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4/2010 18 Kinder haben nach dem Schriftspracherwerb (Schreiben-Lernen) in der Schule häufig Schwierig- keiten mit dem Schreiben. Sie verkrampfen sich, schreiben zu langsam oder unleserlich, haben keine Ausdauer oder sind unsicher bei der Wieder- gabe der Buchstabenformen und -verbindungen. Die Schreibbewegung aus Hand- und Fingergelen- ken ist nicht ausreichend koordiniert, der Schreib- fluss nicht rhythmisch und automatisiert. Diese Kinder sind in der Ergotherapie eine beson- dere Herausforderung: bisher gab es kaum passen- de Materialien, die zielgerichtetes Arbeiten ermög- lichten. Schreiben Lernen Schreiben lernen erfolgt in den ersten beiden Grund - schuljahren mit Hilfe von 4 Hilfslinien. Sie legen exakt die Form und Größe der einzelnen Buchstaben fest. Ebenfalls wird eine leichte Neigung nach rechts vorge- schrieben. Über das Fach „Schönschreiben“ wird lang- sames, formgetreues „Malen“ der Buchstaben trai- niert. Dabei erlernen die Kinder aber nicht die Bewe- gungsdynamik des schnellen, flüssigen Schreibens. (Siehe Abbildung 1) Die Lineatur der dritten Klasse begrenzt die Größe der Buchstaben durch die Vorgabe der Mittellänge, lässt aber individuelle Größen der Ober- und Unterlänge zu. Daraus ergibt sich für uns der Widerspruch, dass die Kinder während des dritten Schuljahrs einerseits zu einer automatisierten, schnellen Schrift finden und sich andererseits der Grammatik und vielfältigen Inhal- ten zuwenden sollen. Gleichzeitig wird weiterhin ver- langt, dass sie formgetreu schreiben. Erst die Lineatur ab der vierten Klasse ermöglicht durch die einfache Grundlinie ein freies Schreiben der Buchstaben in einer individuellen Größe. Entwicklung der individuellen Schrift Maßnahmen zur Entwicklung einer individuellen Schrift werden im Schreibunterricht selten angeboten. Man hofft, dass die Kinder selbst Lösungsmöglichkeiten fin- den, wie sie schneller schreiben können. Vielen gelingt dies in folgender Weise: Sie vereinfa- chen die Buchstabenformen, indem sie diese mehr wie Druckbuchstaben als wie die gelernten Schreib- schriftbuchstaben ausführen. Sie unterbrechen die Schrift an den für sie günstigen Stellen und entwickeln so eine zunehmend individuelle Schrift. Zusätzlich begünstigen diese Unterbrechungen die Entspannung der Muskulatur und ermöglichen ein leichteres Nach- rutschen der Hand. Einige Kinder haben aber Schwierigkeiten und brau- chen für diesen Prozess Anleitung. So ist zu beobach- ten, dass Kinder häufig wegen Störungen der Grafo- und Schreibmotorik und erheblichen Problemen mit dem Schreiben während des dritten Schuljahres in die Ergotherapie kommen. Routiniertes Schreiben Vergleicht man Schulschriften mit Schriften routinierter Schreiber, werden schnell mehrere Unterschiede sicht- bar. Der routinierte Schreiber hat in der Regel viele sei- ner Buchstaben von Schlaufen und komplizierten For- men „abgespeckt“. Er schreibt mit einer individuellen Neigung und mit häufigen Unterbrechungen nach spä- testens 2-3 Buchstaben innerhalb eines Wortes. Anbindungen einzelner Buchstaben wurden individuell gefunden und werden nur dort ausgeführt, wo sie sich aus dem Bewegungsfluss sinnvoll ergeben. Schreibbe- wegung entsteht aus zuvor automatisierten Bewegun- gen ohne direkte visuelle Kontrolle mit einem „gewis- sen“ Tempo. Dr. Marquardt bezeichnet dies als „kinäs- thetisches Lernen“. (Siehe Abbildung 2) Theoretischer Hintergrund Mit Studien anhand eines grafischen Tabletts zur Registrierung der Schrift, das die Bewegungsaspekte wie Geschwindigkeit, Beschleunigung und Druck auf die Unterlage berücksichtigt, konnte Dr. Marquardt nachweisen, dass Kinder durch das Üben von langsa- men Zeichenbewegungen nicht zwangsläufig die Bewegungsdynamik des schnellen Schreibens erler- nen. Für langsames „Buchstaben-Malen“ und das Nach- zeichnen von Buchstaben und Worten sind völlig ande- re Steuerungsprozesse des Gehirns nötig als für das schnelle Schreiben. Flüssig ausgeführte Bewegungen, wie sie für dynami- sches, automatisiertes Schreiben erforderlich sind, Die ergotherapeutische Behand Schreibproblemen nach dem Abbildung 1: 4_2010_3_2009.qxd 02.12.2010 09:17 Seite 18

