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1 Die Interaktion von Emotion und Kognition: Die Beziehung zwischen der menschlichen Amygdala und dem kognitiven Bewusstsein Elizabeth A. Phelps Zusammengefasst von: Sabrina Huth (0647387) Livia Tomova (0400323) Informationen zur Autorin: Quelle:http://www.psych.nyu.edu/phelpslab/pages/liz.html(31.10.2007) Dr. Elizabeth Phelps Lab Director ,New York University ,Department of Psychology Die Forschung des New Yorker Phelps Lab konzentriert sich auf das menschliche Gedächtnis sowie Lernen und dessen Verbindungen zu Emotionen. Die angewendeten Forschungsmethoden sind: Verhaltensforschung psychophysiologische Reaktionen

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Die Interaktion von Emotion und Kognition:

Die Beziehung zwischen der menschlichen Amygdala und dem

kognitiven Bewusstsein

Elizabeth A. Phelps

Zusammengefasst von:

Sabrina Huth (0647387)

Livia Tomova (0400323)

Informationen zur Autorin:

Quelle:http://www.psych.nyu.edu/phelpslab/pages/liz.html(31.10.2007)

Dr. Elizabeth Phelps Lab Director ,New York University ,Department of Psychology

Die Forschung des New Yorker Phelps Lab konzentriert sich auf das menschliche Gedächtnis

sowie Lernen und dessen Verbindungen zu Emotionen.

Die angewendeten Forschungsmethoden sind:

• Verhaltensforschung

• psychophysiologische Reaktionen

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• Erforschung von Patienten mit Gehirn- Läsionen

• fMRI (=functional magnetic resonance imaging)

Einleitung:

Studien über die Amygdala, eine subkortikale Gehirnstruktur, auch Mandelkern genannt,

haben in den letzten Jahrzehnten die Debatte, ob Emotionen ohne kognitives Bewusstsein

auftreten können, stark beeinflusst.

Die Amygdala ist ein Teil des limbischen Systems, zu dem auch Strukturen wie der Thalamus

und der Hypothalamus gehören, und befindet sich im vorderen Abschnitt des

Temporallappens. Sie ist ein zentraler Faktor bei der Entstehung und beim Ausdruck von

Emotionen, besonders von Furcht und Angst.

Amygdala: Das limbische System:

Quelle: http://www.neilslade.com/chart.html ( 31.10.2007) Quelle: http://www.ruhr-uni-

bochum.de/biopsyseminare/data/studentenprojekte/

seminar-lernen_ws0102/Ltp_1712/LTP/limbsys.GIF (31.10.2007)

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Quelle: http://www.noromed.com.tr/files images/contentImages/beyin_yapi_bozuk/

temporal/image002.jpg/(01.11.2007)

Das limbische System ist entwicklungsgeschichtlich eine alte Gehirnstruktur, man spricht

hierbei auch von „Reptiliengehirn“, da man diese Strukturen bereits (in einfacher Form) bei

Reptilien vorfinden kann.

Man kann die Amygdala in 3 Hauptabschnitte gliedern:

•basolateraler Kern (erhält vom Kortex die kognitive Bewertung und Analyse der

sensorischen Reize und gibt die Information mit einer emotionalen „Markierung“ dorthin

zurück)

•olfaktorischer Kern (hat Verbindungen zum Geruchskortex)

•zentromedialer Kern (wird auch als „erweiterte Amygdala“ bezeichnet und steuert die

endokrinen, autonomen und motorischen Anteile emotionaler Reaktionen)

Außerdem ist die Amygdala auch ein Modulator für aggressives Verhalten, da ohne Erlernen

antizipatorischer Angst Aggressionstendenzen nicht gehemmt werden. (z.b. bei kriminellen

Psychopathen).

Die Amygdala: Erkenntnisse aus der Forschung mit Tieren

Heinrich Klüver 1897-1979 Paul C. Bucy 1904-1993

Quelle: http://www.nap.edu/readingroom/ Quelle:http://www.societyns.org/society/biophoto/

books/biomems/photo/hkluver.JPG (02.11.2007) bucy_paul.jpg(02.11.2007)

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Am Beginn stand die Forschung von Kluver und Bucy (1939, zit. n. Phelps, 2005), welche als

erste Affen, deren medialer Temporallappen zerstört war, untersuchten. Diese litten an einem

Phänomen, das als „psychic blindness“ (= „Seelenblindheit“ = Störung des Erkennens trotz

ungestörter Funktion des entsprechenden Sinnesorgans) beschrieben wurde, und heute als das

Kluver-Bucy Syndrom bekannt ist.

Die Affen zeigten abnorme, emotionale Reaktionen, z.B. Annäherung und Beschäftigung mit

Stimuli, die normalerweise gefürchtet und gemieden werden. Auch hatten sie die Fähigkeit

Belohnung und Bestrafung mit Stimuli zu assoziieren verloren.

