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26 Nr. 40 | Samstag/Sonntag, 17./18. Februar 2018 STUTTGARTER ZEITUNG STUTTGART „Die Arbeit setzt bei den Jüngsten an“ E ntwicklungshilfe setzt für Christian Neuber bei Kindern an. Der Ex-Ver- leger investierte eine Million Euro in seine Stiftung und fördert nun die Bil- dung in einem Dorf in Südafrika. Herr Neuber, warum engagieren Sie sich für Kinder? Weil ich jenen etwas davon zurückgeben will, die maßgeblich zum Erfolg meines Verlags beigetragen haben. Und warum in Südafrika? Ein Freund rief mich eines Tages an und bat um Hilfe. Er ist Geschäftsführer eines Fi- schereibetriebs in Paternoster, nordöstlich von Kapstadt. Früher haben die Leute dort vom Lobster-Fang gelebt, doch weil sie das Meer überfischt haben, ist nun ihre Exis- tenzgrundlage und die ihrer Kinder zer- stört. In dem Dorf mit 2000 Einwohnern besuchte nur etwa die Hälfte die Schule, und 75 Prozent der 14-jäh- rigen verließen sie als Analphabeten. Was haben Sie ge- macht? Wir haben 2016 zu- nächst Volunteers in die Schule geschickt, später auch zur Be- treuung. Die Kinder sind sich am Nachmit- tag selbst überlassen, denn sie stammen zu einem großen Teil aus Familien, die sich nicht um sie kümmern. Viele Männer ha- ben sich in den Alkohol geflüchtet, die Frauen und Kinder sind auf sich gestellt. Die Freiwilligen sind Studenten. Braucht es diesen Sachverstand an so einer kleinen Schule? Wenn drei Viertel der Schüler im Unter- richt überfordert sind, entsteht eine sehr große Unruhe. Um Disziplin in eine Klasse zu bekommen, braucht man Methoden. Die Volunteers stammen seit Beginn des Pro- jekts von der Pädagogischen Hochschule Weingarten, inzwischen kooperieren wir mit der Dualen Hochschule Baden-Würt- temberg, mit der Pädagogischen Hoch- schule Heidelberg und die südafrikanische Universität Stellenbosch schickt in diesem Jahr zum ersten Mal Studierende zu uns. Mehr als 20 sind es in diesem Jahr. Was haben die Studierenden davon? Sie reisen auf unsere Kosten dort hin und können wissenschaftliche Studien machen, die von den Hochschulen für den Bachelor anerkannt werden, oder sie bekommen den Praxiseinsatz angerechnet. Außerdem kön- nen sie ihre Erfahrungen an unseren multi- kulturellen Schulen ganz gut gebrauchen. Es ist toll zu sehen, dass Studentinnen als junge Mädchen hingegangen sind und als gestandene Frauen zurückkamen. Welche Fortschritte machen die Kinder? Beim Reading-Comprehension-Test, dem Leseverständnistest nach dem ersten Jahr, in dem wir dort aktiv waren, gab es nur marginale Fortschritte, aber das war nicht anders zu erwarten. Es gibt viel aufzuholen, für Schüler und Lehrer. Wir kümmern uns vor allem um die Jüngsten, daher wird sich das Ergebnis im Lauf der Zeit verbessern. Sind die heute 14-Jährigen also verloren? Unser Stiftungsbeirat hat vorige Woche ge- tagt. Man war sich einig, dass wir uns auch um diese Kinder kümmern sollten. Mit welchem Konzept? Der Staat bezahlt fünf Lehrer, gebraucht werden aber sieben. Nun haben wir er- wirkt, dass ein Hotelier einen weite- ren Lehrer bezahlt. Und wir wol- len junge Leute aus dem Dorf auf Tätigkeiten im Tourismus vorbereiten. Ihre Stiftung wirft also trotz Niedrigzinsphase genug ab für weitere Expansionen? Lassen Sie es mich erklären: Ich habe eine Million Euro Gründungskapital eingebracht, momentan liegt unsere Rentabilität bei 8,5 Prozent. Doch ohne die Spenden in Höhe von etwa 200 000 Euro jährlich könnten wir über- haupt nicht weitermachen. Nach Paternos- ter fließen jährlich rund 300 000 Euro, und wir bauen gerade ein Gästehaus für die Stu- dierenden. