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lnstitut fUr Biologie der Universitat TUbingen
Die Epidermis als Ort der Lichtperzeption fiir circadiane Laubblattbewegungen und photoperiodische Induktionen1
)
WALTER MAYER, ILSE MOSER und ERWIN BUNNING
lvEt 1 Abbildung
Eingegangen am 14. Marz 1973
Summary
The Epidermis as the Site of Light Perception in Circadian Leaf Movement andPhotoperiodic Induction
The influence of light intensity on the free-running periods of circadian leaf movementsof Solanum-periclinal chimeras Solanum koelreuterianum, Solanum gaertnerianum, Solanumtubingense and their constituent species Solanum nigrum and Lycopersicon esculentum differin their pattern of light intensity dependence as well as in the range of period lengths displayed by their circadian leaf movements. Thus the period length of Solanum nigrum rangesbetween 23,7 h to 26,9 h and becomes independent of light intensity at 50 Ix. Lycopersiconesculentum shows period lengths ranging between 21.7 h to 24.1 h and becomes independentof light intensity only at 1200 Ix. Solanunz koelreuterianum and Solanum gaertnerianum the chimeras possessing the epidermis of Solanum nigrum - show similar light intensitydependence as Solanum nigrum (independence sets in at 50 Ix) whereas Solanum tubingense the chimera possessing the epidermis of Lycopersicon esculentum - shows similar light intensity dependence as Lycopersicon esculentum (independence sets in at 1200 Ix). Dependencein light intensity is obviously regulated by the epidermis. The range of period lengths encountered, however, are controlled by tissues underlying the epidermis.
The short-day plants Chenopodium amaranticolor and Perilla ocymoides were offeredinductive LD cycles of 8 : 16 h, with light periods of 2000 Ix. In addition to these controls,other groups of these species received low intensities of light instead of the 16 h dark periods(Chenopodium: 4 lx, Perilla: 5,5 Ix). This light was directed either to the upper or to thelower surface of one leaf per plant. In both species significant differences in the responsesof the two surfaces could be detected. These results offer additional reasons to assume adecisive role of the epidermis in the photoperiodic control of flower induction.
Einleitung
Licht ist der wirksamste AuBenfaktor, der die circadiane Rhythmik beeinfluBt. Oberden Ort der Lichtperzeption, d. h. histologisch gesehen, in welchem Gewebe die wirk-
AbkUrzungen: LD, Licht-Dunkel-Wechsel; DD, Dauerdunkel; LL, Dauerlicht.1) Versuche mit Solanum-Chimaren: W. M., Versuche mit Chenopodium und Perilla:
1. M. u. E. B.
Z. Pjlanzenphysiol. Bd. 70. S. 66-73. 1973.
Epidermis als Ort der Lichtperzeption fur circadiane Laubblattbewegungen 67
same Strahlung absorbiert wird, ist bei Pflanzen nur wenig bekannt. Versuche vonSCHWABE (1968) sowie von BUNNING und MOSER (1966, 1969) lassen vermuten, daB dieEpidermis als art der Lichtperzeption bei der photoperiodischen Induktion eine entscheidende Rolle spielt.
Geeignete Objekte, urn die Bedeutung der Epidermis bei circadianen Laubblattbewegungen zu ktiren, sind die Winklerschen Solanum-Periklinalchimaren, also Pflanzen, die aus artverschiedenen Geweben aufgebaut sind.
So handelt es sich bei Solanum koelreuterianum urn Lycopersicon esculentum mitder Epidermis von Solanum nigrum (Aufbauforme12
): Lycopersicon esculentum X
Solanum nigrum I), bei Solanum tubingense urn Solanum nigrum mit der Epidermisvon Lycopersicon esculentum (Solanum nigrum X Lycopersicon esculentum I). Solanum gaertnerianum ist eine Diektochimare vom Aufbau Lycopersicon esculentum XSolanum nigrum II (BRABEC, 1965).
In dieser Arbeit werden Versuche tiber die Lichtintensitatsabhangigkeit der Spontanperioden der circadianen Blattbewegungen der Winklerschen Solanum-Periklinalchimaren und deren Ausgangsarten beschrieben und SchluBfolgerungen tiber die Rolleder einzelnen Gewebe gezogen.