Eine adäquate Reaktion in einer sozialen Situation setzt die korrekte Interpretation des

emotionalen Ausdrucks (z.B. Gesichtsausdruck, Prosodie,...) voraus. Eine Unfähigkeit

emotionale Reize zutreffend zu erkennen, kann zu fehlerhaften Einschätzungen der Situation

und somit zu unangemessenem Verhalten führen.

Aber erst 20 Jahre später konnte Weiskrantz (1956, zit. n. Phelps, 2005) beweisen, dass dieses

untypische Verhalten auf die Zerstörung der Amygdala zurückzuführen ist.

Jüngere Tierforschung (Davis, 1992; Kapp, Pascoe, Bixler, 1984; LeDoux, 1992, zit. n.

Phelps, 2005) betont die wichtige Rolle der Amygdala bei emotionalem Lernen und

Gedächtnis.

Das Paradigma, welches hierfür verwendet wird, heißt „fear conditioning“. Hierbei wird ein

neutraler Stimulus mit einem aversiven Erlebnis gekoppelt. (z.B. Ton in Verbindung mit

Elektroschock). Diese Studien zeigten die zentrale Rolle der Amygdala bei Erwerb und

Ausdruck von Angstreaktionen.

Beispiel eines „fear conditioning“-Versuchaufbaus:

Der Ton aus dem Lautsprecher wird gleichzeitig mit einem

Elektroschock dargeboten. Nach mehrmaliger Wiederholung

genügt schließlich der Ton alleine um eine Angstreaktion beim

Versuchstier auszulösen.

Quelle:http://sciam.com/media/inline/0003F9CF-5487-1C75-9B81809EC588EF21_arch2.gif(03.11.2007)

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Außerdem konnte herausgefunden werden, dass die Informationsverarbeitung auf

subkortikaler oder kortikaler Ebene erfolgen kann und dass bei Ausfall von einem der

Wege der andere ausreicht um Angstreaktionen auszulösen.

Auf subkortikaler Ebene werden Reaktionen schnell und stereotyp über die thalamo-

amygdalären Verbindungen erzeugt. Die sensorische Information ist nur schemenhaft und auf

den biologischen Sachverhalt reduziert (z.B. grobe Konturen einer Schlange).

Auf kortikaler Ebene kommt die Information aus dem Kortex zwar langsamer, dafür aber

präziser zur Amygdala.

Quelle: http://www.annebaring.com/images/amygdala_black.jpg(02.11.2007)

Weitere Ergebnisse aus der Tierforschung waren, dass die Amygdala die Funktionen des

Gedächtnissystems modulieren kann, besonders die des deklarativen (=bewusstes (explizites)

Wissen von Fakten) und episodischen (=autobiografisches Gedächtnis; Ereignisse aus der

eigenen Vergangenheit) Gedächtnisses, für die der Hippokampus zuständig ist.

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Quelle:http://ahsmail.uwaterloo.ca/kin356/ltm/images /amygdala_hippocampus_lateral_large.jpg(31.10.2007)

Man konnte zeigen, dass bei einem höher erregten Tier die Speicherung in diesen

Gedächtnissystemen (deklarativ/episodisch) erhöht ist. Ereignisse, die emotionale Reaktionen

hervorrufen, werden also besser gespeichert als neutrale.

Die untere Grafik stellt die Gehirnareale, die für Gedächtnis und Erinnerung zentral sind, dar.

Die Amygdala spielt hierbei eine zentrale Rolle.

Quelle: http://www.neuro24.de/amygdala.jpg (03.11.2007)

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Die Amygdala und die konditionierte Angst beim Menschen

Prozesse zur Konditionierung von Angst werden beim Menschen relativ ähnlich angelegt wie

im Tierversuch. Ein neutraler Stimulus (z.B. ein blaues Quadrat) wird mit einem aversiven

Erlebnis gepaart (z.B. leichter elektrischer Schock auf das Handgelenk) während die SCR

(skin conductance response(= Hautleitfähigkeit)→ Hängt mit der Schweißproduktion

zusammen und steigt mit dem Ausmaß der Erregung eines Menschen. Sie wird als

zuverlässiges Maß für physiologische Aktivierung benutzt) gemessen wird. Nach einigen

Durchgängen kann schließlich eine erhöhte SCR beim Präsentieren des Quadrates alleine

gemessen werden.

Bei Experimenten, in denen das fear conditioning-Paradigma und zusätzlich ein fMRI

(functional magnetic resonance imaging → aktive Hirnareale werden sichtbar) angewendet

wurde, konnte gezeigt werden, dass die Amygdala erhöhte Aktivierung beim konditionierten

Stimulus aufweist.

