. Die anwesenden Offiziere desWachsektors F-81 sagten nichts. Der Fall wardurchaus nicht so klar, wie ihn Hildrun zu sehenschien.

»Jawohl, Sir, das schon«, stammelte der Soldat desSicherheitsdienstes. »Ich hatte meinenDeflektorschirm eingeschaltet, und Zartus konntemich nicht sehen. Ich wollte ihn nicht betäuben. DieDienstvorschriften verbieten die Anwendung vonSchockstrahlern, wenn es nicht unbedingt notwendigist. Mir aber schien es nicht erforderlich zu sein. Der.Spion war klein und schwach gebaut. Ich hätte ihnmühelos überwältigen können. Warum hätte ich denMann verletzen sollen?«

Oberst Hildrun erhob sich. Polternd glitt derSchreibsessel nach hinten. Mit auf dem Rückenverschränkten Händen schritt der Kommandeur zumGetränkeautomaten hinüber.

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»Ach, Sie wollten ihn nicht verletzen! Dafür aberhaben Sie ihn in den sicheren Tod geschickt, nichtwahr?«

»Sir, ich hatte mit dem Sprung nicht gerechnet. Esgeschah zu schnell. Als Zartus erst einmal auf demBand lag, wollte ich nicht mehr schießen.«

»Warum nicht?«»Weil die Förderanlage schneller lauft als ich

rennen kann, Sir. Hätte ich den Techniker betäubt,wäre es ihm unmöglich gewesen, im letztenAugenblick abzuspringen. Es war seine letzteChance. Ich habe ihm zugerufen, daß hinter derMaueröffnung die Isolationsmaschine steht. Er hörtenicht auf mich. Was hätte ich tun sollen, Sir?«

Oberst Hildrun drehte sich um. In der Hand hielt ereinen Becher mit dampfendem Kaffee.

»Können Sie beweisen, daß Sie ihm eine Warnungnachgerufen haben?«

Der Sergeant des Wachkommandos sah sichhilfesuchend um. Ein Leutnant derÜberwachungstruppe meinte dazu:

»Die Tonbandaufnahmen liegen vor, Sir. Wirhaben die Fernüberwachung eingeschaltet, alsSergeant Rodzyn mit seinem Helmsender dasAlarmzeichen gab. Er hat tatsächlich gerufen, sehrlaut sogar.«

Wortlos ging Hildrun zu seinem Schreibtisch,zurück. Den Becher setzte er so heftig ab, daß dasGetränk überschwappte.

»Ihr Glück, Rodzyn, Ihr Glück! Wieso kamen Sieüberhaupt auf die Idee, dem Spion allein in denTransportraum zu folgen?«

»Ich hatte Zartus schon einige Zeit beobachtet, Sir.Ich wollte ihn auf frischer Tat ertappen, weshalb ichihm auch im Schütze des Deflektorfeldes nachging.Er machte wieder Aufnahmen mit seiner Uhrkamera.Ich stand dicht dabei und wartete ab. Anschließendnahm er den Mikrofilm heraus, löste seineZahnprothese und versteckte die winzige Spule ineiner genau passenden Öffnung der Gaumenplatte.Da sprach ich ihn an. Er war wie erstarrt, undaußerdem wirkte er völlig hilflos. Sir, mit demSprung auf das Transportband hatte ich einfach nichtgerechnet. Ich konnte ihn nicht mehr festhalten.«

Hildrun sah zu den Offizieren seines Stabeshinüber. Der Sergeant geriet allmählich in Panik.

»Schön, geben Sie Ihre Aussagen zu Protokoll. Siesind vorerst vom Dienst beurlaubt. Sind Sie sichdarüber klar, daß ich den Fall dem Abwehrchefmelden muß?«

Rodzyn nickte unsicher. Augenblicke späterverließ er das Chefzimmer. Im Vorraum suchte ersich eine Sitzgelegenheit und ließ sich erschöpftdarauf niedersinken.

Vergeblich versuchte er, die schreckliche Szeneaus seinem Gedächtnis zu verbannen. Das verzerrte

Gesicht des kleinen Mannes tauchte immer wiedervor seinem geistigen Auge auf.

»Es war ein Unfall, Rodzyn«, sagte einvorübergehender Offizier. »Gehen Sie in Ihr Quartierund bereiten Sie sich auf das Protokoll vor. Sie sehenerbärmlich aus.«

»Ich komme mir auch erbärmlich vor, Sir«,entgegnete Rodzyn mit trockenen Lippen. »Sir, darfich etwas fragen?«

»Bitte!«»Wie soll das nun weitergehen? Ich konnte doch

nichts dafür.«»Das wissen wir. Wenn Sie Pech haben, zieht die

Geschichte weite Kreise. Es existiert eineDienstvorschrift, wonach solche Fälle demAdministrator persönlich zu melden sind. Sie wissendoch, daß er die Mondwerften wie seinen Augapfelhütet.«

Sergeant Rodzyn hielt den Atem an. Entsetzt saher den Offizier an.

»Sie ... Sie meinen Perry Rhodan, Sir?«»Kennen Sie einen anderen Administrator? Wenn

Sie vor ihm erscheinen müssen, dann schildern Sieden Fall in aller Offenheit. Ein Vergehen kann manIhnen kaum zur Last legen. Es war ein Unfall, wiegesagt. Gehen Sie nun und legen Sie endlich denKampfanzug ab.«

Der Offizier tippte mit zwei Fingern an dieSchirmmütze und verließ den kleinen Raum. Er lageinige hundert Meter tief unter der Oberfläche desMondes. Ganz in der Nähe lärmte die für diesenFabrikationssektor bestimmte Kraftstation.

2.

Brazo Alkher sah mit fiebrig glänzenden Augenauf den unscheinbar wirkenden Einwurfschlitz derKontrollautomatik.

Das Gerät zur Überprüfung der auf schmalenKunststofffolien verankerten Individualdaten wirktein seiner Massigkeit beängstigend. Brazo Alkher,Leutnant der Solaren Flotte, durch einengeheimnisvollen Befehl abkommandiert zurLunabasis, fühlte sich seit einigen Stunden wie ineinem Irrenhaus.

Nach seiner Landung auf dem Mond war er elfmalvon Soldaten des Sicherheitsdienstes nach demWoher und Wohin gefragt worden.

Man hatte sich nach seinem Werdegang erkundigt,sich für Eltern und Großeltern interessiert undanschließend zu wissen verlangt, was er, Brazo,künftig zu tun gedenke.

Brazo war somit von einem Erregungszustand inden anderen geglitten, wie er bei sich selbst dachte.

Bei der Gelegenheit hatte er zum ersten Male dieChance erhalten, die gewaltigste Flottenbasis der

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Menschheit zu bewundern. Er wußte, daß der Mondim Laufe der letzten 57 Jahre zu einemHimmelskörper der Raumschiffswerften undWaffenfabriken geworden war. Praktisch gesehen,war der Erdtrabant nach und nach ausgehöhltWorden. Auf der Oberfläche selbst war kaum etwasvon jener Mammutindustrie zu bemerken, die manmit modernsten Mitteln und unter riesigen Kostenunter der toten Kruste errichtet hatte.

Nur die großen Raumhäfen lagen oben - und diePanzerkuppeln der kosmischen Abwehrfestungen.

Es hatte dreizehn Stunden gedauert, bis Brazoendlich an seinem Ziel angekommen war, doch dannhatte sich ein neues Hindernis in seinen Weg gestellt.

Brazo Alkher, ein hochgewachsener, schlaksigerMann von dreiundzwanzig Jahren, umkrampfte seinewenigen Gepäckstücke noch fester, als sich einesilbrig glänzende Haube auf seinen Schädel niedersenkte.

Geduldig ertrug er die Tortur derHirnschwingungsmessung, die natürlich einwesentlicher Bestandteil der Robotüberprüfung war.Wenn den menschlichen Wächtern noch etwasentgangen sein sollte: Der Robot würde esherausfinden.

»Gepäck absetzen«, kam der Befehl aus einemLautsprecher.

Brazo blieb in steifer Haltung stehen. Verwirrtöffnete er beide Hände, und die Tragtaschen fielenpolternd zu Boden.

Alkher lief rot an. Verlegen schaute er sich um.»Entschuldigen Sie bitte«, meinte er hastig.

Unsicher lächelte er die seelenlose Maschine an, dieauf seine Worte aber nicht reagierte.

Er atmete tief auf, als der Robot Grünwert zeigteund der ID-Streifen aus einem anderen Schlitzhervorglitt.

»Eintritt genehmigt, Sir«, klang es aus demLautsprecher. »Sie werden erwartet.«

»Vielen Dank«, flüsterte Brazo.Sich hastig nach seinem Gepäck bückend, stieß er

mit dem Schädel an einen rotmarkierten Hebel. Indem Gerät begann es zu klingeln, und Brazo hielt dieLuft an.

Schließlich entschloß er sich, die rundeMetallplatte mittels einiger wildverwegener Sätze zuverlassen.

Brazo Alkher, schon auf der Raumakademiebekannt geworden als Pechvogel mit zwei linkenHänden und Füßen, hatte seinem knochigen Körperetwas zuviel zugemutet. Dem Zug der Schwerkraftfolgend, fiel er mit elegant gespreizten Armen undumherschlagenden Füßen zu Boden, wobei seinhelmbedeckter Schädel versehentlich mit demSchienbein eines im Wege stehenden Manneskollidierte.

Brazo, normalerweise so sanftmütig wie einalternder Bernhardiner - wie seine Freundebehaupteten -, stieß einige schauerliche Flüche aus.

Es dauerte eine Weile, bis seine umhertastendenHände sowohl den verrutschten Helm an Ort undStelle, als auch die verknoteten Riemen der Taschenin Ordnung gebracht hatten.

Schnaufend richtete er sich auf. Da kam schon dienächste seelische Erschütterung, als er dicht über sichdas grinsende, ölverschmierte Gesicht eineshochgewachsenen Mannes in der schmucklosenKombination des Wartungspersonals bemerkte.

Der Mann trug eine zerknautschte, völligunkenntlich gewordene Schirmmütze auf dendunkelblonden Haaren. Rangabzeichen waren auchkeine zu sehen, weshalb Brazo - trotz seinesbegreiflichen Zorns noch immer höflich bleibend -schockiert ächzte:

»Konnten Sie nicht zur Seite springen, Siesteifkreuziger Ölpeilstab, Sie! Himmel, wie sehen Sieüberhaupt aus?«

Verwundert über sich selbst stierte Brazo nachoben. Schließlich meinte er verlegen:

»Entschuldigen Sie, Freund, es war nicht sogemeint. Natürlich bin ich schuld. Würden Sie mireinmal helfen?«

»Sicher«, erklärte der hochgewachsene, schlankeMann mit den eisgrauen Augen. »Sie haben Sätzegemacht wie ein dreibeiniger Pavian!«

»Gibt es so etwas?« fragte Brazo verwundert.Der Fremde lachte schallend. Betont sanft klopfte

er Brazos beschmutzte Uniform ab.»Immer korrekt, Herr Leutnant, nicht wahr? Darf

man fragen, wohin Sie wollen?«Alkher begann sofort mit der verzweifelten Suche

nach den Papieren, die man ihm überall aufgedrängthatte. Der Hagere wartete geduldig, bis der immernervöser werdende Leutnant den Marschbefehl in derKnietasche seiner Kombi entdeckt hatte.

Brazo wußte nicht, ob er bei dem schallendenGelächter die Fassung verlieren oder geduldigbleiben sollte. Er entschloß sich zum letzteren.Außerdem war sein sachverständiger Blickmittlerweile von der schimmernden Kugelwandungeines offenbar nagelneuen Schweren Kreuzers derTERRA-Klasse gefesselt worden.

Das zweihundert Meter durchmessendeRaumschiff stand in einer riesigen Halle. Überallwaren bewaffnete Posten und Kampfroboter zusehen. Brazo wußte bereits, daß er sich in dengeheimnisvollsten Bezirken der neuen Mondwerftenbefand. Was hier geschah, wußten nur WenigeEingeweihte.

Es dauerte nur einige Augenblicke, bis Brazofestgestellt hatte, daß der äquatoriale Ringwulst des200-Meter-Kreuzers ungewöhnlich geformt war.

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Der Triebwerksring war größer als bei denbekannten Einheiten und dm Rande aufgewölbt, Daswar aber auch alles, was auf den ersten Blickbefremdend erschien.

Der grauäugige Mann hatte zu lachen aufgehört.Aufmerksam musterte er den jungen Leutnant,dessen Papiere er flüchtig durchgeblättert hatte.Brazos weiches, verträumtes Jungengesicht hatte sichgespannt. Es wirkte plötzlich härter, entschlossenerund männlicher.

Der Techniker lächelte unmerklich. Wortlosbückte er sich und nahm die großen Tragetaschenauf.

»Gehen wir, Sir. Sie werden erwartet.«Brazo Alkher nickte geistesabwesend, Sekunden

später wunderte er sich über den vorbildlichen Grußder anwesenden Soldaten und Techniker. Als sogardie Wachroboter zu salutieren begannen und scharfe»Achtung-Rufe« den Lärm der Ausrüstungsstationdurchdrangen, wurde ihm schon wieder unheimlich.

Er blieb stehen, drehte den Kopf und flüsterteseinem freundlichen Begleiter hastig zu:

»Mensch, sagen Sie mal - wird hier jeder kleineLeutnant mit solchen Ehren empfangen? Die Leutesind ja aus dem Häuschen.«

»Die verstellen sich nur«, sagte derHochgewachsene gemütlich.

Brazo lachte unsicher. Ein vorübergehender Oberstder Flotte legte die Hand an den Mützenschirm unddrückte die Brust heraus.

Brazo war dem Weinen nahe.»Der hat mich aber vernichtend angesehen«, sagte

er zu seinem Begleiter. »Hören Sie, Freundchen,wollen Sie mir nicht endlich verraten, was das für einIrrenhaus ist? Mann, Sie sehen aber wirklichscheußlich aus. Warum waschen Sie sich nicht dasGesicht? Also wenn Sie unter meinem Kommandostünden, dann würde ich Ihnen etwas erzählen.«

Kopfschüttelnd sah er den gleichgroßen Fremdenan, und schließlich erhob Brazo die Hand, um mitdem ausgestreckten Zeigefinger an den Wangen desBlonden herumzukratzen.

»Fast meterdick«, sagte er vorwurfsvoll. »Muß dassein, Sie Ferkel?« Der Gepäckträger salutierte:»Nein, Sir!«

Ein furchtbares Brüllen ließ Brazo Alkher erst indie Knie sinken und dann entsetzt herumfahren. Diegrausigen Töne drängen fraglos aus deroffenstehenden Luftschleuse des seltsamen SchwerenKreuzers hervor.

Die Töne endeten in einem tiefen Röhren, das wiedas Gurgeln eines ertrinkenden Sauriers klang.

»Guter Gott, was war das?« fragte Brazo entsetzt.»Der Kommandant hat gesungen«, wurde er

belehrt. »Haben Sie noch nie einen Epsalgeborenensingen hören?«

Brazo gab auf. Er fühlte sich wie gerädert underschlagen. Hier schien niemand mehr normal zusein, weder der Sicherheitsdienst noch die Roboternoch der Kommandant.

Hilflos wankte er neben seinem Gepäckträger her,bis die hünenhafte, fettleibige Gestalt eineskahlköpfigen Mannes in seinem Blickfeld auftauchte.

Der bedrohlich schnaufende Zivilist besaßblaugeäderte Hängebacken und einen so stechendenBlick, daß Brazo ein neues Unheil befürchtete. DerKoloß kümmerte sich jedoch nicht um ihn.

»Ach, sieht man Sie auch einmal«, sagte er miteiner Stimme, die kaum weniger lautstark war als diedes sogenannten Epsalgeborenen.

Ausgesprochen höhnisch blickend, die mächtigenArme in die fettgepolsterten Hüften gestemmt, bliebder Kahlköpfige vor dem Ölverschmierten stehen.

»Guten Tag, Professor«, sagte der Blonde.Bedächtig nahm er die Mütze ab und fuhr sich mitfünf Fingern durch die verschwitzten Haare.

Brazo wurde blaß. Nachdem die Kopfbedeckungentfernt war, dauerte es nur noch Sekunden, bis er inseinem Gepäckträger Perry Rhodan, den ErstenAdministrator des Solaren Imperiums und seinenhöchsten Vorgesetzten, erkannte.

Vor Brazos weit aufgerissenen Augen begannenFeuerräder zu kreisen. Dazu fühlte er seine Beinejämmerlich schwach werden.

So geschah es, daß er nach einem geröchelten»Verzeihung, Sir!« in die Arme des sprachlosenHyperphysikers Professor Dr. Arno Kalup sank, indie Arme eines als cholerisch bekanntenWissenschaftlers, dessen Name mit der umwälzendenErfindung des sogenannten Hyper-Lineartriebwerksunlösbar verbunden war.

Wenn die Testpiloten und Spezialisten des»Linearkommandos« von dem neuartigenKompensationskonverter zur Errichtung eines ausSechsdimensional übergeordneten Feldlinienbestehenden Kompensatorfeldes sprachen, dann gabsich niemand mehr die Mühe, diezungenbrecherischen Begriffe exakt auszusprechen.

Die Maschine war einfach ein »Kalup«. Damit warfast alles gesagt.

Arno Kalup, der bedeutendste lebendeWissenschaftler der Menschheit, sah verblüfft auf dasleichenblasse Gesicht des Leutnant nieder, bis ererbost schrie:

»Na, na, was soll das! Benehmen Sie sichgefälligst.«

Unsanft ließ er Brazo Alkher zu Boden gleiten, wodem jungen Mann noch übler wurde.

Rhodans Wink war von zwei nahestehendenOffizieren beobachtet worden. Sie bauten sich vordem Administrator auf, der sie eindringlich musterte:Man rühmte Rhodans eigenartigen Humor, doch

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diesmal schien er über sich selbst hinausgewachsenzu sein.

Die zwei Leutnants der Wache waren vonunterschiedlichem Temperament und Körperwuchs,aber ihre Lippen zuckten gleichermaßen verdächtig.Der Kleinere von ihnen hatte feuchtschimmerndeAugen.

Brazo richtete sich stöhnend auf, als Rhodandozierend sagte:

»Nehmen Sie Ihren Kollegen mit, meine Herren,und flößen Sie ihm ein möglichst scharfes Getränkein. Dieser Jüngling ist - nach seinen Papieren zuurteilen - identisch mit dem verrücktenFeuerleitoffizier Brazo Alkher, der es im Orionsektorfertig brachte, mit den schwer beschädigten Waffendes Leichten Kreuzers FORMOSA zweiSpringerschiffe lahm zu schießen. Wie er das machte,ist mir rätselhaft, aber einen besseren Kanonier hatder Flottenstab augenblicklich nicht finden können.Der Erste Offizier soll die Vereidigungszeremonievorbereiten. Wir starten in zwei Stunden.«

»Kommt man hier auch noch einmal zu Wort?«fragte Professor Kalup gefährlich sanftmütig.

»Noch eine Sekunde«, beschwichtigte Rhodan, umanschließend einem Major des Sicherheitsdiensteszuzuhören.

»Sergeanten Rodzyn ist in der Wachstation, Sir.Wollen Sie ihn noch sprechen?«

»Ich komme sofort. Dieser Unglücksvogel lief mirüber den Weg.« Rhodan deutete auf Brazo, der mitwankenden Beinen zwischen den beiden Leutnantsauf die Luftschleuse des Schweren Kreuzerszuschritt.

Rhodan schmunzelte. Mit dem Handrücken fuhr ersich über das Gesicht.

»Sehe ich wirklich so furchtbar aus? Er nanntemich ein Ferkel.«

Kalup lachte schallend. Sein Gesicht lief blau an,und auf dem gewaltigen Kahlkopf zeichneten sichfeine Schweißperlen ab.

»Der beste Witz der Woche«, sagte er hustend,»der wahrhaftig beste Witz! Schön, ich erwarte Sieim Schiff. Was ist mit diesem Sergeanten los?«

»Hoffentlich nichts. Er entdeckte einen Spion inder Nachbarhalle.«

Kalups Gesicht wurde kantig.»Ach! Nehmen Sie etwa an, der hätte es auf unser

Forschungsschiff abgesehen?«»Bestenfalls abgesehen gehabt. Der Mann ist

tödlich verunglückt. Dennoch möchte ich erfahren,ob seine Tätigkeit in unmittelbarer Nähe derLinearstation nur rein zufällig war oder ob eintieferer Sinn dahinter steckte. Ich hoffe, von demSergeanten des S-Dienstes nähere Auskünfte zuerhalten. Entschuldigen Sie mich bitte, Professor. Ichbin in einer halben Stunde zurück.«

»Fallen Sie nicht wieder in eine Ölwanne«, meinteder große Wissenschaftler spöttisch. »Sie sehen inder Tat wie ein Ferkel aus. Diesem Leutnant sollteman wegen seiner offenen Worte die Füße küssen.«

Perry Rhodan schritt lachend davon. Die Zeigerder Werftuhr ruckten um eine weitere Minute nachvorn. Es war 13.22 Uhr Standardzeit am 4. März2102.

Kalups mächtiger Körper verschwand im Schattenunter der Kugelwandung des seltsamen Schiffes. Alser nach oben blickte, gewahrte er die verfärbtenSchlünde der Impulsdüsen.

Kalup blieb für einen Augenblick stehen.Nachdenklich dachte er an seineEntwicklungsarbeiten an dem neuartigenLineartriebwerk zurück, das vor etwa achtundfünfzigJahren erstmals von Fachwissenschaftlern desPlaneten Erde erwähnt worden war.

Zu dieser Zeit hatte Arno Kalup soeben das Lichtder Welt erblickt, und eine gewaltige, vonnichtmenschlichen Intelligenzen gesteuerteRaumflotte war in das Sonnensystem eingebrochen.

Druuf hatte man die Riesen aus einer anderenZeitebene genannt. Sie hatten das Lineartriebwerkbesessen, und von ihnen hatte es die Menschheitübernommen.

Nur hatte man fast 57 Jahre benötigt, um dasGeheimnis des linearen Hyperantriebes zu lösen.Kalups Forschungen hatten den Ausschlag gegeben.

Als er die kleine Bodenschleuse in der unterenPolkuppel des großen Kreuzers erreichte, war er sichdarüber klargeworden, daß es außer der Menschheitkeine humanoiden Intelligenzen gab, die mit demErbe der bereits vergessenen Druuf etwas anzufangengewußt hatten.

*

»Brüderchen - du hast Nerven wie ein Roboter,demnach also überhaupt keine«, stellte LeutnantStana Nolinow fest. Neugierig betrachtete er BrazoAlkher, der völlig erschöpft und dem seelischenZusammenbruch nahe auf dem Rand seines Lagershockte.

»Hören Sie nur auf«, bat er weinerlich. »Wie hätteich wissen sollen, daß ich ausgerechnet ...«

»Schon gut«, unterbrach Nolinow, eine untersetzteErscheinung mit dunkelblonden Stachelhaaren, »Ichwerde mir demnächst vom Alten das Essen bringenlassen.«

Mahaut Sikhra lachte unterdrückt. Klein, dünn undunscheinbar wirkend, lehnte er mit dem Rücken ander Kabinenwand.

Mit einer geschmeidigen Bewegung stieß er sichab und schritt zu Brazo hinüber.

»Sik nennt man mich unter Freunden«, stellte er

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sichrer. »Ich fungiere hier als Führer desEinsatzkommandos für Sonderausgaben. Stana istKommandant der Robottruppen. Wenn ich michnicht irre, wirst du die Feuerleitzentraleübernehmen.«

Brazo schüttelte verlegen die Hände der jungenMannes.

»Angenehm«, sagte er. »Moment, wieso soll ichdie Feuerleitzentrale bekommen? Das machtgewöhnlich ein Major, mindestens aber ein Captain.«

Mahaut Sikhra lächelte nur. Sein Blick erschienBrazo rätselhaft.

»An Bord der FANTASY ist alles ungewöhnlich.Das ist kein normales Kampfschiff, sondern einForschungsfahrzeug.«

Brazos Aufmerksamkeit erwachte. Bedächtigmusterte er die jungen Offiziere, die allem Anscheinnach besondere Qualitäten besaßen.

»Ein Forschungsschiff?« meinte er gedehnt. »Hm,ich habe mich bereits über den anomal starkenRingwulst gewundert.«

»Kluges Kind«, äußerte Nolinow spöttisch. »Duhast dich nur gewundert? Wir haben bereits dasStaunen erlernt. An Bord der FANTASY befindetsich die politische, militärische undtechnisch-wissenschaftliche Elite des SolarenImperiums. All die sagenhaft gewordenen Männer,die - den Gerüchten nach zu urteilen - eine aufbiomedizinischer Basis beruhende, relativeUnsterblichkeit besitzen, haben sich hier einStelldichein gegeben.«

»Hör auf. Mir wird schon wieder schwach imMagen.«

Stana schob die Hände in die Außentaschen seinerUniformkombi und ließ sich gähnend neben Brazoauf das schmale Hydropneumatik-Lager fallen.Seufzend streckte er die Beine aus.

»Das ist aber noch nicht alles, Bruderherz. JederMann der Besatzung ist auf seinem Gebiet ein As.Demnach mußt du auch eins sein, oder man hättedich nicht abkommandiert. Geht dir ein Licht auf,weshalb du auf Herz und Nieren getestet wordenbist?«

Brazo nickte fiebrig. Seine braunen Augenglänzten fiebrig. Stana betrachtete ihn gönnerhaft.Der schlanke Nepalese Mahaut Sikhra führte einkurzes Visiphongespräch mit der Zentrale desSchiffes.

»In einer knappen Stunde findet deine Vereidigungstatt. Sehr feierlich, kann ich dir sagen.«

»Vereidigung?«»Sicher. Wir haben die geheimsten Sächelchen der

neueren Menschheitsgeschichte an Bord. DieFANTASY sieht nur äußerlich wie ein SchwererKreuzer der TERRA-Klasse aus. Wenn du in dieMaschinensektoren kommst, dürftest du blaß

werden.«»Bin ich schon lange geworden«, behauptete

Brazo etwas kläglich. Nolinow lachte vergnügt.»Das legt sich, Kollege. Wir haben bereits einige

Raumflüge hinter uns, zu denen Perry Rhodan inseiner bescheidenen Art >Kurzstreckenerprobung<sagte. Die sogenannten Kurzstrecken schwanktenzwischen drei- und zehntausend Lichtjahren. Einecharmante Untertreibung, wie? Dabei hat sich dasneue Triebwerk bestens bewährt. Kalup strahlte vorFreude, unser verehrter Kommandant, den du nochkennen lernen wirst, lachte so laut, daß sich beinahedie Panzerschotts bogen und unser höchster Chef,genannt Perry Rhodan, zeigte ein so seltsamesLächeln, daß ich unwillkürlich an die Eroberung dergesamten Milchstraße denken mußte. Wenn der Altein dieser Art die Leute anschaut, liegt etwas in derLuft.«

Stana nickte bekräftigend, und Brazo wischte sichdie schweißfeuchten Handflächen an denHosenbeinen ab.