Ein Argument ftir die Annahme, daB die Epidermis art der photoperiodischenInduktion ist, besteht in dem Befund, daB bei Kalanchoe blossfeldiana Ober- undUnterseite des Blattes photoperiodisch unterschiedlich empfindlich sind (BUNNINGund MOSER, 1966). Jetzt wurde noch an zwei weiteren Arten geprtift, ob das allgemeiner zutrifft.
Material und Methoden
a) Lichteinflup auf die circadiane Rhythmik bei Solanum-Chimaren
Nach der von WINKLER (1907) entwickelten Regenerationsmethode konnten aus Solanumnigrum L. und Lycopersicon esculentum MILL. (Samen aus dem Botanischen Garten Tubingen)2 Chimaren isoliert werden, die aufgrund ihrer morphologischen Merkmale eindeutig denWinklerschen Periklinalchimaren Solanum koelreuterianum und Solanum gaertnerianum(WINKLER, 1909) entsprachen. Solanum tubingense wurde von Prof. LANGE, Gottingen, zurVerfugung gestellt. Diese Chimare ging aus Pfropfungen von Lycopersicon esculentum ev.«Lukullus» mit Solanum nigrum L. hervor.
Die Chimaren wurden im Gewachshaus in einem LD 9 : 15 h bei ca. 23°C durch Stecklingevermehrt. Die Durchfuhrung der Versuche erfolgte in Klimakammern bei konstanter Temperatur von 23° ± 1° C und Osram-L-Fluora 40 W Leuchtstoffrohren (sofern nicht andersangegeben) als Lichtquellen.
Die Blattbewegung wurde in der ublichen Art und Weise am Kymographion registriert.Wahrend bei Solanum nigrum junge Blattchen von ca. 6 Wochen alten Pflanzen gut auswertbare tagesperiodische Blattbewegungen zeigten, waren es bei Lycopersicon esculentum altereBlatter der ca. 10 Wochen alten Pflanzen. Bei den Chimaren Solanum koelreuterianum und
2) In der Aufbauformel (des Vegetationskegels) bezeichnet der erste Name das Endosoma,cler zweite das Ektosoma, die nachgesetzte romische Zahl die Anzahl der Ektosomaschichten(vgl. BRABEC, 1965).
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Solanum gaertnerianum waren es wiederum junge Blatter an alteren Pflanzen (ca. 10 Wochen),die deutliche circadiane Bewegungen zeigten. Bei Solanum tubingense waren tagesperiodischeBewegungen in allen Altersstadien der Pflanzen nur schwach ausgepragt und haufig unregelmagig.
Allen Arten war gemeinsam, dag sie im DD keine tagesperiodischen Blattbewegungen aufwiesen und dag im LL geringere Intensitat (1 Ix und 10 Ix) in der Regel nur ca. 2-3Schwingungen registriert werden konnten.
b) Photoperiodische Induktion bei Chenopodium und Perilla
Fur die Versuche zur photoperiodischen Induktion wurden die Kurztagpflanzen Chenopodium amaranticolor und Perilla ocymoides benutzt. Die Pflanzen wuchsen im Gewachshausunter Langtagbedingungen heran. Vor Versuchsbeginn, d. h. vor der Darbietung induzierenderKurztage, wurden bei Chenopodium von jeder Pflanze die Blatter mit Ausnahme eines nichtausgewachsenen Blattes entfernt. Dieses verbleibende Blatt wurde mit Hilfe von Drahtsenkrecht nach oben stehend fixiert. Bei den Perilla-Versuchen wurde ahnlich verfahren. Vonjeder Pflanze wurde ein Blatt des jungsten ausgewachsenen Blattpaares stehen gelassenund senkrecht nach oben stehend fixiert. Wahrend der dann beginnenden Versuche wurdendie Pflanzen in einer Klimakammer bei LD 8 : 16 h gehalten. Die Lichtintensitat (Osram-Lj15-Rohren) betrug 2000 bis 3000 Ix. Die Dunkelperiode wurde von 8stundigen Schwachlichtperioden stark abgedunkelter Rohren (Osram-L/25) unterbrochen. Die Mitte dieser Storlichtes fie! in die Mitte der Dunkelperiode. Das schwache Storlicht war entweder auf dieOberseite oder auf die Unterseite des einzigen Blattes gerichtet.