Patienten mit Schädigungen der Amygdala zeigten keine konditionierte Reaktion bei diesem

Paradigma. Die Patienten konnten zwar durchaus einen Zusammenhang zwischen den beiden

Reizen herstellen und berichteten auch, dass sie wussten, dass nach dem blauen Quadrat ein

Elektroschock folgen würde, konnten dieses Lernen aber nicht durch eine physiologische

Reaktion ausdrücken. Dies stützt die Konklusion, dass die Amygdala zentral ist für den

Erwerb und Ausdruck von Angstreaktionen.

fMRI Activation of the Amygdala in response to Fearful-Neutral Stimuli.

fMRI: Elizabeth. A. Phelps mit Vp Quelle: http://www.biotech.sunysb.edu/_img/ibrp/lmujica-

Quelle: http://www.psych.nyu.edu/phelpslab/(31.10.2007) parodi.jpg(03.11.2007)

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Bechara et al.(1995, zit. n. Phelps, 2005) führten ein ähnliches Experiment mit Patienten,

deren Amygdala beschädigt war, und mit Patienten, die Schädigungen des Hippokampus

erlitten haben und an Amnesie litten, durch.

Die Ergebnisse zeigten, dass Patienten mit Hippokampus- Schädigungen genau umgekehrte

Reaktionen äußerten. Bei ihnen konnte eine normale erhöhte SCR gemessen werden,

allerdings hatten die Patienten keine bewusste Erinnerung an das Paradigma und konnten

keine Beziehung zwischen den beiden Stimuli wiedergeben.

Die geschilderten Resultate lassen darauf schließen, dass bei „fear conditioning“ die

Amygdala und das hippokampische Gedächtnis gleichzeitig, aber unabhängig voneinander

arbeiten.

Die Amygdala verbindet die automatischen, physiologischen Reaktionen, die bei Emotionen

auftreten, mit dem konditionierten Stimulus, während der Hippokampus die verschiedenen

Relationen kodiert, die nötig sind um das „fear conditioning“- Paradigma kognitiv zu

verstehen.

Eine weitere Erkenntnis bei der Forschung mit Menschen ist, dass Menschen mit beschädigter

Amygdala keine Beeinträchtigung emotionaler Reaktionen wie die Affen mit Kluver-Bucy-

Syndrom aufweisen.

Dies liegt wahrscheinlich daran, dass bei Menschen das kognitive Verstehen von

Beziehungen zwischen Stimuli und ihrer potentiell aversiven Konsequenzen, ausreichend ist

um in den meisten Situationen richtig zu handeln. Tiere dagegen können ohne physiologische

Indikatoren nicht unterscheiden, welche Stimuli oder Situationen sie vermeiden sollten und

welche nicht.

Beim Klüver-Bucy-Syndrom bei Menschen sind die klinischen Beobachtungen der Symptome

unter anderen:

-Hypertonie (= erhöhter Spannungszustand)

-Tachykardie (=anhaltende Pulsbeschleunigung)

-Aggressivität und dranghafte Vokalisationen

-bulimische Drangzustände mit starkem Gewichtsanstieg

-sexuelle Störungen, vor allem in Form von dranghaftem Onanieren und übersteigertem

Sexualtrieb

-fehlende emotionale Empathie

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Der Einfluss des kognitiven Bewusstseins auf das Amygdala/Emotionen System:

Instructed Fear

Eine wesentliche adaptive Funktion von Emotionen liegt darin, zukünftige Interaktionen

zwischen einem Individuum und den Reizen seiner Umwelt, die mit bestimmten emotionalen

Reaktionen verknüpft sind, zu beeinflussen. (Phelps, 2006) Welche neurowissenschaftlichen

Prinzipien emotionalem Lernen zugrunde liegen, wurde im vorangegangen Abschnitt anhand

der Forschungsmethode „fear conditioning“ erläutert.

Jedoch können Menschen nicht nur durch direkte Erfahrungen lernen, sondern ebenso durch

Instruktion und verbale Kommunikation. Diese Fähigkeit scheint einzigartig für die Spezies

Mensch zu sein. So können mögliche Gefahrensituationen oftmals aufgrund von mündlichen

Warnungen gemieden werden (Phelps, 2006).

Ein anschauliches Beispiel ist die Entstehung der Angst vor einem Hund aus der

Nachbarschaft. Diese kann sich zum einen durch eine direkte schmerzhafte Erfahrung, wie

einen unerwarteten Biss, entwickeln. Zum anderen ebenfalls dadurch, dass man von einem

Übergriff auf eine andere Person gehört hat. In letzterem Fall besteht keine direkte

Verbindung zwischen dem Hund und einem unangenehmen Ereignis. Anstatt dessen wird der

Hund mit einer potentiell negativen Erfahrung assoziiert, die zu einer kognitiven

Repräsentation der antizipierten Bedrohung durch den Stimulus führt. (Phelps, 2005)

Dieses Forschungsparadigma wird als „instructed fear“ bezeichnet und rückt im aktuellen

wissenschaftlichen Diskurs immer stärker ins Blickfeld, da es eine entscheidende Rolle bei

alltäglichen emotionalen Lernprozessen des Menschen spielt.

Wie bereits erwähnt, ist der Erwerb von Kenntnissen über die Beziehung zwischen

Ereignissen, welche für die bewusste Erinnerung und das Bewusstsein verfügbar sind,

abhängig von einer Struktur des limbischen Systems, dem Hippokampus. Dieser ist

wesentlich an der Verarbeitung expliziter Erinnerungen für die endgültige Speicherung

beteiligt (Pauli, S.389). Patienten die über einen intakten Hippokampus verfügen, jedoch an

einer Läsion der Amygdala leiden, sind dennoch in der Lage ein kognitives Verständnis

emotionaler Konsequenzen von Stimuli zu erwerben und Erinnerungen wachzurufen.

