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Blut, Band VI, Seite 261--266 (1960) Aus der I. Medizinischen Universitdlsklinik in Wien (Vorsland: Prof. Dr. iF. Lauda) Die Blutgruppen bei Lebercirrhosen Von F. Wewalka Die Beziehungen zwischen internen Erkrankungen und Blutgruppen waren 1927 von Hirszfeld 8 eingehend bearbeitet worden. Aber erst Untersuchungen eines gr6f3eren Krankengutes ergaben in den letzten 5 Jahren einen Hinweis daftir, dab sich Personen, die verschiedenen Gruppen des ABO-Systems an- geh6ren, in ihrer Empf~inglichkeit gegentiber bestimmten Erkrankungen des Erwachsenenalters unterscheiden k6nnen 1. Obwohl gegen die Schltisse, die aus solchen Untersuchungen gezogen werden, Einw~inde erh0ben wurden, (Manuilan), liegen ftir einige wenige Erkrankungen gentigend Beweise ftir einen derartigen Zusammenhang vor. Vor allem ist eine H~ufung der Blut- gruppe O mit den Trfigern eines Ulcus duodeni gleichsinnig in groBen Untersuchungsserien und an verschiedenen Orten erhoben worden (Fraser Roberts17). Die Hiiufung der Blutgruppe A bei Magencarcinom ist an verschie- denen Stellen statistisch signifikant, konnte aber an dem Wiener Material bisher nicht bewiesen werden (Speiser2~ Die Verh/iltnisse bei Diabetes, perni- ciSser Anfimie und Carcinoma uteri sind an verschiedenen Orten untersucht und haben Eingang in die ausftihrlichen Zusammenstellungen fiber Blutgrup- pen und Krankheiten gefunden (Race und Sanger ~6, Fraser Roberts' 7, HelmboldT). Material Die Arbeiten tiber die Verteilung der Blutgruppen bei Lebercirrhosen sind bisher nicht bei den Er6rterungen der Zusammenhfinge zwischen Blutgruppenh~ufigkeit und bestimmten Krankheiten beriicksichtigt worden. In der Literatur finden sich jedoch zwei Hinweise. So 2 hatte 1956 Billington in Australien eine signifikante I-Ifiufung der Blutgruppe A festgestelh. Wie der Autor angab, handelte es sich um ein hochgradig ausgewfihltes Material, da die Notwendigkeit der Blutgruppenbestimmung durch gastrointestinale Blutungen gegeben war. Es wurden daher noch weitere Untersuchungen gefordert. Auch Speiser2~ in Wien hatte bei miinnlichen Cirrhotikern eine signifikante Verschiebung zu Gunsten der Blutgruppe A und eine Verminderung der Gruppe O ermitteln k6nnen. Seine Untersuchung erfolgte an F~illen verschiedener Wiener Spitfiler, wobei die Diagnose am Einsendeformular angegeben war. Um den strengen Kriterien, die ftir einen Zusammenhang zwischen einer bestimmten Erkrankung und der Verteilung der Blutgruppen gefordert werden, zu entsprechen, haben wir unsere eigenen Ergebnisse mit besonderer Sorgfalt bearbeitet. Wir nahmen in unsere Aufstellung alle jene Fiille der I. Medizinischen Universit~ts-Klinik in Wien zwischen M~irz 1951 und Mfirz 1959 auf, bei denen die Diagnose alkoholische (Laennec'sche) oder posthepatitische Lebercirrhose gesichert war und von denen die Blutgruppe vorlag. Die Blutgruppenuntersuchung wurde am Pathologisch-Anatomischen Institut tier Universit~it Wien (Vorstand Prof. Dr. H. Chiari), in dem auch gentigend Kontrollffille untersucht worden waren, vorgenommen. Ausgeschlossen wurden jene Ffille, die an Cirrhose cardiaque, primiirer Eingegangen am 6. November 1959

Die Blutgruppen bei Lebercirrhosen

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Page 1: Die Blutgruppen bei Lebercirrhosen