»Nur weiter so, wir haben eine Wäscherei anBord«, meinte Sikhra launig. Brazo entschuldigtesich hastig.

»Oh - bitte sehr, nur keine Hemmungen«, sagteStana erneut gähnend. »Wir sind hier, um dich mitden wichtigsten Dingen vertraut zu machen.«

»Ach so!«»Kundendienst, mein Lieber. Du bist der erste

Leutnant der Solaren Flotte, dem Rhodan das Gepäckgetragen hat. Ich fühle mich peinlich berührt, einemso bedeutenden Mann Belehrungen erteilen zumüssen.«

»Halunken«, sagte Brazo grinsend.Nolinow blinzelte dem Nepalesen zu.»Ich glaube, wir werden uns vertragen. Um es kurz

zu machen, Brüderchen: Die Menschheit hat imSinne des Wortes siebenundfünfzig Jahre langgeschuftet, um das Geheimnis des Lineartriebwerkszu enträtseln. Vor etwa achtundfünfzig Jahrentauchten die sogenannten Druuf auf. Das waren jeneMonsterwesen, die infolge eigenartigerphysikalischer Vorgänge aus einer anderen Zeitebenehervorbrachen, um das Einstein-Universum zuerobern. Damals waren wir alle noch nicht geboren,aber Rhodan war schon Erster Administrator. Diesmag dir einen Begriff davon vermitteln, wie alt derMann ist.«

»Alt?« wiederholte Brazo verwundert »Er wirktwie ein durchtrainierter Sportler Mitte Dreißig.«

»Stimmt, aber deshalb ist er trotzdem der ältestelebende Terraner. Wenn du in der EnzyklopädieTerrania nachliest, wirst du feststellen, daß Rhodanim Jahre 1971 als erster Mensch den Mond betretenhat. Damals war er schon etwas über fünfunddreißigJahre alt. Heute schreiben wir das Jahr 2102. Das

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sagt eigentlich alles. Er hat gegen den Widerstandmißgünstiger Fremdintelligenzen die solare Einheitgeschaffen. Augenblicklich beginnt die dritte Epocheder Menschheitsgeschichte. Wir sind dabei, die vorachtundfünfzig Jahren erbeutetenKonstruktionsunterlagen über das Druuf seheLineartriebwerk praktische Wirklichkeit werden zulassen. Die Aggregate sind verwendungsreif,zumindest aber in diesem Raumschiff, das alsPrototyp zukünftiger Serienbauten anzusehen ist. Duwirst die Ehre haben, zusammen mit uns dieEntwicklung der solaren Macht ganz entscheidendfördern zu helfen, oder ...!«

»... oder?«»... oder mitsamt der FANTASY ein Opfer des

Weltraums zu werden. War das ganz klarausgedrückt?«

»Ein bißchen verworren, meine ich.«»Er sagt die Wahrheit, Sik«, stellte Nolinow

bekümmert fest. »Willst du weitermachen?«»Ich überlasse es deinem sprachlichen Talent.«Stana winkte ab. Sinnend beobachtete er Brazo

Alkher, der angespannt auf der Kante des Lagers saß.»Na schön, viel ist nicht mehr zu sagen,

Brüderchen. Wir starten in etwa eineinhalb Stunden.Wohin es diesmal geht, weiß noch niemand. Dieraumpolitische Situation ist augenblicklicheinigermaßen zufriedenstellend. Die GalaktischenHändler verhalten sich ruhig, auf den Arkonplanetenscheint Atlan Herr der Lage zu sein. DieDruuf-Invasion ist schon vergessen, und unsereKolonisten besiedeln langsam aber sicher diebewohnbaren Sauerstoffplaneten in dennaheliegenden Raumsektoren. Vor siebenundfünfzigJahren wurde mit dem Ausbau des Mondesbegonnen. Heute gleicht er einem durchlöchertenAmeisenbau mit zahllosen Werften,Zubehörindustrien und gigantischenFertigungsstraßen, von denen selbst große Schiffenach dem Fließband verfahren ausgestoßen werden.Damit haben wir das erreicht, was die altenArkoniden schon vor einigen Jahrtausendenpraktiziert haben! Wir haben einen beachtlich großenHimmelskörper zur Flottenbasis gemacht, damit wirungebetenen Gästen und eroberungslustigen Fremdendie Zähne zeigen können, Das Solare Imperium ist zueinem waffenstarrenden Staatsgebilde nacharkonidischem Vorbild geworden. Es wird behauptet,die Schiffsbaukapazität der Lunawerften sei der desdritten Arkonplaneten bereits gleichwertig. Mehr alshundert Millionen hervorragend ausgebildeterTerraner stehen bereit, unsere absolute Autarkie imNotfall zu beweisen. Kannst du noch folgen?«

Brazos Antwort war deutlich.»Dieser geschichtliche Rückblick ist so interessant

wie der Inhalt deiner Socken. Ich weiß ziemlich

genau, daß sich darin deine Füße befinden.«Sikhra lachte lauthals, und Nolinow richtete sich

mit einem entsagungsvollen Seufzer auf.»Schön, es mußte sein. Befehl ist Befehl. Du wirst

den Beginn der dritten Epoche erleben. Wenn duetwas über das geheimnisvolle Lineartriebwerkwissen willst, so wende dich gefälligst an kompetenteLeute. Ich kann dir dazu nur sagen, daß die Zeit derTransitionen Vorbei ist, wenigstens für dieFANTASY. Bisher haben Wir den Hyperraum durchkomplizierte, gewaltsam ausgeführte Sprünge nachdem Hasenhupfer-Verfahren überwunden. Es gingzwar ganz gut, aber die langwierigenTransitionsberechnungen, die dabei erfolgendeEntmaterialisierung einer jeden Stofflichkeit und dievielen Fehlerquellen waren nicht die Ideallösung.Auf der FANTASY wirst du eine andere,vollkommene Art der überlichtschnellen Raumreisekennen lernen. Wir fliegen mit direkter optischerSicht auf den Zielstern zu. Es wird nicht mehr imSinne des Wortes gesprungen, wobei man wederetwas sah noch hörte oder fühlte, sondern man behältbei diesem direkten Flug all das im Auge, was manzu erblicken wünscht. Daher auch der Ausdruck>Lineartriebwerk<, Wir tauchen in eine sogenannteHalbraumzone ein. Das Kalupsche Kompensatorfeldschirmt dabei vordringlich die wirkungsvollwerdenden 5-D-Konstanten ab, wonach eintatsächliches Eindringen in den Hyperraumvermieden wird. Daher auch keine totaleEntstofflichung wie bei den alten Sprungschiffen. Dadas Kompensatorfeld mit der Halbraum - oderLibrationszone energetisch verwandt ist, fliegen wirin einem nur mathematisch beschreibbarenHalbraumsektor zwischen der fünften und viertenDimension, in dem beide Energieeinflüsseunwirksam werden. Damit wird ein darin gleitenderKörper zum Bestandteil dieser Halbraumzone, in derdie Einsteinsehen Gesetze nicht mehr gültig sind.Wahrscheinlich können vielmillionenfacheLichtgeschwindigkeiten im direkten Linearflugerreicht werden, aber in dieser Hinsicht hat es nochnicht einmal Rhodan auf die Spitze getrieben. Wirerzeugen beim Gradlaufflug weder eine anmeßbareWellenfront noch einen strukturellen Schockstoß, wieer bei den gewaltsam durch die Zeitmauervorstoßenden Sprungschiffen ganz typisch ist. Diemilitärischen Aspekte lassen sich leicht erkennen.Wer das Lineartriebwerk besitzt, ist allen anderenIntelligenzen der Milchstraße überlegen. Ich ... duwirst ja schon wieder blaß!«

Brazo hatte die Augen geschlossen. Sein Atemging schwer. Auch wenn sich Nolinow bemüht hatte,in burschikoser und möglichst verniedlichender Artdiese umwälzenden Dinge zu erklären, spürte Brazoden tiefen Ernst in den Worten.

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Als er wieder aufblickte, standen die jungenOffiziere dicht vor ihm. Nolinows breites Gesichthatte sich verwandelt. Er lachte nicht mehr.

»Das ist eine harte Nuß, nicht wahr?« erkundigteer sich leise. »Du wirst es mit der Zeit verstehen.Vielleicht ahnst du nun, warum uns der Kommandantden Befehl gegeben hat, dich etwas vorzubereiten.Jefe Claudrin ist ein guter Psychologe, obwohl er aufden ersten Blick wie ein aus der Kontrolle geratenerPanzerwagen wirkt, der alles im Wege Stehendeniederzuwalzen droht. Er ist ein Epsalgeborener,einer der ersten Männer, die aus demAnpassungsprogramm von 2045 hervorgegangensind. Verliere nur nicht den Rest deiner Fassung,wenn er auf dich zukommt. Tja, das wäre eigentlichalles. Noch Fragen?«

Brazo verzichtete auf weitere Informationen. Siktrat an das Visiphon und gab eine Anweisung.Augenblicke später betrat ein stereotyp lächelnderBedienungsroboter die kleine Kabine.

»Das ist Omega-185«, erklärte Stana. »Er wirdsich um dein leibliches Wohl kümmern. Ich hole dichin einer halben Stunde ab.«

Ehe Sikhra den Raum verließ, sagte er noch:»Du kannst übrigens auf den Flug verzichten.

Niemand wird dich zwingen, den Einsatzmitzumachen. Die Sache ist gefährlich. Überlege esdir. Wenn du erst einmal vereidigt bist ...!«

Der Nepalese unterbrach sich und zog es vor zuschweigen. In dem Augenblick wußte Brazo Alkherbereits sehr genau, daß er um nichts in der Weltablehnen würde, auch wenn man es ihm untergröbster Schwarzmalerei der kommenden Gefahrennahe legen sollte.

Geistesabwesend antwortete er auf die Frage desBedienungsrobots, Ja, er wünschte eine Dusche zunehmen. Nein - seine Dienstwaffe würde er selbstreinigen und pflegen!

Dreißig Minuten später hatte Brazo die zartgrüneUniform angelegt, die ihm der Kammeroffizier desSchiffes geschickt hatte.

3.

Er war ebenso hoch wie breit gebaut. Einmittelgroßer Tresor hätte zumindest ähnlichausgesehen.

Oberst Jefe Claudrin besaß den vierfachenBrustumfang eines starken Mannes.Dementsprechend war auch seine Muskulaturentwickelt.

Geboren und aufgewachsen auf einem2,1-Gravo-Planeten, hatte Claudrin nach seinemEintritt in die Solare Flotte als schwierig empfunden,sich unter normalen Schwerkrafteinflüssen von etwaeinem Gravo bewegen zu müssen. Als der

Epsalgeborene bemerkt hatte, daß seine Muskulaturunter der »geringfügigen« Belastung von nur einemGravo zu erschlaffen drohte, hatte er sich dazuentschlossen, Tag und Nacht einen speziellentwickelten Mikrogravitator zu tragen, der ihm diedoppelte Schwerebelastung aufbürdete. So hatteColonel Claudrin seine körperliche Tüchtigkeiterhalten, wie er sich selbst auszudrücken beliebte.

Jefe machte sich einen Spaß daraus, stabilaussehende Sitzgelegenheiten »versehentlich«zwischen den gewaltigen Oberschenkeln seinerkurzen, stämmigen Säulenbeine zu zertrümmern.Seine Arme glichen überdimensioniertenKolbenstangen, und seine Hände waren gefürchtet.Die Männer der FANTASY-Besatzung hüteten sichdavor, sich von Claudrin in althergebrachter Weisedurch Handschlag begrüßen zu lassen. Ehe Claudrindie Gefährlichkeit seiner Greifwerkzeuge erkannthatte, war es zu einigen Unfällen gekommen.

Alles in allem glich der Kommandant desForschungskreuzers FANTASY einem in der Mittedurchgeschnittenen Riesen, dessen breiter, vonbrandroten Haaren bedeckter Schädel auf einemNacken ruhte, dessen Muskelwülste bisher in nochkeinen Uniformkragen normaler Serienfertigunghinein gepaßt hatten.

Als Kommandant und Galaktonaut war Claudrinfraglos ein As der Solaren Flotte. Er hatte dieneuartige FANTASY bereits beim Werkstattflugunter seine Fittiche genommen.

Perry Rhodan lauschte auf das Donnern desnormalen Impulstriebwerks, dessen hochverdichtete,schubstarke Partikel den Schweren Kreuzer mitfünfhundert Kilometern pro Sekundenquadratbeschleunigten.

Die Maschinen liefen so einwandfrei undzuverlässig wie in zehntausend anderenRaumschiffen der Flotte. Nach arkonidischemVorbild konstruiert, jedoch in vielen Detailswesentlich verbessert und kompakter, stellten sie zurZeit das Maximum der modernen technischenEntwicklung dar. Es gab nichts mehr daranauszusetzen. Fast war es sinnlos, mit wachen Sinnenauf das Arbeitsgeräusch zu horchen.

Trotzdem überprüfte Rhodan in gewohnter Art diekleinen Kontrollschirme der Ringwulstbeobachtung.

Mehr als ein bläuliches Flimmern, erhitzten undaufsteigenden Luftmassen gleichend, war nicht zusehen. Die FANTASY kam infolge derKompaktbauweise mit nur sechsRingwulst-Konvertern aus. Wesentlich mehr Platzbeanspruchte das neuartige Überlichttriebwerk, das -genau betrachtet - eigentlich keine Antriebsmaschineim Sinne des Wortes war.

Der Kalupsche Kompensator hatte lediglich dieAufgabe, den Schiffskörper in ein Kugelfeld zu

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hüllen, das die energetischen Einflüsse der viertenund fünften Dimension reflektierend oderabsorbierend aufhob.

Damit wurde innerhalb des Kugelfeldes derinstabile Librationszonen-Zustand erzeugt, der wederdie Gesetze des Hyperraumes noch die desEinstein-Universums gültig werden ließ.

Eine zwangsläufige, jedoch noch nicht genauerrechenbare Folgeerscheinung der abgewandeltenGesetzmäßigkeiten war eine abstrakte Reaktion derNormaltriebwerke, die unter den künstlichveränderten Bedingungen eben nicht mehr sofunktionieren konnten wie innerhalb desVierdimensionalen Raumes.

Die bei Normalbetrieb nur lichtschnellenImpulswellen erreichten innerhalb der HalbraumzoneStrahlgeschwindigkeiten, die, je nach derenergetischen Intensität des KalupschenKompensatorfeldes, zwischen der zehn- bisvielmillionenfachen Lichtgeschwindigkeitschwankten. Es gehörte zum Erprobungsprogramm,festzustellen, wo die Grenzen lagen.

Fest stand bisher nur die Tatsache, daß der Prozeßvon zwei Faktoren abhängig war. Einmal verändertensich die Impulswellen im Einflußbereich derLibrationszone von Natur aus. Zum anderen konnteihre Strahlgeschwindigkeit durch eine variableAufladung des Kalupschen Feldes sehr wesentlichverändert werden, was wiederum bewies, daß einetotale Aufhebung der hyperphysikalischen undEinsteinschen Grundgesetze eine Frage desEnergiegehaltes im Kalupfeld war. Je besser dieAbschirmung, um so vollendeter fügte sich derKörper der FANTASY in die Halbraumzone ein, umso mehr wurde das Schiff zu einem Bestandteil deskünstlich aufgebauten Sektors zwischen denDimensionen.

Um diesen Idealzustand erreichen zu können, warder Kreuzer während der Werftliegezeit mit einemfünften Kraftwerk ausgerüstet worden, was einezusätzliche Erzeugung von zwanzigtausendMegawatt möglich machte.

Rhodan hoffte, damit den gewünschten Effekterreichen zu können: nämlich die totaleKompensation der fünf- und vierdimensionalenKonstanten.

Das Rumoren der Ringwulsttriebwerke mäßigtesich. Rhodan fuhr aus seinen Grübeleien auf. Die mitdem Linearflug verknüpften Probleme würden sichnur bei der praktischen Erprobung, nicht aber mitfragwürdigen Überlegungen lösen lassen.

Das Flimmern auf den Kontrollschirmen erlosch.Mit einem letzten Brummlaut liefen dieImpulskonverter aus. Im freien Fall schoß dieFANTASY mit nur halber Lichtgeschwindigkeit überdie Marsbahn hinweg. Erde und Mond waren längst

im tiefen Schwarz des Raumes verschwunden. Nurdie zahllosen Sterne der Milchstraße waren noch aufden Bildschirmen zu sehen.

»Na, sind wir wieder munter?« sagte jemand.Rhodan schlug mit dem Handballen auf die flache

Platte des Sammelschlosses. Die an Bord desForschungsschiffes vorgeschriebenen Anschnallgurtefielen vom Körper ab.

Reginald Bull, ebenso jung und elastisch wirkendwie im Jahre 1971, hatte sich hinter dem Sessel desExpeditionschefs aufgestellt. Gelassen sah er auf dieleuchtenden Bildschirme der Panoramagalerie.

Weiter rechts stand der riesige Spezialsitz desKommandanten.

Er achtete nicht auf die beiden Männer zu seinerLinken. Es war seine Aufgabe als Kommandant, dasSchiff in jeder Sekunde unter Kontrolle zu behalten.

Rhodan sah prüfend zu Claudrin hinüber, dessenriesige Schultern an den Rändern der Rückenlehnehervorragten.

»Alles okay, Jefe?«Der Epsalgeborene wandte den Kopf. Die braune

Lederhaut seines Gesichts verzog sich. Er lächelte.»Wie immer, Sir«, dröhnte seine tiefe Stimme.

»Wollen Sie nun?« fügte er mit gleicher Lautstärkehinzu.

Rhodan nickte. Nach einem letzten Blick auf dieBildschirme erhob er sich aus seinem Sitz. Bull standimmer noch reglos auf dem gleichen Fleck. Seinsommersprossiges Gesicht unter der brandrotenHaarbürste wirkte verschlossen und ungewohnt ernst.

Die Männer der Zentralebesatzung blicktenangespannt zu Rhodan und dessen Stellvertreterhinüber. Rhodan schlängelte sich zwischenSesselsockel und manuellen Kontrollen hervor. DieZentrale der FANTASY war mit Zusatzgerätenüberladen.

»Hat man bestimmte Ahnungen?« fragte erübergangslos.

Bulls Lider schlossen sich für einen Augenblick.Als er die Augen wieder öffnete, stand Rhodan dichtvor ihm. Die Blicke der Männer trafen sich.

»Ahnungen?« wiederholte Bully gedehnt. »Nein,wohl kaum. Mehr als explodieren kann dieNußschale nicht.«

Rhodans Lippen verzogen sich zu einemironischen Lächeln, aber in seiner Stimme klangetwas Wehmut mit.

»Oh, Nußschale nennst du einenZweihundertmeter-Kreuzer? Interessant. Ich glaube,ich kann dir sagen, Was in dir vorgeht.«

»Ach!«Rhodan fuhr nachdenklich fort.»Vor siebenundfünfzig Jahren, ungefähr zu dieser

Jahreszeit, ist der Arkonide Crest gestorben. Er hatam Erfolg der menschlichen Rasse nicht mehr

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teilnehmen können. Hast du an ihn gedacht?«Bull nickte und antwortete:»Ich kann mich noch sehr gut an den Tag erinnern,

als wir seinen notgelandeten, Forschungskreuzer aufdem Mond entdeckten. Es muß Ende Juni 1971gewesen sein. Wenige Wochen später fühlten wir unsunbesiegbar, weil wir ein winziges Beibootarkonidischer Fertigung besaßen. Dann kam dieEinigung der irdischen Völker, anschließend unsereersten Begegnungen mit fremden Intelligenzen.Schließlich tauchte Atlan auf, und wenig später kames zur Druuf-Invasion. Das Robotgehirn auf ArkonIII wurde umgeschaltet, und Atlan wurde Imperator.Seitdem sind siebenundfünfzig Jahre vergangen. Jetztbeginnt die dritte Epoche der Menschheitsgeschichte,hm ...!«

Bully unterbrach sich und machte eine umfassendeHandbewegung.

»Wenn ich mich hier umschaue, stelle ich seltsameParallelen fest. Crest und Thora kamen vor 131Jahren auf dem irdischen Mond an. Damals warenwir maßlos stolz auf unsere primitiven Raketen. Jetztstarten wir selbst zu Forschungsflügen, und unsereKolonisten schlagen sich auf allen möglichen Weltenmit fremdartigen Wesen herum. Terra ist zu einemMachtfaktor ersten Ranges geworden. Wie wird esenden? Wer wird uns eines Tages zeigen, wo unsereGrenzen liegen? Wir haben die degeneriertenArkoniden schon beinahe abgelöst. Atlan duldet miteinem lachenden und einem weihenden Auge dieterranische Expansion. Natürlich weiß er genau, daßwir mehr und mehr in seine Einflußsphäre einsickern.Schon jetzt sitzen Terraner in arkonidischenMinisterien. Soll ich dir einmal etwas sagen?«

Blinzelnd schaute Bull nach oben, wo er RhodansGesicht schattenhaft erkannte. Nur das von denBildschirmen und den zahlreichen Instrumentenausgehende Licht erhellte die große Zentrale derFANTASY. Rhodans Züge wurden vonverschiedenfarbigen Lichtreflexen überflutet Es sahaus, als wolle eine unbekannte Macht das Antlitz desgroßen, hageren Mannes in einzelne Felder aufteilen.

»Was willst du sagen, Bully?«»Nicht viel. Ich bin hur der Auffassung, daß man

uns zu lange in Ruhe gelassen hat. Die Springergreifen nur noch aus dem Hintergrund an. Es scheintaugenblicklich niemand zu geben, der uns ernsthaftgefährden könnte.«

»Doch, solche Intelligenzen gibt es genügend. Wassie daran hindert, ist unser Bündnis mit dem GroßenImperium der Arkoniden.«

Reginald Bull winkte ab.»Das ist ein Schattenreich. Atlan alarmiert uns alle

Augenblicke, um gefährlich aussehende Revolten imKeime ersticken zu lassen. Aber Arkon ist nicht dieGalaxis. Wir kennen nur einen winzigen Bruchteil

davon. Das Arkonidenreich, das uns früher sogrenzenlos erschien, beherrscht nicht mehr als einZipfelchen der Milchstraße. Die Dimensionen habensich geändert. Was wird uns im Zentrum erwarten,dort, wo noch niemand hingekommen ist?«

»Also doch Ahnungen.«»Vielleicht«, gab Bull mißmutig zu. »Dieser Flug

erinnert mich zu lebhaft an die Reise der ArkonidenCrest und Thora, die auszogen, um das ewige Lebenzu finden. Sie fanden jedoch uns, und wirübernahmen von ihnen die technische Macht derArkoniden. Jetzt frage ich mich nur noch, was wireinmal entdecken werden.«

Ein Bildschirm blendete auf. Das Gesicht desErsten Offiziers, Major Hunts Krefenbac, wurdeerkennbar.

»Man erwartet Sie, Sir«, gab er bekannt.»Ich komme«, sagte Rhodan zu den Mikrophonen

hinüber. An Bull gewendet, fügte er leiser hinzu :»Mache mir die Leute nicht kopfscheu. Du solltest

ebenso gut wissen wie ich, daß es noch Intelligenzengibt, denen wir im Ernstfalle kaum die Stirn bietenkönnten. Allein die Macht der Galaktischen Händlerist schon nicht zu unterschätzen. Es ist unser Glück,daß sich diese Weltraumnomaden wahrscheinlichniemals einigen werden.«

Bull drehte sich um und marschierte auf dasPanzerschott II zu. Rhodan winkte zu demKommandanten hinüber, der sich soeben aus seinemSpezialsessel erhoben hatte.

Breit, klobig wie ein unbehauener Fels, stand ervor Rhodan, der ihn um Kopfeslänge überragte.

»Jefe, wir bleiben auf Kurs. Nicht mehrbeschleunigen. Kurz vor der Jupiterbahn legen wirlos. Suchen Sie sich mittlerweile den roten Stern ausdem Gewimmel heraus und versuchen Sie dabei, Ihrefür Sprungschiffe geltende Schulung zu vergessen.Wir haben nicht mehr zu tun, als nach Sichtloszufliegen. Mir scheint, dieser Vorteil desLineartriebwerks rechtfertigt bereits alleAnstrengungen, die wir zu seiner Entwicklungunternommen haben. Jedenfalls würde ich mir kaumzutrauen, die vielen notwendigen Transitionen biszum Zielstern einwandfrei zu berechnen. Wer weiß,wo wir bei diesen Entfernungen herauskämen.«

Claudrin drehte sich plötzlich um. Ein »zufällig«in die Nähe gekommener Ortungsfunker nahmHaltung an.

»Welcher Laffe spitzt hier wohl die Ohren?« sagteder Epsalgeborene mit leicht erhobener Stimme. Esklang wie Donnergrollen. Der Funker eilte fluchtartigdavon, und Claudrin fuhr sich zufrieden über daskantige Kinn.

Rhodan hüstelte hinter der vorgehaltenen Hand,dann zog auch er es vor, den Raum zu verlassen.

»Dem Kerl hänge ich doch noch einen Maulkorb

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um«, sagte Bully erbost. »Das ewige Gebrüll gehtmir auf die Nerven!«

*

Die Besatzung war in die große Mannschaftsmessebefohlen worden. Brazo Alkher fühlte sich im Kreisedieser aus allen Flottenverbänden ausgesiebtenMänner noch nicht wohl.

Ständig wurden ihm andere Männer vorgestellt,darunter Persönlichkeiten, die er bisher nur demNamen nach gekannt hatte.

Professor Kalup, der als Kapazität geltendeMathematiker, Riebsam und Gorl Nikolate, derafrikanische Fachmediziner für Anpassungschirurgie,waren nur einige der Wissenschaftler, die in dieBesatzung der FANTASY aufgenommen wordenwaren.

Dazu kamen noch einige Leute, vor denen Brazo -gleich einigen anderen zehntausend Leutnants derFlotte - eine ehrfürchtige Scheu empfand.

Es waren die Mitglieder des sagenhaftenMutantenkorps, die maßgeblich am Aufbau desSolaren Imperiums beteiligt gewesen sein sollten.Brazo hatte noch nie einen der Geheimnisvollengesehen.

Hunts Krefenbacs lange, hagere Gestalt war nahedes vollautomatischen Speiseschalters zu sehen.Brazo hatte bereits gehört, daß Krefenbac durchausnicht so lethargisch war, wie er ständig wirkte. ZurZeit sah er aus, als hätte er soeben all seine Freundepersönlich beerdigen müssen.