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Allerdings stellt sich die Frage, inwiefern die Amygdala an diesen neuronalen Prozessen

beteiligt ist und eine kritische Rolle bei der Beeinflussung kognitiver Funktionen in

Verbindung mit emotionalen Stimuli spielt.

In einem Versuch von Elizabeth A. Phelps und Kollegen (2001, zit. n. Phelps, 2005) wurden

die Versuchspersonen vor Versuchsbeginn darüber informiert, dass sie beim Erscheinen eines

blauen Quadrates möglicherweise einen elektrischen Schock am Handgelenk erhalten. Die

Auswirkungen der antizipierten Vorstellung eines potentiellen Schmerzes wurden zum einen

durch die Ableitung des Hautwiderstandes(SCR) und zum anderen durch das fMRI Verfahren

gemessen. Hierbei wurde sowohl eine erhöhte Erregung als auch eine gesteigerte Aktivierung

der Amygdala beobachtet, welche in ihrem Ausmaß miteinander korrelierten.

In einer weiterführenden Studie von Funayama, Grillon, Davis und Phelps (2001, zit. n.

Phelps, 2005) wurden in einem kongruenten Versuchsaufbau die Reaktionen von Patienten

mit Schädigungen der Amygdala untersucht. Obwohl die Versuchspersonen explizit wussten,

dass das Erscheinen des blauen Quadrates einen potentiellen Schock verursachen könnte,

spiegelten ihre physischen Reaktionen dieses Bewusstsein nicht wider.

Anhand der geschilderten Studien liegen folgende Annahmen über die Beziehung zwischen

kognitivem Bewusstsein und der Amygdala nahe:

Die Amygdala reagiert bei Bewusstsein und Verständnis möglicher emotionaler

Konsequenzen eines aversiven Reizes auch in Abwesenheit einer direkten Erfahrung mit einer

verstärkten Aktivierung. Jedoch spielt sie beim Erwerb der konditionierten Angst durch

Instruktion, nur eine untergeordnete Rolle. Dadurch sind Patienten mit einer geschädigten

Amygdala zwar in der Lage, sich dieses kognitive Wissen anzueignen, zeigen jedoch keine

messbaren, physischen Reaktionen. Die Funktion der neuronalen Substrate der Amygdala

besteht hauptsächlich in der Modulation und im Ausdruck physischer Reaktionen hinsichtlich

gelernter aversiver Reize.

In beiden Forschungsansätzen -„fear conditioning“ und „instructed fear“- wurde eine erhöhte

Aktivität der Amygdala beobachtet, die mit der Stärke der Angstreaktion korreliert und mit

voranschreitender Zeit in ihrem Ausmaß abnimmt.

Neben dieser grundlegenden Gemeinsamkeit gibt es auch Unterschiede zwischen den eben

genannten Forschungsparadigmen.

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So zeigen neuere Studien eine unterschiedliche Stimulation der Amygdala. Bewirkt „fear

conditioning“ eine gesteigerte Aktivität der rechten Amygdala, so lässt sich in den

bildgebenden Verfahren bei „instructed fear“ eine verstärkte Aktivität der linken Amygdala

beobachten.(Phelps et al., 2001)

Eine mögliche Ursache könnte in der Qualität der gelernten Stimuli sowie der erzeugten

Repräsentationen liegen.

„Instructed fear“ moduliert eine Angstreaktion, wenn mögliche unangenehme Merkmale eines

Stimulus oder einer Situation durch verbale Kommunikation erworben wurden. Bei diesem

kognitiven Vorgang muss eine mentale Repräsentation erzeugt werden, da der Reiz in der

unmittelbaren Umwelt nicht existent ist. Die Versuchspersonen sind sich somit der aversiven

Natur des Stimulus bewusst.

„Conditioned fear“ moduliert hingegen eine Angstreaktion, sofern aversive Merkmale visuell

wahrgenommen werden. Diese erwecken augenblicklich eine negative kognitive

Repräsentation, die unabhängig von Elaboration entsteht. Die Versuchspersonen erwerben

erst nach einigen Durchgängen ein Bewusstsein für die aversive Natur des Stimulus und

verknüpfen daraufhin ein unangenehmes Ereignis mit dem ursprünglich neutralen Reiz.

Dessen ungeachtet findet kein Wechsel der Aktivität von der rechten zur linken Amygdala

statt (Phelps, et al., 2001).

Der Einfluss des Amygdala/Emotionen Systems auf das kognitive Bewusstsein:

„An impression may be so exciting emotionally as almost to leave a scar upon the cerebral

tissues” (James, 1890, S.670, zit. n. Phelps, 2006)

Dieses Zitat von William James, einem bedeutenden Philosophen und Psychologen, der im

Jahre 1890 die einflussreiche Schrift „Principles of Psychology“ veröffentlichte, verdeutlicht

die weit verbreitete Meinung, dass emotionale Erfahrungen eine „Narbe im zerebralen

Gewebe“ hinterlassen und deswegen leichter abzurufen sind.