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer ist auf Sie aufmerksam geworden und hat Pa- ternoster im Oktober besucht. War der Be- such wichtig für Ihre Stiftung? Über Frau Bauer und ihre Delegation von 21 Hochschulrektoren kam die Verbindung zur PH Heidelberg zustande, und so haben wir auch Kontakt zum KIT Karlsruhe, der Forschungsuniversität für Technologie, be- kommen. Die Karlsruher könnten helfen, die Wasserversorgung zu verbessern, zum Beispiel durch eine Meerwasserentsal- zungsanlage. Reisen Sie nächste Woche deshalb nach Pa- ternoster? Ich reise bis zu fünf Mal pro Jahr als Privat- mann nach Südafrika. Wegen der Liebe zu dem Land und weil ich dort Freunde habe. Aber ja, für weitere Projekte brauchen wir auch weitere Spenden. In Südafrika leben sehr reiche Leute, Unternehmer zum Bei- spiel. An die müssen wir uns wenden. Sind Sie optimistisch, was das Schicksal der Kinder in Paternoster angeht? Wir trauen uns zu, dass wir was bewirken in dieser kleinen Nussschale. Das Gespräch führte Barbara Czimmer. Interview Der Verleger Christian Neuber engagiert sich als Stifter in Südafrika. Neuber hatte 50 Kinderzeitschriftentitel verkauft. Vor zwei Jahren versilberte er seinen Anteil am Verlag und ist seitdem als Stifter aktiv. Davon profitieren auch deutsche Studierende. Lebenslauf 1950 geboren und in Stuttgart auf- gewachsen. 1976 Abschluss als Diplomkauf- mann an der Uni Augsburg. 1979-2003: Tätig- keiten bei Dr. Oetker und Ehapa-Verlag. 1993 Sprung in die Selbstständigkeit mit Dino Entertainment. 2003 verkauft Neuber Dino Entertainment an Panini, den Verlag für Sammelbildchen. Er wird Verleger von Blue Ocean Entertain- ment mit mehr 50 Kindertiteln. Stiftung 2009 gründet Neuber die Stif- tung Kinder fördern – Zukunft stiften. 2016 verkauft er Blue Ocean Entertainment an den Burda-Verlag und startet bei Kapstadt das Volunteer-Projekt Paternoster. In Stuttgart ist die Stiftung mit Leseförde- rung an Schulen aktiv. czi Christian Neuber Foto: Stif- tung Kinder fördern Wissenschaftsministerin Theresia Bauer besuchte Paternoster im vorigen Jahr. Vorne das Modell des geplanten Gästehauses. Foto: StZ „Diese Erfahrung brauchen Lehrer an den Schulen heute.“ Christian Neuber, Stifter Von der Heroinszene zurück ins Leben D ie Werkstatt im Keller des Gebäu- des in der Kriegsbergstraße in der Innenstadt ist nur 60 Quadratme- ter groß, für die zwölf Teilnehmer des Pro- jekts „Star“ ist dies aber ein besonderer Ort. Sie haben als langjährige Heroinabhängige und Arbeitslose keine Chance auf dem nor- malen Arbeitsmarkt und fallen auch für Maßnahmen des Job Centers aus dem Ras- ter. Hier können sie sich dennoch stunden- weise und völlig ohne Druck mit ihren Fä- higkeiten einbringen, um wieder einen ge- regelten Alltag aufzubauen. Seit Februar 2017 gibt es die Werkstatt und das Projekt bereits. Zunächst sei es ein Experiment gewesen, sagt Ulrich Binder, Geschäftsführer von Release. Aber mittler- weile laufe es so gut, dass sie auf der Suche nach weiteren Auftraggebern seien. „Wir würden gerne noch mehr beschäftigen, brauchen dafür aber eine gewisse Grund- auslastung. Vor allem für