Die Besatzung der FANTASY schien überhauptaus sehr individuell veranlagten Menschen zubestehen. Es waren ausgesprochen einseitigtendierende Typen, die Rhodan aus dem Gros derFlottensoldaten und Wissenschaftler ausgesuchthatte.

Leutnant Mahaut Sikhra betrat zusammen miteinem kleinen, unscheinbar wirkenden Mann mit denRangabzeichen eines Leitenden Ingenieurs dieMesse. Bemerkenswert an dem LI des Kreuzers wareigentlich nur der weit nach vorn gewölbteBrustkasten, der auf große Lungen schließen ließ.

»Das ist Slide Nacro, ein Marsgeborener«, sagteStana Nolinow leise. »Es wird behauptet, er könnemit seinen Marslungen in einem Zuge einen Ballonvon Wolkenkratzergröße aufblasen, was mirallerdings leicht übertrieben erscheint.«

»Das Gefühl habe ich auch«, bestätigte Brazoernsthaft. Stana grinste breit. Einige umstehendeUnteroffiziere des technischen Stabes sahen sichbedeutungsvoll an. Dieser neue Leutnant schien dereinzige Tölpel an Bord zu sein.

Brazo biß sich auf die Lippen. Unwillig sah er sichum, doch ehe er die rechten Worte gefunden hatte,

geschah etwas, was ihn erneut fassungslos werdenließ.

Dicht vor ihm begann die Luft zu flimmern. Einekleine, nur meterhohe Gestalt in der Uniform derFlotte schälte sich aus der Leuchterscheinung heraus,bis sie stofflich und greif bar wurde.

Brazo sprang entsetzt zurück. Entgeistert sah er indas spitzschnäuzige Mausgesicht einer rundohrigenIntelligenz, die äußerlich nur infolge der Uniformmenschenähnlich wirkte.

Gucky, der eigentlich nur gekommen war, um sichden Neuen aus der Nähe zu besehen, fühlte in sichväterlich-freundschaftliche Gefühle aufsteigen, als erden jungen Mann Haltung annehmen sah.

Neugierig lauschte der Mausbiber auf dieGedankenimpulse des blaß gewordenen Offiziers.

»Phantastisch ... das muß das berühmteste Mitglieddes Mutantenkorps sein ... nett sieht er aus ... etwaskomisch, aber nett ... kluge Augen hat er!«

Gucky verzichtete darauf, mittels seinertelepathischen Gaben weiterhin den Gedankeninhaltdes Neuen zu belauschen. Strahlend ob der für ihnanerkennenden Überlegungen des jungen Manneswatschelte er auf seinen kurzen Beinen nach vornund streckte die zierliche Hand aus.

Brazos Augen wurden starr, als er den riesigenNagezahn im Mund des Mausbibers bemerkte.

»Hallo, willkommen an Bord«, zwitscherte dieRiesenmaus. »Du bist Brazo Alkher?«

»Ja ... jawohl, Sir«, stotterte Brazo.Gucky sah sich rasch um. Jedermann hatte gehört,

daß er mit »Sir« angesprochen worden war.»Nur Gucky, einfach Gucky«, meinte er

gönnerhaft. »Für dich bin ich immer zu sprechen.Lasse dich von den Halunken nur ja nicht übers Ohrhauen, hörst du?«

»Von wem, Sir?«Gucky kicherte lebhaft. Seine großen Augen

glänzten im Licht der unsichtbar eingebautenLeuchtröhren.

»Von den Halunken, sage ich. Die da ...!«Seine Hand deutete auf die umstehenden Männer.»Wenn sie dich nicht in Ruhe lassen, komme zu

mir, okay?«Völlig verwirrt schüttelte Brazo die Hand des

Nichtirdischen. Er wurde verlegen, als er Guckyskellenförmigen Schwanz gewahrte, der notgedrungenaus der Uniformhose hervorragte.

Brazo wischte sich den Schweiß von der Stirn, alsder Kleine davon stolzierte. Stana Nolinow hielt dieHand vor den Mund. Seine hellen Augenschimmerten feucht. Nach einem lautstarkenRäuspern führ er sich mit dem gekrümmtenZeigefinger über die Lider.

»Aus dem Weg, Zwerg!« schrie Gucky einemriesenhaft gewachsenen Mann der Besatzung zu.

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Schrill lachend ging er an dem Techniker vorbei.»Junge, Junge!« meinte Brazo erschöpft »War das

Wirklichkeit, oder habe ich mit offenen Augengeträumt?«

Nolinow lachte.»Du wirst ihn noch näher kennen lernen. Man sagt

von ihm, er könne mit tausend starken Männernfertig werden, ohne dabei eine Waffe zu benutzen.«

»Na, na!«»Bestimmt, das ist kein Witz«, beteuerte Stana.

»Er ist Teleporter, Telekinet und obendrein Telepath.Was denkst du wohl, wie schnell er dich getestet hat?Ich bin davon über ... oh, der Chef kommt. Ruhe!«

Ehe Rhodan die Messe betrat, empfing er Guckystelepathischen Anruf. Der Mausbiber stand zu derZeit bereits auf der kleinen Empore, die die Messeam oberen Ende begrenzte.

»Ich habe ihn mir angesehen«, gab er durch. »Erhat eine kindische Scheu vor mir, stelle dir das vor!«

»Bemerkenswert«, dachte Rhodan mit seinen nurschwach ausgeprägten Telepathischen Sinnen. Guckyverstand ihn einwandfrei.

»Keine Beleidigungen bitte, hoher Chef. Er warwirklich von mir beeindruckt.«

»Ich sagte ja bemerkenswert.«»Lassen wir das. Ich habe ihn kurz getestet. Okay,

möchte ich sagen. Er ist natürlich unruhig wegen derfür ihn neuen Situation. Sonst aber ist er inOrdnung.«

»Gut, vielen Dank.«Rhodan brach die telepathische Unterhaltung ab.

John Marshall, der Chef des Mutantenkorps, hattemitgehört. Prüfend schaute er zu dem neuenGunner-Offizier hinüber, ehe er leise zu Rhodansagte:

»Er macht einen guten Eindruck. Etwasjungenhaft, Sir.«

»Täuschen Sie sich nur nicht, John. Ich kenneseine Personalakten. An Bord der FORMOSA hat ersich Dinge geleistet, die sogar Bully blaß werdenließen. Das will etwas heißen, wie Sie zugebenwerden.«

Marshall lachte unterdrückt. Dabei nickte er zu dengrüßenden Besatzungsmitgliedern der FANTASYhinüber.

Brazo Alkher drohte vor Ehrfurcht zu Vergehen,als Rhodan die Empore betrat und den Schwenkarmdes Mikrophons näher zog.

Das war der Mann, der ihm, Brazo Alkher, dasGepäck abgenommen hatte. Nur trug derAdministrator jetzt die Uniform der Flotte. DieRangabzeichen waren nicht bombastisch, aber klarerkennbar.

»Machen wir es kurz«, klang Rhodans Stimme ausden Lautsprechern. »Ich habe Sie in die große Messebitten lassen, um Sie über unseren Flug zu

informieren. Es handelt sich diesmal um eineLangstreckenerprobung. Das Ziel ist eine große, roteSonne am Rande des galaktischen Zentrums. Siebesitzt keinen Namen. Die in den Katalogenangegebene Entfernung von 42.180 Lichtjahrendürfte ungenau sein. Mit einem normalenSprungschiff hätten wir wenigstens zehnTransitionen mit den dazugehörendenDistanzberechnungen auszuführen, wenn wireinigermaßen genau ankommen wollten. Das würdeungefähr eine Woche dauern. Ich beabsichtige, dastheoretisch ermittelte Geschwindigkeitsmaximum indie Praxis umzusetzen. Demnach wird dieFANTASY mit etwa fünfundzwanzigmillionenfacherLichtgeschwindigkeit die Halbraumzone durcheilen.Dieser Wert ist als hochgradig relativistisch undbezugsgebunden anzusehen. Erschrecken Sie alsonicht über die große Zahl. Entscheidend ist nicht derrelative Begriff über eine zu einreichende Fahrtstufe,sondern allein die tatsächliche Zeitspanne, die wir zurÜberwindung einer als annähernd genau bekanntenDistanz benötigen. Alles andere wird unwesentlich.Linearschiffe eröffnen neue Aspekte in derHyperraumfahrt. Es gilt demnach, sich mit ariderenBegriff en vertraut zu machen.«

Rhodan langte in die Brusttasche und zog einigePapiere hervor. Prüfend schaute er auf diedreihundert Besatzungsmitglieder des Kreuzershinunter. Er erblickte wache Augen und angespannteGesichter.

»Der zweite zu klärende Punkt betrifft dieZielgenauigkeit«, fuhr er fort. »Wir werden wie beiden vergangenen Probeflügen in der Lage sein, denZielstern auf paraoptischer Basis zu sehen. Bei einerfünfundzwanzigmillionenfachenLichtgeschwindigkeit werden wir etwa 14,5 Stundenbenötigen, um die rote Sonne zu erreichen. EineZeitdilatation dürfte jedoch nach allen gemachtenErfahrungen nicht wirksam werden, vorausgesetzt,die Totalabschirmung des Kalupfeldes bringt keineanderen Überraschungen mit sich. Wir wissen esnicht genau, aber deshalb wollen wir es jaherausfinden. Fest steht nur, daß dienichtmenschlichen Druuf, von denen wir dasTriebwerk übernommen haben, mit unfaßlicherPräzision ihre jeweiligen Zielgebiete erreichten.Ferner wissen wir aus den Untersuchungen unsererkosmischen Agenten, daß bei denLangstreckenflügen der Druuf keinebezugsgebundenen Zeitverschiebungenvorgekommen sind. Ich bin der Auffassung, daß wirunsere Eigenzeit mitnehmen und behalten werden,wonach sich eigentlich keine unliebsamenErscheinungen zeigen dürften.

Wenn jedoch Verzerrungsfaktoren wirksamwerden, so sollten wir es auch überstehen können.

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Das wäre die rein technische Seite des UnternehmensZielstern. Leutnant Alkher ...!«

Brazo fuhr zusammen, als er seinen Namen hörte.Verwirrt bemerkte er, daß alle auf ihn schauten.

»Sir?« sagte er gehemmt.»Haben Sie sich die Feuerleitzentrale der

FANTASY angesehen?«»Jawohl, Sir.«»Kommen Sie damit klar?«»Vollkommen, Sir. Sie unterscheidet sich in keiner

Weise von den Stationen anderer Schiffe.«»Gut, danke sehr. Bereiten Sie sich darauf vor,

unter Umständen blitzschnell handeln zu müssen. DieFANTASY ist kein Superschlachtschiff, noch nichteinmal ein vollwertiger Schwerer Kreuzer. Ein Teilder Bewaffnung ist ausgebaut worden, um für andereMaschinen Platz schaffen zu können. Wir sind einefliegende Kraftstation, nicht mehr. Die wenigenGeschütze müssen notfalls so rasch und so zielgenaueingesetzt werden, daß wir in der Hinsicht keineunangenehmen Überraschungen erleben. Richten Siesich danach und kümmern Sie sich unter keinenUmständen um andere Dinge.«

»Jawohl, Sir, verstanden.«Rhodan klappte seine Unterlagen zusammen. Nach

einem Blick auf die Uhr sagte er betont ruhig:»Wir erreichen in einer halben Stunde die

Jupiterbahn. Dort gehen wir in den Zwischenraumund beschleunigen auf Zielfahrt. Räumanzüge sindanzulegen. Schalten Sie um aufFunksprechverbindung und schnallen Sie sich fest.Wir hoffen zwar, die Ursachen der letzthinbeobachteten Zellenvibration beseitigt zu haben, abersicher ist sicher. Vergessen Sie nie, daß Sie sich anBord eines Prototyps befinden. Es geht um alles odernichts, wonach wir - um das herausfinden zu können- auch alles zu riskieren haben.«

Rhodan grüßte kurz, ehe er die Messe verließ. Füreinige Sekunden hielt das nervenzermürbendeSchweigen an. Dann klangen erregte Stimmen auf.Plötzlich bildeten sich Gruppen und Grüppchen.

»Über zweiundvierzigtausend Lichtjahre, hol's derTeufel!« sagte Stana Nolinow fassungslos. »Diesmalhat er es ja gut vor. Wie fühlst du dich, Brüderchen?«

Brazo lächelte seltsam. Gedankenverloren sah erzu dem Ort hinüber, wo Rhodan bis vor wenigenAugenblicken gestanden hatte.

»Gut, sehr gut sogar. Weißt du, Stana - ich glaubejetzt zu verstehen, warum dieser Mann jung undgesund bleiben muß. Gnade Gott der Menschheit,wenn er eines Tages nicht mehr da sein sollte. Wirwürden im Chaos enden.«

»Wahrscheinlich«, gab Nolinow zu. »Reden wirnicht mehr davon. Jetzt geht es darum, mit heilerHaut und möglichst guten Ergebnissen den Flug zubeenden. Kannst du dir realistisch vorstellen, was

eine fünfundzwanzigmillionenfacheLichtgeschwindigkeit bedeutet? Nein, das kann mansich überhaupt nicht mehr vorstellen.«

»Doch, es geht«, behauptete Brazo gelassen.»Rhodan hat den richtigen Begriff geprägt! Eskommt nicht auf die Fahrtstufe an, sondern alleindarauf, weiche Strecke man in einer bestimmtenZeitspanne überwinden kann. Von dem Standpunktaus betrachtet, verliert die Sache ihren Schrecken;damit wird sie normal und geistig verdaubar. Was dieDruuf können oder konnten, sollten wir auch fertigbringen.«

»Ganz meine Meinung«, sagte jemand mit hoher,dünner Stimme.

Brazo drehte sich um und nahm Haltung an.Captain Ing. Slide Nacro hatte gesprochen. Prüfendmusterte er den hochgewachsenen Feuerleitoffizierder FANTASY.

»Wenn Sie Hilfe brauchen, Mr. Alkher, wendenSie sich an mich. Ich werde vorsichtshalber einHilfskraftwerk für Ihre Desintegratorstrahlerbereithalten. Unter Umständen kommen Sie mit denSynchronkonvertern nicht aus. Wenn Sie aber derMeinung sein sollten, auf eine fremde Energiequellezurückgreifen zu müssen, so besinnen Sie sich nichtzu lange. Wir wissen nicht, was uns da drübenerwartet.«

Der Marsgeborene deutete mit dem Daumen überdie Schulter. »Da drüben« mußte dasMilchstraßenzentrum liegen. Grüßend ging er davon.Brazo ahnte, warum der kleine, unscheinbare MannChefingenieur auf der FANTASY geworden war.Hier schien jedermann ein Könner ersten Ranges zusein.

Nolinow sah auf die Uhr.»Es wird Zeit. Wie verträgst du dich mit deinen

Leuten?«Brazo zögerte etwas. Dann lächelte er wieder so

seltsam.»Oh, du meinst die Gunnerbesatzung? Vorläufig

halten Sie mich noch für einen gutgläubigen Tölpel.«»So! Hm, warten wir also ab«, meinte Stana

nachdenklich. »Gehen wir.«Dreihundert Männer verließen nach und nach die

große Mannschaftsmesse. Ordnungsgemäß nahmensie ihre Manöverpositionen ein, um dort auf dasKommende zu warten.

In der Mittelpunktzentrale des Schweren Kreuzerswurden die zumeist noch provisorisch aufgestelltenMeßgeräte überprüft. Professor Kalup kümmerte sichmit seinem technischen Stab um den nach ihmbenannten Konverter, der die Höhe und Ausdehnungeines vierstöckigen Hauses besaß. Der größteLaderaum des Spezialschiffes war zur Aufnahme desMammutgebildes umgebaut worden.

Die fünf Kraftwerke der FANTASY

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beanspruchten den weitaus größten Platz. Sielieferten bei Maximalleistungzweihundertzwanzigtausend Megawatt, dieausschließlich vom Kalupschen Konverter zumAufbau des Kompensatorfeldes verbraucht wurden.

Es war ein unvorstellbarer Wert, und doch war ernichtig, wenn man bedachte, welche energetischenKräfte von dem Relativ kleinen Kugelfeldabzuwehren waren.

Drei Minuten vor Beginn des Eintauchmanöverslief die letzte Klarmeldung aus demMaschinenleitstand ein. Captain Ing. Nacro ließ dieStromreaktoren der Kraftwerke anlaufen. DieFANTASY erwachte zu einem mechanischen Lebenvon höchster Vollendung.

4.

Es war wie ein Alptraum, weder geistig klarerkennbar, noch mit den Händen zu erfassen.

Das Manöver war einwandfrei gelungen. Nachdemdas Kalupsche Kompensationsfeld aufgebaut wordenwar und die Strukturumwandlung der Impulswellenstattgefunden hatte, sah es so aus, als hätte sich anBord des Schiffes nichts verändert.

Ein Entmaterialisierungsschmerz, wie er beitransistierenden Sprungschiffen infolge der totalenEntstofflichung auftrat, war nicht zu verspürengewesen.

Nichts hatte sich verändert, kein Körper hatte sichaufgelöst. Die optische, Sicht auf das vor dem Schiffliegende Zielgebiet war einwandfrei. Nur dort, wodie Ausdehnung des parastabilen Echostrahlesschwächer wurde, verschwammen die Umrisse derbekannten Milchstraße.

Auf dem Spezialschirm glänzte der rote Zielsternals winziger Punkt. Man flog nach direkter Sicht,ohne langwierige Berechnungen und zu beachtendenVorhaltewinkeln. Die FANTASY war schnell genug,um die Eigenbewegung der fernen Sonne alsvernachlässigbar und leicht korrigierbar erscheinenzu lassen.

Tief unter der Zentrale dröhnte der Kalup. Schonwenige Minuten nach Beginn derLibrationszonen-Beschleunigung hatte es sicherwiesen, daß der Kompensationskonverter trotz derhohen Leistungsaufnahme noch nicht voll ausgelastetwar. Zweihundertzwanzigtausend Megawatt warennicht ausreichend, um das stromfressende Ungeheuervöllig zu sättigen.

In der mathematischen Abteilung liefen dieRechenmaschinen. Die energetische Verdichtung desKalupfeldes hatte sich im Verhältnis zu früherenVersuchen um nur rund fünf Prozent gesteigert,obwohl das zusätzlich eingebaute Kraftwerk Nr. Vnochmals zwanzigtausend Megawatt lieferte.

Nach einer Beschleunigungszeit von knapp achtMinuten im Bereich der instabilen, künstlicherschaffenen Halbraumzone war das Fahrtmaximumerreicht worden. Die Strahlgeschwindigkeit derstrukturverformten Impulswellen lag bei derfünfundzwanzigmillionenfachenLichtgeschwindigkeit. Es stand jetzt schon fest, daßdie erreichte Fahrtstufe durch keinen Kunstkniffmehr zu steigern war, wenn es nicht gelang, dieerforderliche Totalabschirmung dervierdimensionalen Energieeinflüsse zu erreichen.

Die Sicht in das Normaluniversum war getrübt.Außer schattenhaften und linienförmigenLichtgebilden war nichts zu erkennen. Nur imStreuwinkelsektor des paraoptischen Reflexstrahlsherrschte Klarheit. Mit zunehmender Entfernungweitete sich der Blickwinkel.

Die ersten Meßergebnisse wiesen aus, daß das aufdem Kalupprinzip beruhende Mantelschirmfeld seineStabilität beibehielt, obwohl die energetischeVerdichtung mit zunehmender Ausbreitung abnahm.

Die im Brennpunkt der Paraortung liegendeZielsonne stand genau im Tasterfeld desReliefschirms.

An Bord der FANTASY hatte man infolge deranfallenden Aufgaben schon fast vergessen, daß mansich in einem unwirklichen, nur rechnerischerfaßbaren Sektor des Raumes befand. Diefünfdimensionalen Konstanten wurden einwandfreivom Kalupfeld abgeschirmt. Eine dementsprechendeBeweisführung, war kaum noch erforderlich, da sichkeine Anzeichen einer beginnendenEntmaterialisierung beobachten ließen. Die beimEindringen in den Hyperraum entstehenden Effektewaren bekannt genug, um feststellen zu lassen, daßdie hyperphysikalischen Gesetzmäßigkeiten in derLibrationszone keine Gültigkeit besaßen.

Rhodan hatte die zweite Kontrollbankeingeschaltet. Notfalls hätte er die manuelle Führungdes Schiffes übernehmen können.

Jefe Claudrin saß jedoch so ruhig und gelassen inseinem Spezialsitz, daß sich Rhodan langsamentspannte. Die erste Viertelstunde nach demerfolgten Eintauchmanöver war turbulent gewesen.Nun liefen die einzelnen Meldungen nicht mehr soüberstürzt ein.

Rhodan betastete sorgfältig seinen Körper. Es hattesich nichts verändert.

»Hättest du etwa angenommen, durch deinenMagen hindurchgreifen zu können?« erkundigte sichBully launig. Seine wasserblauen Augen funkeltenunternehmungslustig.

»Möglich ist hier alles«, meinte Rhodanargwöhnisch. »Wie fühlst du dich?«

»Glänzend. Ich finde es direkt unwahrscheinlich,daß wir uns mit einem, solchen Tempo fortbewegen

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sollen.«»Wie oft soll ich noch erklären, daß es nur als

völlig unwichtiges Maß anzusehen ist? Sozusagen alsGedankenstütze? Wichtig ist ...«

»... die tatsächlich zurückgelegte Strecke, ja, ichweiß.«

Rhodan erhob sich aus seinem Sitz. Augenblickespäter gab er über Sprechfunk die Anweisung, dieHelme der Raumanzüge zu öffnen.

»Passen Sie aber auf«, fügte er hinzu. »Es kannsein, daß wir uns sehr schnell von der Außenweltabschließen müssen.«

Langsam schritt er zum Sitz des Kommandantenhinüber. Jefe Claudrin hätte alle Hände voll zu tun,um die von Professor Kalup eingehendenAnweisungen auszuführen. Es handelte sich umwinzige Düsenquerschnittsveränderungen undKursmanöver.

Rhodan blieb hinter dem Epsalgeborenen stehen,dessen Schaltungen ungeheuer schnell und mitgrößter Präzision erfolgten. Für den reinen Linearflugwaren noch keine Autopiloten entwickelt worden. Sowar Claudrins überragendes Reaktionsvermögenunschätzbar wertvoll.

Er sah sich rasch um. Direkt vor ihm war derkonkav gewölbte Reliefschirm der Parabeobachtungeingebaut worden. Die Bildflächen derNormalaufnahme zeigten nur verwaschene Reflexe.»Phantastisch, Sir«, dröhnte Claudrins Stimme.»Kalup will mich zu einerStützmassenverschwendung verleiten. Was halten Siedavon?«

Rhodan überlegte. Kalups Gedankengänge warenleicht durchschaubar. Er wollte mit allen Mittelnversuchen, die Fahrt zu erhöhen, obwohl derKompensator offenbar am Ende seinerLeistungsfähigkeit angekommen war.

»Versuchen Sie es!«»Wie?« fragte Claudrin höchst erstaunt.

Bestürzung zeichnete sich auf seinem breiten Gesichtab.

»Versuchen Sie es, Jefe! Spritzen Sie ein undfahren Sie die Impulskonverter Voll aus. Ich möchteauch sehen, was geschieht. Einmal müssen wir es jaerfahren.«

In der mathematischen Zentrale wurde dieAnweisung mitgehört. Kalups massige Gestalterschien hinter einem hyperstrukturellenWinkelpeiler, dessen Walzenskalen mit irrsinnigerGeschwindigkeit rotierten.

»Na endlich«, polterte Kalup in seinercholerischen Art. Seine blaugeäderten Hängebackenwirkten jetzt straffer und angespannter. »Lassen Siemich mal an das Mikrophon.«

Ein Techniker aus seinem Stab wich demheranstampfenden Physiker schleunigst aus. Kalup

zerrte schimpfend den biegsamen Haltearm näher.»Kalup spricht«, rief er überflüssig laut ins

Mikrophon. »Sir, hören Sie mich?«»Allerdings«, klang Rhodans Stimme aus der

Bordverständigung.»Gut, schon etwas wert«, meinte Kalup in seiner

spitzfindigen Art. »Wenn Sie sich schon entschlossenhaben, die Ratschläge eines erfahrenen Mannes zuwürdigen, so machen Sie es auch gleich richtig. Ichbrauche für den Versuch zweiunddreißig TonnenWismut pro Triebwerkseinheit und pro Sekunde.Schaffen das Ihre miserablen Turbolader?«

»Was?« donnerte Claudrins Stimme aus allenLautsprechern. »Sagten Sie zweimal >pro<?«

»Jawohl, pro!« rief Kalup erbost zurück. »ProTriebwerk und pro Sekunde. Herr, wer ist hier derChefphysiker?«

»Sie sind ja übergeschnappt, Arno«, schaltete sichder mit Kalup befreundete Chefingenieur ein. »DerEnergiegehalt eines in den vierten Aggregatzustandübergehenden, dicht vor der Kernreaktion stehendenPlasmas ist in der geforderten Größenordnung nichtmehr beherrschbar. Ich brauche jedes Kilowatt fürIhren Kompensator. Die Leistung derNotstromstationen ist nicht ausreichend zum Aufbaueines Mantelfeldes in der erforderlichen Stärke.«

»Das Plasma ist beherrschbar«, behauptete Kalupaußer sich vor Zorn.

»Mit wenigstens drei Hauptkraft-Werken, ja!«»Mit zwei Notstromstationen, Sie halbe Portion«,

schrie Kalup wild gestikulierend. »Was denken Siewohl, welchen physikalischen Gesetzen wir zur Zeitunterliegen? Ich werde Ihnen beweisen, daß...!«

»Ich bitte um Ruhe«, klang Rhodans kühle Stimmedurch den Lärm. »Mr. Nacro, schalten Sie dieWismuttank-Beheizung hoch auf fünfzehnhundertGrad. Turbolader auf die gewünschte Fördermengeeinstellen. Impulskonverter voll ausfahren, fertig fürStützmasseneinspritzung. Professor Kalup: Ichriskiere damit allerhand. Sie wissen, daß sich dieSchubleistung der Triebwerke kurzfristigvervierfachen wird. Ich nehme an, daß Sie einigeRechenergebnisse vorliegen haben. WelchenSicherheitskoeffizienten haben Sie beizweiunddreißig Tonnen pro Sekunde eingeplant?«

Kalup sah aufmerksam auf den Bildschirm. Erbeherrschte sich nur mühevoll. Sein gewaltigerKahlkopf glänzte feucht.