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Kinder haben nach dem Schriftspracherwerb(Schreiben-Lernen) in der Schule häufig Schwierig-keiten mit dem Schreiben. Sie verkrampfen sich,schreiben zu langsam oder unleserlich, habenkeine Ausdauer oder sind unsicher bei der Wieder-gabe der Buchstabenformen und -verbindungen.Die Schreibbewegung aus Hand- und Fingergelen-ken ist nicht ausreichend koordiniert, der Schreib-fluss nicht rhythmisch und automatisiert. Diese Kinder sind in der Ergotherapie eine beson-dere Herausforderung: bisher gab es kaum passen-de Materialien, die zielgerichtetes Arbeiten ermög-lichten.

Schreiben LernenSchreiben lernen erfolgt in den ersten beiden Grund-schuljahren mit Hilfe von 4 Hilfslinien. Sie legen exaktdie Form und Größe der einzelnen Buchstaben fest.Ebenfalls wird eine leichte Neigung nach rechts vorge-schrieben. Über das Fach „Schönschreiben“ wird lang-sames, formgetreues „Malen“ der Buchstaben trai-niert. Dabei erlernen die Kinder aber nicht die Bewe-gungsdynamik des schnellen, flüssigen Schreibens.(Siehe Abbildung 1)

Die Lineatur der dritten Klasse begrenzt die Größe derBuchstaben durch die Vorgabe der Mittellänge, lässtaber individuelle Größen der Ober- und Unterlänge zu.Daraus ergibt sich für uns der Widerspruch, dass dieKinder während des dritten Schuljahrs einerseits zueiner automatisierten, schnellen Schrift finden undsich andererseits der Grammatik und vielfältigen Inhal-ten zuwenden sollen. Gleichzeitig wird weiterhin ver-langt, dass sie formgetreu schreiben. Erst die Lineatur ab der vierten Klasse ermöglichtdurch die einfache Grundlinie ein freies Schreiben derBuchstaben in einer individuellen Größe.

Entwicklung der individuellen SchriftMaßnahmen zur Entwicklung einer individuellen Schriftwerden im Schreibunterricht selten angeboten. Manhofft, dass die Kinder selbst Lösungsmöglichkeiten fin-den, wie sie schneller schreiben können. Vielen gelingt dies in folgender Weise: Sie vereinfa-chen die Buchstabenformen, indem sie diese mehr

wie Druckbuchstaben als wie die gelernten Schreib-schriftbuchstaben ausführen. Sie unterbrechen dieSchrift an den für sie günstigen Stellen und entwickelnso eine zunehmend individuelle Schrift. Zusätzlichbegünstigen diese Unterbrechungen die Entspannungder Muskulatur und ermöglichen ein leichteres Nach-rutschen der Hand. Einige Kinder haben aber Schwierigkeiten und brau-chen für diesen Prozess Anleitung. So ist zu beobach-ten, dass Kinder häufig wegen Störungen der Grafo-und Schreibmotorik und erheblichen Problemen mitdem Schreiben während des dritten Schuljahres in dieErgotherapie kommen.