Ergebnisse
a) Lichteinfluft auf die circadiane Rhythmik von Solanum-Chimaren
In Abb. 1 ist die Lichtintensitatsabhangigkeit der Spontanperiode der circadianenLaubblattbewegung fur Lycopersicon esculentum, Solanum nigrum und den Periklinalchimaren Solanum koelreuterianum, Solanum tubingense und Solanum gaertnerianum dargestellt. Obwohl aIle untersuchten Arten bis zur Sattigung mit steigenderLichtintensitat eine Periodenverlangerung zeigen, bestehen zwischen den Arten deutliche Unterschiede hinsichtlich der 1tlaximal- und Minimalwerte der Periodenlange unddes Verlaufes der Lichtintensitatsabhangigkeit.
Bei Solanum nigrum verlangert sich die Periode von 23,7 ± 0,8 h bei 1 Ix auf26,9 ± 0,9 h (Sattigung) bei ca. 50 Ix (keine Signifikanz bei a = 0,05 zwischen denStichproben bei 50 lx, 100 Ix und 1200 Ix nach dem H-Test von KRUSKAL und WALLIS).Lycopersicon esculentum laBt bis 100 Ix mit steigender Lichtintensitat keine Periodenverlangerung erkennen (keine Signifikanz bei a = 0,05 zwischen den Stichproben bei1 lx, 10 Ix und 100 Ix nach dem H-Test von KRUSKAL und WALLIS), zwischen 100 Ixund der Sattigung bei 1200 Ix andert sich die Periodenlange von 21,7 ± 0,8 h bis auf24,1 ± 0,7 h.
Wie Abb. 1 a zeigt, entspricht bei der Monektochimare Solanum koelreuterianum(Lycopersicon esculentum mit Epidermis von Solanum nigrum) der Verlauf der Lichtintensitatsabhangigkeit der Spontanperiode dem von Solanum nigrum (Sattigung bei50 Ix), die Periodenlange ist jedoch deutlich kurzer als bei Solanum nigrum, sie liegt
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Epidermis ais Ort der Lichtperzeption fur circadiane LaubbIattbewegungen 69
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L1CHTINTENSITAT (LUX)
Abb. 1: Die Lichtintensitatsabhangigkeit der Periodeniange von Solanum nigrum (0-0),Lycopersicon esculentum MILL. (e-e) und den Perikiinalchimaren Solanum koelreuterianum (0) - - - 8; Abb. 1 a), Solanum tubingense (0 - - -0; Abb. 1 b) und Solanum gaertnerianum (@ - - - @; Abb. 1 c). Angegeben sind die Mittelwerte der Spontanperioden mit Standardabweichung. Den Mittelwerten Iiegen 5-22 Einzelwerte zugrunde. Bei 10 000 Ix dienten zusatzIich zu den sonst verwendeten Osram-L-Fluora-40-W-Leuchtstoffrohren Xenon-Hochdrucklampen ais Lichtquellen.
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innerhalb der Schwankungsbreite der PeriodenHinge von Lycopersicon esculentum.Der Unterschied von ca. 2,4 h zwischen der Stichprobe bei 10 Ix und den Stichprobenbei 50-10 000 Ix ist hochsignifikant (Signifikanz bei a = 0,001 nach dem U-Test vonMANN und WHITNEY).
Die invers aufgebaute Monektochimare Solanum tubingense (Solanum nigrum mitEpidermis von Lycopersicon esculentum cv. «Lukullus») zeigt von den 5 untersuchtenArten die am schwachsten ausgebildeten tagesperiodischen Blattbewegungen. Da schonbei 50 Ix nur wenige Pflanzen sicher auswertbare Kurven liefern, ist Solanum tubingense im LL bei 10 Ix nicht untersucht worden. 1m VerIauf der Lichtintensitatsabhangigkeit der Periodenlange entspricht die Chimare (Abb. 1 b) eher Lycopersicon esculentum als Solanum nigrum (signifikanter Unterschied zwischen den Stichproben beia = 0,01 nach dem H-1"'est von KRUSKAL und WALLIS).