einfache Tätigkei- ten wie Montagearbeiten suchen wir noch Firmen, die bereit sind, mit uns zusam- menzuarbeiten“, so Binder. Maximal 15 Stunden pro Woche dürfen die Teilnehmer arbeiten. Einige kommen regelmäßig zur „Arbeit“, wie sie es selbst bezeichnen, andere nur stundenweise. Da- bei stehen aber nicht nur die Aufträge vom Wäscheservice bis zur Fahrradreparatur im Vordergrund, sondern auch der sozial-the- rapeutische Aspekt. Hinter jedem Teilneh- mer steckt eine Geschichte. Die Biografien reichen von schweren Familienverhältnis- sen, Missbrauch bis zu Unternehmersöh- nen, die dem Druck nicht gewachsen wa- ren. Eines haben sie aber alle gemeinsam: Sie sind abhängig von Heroin. Am Standort in der Innenstadt kooperiert die Einrich- tung mit der Schwerpunktpraxis für Sucht- medizin. Dort erhalten 100 langjährige chronisch Schwerstabhängige unter ärztli- cher Aufsicht und mit strengen Sicher- heitsvorkehrungen eine Originalstoffbe- handlung mit Heroin oder Methadon. „Unsere Klienten kommen mehrmals täg- lich, weil sie hier ihren Ersatzstoff erhalten. Dazwischen hätten sie Luft, um an ihren Szeneplätzen zu konsumieren. Wir bieten mit der Werkstatt eine sinnvolle Alternati- ve und schließen so die Lücke“, erklärt Christos Slavoudis, der als Sozialarbeiter das Projekt betreut. Das Projekt dient aber nicht dazu, dro- genfrei zu werden. Vielmehr gehe es um eine gesundheitliche Stabilität und eine ge- regelte Tagesstruktur. „Natürlich ist das höchste Ziel die Drogenfreiheit, aber auf dem Weg dorthin gibt es viele weitere Zie- le“, so Uwe Collmar, Leiter der Beratungs- stelle. Denn der Weg aus der Abhängigkeit ist hart. Dabei seien es gar nicht so sehr die körperlichen Folgen, wie HIV oder Hepati- tis, die durch den Konsum von illegalem und verunreinigtem Heroin entstehen, sondern vielmehr die psychischen. „Zu- kunft und Vergangenheit verlieren an Be- deutung. Abhängige leben im Hier und Jetzt und es fällt ihnen extrem schwer, sich zu motivieren.“, erklärt Collmar. Für viele sei es daher nicht nur ihre Arbeit, sondern auch Heimat. „Sie bekommen durch die realen Aufträge das wichtige Gefühl zu- rück, gebraucht zu werden“, sagt Collmar. Beratungsstelle In der Werkstatt des Vereins Release finden Schwerstabhängige zurück in einen Arbeitsalltag. Von Anna Lammers Die Werkstatt von Release Direkt. Foto: Collmar D ie Polizei fahndet nach einem Mann, der einer Seniorin in Sillen- buch am Dienstag Schmuck ge- stohlen hatte. Er hatte vorgegeben, die Hei- zung warten zu müssen, deswegen hatte die 92-Jährige ihn in die Wohnung gelassen. Der Mann hatte am Dienstag gegen 19 Uhr an der Wohnungstür der Frau geklin- gelt. Er sagte, wegen einer Störung müssten alle Heizungen in dem Gebäude überprüft werden. Danach habe er so getan, als würde er Messungen vornehmen. Mit einem Trick brachte er danach die Frau dazu, ihren Schmuck hervorzuholen. Der angebliche Handwerker behauptete, die Messung sei gestört worden, vermutlich durch Schmuck. Als die Frau ihm ihren Schmuck zeigte, packte der Fremde ihn in Papier und verließ die Wohnung. Die Polizei vermutet aufgrund der übereinstimmenden oder zu- mindest ähnlichen Täterbeschreibungen von zwei weiteren Fällen, dass der Mann gegen 17 Uhr bei einer 90-Jährigen und gegen 18.20 Uhr bei einer 79 Jahre alten Frau in Bad Cannstatt geklingelt hatte. Den Frauen wurde die gleiche Geschichte