Routiniertes SchreibenVergleicht man Schulschriften mit Schriften routinierterSchreiber, werden schnell mehrere Unterschiede sicht-bar. Der routinierte Schreiber hat in der Regel viele sei-ner Buchstaben von Schlaufen und komplizierten For-men „abgespeckt“. Er schreibt mit einer individuellenNeigung und mit häufigen Unterbrechungen nach spä-testens 2-3 Buchstaben innerhalb eines Wortes.Anbindungen einzelner Buchstaben wurden individuellgefunden und werden nur dort ausgeführt, wo sie sichaus dem Bewegungsfluss sinnvoll ergeben. Schreibbe-wegung entsteht aus zuvor automatisierten Bewegun-gen ohne direkte visuelle Kontrolle mit einem „gewis-sen“ Tempo. Dr. Marquardt bezeichnet dies als „kinäs-thetisches Lernen“. (Siehe Abbildung 2)

Theoretischer HintergrundMit Studien anhand eines grafischen Tabletts zurRegistrierung der Schrift, das die Bewegungsaspektewie Geschwindigkeit, Beschleunigung und Druck aufdie Unterlage berücksichtigt, konnte Dr. Marquardtnachweisen, dass Kinder durch das Üben von langsa-men Zeichenbewegungen nicht zwangsläufig dieBewegungsdynamik des schnellen Schreibens erler-nen. Für langsames „Buchstaben-Malen“ und das Nach-zeichnen von Buchstaben und Worten sind völlig ande-re Steuerungsprozesse des Gehirns nötig als für dasschnelle Schreiben. Flüssig ausgeführte Bewegungen, wie sie für dynami-sches, automatisiertes Schreiben erforderlich sind,

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Abbildung 1:

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Von Sabine Pauli und Andrea Kisch, Ergotherapeutinnen

brauchen eine gewisse Mindestgeschwindigkeit. Siewerden als ganzheitliches Muster im motorischenGedächtnis gespeichert und können beim Schreibenwieder abgerufen werden. Deshalb sieht ein Wortgleich aus, unabhängig davon, ob es mit offenen odergeschlossenen Augen geschrieben wird. Werden Buchstabenformen langsam oder, wie Dr.Marquard herausgefunden hat, in Zeitlupe genau abge-fahren, entstehen keine motorischen Muster, die abge-speichert und während des Schreibens wieder abgeru-fen werden können. Darüber leitet sich ab, dass das exakte, visuell gesteu-erte „Malen“ der Buchstaben mit genauem Einhalten

der Begrenzungslinien den schnellen, flüssigenSchreibfluss verhindert. Hinzu kommen die umständ-lichen Buchstabenformen der verbundenen Schrift unddie Anbindung der Buchstaben innerhalb eines Wor-tes, die die Schreibmotorik zusätzlich erschweren. Die Probleme der Kinder bestehen darin, dass sie zwar„ordentlich“, d. h. formgetreu und langsam Buchsta-ben und Worte in die Begrenzungslinien „malen“ kön-nen. Wenn sie allerdings das Schreibtempo steigernsollen, sind sie durch das Einhalten der Linien und diefehlende Möglichkeit, eingespeicherte Bewegungsmu-ster abzurufen, nicht in der Lage, gleichzeitig dieRegeln der Rechtschreibung zu berücksichtigen undsich auf den Inhalt und die Ausführung des Geschrie-benen zu konzentrieren.

Arbeiten mit dem Übungsprogramm„Geschickte Hände zeichnen 3 und 4“Grafomotorische Übungen für Men-schen von 8 – 88 Jahren von Sabine Pauli und Andrea Kisch, verlag modernes lernen, Dortmund

Abbildung 2: Beispiele routinierter, schneller „Vielschreiber“ mit individuellen Buchstaben- anbindungen und Unterbrechungen