Blickt man zurück auf die eigene Vergangenheit, so werden Erinnerungen an lebhafte,

bedeutende oder stark emotional gefärbte Erlebnisse, wie etwa der erste Schultag oder der

erste Kuss, wach und erzeugen ein detailgetreues Bild der damaligen Situation. Versucht man

sich jedoch an belanglosere Erlebnisse, wie das Mittagsmenü der letzten Woche zu erinnern,

so bereitet dies den meisten Personen erhebliche Schwierigkeiten, obwohl sie zu jenem

Zeitpunkt das Ereignis bewusst wahr genommen haben.

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Doch inwiefern wirken sich Emotionen auf die Enkodierung, Speicherung und den Abruf von

Gedächtnisinhalten aus?

Untersuchungen des aktiven Gehirns anhand bildgebender Verfahren zeigen, dass neue,

explizite Erinnerungen zur Speicherung durch eine am medialen Rand des cerebralen Cortex

gelegene Struktur des limbischen Systems, den Hippocampus, geleitet werden. Bei

bewussten Abrufen von deklarativem Wissen weist dieser eine erhöhte Aktivität auf (Meyers,

2005, S.389). Ebenso nehmen die beiden mandelförmigen Neuronencluster, die Amygdala,

bei der Verarbeitung von Emotionen eine wichtige Rolle ein. Durch den Einfluss der

Amygdala können drei verschiedene Komponenten des episodischen Gedächtnisses

manipuliert werden (Phelps, 2006):

•die Enkodierung

•die Konsolidierung

•die subjektive Bedeutung der Erinnerung

Die Modulation der perzeptuellen Enkodierung

„Rund um die Uhr wird unser Körper mit Reizen bombardiert. Gleichzeitig driftet unser

Gehirn in einer stillen, abgeschirmten inneren Welt in völliger Dunkelheit dahin.“(Meyers,

2005, S.204)

In unserer Umwelt werden wir jederzeit mit beinahe unendlich vielen sensorischen Reizen

konfrontiert. Jedoch können wir nur einen Bruchteil dieser Sinneseindrücke aufnehmen und

für unser Bewusstsein verfügbar machen. Wie durch einen Filter wird die einströmende

„Informationsflut“ selektiert, sodass nur ein kleiner Teil das Bewusstsein erreicht und

kognitiv weiterverarbeitet wird. Die Funktion des Filters übernimmt die selektive

Aufmerksamkeit. Schon frühe Untersuchungen (Moray, 1959, zit. n. Phelps, 2005) zeigen,

dass wir diese bevorzugt auf bedeutsame und wichtige Informationen richten. „Ein weiteres

Beispiel (...) ist der sogenannte Cocktailpartyeffekt. Darunter versteht man die Fähigkeit,

sich im Stimmengewirr selektiv auf nur eine Stimme zu konzentrieren.“(Meyers, 2005, S.247)

Eine Vielzahl von Studien (Niedenthal & Kitayama, 1994, zit. n. Phelps, 2005) bestätigen die

Annahme, dass Aufmerksamkeit und Bewusstsein vom emotionalen Gehalt eines Stimulus

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gelenkt werden. Wenn also emotionale Reize leichter in unser Bewusstsein eindringen, dann

muss die emotionale Bedeutung bereits vor dem Eingang ins Bewusstsein verarbeitet werden.

Nach Murphy und Zajonc (1993, zit. n. Phelps, 2005) beeinflussen emotionale

Gesichtsausdrücke, die zu kurz präsentiert wurden um bewusst wahrgenommen und eindeutig

identifiziert zu werden, die anschließende Beurteilung neutraler Stimuli. Emotionale

Information scheint folglich nicht nur automatischer als nicht emotionale Information

verarbeitet zu werden, sondern vor allem auch ganz am Anfang der Kette der

Informationsverarbeitung zu stehen.

Um der Frage nachzugehen, ob die Amygdala automatisch und noch vor jedem Bewusstsein

auf emotional bedeutsame Stimuli mit einer erhöhten Aktivität reagiert, boten Whalen und

Kollegen (1998, zit. n. Phelps, 2005) Versuchsteilnehmern unterschwellig Bilder von

Gesichtern dar. Diese zeigten in fMRI Analysen eine identische Stimulation der Amygdala

wie bei Probanden, denen dieselben Stimuli bewusst, d.h. für eine längere Zeitspanne

präsentiert wurden.

Diese sowie weitere psychologische Studien legen folgende Vermutung nahe:

Die emotionale Qualität eines Stimulus wird automatisch und ohne kognitives Bewusstsein

weiterverarbeitet, wodurch Aufmerksamkeit und Bewusstsein beeinflusst werden können.