Blut, Band VI, Seite 261--266 (1960)

Aus der I. Medizinischen Universitdlsklinik in Wien (Vorsland: Prof. Dr. iF. Lauda)

Die Blutgruppen bei Lebercirrhosen

V o n F. Wewalka

Die Beziehungen zwischen internen Erk rankungen und Blu tgruppen waren 1927 von Hirsz f e ld 8 eingehend bearbeitet worden. Aber erst Untersuchungen eines gr6f3eren Krankengutes ergaben in den letzten 5 Jahren einen Hinweis daftir, dab sich Personen, die verschiedenen G r u p p e n des ABO-Sys tems an- geh6ren, in ihrer Empf~inglichkeit gegentiber bes t immten E r k r a n k u n g e n des Erwachsenenalters unterscheiden k6nnen 1. O b w o h l gegen die Schltisse, die aus solchen Untersuchungen gezogen werden, Einw~inde erh0ben wurden, (Manuilan), liegen ftir einige wenige Erk rankungen gentigend Beweise ftir einen derart igen Zusammenhang vor. Vor allem ist eine H~ufung der Blut- g ruppe O mi t den Trfigern eines Ulcus duodeni gleichsinnig in groBen Untersuchungsserien und an verschiedenen Orten erhoben worden (Fraser Roberts17). Die Hiiufung der Blutgruppe A bei Magencarc inom ist an verschie- denen Stellen statistisch signifikant, konnte aber an dem Wiener Material bisher nicht bewiesen werden (Speiser2~ Die Verh/iltnisse bei Diabetes, perni- ciSser Anfimie und Carcinoma uteri sind an verschiedenen Or ten untersucht und haben Eingang in die ausftihrlichen Zusammenste l lungen fiber Blutgrup- pen und Krankhei ten gefunden (Race und Sanger ~6, Fraser Roberts' 7, HelmboldT).

Material

Die Arbeiten tiber die Verteilung der Blutgruppen bei Lebercirrhosen sind bisher nicht bei den Er6rterungen der Zusammenhfinge zwischen Blutgruppenh~ufigkeit und bestimmten Krankheiten beriicksichtigt worden. In der Literatur finden sich jedoch zwei Hinweise. So

2 hatte 1956 Billington in Australien eine signifikante I-Ifiufung der Blutgruppe A festgestelh. Wie der Autor angab, handelte es sich um ein hochgradig ausgewfihltes Material, da die Notwendigkeit der Blutgruppenbestimmung durch gastrointestinale Blutungen gegeben war. Es wurden daher noch weitere Untersuchungen gefordert. Auch Speiser 2~ in Wien hatte bei miinnlichen Cirrhotikern eine signifikante Verschiebung zu Gunsten der Blutgruppe A und eine Verminderung der Gruppe O ermitteln k6nnen. Seine Untersuchung erfolgte an F~illen verschiedener Wiener Spitfiler, wobei die Diagnose am Einsendeformular angegeben war. Um den strengen Kriterien, die ftir einen Zusammenhang zwischen einer bestimmten Erkrankung und der Verteilung der Blutgruppen gefordert werden, z u entsprechen, haben wir unsere eigenen Ergebnisse mit besonderer Sorgfalt bearbeitet. Wir nahmen in unsere Aufstellung alle jene Fiille der I. Medizinischen Universit~ts-Klinik in Wien zwischen M~irz 1951 und Mfirz 1959 auf, bei denen die Diagnose alkoholische (Laennec'sche) oder posthepatitische Lebercirrhose gesichert war und von denen die Blutgruppe vorlag. Die Blutgruppenuntersuchung wurde am Pathologisch-Anatomischen Institut tier Universit~it Wien (Vorstand Prof. Dr. H. Chiari), in dem auch gentigend Kontrollffille untersucht worden waren, vorgenommen. Ausgeschlossen wurden jene Ffille, die an Cirrhose cardiaque, primiirer