»Sir«, sagte er fast zischend. »Der BegriffKoeffizient ist identisch mit der Vorzahl derveränderten Größe einer Funktion in der Mathematik,oder identisch mit einer Zahl, die dasAusdehnungsvermögen eines Stoffes ausdrückt.Nehmen Sie etwa an, ich hätte den Sicherheitsfaktorvernachlässigt?«

Rhodans Gesicht blieb unbewegt.

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»Ich kenne Sie, junger Mann!«»Was, junger Mann?« tobte Kalup. Sein Gesicht

lief blau an, der fettleibige Riesenkörper bebte.»Sagten Sie junger Mann?«

»Genau das. Ich beschäftigte mich bereits mitTrigonometrie und dem Dreiecksnetzpunkt, als IhrUrgroßvater noch nicht das Licht der Welt erblickthatte. Sagt Ihnen das etwas, junger Mann?«

Kalup war fassungslos. Die grinsenden Gesichterseiner Assistenten brachten ihn um den Rest seinerBeherrschung. Rhodan schaltete ab, ehe der Physikergänzlich explodieren konnte.

Schmunzelnd sah der Expeditionschef zu demEpsalgeborenen hinüber, der einige seltene Flüchehören ließ.

Bully hielt sich die Ohren zu. Dabei rief er:»Ich binde ihm doch noch einen Maulkorb um,

ganz bestimmt sogar. Claudrin, ich wünsche Ihneneine handfeste Halsentzündung mit möglichst dickverquollenen Mandeln. Vielleicht hören Sie dannendlich auf, mein Gehör zu peinigen.«

Der Kommandant lachte. Es klang wie dasDonnern eines Wasserfalls.

*

Stana Nolinoiw fiel mehr durch das schwerePanzerschott der Feuerleitzentrale, als daß er esdurchschritt. Haltsuchend klammerte er sich aneinem Zielautomaten fest, um anschließend miteinigen artistischen Sätzen auf den nächstenKombisessel zuzuspringen.

Schwer atmend ließ er sich hineinfallen. Hastigtastete er nach den Anschnallgurten.

Brazo Alkher, der befehlsgemäß vor dersogenannten Feuerorgel saß und auf nichtvorhandene Ziele lauerte, schaute sich fassungslosum. Die Männer der Gunnerbesatzung spitzten dieOhren, als Stana keuchend ausrief:

»Vielleicht seid ihr bald festgeschnallt! Habt ihreine Ahnung, wie sich Kalups Einfalle auswirkenkönnen?«

Brazo stellte mit einem Gefühl plötzlicher Unruhefest, daß seine Untergebenen mit unwahrscheinlicherFingerfertigkeit nach den Sammelschlössern griffen.

Er überdachte noch seine eigenen Maßnahmen, alsdas Bordvisiphon läutete. Captain Slide Nacro waram Apparat. Sein schmales Gesicht wirkteangespannt.

»Alkher, ich brauche jedes armselige Watt, dasIhre Kanonenkonverter hergeben können. SchaltenSie um auf Stromkreis vier.«

Brazos weiches Jungengesicht wurde jählings sohart und abweisend, daß Nolinow verwundert dieAugen aufriß. Der Unteroffizier vom Dienst spitztedie Lippen zu einem lautlosen Pfiff. Aufmerksam

spähte er zu dem neuen Feuerleitoffizier hinüber.»Tut mir leid, Sir«, entgegnete Brazo reserviert,

»Mein Befehl lautet, die wenigen Waffen desSchiffes jederzeit feuerklar zu halten.«

»Seien Sie doch nicht närrisch«, drängte der LIerregter. »Ihre Geschützstationen liefern mirzusätzlich vierzigtausend Megawatt.«

»Sogar dreiundvierzigtausend, Sir.«»Na also. Schicken Sie mir den Saft in die

Stromleiter. Nun machen Sie schon.«»Abgelehnt, Sir. Hier bin ich der Chef. Meine

Kanonen bleiben betriebsbereit.«»Sie entwickeln sich aber großartig, Herr

Leutnant!« sagte der Marsgeborene eisig.Brazos Gesicht blieb ausdruckslos.»Ich hoffe es, Sir. Wenn ich vom Kommandanten

die Erlaubnis erhalte, den Waffenstrom zurVerfügung stellen zu dürfen - bitte sehr! Wenn Siedazu eine Bemerkung erlauben, Captain Nacro: Ichhalte die Maßnahme des Administrators fürverantwortbar. Er dürfte wissen, inwieweit ProfessorKalups Forderungen erfüllbar sind.«

Nacro schaltete abrupt ab. Der Unteroffizier vomDienst fuhr sich mit dem Handrücken über den Mundund sah Nolinow fragend an. »Brüderchen,Brüderchen, mache dir keine Feinde«, warnte Stanamit erhobener Stimme. »Warum gibst du ihm nichtdeine paar Megawatt? Wenn die expandierendenPlasmastützmassen die reichlich schwachenEinengungsfelder durchschlagen, gibt es in allensechs Triebwerken Kleinholz.«

»Erstklassigen Schmelzstahl«, verbesserte Brazotrocken. »Ganz davon abgesehen: Wenn die Leistungder Notstromkraftwerke nicht ausreicht, helfen meineKanonenkonverter auch nicht mehr. Die Gefahrbliebe also die gleiche, nur mit dem Unterschied, daßwir im Falle einer Feindberührung hilflos wären.«

»Quatsch! Hier in der Librationszone?«»Der Kalup kann ausfallen. Damit tauchen wir

automatisch in den Normalraum ein, Dort aber kannes zu Überraschungen kommen.«

Brazo schnallte sich mit pedantischer Sorgfalt an.Niemand bemerkte die in ihm wühlende Erregung. Eswar das dritte Mal in seiner Laufbahn alsFlottenoffizier, daß er einem Vorgesetztenwidersprochen hatte.

Ich kann mich hinter dem Befehl von obenverschanzen! dachte er, um sich gleich darauf vorsich selbst, zu schämen. Nein, er würde nicht denBefehl vorschieben, sondern seine Ansichtenvertreten. Nacro hatte kein Recht dazu, sämtlicheSchiffswaffen lahm zu legen, gleichgültig, ob es nunzu einer Feindberührung kam oder nicht.

Stana wollte noch etwas sagen, als die Triebwerkeder FANTASY zu tosen begannen. Eine Stimmestählte. Bei Null steigerte sich das Arbeitsgeräusch zu

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einem sinnbetäubenden Donnern.Brazo sah, daß Nolinow etwas rief. Es war kein

Wort zu verstehen. Zwei Sekunden nach dererfolgten Stützmasseneinspritzung begann die Zelledös Schweren Kreuzers zu schwingen. Augenblickespäter wurden die Vibrationen so stark, daßempfindliche Instrumente zersprangen.

Ein tiefer Orgelton übertönte das Donnern derTriebwerke. Der Kugelrumpf der FANTASY läutetewie eine von Titanenkräften bewegte Glocke.

Die Warnautomatik steigerte das Geräuschinfernomit schrillem Sirenengeheul.

Dann wurde es plötzlich totenstill. Nur die Zelleschwang noch nach. Das Läuten wurde leiser, bis esebenfalls nicht mehr zu hören wer.

Brazo griff sich mit beiden Händen an denSchädel, jemand rief etwas über die Bordverbindung,was die taub gewordenen Ohren derBesatzungsmitglieder nicht verstehen konnten.

Es dauerte eine Weile, bis sich die Gehörsinne derMänner wieder normalisierten. Sofort vernahmen siedie dunkle Stimme Perry Rhodans.

Sie klang völlig ruhig und ausgeglichen.Außerdem gebrauchte er Worte, die Brazo zu einemLächeln zwangen.

»Okay, Professor, das war es. Die Düsenfelderhaben gehalten, obwohl sie viel zuwenig Strombekamen. Im Normalraum wären wir explodiert.Wegen der Vibrationserscheinungen machen Sie sichkeine Sorgen. Die wären auch aufgetreten, wenn wirvier Hauptkraftwerke auf die Schirmfelder geschaltethätten. Wie sieht das Ergebnis aus?«

Kalups Gesicht erschien auf den Bildschirmen. Erstrahlte!

»Schön, der junge Mann sei Ihnen verziehen. Wirhaben wie von mir erwartet beschleunigt. DieAuswertung läuft noch. Damit ist der Beweiserbracht, daß die restlichen Feldeinflüsse des4-D-Raumes wenigstens teilweise durch reinmechanische Kräfte zu überwinden sind. Was ichbrauche, sind nochmals drei große Kraftwerke.«

»In der FANTASY aber nicht mehr.«»Dann lassen Sie ein Spezialschiff in der

Größenordnung eines Schlachtschiffes bauen. Jetztreden Sie nur nicht von den entstehenden Kosten. Ichbin noch nicht zufrieden.«

Rhodan schaltete ab. Brazo drehte sich zu Nolinowum. Das Gesicht des neuen Feuerleitoffiziers wirktewieder entspannt und weich.

Stana erhob sich. Schweigend betastete er seineGlieder, um anschließend mit den kleinen Fingern inden Ohren herumzustochern.

Der Unteroffizier vom Dienst wechselte mit denMännern des Gunnerraumes einige kurze Blicke.Anschließend verließ er seinen Platz, langte in dieTasche und blieb dicht vor Brazo stehen.

Alkhers Hände begannen zu zittern, als SergeantEnscath zurückhaltend sagte:

»Rauchen Sie, Sir?«»Vielen Dank, bin Nichtraucher.Vielen Dank, Mr. Enscath.«Der ältere Sergeant nickte. Als er sich umdrehte,

meinte er ruhig:»Wegen Captain Nacro machen Sie sich keine

Sorgen, Sir. Er ist nicht nachtragend, dagegen weißer aber Zivilcourage zu schätzen. Das wollten wirIhnen nur sagen, Sir.«

»Wir ...?«»All die Burschen, die Sie augenblicklich so

respektlos angrinsen, Sir.«Brazo begleitete Nolinow bis zur Luftschleuse.

Dort sagte er leise und stockend:»Weißt du, Stana, es ist ein wunderbares Gefühl,

Freunde zu haben.«»Wem sagst du das, Brüderchen? Nun mache es

gut und vergiß nicht, daß man in der Librationszoneund trotz fünfundzwanzigmillionenfacherLichtgeschwindigkeit sogar etwas essen kann.Treffen wir uns in einer halben Stunde? Ich mußmich noch um meine Kampfroboter kümmern.Hoffentlich waren die Burschen >schlau< genug,rechtzeitig ihre Körperschirme einzuschalten.Positronische Mikrogehirne sind empfindlich gegenErschütterungen.«

»Welches Fachgebiet hast du eigentlich?«Stana verbeugte sich theatralisch.»Gestatten - Stana Nolinow, Leutnant der Solaren

Flotte, nebenbei Diplomingenieur für hyperfrequentePositronik. Das ist ein Spezialgebiet von anderenSpezialgebieten, die alle zusammen den OberbegriffKybernetik bilden. Etwas verworren, was?«

Lachend verschwand er in der Schleuse, wo ernoch rief:

»In einer halben Stunde. Deine erste Mahlzeit imHalbraum sollte gefeiert werden.«

Brazo nickte mechanisch. Als er zu seinem Platzzurückging, ahnte er, daß er nun in die verschworeneGemeinschaft von großartigen Könnern undFreunden aufgenommen worden war.

Auf dem großen Zielschirm der Feuerorgel glänztedie ferne, rote Sonne, die Rhodan in knapp fünfzehnStunden zu erreichen hoffte.

5.

Rhodan fuhr auf. Er benötigte den Bruchteil einerSekunde, um die Situation zu erfassen.

»Claudrin, den Kalup ausschalten!« schrie er demKommandanten zu.

Auch der Epsalgeborene begriff sofort, daß einAusweichmanöver bei dieser Irrsinnsfahrt unmöglichwar. Es wäre sinnlos gewesen, zu versuchen, die

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nach vorn stürmende, nach wie vor existierendeMasse des Schiffes aus dem linearen Kurs zwingenzu wollen.

Der überraschend aufgetauchte Glutball einergroßen, gelben Sonne verdeckte plötzlich den schonklar und deutlich erkennbaren Zielstern. Es trat derFall ein, den die Wahrscheinlichkeitsberechnungenmit einem Wert von eins zu achtunddreißigMilliarden als »kaum jemals stattfindend«ausgewiesen hatten.

Die FANTASY näherte sich dem fremden Gestirnmit vielmillionenfacher Lichtgeschwindigkeit. EheJefe Claudrin schalten konnte, hatte Rhodan schonwieder umgedacht. Er erfaßte intuitiv, daß es zurStillegung des Kalup bereits zu spät war.

Ohne ein Wort zu verlieren, stürmte er nach vornund fiel Claudrin in den Arm.

Die breite Hand des Epsalgeborenen rutschte andem Notschalter vorbei, schlug auf der splitterndenPlastikeinfassung auf und fuhr von dort aus inRhodans Gesicht.

Stöhnend sank der Administrator zurück, doch wasdann folgte, war schlimmer als der ungewollte Hieb.

Die FANTASY kollidierte mit dem Stern unterphysikalischen Verhältnissen, die weder theoretischbekannt noch annähernd erprobt waren. Rhodansletzte Sinneswahrnehmung vor dem beginnendenChaos war die, daß der Kreuzer in Höhe derÄquatorlinie in die gelbe Sonne hineinraste.

Was anschließend geschah, begriff man erst, alsdie unmittelbaren Folgeerscheinungen desZusammenstoßes spürbar wurden.

Für einen winzigen Moment, viel kürzer als derBruchteil einer Millionstel Sekunde, dröhnte es in derFANTASY auf, als wolle sie zerbersten. Zugleichwirkten sich Effekte aus, an die man normalerweisenicht zu denken gewagt hätte.

Rhodan hörte nur das Dröhnen und Läuten desüberbeanspruchten Materials. Jede Schweißnahtschien lebendig geworden zu sein. Die fünf starkenKraftwerke liefen mit Maximalleistung, und derKalupsche Kompensationskonverter arbeitete miteiner Geräuschentwicklung, die der vonexplodierenden Kernwaffen entsprach.

Niemand außerhalb des Schiffes beobachtete dasunwahrscheinlichste Geschehnis, das sich in derGeschichte der raumfahrenden Menschheit jemalsereignet hatte.

Ein unfaßbar schneller, im Verhältnis zurSonnenmasse winziger Körper, raste in dieweißglühende Atmosphäre des Sterns hinein,durchdräng sie unbeschadet und stieß anschließend inden glutflüssigen Kern vor, den er ebenfallsdurchbrach.

Der Vorgang geschah zu schnell und unter zufremdartigen Grenzen, als daß das winzige Erzeugnis

menschlichen Geistes hätte zerstört werden können.Ehe das Kompensationsfeld in sich zusammenbrach,war die FANTASY der lohenden Atomhölleentronnen. Doch dabei geschah etwas, was manspäter nicht genau rekonstruieren konnte.

Trotz des enorm schnellen Durchstoßens löstensich aus dem Sonnenkern gewaltige Materiemassen,die zusammen mit dem davonrasenden Linearschiffin den freien Raum geschleudert wurden. Es wirktewie die Geburt eines neuen Planeten, dessen Kernaus einem von Menschenhand erbauten Fremdkörperbestand.

Eine flammende Gaszunge, ultrahell leuchtend,identisch mit einer künstlich erzeugten Protuberanz,zuckte in das Vakuum des Alls hinaus, und dabeiverlor ein bisher vom Kalupfeld geschützter Körperseine Existenzberechtigung in der Halbraumzone.

Er wurde wieder zum stabilen Bestandteil desEinstein-Universums, dem auch die durchstoßeneSonne angehörte.

Ein zweiter Effekt, ebenso unvorhergesehen wieder erste, ergab sich aus dergravitationsmechanischen Wirkung der normalenSchutzschirme, von denen die aus dem Sonneninnernhervorgeschleuderten Materiewolken eingefangenund gefesselt wurden.

Mehr als neunundneunzig Prozent der glühendenMassen blieben zurück. Sie konnten nicht mehrbeeinflußt werden. Der Rest aber wurde von der mitnur noch halber Lichtgeschwindigkeit fliegendenFANTASY mitgerissen.

Als die Rotationsbewegung begann, war diedurchstoßene Sonne schon ein blasser Lichtfleckunter Milliarden anderen Flecken.

Das erste irdische Linearraumschiff war zu schnellgewesen, um von den Kräften eines gelben Sternsvernichtet oder festgehalten zu werden. Es hatte dieSonne durchschlagen, wie ein hundertfachÜberschallschnelles Raketengeschoß kleinsterBauweise einen Kübel mit flüssigem Stahl, nur daßein solches Projekt noch den Nachteil gehabt hätte,nicht über wirkungsvolle Schutzschirme zu verfügen,die gar nicht so schnell zusammenbrechen konnten,wie der Durchschlagungsvorgang geschehen war.

Ein weißglühendes Phantom raste mit rascherEigenrotation durch den sternwimmelnden Raumnahe des Milchstraßenzentrums.

Die rote Zielsonne stand weit abseits, fast nichtmehr erkennbar. Den dritten Effekt desGesamtvorganges sollten die Männer der FANTASYerst viele Monate später begreifen. Es war durchauskein Zufall, daß der winzige, soeben geborene Planetauf eine blaue Sonne zuflog.

Sie war von dem gelben Stern viele Lichtjahreentfernt. Niemand an Bord der FANTASY ahnte, daßim Moment des Zusammenstoßes eine

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ungewöhnliche Transition stattgefunden hatte, dienur mit einer Wesensgleichheit bestimmterEnergiekonstanten identisch sein konnte.

Es war auch unwesentlich, ob man an Bord einesKreuzers nun an einen unwahrscheinlichen Zufall,oder an einen ganz natürlichen und unabänderlichenVorgang glaubte.

Entscheidend war die Tatsache, daß dieFANTASY genau die große, blaue Sonne anflog.

*

Rhodan versuchte vergeblich, den grünmarkiertenNotschalter zu erreichen. Es mußten wenigstens fünfGravos sein, von denen jedes Glied seines Körperbelastet wurde.

Eigentlich wäre es die Aufgabe der automatischenKontrollorgane gewesen, den rotierendenKugelkörper des Kreuzers mit Hilfe der starkenStabilisierungstriebwerke aufzufangen.

Offenbar war die Automatik bei der Kollisionausgefallen. Dies und die Tatsache, daß dieFANTASY wie eine Zentrifuge um ihre Polachsewirbelte, erfaßte Rhodan ganz klar.

Warum die Andruckabsorber nicht arbeiteten, warweniger gut zu verstehen. Wahrscheinlich aber hattendie Kraftwerke beim Ausfall desKompensationskonverters kurzgeschlossen undabgeschaltet. Die schadhaft gewordeneSicherheitsautomatik leitete keinen Arbeitsstrom zuden Andruckneutralisatoren, wonach sie auch nichtihren Dienst erfüllen konnten.

Rhodan empfand mit schmerzhafter Klarheit, daßdiese Situation einem der ersten bemanntenRaumflüge ähnelte. Seitdem hatte es noch keineNeutralisatoren zur Aufhebung der Beharrungskräftegegeben, aber damals waren die Astronauten auchanders geschult gewesen!

Fünf Gravos hätten die jahrelang unter härtestenBelastungen vorbereiteten Spezialisten der fastvergessenen Space-Force nur wenig gestört. Man wardabei noch in der Lage gewesen, wichtigeSchaltungen durchzuführen. Man hatte auch eineandere Atemtechnik besessen, die Erstickungsanfälleausschloß.

Rhodan lag halb aufgerichtet an der Wandunterhalb der Panoramabildschirme. Im Schiffherrschte eine beklemmende Stille. Blutrotes Lichtüberflutete die Zentrale, in der die Männer derBesatzung wie festgeklebt in ihren automatischzurückgeklappten Kontursesseln hingen.

Nur Rhodan hatte kurz vor der Kollision seinenPlatz verlassen. Er kämpfte verzweifelt gegen diedurch die starken Zentrifugalkräfte entstehendeSchwerkraft an. Dabei wußte er, daß er mit jederverstreichenden Sekunde schwächer und hilf loser

werden würde.Sein Blick trübte sich bereits. Die Sehnerven

versagten den Dienst. Mehr als ein unverständlichesGurgeln, das ihm sofort einen erneutenErstickungsanfall bescherte, brachte er nicht über dieLippen.

Er dachte an Gucky, der als Telekinet in der Lagegewesen wäre, den Notschalter zu bedienen.Wahrscheinlich war der zartgebaute Mausbiberlängst besinnungslos.

Ein telepathischer Kontakt mit John Marshall kamauch nicht mehr zustande.

»Aus!« dachte Rhodan, der Ohnmacht nahe. »Ausdurch lächerliche fünf Gravos, mit denen wir nichtmehr fertig werden.«

Sein blutleer werdendes Gehirn konnte nicht mehrfolgerichtig denken, Nur schemenhaft gewahrte erdie breite Gestalt, deren rechte Hand unendlichlangsam am Körper hoch glitt, wo ein faustgroßesGerät mitten auf der riesigen Brust hing.

Jefe Claudrin, der Epsalgeborene, hatte mit zweiSchwierigkeiten zu kämpfen. Fünf Gravos wären fürihn nicht zu viel gewesen, wenn nicht außerdem seinMikrogravitator gearbeitet hätte. Er belasteteClaudrin zusätzlich.

Rhodan wurde besinnungslos, als es Claudringelang, sein Körpergerät auszuschalten. Der Rest warfür ihn eine Kleinigkeit. Er überwand denungeheuren Druck, streckte die Rechte aus undschlug den grünen Hebel nach unten.

In dem rotierenden Kugelschiff heulten dieAlarmsirenen auf. Die Notautomatik sprang an,registrierte die Situation und leitete die notwendigenSchaltvorgänge ein.

Kraftwerk III lief mit Maximalleistung an. DieAndruckneutralisatoren empfingen denArbeitsimpuls. Sekunden später wich dieunerträgliche Last von den Männern. Das Tosen derKorrekturtriebwerke bewies, daß dieKreiselbewegung aufgefangen wurde.

Als Rhodan wieder zu sich kam, sah er Claudrinsklobige Gestalt über sich stehen. Ohne ein Wort zuverlieren, nahm er Rhodan auf die Arme und betteteihn auf ein Konturlager.

Überall im Schiff erwachten die Männer aus ihrerOhnmacht. Auch Brazo Alkher richtete sich ächzendund krampfhaft nach Luft schnappend auf. Sein ersterBlick galt dein Zielerfassungsschirm. Helle Rotglutblendete seine Augen.

Mit übermenschlicher Anstrengung rief er dieZentrale an. Der Kommandant antwortete sofort.Stöhnend sagte Brazo:

»Feuerleitzentrale klar, Sir. Was war los? Hattenwir einen Zusammenstoß?«

»Wenn mich nicht alles täuscht, sind wir durcheine beachtliche große Sonne querkant

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hindurchgeflogen.«»Guter Gott!«»Bleiben Sie auf Ihrer Station, Alkher. Ich weiß

noch nicht, was das Glühen zu bedeuten hat. Auf alleFälle befinden wir uns wieder im Normalraum.«

»Sir, vielleicht bin ich vorrückt; aber es sieht soaus, als wären wir noch immer mitten in der Sonnedrin.«

Claudrin setzte zu einer Entgegnung an, dannschwieg er plötzlich.

»Junge, Sie bringen mich auf eine Idee!« sagte erschließlich bedächtig. »Kümmern Sie sich nun umIhre Leute, schicken Sie eventuelle Verletzte insHospital und machen Sie dem Ersten OffizierMeldung über den Personalbestand Ihrer Station,Ende.«

»Ende, Sir«, wiederholte Brazo mechanisch.Nur unbewußt lauschte er auf das Tosen der

Energiewerke, die den Kreuzer gegen die Gefahrendes Raumes mit Hilfe der Kraftfelder abschirmten.

Etwas stimmte nicht an Bord der FANTASY! Dieoptische Sicht war unmöglich geworden. Nur dashelle Glühen war auf den Bildschirmen zu sehen.

Brazo holte tief Luft. Langsam erhob er sich ausseinem Sessel. Die Situation gefiel ihm nicht.

6.

»... ein Unfall, der einem Linearschiff jederzeitwiderfahren kann«, sagte Kalup in aller Ruhe überdie Bordsprechverbindung. Sein Gesicht war blaßund angespannt, die Hängebacken wirkten gestrafft.Leidenschaftslos fuhr er fort: »Die Auswertung istbeendet. Ich habe mit dem Traktorstrahl einigeMateriespuren ins Schiff holen lassen. Wir habeneine gehörige Portion der Sonnenmassemitgenommen, was aber keineswegs ein Verdienstdes kleinen Schiffes ist, sondern nur das desKompensatorfeldes. Die physikalischen Vorgängesind einigermaßen klar. Es war unser Glück, daß derSchirmkonverter im Moment der Kollision mit vollerLeistung lief. Andernfalls wären wir nicht heildavongekommen. Es mag närrisch klingen; aber wirbefinden uns im Mittelpunkt einer rotierenden, raschabkühlenden Materiewolke, in der keineKernreaktionen mehr stattfinden. Das erscheint mirverwunderlich, aber wir werden herausfinden, warumes so ist.«

In der Zentrale drehte Jefe Claudrin den Kopf.Rhodan saß erschöpft in dem zweiten Kontrollsessel.Sein Gesicht war unterhalb des linken Auges starkangeschwollen.

»Ein Glück, daß Sie mir noch, die Handweggeschlagen haben«, sagte Claudrin so leise, wieer es mit seinem gewaltigen Organ schaffen konnte.»Andernfalls hätte ich den Kalup genau in dem

Augenblick abgeschaltet, als es zum Zusammenstoßkam.«

Rhodan biß die Zähne zusammen. Schmerzenquälten ihn. Er hatte während der hohenGravobelastung an der glatten Stahlwand derZentrale gelegen. Wahrscheinlich waren einigeRippen angebrochen.

»Ich erfaßte es im letzten Moment«, entgegnete er.»Wir waren schon zu nahe. Okay, vergessen Sie es.Kalup - was schlagen Sie vor?«

»Wir müssen die noch weiche und nachgiebigeMasse durchstoßen, ehe sie völlig erkaltet. Dabeiwerfen sich einige Probleme auf, die bedacht werdensollten.«

»Deshalb frage ich Sie ja, jünger Mann.«Kalup schnaufte empört. Sein Gesicht gewann

schon wieder an Farbe.»Lassen Sie das bitte! Wir haben uns wie ein

Küken zu verhalten, das seine Eierschale von innenheraus aufsprengt und ausschlüpft. Eine andereMöglichkeit gibt es nicht. Um das zu erreichen,bieten sich uns zwei verschiedene Auswege an.«

»Oh, sogar zwei!« sagte Rhodan.»Werden Sie nicht ironisch. Dafür ist die Sache zu

ernst. Ich möchte es augenblicklich noch nichtriskieren die normalen Schirmfelder abzuschalten,was beim Einsatz des Kompensationskonvertersjedoch erforderlich wäre. Unter Umständen kommtes in der Wolke doch noch zu atomaren Reaktionen,was wir ohne die Abwehrfelder schlecht vertragenkönnten.«

»Aha!«»Sie haben sich vom Flottenkommando einen

Feuerleitoffizier mit besonderen Fähigkeitenbesorgen lassen. Stimmt das?«

Rhodan wurde aufmerksam, und ein junger Mannnamens Brazo Alkher fuhr nervös zusammen.

