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Zeitschrifi fur anorganische 4 und allgemeine Chemie Band 312 November l%l Heft 5-6, S. 277-764 Die Hydrate der Hexachloroplatinsaure Von G. BRAUER und G. DUSING~) Mit 1 Abbildung Professor Leopold Wolf zurn 65. Ceburtstage am 23. November 1961 gewidmet Inhaltsubersieht Dumh tensimetrischen Abbau wird festgestellt, daB auBer dem handelsiiblichen Hexa- hydrat der Hexachloroplatinsiiure noch ein Tetrahydrat und ein Dihydrat als selb- stiindige Phasen existieren. Es besteht keine Isomorphie zwischen dem Dihydrat und dem Ammoniumsalz der %we. - Ein in der Literatur vorhandener Widerspruch uber die Zerse t zungstemperatur des Platin (IV) -chlorids wird gekliirt . Summary By vapour pressure measurements it is found that a tetrahydrate and a dihydrate of hexachloroplatinic acid exist as special phases besides the commercial hexahydrate. There is no isomorphism between the dihydrate and the ammonium salt of the acid. - A con- tradiction preaent in the literature concerning the decompositiontemperature of platinum tetrachloride is elucidated. Ein in der Literatur erwahntes Dihydrat der als sehr stark bekannten Hexachloroplatinsaure, H,PtCl,, muJ3 als Dihydroxoniumsalz aufge- faBt werden2). Es konnte daher eine Isomorphie dieses Hydrats mit dem Ammoniumsalz derselben Saiure erwartet werden, in Analogie zu dem bekannten Fall bei der Perchlorsaure3). Wir fanden, daB diese Iso- morphie nicht besteht, sammelten aber bei dieser Untersuchung Er- fahrungen uber die Hydrate der Hexachloroplatinsaure und teilen diese hier mit. Hinweise auf die Existenz niederer Hydrate der Chloroplatinsiiure finden sich in der Literatur mehrfach. So erhielten PIGEON^) (1890) 1) Auszug aus der Diplomarbeit G. DUSINQ, Freiburg/Brsg. 1960. 2) J. A. S. SMITH u. R. E. RICHAEDS, Trans. Faraday SOC. 48, 307 (1952). 8) M. VOLMER. Liebigs Ann. Chem. 440. 200 (1924). 4) L. PIQEOH, C. R. hebd. SBances Acad. Sci. 110, 77 (1890). Z. anorg. sllg. Chemie. Bd. 312. 16

Die Hydrate der Hexachloroplatinsäure

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Zeitschrifi fur anorganische 4 und allgemeine Chemie Band 312 November l%l Heft 5-6, S. 277-764

Die Hydrate der Hexachloroplatinsaure

Von G. BRAUER und G. DUSING~)

Mit 1 Abbildung

Professor Leopold Wolf zurn 65. Ceburtstage am 23. November 1961 gewidmet

Inhaltsubersieht Dumh tensimetrischen Abbau wird festgestellt, daB auBer dem handelsiiblichen Hexa-

hydrat der Hexachloroplatinsiiure noch ein Tetrahydrat und ein Dihydrat als selb- stiindige Phasen existieren. Es besteht keine Isomorphie zwischen dem Dihydrat und dem Ammoniumsalz der %we. - Ein in der Literatur vorhandener Widerspruch uber die Zerse t zungstemperatur des Platin (IV) -chlorids wird gekliirt .

Summary By vapour pressure measurements it is found that a tetrahydrate and a dihydrate of

hexachloroplatinic acid exist as special phases besides the commercial hexahydrate. There is no isomorphism between the dihydrate and the ammonium salt of the acid. - A con- tradiction preaent in the literature concerning the decomposition temperature of platinum tetrachloride is elucidated.