Eingegangen am 6. November 1959

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oder secund~rer bili~rer Cirrhose oder einer durch Stoffwechselst6rungen bedingten Leber- cirrhose (H~imochromatose, M. Wilson) litten. Die Verteilung der Blutgruppen yon 21 F~tllen, die wegen nicht gesicherter Diagnose (Fettleber, incipiente Cirrhose etc.) nicht in die Zu- sammenstellung aufgenommen wurden, entsprach jener der Kontrollf~ille.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 250 Patienten ausgewertet, davon waren 197 M~inner und 53 Frauen. Bei 170 dieser F/ille war die Diagnose durch Obduktion, Laparoto- mie oder Leberpunktion best~itigt. Die Ergebnisse dieser Gruppe werden in der Tabelle I besonders angefiihrt. Beide Gruppen wurden mit den yon Speiser ~~ am Pathologisch-Anatomischen Institut ermittelten Ergebnissen bei 10 000 Personen der Wiener Bev61kerung verglichen (Tabelle 1). Zwischen den ge- samten 250 F~illen und den durch Obduktion etc. verifizierten F/illen besteht kein Unterschied. Die beiden Gruppen der Cirrhotiker unterscheiden sich signifikant yon den Kontrollgruppen dutch eine Vermehrung der Blutgruppe A und eine entsprechende Verminderung der Blutgruppe O. Die prozentuale Verteilung der Blutgruppen B und AB war nahezu gleich. Die statistische Aus- wertung des Unterschiedes der 1. Gruppe zu den Normalf~illen ergibt ein X] yon 12,217 (P< 0,01) und bei der 1I. Gruppe imVergleich zu clen Normalf~illen ein X] von 15,445 (P= 0,0015). Bei Zerlegung in A und Nicht-A ist X 2 = 7,387, bei Zerlegung in O und Nicht-O X 2 = 7,561 (P = 0,006). Von manchen Autoren wird auBerdem der Vergleich mit einer m6glichst ~ihnlichen Gruppe yon Patienten gefordert. Da ausfiihrliche Untersuchungen yon Speiser fiber die Blutgruppenh~iufigkeit bei 15 Krankheitsgruppen vorliegen, k6nnen diese als Vergleich dienen. In keiner dieser Gruppen erreichte die H~ufigkeit der Blut- gruppe A einen auch nur ann~hernd so hohen Prozentsatz. Die Ergebnisse der gr6Bten Gruppen seien hier, errechnet aus den Arbeiten yon Speiser 2~ als Beispiele angefiihrt:

Bronchuscarcinom (3 820 F~lle), davon Gruppe A 44,7%, Gruppe O 34,6%. Gehirntumor (1828 F~lle) A 44,6%, O 35,3%, Rektumcarcinom (1280 Ffille) A 43,5%, O 34,6%, Magencarcinom (1651 F~lle) A 44%, O 36,2%, Ulcus duodeni (1639 F~ille) A 41,2%, O 41%. Auch in keiner der iibrigen Vergleichs- gruppen war die Frequenz der Gruppe O so gering wie bei unseren Unter- suchungen.

Um einem von Manuila xl gegen die Zusammenhiinge yon Blutgruppen und Krankheiten gemachten Einwand zu begegnen, seien auch die yon ihm zitierten Wiener Vergleichsgrup- pen yon Hoche Und Moritsch (1000 Fiille) und Novak (976 Fiille) berticksichtigt. In diesen beiden Gruppen wird eine A -b AB H~iufigkeit yon 47,9 ~o und 41,8 % erwiihnt. Diese Werte kommen, obwohl sie weit auseinander liegen, in keiner Weise den yon uns bei Cirr- hose gefundenen nahe.

Aus diesen Untersuchungen ist zumindest s die Wiener Verh~iltnisse eine An&rung der Blutgruppenverteilung unter den Cirrhoses nahezu erwiesen. Die Signifikanz fibersteigt den ffir solche Untersuchungen geforderten Wert yon 1:1000 betr~chtlich. Beim A :O-Vergleich, auf den es hier ankommt, ergibt sich ein X 2 = 19,8 (nach Woolf) (P = 0.000 008).