Bestürzt sah er zu den Männern derGunnerbesatzung hinüber. Sergeant Enscathkrampfte die Hände um die Lehnen seines Sessels.

»Großer Jupiter!« sagte er tonlos. »Das habe ichmir gedacht.«

»Wollen Sie die Glutschale aufschießen lassen,Professor?« klang Rhodans Stimme aus allenLautsprechern der Bordverständigung. Jedermannkonnte mithören.

»Wir sollten es versuchen. Auf alle Fälle ist esweniger riskant, als auf gut Glück die Abwehrfelderabzuschalten. Hallo, hört der Feuerleitoffizier mit?«

»Ja ... jawohl, Sir«, sprach Brazo stockend insMikrophon. »Leutnant Alkher spricht, Sir.«

»Gut. Ich glaube, wir haben uns auf dem Mondschon gesehen, wie?« Kalup lachte in seiner lautenArt.

»Jawohl, Sir. Sie waren so freundlich, mich voreinem schweren Sturz zu bewahren.«

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»Ich erinnere mich. Trauen Sie sich zu, dierotierende Schale aufzuschießen? Aber so genau, daßgewissermaßen ein Ausschlupf entsteht.«

Brazo vergaß seine Nervosität. Rhodan blickteaufmerksam auf den Bildschirm. Er war zufrieden,als er das plötzlich kantig werdende Gesicht desjungen Mannes gewahrte.

Brazos Kopfrechnung war schon beendet. Mitvöllig veränderter, geschäftsmäßig klingenderStimme führte er aus:

»Sir, so einfach geht das nicht! Sie sagten, dieSchale würde rotieren, nicht wahr? Wenn ich alsoeinen bestimmten Punkt unter Dauerfeuer nehmensoll, muß die FANTASY in eine mitläufigeDrehbewegung gebracht werden, damit ich auf diegleiche Stelle halten kann. Andernfalls ergäbe eskeinen Punktbeschuß, sondern ein wenigwirkungsvolles Streufeuer.«

»Richtig, das hatte ich vor. Sie können denken,junger Freund. Richten Sie Ihre Geschütze ein undnehmen Sie alles, was Sie zur Verfügung haben. Nurnicht solche Waffen, die uns selbst gefährdenkönnten.«

»Nur Impuls- und Desintegratorgeschütze könneneingesetzt werden, Sir.«

Rhodan gab die letzten Anweisungen. Ein deutlicherkennbarer, hellglühender Fleck in der Kugelschalewurde angepeilt. Die Andruckneutralisatoren wurdensynchrongeschaltet.

Augenblicke später begann die FANTASY erneutzu rotieren, diesmal aber kontrolliert und planmäßig.

Auf Brazos Zielschirm wurde der helle Fleckimmer länger sichtbar, bis er schließlich imTasterkreuz einpendelte und stillstand. LetzteKorrekturen erfolgten. Der Schwere Kreuzer kreiseltein einer Sekunde 22,364758 mal um seine Polachse.Die starr eingebauten Kanonen in den ausgefahrenenWaffenkuppeln drehten mit. Der Punktbeschußkonnte beginnen.

»Entfernung der Materieballung ist identisch mitdem gravitationsmagnetischen Abwehrschirm«,dröhnte Claudrins Stimme aus den Lautsprechern.»Das sind genau zehn Kilometer. Richten Sie IhreGeschütze so ein, daß sie eine wenigstens dreiKilometer durchmessende Kreisflächeherausschießen.«

»Jawohl, Sir«, antwortete Brazo mechanisch. Erkonzentrierte sich auf den Zielschirm.

Feinnervige Finger jonglierten mit den stufenlosenRichtschaltern der Feuerorgel. Alle Frontalkanonender FANTASY richteten sich auf den gleichen Punkt.

»Feuer frei«, gab Rhodan durch.Brazo drückte auf den Hauptsammelschalter der

Salvenfeuerautomatik, und der Kreuzer schien gleicheinem gereizten Ungeheuer aufzubrüllen.

Violett glühende Impulsströme, sonnenheiß und

fast lichtschnell, zuckten aus denMantelschirmmündungen der schweren Waffenhervor. Die molekülzersetzenden Strahlen derDesintegratoren waren kaum zu sehen, aber sie warennoch etwas schneller als die Waffenimpulse derThermalkanonen.

Drei Sekunden lang drückte Brazo denSalvenschalter nach unten. Die FANTASY erbebte inallen Verbänden. Dort, wo das konzentrischgesteuerte Feuer auftraf, schien die abkühlendeKugelschale der mitgerissenen Wolke zuexplodieren.

Heftige Kernprozesse griffen die Energieschirmedes Schiffes an und drohten es zu vernichten.Außerhalb der stabilen Stahlwände schien die Hölleentfesselt worden zu sein. Flammende Gaszungenfuhren aus der plötzlich wieder heißer werdendenBallung in den dunklen Raum hinaus. Brazo erzeugteeine Miniatursonne, die unter heftigen Eruptionenlohende Wasserstofffackeln in das Universum spie.

»Feuer einstellen«, schrie Rhodan in dieSprechanlage. »Das ist sinnlos. Durch dieentstehenden Kernprozesse wird die Beschußlückesofort wieder mit reagierenden Gasmassen angefüllt.Raus hier, ehe die Wolke zu einer Nova wird. Kalup,fertig zum Linearmanöver. Nacro, Triebwerksmeilerhochfahren auf Maximalbeschleunigung.«

»Das ist sinnlos. Wir reißen die Wolke mit!«»Tun Sie, was ich sagte. Kalup, wir nehmen Fahrt

auf. Abbau der Normalschirme und Aufbau desKompensationsfeldes müssen im gleichenAugenblick erfolgen. Gelingt das nicht, werden wirverdampft. Sehen Sie das in völliger Klarheit?«

»Allerdings«, sagte Kalup humorlos, »Gut, wartenSie auf meine Meldung.«

Brazo Alkher zog die Fingerspitzen von denDruckknöpfen der Feuerorgel zurück. Draußen lohteder Raum. Brazo wußte, daß er mit den hocherhitztenWaffenstrahlen jenen Kernprozeß eingeleitet hatte,auf den der Physiker Arno Kalup vorher vergeblichgewartet hatte. Jetzt waren die fusionsfreudigenWasserstoffatome der Wolke aktiv geworden. Eswurde allerhöchste Zeit.

Die Kommandos aus der Zentrale kamen inrascher Folge, Das Donnern des Kalupkonvertersübertönte jedes andere Geräusch.

Zwei Minuten später meldete derMaschinenleitstand den vollen Beschleunigungswert,Die immer heißer werdende Sonnenmaterie wurdemitgerissen. Auf diese Art war ein Entkommenunmöglich. Außerdem war es ungewiß, was beimErreichen der annähernden Lichtgeschwindigkeitgeschehen würde.

Rhodan erteilte seine letzten Anweisungen, DieMänner der Besatzung hatten die Helme derRaumanzüge geschlossen. Die Verständigung

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erfolgte mit Hilfe der Sprechfunkverbindung.Er wartete noch ab, bis die kleinen

Korrekturtriebwerke die schnelle Kreiselbewegungdes Schiffes wieder aufgehoben hatten.

Als die Abwehrfelder der FANTASY infolge dermaßlos werdenden Atomgewalten innerhalb derreagierenden Materiewolke dicht vor demZusammenbruch standen, sagte Rhodan mit der ihmeigenen, in kritischen Momenten auftretendenGelassenheit:

»Jefe, Sie machen das! Fünf Sekunden imHalbraumzustand beschleunigen, anschließend sofortden Kalup abschalten. Das müßte genügen. Fertig?Fangen Sie an.«

Claudrin sah nochmals auf die grünleuchtendeLampe der Feinsynchronisationsautomatik. Abbauder Normalfelder und Aufbau der Kalupzone mußtenim gleichen Bruchteil einer Millionstel Sekundegeschehen.

Dann schlug der Epsalgeborene mit einerschnellen, kaum zu beobachtenden Bewegung aufden Kontaktgeber der Manuellsteuerung.

Es war, als sollte der Kreuzer nun endlichexplodieren, Weiße Glut schien aus denBildschirmen in das Schiff hineinspringen zu wollen.Der Kalup übertönte jedes andere Geräusch, DasSingen des überbeanspruchten Materials derKugelzelle war nicht mehr zu hören. Nur dieErschütterungen wurden fühlbar.

Es dauerte nur wenige Augenblicke. Übergangslosverschwand das Lohen der entfesseltenKerngewalten. Auf dem Frontalbildschirm derReflexerfassung tauchte der sternfunkelnde Raumauf.

Rhodan ließ sich aufatmend in die weichen Polsterseines Konturensessels zurücksinken, als dieFANTASY plötzlich einen harten, deutlichbemerkbaren Stoß erhielt.

Die Fahrtkontrollen sanken rapide ab. Es war, alsstieße das Schiff in ein Meer ausgeschwindigkeitshemmender Watte vor.

Die Erscheinung hielt nur eine knappe Sekunde an,doch diese Zeitspanne war für Claudrin ausreichendgewesen, den Kalup noch vor Ablauf der von Rhodanfestgesetzten fünf Sekunden abzuschalten.

Seines Kompensationsfeldes beraubt, fiel derVersuchskreuzer sofort in den normalen Raumzurück, wo er mit der beim Eintauchmanövererreichten Geschwindigkeit im freien Fall weiterflog.

Triebwerke und Kalup verstummten. Auf denBildschirmen der Normalbeobachtung leuchtete eineriesige, blaue Sonne.

Die Massetaster sprachen an. RotierendeWalzenskalen bewiesen, daß dieser helle und heißeStern eine beachtlich große Planetenfamilie besaß.Dies war für die Besatzung der FANTASY nicht

besonders aufregend. Man kümmerte sich kaumdarum. Viele Sonnen besaßen Planeten.

Rhodan betrachtete einen Augenblick fasziniert dieBiesenschirme der Panoramagalerie. Fünf derentdeckten Planeten erschienen als grüneEchopünktchen.

Rhodan achtete nicht darauf. Viel wichtigererschien ihm die gelungene Flucht aus dem Zentrumeiner entstehenden Miniaturnova, aber nochwesentlicher dünkte ihm die eigenartigeFahrtverzögerung, die Claudrin veranlaßt hatte,schleunigst den Linearflug abzubrechen.

»Was war das?« fragte Rhodan gedehnt. »Siehaben es auch bemerkt, ja?«

»Natürlich, Sir.«Reginald Bull erhob sich aus seinem Kontursitz.

Dicht unter den Panoramaschirmen blieb er stehen.Aus zusammengekniffenen Augen sah er zu der vollerkennbaren blauen Sonne hinüber.

Als sich die Augen der Betrachter etwas an dasgrelle Leuchten gewöhnt hatten, stellte Bull zuerstfest, daß der leere Raum rings um die fremde Sonneleicht bläulich schimmerte. Es fehlte die tiefe, nurvom verschiedenfarbigen Funkeln zahlloser Sterneunterbrochene Schwärze des Universums.

»Kann mir jemand verraten, wo wir eigentlichsind?« fragte Bully. Er vergrub die Hände in denAußentaschen seiner Uniformkombi und sah langsamvon Mann zu Mann.

Kalup und einige andere Wissenschaftler desVersuchsschiffes betraten die Zentrale. Es sprach fürKalups rasches Reaktionsvermögen, daß er wegender gelungenen Flucht kein Wort mehr verlor. Fürihn war das erledigt und damit vergessen.

Zögernd ging er näher an die Bildschirme heran.Er hatte Bulls Frage gehört.

»Wo wir sind? Auf keinen Fall im Hyperraum odergar in einem illusorischen fremden Universum, Diesist ein ganz normales Sonnensystem, das zu unserereigenen Milchstraße gehört.«

»Ganz normales Sonnensystem?« wiederholteRhodan mit einer Andeutung von Spott, »Sieentwickeln sich zum alles wissenden Supermann,Kalup« Der Hyperphysiker schüttelte ungewohnternst und gelassen den Kopf.

»Ich habe nur schneller gerechnet und beobachtetals Sie. Wenn die Lufthülle eines Planeten blauschimmert, so ist das verständlich. Wenn aber derWeltraum, der bekanntlich ein Vakuum bildet,ebenfalls blau leuchtet, so ist das im höchsten Gradeverwunderlich. Oder haben Sie schon einmal einirgendwie reagierendes Vakuum gesehen?«

Rhodan stutzte. Er ahnte etwas. Kalup fuhr fort:»Wir sind während des Linearfluges von einer

unbekannten Kraft aufgehalten worden. Ich vermute,daß wir einen Schutzschirm durchstießen, der mit

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dem Kompensationsfeld artverwandt sein muß.Andernfalls wären wir abgewiesen oder garvernichtet worden. Dieser Abwehrschirm erzeugt dasLeuchten, Ich möchte dieses System das >BlaueSystem< nennen.«

»Ein Abwehrschirm - mitten im Raum?« sagteBully fassungslos. »Eine Kraftblase von solchenAusmaßen, daß sie in ihrem Hohlraum einanscheinend sehr großes Sonnensystem mit bestimmtmehr als fünfzehn Planeten aufnehmen kann?Professor, wissen Sie eigentlich, was Sie dabehauptet haben?«

Kalup nickte. Seine Augen glänzten. Für ihn, denWissenschaftler, war die Erscheinung in erster Linieein faszinierendes Phänomen.

Perry Rhodan und die führenden Offiziere desSchiffes dachten wesentlich praktischer.

Major Hunts Krefenbac, der Erste Offizier, verlorseine Lethargie. Rasch zog er den nächstenMikrophonarm näher.

»Krefenbac an Feuerleitoffizier:Gefechtsbereitschaft herstellen. Objekttaster mitZentralschaltung kuppeln, Bestätigung.«

Brazo Alkhers Finger begannen wieder zu spielen.In den Quartieren der Freiwache schrillten dieAlarmklingeln.

»Feuerleitzentrale, Leutnant Alkher:Gefechtsbereitschaft ist hergestellt, Objekttaster aufZentralkreis geschaltet, Ende.«

Rhodan schaute sinnend zu dem Ersten Offizierhinüber. Dann sagte er zu Kalup:

»Haben Sie gesehen, wie die Soldaten über Ihr>Blaues System< denken?«

Kalup winkte ärgerlich ab.»Unsinn. Es muß sich doch herausfinden lassen,

was hier gespielt wird.«»Eben, eben, Professor! Deshalb hat Hunts auch

die Feuerbereitschaft angeordnet. Mir scheint, jungerMann, die dritte Epoche in der Geschichte derMenschheit beginnt mit einem Paukenschlag vonungeahnter Stärke. Krefenbac - was würden Sievorschlagen?«

Ehe der Erste Offizier seine Meinung bekanntgeben konnte, begann es in den akustischenAlarmgebern der im Nebenraum stehendenStrukturtaster mit solcher Lautstärke zu krachen, daßeine Sekunde später sämtliche Sicherungenherausflogen.

Rhodan sagte keinen Ton. Mit einem seltsamenLächeln spähte er durch die transparenteStahlplastikwand in die Ortungszentrale hinüber, woTechniker dabei waren, die Automaten wiedereinzuwerfen. Der diensthabende Ortungsoffizierschaltete die stärksten zur Verfügung stehendenSchockabsorber vor.

Als die Taster zur Anmessung struktureller

Verschiebungen im Gefüge des. VierdimensionalenRaumes wieder betriebsklar waren, wurde einununterbrochenes Dröhnen vernehmbar.

»Ortungszentrale an Kommandant«, klang dieStimme des Diensthabenden aus den Lautsprechern.»Strukturelle Wellenfront mit Lautstärke dreißig ausrot 14 Grad, grün 3,264 Grad, Steile Amplituden,klares Stoßecho. Da müssen zahllose Raumschiffetransistieren, jedoch sind keine diesbezüglichenKörper feststellbar, Ende.«

Rhodan fragte staunend:»Was - Sie orten laufend Strukturerschütterungen,

aber von Raumschiffen finden Sie keine Spur?«»Jawohl, Sir. Die Quelle der Echos liegt 18,25367

Lichtstunden entfernt. Trotzdem ist kein einzigesSchiff auszumachen.«

»Jetzt schlägt es dreizehn«, sagte Bully mit einemkünstlich wirkenden Lachen. »Habe ich dir nichtgesagt, daß wir diesmal eine Überraschung erleben?Unsere Taster fliegen bald in die Luft, aber vonRaumfahrzeugen ist nichts zu bemerken. Woherstammen also die Stoßwellenfronten? Wer oder waserzeugt sie? Wenn ich kein durch und durchneugieriger Mensch wäre, der alles ganz genauwissen muß, was ihn eigentlich gar nichts angeht, sowürde ich jetzt sagen, wie sollten mit rauchendenDüsen verschwinden.«

»Du bist aber ein neugieriger Mensch.«Rhodan lächelte spöttisch. Nachdem er sich

umgesehen hatte, meinte er trocken:»Nun, meine Herren, ehe ich mich von Ihnen

stundenlang beschwören und mir meine Nervenkraftrauben lasse: Fliegen wir hin und schauen wir nach,wer diesen Lärm verursacht. Mir wäre allerdingswohler, wenn ich ein Superschiachtschiff derImperiumsklasse unter den Füßen hätte. Wir fliegenmit einfacher Lichtgeschwindigkeit. Krefenbac,peilen Sie den Ausgangspunkt der Echos an undtippen Sie die Werte in die Automatik. Die Offizieredes Schiffes in ...«, er sah auf die Uhr, »... in zehnMinuten zur Lagebesprechung erscheinen. MisterAlkher, Sie nehmen nicht daran teil. Ich brauche Siein der Feuerleitzentrale. Sie werden späterunterrichtet.«

Dreihundert hochspezialisierte Männer sahen sichan. Jemand meinte:

»Er will es genau wissen, wie? Es lebe das >BlaueSystem< am Rande des galaktischen Zentrums,dessen Sterndichte sagenhaft sein soll. Da sind wirdoch hoffentlich, oder?«

»Da mußt du deinen großen Bruder fragen«,meinte ein anderer Triebwerkstechniker.

»Der ist nicht hier.«»Gut, dann halte den Mund. Ich möchte nämlich

auch gerne wissen, wer in dieser Gegend einHyperfeuerwerk abbrennt. Hoffentlich versengen wir

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uns nicht unsere neugierigen Nasen. Verflixt nochmal - daß wir es aber auch nie lassen können!«

Kopfschüttelnd ging der Mann zu seinerManöverstation hinüber und schaltete dieFernbeobachtung für Triebwerk II ein. Er glaubte zuwissen, was die Offiziersbesprechung ergeben würde.Er hatte sich auch nicht getäuscht.

Schon eine Stunde später liefen die ersten Befehleein. Die FANTASY ruckte mit auf brüllendenMaschinen an. Ziel war der fünfte Planet des BlauenSystems. Es stand einwandfrei fest, daß dieStrukturerschütterungen von jener. Welt ausgingen,oder auf ihr erzeugt wurden.

7.

Rhodans erste Maßnahme nach der Fahrtaufnahmehatte darin bestanden, die gesamte Mannschaft bisauf die Wachbesatzung in die Betten zu schicken. Erwar der Meinung, mit ausgeruhten Männern mehranfangen zu können, als mit übermüdeten.

Jetzt waren neunzehn Stünden seit dem Zielanflugvergangen. Die FANTASY befand sich bereits imBremsmanöver, nachdem man dreißig Minuten zuvordie Bahn des fünften Planeten überflogen hatte.

Auf den Bildschirmen glänzte ein erdähnlicherHimmelskörper mit großen Meeren, ausgedehntenGebirgen und weiten, grünen Ebenen.

Er besaß eine Schwerkraft von 1,1 Gravos undeine dichte Sauerstoffatmosphäre mit einemkristallklaren, eigenartig hellblauen Himmel. Indiesem Raumsektor schien alles blau zu sein, wasunter den Männern der Besatzung schon zu einigenWitzen Anlaß gegeben hatte.

Rhodan hatte den fünften Planeten Sphinxgenannt, womit er den rätselhaften Charakter dieserWelt zum Ausdruck bringen wollte.

Sphinx besaß zwei Monde. Einer davon war fastmerkurgroß, der zweite war ein unbedeutender undanscheinend auch unbewohnter Himmelskörper vonMeteoritengröße.

Diese Tatsachen Wären weder aufregend nochbesonders interessant gewesen, wenn es nahe desfünften Planeten auch nur ein einziges Raumschiffgegeben hätte. Die Menschen an Bord des SchwerenKreuzers standen vor einem Rätsel.

Die Strukturerschütterungen waren etwasabgeklungen. Dennoch waren sie noch in solcherStärke anmeßbar, daß man, auf einen sehr regenRaumflugverkehr hätte schließen können. Trotzdemwar kein Raumschiff zu entdecken. Noch nichteinmal ein Nahverbindungsboot konnte geortetwerden. Es war, als hätten die fraglos vorhandenenBewohner des fünften Planeten noch niemals etwasvon der bemannten Raumfahrt gehört. Um soeigentümlicher waren die laufend eingehenden

Tasterechos, die den enorm hohen technischen Standder unbekannten Sphinxintelligenzen einwandfreierbewiesen, als tausend lichtschnelle Raumfahrzeugezusammen.

Vor zehn Minuten schließlich hatten die exaktenMeßergebnisse der Ortungsstation einige Klarheit indas Dunkel gebracht.

Die Ursache der ständigen Raumerschütterung lagnicht auf dem fünften Planeten, sondern auf dessenmerkurgroßem Mond, der anscheinend ebenfalls einefür Menschen atembare Lufthülle besaß.

Rhodan hatte sich daraufhin entschlossen, denSatelliten anzufliegen.

*

Die FANTASY glitt in die letzte Bahnellipsehinein. Ihre Geschwindigkeit betrug 7,6 Kilometerpro Sekunde. Die Feuerleitzentrale unter AlkhersBefehl hatte längst Vollalarm erhalten. Der SchwereKreuzer war klar zum Gefecht, obwohl es hieranscheinend nichts gab, wogegen man sichverteidigen mußte.

Einige kurze Tasterechos waren aufgefangenworden. Daraus hatte man errechnen können, daß dieunbekannten Sphinxbewohner, die überlichtschnelleHyper-Funkmessung beherrschten. Weshalb sie keineRaumschifffahrt besaßen, wurde zum ProblemNummer eins.

Sphinx war deutlich auf den Bildschirmen zusehen. Noch klarer konnte die kahle, wüstenhafteOberfläche des zweiten Mondes erkannt werden. Erumlief seinen Planeten auf einer 53-Stunden-Bahn.Rhodan hatte ihn Ramses genannt.

Die Strukturechos wurden jetzt nicht mehr sohäufig empfangen. Trotzdem kam es immer wiederzu äußerst heftigen Ausbrüchen der Hypertaster.

Rhodan wartete noch eine Stunde. Während dieserZeit ließ er das Versuchsschiff immer näher an dengrößten Mond des fünften Planeten heransteuern. Eserfolgte weder eine nochmalige Ortung durch fremdeBodenstationen, noch antwortete jemand auf diefreundschaftlichen Funksprüche der Menschen, nochstartete ein Schiff, um den Fremdling zu begrüßen,oder ihn mit Geschützfeuer zu empfangen. Es war diein ihrer Art unheimlichste Begegnung, die PerryRhodan jemals mit fremden Intelligenzen, gehabthatte.

Die astronomischen und galaktonautischenAbteilungen des Versuchsschiffes hatten mittlerweiledie Größe des Blauen Systems ermittelt.

Die heiße Sonne besaß achtzehn Planeten, unterdenen aber anscheinend nur Nummer fünf bewohntwar.

Nachdem die FANTASY den größten Mond desPlaneten Sphinx fast zwei Stunden lang umkreist

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hatte, verlor Rhodan die Geduld. Männer, die ihngenauer kannten, bemerkten an seinen betontgelassenen Bewegungen und dem maskenhaft starrenGesicht, daß er einen Entschluß gefaßt hatte.

Die Telepathen John Marshall und Guckybemühten sich vergeblich, einen einwandfreienGedankenimpuls aufzufangen. Es stand jedoch fest,daß sich sowohl auf Sphinx als auch auf Ramsesviele Millionen denkende Wesen aufhielten, derenBewußtseinsstrahlung jedoch nicht in dererforderlichen Klarheit aufgenommen werdenkonnte.

Der Mausbiber zog sich erschöpft zu einemKontursessel zurück und rollte sich auf dem weichenSchaumstoff zusammen. Schwer atmend legte derKleine die zierlichen Hände vor die Augen.

Auch John Marshall kapitulierte. Blaß undabgespannt schritt er zu Rhodan hinüber, der dieeinstündige Bemühung seiner fähigsten Mutantenschweigend beobachtet hatte.

Marshall setzte sich in den Nachbarsessel, strecktedie Beine aus und blickte sinnend zu denPanoramabildflächen hinauf.

»Nun, John?«Marshall fuhr sich mit dem Handrücken über die

schweißfeuchte Stirn. Besorgt sah er zu Guckyhinüber, dessen zarter Körper von den hohenBelastungen während der unkontrolliertenKreiselbewegung stark mitgenommen worden war.

»Eine verfahrene Situation, Sir«, meinte Johnvorsichtig. »Ich kann mit den Paraströmen derfremden Gehirne nicht viel anfangen. Alles istverworren und verzerrt. Ich sehe nebelhaftegeometrische Erscheinungen, die in allen denkbarenFarbreflexen schillern. Das ist aber keinbefriedigender Empfang, noch nicht einmal einannähernd ausreichender. Fast möchte ich behaupten...!«

»Was ...?«»... die Fremden schirmten sich ab. Es ist nicht

ausgeschlossen, daß sie Guckys und meine Versuchebemerkt haben.«

»Das bedingte ein, großes Wissen überparapsychische Dinge und die dazugehörendenkörperlichen Fähigkeiten, oder?«

»Richtig, Sir ...!«Marshall unterbrach sich. Er sah Rhodan etwas

verlegen an.»Ja, John?«»Sir, wenn ich raten dürfte, so würde ich einen

sofortigen Rückzug vorschlagen. Etwas stimmt hiernicht. Warum antwortet man nicht auf unsereFunkanrufe? Man ist technisch und kulturellhochstehend genug, um die überall gültigenGrundbegriffe der Mathematik verstehen zu können.Lassen Sie uns umkehren, Sir.«

Rhodan schwieg einen Moment, bis er ruhig sagte:»John, dafür ist es jetzt zu spät. Der Administrator

eines noch jungen Staates kann es sich nicht leisten,Intelligenzen von dieser Entwicklungsstufeunbeachtet zu lassen, nur weil sie ihm unheimlicherscheinen.«

»Sie wissen nicht, woher wir kommen«, warfBully ein.