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Grafo- und schreibmotorisches TrainingUm flüssiges Schreiben zu erreichen, sollte zunächstdie Basismotorik des Schreibens geübt werden. Dazugehören grundlegende und vielfältige Übungen zur Ver-besserung der Bewegungskoordination sowie der Fein-und Grafomotorik. Um beim Schreiben flüssige, gleichmäßige Bewegun-gen speziell aus dem Handgelenk und den Fingergelen-ken ausführen zu können, bedarf es gezielter Übungenzum Richtungswechsel, zur Größenvariation und zumHerausfinden des individuellen, rhythmisiertenSchreibtempos. Darüber sollten die für die Schreibmo-torik dringend erforderlichen flüssigen, gleichmäßigenBewegungen speziell aus dem Handgelenk und denFingergelenken sowie eine gute Koordination von Bei-dem erreicht werden. Weiterhin sollte das Kind Erfahrungen zur Flächen- undGrößeneinteilung machen und herausfinden, welcheSchriftgröße und Schrägstellung seinen individuellenanatomischen Gegebenheiten und seiner Koordina-tionsfähigkeit am besten entspricht.

Um ein systematisches Training mit betroffenenKindern zu ermöglichen, wurde das Zeichenpro-gramm „Geschickte Hände zeichnen 3 und 4“ fürKinder ab 8 Jahren entwickelt.Das gesamte Übungsprogramm besteht aus folgendenTeilen:❚ Block „Geschickte Hände zeichnen 3“,

Bestell Nr. 1080❚ Block „Geschickte Hände zeichnen 4“,

Bestell Nr. 1082❚ CD-ROM mit Ergänzungen zu Block 3 und 4 und dem

„Ravensburger Erhebungsbogen grafo- und schreib-motorischer Auffälligkeiten“ (RAVEK-S) zur Erfas-sung der Schwierigkeiten von Kindern und Jugend-lichen, Bestell Nr. 1081

❚ Block mit „KIPAS“ ohne Mustervorgabe für das Erarbeiten der individuellen Schriftgröße, Bestell Nr. 1084

Damit liegen Arbeitsmaterialien vor, mit denen diesystematische Förderung von Kindern möglich ist; sieeignen sich ebenfalls für Jugendliche und Erwachsenein der neurologischen Rehabilitation und in der Hand-therapie. Bisher war es jedem Ergotherapeuten überlassen,mehr oder weniger umständlich und zeitraubend Mate-rialien selbst zu erstellen oder auf unspezifischesMaterial zurück zu greifen. Mit diesem neuen grafo-motorischen Übungsmaterial ist nun ein zielgerichte-tes, systematisches Arbeiten leichter möglich. Die Idee, diese Arbeitsmaterialien zu entwickeln, ent-stand aus der jahrelangen Beobachtung und Förderungvon Kindern in der eigenen ergotherapeutischen Praxisund der Notwendigkeit, grafo- und schreibmotorischesÜbungsmaterial für die Arbeit mit Kindern ab 8 Jahren,Jugendliche und Erwachsene zu haben. Unsere Erfah-rungen wurden untermauert durch die Forschungenund deren Veröffentlichungen von Dr. Christian Mar-quardt und Norbert Mai. Während der Entstehungszeit

wurde die Anwendbarkeit kontinuierlich mit Kindern,Jugendlichen und Erwachsenen überprüft.Zur Erfassung der Schwierigkeiten von Kindern undJugendlichen enthält das Programm „GeschickteHände zeichnen 3 und 4“ den umfangreichen „Ravens-burger Erhebungsbogen grafo- und schreibmotorischerAuffälligkeiten“ (RAVEK-S). Dieser besteht aus 3 Teilen, einem Erhebungsbogen fürTherapeuten zum Ankreuzen, sowie Fragebögen fürLehrer und Eltern. Die Bögen bieten die Möglichkeit,übersichtlich die Schwierigkeiten des Kindes zu erfas-sen. Für Therapeuten sind Beobachtungsmöglichkeiten(z. B. Sitzposition, spontane Blatt-/ Heftlage und Stift-haltung) sowie Fragen (z.B. zum Schreibwerkzeug undbei welcher Schrift die Probleme auftreten), aufgeli-stet. Diese Kenntnisse sind Voraussetzung zur Planungund Durchführung einer zielgerichteten Therapie.Der Fragebogen für Eltern, der eine Schweigepflicht-entbindung enthält und der für Lehrer runden die Infor-mationen über die Schreibschwierigkeiten des Kindesab. Der Hauptteil des Zeichenprogramms, die Blöcke„Geschickte Hände 3 und 4“, besteht aus verschiede-nen Arbeitsblättern mit vielfältigen Mustervorgaben.Sie fördern die zur Ausführung der Schreibschrift erfor-derlichen grafomotorischen Kompetenzen, sind syste-matisch aufgebaut und steigen im Schwierigkeitsgradan. Die Übungen zielen auf die Automatisierung derSchreibbewegungen ab, Geläufigkeitsübungen unter-stützen die Dynamisierung der Mal- und Schreibbewe-gung. Sämtliche Arbeitsblätter sind für Rechts- undLinkshänder geleichermaßen geeignet, da das vorge-gebene Motiv in der Mitte oder durchgehend überjedem Übungsteil gut sichtbar ist.Die vorgefertigten Arbeitsblätter erleichtern das syste-matische Arbeiten in der Ergotherapie und können zurVertiefung im häuslichen Umfeld mit gegeben werden.Von einer zusätzlich erhältlichen CD-ROM können Leer-blätter ohne Mustervorgabe ausgedruckt werden,wodurch ein individuelles Arbeiten an den jeweiligenSchwierigkeiten des einzelnen Patienten möglich ist. Für die Rhythmisierungs- und Geläufigkeitsübungensteht der separate Block „KIPAS“ (von Kisch / Pauli)zur Verfügung.