Die Lichtintensitatsabhangigkeit der Spontanperiode von Solanum gaertnerianum(Diektochimare) gleicht sowohl hinsichtlich des Verlaufes als auch hinsichtlich Maximalund Minimalwert der Periodenlange der Monektochimare Solanum koelreuterianum(Abb. 1 c).
b) Photoperiodische lnduktion bei Chenopodium und Perilla
Fur diese Versuche war es entscheidend wichtig, die geeignete Intensitat des Storlichtes in der Dunkelperiode zu finden. Bekanntlich beginnen photoperiodische Induktions- bzw. Hemmeffekte bei Intensitaten von ungefahr 1 Ix (oder weniger), und dieAbsattigung ist schon bei etwa 100, manchmal sogar bei etwa 10 Ix erreicht. Nur imBereich von wenigen Ix konnte erwartet werden, daB einerseits schon eine Hem,mwirkung auf der bestrahlten Seite eintritt, andererseits aber die zur lichtabgewandtenSeite gelangende 1ntensitat noch nicht zu einer starken Hemmung der Bluhinduktionfuhrte. An der lichtabgewandten Seite betrug die 1ntensitat im allgemeinen etwa 10 0/0
der 1ntensitat, welche auf die bestrahlte wirkte. Es muBten viele Versuche mit unterschiedlichen 1ntensitaten durchgefuhrt werden, um auswertbare Ergebnisse zu erzielen.
Tab. 1: Chenopodium amaranticolor. Bliihinduktion in Kurztagen (LD 8 : 16, Lichtintensitat2000 Ix). EinfluB von Storlicht in der Dunkelperiode auf die Ober- bzw. Unterseite des Blattes.Intensitat des Storlichtes 4 lx, Storlichtdauer 8 h (in der Mitte der Dunkelperiode). Induktionsdauer 8 Tage. Mittelwerte der Anzahl Bliiten je Pflanze nach Induktionsbeginn; in KlammernAnzahl der Einzelwerte.
Einwirkung des Storlichts Bliitenzahl je Pflanze nach
8 Wochen lOWochen
auf die Blatt-Oberseiteauf die Blatt-UnterseiteKontrolle ohne Storlicht
S,6a) (13)16,6b) (14)19,4(') (13)
16,Sd) (13)28,7e) (14)42,Sf) (13)
a) signifikant verschieden von b) (a = 0,05) und von c (a = 0,002). d) signifikant verschieden von f) (a = 0,01), nicht signifikant verschieden von e). b) und e) nicht signifikant verschieden von c) bzw. f).
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Epidermis als art der Lichtperzeption fur circadiane Laubblattbewegungen 71
Tab. 2: Perilla ocymoides. Wie in Tabelle 1, jedoch Intensitat des Storlichtes 5,5 lx, Induktionsdauer 20 Tage. Anzahl der Pflanzen fur jeden Wert 15.
Einwirkung des Storlichts Blutenzahl je Pflanze nach
4,5 5 6 Wochen
auf die Blatt-Oberseite 8,9a) 18,3d) 35,6g)auf die Blatt-Unterseite 3,1b) 10,oe) 26,5h)
Kontrolle ohne Storlicht 9,3 C) 16,Of) 32,7i )
b) signifikant verschieden von e) (a 0,002) und von a) (a = 0,01). c) signifikant ver-schieden von f) (a = 0,01) und von d) (a = 0,002). h) signifikant verschieden von g)(a = 0,01), nicht signifikant verschieden von i). a), d) und g) nicht signifikant verschieden vonc) bzw. f) bzw. i).
Intensitaten UlTI weniger als 1 Ix erwiesen sich als zu niedrig. Intensitaten urn 10 Ixoder mehr sind aus den genannten Grunden zwangslaufig nicht mehr geeignet, urnunterschiedliche Empfindlichkeiten festzustellen. Nur bei Storlichtintensitaten von4 Ix (Chenopodium) bzw. 5,5 Ix (Perilla) wurden auswertbare Ergebnisse erzielt. Nurdiese Versuche sollen hier mitgeteilt werden (Tab. 1 und 2). Statistische Auswertungnach dem V-Test von WILCOXON, lVIANN und WHITNEY.