»Stimmt, aber wir wissen, daß es sie gibt, und dasgenügt. Ich hätte keine ruhige Minute mehr, wennwir nicht wenigstens feststellen können, mit wem wires zu tun haben. Oberst Claudrin ...!«

Der Epsalgeborene richtete sich in seinem Sesselauf. Seine tiefliegenden Augen funkelten im Lichtder Armaturen.

»Sir?«»Bereiten Sie das Landemanöver vor. Wir sehen

uns da unten um. Bringen Sie die FANTASY nahejener eigenartigen Leuchterscheinungen auf denBoden, die uns bisher einige Rätsel aufgegebenhaben. Die Gefechtsbereitschaft bleibt bestehen.Landungskommando klar zum Ausschleusen.Leutnant Mahaut Sikhra ...!«

Der Nepalese meldete sich über dieBordverbindung.

»Kümmern Sie sich um die Ausrüstung IhrerMänner. Arkonidische Kampfanzüge anlegen. Ichwerde Sie begleiten. Die Luft des Mondes istatembar, die Temperaturen sind erträglich. Das wärealles, danke sehr.«

Sikhra schaltete ab. In einer anderen Abteilung desSchiffes erhielten die einsatzklaren Kampfroboter dieersten Programmierungsimpulse.

Brazo Alkher fühlte seine Handflächen feuchtwerden. Augenblicke später begann es außerhalb derSchiffszelle zu pfeifen. Claudrin stieg in einer steilenLandekurve ab, wobei er die Luftmoleküle mit denstarken Prallschirmen aus der Flugbahn schob.

Die erkannten Leuchterscheinungen kamen näher.Kurz vor der Landung wurden die ersten Lebewesenentdeckt. Die optische Bildvergrößerung zauberte diehochgewachsenen, menschengleichen Gestalten aufdie riesigen Bildschirme der Zentrale.

Auch das wäre nicht ungewöhnlich gewesen, wennes auch nur eine Person für nötig gefunden hätte, denBlick nach oben zu richten. Das Donnern derTriebwerke konnte nicht überhört werden. Untenging man jedoch seinen Beschäftigungen mit solcherRuhe und Gelassenheit nach, als geschähe überhauptnichts.

In zwei Kilometer Höhe fuhr der Erste Offizier dieLandebeine aus. Wieder zeigten die fremdenIntelligenzwesen keine Reaktion. Sie taten, als wäredie FANTASY nicht vorhanden.

So erfolgte die Landung knapp einen Kilometervon wuchtigen, hoch aufragenden Bauwerken

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entfernt, die allem Anschein nach reinzweckbestimmt waren.

Als die Triebwerke ausliefen und die letztenDruckwellen des Landevorganges untergewitterähnlichem Grollen Sand- und Geröllmassenaus dem wüstenhaften Land aufwirbelten, sahendreihundert Terraner fassungslos auf die zählreichenSchirmflächen der Außenbordbeobachtung.

Die Strukturtaster sprachen wieder an, diesmalaber in solcher Stärke, daß sie endgültig abgeschaltetwerden mußten.

Die Energieortungsgeräte zeigten dasVorhandensein von so mächtigen Kraftwerken an,daß sogar Arno Kalup blaß wurde. Der Strom, derhier erzeugt wurde, hätte ausgereicht, um einigehunderttausend Großraumschiffe derImperiumsklasse mit Energie zu versorgen. Dabeihatte man anscheinend nur ein einziges Kraftwerkangemessen, dessen Aggregate in den riesigen Hallenund Hochbauten der nahen Stadt untergebracht zusein schienen.

Sonst aber geschah nichts. Die Unbekanntenerschienen weder in freundschaftlicher noch infeindseliger Absicht. Sie kamen überhaupt nicht.

Bully schien die Situation am besten zu erfassen,als er grimmig auflachend sagte:

»Für die Herrschaften scheinen wir eine Art vonUngeziefer zu sein, um das man sich nicht kümmert.Man bemerkt es zwar, aber wer gäbe sich schon mitumherfliegenden Mücken ab, vorausgesetzt, siefangen nicht an zu stechen?«

Claudrin stieß eine epsalische Verwünschung aus,die von den Terranern nicht verstanden wurde.

»Ungeziefer?« wiederholte Rhodan nachdenklich.»Vielleicht hast du gar nicht so unrecht. Ich glaube,wir ...«

»Entschuldigen Sie, Sir«, wurde Rhodan von demrasch eintretenden Mediziner Gorl Nikolateunterbrochen. Das dunkle Gesicht des schlanken,hochgewachsenen Mannes verriet seine Erregung.

Eilig durchquerte er die Zentrale. In der Rechtenhielt er einige große Folien, die er hastig vor Rhodanauf das abgeflachte Schaltpult legte.

»Röntgenaufnahmen?« erkundigte sich Perryüberrascht. »Nanu, von wem haben Sie dieangefertigt?«

Nikolate, den man meistens lebhaft lachend sah,fuhr sich nervös über die gekrausten Haare. Er galtals hervorragender Spezialist für galaktischeAnpassungschirurgie. Seine Herz- undGliedmaßentransplantationen waren berühmt.

»Nicht von unseren Männern, Sir«, erklärte erfahrig. »Ich habe kurz vor der Landung einigeFernaufnahmen mit der Röntgenkanone gemacht, dasist alles. Nun, bemerken Sie denn nichts? Hier,schauen Sie sich das an! Das Skelett der Fremden

müßte Ihnen alles sagen.«Bull kam näher. Offiziere und Wissenschaftler

umlagerten plötzlich Rhodans Sessels. Perrybenötigte eine Sekunde, bis er die Sachlage erfaßthatte.

»Ich werde verrückt!« sagte er überrascht. »Dassind arkonidische Knochengerüste, es gibt keinenZweifel! Allein die stabilen Brust- undRückenplatten, die an Stelle der Rippen vorhandensind, verraten alles. Oder sollte ich mich täuschen,Gorl?«

Dr. Nikolate schüttelte den Kopf.»Keineswegs, Sir. Es ist so. Ich kenne die

Arkoniden gut genug, um ruhigen Gewissensbehaupten zu können, daß die hier lebendenIntelligenzen zumindest in physiologischer Hinsichtgleichartig sind. Nur besitzen sie nicht die weißenArkonidenhaare und deren rötlich gefärbte Augäpfel.Auch die Hautfarbe ist nicht so hell, wie wir es vonden Arkonbewohnern her kennen. Trotzdem sind dieunbekannten Intelligenzen mit den Arkonidenartverwandt.«

Dr. Carl Riebsam, Mathematiker und Logiker desForschungsteams, zwängte sich zwischen denangespannt zuhörenden Männern hindurch.Schweigend griff der schlanke, hochgewachseneMann nach den Röntgen-Fernaufnahmen.

Rhodan blickte auf seine Kontrollinstrumentenieder. Riebsams starrer Blick - von einerAugenkorrektur herrührend - war unangenehm. DerLogiker legte die Aufnahmen wieder zur Seite.

»Nun, Carl, was meinen Sie?« erkundigte sichRhodan.

»Da gibt es nicht viel zu meinen. Die Tatsachensprechen für sich. Mich interessiert die Frage, wervon wem abstammt.«

»... und sein messerscharfer Verstand fand dieLösung in Sekunden«, spöttelte Kalup.

Riebsam ließ sich nicht stören.»Es ist zu klären, ob die uns bekannten Arkoniden

Nachkommen der hier lebenden Intelligenzen sind,oder ob diese Leute von arkonidischenFrühkolonisten abstammen. Welche Kultur ist älter?Wer ist von wo ausgewandert? Welches Volk hatsich biologisch und physisch den neuenUmweltbedingungen angepaßt? Die Arkoniden oderdie Hiesigen? Stellen Sie das fest, Sir, und Sie wissenmehr.«

Riebsam hatte recht - es gab wirklich nicht viel zumeinen! Eigentlich war nur diese eine Frage zu lösen,was allerdings auch nur rein forschungsmäßiginteressant sein konnte. Ob es einen praktischen Wertbesaß, ließ sich noch nicht absehen.

Rhodan räusperte sich. Anschließend erhob er sichaus seinem Sitz.

»Schön, versuchen wir, Klarheit in die Sache zu

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bringen. Wenn die Arkoniden allerdings von denhiesigen Intelligenzen abstammen sollten, so ist daseine ganz bedeutende Entdeckung.«

»Darf man fragen, in welcher Form?« warf Bullyein.

»Oh, in einer für uns wenig angenehmen«, erklärteRhodan knapp. »Die Geschichte der galaktischenExpansionspolitik beweist in allen vorkommendenFällen, daß die späten Nachfahren frühzeitigumgesiedelter Kolonisten niemals mehr dastechnische und wissenschaftliche Können derVorfahren besitzen. Es scheint ein Naturgesetz zusein, daß die aus dem ursprünglichenLebensrhythmus herausgerissenen Intelligenzenanfälliger für Degenerationserscheinungen sind. Vondem Standpunkt aus betrachtet, möchte ichbehaupten, daß die Arkoniden aus dem hier lebendenVolk hervorgegangen sind und nicht umgekehrt.«

»Eine kühne Behauptung«, sagte Nikolate atemlos.»Sind Sie sicher?«

»Vollkommen. Die erschreckende Degenerationfast aller Arkoniden spricht dafür. Die weißen Haare,die rötlichen Augen, die schwach gewordenenKörper und das mangelnde Interesse an allenpraktischen Dingen des Lebens sind ein weitererBeweis. Wenn Sie sich dagegen die offenbarüberragende Technik der hier lebenden Leuteansehen, so erweckt das gar nicht den Eindruck, alsneigten sie ebenfalls zur Dekadenz. Ich glaube sogar,daß sie sich im Laufe der Jahrtausende weit genugentwickelt haben, um auf die bemannteRaumschifffahrt verzichten zu können.«

Bully suchte sich einen Platz. Plötzlich sah er wiemit anderen Augen auf die Bildschirme.

»Das kann ja heiter werden!« meinte erfassungslos. »Wie kommst du nun wieder auf dieseTheorie? Wieso sollen sie auf die Raumfahrtverzichtet haben? Da komme ich nicht ganz mit.«

Carl Riebsam gab die Antwort. Sie schien hieb-und stichfest zu sein.

»Die georteten Kraftwerke sollten Ihnen allessagen, desgleichen die ungeheurenStrukturerschütterungen, die auf eine grandioseBeherrschung der fünften Dimension hindeuten, Wirsollten uns die Leuchterscheinungen näher ansehen.Ich habe einen bestimmten Verdacht.«

Rhodan ließ sich von zwei Männern der Besatzungin den schweren, ungefügen Kampfanzug hüllen.Dabei erkundigte er sich mit einem feinen Lächeln:

»Ach, Sie haben einen Verdacht? Ich auch, meinLieber. Wenn Sie ebenfalls der Meinung sein sollten,dieser große Mond wäre identisch mit einerriesenhaften Transmitterstation, so können wir unsdie Handle reichen. Damit hätten wir nämlich diestichhaltige Erklärung für die vielenRaumerschütterungen gefunden.«

Riebsam streckte schweigend die. Rechte aus, dieRhodan ergriff. Professor Kalup eilte überstürztdavon. Er war sehr blaß geworden.

Nur Bully sagte ironisch:»Herrlich! Und auf einer solchen Welt sind wir

einfach unaufgefordert gelandet? Wahrscheinlichwerden Unbekannte jetzt schon darüber nachdenken,was sie mit uns machen sollen. Denken die Herrender FANTASY-Schiffsführung eigentlich nochdaran; daß wir beim Eindringen in dieses System eineArt von Energieschirm durchstoßen haben?« Bullysagte nachdenklich:

»Schön, man denkt noch daran. Ich sehe es eurenGesichtern an. Wenn ich ein Angehöriger dieserVorarkoniden wäre, würde ich mich in erster Liniefragen, wie es der Besatzung desVersuchsraumschiffes FANTASY gelungen seinkönnte, diesen gigantischen Schutzschirm derGalaxis zu durchdringen, vor allem, da man diesenSchutz bislang offenbar für unüberwindbar gehaltenhatte. Wahrscheinlich würde es mir gar nicht passen,die Fremden so einfach landen und herumschnüffelnzu sehen. Ich würde euch auf die Finger klopfen,ganz gehörig sogar. Wenn ein Volk schon soweit ist,daß es den Raumflugverkehr aufgibt, um ihn durchtitanische Materietransmitter zu ersetzen, so kann essich für grenzenlos überlegen halten. Vielleichtresultiert daraus die völlige Nichtbeachtung unseresSchiffes. Wir sind einfach Störenfriede, Ungeziefer,dem man auf vornehme Art zu verstehen gibt, wieunerwünscht es ist Erscheinen den Herren meineAusführungen logisch?«

Bully stand auf, steckte die Hände in dieAußentaschen seiner Kombi und marschierte zuRhodan hinüber, der eben den Rückentornister mitden Mikroprojektoren für Antigrav- undDeflektorschirme anlegte. Damit wurde derarkonidische Kampfanzug komplett.

»Fast zu logisch«, sagte er abwesend. »Du hast nuretwas übersehen, oder vergessen zu erwähnen.«

»Ach! Und was?«»Die Frage, warum die sogenannten Vorarkoniden

- vielen Dank auch für die Erfindung dieserBezeichnung! - so unheimlich duldsam sind! Wennich soviel zu verbergen und zu behüten hätte wiediese Läute, hätte ich ein paar neugierige Terranerbestimmt nicht landen lassen.

Wo liegt da das Problem? Weshalb läßt man unsnur unbeachtet, ohne aber den Versuch zu machen,uns auf die umherschnüffelnden Nasen zu schlagen?Wenn ich hier Chef wäre, passierte das nicht, meinWort darauf. Ich hätte die FANTASY schon beimEintauchen in das System überall hinbefördert, nurnicht auf meine Heimatwelt.«

Bull lachte gekünstelt. Als er Marshalls wieerstarrt wirkendes Gesicht bemerkte, verstummte er

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abrupt. Auch Rhodan wurde aufmerksam.»Was haben Sie, John? Gedankenimpulse?«Es dauerte noch einige Sekunden, bis der Telepath

aus seiner Reglosigkeit erwachte. Verwirrt fuhr ersich über die Augen.

»Jemand hat draußen seinen Gedankenschirmgeöffnet«, erklärte er hastig. »Ich habe klareBewußtseinsschwingungen empfangen. Sir, es istkaum zu fassen - aber man hält uns anscheinend fürArkoniden, die gekommen sind, um sich dieursprüngliche Heimat der Vorfahren anzusehen. Jetztkann ich nichts mehr hören. Man riegelt sich wiederab.«

Die Nervenanspannung unter den Männern derBesatzung wurde unerträglich. Nur Rhodan schiendie Ruhe selbst zu sein. Bully rief schrill aus:

»Wenn du jetzt behauptest, das hättest du dir schongedacht, dann gehe ich in die Luft.«

Rhodan legte den Waffengürtel mit dem schwerenHandstrahler um. Peinlich genau kontrollierte er dieLademarke. Dabei meinte er, ohne aufzusehen:

»Dann springe aber nur nicht zu hoch, denn ichhatte es mir gedacht.«

»Blödsinn! Auch du bist nicht allwissend.«»Natürlich nicht, aber ich kann denken. In der

bekannten Milchstraße gibt es, oder gab es bis vorwenigen Jahren nur ein Volk, das seine Raumschiffein Kugelform baute.

Das waren die Arkoniden, mein Lieber.Neuerdings machen wir es aber auch. Woher alsosollen die hiesigen Intelligenzen wissen, daß wirnicht aus dem Arkonsystem, sondern von der Erdekommen? Wahrscheinlich haben sie seit vielentausend Jahren keinen Kontakt mehr gepflegt. Siewissen nicht, was auf den mehr als vierzigtausendLichtjahre entfernten Arkonwelten geschehen ist.Dagegen sind wir aber mit einem Kugelschiffangekommen, und das Blaue System haben wir auchentdeckt. Was liegt demnach näher, als die logischfundierte Annahme, daß wir nur die Nachkommender vor etwa zwanzigtausend Jahren ausgewandertenVorarkoniden sein können?«

»Ich pflichte Ihnen bei«, erklärte Riebsam. »Manwird annehmen, wir hätten in uralten Unterlagen diePositionsdaten über das Blaue System gefunden. Mangreift uns deshalb nicht an, weil man immerhin weiß,daß man mit uns artverwandt ist. Allerdings gibt manuns zu verstehen, wie unerwünscht wir sind.«

»Sehen Sie! Da wir aber Menschen mit einemrecht dicken Fell sind, werden wir den zarten Winknicht verstehen. Oberst Claudrin, Sie bleiben an Bordzurück. Schiff gefechtsklar halten, Maschinen für denFall eines Alarmstarts laufen lassen. Kümmern Siesich nicht um uns. Wir sehen uns nur kurz um. Jelänger man uns für Arkoniden hält, um so besser istes. Wenn man allerdings herausfinden sollte, daß wir

mit den Nachkommen der damaligen Kolonisten nurdie äußere Gestalt gemeinsam haben, dürfte es Zeitzum sofortigen Rückzug werden.«

Bully rief nach einem Einsatzanzug. ImMaschinenleitstand summten die Schaltfelder, und inden Kraftwerksälen liefen die Stromreaktoren erneutan.

Die Triebwerke zeigten Grünwert. Die FANTASYwar klar zum Notstart Nur in der Feuerleitzentralegab es nicht mehr viel zu tun, da bereits alles getanworden war.

Das Robotkommando unter Leutnant StanaNolinow wurde nicht ausgeschleust. Nur ein Teil dermenschlichen Besatzung ging von Bord. Rhodanverwendete dazu drei Shifts, die geländegängigenund flugfähigen Allzweckfahrzeuge, über die auchder Versuchskreuzer verfügte.

Nur dreißig Mann betraten den Boden der fremdenWelt. Der doppelköpfige Mutant Iwan Goratschinblieb an Bord zurück. Nur Gucky, John Marshall undder Telekinet Tama Yokida verließen zusammen mitden Männern des Einsatzkommandos dieBodenschleuse.

Einige Menschen, die es ihrer Natur nach nichtunterlassen konnten, ein einmal entdecktes Rätsel zulösen, schickten sich an, die Geheimnisse eineswahrscheinlich uralten Kulturvolkes zu erkunden. Eswar ein verwegenes Vorhaben; aber daran waren dieMänner des terranischen Erprobungsteams gewöhnt.

*

»... an Auris von Las-Toor: feststellen, woher dieFremden kommen und wieso es ihnen gelungen ist,den Zeitschirm zu durchdringen.«

Das Mädchen nahm die Anweisung aus demNachrichtentransmitter, schob die erbrochene Hüllein den Einwurfschlitz und drückte auf denKontaktgeber.

Mit einer hellen Leuchterscheinung verschwanddie Kapsel, um gleich darauf im Empfangsgerät derNachrichtenzentrale wieder rematerialisiert zuwerden.

Aufmerksam las Auris den schriftlichniedergelegten Befehl des Regierenden Rates durch.

»Sie werden übermütig«, sagte ein ältererTechniker und deutete dabei auf die Bildschirme.»Sie verlassen ihr Schiff. Gute Sitten und Gebräuchescheinen sie nicht mehr zu kennen. Sie sind entartet,minderwertig geworden. Gib ihnen zu verstehen, daßsie unerwünscht sind und sorge für den schleunigstenAbflug des Raumschiffes.«

Auris von Las-Toor neigte den Kopf. Mit demnüchternen, zweckgebundenen Interesse derWissenschaftlerin musterte sie die klar erkennbarenFremden, die soeben über die ersten Reaktorstationen

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hinwegflogen.»Sie zeigen keine körperlichen

Degenerierungserscheinungen«, meinte der alteTechniker. »Erstaunlich! Weise sie in ihre Schrankenzurück.«

Auris fuhr sich mit beiden Händen über die langen,kupferroten Haare. Sie legte ihrenSchirmfeldprojektor an, griff zum kurzenSchulterumhang und ging auf die lautlosaufgleitenden Sicherheitstore der Transportstation zu.

Zwei weitere Schritte brachten sie in denWirkungsbereich des Transmitterfeldes. DerTechniker beobachtete die Auflösung ihresschlanken, hochgewachsenen Körpers.

Ohne einen meßbaren Zeitverlust rematerialisiertedas Mädchen im Empfangsgerät auf dem größtenMond des Planeten.

Auris von Las-Toor war bereit, die Anweisung desRegierenden Rates auszuführen.

Gelassen beobachtete sie die Landung der dreiLuftfahrzeuge. Nun wurde es Zeit, etwas zuunternehmen.

»Sie werden in das Strukturfeld hineinlaufen«,erklärte ein Techniker der Großschaltstation18-1V-3645. »Sollen sie wie Gäste behandeltwerden?«

»Auf keinen Fall«, lehnte Auris unwillig ab. »IhrVerhalten ist unanständig. Sie müssen bemerkthaben, daß wir nicht daran denken, ihre plumpenAnnäherungsversuche zu erwidern. Schicke mireinen Robotgleiter und informiere die Reisenden. DieEntarteten sind nicht zu beachten.«

8.

Kurz vor der Ausschleusung hatte Rhodan denBefehl erteilt, von nun an nur noch die arkonidischeSprache zu gebrauchen. Jeder Mann der Besatzungbeherrschte sie einwandfrei.

Man war unangefochten über die riesigen Hallenund Kuppelbauten der georteten Kraftwerkzentralehinweggeflogen.

Weit jenseits der Gebäude, die von oben betrachtetdie Ausdehnung einer größeren Stadt besaßen, warenjene Leuchterscheinungen sichtbar geworden, dieman bereits vor der Landung der FANTASY erkannthatte.

Es waren torartige, blaß- bis tiefrot leuchtendeEnergiebahnen, die übergangslos aus dem Bodenhervorkamen, um sich in fünfzig bis dreihundertMeter Höhe bogenförmig zu vereinigen.

So entstanden eigentümliche Pforten, in derenEingangsöffnungen die Welt zu enden schien.

Rhodan setzte alles auf eine Karte. Die drei Shiftslandeten nur wenige hundert Meter von der größtenErscheinung dieser Art entfernt. Das unbekannte

Volk hatte breite, kilometerlange Straßen angelegt,die alle vor den dunklen, gähnenden Schlünden derenergetischen Säulen endeten. Es war, als würden dieFahrbahnen dort abrupt abgeschnitten werden.

Dreißig Terraner sahen atemlos zu den unzähligenFremden hinüber, die teils aus umliegenden, zumeistlanggestreckten Hallen heraustraten, oder auf demweiten, vor den Energiesäulen liegenden Geländedamit beschäftigt waren, Handelsgüter aller Art zuverladen.

Riesige robotgesteuerte Maschinen krochen ausden Silos hervor. Die auf Antigravfelderntransportierten Gegenstände wurden auf radlosen,schalenartigen Lastfahrzeugen verstaut, die nach derBeladung leise summend anruckten und wieschwerelos auf einen der vielen Torbogen zuglitten.

Es war klar, daß es sich um Transmitter handelnmußte, jedoch um solche, die man weder auf derErde noch im Arkonsystem bauen konnte.

Rhodan beobachtete aufmerksam dieverschiedenartigen Vorgänge, bis er sicher war, denCharakter dieser weitläufigen Anlagen folgerichtigerkannt zu haben.

Dieses unübersehbar weitläufige, von zahllosenTransmitterfeldern übersäte Gelände war nicht mehrals ein Raumhafen zur Abfertigung des allgemeinenGüter- und Personenverkehrs. Was hier geschah, warim Prinzip weder unheimlich noch ungewöhnlich,sondern nur technisch hochstehend.

Die Vorarkoniden - wenn es sich überhaupt umsolche handelte! - hatten einen gangbaren undtechnisch ausgereiften Weg gefunden, dieumständlichen Raumschiffsreisen zu fernen undfernsten Planeten abschaffen zu können.

Wenn es sich bei den Bogenfeldern umTransmitter zur Entstofflichung und Beförderung vonMaterie aller Art handelte, so geschah der Transportohne jeden Zeitverlust und ohne mühevolle Be- undEntladungsarbeiten.

Rhodan wußte nun, wozu es in unmittelbarer Näheeine derart gewaltige Kraftstation gab. Sie versorgtedie einzelnen Transmitter mit Energie, jedoch warennirgends stromführende Kabel oder feldisolierteFreiluftleiter zu sehen.

Wie die Transmitter ihren Arbeitsstrom erhielten,war nicht feststellbar. Auch die fraglos vorhandenenSteuer- und Synchronisierungsschaltungen konntennicht entdeckt werden.

Rhodan und die Wissenschaftler des Teams hattenbereits genug gesehen, um sich ein Bild über dentechnischen Stand der hiesigen Intelligenzen machenzu können.

»Sieh dir das an!« sagte Bull beeindruckt. Seinewasserblauen Augen waren weit aufgerissen.Rhodans Blick folgte der Hand des Freundes.

Weiter drüben, knapp dreihundert Meter entfernt,

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brummte eine endlose lange Kette von riesigen,radlosen Schwebeplattformen auf eines der größtenTransmittertore zu.

Die Schweber beförderten Maschinenungetüme,sorgsam verpackte Güter und unübersehbar vieleVorarkoniden, die in Reihe und Glied und in besterOrdnung auf den Prallfeldgleitern saßen.

Dort, wo der dunkle, unheimlich gähnendeSchlund des Entstofflichungsbogens begann,verschwand ein Fahrzeug nach dem anderen miteiner kurzen, gleißend hellen Leuchterscheinung. Esdauerte nur wenige Minuten, bis die gesamteKolonne aufgelöst worden war, um wahrscheinlichim gleichen Augenblick auf einer fernen Welt voneinem ganz ähnlichen Empfangstransmitterausgestoßen zu werden.