Ein in der Literatur erwahntes Dihydrat der als sehr stark bekannten Hexachloroplatinsaure, H,PtCl,, muJ3 als Dihydroxoniumsalz aufge- faBt werden2). Es konnte daher eine Isomorphie dieses Hydrats mit dem Ammoniumsalz derselben Saiure erwartet werden, in Analogie zu dem bekannten Fall bei der Perchlorsaure3). Wir fanden, daB diese Iso- morphie nicht besteht, sammelten aber bei dieser Untersuchung Er- fahrungen uber die Hydrate der Hexachloroplatinsaure und teilen diese hier mit.

Hinweise auf die Existenz niederer Hydrate der Chloroplatinsiiure finden sich in der Literatur mehrfach. So erhielten PIGEON^) (1890)

1) Auszug aus der Diplomarbeit G. DUSINQ, Freiburg/Brsg. 1960. 2) J. A. S. SMITH u. R. E. RICHAEDS, Trans. Faraday SOC. 48, 307 (1952). 8 ) M. VOLMER. Liebigs Ann. Chem. 440. 200 (1924). 4) L. PIQEOH, C. R. hebd. SBances Acad. Sci. 110, 77 (1890).

Z. anorg. sllg. Chemie. Bd. 312. 16

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sowie GUTBIER und HEINRICH5) (1913) durch Aufbewahren des Hexa- hydrats ,,bei mal3iger Temperatur im Vakuum" uber Kaliumhydroxyd ein wasserarmeres Produkt, das als Dihydrat angesprochen wurde, und aus konzentrierter wasseriger Losung gewann PIGEON 6, (1891) durcli Fallen mit konzentrierter Schwefelsaure eine Substanz mit derzusammen- setzung des Tetrahydrats.

Das fur unsere Versuche benutzte Chloroplatinsaure-Hexahydrat wurde durch Eindampfen der salzsauren, nitratfreien wasserigen Losung bei 100 "C bis zum berechneten Gewicht hergestellt, durch Abkuhlen auskristallisiert und uber Schwefelsiure aufbewahrt. Wenn wir dies Hexahydrat nach PIGEON 4, uber Kaliumhydroxyd bei 55 "C und 1 2 Torr erwarmten, so nahm das Gewicht zwar innerhalb einiger Tage etwa uni den Betrag ab, der fur die Bildung des Dihydrats zu erwarten ist, eins anschliel3ende Analyse zeigte aber, daJ3 dabei gleichzeitig der Komplex teilweise hydrolysierte. Fur das Atomverhaltnis C1: Pt wurden namlich Werte zwischen 5,2 und 5,6 gefunden gegenuber 6,O beim Ausgangs- produkt. Dagegen bleibt der Komplex jntakt, wenn man bei 55 "C und 1 Tom arbeitet und den abgegebenen Wasserdampf an Phosphorpentoxyd bindet oder mit flussigem Stickstoff ausfriert. In diesem Falle ist das Endprodukt der Entwasserung tatsachlich das Dihydrat. Die abde- stillierte Wassermenge wurde mit KARL-FISCHER-Losung titriert und das Ergebnis mit dem Gewichtsverlust der Saure verglichen.

Wahrend des Entwasserungsvorgangs wurde nun noch der Wasser- dampfdruck uber dem Hydratgemisch gemessen. Dazu benutzten wir ein Gerat, das ahnlich dem Tensieu- diometer von HUTTIC 7) konstruiert Dampfdruch

[Torrl 4 war, Dabei wurde der Druck mit einem Warmeleitfahigkeitsmanometer ge- messen, das zuvor mit Hilfe der be- kannten Dampfdruckkurve des Eises auf Wasserdampf geeicht worden war. Das abgegebene Wasser wurde durch Tiefkuhlung aufgefangen und am 42 1 I I

SchluB titriert und die Gewichtsab- 4 1 6 5 4 3 2

suchs laufend uberwacht.

denen Temperaturen aufgenommenen

I 60°C

nahme der Probe wahrend des Ver- H,O P f

Abb. 1 Tensimetrische Hydratabbau- Abb* zeigt die drei bei versehie- Isothermen der Hexachloro~latinsiiure

5) A. GUTBI~R u. F. HEINRICH, Z. anorg. allg. Chem. 81, 380 (1913). 6) L. PIGEON, C. R. hebd. SPiances Acad. Sci. 112, 1219 (1891). 7) G. F.Hiimc, Z. anorg. allg. Chem. 114, 161 (1920).