Die einzelnen Teile werden im Folgenden vorgestellt:

„Geschickte Hände zeichnen 3“ Inhalt des 80- seitigen Blocks:Einführender Text über die Arbeit mit dem Programmund die theoretischen Hintergründe. Verkleinerte Darstellung des „Ravensburger Erhebungs-bogen grafo- und schreibmotorischer Auffälligkeiten“(RAVEK-S), der zum Verbrauch in DIN-A4 von derzusätzlich erhältlichen CD-ROM ausgedruckt werdenmuss. 65 Arbeitsblätter mit folgenden Übungsteilen:Die Skalierungsübungen schulen das Einteilen von Flä-chen, das Halten und Ändern von Richtungen und Grö-ßen über die visuelle Kontrolle und die kinästhetische

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Wahrnehmung. Weiterhin wird die Beweglichkeit vonHand- und Fingergelenken gefördert. (Siehe Abbbil-dung 3)

Das Arbeiten in den so genannte KIPAS (nach Kisch /Pauli) gibt eine leichte visuelle Unterstützung, ohne dieindividuelle Schriftgröße wie bei den Liniierungen derSchullinien in den ersten 3 Klassen festzulegen. Derreine Weißbereich entspricht der Linienvorgabe für die3. Klasse. Die fließenden Übergänge zu den Grauberei-chen oben und unten stellen keine exakt einzuhaltendeBegrenzung wie die Liniaturen der Schulhefte dar. Viel-mehr geben sie eine grobe Orientierung und Unterstüt-zung, damit die Kinder ihre individuelle Schriftgrößeherausfinden können.

Beim Arbeiten in den KIPAS soll der einzelne Übendeindividuelle Gestaltungsmöglichkeiten in folgendenBereichen haben: ❚ Leichte Größenabweichungen innerhalb des freien

weißen Bereichs- die gefundene individuelle Muster-und Schriftgröße sollte während der Übungen inetwa beibehalten werden.

❚ Individuelle Größengestaltung der Ober- und Unter-längen.

❚ Leichte individuelle Schrägstellung der Formen nachlinks oder rechts.

❚ Je nach Ausführungsbreite der Einzelmuster solltenbei den zusammenhängenden Mustern 2 oder 3 ver-bunden und dann bewusst unterbrochen werden.Diese Unterbrechungen entsprechen einem Schreib-rhythmus, der flüssiges, schnelles Schreiben ermög-licht. Vor allem für Linkshänder sind diese Unterbre-chungen und ein bewusstes Nachrutschen mit derHand unerlässlich.