»Gegen diese Leute sind wir Waisenknaben«,behauptete Bully mit einem unsicheren Lächeln.»Wahrscheinlich können sie beliebig großeEntfernungen überbrücken.«

»Sie müssen auf jedem ihrer Stützpunktewenigstens ein Empfangsgerät haben«, meinteLeutnant Sikhra. Sein schmales Gesicht wirkteverkniffen. »Sir, wenn ich mir die Sache genauerüberlege, so bleibt keine andere Wahl, alsanzunehmen, daß die Vorarkoniden doch noch einebemannte Raumschifffahrt besitzen! Wie solltensonst die unbedingt erforderlichen Empfänger auf dieZielwelten, kommen? Oder meinen Sie, man Würdehier Geräte verwenden, die ohne Empfängerauskommen? Das wäre unheimlich, Sir!«

»Ausgeschlossen ist es nicht. Das Geistwesen aufWanderer beherrscht diese Kunst. ImSuperschlachtschiff DRUSUS gibt es einen vonWanderer stammenden Fiktivtransmitter, mit demman entstofflichte Materie zu einem beliebigen Ortschießen kann.«

»Diese Anlagen sehen aber nicht danach aus«,meinte Bully ablehnend. »Nun macht es nur nicht sowild! Ich komme mir ohnehin schon vor wie einAffenmensch. Was hast du vor?«

»Umkehren, schleunigst umkehren«, sagte Rhodannach einer Weile. »Die Herrschaften kümmern sichnicht um uns. Für sie sind wir wie schlechte Luft, dieman nicht einatmet. Sikhra, rufen Sie IhrenSergeanten zurück.«

Mahaut winkte einem kleinen, dunkelhaarigenMann des Einsatzkommandos zu. Sergeant Totrinbemühte sich seit Minuten, mit den vorübergehendenIntelligenzwesen ins Gespräch zu kommen.

Totrin war ein Mann mit Humor, und außerdemwar er duldsam. So zeigte er grundsätzlich nur einnichtssagendes Lächeln, wenn man ihn einfachstehen ließ, oder durch ihn hindurchblickte, alsbestünde er aus Luft.

Etwas aber hatte Totrin herausgefunden. Als er

Sikhras Wink bemerkte, schlenderte er langsam zudem vordersten Shift zurück und schwang sich überdie niedere Brüstung des Laderaumes.

»Nun?« fragte Rhodan beunruhigt.»Nichts zu machen, Sir. Keiner antwortet. Wenn

man im Wege stehen bleibt, macht man einfach einenBogen. Man unterhält sich weiter und tut so, als wäreman nicht angesprochen worden. Ich habe es etwafünfzigmal bei den verschiedensten Leuten versucht.Die meisten haben kupferfarbene Haare, viele jedochdunkle, bläulich schimmernde. Die samtbraune Hauthaben sie alle. In der Hinsicht sehen sie keineswegswie Arkoniden aus, aber dafür sprechen sieArkonidisch!«

Rhodan staunte.»Was sagen Sie da?«»Sie sprechen Altarkonidisch, Sir.Ich habe sie ganz gut verstehen können. Das ist

ungefähr die Sprache, die wir auf den arkonidischenKolonialwelten gefunden haben. Wichtiger ist aber,daß man die blaue Sonne dieses Systems Akonnennt!«

»Da haben wir es«, rief Bully nervös. »Akon!Wenn man noch den Buchstaben >R< einfügt, habenwir Arkon. Ganz klar, daß die heutigen Arkonidenvor langer Zeit von hier aus in den Raumvorgestoßen sind. Unser guter Freund Atlan solltesich nicht zu viel auf die große Vergangenheit seinesVolkes einbilden. Die Arkoniden sind nicht mehr alsein degenerierender Ableger der hiesigen Rasse.«

»Ein Schwebefahrzeug kommt auf uns zu, Sir«,wurde gemeldet. Rhodan drehte sich rasch um.

Der Gleiter huschte über die breiten Fahrbahnenhinweg und hielt genau auf die drei Shifts zu.

»Oh, man verliert die Geduld, wie?« sagte Rhodanwie im Selbstgespräch.

Seine Augen verengten sich. Die blaue Sonnemeinte es fast zu gut.

Die mittleren Temperaturen lagen bei 29 GradCelsius.

Er wartete noch einige Augenblicke, bis die in demGleiter sitzende Person erkannt werden konnte.

»Eine Frau, sogar eine junge und schöne Frauschickt man«, erklärte John Marshall. »Sie denkt anuns und an eine bestimmte Aufgabe. Diese Leutestrahlen instabile, verzerrende Paraschwingungenaus, Sir. Es ist sehr schwierig, das Gedankengut klarzu erfassen.«

»Stimmt genau«, bestätigte Gucky, der sich seitder gelungenen Flucht aus der Materiewolkeschweigsam verhielt. Jedermann wußte, daß derzartgebaute Mausbiber unter den Nachwirkungen derhohen Gravobelastung zu leiden hatte.

»Sie denkt an eine Aufgabe?« wiederholteRhodan. »Sikhra, fertig machen zum Start. Wenn sieweiterhin auf uns zufliegt, brausen wir los. Wer weiß,

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was sie im Schilde führt.«»Eine schwache Frau?« meinte Bully spöttisch.»Für mich ist das nicht nur eine schwache Frau,

sondern die Vertreterin eines großen Volkes, dasunter Umständen seine Duldsamkeit verlieren undbösartig werden kann. Was uns dann blüht, braucheich wohl nicht zu sagen.«

»Sie kommt wirklich zu uns«, erklärte Guckyetwas lebhafter. »Sie denkt an etwas Kleines,Krabbelndes mit Fühlern am Kopf, und sie ekelt sichdabei. Sie bringt das krabbelnde Ding mit uns inVerbindung.«

»Wanzen!« sagte Reginald Bull in lakonischerKürze.

»Die haben keine Fühler, Sir«, berichtigte MahautSikhra grinsend.

»Egal, vielleicht haben die hiesigen Wanzenwelche. Das ist doch die Höhe! Diese Dame scheintvon ihrem Volk noch mehr überzeugt zu sein, alsseinerzeit die Arkonidin Thora. Für sie waren wirauch nur bessere Höhlenbewohner.«

Rhodan zuckte zusammen, und Bull sah sichschuldbewußt um. Seit Thoras Tod wurde ihr Namein Perrys Gegenwart nur selten erwähnt.

»Sikhra, fliegen Sie los. Zurück zum Schiff.Tempo!«

Die drei Shifts hoben mit summendenAntigravprojektoren vom Boden ab, als dieWissenschaftlerin Auris von Las-Toor soeben ihrenGleiter anhielt.

Zum ersten Male wunderte sie sich über dieFremden. Als ein großer, hochgewachsener Mann mitprägnanten Zügen und spöttischen, grauen Augen dieMütze vom Kopf zog und in halb sitzender Haltungeine angedeutete Verbeugung machte, fühlte sichAuris verwirrt.

Konsterniert schaute sie den davonjagendenFahrzeugen nach, die Sekunden später hinter denHallen der Kraftwerkszentrale verschwanden.

Hastig gab Auris die Nachricht per Funk an ihreZentrale weiter. Sie erhielt die Anweisung, dieoffenbar erschreckt aufgebrochenen Fremdlinge nichtmehr zu belästigen.

Auris konnte sich nicht erklären, warum sie andem Begriff »erschreckt« unvermittelt zu zweifelnbegann. Dieser große, überlegen und beherrschtwirkende Mann hatte nicht den Eindruck erweckt, alswäre er vor ihr geflohen.

Sie versuchte, klar und vorurteilslos über dieSituation nachzudenken. Schließlich entschloß siesich, auf dem schnellsten Weg zu ihrer Zentralezurückzukehren, um weitere Informationen über dieFrühgeschichte der akonischen Auswanderereinzuholen.

Auris von Las-Toor war Galakto-Soziologin. Esgehörte zu ihrem Aufgabenbereich! die

sozialpolitischen Probleme auf fremden, von Akonenbesiedelten Welten zu überprüfen und siegegebenenfalls nach den Richtlinien der uraltenGesetze zu bearbeiten.

Als sie in schneller Fahrt zumTransmitterstützpunkt zurückflog, war sie derMeinung, die Lage ohne besondere Komplikationenklären zu können. Unwillig über sich selbst,versuchte sie, die hochgewachsene Erscheinung ausihrem Gedächtnis zu verbannen. Wenn dieser Mannnur nicht so spöttisch und überlegen auf siehinabgesehen hätte.

Es lag an der Situation, dachte sie ärgerlich. Erstand höher als ich. Der Entartete mußte auf michhinabblicken!

*

Leutnant Brazo Alkher zog die Fingerkuppen vonden stufenlosen Waffenzielschaltern zurück, als derletzte Shift wohlbehalten in der großenÄquatorialschleuse der FANTASY verschwundenwar.

Stana Nolinow, der augenblicklich nicht von derSchiffsführung beansprucht wurde, war vor einigenMinuten in der Feuerleitzentrale erschienen, umBrazo über die letzten Neuigkeiten zu informieren.

»... niemand hat auf unsere Leute geachtet«, sagteer lautstark. »Eine Frechheit ist das. Aber dasMädchen - hm, Klasse!«

Er rollte mit den Augen und schnalzte mit denFingern. Brazo lächelte. Nolinow war in dieserHinsicht anscheinend leicht zu begeistern.

»Hast du sie gesehen. Brüderchen? Nein, natürlichnicht. Du mußtest ja auf deinen Zielschirm blicken.Ich aber habe an der Fernbildübertragungteilgenommen. Mahaut hatte mir versprochen, allewesentlichen Dinge mit der tragbaren Kameraeinzufangen. So habe ich sie gesehen! Stelle dir dieschlanke, pneumatische Figur ...«

»Wie ...?«»... pneumatische Figur einer Göttin vor«, fuhr

Stana ungerührt fort. »Haare lang, leicht gewellt undvon der Farbe alten Kupfers, das bei einembestimmten Lichteinfall grünlich schimmert. Dazudie schmale, gradrückige Nase einer edlen Griechin,die vollen Lippen der Spanierin und die abweisendeKühle einer englischen Königin. Sie hat Eis in dengrünen Sphinxaugen, aber als sie Perry sah, hat siegenau zweieinhalbmal so schnell geatmet wievorher.«

»Nicht dreimal so schnell?«»Zweieinhalbmal, ich habe mitgezählt. Warum

sollte ich lügen?«»Finden Sie diesen Leutnant nicht etwas närrisch,

Sergeant Enscath?« erkundigte sich Brazo bei dem

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alten Unteroffizier.»Es steht mir nicht zu, die Offiziere des Schiffes in

aller Öffentlichkeit zu beurteilen«, entgegneteEnscath schmunzelnd.

»Das möchte ich Ihnen auch geraten haben«,drohte Stana. »Freunde, ihr habt ja keine Ahnung,welche himmlischen Erscheinungen es auf diesemwüstenhaft Mond gibt. Ihr seht mich hingerissen,durcheinandergewirbelt und bereit, mein Leben fürdie Menschheit zu opfern, vorausgesetzt, ich darf mitihr über das Schicksal der FANTASY-Besatzungverhandeln. Ich würde lächelnd und freudetrunken inden Tod schreiten, ach was - springen, aber dannwäre ich ...!«

»Besatzung auf Manöverstationen«, dröhnteClaudrins Stimme aus allen Lautsprechern. »Klarzum Alarmstart, Bestätigung!«

Stana verstummte. Gekränkt sah er sich um.»So ein Rohling«, erklärte er. »Mich derart grob zu

unterbrechen. Habt ihr überhaupt zugehört? Ich habevon ihr gesprochen!«

»Stimmt, aber jetzt entfleuche zu deinen Robotern,du verhinderter Dichter«, sagte Brazo gefühlskalt.Stana stapfte wortlos auf die Panzerschleuse zu.Sergeant Enscath meinte besorgt:

»Sir, wir sind um Ihr Wohlbehagen bemüht. WennSie vielleicht einem Roboter eine rote Perückeaufsetzen wollen - ich könnte einmal mit demLageroffizier sprechen.« Stana sah Enscathvernichtend an. »Schafskopf!«

Als er verschwunden war, erhob Brazo Alkherdozierend den Zeigefinger.

»Es sollte festgestellt werden, ob ein Offizier desSchiffes berechtigt ist, verdienteBesatzungsmitglieder zu beleidigen.«

»Es sei ihm verziehen, Sir«, erklärte der Sergeantlächelnd. »Okay, Waffenmeiler zeigen Grünwert.«

*

»Wohin willst du fliegen?« rief Bully fassungslos.»Wohin?«

Rhodan schnallte sich in seinem Sessel fest Weitunter ihm dröhnten die Antigravprojektoren. Siehoben die auf das Schiff einwirkende Schwerkraftdes großen Mondes auf.

»Zum fünften Planeten dieses Sonnensystems,genannt Sphinx«, erklärte Perry sachlich.

»Verrückt! Wir haben genug gesehen. Meineobersten Halswirbel beginnen zu jucken, wasbekanntlich ein schlechtes Vorzeichen ist.«

»Du bist zu fett«, schrie Gucky schadenfroh.Reginald Bull winkte erregt ab.»Halte den Schnabel, Kleiner. Die Sache ist ernst.

Perry, was hast du vor?«»Nicht viel, Ich will mich kurz auf Nummer fünf

umsehen, um festzustellen, was dort gespielt wird.Dieser Mond ist ein einziges Kraftwerk mit bereitsbekannten Funktionen. Ich möchte wissen, wie dieAkonen, die wir von nun an so nennen wollen, ihreEmpfangsgeräte auf die Zielplaneten bringen. Dazuwäre es in der Tat erforderlich, eineRaumschiffsflotte zu unterhalten. Wo sind dieseSchiffe? Wie schnell sind sie? Welche Triebwerkewerden von den Akonen verwendet? Was nochwichtiger ist: Wie steht es mit eventuellenEroberungsgelüsten dieser Leute? Es wäre mirdurchaus nicht angenehm, eines Tages auf der Erdegeheimnisvolle Torbogentransmitter zu finden, ausdenen Millionen Kampfroboter hervormarschieren.Wenn man die Herrschsucht der alten Arkonidenberücksichtigt, so muß man sich zwangsläufig fragen,wie das Volk, aus dem sie hervorgegangen sind, indieser Hinsicht eingestellt ist. Wir fliegen zumPlaneten Sphinx hinüber. Fertig, Jefe. Starten Sie!«

Bullys Worte gingen im Donnern der Triebwerkeunter. Die FANTASY raste mit so hohenBeschleunigungswerten in den Raum, daß sieSekunden später nicht mehr zu sehen war. Nur eineheiße Druckwelle pfiff über das riesige Gelände desseltsamen Transmitter-Raumhafens hinweg.

Ein Schalttechniker der Akonen rief erzürnt aus:»Sie kennen wirklich keine Höflichkeit mehr. Man

sollte sie vernichten.«Vernichten - das war etwas, womit Perry Rhodan

nicht direkt rechnete. Er hatte sich dazu entschlossen,die einmal gebotene Chance bis zur letzten Sekundeauszunutzen.

Die Reise dauerte nur wenige Minuten. Es machtedem Epsalgeborenen Spaß, eine Gewaltlandungdurchzuführen.

Der Schwere Kreuzer raste in die aufglühendeLufthülle des fünften Planeten hinein und begann erstin den unteren Schichten der Atmosphäre mit demBremsmanöver.

Dazu meinte der Kommandant sachlich:»Geortet hat man uns sowieso. Es liegt kein Grund

vor, besonders behutsam zu sein. Wenigstens sollensie sehen, daß Terraner mit großen Raumschiffenumgehen können.«

Major Krefenbac sah verwundert auf seinenHandrücken, mit dem er sich soeben über die Stirngewischt hatte. Die Haut war feucht.

»Allerhand«, brummte der Erste Offizier vor sichhin. Sein faltiges Melancholikergesicht wurde nochausdrucksloser, als man es von ihm gewohnt war. Ererinnerte sich, seit wenigstens zehn Jahren nicht mehrgeschwitzt zu haben. Da sich dieser Zustand soplötzlich einstellte, nahm sich Krefenbac vor,vorsichtshalber einen Waffengürtel umzulegen, waser sonst - trotz den diesbezüglichenDienstvorschriften - kategorisch ablehnte.

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»Großer Jupiter«, sagte Bully gereizt. »Das langeScheusal greift zur Waffe. Nicht zu fassen! Verflixtnoch mal, warum unternehmen diese Akonen nichts?Claudrin rasiert ihnen mit der Druckwelle ganzeWälder ab. Jetzt bin ich nur einmal neugierig, wannsie endlich die Geduld verlieren.«

»Ich auch«, meinte Rhodan: »Lange geht das nichtmehr gut, Jefe, da vorn tauchen Städte auf. Wirlanden auf dem ersten besten Raumhafen, den wirausmachen können. Schiff bleibt klar zumAlarmstart. Energiezentrale melden ...!«

Der diensthabende Ingenieur erschien auf demVerbindungsschirm.

»Wir landen gleich«, erklärte Rhodan in allerRuhe. »Versuchen Sie mit Ihren Energie- undMassetaster eventuell abgestellte Raumschiffe zuorten. Nehmen Sie als gegeben hin, die akonischenRaumer flögen ebenfalls mit Lineartriebwerken.Stellen Sie Ihre Ortungspeiler auf die dementsprechenden Impulse ein. Alles klar?«

»Verstanden, Sir. Wir werden uns bemühen.«»Was haben Sie eben gesagt?« klang Kalups

Stimme aus den Geräten. Er hatte mitgehört. »SindSie etwa der Meinung, die hiesigen Intelligenzenhätten ebenfalls den linearen, sprungfreienHyperantrieb entwickelt?«

»Ich bin sogar davon überzeugt. Es muß nichtdirekt eine Kopie unseres Kompensationskonverterssein, aber auf ähnlicher Basis werden die Aggregateschon funktionieren.«

»Ich verlange eine beweiskräftige Erklärung«,schrie Kalup in seiner cholerischen Art.

»Zu verlangen haben Sie zwar nichts, jungerMann, aber ich will es trotzdem tun.«

»Frechheit!«»Okay, zur Kenntnis genommen Wir sind nur

deshalb unbeschadet durch das eigenartigeEnergiefeld gekommen, weil wir mit dem Kalupflogen. Wenn die Akonen diesen blauen,systemumspannenden Riesenschirm ebenfallsdurchkreuzen, müssen sie ein ähnlichesKompensatorfeld benutzen, oder sie hätten sich selbsteingesperrt. Es ist unvorstellbar, daß sie die gewißsehr komplizierte und großräumige Anlage bei jedemSchiffsstart abschalten. Somit kann angenommenWerden, daß die Akonen nicht mehr springen,sondern mit paraoptischer Zielsicht im Linearflugreisen. Genügt Ihnen das?«

»Erst dann, wenn ich die verschiedenenMöglichkeiten durchgerechnet habe.«

»Tun Sie das, Professor. Ich bin neugierig auf IhreErgebnisse.«

Augenblicke später fuhr Hunts Krefenbac dieLandebeine aus. Der marsgeborene Chefingenieur,Slide Nacro, schaltete die Strommeiler herunter, umsie direkt nach dem Aufsetzen wieder voll

auszufahren.Die FANTASY hatte sich wie ein drohendes,

angriffslustiges Ungeheuer mitten auf eine riesigeEbene gesetzt, die nur einen Raumhafen darstellenkonnte.

9.

Die Männer des Einsatzkommandos unter MahautSikhras Führung kamen zurück. Rhodan hatte denkleinen Erkundungstrupp mit Hilfe derHelmsenderübertragung verfolgt und dabeifestgestellt, daß eine Kontaktaufnahme wiederummißlungen war.

Zwanzig Minuten nach der Landung, um die sichanscheinend niemand gekümmert hatte, waren dieersten Ergebnisse der Ortungsstationen eingelaufen.Auf dem Hafen gab es Raumschiffe, derenTriebwerksimpulse empfangen werden konnten.

Nach der erfolgten Auswertung in dermathematischen Abteilung und unter Kalupspersönlicher Leitung stand es fest, daß die Akonenwie bereits vermutet den Linearflug beherrschten. Siearbeiteten mit einem kompensatorähnlichenSchirmfeld, das dem des Kalupkonverters sehrähnlich - allerdings viel ausgereifter - war.

Arno Kalup war außer sich. UnbegrenzteMöglichkeiten zur Fortentwicklung der terranischenNeukonstruktion zeichneten sich ab. Trotzdembestanden offenbar keine Möglichkeiten, die Akonenzu bewegen, ihre Geheimnisse gutwilligpreiszugeben.

Mahaut Sikhra war nicht nur wegen derKontaktversuche ausgeschickt worden. Seine Leutetrugen Spezialmeßgeräte, mit denen ermittelt werdensollte, ob es sich bei den georteten Raumschiffen umabgestellte Museumsstücke oder um betriebsklareFahrzeuge handelte.

Gucky war vor einigen Minuten verschwunden. Eswar ihm anscheinend gelungen, in eine der vonSchutzschirmen, abgeriegelten Abstellhallenhineinzukommen.

Weit entfernt, fast nicht mehr erkennbar, ragten dietypisch arkonidischen Trichterbauwerke in denblaßblauen Himmel. Allein diese eigentümlicheArchitektur bewies, daß die Arkoniden von dieserWelt abstammten. Sie hatten die Sitten undGebräuche der Vorfahren beibehalten, schließlichaber im Laufe der Jahrtausende eine eigene, stetsfremdartiger werdende Kultur entwickelt.

Rhodan hatte es nicht gewagt, die Großstadt zuüberfliegen. Er hatte das Gefühl, die Geschehnissebereits auf die Spitze getrieben zu haben.

Zudem sah es ganz danach aus, als wäre die Stillegleichbedeutend mit der Ruhe vor dem Sturm. Aufdem weiten Raumhafen waren die Fahrzeuge

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zurückgezogen worden. Weit und breit war keinAkone zu sehen. Stärker hätte man die Mißachtungnicht ausdrücken können.

»Etwas wird in aller Kürze geschehen«, behaupteteBully beunruhigt. »Entweder verwandelt man uns ineine radioaktive Wolke, oder mäh unternimmt etwas,wovon wir keine Ahnung haben.«

Mahaut Sikhra trat ein. Er trug nur die Uniform.Rhodan hatte die Anweisung erlassen, diearkonidischen Kampfanzüge nicht mehr anzulegen,da sie provozierend wirken könnten. Dabei warf sichnur die Frage auf, was nun provozierender war: dieungebetene Landung, oder das eventuelle Tragen vonAusrüstungen, die augenscheinlich einemkriegerischen Zweck dienten. Alles in allem war dasTun der Terraner eine Unverschämtheit, worüber sichRhodan auch keinen Illusionen hingab.

Sikhra grüßte korrekt. Sein Gesicht glänzteschweißnaß. Die blaue Sonne Akon strahlte eineunangenehme Hitze aus.

»Was haben Sie entdeckt?«Mahaut nahm die Mütze ab. Sein Gesicht drückte

seinen Unwillen aus.»Nicht viel, Sir. In der Nähe der Hallen sind

Energiefelder aufgebaut worden. Wir kamen nichthindurch, Es steht aber trotzdem fest, daß diegeorteten Raumschiffe >heiße< Triebwerke haben.Das sind keine Museumsstücke, sondern einsatzklareRaumer, die jeden Augenblick losdonnern können.Akonen haben wir keine getroffen. Zwei Mann zogensich fluchtartig zurück, als sie uns über das Landefeldkommen sahen. Man will weder mit uns sprechen,noch scheint man Wert darauf zu legen, unsere Nähezu suchen. Das ist eigentlich alles, Sir.«

»Es genügt«, erklärte Rhodan mißmutig. »MeineHerren, fertig zum Start. Wir warten nur noch aufGucky.«

Der Mausbiber materialisierte drei Minuten spätermitten in der Zentrale. Er war wieder erschöpf t.

Marshall trug ihn zum nächsten Lager hinüber undbettete ihn auf die weichen Polster. Von dort auserklärte der Trampbewohner:

»Ich bin hineingekommen, aber die Schirme sindkaum zu durchdringen. Es kostet eine Menge Kraft.Die Raumschiffe habe ich gesehen. Sie werdennochmals durch Energiefelder abgeriegelt.«

»Wie sehen Sie aus? Kugelförmig?« fragte Rhodanmit einem so schläfrigen Gesichtsausdruck, als wäreer soeben erwacht. Bully wurde noch unruhiger. Erkannte den Freund! Diese betonte Lässigkeit war einsicheres Zeichen für die in Rhodan wallendeNervosität.

»Natürlich kugelförmig. Nur die beiden Pole sindabgeplattet. Die Schiffe sehen aus, als hätte man dieobere und untere Rundung mit einem Messerabgeschnitten. Ringwulste haben sie aber. Sie sind

auffallend klein. Das größte durchmaß höchstenshundertfünfzig Meter.«

»Das sind die Transporter zum Aufbau derGegenstationen«, behauptete Claudrin. »Also, woraufwarten wir noch? Wir sollten nun genügend überdiese Leute wissen.«

»Ortungszentrale: Zwei Fahrzeuge sind plötzlichvor dem Schiff erschienen«, klang eine erregteStimme auf.

Rhodan fuhr zusammen. Steif ging er zu denKontrollen hinüber und schaltete die Bodenschirmeein.

Zwei große Schweber, elegant geformt undtransparent überdacht, hielten nur wenige Meter vonder Polschleuse entfernt.

»Wie sind die unter das Schiff gekommen?« fragteRhodan. »Hat sie jemand näher kommen sehen?«

»Nein, Sir, es erfolgte vorher keine Ortung. Siewaren plötzlich da!«

»Funkzentrale spricht«, meldete sich ein andererOffizier. »Wir werden angerufen. AltarkonidischeSprache, Sir. Sie werden gebeten, zu einerBesprechung aus dem Schiff zu kommen.«

»Gebeten?«»Jawohl, Sir. Soll ich auf Ihre Lautsprecher

umschalten?«»Nicht nötig, darauf habe ich gewartet. Geben Sie

durch, ich würde mich beeilen, Ende.«Rhodan griff nach der Schirmmütze. Claudrin

stand langsam auf. Es wurde still in der Zentrale, bisBull meinte:

»Wie sind sie unter das Schiff gekommen? DieKugelzelle durchmißt zweihundert Meter. Demnachmüssen sie hundert Meter unter ihr durchgefahrensein, um die Bodenschleuse überhaupt erreichen zukönnen.«

Eine weitere Unterbrechung erfolgte. DieOrtungszentrale meldete sich erneut.

»Wir empfangen undefinierbare Echos, dieanscheinend aus dem Innern der FANTASYkommen. Es hört sich an, als handle es sich um sehrkurzwellige Tasterimpulse.«

»Sind das wieder Funksignale?«»Auf keinen Fall, Sir, eher Zahlengruppen und

Symbole. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«Rhodan schaltete ab.»Claudrin, Bully, Marshall und Leutnant Nolinow

- Sie begleiten mich. Gehen wir.«»Leichtsinn«, sagte Bull. »Bodenloser Leichtsinn.