Diskussion
a) Lichteinfluft auf die circadiane Rhythmik bei Solanum-Chimaren
Wie die Ergebnisse zeigen, wird der Verlauf der Lichtintensitatsabhangigkeit derSpontanperiode durch die Epidermis bestimmt. AIle 3 untersuchten Arten mit derEpidermis von Solanum nigrum - Solanum nigrum, Solanum koelreuterianum undSolanum gaertnerianum (Abb. 1 a, c) - stimmen darin uberein, daB die Lichtsattigungder Periodenverlangerung bei ca. 50 Ix erreicht ist, wahrend die beiden untersuchtenArten mit der Epidermis von Lycopersicon esculentum - Lycopersicon esculentum undSolanum tubingense (Abb. 1 b) - erst ab 100 Ix mit steigender Lichtintensitat einePeriodenverlangerung aufweisen und die Lichtsattigung bei ca. 1200 Ix erreichen. Dasvon der Epidermis umgebene Gewebe scheint hinsichtlich des Verlaufs der Lichtintensitatsabhangigkeit der Spontanperioden keine Rolle zu spielen, dagegen komn1t ihmals Bewegungsgewebe, d. h. als Gewebe, das auf Grund von Wachstum (und, oderTurgoranderungen) die circadianen Blattbewegungen verursacht, eine wesentlicheBedeutung zu. Dieser SchluB laBt sich durch den Vergleich der Minimal- und Maximalwerte der Spontanperioden von Solanum koelreuterianum und Lycopersicon esculentum ableiten. Fur beide Arten liegt die kurzeste Periodenlange bei ca. 21,5 h, dielangste Periodenlange bei ca. 24 h. Die bei Solanum koelreuterianum vorhandeneNachtschatten-Epidermis wirkt sich also hinsichtlich der Minimal- und Maximalwerteder Periodenlange nicht aus. Dbereinstimmend damit sind die Ergebnisse von Solanumgaertnerianum (Abb. 1 c). Erstaunlich ist bei letztgenannter Art, daB die Minimalund Maximalwerte nicht dem Nachtschattengewebe, sondern dem Tomatengewebe
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entsprechen, obwohl das Blatt morphologisch deutlich dem Blatt des Nachtschattensgleicht. LANGE (1926) konnte jedoch zeigen, daB Tomatengewebe am Aufbau desChimarenblattes beteiligt ist.
Nicht ganz iibereinstimmend mit dieser Deutung sind die Ergebnisse von Solanumtubingense. Obwohl bei dieser Chimare das von der Epidermis umgebene Gewebe ausNachtschattengewebe besteht, ist die Periodenlange im Sattigungsbereich (ab 1200 Ix)deutlich kiirzer als bei Solanum nigrum (Abb. 1 b). Jedoch muB beriicksichtigt werden,daB diese Chimare aus Gottingen bezogen wurde (anderes Ausgangsmaterial fur diePfropfung) und deshalb die Ergebnisse nur mit Einschrankung fur einen Vergleichherangezogen werden konnen.
Die Abhangigkeit des Verlaufs der Lichtintensitatsabhangigkeit der Spontanperioden von der Epidermis laBt 2 Interpretationen zu. (1) Die wirksame Strahlung wirdvon dem unter der Epidermis liegenden Gewebe, dem Bewegungsgewebe, absorbiert,die Epidermis entspricht in ihrer Funktion einem Filter, das bei Solanum nigrummehr wirksame Strahlung (urn einen Faktor > 10) als bei Lycopersicon esculentumpassieren laBt. Die Lichtsattigung der Periodenlange ware demnach bei Solanum koelreuterianum und Solanum gaertnerianum (beide mit N achtschattenepidermis) zu geringeren Lichtintensitaten hin verschoben, bei Solanum tubingense (Tomatenepidermis)zu hoheren Intensitaten.
Gegen diese Interpretation spricht, daB zwischen Solanum nigrum und Lycopersiconesculentum nur Unterschiede hinsichtlich der Transmission der Epidermen bestehendiirften, wahrend die Lichtempfindlichkeit des ubrigen Gewebes -- wie die Ergebnissevon Solanum koelreuterianum zeigen (Abb. 1 a) - bei beiden Arten gleich sein miiBte.AuBerdem ergaben ~rransmissionsmessungen der Epidermen von Solanum nigrumund Lycopersicon esculentum bei keiner Wellenlange (400-750 nm) eine urn den Faktor 10 groBere Transmission der Nachtschattenepidermis (endgultige Ergebnisse werden an anderer Stelle veroffentlicht).