auf- getischt. Der Täter hatte dort aber keinen Erfolg mit seiner Masche. Der Tatverdächtige trug dunkle Klei- dung, hatte eine schwarze Schirmmütze auf und hat eine sportliche Statur. Er war etwa 25 bis 30 Jahre alt und 1,70 bis 1,75 Meter groß. Der Mann hat schwarze kurze Haare und einen Dreitagebart. Alle drei Frauen sagten, dass der Täter akzent- und dialektfrei deutsch gesprochen habe. Die Kriminalpolizei bittet Zeugen oder mögliche weitere Opfer des falschen Hand- werkers, sich unter der Telefonnummer 07 11/89 90-57 78 zu melden. Grundsätzlich rät die Polizei zur Vor- sicht, wenn unangemeldet Handwerker klingeln – die Tür sollte dann zu bleiben. Kriminalität Die Polizei erstellt das Phantombild eines Verdächtigen. Von Christine Bilger Fahndung nach Trickbetrüger Phantombild des Gesuchten Foto: Polizei S-Mitte Erinnerung an Weiße Rose 75 Jahre nach den Flugblatt-Aktionen gegen Adolf Hitler zeigen junge Menschen in Spiel- szenen, dass die Widerstandsorganisation Weiße Rose auch in Stuttgart präsent war. Einer der Akteure war Eugen Grimmiger, des- sen Weg in den Widerstand sich aus seinen Er- fahrungen mit der Judenverfolgung ergab. Die Szenen sind am Montag, 19. Februar, von 19 Uhr an im Hospitalhof zu sehen. Freier Eintritt. S-West Street-Art in Hawai'i Kann die Sprache der Kunst dazu führen, dass sich die Menschen wieder mit ihrer Sprache und Kultur beschäftigen? Das ist das Thema des hawaiianischen Dokumentarfilms „Mele Murals“, der am Sonntag, 18. Februar, um 16 Uhr im Lindenmuseum läuft. Der Eintritt ist frei. Im Mittelpunkt der englischsprachigen Produktion stehen zwei Street-Art-Künstler und wie deren Arbeiten die Menschen in einer ländlichen Gemeinde erreichen. Nach der Vorführung gibt’s ein Skype-Gespräch mit dem Regisseur Tadshi Nakamura. S-Mitte Vererben oder schenken? Wie kann man Familienvermögen erhalten? Ist es besser eine Immobilie zu vererben oder sie zu Lebzeiten den Angehörigen zu übertragen? Das ist das Thema eines Vortrags des Rechts- anwalts Hartmut Zantke am Montag, 19. Feb- ruar, 18 Uhr, im Haus der Wirtschaft, Willi-Blei- cher-Straße 19. S-Mitte Alles Klima oder was? Wie sich die Folgen der Erderwärmung vor unserer Haustüre niederschlagen, darüber spricht die Nabu-Expertin Bärbel Winkler am Dienstag, 20. Februar, von 19 Uhr an im Forum 3, Gymnasiumstraße 21. Die Referenten erklä- ren anhand eines virtuellen Spaziergangs durch die Wilhelma, welche Tierarten durch den Kli- mawandel nach Deutschland kommen. StZ Tipps & Termine Inklusion The Sixteens in der „Landesschau“ Jörg Seibold ist ein Geiger ohne Augenlicht, Ralf Friton ist gitarrespielender Heilerzie- hungspfleger. Beide zusammen bilden das Duo The Sixteens, das am Wochenende zu Firmenfesten, Privatfeiern oder zu Veran- staltungen der Nikolauspflege aufspielt. Ein Interview mit den beiden, das in dieser Zeitung erschienen ist, hat weiteres Me- dieninteresse nach sich gezogen und be- schert ihnen jetzt einen Auftritt im Fernse- hen. „Zwei Tage lang hat der SWR bei uns am Limeshof bei Welzheim und bei einem Konzert der Sixteens gedreht“, teilt uns Petra Mack mit, zuständig für die Teilhabe erwachsener Blinder. Der Beitrag soll am 22. Februar in der „Landesschau“ ausge- strahlt werden. Hörproben gibt’s auf der Homepage der Nikolauspflege. (www.niko- lauspflege.de) czi Ralf Friton ( li.) und Jörg Seibold Foto: Lichtgut ZUR PERSON