Du solltest bemerkt haben, daß uns die gleiche Dameerwartet, vor der wir auf dem Transmittermondausgerissen sind.«

Rhodan lächelte rätselhaft.»Was du nicht sagst! Hattest du tatsächlich

angenommen, ich hätte diese Frau übersehen?«Er schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. Zwei Etagen

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tiefer rannte Stana Nolinow keuchend zumZentralelift. Als er in das Antigravfeld sprang undnach unten glitt, versuchte er noch, seinenverrutschten Kragen in Ordnung zu bringen.Schließlich gab er es schimpfend auf. Er war dererste Mann in der Bodenschleuse. Rhodan und dieOffiziere der Schiffsführung folgten wenige Minutenspäter.

*

Sie stand hoch und kerzengerade aufgerichtet vorihrem Wagen. Das aus der offenstehendenLuftschleuse fallende Licht spiegelte sich in ihremmetallisch glänzenden Haar und zaubertefaszinierende Lichtreflexe hervor.

Auris von Las-Toor wußte seit einigen Minuten,daß der in dem zweiten Gleiter installierteSchaltbildtaster einwandfrei gearbeitet hatte.

Nach der überraschend erfolgten Landung derFremden hatte sie den Auftrag erhalten, endgültig zuermitteln, woher sie gekommen waren Der akonischeSchaltbildtaster war ein Gerät, das auf drahtlosemWege die in der Bordpositronik verankertenSpeicherimpulse auslöste und abhörte. Niemand inder FANTAST ahnte, daß die im Rechenzentrumfestgehaltene Position des Planeten Erde und desSolaren Imperiums bekannt geworden war.

Auris hatte die derart ermittelten Daten an denRegierenden Rat weiterleiten lassen.

Als in der Luftschleuse der erste Mann derSchiffsbesatzung auftauchte, liefen in der fernenStadt die vollautomatischen Rechenmaschinen an.Wissenschaftler und Spezialisten des akonischenEnergiekommandos waren dabei, die vorzwanzigtausend Jahren gespeicherten Daten über dieKolonisierung einer entfernten Welt aus denSpeichersektoren abzurufen, um sie mit den vonAuris besorgten Positionsangaben zu vergleichen.

Marshall, Claudrin und Nolinow bauten sich vordem hochgewachsenen Mädchen auf. Stanas Herzklopfte heftig. Er mußte sich bemühen, sie nicht allzuauffallend zu fixieren.

Rhodan erschien als letzter Mann, In derLuftschleuse stehend, sah er kurz nach unten, tipptemit den Fingerspitzen an den Rand der Dienstmütze,um anschließend in aller Ruhe einige völligüberflüssige Anweisungen ins Innere des Schiffes zurufen.

Marshall durchschaute den Administrator desSolaren Imperiums. Es lag in Rhodans Art, anderenIntelligenzen sehr deutlich zu verstehen zu geben,daß er sich durchaus nicht unterlegen fühlte.

Auris, die mit dem Vorsatz gekommen war, dasseltsame Fluidum des Unbekannten nicht nochmalsauf sich einwirken zu lassen, ertappte sich dabei, wie

sie angestrengt nach oben sah.Rhodan schwebte im Antigravlift nach unten, fing

den leichten Aufprall mit federnden Beinen ab undschritt dann langsam auf das Mädchen zu.

Erstmals trafen sich ihre Blicke. Sie sah in kühle,graue Augen, die sie zu sezieren schienen.

In unbewußter Abwehr richtete sie sich noch höherauf.

Oberst Jefe Claudrin spielte die vorgezeichneteRolle. Mit dröhnender Stimme stellte er Rhodan vor.

Sie fuhr zusammen, fing sich aber schnell. In demAugenblick kam Auris zum ersten Male derGedanke, diese so fremdartig wirkenden Männerkönnten keine Nachkommen früherAkonauswanderer sein. Beunruhigt und an die damitverbundenen Schwierigkeiten denkend, musterte siebesonders den Epsalgeborenen noch eindringlicher.

»Darf ich um Euren Namen bitten, Erhabene?«sagte Rhodan in bestem Altarkonidisch.

Auris sah ihn eisig an.»Es liegt an mir, das Wort zu ergreifen«, belehrte

sie Rhodan erzürnt. Perry dachte einen Augenblicklang an seine verstorbene Frau zurück. Ein leichtes,sinnendes Lächeln erschien auf seinen Lippen. Wievertraut diese überhebliche Sprache klang!

»Nehmt an, Ihr hättet es zuerst getan«, entgegneteer. »Wollt Ihr mir Gastfreundschaft bieten, oderweshalb seid Ihr nochmals gekommen?«

Sie fühlte sich schockiert. Dieser Entartete schiendie guten Sitten nicht mehr zu kennen. Sie beschloß,sich darauf einzustellen.

»Ihr seid ungebeten gelandet. Ich muß Euchersuchen, den Planeten sofort zu verlassen. Ich binbeauftragt worden, Euch das Bedauern desRegierenden Rates darüber auszudrücken, daß esüberhaupt zu einer solchen Aufforderung kommenmußte. Offenbar wißt Ihr die Anstandsregeln Eurerfrühen Vorfahren nicht mehr zu würdigen.«

Rhodan nickte bedächtig. Das hatte er erwartet.Diese Leute waren für seine Begriffe zu höflich.

»Ich bedaure meinerseits, mit einer solchenZurückhaltung aufgenommen worden zu sein. Ist esim Akon-System üblich geworden, die Vertreter deseigenen Volkes wie arme, bettelnde Verwandte zubehandeln? Die Berichte meiner Väter sprachen voneiner großzügigen Einstellung der Akonen.«

Auris senkte den Blick. Rhodan hatte etwasangeschnitten, was man im Regierenden Ratebenfalls erwogen hatte.

Reserviert entgegnete sie:»Ihr dürft versichert sein, daß wir Euren

unverhofften Besuch besprochen haben. Ihr scheintnicht zu wissen, wie sehr der damalige KolonialkriegEuer und mein Volk entzweite. Existieren darüberkeine Aufzeichnungen in Euren Archiven ?«

»Sie müssen verlorengegangen sein«, erklärte

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Rhodan ausweichend. John Marshall hielt die Luftan. Da lag also die Lösung des Rätsels! Zwischen dendamals ausgewanderten Kolonisten, den heutigenArkoniden, und den Vertretern des Heimatsystemswar es zu schweren Zerwürfnissen gekommen.

»Wir dachten es uns«, meinte Auris etwasfreundlicher. »Kehrt um, Rhodan von Arkon! Odersollte ich Euch besser anders ansprechen?«

Der Telepath Marshall schickte einen Warnimpulsaus. Rhodan verstand sofort. Das Mädchen hatteeinen unbestimmten Verdacht geschöpft. DieAnspielung war ihr erster Vorstoß gewesen.

»Wie meint Ihr das?«»Es war nur eine Frage.«Wieder trafen sich ihre Blicke. Sie fühlte das von

dem Unsterblichen ausgehende Fluidum, und dasmachte sie noch unsicherer. Rhodan beschloß, diegefährlich werdende Unterhaltung abzubrechen.

»Ich werde Euren Rat befolgen. Wollt Ihr mir nochEuren Namen sagen?«

»Auris von Las-Toor.«»Vielen Dank. Ich heiße wirklich Rhodan, Ich

hätte mir aus tiefstem Herzen gewünscht, mit EuremVolk freundschaftlich verkehren zu dürfen. MeineHeimatwelten sind reich, und wir legen keinen Wertdarauf, andere Völker zu unterjochen.«

»Wie sehr Ihr Buch von Euren Vorfahrenunterscheidet«, bemerkte sie kühl.

»Es sind Fehler gemacht worden«, gab Perry zu.Marshalls Warnungen wurden dringender. WeshalbAuris immer stärker vermutete, es nicht mitArkoniden zu tun zu haben, konnte er nicht erklären,Möglicherweise war es eine Gefühlssache.

Sekunden später geschah etwas, womit niemandgerechnet hatte. Die am geschwungenen Dach desvordersten Gleiters angebrachte Lampe begann zuleuchten. Auris bemerkte es. Ohne eineEntschuldigung auszusprechen, ging sie zu demWagen hinüber, in dem zwei schweigsame,statuenhaft wirkende Akonen saßen.

Rhodan bemerkte, daß sich das schmale Gesichtdes Mädchens plötzlich verzerrte. Sekunden späterhatte sie sich wieder gefaßt. Als sie sich langsamumdrehte, gab Marshall in heller Panik telepathischdurch:

»Vorsicht! Sie hat ihren Gedankenschirm geöffnet,sie ist erregt. Jetzt legt sie wieder den Block vor. Siehat eine Nachricht erhalten. Es muß gelungen sein,unsere Bordpositronik anzuzapfen. Die Akonenhaben die darin verankerten Positionsdaten der Erdemit denen vom Arkon-System verglichen. Es stimmtnicht. Sie wissen, daß wir Fremde sind.«

Rhodan wartete noch einige Augenblicke.Marshalls Nachrichten erreichten Gucky, der sie anden Ersten Offizier weitergab. Die Triebwerke,bisher nur im Leerlauf singend, begannen zu

dröhnen.Die Geschützmündungen der Bodenkuppeln glitten

herum. Ein junger Offizier war bereit, mit allen zehnFingern auf die Schalter der Feuerorgel zu drücken.

Auris blieb dicht vor Rhodan stehen. Ihre vollenLippen zuckten erregt.

»Wer seid Ihr?« fragte sie leise und hastig. »Geht,geht schnell! Ihr tut mir leid. Kommt nie zurück undvergeßt, daß Ihr meine Heimat gefunden habt. Ihrunvorsichtigen Narren - wie könnt Ihr es nur wagen,den Regierenden Rat betrügen zu wollen!«

»Neugierde, sonst nichts«, erklärte Rhodan ebensoleise. »Auris, ich werde Euch eines Tageswiedersehen.«

»Nie!«Sie rannte um einige Meter zurück, wo sich der

schlanke Körper plötzlich aufzulösen begann. Auchdie beiden Fahrzeuge verschwanden in eineririsierenden Leuchterscheinung.

Nur ein kleines, transportables Transmittergerätblieb zurück. Da wußte Rhodan, wieso die Wagen sounbemerkt unter dem Schiff hatten erscheinenkönnen. Der Transmitter setzte sich in Bewegung undhuschte mit hoher Geschwindigkeit dicht über demBoden davon.

Gleichzeitig begannen die Außenlautsprecher zudröhnen. Major Hunts Krefenbac war es, der dieWorte schrie:

»Sir, zurück ins Schiff. Vorsicht, wir beginnen zuerstarren. Wir werden von einem grünen Leuchtenumwabert. Jemand richtet eine unbekannte Waffe aufuns. Sir - ich kann kaum noch sprechen. MeineHände sind schon wie Glas. Sir ...!«

Claudrin sprang mit einem unwahrscheinlichweiten Satz aus dem Stande zur Luftschleuse hinauf.Bully, Marshall, Nolinow und Rhodan folgten. DieSchotts glitten zu, aber der Arbeitston der bereitslaufenden Triebwerke veränderte sich nicht.

Hier unten war von dem grünlichen Leuchtennichts zu bemerken. Ein Mann der Schleusenwacherief erregt:

»Sir, schauen Sie sich das an. Man hat zuerst dieZentralebesatzung angegriffen. Auch derMaschinenleitstand liegt schon lahm.«

Rhodan stieß den Mann zur Seite und blickte aufden kleinen Kontrollschirm.

Krefenbac, Slide Nacro und alle führendenWissenschaftler der FANTASY saßen oder standensteif und starr wie steinerne Statuen auf ihrenStationen. Nur vereinzelte Männer versuchten noch,sich schwerfällig kriechend aus der Gefahrenzone zubewegen.

»Gucky!« rief Rhodan den Mausbiber mit einemtelepathischen Impuls an. »Gucky, bist du inOrdnung?«

»Ich vermag noch zu denken, sonst nichts. Ich

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kann kein Glied rühren.«»Das Leuchten taucht jetzt hier unten auf. Wenn

wir das Schiff verlassen, werden wir erstarren.Kannst du dich auf einen Teleportersprungkonzentrieren?«

Ein Impuls des Schmerzes kam durch. Rhodan sah,daß der Epsalgeborene in den Verbindungslift zumMaschinenleitstand hineinsprang und sich mit solcherGewalt abstieß, daß er geschoßartig nach oben flog.

»Ich versuche, die Zentrale zu erzreichen«, schrieer.

Schon eine Sekunde später verstummte er. Er warvon dem Feld erfaßt worden.

Bully zog Rhodan in den Seitengang zurück. Dasgrüne Flimmern breitete sich nur langsam aus, aberwenn es einen Menschen umflutete, begann dessenKörper sofort in rätselhafter Art zu reagieren. Rhodanahnte intuitiv, daß es sich um eine planmäßiggesteuerte Molekülumwandlung der Organismenhandelte, aber diese Erkenntnis war jetztunwesentlich.

Im Versuchskreuzer FANTASY würde esallmählich still. Das Rufen verstummte, und dieSchreie der völlig überraschten Männer drangen nurnoch vereinzelt aus den Lautsprechern derVisiphonanlage.

Auch Gucky meldete sich nicht mehr, obwohlseine Bewußtseinsströme noch deutlich zu spürenwaren. Offenbar handelte es sich um eine ArtStarrkrampf, der zwar den Körper vollkommenlahmte, den Denkvorgang aber nicht unterband.

Rhodan, Bully und Marshall zogen sich nochweiter bis zum tiefsten Punkt der Kugelzelle zurück.Es war klar, daß man in Höhe des Äquatorwulstesmit der rätselhaften Bestrahlung begonnen hatte. DieAkonen schienen sehr genau zu wissen, daß dort diewichtigsten Schalt- und Kommandoelemente lagen.

Stana Nolinow war weiter vorn in gebückterHaltung erstarrt. Es war ihm nicht mehr gelungen,einen zu Boden gefallenen Soldaten derSchleusenwache aus der Gefahrenzone zu ziehen.

Rhodan spielte mit dem Gedanken, das gefährdeteSchiff zu verlassen, um draußen zu versuchen, dassicherlich vorhandene Projektorgerät zu zerstören.

Er schob diese Idee sofort wieder beiseite. Es wäreniemals gelungen. Auch Bully hatte seine Fassungwiedergewonnen. Er stand untätig in einer Ecke undsah nach vorne; wo das grüne Leuchten näher undnäher kam. Er sagte mit seltsamer Fassung:

»Jetzt wissen wir, wie es ist, wenn sie die Geduldverlieren. Mir wäre es lieber gewesen, wenn sie unterfür uns günstigeren Verhältnissen erkannt hätten, daßwir keine Arkoniden sind. Kannst du dir vorstellen,wie gnadenlos diese so höflich wirkenden Leute sind,wenn sie sich gefährdet fühlen?«

»Wer wäre das nicht!« antwortete Rhodan, und

seine Hände ballten sich.Nun verklangen auch die letzten Rufe. Die weiter

oben liegenden Sektoren des Schiffes mußten bereitsalle erfaßt worden sein. Die FANTASY wurde zueinem riesigen Wachsfigurenkabinett, in dem diestartklaren Maschinen liefen. Nur ein einziger Impulswäre erforderlich gewesen, um die vorprogrammierteNotstartautomatik auszulösen. Alles andere wäreautomatisch geregelt worden.

»Marshall, schalten Sie sich, auf meineParaimpulse und versuchen Sie, meine nur schwachausgebildeten Telepathiegaben zu verstärken. Wirrufen Gucky an. Er ist in der Zentrale. Wenn erwirklich nichts mehr unternehmen kann, sind wirverloren. Die Akonen werden uns nach einiger Zeiteinsammeln wie flügellahm gewordene Vögel.Gucky hat nur den Schalter der Alarmstartautomatikumzulegen, das ist alles.«

»Wenn er ihn nicht mehr sehen kann, sind seinetelekinetischen Kräfte wirkungslos«, erklärteMarshall. Sie wichen nochmals um einige Meterzurück, bis sie mit den Rücken an den schwerenPanzertoren der Bodenschleuse lehnten. Weiter ginges nicht mehr.

»Er wird wahrscheinlich den Kopf nicht mehrdrehen können«, fügte John noch hinzu. Trotzdemsprang er mit seinen hochentwickelten Psikräftensofort ein, als Rhodan erneut nach dem Mausbiberrief.

»Gucky, melde dich. Gucky, hörst du nicht? Wenndu noch denken kannst, so antworte.«

Ein klarer Impuls kam durch.»Ich höre. Ich muß für einige Augenblicke

besinnungslos gewesen sein. Es ist schmerzhaft.«»Achte nicht darauf. Kleiner, kannst du den roten

Startschalter sehen?«»Nein, ich liege mit dem Gesicht nach unten auf

dem Kontursessel, Ich kann mich nicht bewegen.«»So versuche, dich auf einen kurzen

Teleportersprung einzustellen. Der Schalter ist oben,im abgeschrägten Pult für die Manuellkontrollenangebracht Du mußt ihn kennen. Wenn ich inmeinem Sessel sitze, liegt der Hebel zehn Zentimeterneben meiner rechten Hand. Erinnerst du dich?«

»Ich kenne ihn genau. Was soll ich tun? Beeiledich, lange halte ich es nicht mehr aus.«

Das grüne Leuchten hatte die drei verzweifeltenMänner nun ebenfalls erreicht. Das eigenartigeZiehen, das nur im ersten Augenblick derÜberflutung schmerzhaft war, um dann einem taubenGefühl Platz zu machen, begann an den Beinen. -Schon Augenblicke später fühlte Rhodan seinenKörper steif und gefühllos werden. Er griff an seinenlinken Arm, und da stellte er fest, daß das Gewebemehr und mehr erhärtete. Erst wurde es knorpelartig,um schließlich hart wie Glas zu werden.

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Trotzdem konnte er noch klar denken, sehen undhören. Als sein Mund bereits bewegungsunfähig warund die Zunge wie ein Bleiklotz wirkte, dachte er mitaller Intensität:

»Gucky, du mußt dich zu einem Teleportersprungzwingen. Es müßte gehen. Es ist gleichgültig, ob dunun in diesem Zustand deinen Körper auflöst, oderob du dich dabei gesund fühlst. Der Prozeß erfolgtauf alle Fälle.«

Ein klagender Ton wurde in Rhodans Parasinnenhörbar. Noch drängender fuhr Perry fort:

»Gucky, du mußt es schaffen. Stelle dir denSchalter vor, dessen genaue Lage und bedenke, daßer sich von oben nach unten bewegen läßt. Er ragtwaagerecht aus dem Schaltaggregat hervor. Wenn dugenau über dem ellenlangen Hebel rematerialisierst,wirst du zwangsläufig nach unten fallen. Dabei mußtdu den Hebel mitreißen. Geht das?«

Der Mausbiber schwieg eine Sekunde, bis seineAntwort ankam:

»Ich verstehe. Ich will es versuchen. Störe michnicht mehr. Ich brauche alle Kräfte für dieKonzentration.«

Rhodan gab erschöpft auf. Im Schiff sprachniemand mehr. Nur die Maschinen liefen.

Auris von Las-Toor schaute aus brennendenAugen auf die großen Bildschirme ihrer Zentrale. Siewußte, was innerhalb des fremden Schiffes geschah,das nun völlig von dem Umwandlungsfeld eingehülltwurde.

Knappe Anweisungen erreichten ihr Ohr. EinRobotertrupp wurde in Marsch gesetzt. DieMaschinen erhielten die Anweisung, die erstarrtenTerraner auf die Schweber zu laden und auf weitereBefehle zu warten.

Auris dachte an den hochgewachsenen Mann mitden faszinierenden, spöttischen Augen. Sie hätte ihnfrüher warnen sollen. Sie wußte nicht, was sie zudem Unbekannten hinzog, doch dafür ahnte sieinstinktiv, daß ihr Schicksal wahrscheinlich mit demseinen verknüpft war. Er konnte kein Barbar sein,und seine Neugierde erschien sogar verständlich.

Als einige Mitglieder des Regierenden Rates hastigund triumphierend an ihr vorüberschritten, bemühtesie sich, unbeteiligt zu wirken.

Draußen fuhren die Roboter los.

*

Gucky war es gelungen, sich völlig zu entspannen.In seiner Vorstellungskraft nahm der von Rhodanbezeichnete Schalter immer klarere Formen an. Alser das Bild der Manuellkontrollen genau imGedächtnis hatte, baute er mit letzter Kraft seinparastabiles Entmaterialisierungsfeld auf.

Der kleine, von einem zartbraunen Pelz bedeckte

Körper verschwand von dem Liegesessel, um imgleichen Moment dicht über dem Aggregat wieder zumaterialisieren.

Gucky konnte nicht sehen, wohin er fiel. Er ahntenur, daß er jetzt um wenigstens einen Meter nachunten stürzen und auf den Stahlplatten des Bodensaufschlagen würde. Als er endlich abglitt, streiftesein gefühllos gewordener Körper dicht an derSchaltpultverkleidung entlang. Den normalerweiseschmerzhaften Auf schlag fühlte er nicht.

Der rote Hebel wurde nach unten gedrückt, wo ereinrastete. Gucky hörte nicht mehr das Aufbrüllender Triebwerke. Er war besinnungslos geworden.

Die Positronik arbeitete mit höchster Präzision. Siebefolgte die Programmierung, die ihr vorschrieb, denKreuzer mit zwanzig Kilometer pro Sekundenquadratstarten und nach dem Erreichen des freien Raumesnoch höher beschleunigen zu lassen.

Die Schaltimpulse der Synchronautomatik wurdenim gleichen Sekundenbruchteil abgestrahlt. DieAndruckabsorber heulten auf, und dasAntischwerefeld löste die FANTASY aus demGravitationssog des fünften Akonplaneten heraus.

Flammende Impulsströme schossen aus denRingwulstdüsen. Die bereits angekommenen Roboterwurden erfaßt und zu Staub zermahlen. Mit einemungeheuren Tosen ruckte der Kreuzer an, umanschließend geschoßartig in den Himmel zu rasen.

Übergangslos entfernte er sich aus demWirkungsbereich des blauen Leuchtens, um schonfünf Sekunden später aus der Lufthülle heraus in denfreien Raum zu schießen.

Ein blendender, sonnenheller Energiestrahl eiltedem fliehenden Raumer nach. Er verfehlte dieFANTASY um nur wenige Kilometer. DieAutomatik schaltete die Triebwerke hoch aufMaximalbeschleunigung.

Ehe man auf Sphinx die Situation recht erfaßthatte, war das Schiff verschwunden.

Die Triebwerke tosten. Es war alles in Ordnung,nur die Menschen waren nicht fähig, einen Finger zurühren.

*

Die Automatik gab Alarm. Der Impuls zurStützmasseneinspritzung wurde angefordert. Daraufwar der Selbststartpilot nicht mehr programmiertworden.

Rhodan hörte das Schrillen. Langsam kehrte dasGefühl in seine Glieder zurück. Ehe er sich darüberklar wurde, daß nun unangenehme Schmerzenertragen werden mußten, klang plötzlich eine tiefe,dröhnende Stimme auf:

»Kommandant an alle. Ich bin wieder in derZentrale. Geduldet euch etwas, die Lähmung geht

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gleich vorüber. Ich bin auch noch nicht fit. Ichschalte um auf Manuellsteuerung und aktiviere denKalup.«Mit einem Gefühl tiefster Erleichterung, das ihmrasch über die Schmerzen des Entstarrungsvorgangeshinweghalf, vernahm Rhodan das Donnern desKompensators. Claudrin war unersetzlich. SeinTitanenkörper hatte es geschafft, die Starre sehrschnell zu überwinden.Ehe sich die anderen Männer der Besatzung wiederrühren konnten, hatte Oberst Jefe Claudrin denLinearflug vorbereitet und ausgeführt.Gerettet! dachte Perry zutiefst erleichtert. Gleichdarauf vernahm er einen Telepathieimpuls Marshalls.»Jetzt holt uns niemand mehr ein, Sir. Wohin wirdClaudrin fliegen?«»Egal, ganz egal. Nur erst einmal entkommen. DieAkonen sind aber ziemlich unangenehm geworden,was?«John antwortete nicht mehr. Nach einigen Minutengewann Rhodan die Kontrolle über seine Gliederzurück. Schwerfällig schleppte er sich zumAntigravlift, wo ihm schon aridereBesatzungsmitglieder begegneten.Als er mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Zentralewankte, saß der Epsalgeborene breit undunbezwingbar erscheinend in seinem riesigenSpezialsessel.Als er sprach, drehte er nicht den Kopf. Dicht vorihm leuchtete der Echoschirm der Paraortung. Einekleine, gelbe Sonne stand am Zielsektor.»Vorsicht, jetzt kommt der Sog!«Rhodan fiel haltlos zu Boden, als die FANTASY dasrätselhafte Energiefeld des Blauen Systemsdurchstieß, wobei sie einen großen Teil ihrer Fahrtverlor. Es dauerte nur wenige Sekunden, dann wurdeder Raum plötzlich wieder so schwarz wie man ihnseit mehr als hundert Jahren kannte.

Eine Station nach der anderer meldete sich. Dr. GorlNikolate erschien. Wortlos tastete er Guckyserschlafften Körper ab, um ihn anschließend auf einLager zu betten.»Er hat es geschafft, ja?« fragte Gorl.Rhodan nickte.»Bringen Sie ihn wieder auf die Beine. Ohne denKleinen wären wir verloren gewesen. Claudrin,gehen Sie nicht so hoch mit der Fahrt. Es genügtvorerst, wenn wir den Akonen entkommen.«Anschließend wurde es still in der Zentrale derFANTASY, die mit millionenfacherLichtgeschwindigkeit auf einen Stern zuflog, denClaudrin willkürlich gewählt hatte.»Ich hatte mir ja gedacht, daß es Schwierigkeitengeben würde«, sagte Bully, als er endlich in seinemKontursessel ruhte. Sein Gesicht wirkte grau undverfallen, aber so sah jedermann an Bord desKreuzers aus.Rhodan blieb ihm die Antwort schuldig. Er dachte andas Mädchen Auris zurück und an ihre Warnung, diezu spät gekommen war. Trotzdem hatte sie denMenschen helfen wollen, und nur das war wichtig.Claudrin wunderte sich über das Lächeln, dasRhodans Gesicht plötzlich auflockerte und diekantigen Züge weicher machte.Das Unternehmen Zielstern war beendet. Jetzt war esnur noch fraglich, was die zufällige Entdeckung desBlauen Systems zukünftig für die Menschheit zubedeuten hatte.Wir werden es schaffen, dachte Rhodan, bestimmtwerden wir es schaffen! Die FANTASY rasteweiterhin durch die Halbraumzone. Auch das BlaueSystem hatte sie nicht festhalten können.

E N D E

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