Deshalb scheint eine zweite Interpretation der Ergebnisse richtig zu seine Nach ihrware die Epidermis das Gewebe, welches allein, oder wenigstens bevorzugt, die wirksame Strahlung absorbiert und die Reaktion des Bewegungsgewebes, das unter derEpidermis lokalisiert ist, steuert. Hinsichtlich der Sattigung der Photorezeptoren furdie Lichtintensitatsabhangigkeit der Periodenlange muBten zwischen den Epidermenvon Nachtschatten und Tomate artspezifische Unterschiede bestehen, d. h. die Photorezeptoren der N achtschattenepidermis muBten bei geringeren Lichtintensitaten abgesattigt sein als die der Tomatenepidermis. Je nach Sattigungsgrad der Photorezeptoren in der Epidermis wurde das Bewegungsgewebe eine innerhalb der artspezifischenModifikationsbreite liegende Periodenlange zeigen.
b) Photoperiodische Induktion bei Chenopodium und Perilla
Die Ergebnisse fugen sich in die fruher gezogenen SchluBfolgerungen ein (BUNNINGund MOSER, 1966, 1969). Sie stutzen die Annahme, daB die Epidermis fur die photoperiodische Lichtabsorption wichtig ist. Als endgultig beweisend hierfur konnen die
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Epidermis als Ort der Lichtperzeption fur circadiane Laubblattbewegungen 73
Versuche aber nicht gewertet werden. Jedoch sei nochmals auf die Versuche vonSCHWABE verwiesen, der zeigen konnte, daB epidermislose Blatter von Kalanchoeblossfeldiana photoperiodisch nicht mehr induzierbar sind: «The epiderm itself maybe, at least partly, the locus of the primary photoperiodic effect on the leaf.»
c) Allgemeine Schluftfolgerung
Insgesamt stutzen die Ergebnisse die Vorstellung, daB die Epidermis nicht nur als
AbschluBgewebe fungiert, sondern daB sie als «Lichtsinnesorgan der Pflanze» (HABER
LANDT, 1905) fur circadiane und photoperiodische Vorgange betrachtet werden muB.Mit diesen Funktionen konnte die bekannte Tatsache, daB viele Epidermen chloroplastenfrei sind und «Ocellen» aufweisen, im Zusammenhang stehen (vgl. BUNNINGund MOSER, 1969).
Die Arbeit wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstutzt. Herrn Prof. Dr.F. LANGE, G6ttingen, danken wir fur die Dberlassung der Chimaren Solanum tubingense, FrauDURR fur die technische Assistenz bei den Chimarenversuchen.
Literatur
BRABEC, F.: Propfungen und Chimaren, unter besonderer Berucksichtigung der entwicklungsphysiologische Problematik. In: Handb. d. Pflanzenphysiologie, Bd. XV/2 (W. Ruhland,Hrsg.). Berlin-Heidelberg-New York: Springer (1965).
BUNNING, E., und I. MOSER: Unterschiedliche photoperiodische Empfindlichkeit der beidenBlattseiten von Kalanchoe blossfeldiana. Planta 69, 296-298 (1966).
- - Interference of moonlight with the photoperiodic measurement of time by plants, andtheir adaptive reaction. Proc. nat. Acad. Sci. 62,1018-1022 (1969).
HABERLANDT, G.: Die Lichtsinnesorgane der Blatter. Leipzig: W. Engelmann (1905).LANGE, F.: Vergleichende Untersuchungen uber die Blattentwicklung einiger Solanum-Chimaren
und ihrer Elternarten. Planta (Berl.) 3, 181-282 (1926).SCHWABE, W. W,: Studies on the role of the leaf epiderm in photoperiodic perception in
Kalanchoe blossfeldiana. ]. expo Bot. 19, 108-113 (1968).WINKLER, H.: Dber Propfbastarde und pflanzliche Chimaren. Ber. dtsch. bot. Ges. 25,
568-576 (1907).- Weitere Mitteilungen uber Pfropfbastarde. Z. Bot. 1, 315-345 (1909).
Dr. W. E. MAYER, Institut fur Biologie der Universitat, D-74 Tubingen, Auf der Morgenstelle 1.
Z. Pflanzenphysiol. Bd. 70. S. 66-73. 1973.