¹Die Arbeit setzt bei den Jn gsten anª · 26 Nr. 40 | Samstag/Sonntag, 17./18. Februar 2018 STUTTGART STUTTGARTER ZEITUNG ¹Die Arbeit setzt bei den Jn gsten anª E ntwicklungshilfe

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26 Nr. 40 | Samstag/Sonntag, 17./18. Februar 2018STUTTGARTER ZEITUNGSTUTTGART

„Die Arbeit setzt bei den Jüngsten an“

E ntwicklungshilfe setzt für ChristianNeuber bei Kindern an. Der Ex-Ver-leger investierte eine Million Euro

in seine Stiftung und fördert nun die Bil-dung in einem Dorf in Südafrika.

Herr Neuber, warum engagieren Sie sich fürKinder?Weil ich jenen etwas davon zurückgeben will, die maßgeblich zum Erfolg meinesVerlags beigetragen haben.

Und warum in Südafrika?Ein Freund rief mich eines Tages an und batum Hilfe. Er ist Geschäftsführer eines Fi-schereibetriebs in Paternoster, nordöstlichvon Kapstadt. Früher haben die Leute dort vom Lobster-Fang gelebt, doch weil sie das Meer überfischt haben, ist nun ihre Exis-tenzgrundlage und die ihrer Kinder zer-stört. In dem Dorf mit 2000 Einwohnern

besuchte nur etwa dieHälfte die Schule, und75 Prozent der 14-jäh-rigen verließen sie alsAnalphabeten.

Was haben Sie ge-macht?Wir haben 2016 zu-nächst Volunteers indie Schule geschickt,später auch zur Be-

treuung. Die Kinder sind sich am Nachmit-tag selbst überlassen, denn sie stammen zueinem großen Teil aus Familien, die sichnicht um sie kümmern. Viele Männer ha-ben sich in den Alkohol geflüchtet, die Frauen und Kinder sind auf sich gestellt.

Die Freiwilligen sind Studenten. Braucht es diesen Sachverstand an so einer kleinenSchule?Wenn drei Viertel der Schüler im Unter-richt überfordert sind, entsteht eine sehr große Unruhe. Um Disziplin in eine Klasse zu bekommen, braucht man Methoden. DieVolunteers stammen seit Beginn des Pro-jekts von der Pädagogischen HochschuleWeingarten, inzwischen kooperieren wirmit der Dualen Hochschule Baden-Würt-temberg, mit der Pädagogischen Hoch-schule Heidelberg und die südafrikanischeUniversität Stellenbosch schickt in diesem Jahr zum ersten Mal Studierende zu uns.Mehr als 20 sind es in diesem Jahr.

Was haben die Studierenden davon?Sie reisen auf unsere Kosten dort hin undkönnen wissenschaftliche Studien machen,die von den Hochschulen für den Bacheloranerkannt werden, oder sie bekommen denPraxiseinsatz angerechnet. Außerdem kön-nen sie ihre Erfahrungen an unseren multi-kulturellen Schulen ganz gut gebrauchen.Es ist toll zu sehen, dass Studentinnen alsjunge Mädchen hingegangen sind und alsgestandene Frauen zurückkamen.

Welche Fortschritte machen die Kinder?Beim Reading-Comprehension-Test, demLeseverständnistest nach dem ersten Jahr,in dem wir dort aktiv waren, gab es nur

marginale Fortschritte, aber das war nichtanders zu erwarten. Es gibt viel aufzuholen,für Schüler und Lehrer. Wir kümmern unsvor allem um die Jüngsten, daher wird sichdas Ergebnis im Lauf der Zeit verbessern.

Sind die heute 14-Jährigen also verloren?Unser Stiftungsbeirat hat vorige Woche ge-tagt. Man war sich einig, dass wir uns auchum diese Kinder kümmern sollten.

Mit welchem Konzept?Der Staat bezahlt fünf Lehrer, gebrauchtwerden aber sieben. Nun haben wir er-wirkt, dass ein Hotelier einen weite-ren Lehrer bezahlt. Und wir wol-len junge Leute aus dem Dorfauf Tätigkeiten im Tourismusvorbereiten.