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F~lle A B

Kontrollgruppe 10 000 4422 1343 Wiener Bev61kerung 1~ 44,2% 13,4%

Cirrhosen d. I. Med. 250 144 34 Univ. Klinik 57,6% 13,6%

davon durch Op. etc. verifiziert 170

O AB

3631 604 36,3% 6,0%

59 13 23,6% 5,2%

99 23 40 8 58,3% 13,5% 23,5% 4,7%

Cirrhosen getrennt nach dem Geschlecht

M~nner 197 121 25 61,4% 12,7%

Frauen 53 23 9 43,4% 17,0%

Tab. 1 : Blutgruppenverteilung bei Patienten mit Lebercirrhose.

42 9 21,3% 4,6%

17 4 32,1% 7,5%

Die weitere Aufschliisselung der F~ille nach dem Geschlecht (Tabelle 1) zeigt, dab die Verschiebung der Blutgruppen zu Gunsten der Blutgruppe A nur bei M~innern vorlag. Die prozentuelle Verteilung bei den Frauen war yon der Kontrollgruppe kaum zu unterscheiden. Bei 197 M~innern war dagegen die Gesamtverteilung mit einem X] yon 25,518 bei 3 Freiheitsgraden signifi- kant yon tier Normalverteilung verschieden (P = 0,000 015). Auch hier verteilt sich die Verschiebung gteichermagen auf das f3berwiegen der Gruppe A und die Verminderung der Blutgruppe O. Der Vergleich konnte mit der gesamten Kontrollgruppe vorgenommen werden, da friihere Untersuchungen von Speiser '-8 in Wien keinen Unterschied zwischen M~nnern und Frauen er- geben hatte. Die Signifikanz erreichte somit die fiir solche Untersuchungen geforderte H6he und weist auf einen beachtlichen Geschlechtsunterschied hin. Wegen der relativ kleinen Zahl der untersuchten Frauen w~re allerdings noch eine Nachpriifung empfehlenswert.

Untersuehungen nach ethnischen und rassischen Gesichtspunkten, wie sie von Manuila n gefordert wurden, haben wit nicht durchgeftihrt, weil bisher nicht angegeben wurde, wie sich der Autor solche Untersuchungen vorstellt. Es ist zu betonen, dab bei Beriicksichtigung der entsprechenden Tabellen fiber Blutgruppenuntersuchungen 14, 1~ eine so starke Ver- schiebung zu Gunsten der Blutgruppe A, wie wit sie in der Gruppe der Cirrhotiker fanden, in Mitteleuropa bzw. auch in ganz Europa ~iul3erst ungew6hnlich ist. Die yon uns unter- suchten Cirrhotiker waren ausschlieBlich station~re Patienten der I. Medizinischen Klinik in Wien, die aus allen Kreisen der Wiener Bev61kerung stammten. Nach unseren Untersu- chungen ist die Wahrscheinlichkeit, dab eine Anderung der Blutgruppenverteilung unter den m~innlichen Cirrhosef~illen nur zuf~illig w~ire, gr6Ber als 1:10 000. Trotzdem wird man wohl die Giikigkeit dieser Untersuchungen vorerst nur auf Wiener Verh~iltnisse beziehen k6nnen.

Teilt man die F~ille in verschiedene Untergruppen, sei es nach ~itiologischen oder pafhologisch-anatomischen Gesichtspunkten, so unterscheiden sich die einzelnen Gruppen nicht signifikant voneinander, wenn man auch, wie wit an anderer Stelle mitteilten% erkennen kann, dab bei der Einteilung nach der

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Anamnese (Alkohol, Hepatitis etc.) die Cirrhotiker, die weder Alkoholiker sind noch eine Hepatitis durchgemacht haben, die st~rkste Verschiebung zu Gunsten der Blutgruppe A zeigten. ~hnliches gilt, wenn man nach dem histologischen Befund in grobknotige (postnekrotische) und feink6rnige (alkoholische) Cirrhosen einteilt.