❚ In den KIPAS kann auch gezielt in Variationen desTempos gearbeitet werden. Dazu sollen die Musterbewusst `mal verlangsamt und dann beschleunigtwieder gegeben werden. Um flüssig zu schreiben,ist ein „gewisses“ Tempo erforderlich: Bei einem zugeringen Tempo ist die Schrift leicht verzittert, wäh-rend bei einer zu großen Geschwindigkeit nichtrechtzeitig abgebremst werden kann, um die erfor-derlichen Richtungswechsel innerhalb von Buchsta-ben oder Buchstabenverbindungen durchzuführen.(Siehe Abbbildung 4)

Durch die Übungen zur Größenvariation wird das Aus-maß und die zielgerichtete Dosierung der Schreibbe-wegung aus den Fingern verbessert. Nur, wenn dieSchreibbewegungen gut koordiniert und aus der Kom-bination von Handgelenks- und Fingerbewegungenerfolgen, gelingt es, locker, ausdauernd und leserlichzu schreiben. (Siehe Abbbildung 5)

Die Übungen zum Richtungswechsel fördern dieAnpassung und das Bewegungsausmaß des Handge-lenks. So können Handgelenks- und Fingerbewegungin idealer, physiologischer Weise koordiniert werden.(Siehe Abbbildung 6)

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Über die Motivblätter können unterschiedliche grafo-motorische Muster in sämtliche Richtungen geübtwerden. Sie enthalten Muster- / Formenvorgaben undleere Felder zur kreativen Gestaltung. Durch die häufi-ge Wiederholung der einzelnen Muster und Formen inverschiedenen Richtungen steigt die Sicherheit in derWiedergabe. (Siehe Abbbildung 7)

Das als Belohnungssystem konzipierte Glas mit Gum-mibärchen unterstützt Kinder, motivierter zu üben: Fürjedes sorgfältig durchgeführte Arbeitsblatt malt sichdas Kind ein Gummibärchen aus. Wenn das Glas „voll“ist, wird zusammen mit den Eltern eine vorher verein-barte Belohnung eingelöst (z. B. ein Ausflug ohne dieGeschwister oder die Erfüllung eines ersehnten Wun-sches). Weitere Belohnungsblätter befinden sich imBlock4. (Siehe Abbbildung 8)

„Geschickte Hände zeichnen 4“ Der Block enthält auf ca. 64 Seiten Ergänzungen undVariationen zu Block 3 und einen kurzen Einführungs-text. Der Schwerpunkt liegt wie bei Block 3 auf derFörderung von Kindern, die bereits die Schreibschrifterlernt haben, aber wegen grafo- und schreibmotori-scher Probleme unleserlich, zu langsam oder nichtausdauernd schreiben. Der Schwierigkeitsgrad ist teil-weise etwas höher als in Block 3, die Übungen sindebenfalls für Jugendliche und Erwachsene geeignet.

CD-ROM Inhalt der ergänzenden CD-ROM:

„Ravensburger Erhebungsbogen grafo- und schreibmo-torischer Auffälligkeiten“ (RAVEK-S). Er enthält folgen-de 5 Teile:❚ Deckblatt mit Inhalt ❚ Erhebungsbogen für Ergotherapeuten❚ Ballon 3 und 4 mit Auswertungsbogen aus dem

RAVEK (Ravensburger Erhebungsbogen fein- undgrafomotorischer Kompetenzen), verlag moderneslernen, Dortmund.

❚ Fragebogen für Lehrer❚ Fragebogen für Eltern

Arbeitsblätter ohne Mustervorgabe zum Ausdruckenals Ergänzung zu den Zeichenprogrammen „GeschickteHände zeichnen 3 und 4“ zu folgenden Bereichen:

❚ Skalierungsübungen❚ Übungen zur Größenvariation ❚ Übungen zum Richtungswechsel

Block „KIPAS“ (nach Kisch/Pauli) Er enthält ca. 64 Arbeitsblätter ohne Mustervorgabenin 2 Varianten: ❚ Arbeitsblätter mit einer kurzen KIPA über den

Übungsteilen, in welche die zu übenden Buchsta-benverbindungen oder das Muster eingezeichnetwerden kann.

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❚ Arbeitsblätter, die durchgehend mit KIPAS ausgefülltsind.