G. BRAUER u. Q. Diismu, Die Hydrate der Hexachloropletinsiiure 235

Dampfdruckisothermen des tensimetrischen Abbaus. Da das Dihydrat offenbar das am scharfsten reproduzierbare Produkt dieser Hydratreihe ist, wurde seine Zusammensetzung und nicht die des Hexahydrats zum Fixpunkt der Abszissenskala gewahlt. Im Verlaufe der Kurven ist eine deutliche Stufe bei 4 H,O: 1 Pt nicht zu verkennen, wenn sich auch Hexa- und Tetrahydrat in ihren Zersetzungsdrucken nur wenig unter- scheiden. Es scheint uns also bewiesen zu sein, da8 die Hexachloro- platinsaure ein Hexa-, ein Tetra- und ein Dihydrat bildet.

Wahrend sich das Dihydrat nicht unzersetzt schmelzen lafit, wurde der Schmelzpunkt einer bei einem weiteren Abbauversuch entnommenen Probe des Tetrahydrats im geschlossenen Rohr xu 92 "C gefunden. - Das Tetrahydrat nach der von PIGEON 6 ) angegebenen Methode darzu- stellen, gelang nicht, da die anhaftende Schwefelsaure durch das emp- fohlene Abpressen nicht entfernt werden konnte.

Zur Charakterisierung wurden von allen drei Hydraten DEBYE- SCHERRER-Diagramme aufgenommen. Sie sind alle recht kompliziert und untereinander sowie von dem des Ammoniumchloroplatinats durch- aus verschieden. Isomorphie zwischen dem Ammonium- und Hydroxo- niumsalz besteht also nicht.

Versuche, den gesamten Wassergehalt einzelner Hydratstufen durch thermische Zersetzung unter Normaldruck und bei hoherer Temperatur zu erfassen, erschienen nicht erfolgversprechend, weil dabei auch mit einer Abspaltung von Chlor gerechnet werden mul3te. Nach WOHLER und MARTIN~) spaltet Platin(1V)-chlorid bei 160 "C im Kohlendioxyd- strom langsam Chlor ab ; dagegen berichten RaANCHOT und LEHMANN 9,

von einer Zersetzungstemperatur im Stickstoffstrom bei 360 "C. Es fallt auf, dal3 nach anderen AutorenlO) 11) die Zersetzungstemperatur des Platin(1V)-chlorids im Chlorstrom bei 360 "C liegt. Da sich aus diesen Angaben kein klares Bild uber die thermische Chlorabspaltung gewinnen lafit, erhitzten wir Chloroplatinsaure-Hexahydrat sehr langsam einmal im Kohlendioxydstrom, ein anderesmal im Stickstoffstrom und be- nutzten eine Kaliumjodid- Starke-Losung als chloranxeigende Vorlage. In beiden Fallen wurde fur den Beginn der Chlorabgabe recht genau reproduzierbar eine Temperatur von 162 "C gefunden, was mit der

8) L.WOHLER u. F.MARTIN, Ber. dtsch. chem. Ges. 42, 3958 (1909). S) W. MANCHOT u. G. LEHMANN, Ber. dtsch. chem. Ges. 63, 1222 (1930). ID) L. PIGEON, C. R. hebd. S6ances Acad. Sci. 108, 1011 (1889). 11) L. WOHLER u. S. STREICHER, Ber. dtsch. chem. Ces. 46, 1692 (1913).

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236 Zeitsehrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 312. 1961

Angabe von WOHLER und MARTIN fiir PtCI, ubereinstimmt. Die Angabe von MANCHOT und LEHMANN scheint somit auf einern Irrtum zu beruhen.

Freiburg i. Br., Chemisches Laboratorium der Uniuersitiit.

Bei der Redaktion eingegangen am 13. Mai 1961.