Ihre Stiftung wirft also trotzNiedrigzinsphase genug abfür weitere Expansionen?Lassen Sie es mich erklären:Ich habe eine Million Euro

Gründungskapital eingebracht, momentanliegt unsere Rentabilität bei 8,5 Prozent.Doch ohne die Spenden in Höhe von etwa 200 000 Euro jährlich könnten wir über-haupt nicht weitermachen. Nach Paternos-ter fließen jährlich rund 300 000 Euro, undwir bauen gerade ein Gästehaus für die Stu-dierenden.

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer ist auf Sie aufmerksam geworden und hat Pa-ternoster im Oktober besucht. War der Be-such wichtig für Ihre Stiftung?Über Frau Bauer und ihre Delegation von21 Hochschulrektoren kam die Verbindungzur PH Heidelberg zustande, und so habenwir auch Kontakt zum KIT Karlsruhe, derForschungsuniversität für Technologie, be-kommen. Die Karlsruher könnten helfen,die Wasserversorgung zu verbessern, zum Beispiel durch eine Meerwasserentsal-zungsanlage.

Reisen Sie nächste Woche deshalb nach Pa-ternoster?Ich reise bis zu fünf Mal pro Jahr als Privat-mann nach Südafrika. Wegen der Liebe zudem Land und weil ich dort Freunde habe. Aber ja, für weitere Projekte brauchen wirauch weitere Spenden. In Südafrika lebensehr reiche Leute, Unternehmer zum Bei-spiel. An die müssen wir uns wenden.

Sind Sie optimistisch, was das Schicksal derKinder in Paternoster angeht?Wir trauen uns zu, dass wir was bewirken indieser kleinen Nussschale.

Das Gespräch führte Barbara Czimmer.

Interview Der Verleger Christian Neuber engagiert sich als Stifter in Südafrika. Neuber hatte 50 Kinderzeitschriftentitel verkauft. Vor zwei Jahren versilberte er seinen Anteil am Verlag und ist seitdem als Stifter aktiv. Davon profitieren auch deutsche Studierende.

Lebenslauf 1950 geboren und in Stuttgart auf-gewachsen. 1976 Abschluss als Diplomkauf-mann an der Uni Augsburg. 1979-2003: Tätig-

keiten bei Dr. Oetker und Ehapa-Verlag. 1993 Sprung in die Selbstständigkeit mit Dino

Entertainment. 2003 verkauft NeuberDino Entertainment an Panini, denVerlag für Sammelbildchen. Er wirdVerleger von Blue Ocean Entertain-

ment mit mehr 50 Kindertiteln.

Stiftung 2009 gründet Neuber die Stif-tung Kinder fördern – Zukunft stiften.

2016 verkauft er Blue Ocean Entertainmentan den Burda-Verlag und startet bei

Kapstadt das Volunteer-ProjektPaternoster. In Stuttgart ist

die Stiftung mit Leseförde-rung an Schulen aktiv. czi

Christian Neuber Foto: Stif-

tung Kinder fördern

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer besuchte Paternoster im vorigen Jahr. Vorne das Modell des geplanten Gästehauses. Foto: StZ

„Diese Erfahrung brauchen Lehrer an den Schulen heute.“Christian Neuber,Stifter

Von der Heroinszene zurück ins Leben

D ie Werkstatt im Keller des Gebäu-des in der Kriegsbergstraße in derInnenstadt ist nur 60 Quadratme-

ter groß, für die zwölf Teilnehmer des Pro-jekts „Star“ ist dies aber ein besonderer Ort.Sie haben als langjährige Heroinabhängige und Arbeitslose keine Chance auf dem nor-malen Arbeitsmarkt und fallen auch für Maßnahmen des Job Centers aus dem Ras-ter. Hier können sie sich dennoch stunden-weise und völlig ohne Druck mit ihren Fä-higkeiten einbringen, um wieder einen ge-regelten Alltag aufzubauen.

Seit Februar 2017 gibt es die Werkstattund das Projekt bereits. Zunächst sei es einExperiment gewesen, sagt Ulrich Binder,Geschäftsführer von Release. Aber mittler-weile laufe es so gut, dass sie auf der Suchenach weiteren Auftraggebern seien. „Wirwürden gerne noch mehr beschäftigen, brauchen dafür aber eine gewisse Grund-auslastung. Vor allem für einfache Tätigkei-ten wie Montagearbeiten suchen wir nochFirmen, die bereit sind, mit uns zusam-menzuarbeiten“, so Binder.