Bei der Betrachtung unserer F/ille muB es interessieren, wie sich die Blut- gruppen verhalten, wenn eine Kombination yon Cirrhose und Ulcus duodeni beim selben Patienten vorliegt. Wie wit bereits eingangs erw~hnten, wurde beim Ulcus duodeni eine relative H~ufung der Blutgruppe O yon fast allen Un- tersuchern nachgewiesen. Die Koinzidenz yon Ulcus duodeni und Lebercirr- hose ist nicht allzu selten. Kausale Beziehungen zueinander lieBen sich bisher nicht eindeutig nachweisen. Wit stellten daher jene m~nnlichen Cirrhotiker, die gleichzeitig ein Ulcus duodeni aufwiesen, oder die frtiher einmal wegen eines solchen ZwSlffingerdarmgeschWtirs operiert worden waren (insgesamt 38 F~lle), den Cirrhotikern gegeniiber, die kein Ulcus duodeni hatten. In der Tabelle 2 sind die Ergebnisse angefiihrt. Die Prozentzahlen haben wir hier nur zur Orientierung angegeben und deshalb in Klammer gesetzt.

Ffille A B O AB M~nnl. Cirrhotiker 159 106 22 26 5 ohne Ulcusduodeni (66,8%) ( 1 3 , 8 % ) (16,3%) (3,1%) M~nnl. Cirrhotiker 38 15 3 16 4 mit Ulcus duodeni (39,5%) (7,9%) ( 4 2 , 1 % ) (10,5%) Ulcus duodeni m~nnl. 916 381 101 374 60 (nach Speiser 19) 41,6% 11% 40,9% 6,5%

Tab. 2: Blutgruppenverteilung bei m~nnlichen Cirrhotikern, ohne und mit Ulcus duodeni.

Die Blutgruppen B und AB wurden, da die Zahlen zu gering sind, bei der statistischen Auswertung nicht beriicksichtigt. Hinsichtlich der Blutgruppe A und O unterscheiden sich beide Gruppen signifikant, X 2 = 17,728 (p = 0,00003) Andererseits ist aus der Tabelle ersichtlich, dab die Blutgruppen bei Patienten mit Lebercirrhosen ohne Ulcus duodeni eine Blutgruppenverteilung aufweisen, die noch starker yon der Normalverteilung abweicht. Der Prozent- satz der Blutgruppe A erreicht 66,8%. Bei den Cirrhosen mit Ulcus duodeni ist im Vergleich zur Normalverteilung (siehe Tabelle 1) die Gruppe O st~irker, die Gruppe A schw~cher vertreten. Dieses Verhalten ist gegens~itzlich im Vergleich zu den tibrigen Cirrhosef~tllen. Wir haben in der Tabelle zum Ver- gleich auch die von Speiser ~9 erhobenen Zahlen bei Ulcus duodeni angeftihrt. Diese Zusammenstellung kann einen weiteren Hinweis auf Zusammenh~tnge zwischen Blutgruppen und Krankheiten geben.

Diskussion

Erkl/irungen ftir die hier dargelegte ver~tnderte Frequenz der Blutgruppen beim m~nnlichen Cirrhotiker sind trotz neuerer Erkenntnisse tiber die chemi- sche:Zusammensetzung der Blutgruppensubstanzen 12, la und tiber ihre Ver-