Damit ist ein sehr individuelles Arbeiten möglich. DerEinsatz der KIPAS im Schulunterricht dient zur Vertie-fung und Automatisierung des Gelernten und unter-stützt den Transfer in den Alltag. In den durchgehen-den KIPAS können auch Texte geschrieben Werden.

Zusammenfassung:Die ergotherapeutische Behandlung von Kindern mitSchreibproblemen nach dem Schriftspracherwerb isteine besondere Herausforderung. Es wird dargestellt,wie Schrift erworben wird, wie es zu Schreibschwie-rigkeiten kommt und wie eine systematische Förde-rung möglich ist. Mit dem umfassenden Übungsprogramm „GeschickteHände zeichnen 3 und 4“ wurde ein umfassendes gra-fomotorische Übungsprogramm für Kinder ab 8 Jahrengeschaffen. Bisher gab es kaum Übungsprogrammefür dieses Arbeitsgebiet.Damit liegen Arbeitsmaterialien vor, mit denen diesystematische Förderung von Kindern, die bereits dieSchreibschrift erlernt haben, aber wegen grafo- undschreibmotorischer Probleme unleserlich, zu langsamoder nicht ausdauernd schreiben, möglich ist. DasMaterial stützt sich auf den theoretischen Hintergrund,die Forschungen und Veröffentlichungen von Dr. Chri-stian Marquardt und Norbert Mai.

Literatur und QuellenDr. Christian Marquardt, Schreibenlernen- so geht`s, Artikel: „Schreibpro-bleme aus Sicht der aktuellen Wissenschaft“ / „Schreibmotorik“, Materia-lien zum Schreibunterricht, Care- line GmbH, Franz Schuster Str. 3, 82061Neuried 2009

Norbert Mai und Christian Marquardt: Schreibtraining in der neurologi-schen Rehabilitation, Borgmann publishing 1999

Norbert Mai und Christian Marquardt: Registrierung und Analyse vonSchreibbewegungen: Fragen an den Schreibunterricht, aus Huber, Kegel,Speck- Hamdan (Hrsg.)- Einblicke in den Schriftspracherwerb, Wester-mann Schulbuchverlag 1998

Norbert Mai: Warum wird Kindern das Schreiben schwer gemacht? ZurAnalyse der Schreibbewegungen, Psychologische Rundschau, 1991

Norbert Mai und Pia Schreiber: Schreibtraining bei Patienten mit cerebra-len Läsionen aus der Zeitschrift praxis ergotherapie Heft 4, Juli 1988

Veröffentlichungen von Sabine Pauli und AndreaKisch im verlag modernes lernen:„Geschickte Hände“ Feinmotorische Übungen für Kinder in spielerischer Form

„Geschickte Hände zeichnen 1 und 2“Zeichenprogramme für Kinder von 5-7 Jahren

„Handgeschicklichkeit bei Kindern“ Spielerische Förderung von 4- 10 Jahren

Artikel „Geschickte Hände“- Handgeschicklichkeit bei Kindern, praxis ergotherapie Heft 2 / 2009

Sabine Pauli / Gerda Leimer: Ergotherapeutische Übungen in der Handtherapie, Verlag modernes lernenDortmund (2010)

Über die Autorinnen:

Sabine Pauli und Andrea Kisch sind seit vielen Jahrenals niedergelassene Ergotherapeutinnen in ihrer eige-nen Praxis tätig. Sie arbeiten überwiegend mit Kin-dern, die Bewegungs- und Wahrnehmungsstörungen,eine unklare Händigkeit, sowie fein-, grafo- undschreibmotorische Auffälligkeiten haben.Als zertifizierte Erwachsenenbildnerinnen sind sie seitlangem bundesweit in der Erwachsenenbildung mitihren Kursen tätig. Sie sind Autorinnen mehrerer Fach-bücher und Elternratgeber. A. Kisch ist zertifizierteLinkshänderberaterin nach Dr. B. J. Sattler. Infos über Fortbildungen zum Thema Handgeschick -lichkeit, Fein-, Grafo- und Schreibmotorik: www.ergo-therapie-ravensburg.deKontakt: [email protected]

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Sabine Pauli Andrea Kisch

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