Doch spielt das automatische Auffinden emotionaler Eigenschaften durch die Amygdala nun

eine Rolle bei der Modulation des Bewusstseins für emotionale Stimuli? (Phelps, 2005)

Folgendes Untersuchungsdesign wurde angewandt um die Bedeutung der Amygdala für das

kognitive Bewusstsein zu untersuchen:

Den Versuchspersonen wurden 15 Items in sehr rascher Abfolge, jedes für ungefähr 100ms,

präsentiert, sodass diese zwar wahrgenommen aber nicht genau identifiziert werden konnten.

Die Aufgabe war es nun zwei der Items, die sich durch eine auffallende Eigenschaft von den

übrigen hervorhoben, zu erkennen. Die meisten Teilnehmer meisterten diese Aufgabe. Jedoch

sank die Erfolgsquote deutlich, sofern die Stimuli kurz nacheinander gezeigt wurden. Wenn

der erste Stimulus (T1) beispielsweise an zweiter und der zweite (T2) an neunter Stelle

präsentiert wurden, wurden die Items erheblich leichter erkannt, als wenn T1 als zweiter Item

und T2 als vierter Item zu sehen war. Je geringer folglich der zeitliche Abstand, desto größer

ist die Schwierigkeit T2 zu identifizieren. Das Bemerken und Identifizieren des ersten

dargebotenen Reizes scheint eine kurzzeitige Beeinträchtigung der Aufnahmefähigkeit zu

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bewirken, weshalb der zweite Stimulus schlechter wahrgenommen wird. Als würde unsere

Wahrnehmung blinken. Deshalb wird dieses beliebte Untersuchungsdesign auch „attentional

blink“ genannt.

Auf der Suche nach einem Zusammenhang zwischen dem „Blinkeffekt“ und einem

möglichen Einfluss emotionaler Stimuli auf die Aufmerksamkeit variierten Anderson und

Phelps (2001) das Untersuchungsdesign. An Stelle von neutralen Stimuli arbeiteten die

Forscher mit erregenden sowie nicht-erregenden, neutralen Wörtern. Bei kurzem Zeitabstand

erhöhte sich die Erfolgsrate, wenn T2 ein erregendes Wort war. Handelte es sich um ein

neutrales Wort, so konnte derselbe Effekt wie in dem eben geschilderten Versuchsdesign

beobachtet werden. Die Fähigkeit T1 zu erkennen blieb hingegen unbeeinflusst von der

emotionalen Auffälligkeit des Stimulus. Diese Erkenntnis verleitet zu der Annahme, dass

emotionale Reize bei einer begrenzten Aufnahmefähigkeit bevorzugt wahrgenommen werden.

Um zu klären, auf welche Weise die Amygdala bei der Modulation des „attentional blink“

Effekts eine Rolle spielt, wurde das Versuchsdesign ein weiteres Mal mit gesunden

Versuchspersonen sowie mit Patienten, die an einer Schädigung der Amygdala leiden,

verwendet (Anderson & Phelps, 2001). Die Probanden mit intakten Gehirnstrukturen

bestätigten die Resultate der vorangegangen Untersuchungen. Wohingegen die

Versuchsgruppe keinen Unterschied bezüglich der Fähigkeit T2 Wörter wiederzugeben

zeigte. Neutrale beziehungsweise emotionale Wörter wurden bei geringem Zeitabstand gleich

schlecht erkannt. Daraus lässt sich schließen, dass die Amygdala nicht nur äußerst früh im

Verarbeitungsprozess die emotionale Bedeutung eines Reizes erkennt, sondern damit auch das

Enkodieren beeinflusst.

Die Amygdala steht in einer reziproken Beziehung zu einer Reihe von sensorischen,

kortikalen Gehirnregionen, wie in folgender schematischer Abbildung veranschaulicht wird

(Amaral, Price, Pitkanen, & Carmichael, 1992, zit. n. Phelps, 2005).

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Es wird angenommen, dass die Amygdala schon an sehr früher Stelle des

Verarbeitungsprozesses einen Eindruck über die emotionale Bedeutung eines Stimulus

gewinnt und durch Projektionen zu den sensorischen, kortikalen Gehirnarealen die weiteren

Aufmerksamkeits- und Wahrnehmungsprozesse reguliert.

Eine Untersuchung mit Tieren, in der die neuronale Reaktion der Amygdala auf einen

emotionalen Reiz mit einer erhöhten neuronalen Aktivität des visuellen Kortex einhergeht,

bestätigt diese These (Kapp, Wilson, Pascoe, Supple, & Whalen, 1990, zit. n. Phelps, 2005).

Ebenso unterstreichen eine Reihe von Untersuchungen mittels bildgebender Verfahren die

Beobachtung, dass das Ausmaß erhöhter Aktivität des visuellen Kortex mit dem Reaktion der

Amygdala auf einen emotionalen Stimulus korreliert.

Vuilleumer und Kollegen (2004, zit. n. Phelps, 2006) untersuchten in einer weiteren Studie

die neuronalen Reaktionen der Versuchspersonen auf neutrale und angsteinflößende

Gesichtsausdrücke anhand von drei verschiedenen Versuchsgruppen:

•Personen mit vollständig intakten Gehirnstrukturen

•Patienten mit einer auf den Hippokampus begrenzter Hirnschädigung

•Patienten mit einem geschädigten Hippokampus und einer geschädigten Amygdala.