Maximal 15 Stunden pro Woche dürfendie Teilnehmer arbeiten. Einige kommenregelmäßig zur „Arbeit“, wie sie es selbst bezeichnen, andere nur stundenweise. Da-bei stehen aber nicht nur die Aufträge vom Wäscheservice bis zur Fahrradreparatur imVordergrund, sondern auch der sozial-the-

rapeutische Aspekt. Hinter jedem Teilneh-mer steckt eine Geschichte. Die Biografienreichen von schweren Familienverhältnis-sen, Missbrauch bis zu Unternehmersöh-nen, die dem Druck nicht gewachsen wa-ren. Eines haben sie aber alle gemeinsam:

Sie sind abhängig von Heroin. Am Standortin der Innenstadt kooperiert die Einrich-tung mit der Schwerpunktpraxis für Sucht-medizin. Dort erhalten 100 langjährige chronisch Schwerstabhängige unter ärztli-cher Aufsicht und mit strengen Sicher-heitsvorkehrungen eine Originalstoffbe-handlung mit Heroin oder Methadon.„Unsere Klienten kommen mehrmals täg-lich, weil sie hier ihren Ersatzstoff erhalten.Dazwischen hätten sie Luft, um an ihrenSzeneplätzen zu konsumieren. Wir bieten mit der Werkstatt eine sinnvolle Alternati-ve und schließen so die Lücke“, erklärt Christos Slavoudis, der als Sozialarbeiterdas Projekt betreut.

Das Projekt dient aber nicht dazu, dro-genfrei zu werden. Vielmehr gehe es umeine gesundheitliche Stabilität und eine ge-regelte Tagesstruktur. „Natürlich ist dashöchste Ziel die Drogenfreiheit, aber aufdem Weg dorthin gibt es viele weitere Zie-le“, so Uwe Collmar, Leiter der Beratungs-stelle. Denn der Weg aus der Abhängigkeitist hart. Dabei seien es gar nicht so sehr diekörperlichen Folgen, wie HIV oder Hepati-tis, die durch den Konsum von illegalem und verunreinigtem Heroin entstehen, sondern vielmehr die psychischen. „Zu-kunft und Vergangenheit verlieren an Be-deutung. Abhängige leben im Hier undJetzt und es fällt ihnen extrem schwer, sichzu motivieren.“, erklärt Collmar. Für viele sei es daher nicht nur ihre Arbeit, sondern auch Heimat. „Sie bekommen durch dierealen Aufträge das wichtige Gefühl zu-rück, gebraucht zu werden“, sagt Collmar.

Beratungsstelle In der Werkstatt des Vereins Release finden Schwerstabhängige zurück in einen Arbeitsalltag. Von Anna Lammers

Die Werkstatt von Release Direkt. Foto: Collmar

D ie Polizei fahndet nach einemMann, der einer Seniorin in Sillen-buch am Dienstag Schmuck ge-

stohlen hatte. Er hatte vorgegeben, die Hei-zung warten zu müssen, deswegen hatte die92-Jährige ihn in die Wohnung gelassen.

Der Mann hatte am Dienstag gegen 19Uhr an der Wohnungstür der Frau geklin-gelt. Er sagte, wegen einer Störung müsstenalle Heizungen in dem Gebäude überprüftwerden. Danach habe er so getan, als würdeer Messungen vornehmen. Mit einem Trickbrachte er danach die Frau dazu, ihrenSchmuck hervorzuholen. Der angebliche Handwerker behauptete, die Messung seigestört worden, vermutlich durchSchmuck. Als die Frau ihm ihren Schmuckzeigte, packte der Fremde ihn in Papier undverließ die Wohnung. Die Polizei vermutetaufgrund der übereinstimmenden oder zu-mindest ähnlichen Täterbeschreibungenvon zwei weiteren Fällen, dass der Manngegen 17 Uhr bei einer 90-Jährigen und gegen 18.20 Uhr bei einer 79 Jahre altenFrau in Bad Cannstatt geklingelt hatte. DenFrauen wurde die gleiche Geschichte auf-getischt. Der Täter hatte dort aber keinen Erfolg mit seiner Masche.