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teilung in den Organen *, s schwierig. Mit dem Nachweis eines derartigen Zusammenhanges wird das Problem zu einer klinischen Fragestellung, um so eher, wenn es sich um eine Krankheit handelt, deren Pathogenese nicht vfllig gekl~rt ist. Es sei daher auf die Wege hingewiesen, fiber welche die Blutgrup- pensubstanzen mit einer Disposition zur Lebercirrhose in Beziehung zu brin- gen sind. Auf m6gliche genetische Beziehungen wird nicht n/iher eingegangen und auch nicht auf jene Forschungsrichtung, die sich mit der fiberzuf~lligen H~ufung seltener, im selben Chromosom lokalisierbarer Anomalien befaBt (Lawler*O). Zusammenh~nge, die sich zu den bei der Cirrhose vorkommenden konstitutionellen Faktoren ergaben, wurden in einem anderen Zusammenhang n~iher betrachtet. 2~

Das Oberwiegen des m~nnlichen Geschlechtes bei der Cirrhoseh~ufigkeit einerseits und die sich nur beim m~nnlichen Cirrhotiker ergebenden Bezie- hungen zur Vermehrung der Blutgruppe A und Verminderung der Blutgruppe O, lassen den EinfluB von chromosomalen oder hormonellen Faktoren m6g- lich erscheinen.

Auffallend ist es, dab Abweichungen der Blutgruppenverteilung yon der Norm bisher fast ausschlieBtich bei Erkrankungen des Verdauungstraktes beobachtet wurden. Dies gilt besonders for die Ergebnisse von Untersu- suchungen beim Ulcus duodeni und die nicht v611ig gesicherten Ergebnisse bei Diabetes, Magencarcinom, Speicheldrtisentumoren und pernici6ser An- ~mie. Aus der Anfigeneigenschaft der BIutgruppensubstanzen hat f~elmbold I eine Theorie abgeleitet, mit der er die H~ufung der Blutgruppe O bei Ulcus duodeni und der Blutgruppe A beim Uteruscarcinom erkl~rt. Er geht davon aus, dab gegen zugrundegehendes Gewebe Autoantik6rper gebildet werden und nimmt an, dab diese Autoantik6rper bei Tr~gern der Blutgruppe A gleich- zeitig auch gegen die Blutgruppen-A-Substanz gerichtet sind. Abgesehen da- von, dab ein Autoagressionsmechanismus bei der Lebercirrhose bisher nicht sicher bewiesen, wenn er auch wahrscheinlich ist, 16a kann fiber die Funktion der Blutgruppensubstanzen in der Leber nicht diskutiert werden, solange ihre Lokalisation in den einzelnen Leberanteilen nicht abgekl~rt ist. Bei Lokali- sation in den Kapillaren k~ime ein EinfluB auf die Permeabilit~t, bei einer Lokalisation in den Leber~ellen ein EinfluB auf die die Leberzellen treffenden Agentien (Alkohol, Hepadtisvirus etc.) in Frage. Es ist auch nicht bekannt, ob eine Entwicklung des Bindegewebes oder ob die mesenchymate Reaktion der Leber fiberhaupt durch Blutgruppensubstanzen beeinfluBt wird.

Nach den bisherigen Ergebnissen kann festgehalten werden, dab durch das gegensinnige Verhalten yon Blutgruppe A und O den Isoagglutininen selbst offenbar keine entscheidende Rolle bei der Cirrhoseentstehung zukommt.

Zusammenfassung

Bei 250 alkoholischen oder posthepatitischen Lebercirrhosen wurde im Vergleich zu 10 000 Kontrollf~illen eine signifikante H~ufung der Blutgruppe A und ein seiteneres Vorkommen der Blutgruppe O ermittelt. Diese ge~nderte

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Verteilung war nur bei m~innlichen Cirrhotikern anzutreffen. Die Verteilung der Blutgruppen bei 38 Patienten mit Cirrhose und Ulcus duodeni war yon den iibrigen Cirrhosen signifikant verschieden. Bei der geringen Zahl yon 38 Patienten ist hier allerdings trotz Signifikanz zuniichst eine vorsichtige Bewertung notwendig.

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Anschr. d. Verf. : Dr. F. Wewalka, Wien IX , I. Medizinische Uaiversit~itsklinik, Lazarertgasse 14.