Die Kontrollgruppe sowie Patienten mit einem ausschließlich beschädigten Hippokampus

zeigten denselben Effekt wie die zuvor geschilderten Untersuchungen. Interessanterweise

konnte bei der Präsentation der neutralen beziehungsweise erregenden Stimuli an Patienten,

die zusätzlich unter einer Beeinträchtigung der Amygdala litten, jedoch keinerlei signifikante

Aktivität der Amygdala beobachtet werden (Phelps, 2006).

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Diese Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass die Amygdala einen wesentlichen Beitrag

zur besseren Enkodierung emotionaler Stimuli leistet. Indem sie eine Information, die in unser

Bewusstsein gelangen könnte, beeinflusst, kann sie auch unsere Kognition lenken. In

Situationen, in denen unsere Aufnahmekapazität überfordert ist, sichert die automatische

Verarbeitung emotionaler Reize, dass diese bedeutenden Informationen unsere volle

Aufmerksamkeit erhalten (Phelps, 2005).

Die Modulation des bewussten Langzeitgedächtnisses

Bei der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Emotion und Kognition wurde ein

essentieller neuronaler Mechanismus entdeckt. Die Amygdala scheint nach neuesten

wissenschaftlichen Erkenntnissen im wesentlichen für die Modulation von Informationen, die

im Hippocampus konsolidiert werden, verantwortlich zu sein Unter Konsolidierung versteht

man einen Speichervorgang, bei welchen Erinnerungen über längere Zeit hinweg stabil

werden und somit bewusst abrufbar sind.

Bisher wurden bereits zahlreiche Studien zu diesem Forschungsgebiet durchgeführt.

Im Mittelpunkt der Forschung des bedeutenden, amerikanischen Psychologen Larry Cahill

steht die Suche nach neuronalen Vorgängen der Gedächtnisformation von emotional

anregenden Ereignissen. Als einer der ersten benutzte der Wissenschaftler und seine Kollegen

im Jahre 1996 die Positronen-Emmisions-Tomographie (PET) um der Frage auf den Grund zu

gehen, inwiefern sich anregende beziehungsweise neutrale Stimuli auf neuronale

Gedächtnisprozesse und das Erinnerungsvermögen auswirken. Bei dem verwendeten

bildgebenden Verfahren „wird radioaktive 2-Desoxyglykose in die Karotisarterie (...) injiziert.

Aufgrund ihrer Ähnlichkeit zur Glukose, der wichtigsten Energiequelle des

Gehirnstoffwechsels, wird die 2-Desoxyglykose schnell von aktiven (Energie

verbrauchenden) Neuronen aufgenommen. (...) Jeder PET-Scan liefert ein Abbild der Stärke

der Radioaktivität (...) in verschiedenen Teilen einer horizontalen Ebene des Gehirns“ und

vermag dadurch Gehirnaktivität zu visualisieren (Pauli, 2007, S.134) Den

Versuchsteilnehmern wurden sowohl erregende als auch neutrale Filmsequenzen gezeigt,

während gleichzeitig der Glukosestoffwechsel der Amygdala in ihren Gehirnen gemessen

wurde. Nach zwei Wochen wurden die Probanden aufgefordert, ihre Erinnerungen an die

gezeigten Ausschnitte zu verbalisieren. Die unten angeführte Darstellung illustriert sehr

anschaulich das wesentliche Resultat des Experiments. Eine Reihe von emotional erregenden

Filmausschnitten führte zu einer Aktivität der rechten Amygdala (Figur A). Diese korreliert

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stark mit einer besseren, bewussten Langzeiterinnerung an diese Filme. Bei neutralen Stimuli

kann hingegen weder eine Aktivierung der Amygdala noch eine Korrelation mit dem Abruf

von Erinnerungen festgestellt werden (Figur B) (Cahill et al., 1996, zit. n. Phelps, 2005).

Quelle: http://darwin.bio.uci.edu/neurobio/Faculty/Cahill/cahill.htm [30.10.2007]

Eine weitere Studie des stellvertretenden Professors der Universität von Kalifornien und

seinem Forscherteam zeigt, dass Patienten mit einer defekten Amygdala, im Vergleich zu

Versuchsperson mit voll funktionsfähigen Gehirnstrukturen, Defizite bei der episodischen

Erinnerung an Reize, welche durch erhöhte Erregung bewirkt wurden, besitzen. Bei der im

Jahre 1995 publizierten Untersuchung (Cahill et al., 1995, zit. n. Phelps, 2005) wurden den

Probanden verschiedene Varianten einer Diashow, gepaart mit einer entsprechenden

Erklärung der Bilder, dargeboten. In einer Version wurden in der Mitte der Darbietung

erregende, negative Ereignisse, wie beispielsweise ein von einem Auto angefahrener Junge,

dessen Beine abgetrennt neben ihm liegen, gezeigt. Sowohl die Versuchsgruppe als auch die

Kontrollgruppe bewertete diese Stimuli, im Gegensatz zu den am Anfang oder Ende

platzierten Diaprojektionen, als genauso erregend oder stärker erregend. Einige Tage später

wurden auch diese Teilnehmer angewiesen, ihre Erinnerungen an die Bilder zu artikulieren.