Der Tatverdächtige trug dunkle Klei-dung, hatte eine schwarze Schirmmützeauf und hat eine sportliche Statur. Er waretwa 25 bis 30 Jahre alt und 1,70 bis 1,75Meter groß. Der Mann hat schwarze kurzeHaare und einen Dreitagebart. Alle drei Frauen sagten, dass der Täter akzent- unddialektfrei deutsch gesprochen habe.

Die Kriminalpolizei bittet Zeugen odermögliche weitere Opfer des falschen Hand-werkers, sich unter der Telefonnummer07 11/89 90-57 78 zu melden.

Grundsätzlich rät die Polizei zur Vor-sicht, wenn unangemeldet Handwerkerklingeln – die Tür sollte dann zu bleiben.

Kriminalität Die Polizei erstellt das Phantombild eines Verdächtigen. Von Christine Bilger

Fahndung nach Trickbetrüger

Phantombild des Gesuchten Foto: Polizei

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Erinnerung an Weiße Rose75 Jahre nach den Flugblatt-Aktionen gegen Adolf Hitler zeigen junge Menschen in Spiel-szenen, dass die Widerstandsorganisation Weiße Rose auch in Stuttgart präsent war. Einer der Akteure war Eugen Grimmiger, des-sen Weg in den Widerstand sich aus seinen Er-fahrungen mit der Judenverfolgung ergab. Die Szenen sind am Montag, 19. Februar, von 19 Uhr an im Hospitalhof zu sehen. Freier Eintritt.

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Street-Art in Hawai'iKann die Sprache der Kunst dazu führen, dass sich die Menschen wieder mit ihrer Sprache und Kultur beschäftigen? Das ist das Thema des hawaiianischen Dokumentarfilms „Mele Murals“, der am Sonntag, 18. Februar, um 16 Uhr im Lindenmuseum läuft. Der Eintritt ist frei. Im Mittelpunkt der englischsprachigen Produktion stehen zwei Street-Art-Künstler und wie deren Arbeiten die Menschen in einer ländlichen Gemeinde erreichen. Nach der Vorführung gibt’s ein Skype-Gespräch mit dem Regisseur Tadshi Nakamura.

S-Mitte

Vererben oder schenken?Wie kann man Familienvermögen erhalten? Ist es besser eine Immobilie zu vererben oder sie zu Lebzeiten den Angehörigen zu übertragen? Das ist das Thema eines Vortrags des Rechts-anwalts Hartmut Zantke am Montag, 19. Feb-ruar, 18 Uhr, im Haus der Wirtschaft, Willi-Blei-cher-Straße 19.

S-Mitte

Alles Klima oder was?Wie sich die Folgen der Erderwärmung vor unserer Haustüre niederschlagen, darüber spricht die Nabu-Expertin Bärbel Winkler am Dienstag, 20. Februar, von 19 Uhr an im Forum 3, Gymnasiumstraße 21. Die Referenten erklä-ren anhand eines virtuellen Spaziergangs durch die Wilhelma, welche Tierarten durch den Kli-mawandel nach Deutschland kommen. StZ

Tipps & Termine

Inklusion

The Sixteens in der „Landesschau“Jörg Seibold ist ein Geiger ohne Augenlicht,Ralf Friton ist gitarrespielender Heilerzie-hungspfleger. Beide zusammen bilden das Duo The Sixteens, das am Wochenende zuFirmenfesten, Privatfeiern oder zu Veran-staltungen der Nikolauspflege aufspielt.Ein Interview mit den beiden, das in dieserZeitung erschienen ist, hat weiteres Me-dieninteresse nach sich gezogen und be-schert ihnen jetzt einen Auftritt im Fernse-hen. „Zwei Tage lang hat der SWR bei unsam Limeshof bei Welzheim und bei einemKonzert der Sixteens gedreht“, teilt unsPetra Mack mit, zuständig für die Teilhabeerwachsener Blinder. Der Beitrag soll am22. Februar in der „Landesschau“ ausge-strahlt werden. Hörproben gibt’s auf derHomepage der Nikolauspflege. (www.niko-lauspflege.de) czi

Ralf Friton ( li.) und Jörg Seibold Foto: Lichtgut

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