Folgende Ergebnisse gingen aus der geschilderten Studie hervor:

Ein erhöhter Glukosemetabolismus, hervorgerufen durch erregende Stimuli, geht mit einer

besseren Erinnerungsfähigkeit einher. Bei neutralen Reizen jedoch kann dieses Phänomen

nicht beobachtet werden. Patienten mit einer Beschädigung der Amygdala, leiden zwar

grundsätzlich nicht unter einer Beeinträchtigung des episodischen Gedächtnisses, können

allerdings auch keine Verbesserung der Leistungen durch physiologische Erregung

verzeichnen.

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Die Vermutung, die Amygdala moduliere die Konsolidation von episodischem Wissen durch

Erregung, wird ebenfalls durch eine Reihe von Tierversuchen gestützt. Der Forscher James

Mc Gaugh und seine Kollegen identifizierten dabei neuronale Systeme, die diesem Effekt zu

Grunde liegen. Sie fanden heraus, dass physiologische Erregung in einer Aktivierung der

„beta-adrenergic“ Rezeptoren der Amygdala resultiert (Phelps, 2006).

LaBar und Phelps (1998) untersuchten Vergessenskurven von erregenden und nicht

erregenden Wörtern bei normalen Versuchspersonen sowie bei Versuchspersonen mit

geschädigter Amygdala. Gesunde Probanden konnten sich an erregende Wörter besser

erinnern als an neutrale Wörter. Patienten mit einer geschädigten Amygdala zeigten allerdings

keinen Unterschied in der Merkfähigkeit der Stimuli. Nicht erregende Wörter wurden im

selben Ausmaß wie erregende Wörter vergessen.

Die im vorangegangen Abschnitt näher erläuterten Studien bestätigen somit die Annahme,

dass die Reaktion der Amygdala auf emotionale Stimuli während des Prozesses der

Enkodierung teilweise die Langzeiterinnerung vorhersagen kann. Je stärker die von einem

Reiz induzierte Erregung, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer bewussten Erinnerung

nach einiger Zeit.

Sinn dieses neuronalen Mechanismus könnte eine optimale Anpassung des Individuums an

seine Umwelt sein. Der langsame Konsolidierungsprozess gestattet der emotionalen Reaktion

auf einen Stimulus, die Gedächtnisstärke zu beeinflussen. Bedrohliche Situationen oder Reize

antizipieren mögliche negative Erlebnisse und lösen deshalb eine starke, physische Erregung

aus, welche das Erinnerungsvermögen positiv beeinflusst. Wird man erneut mit der

potentiellen Gefahr konfrontiert, so werden entsprechende Erinnerungen wachgerufen und das

zukünftige Überleben durch eine angemessene Reaktion gesichert (Phelps, 2006).

Zusammenfassung:

Im Verlauf dieser Arbeit wurde der Versuch unternommen, das vielschichtige Bild der

Interaktion zwischen Kognition und Emotion in seine einzelnen Bestandteile zu zerlegen.

Dabei spielt das Wechselspiel aus kognitiven Bewusstsein und der Reaktion der Amygdala

auf emotionale Stimuli eine entscheidende Rolle.

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Die Amygdala und das kognitive Bewusstsein können sowohl unabhängig als auch

abhängig voneinander interagieren:

Unabhängige Interaktion des kognitiven Bewusstseins und der Amygdala:

Für den Erwerb und physiologischen Ausdruck konditionierter Angst, ist die Amygdala

notwendig. Kognitives Bewusstsein und Verständnis kann bei der Angstkonditionierung

allerdings auch unabhängig von der Amygdala und ihrer konditionierten Reaktion erworben

und ausgedrückt werden.

Diese scheinbar unabhängigen Faktoren können sich jedoch auch gegenseitig beeinflussen.

Abhängige Interaktion des kognitiven Bewusstseins und der Amygdala:

Der Einfluss des kognitiven Bewusstseins auf die Amygdala:

Zwar wird die Amygdala nicht dabei benötigt, emotionale Reize zu erkennen und zu

verstehen, jedoch kann ein solches Wissen die physiologischen Reaktionen der Amygdala auf

emotionale Stimuli manipulieren.

Der Einfluss der Amygdala auf das kognitive Bewusstsein:

Zum einen kann die Amygdala die Fähigkeit, sich nach einer längeren Zeit bewusst an eine

emotional bedeutsame Information zu erinnern, beeinflussen.

Zum anderen moduliert die Amygdala die Wahrnehmung und Aufmerksamkeit, indem sie die

Wahrscheinlichkeit, dass emotionale Umweltreize in das Bewusstsein vordringen, erhöht.

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