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Willy C. Kriz Die Wirklichkeit spielen. Gaming Simulation in der Organisationsberatung. Erscheint 2012 in: Katharina Gsöllpointner (Hrsg.). Medien in der Beratung. Wien: Facultas.

Die Wirklichkeit spielen. Gaming Simulation in der ... · Planspiele stellen für den Kompetenzerwerb praxisnahe Lernfelder mit realistischem Komplexitätsgrad und Entscheidungs-

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Willy C. Kriz Die Wirklichkeit spielen. Gaming Simulation in der Organisationsberatung. Erscheint 2012 in: Katharina Gsöllpointner (Hrsg.). Medien in der Beratung. Wien: Facultas.

Die Wirklichkeit spielen. Gaming Simulation in der Organisationsberatung Willy C. Kriz Einführung Planspielmethoden (internationaler Begriff: Gaming Simulation) eignen sich grundsätzlich zum Erwerb von Kompetenzen für den Umgang mit Systemen, zur Simulation von Auswirkungen von Systemeingriffen und somit zur Entscheidungsfindung für die Auswahl von möglichst effizienten und gleichzeitig humanen Strategien für die Gestaltung unserer Lebenswelten in Wirtschaft und Gesellschaft (Kriz 2007). Planspiele stellen für den Kompetenzerwerb praxisnahe Lernfelder mit realistischem Komplexitätsgrad und Entscheidungs- und Handlungsspielraum bereit. Das Planspiel ermöglicht den Umgang mit realen Problemen und authentischen, realitätsnahen Situationen. Gerade im Bereich der Entwicklung von Innovationen und von Problemlösungen ist es notwendig, dass auch Fehler gemacht werden dürfen. Es sollte lediglich garantiert werden, dass die Folgen der an sich wünschenswerten Fehler (aus denen dann gelernt werden kann) harmlos bleiben. Planspiele stellen sogenannte „fehlerfreundliche Umwelten“ dar und ermöglichen gemeinsames kooperatives Probehandeln, d.h. das Planen sinnvoller Handlungsstrategien, ihre Ausführung und Optimierung. Ein Vorteil von Planspielen stellt auch die unmittelbare Rückmeldung von Handlungsfolgen dar (im Zeitraffer der Simulation werden auch Neben- und Langfristeffekte erfahrbar). In individuellen wie auch gemeinsamen Reflexionsphasen wird das in Planspielen Erlebte bewertet, da hier die simulierten Systemzusammenhänge und die mentalen Modelle der Beteiligten diskutiert und Transfer-Erkenntnisse für die Lebenswelt der Teilnehmenden generiert werden. Dieser Beitrag wird zunächst Planspiele und ihre wesentlichen Merkmale methodisch definieren und diskutieren. Daran anschließend wird ein konkretes, vom Autor selbst entwickeltes Planspiel – inhaltlich geht es hier um ein Medium für das Veränderungsmanagement von Organisationen – dargestellt. Dabei werden beispielhaft einige praktische Fälle vorgestellt, wie das Planspiel in der Organisationsberatung Verwendung findet. Fazit und Ausblick runden die diskutierten Themen ab. Planspielmethoden Der Sammelbegriff „Planspiele“ wird in der Praxis für eine große Anzahl von – im Detail betrachtet – unterschiedlichen Verfahren verwendet. Dazu zählen u.a. die Rollenspiele mit und ohne computerunterstützte Simulationen, haptische Brettplanspiele, verhaltensorientierte Simulationen und Spiele und alle Formen von Lernspielen (Kriz 2010). Bei diesem Methodenspektrum existieren allerdings auch gemeinsame Kennzeichen, die hier kurz dargestellt werden. Der Begriff „Planspiel“ soll hier verstanden werden als Simulation der Folgen von Entscheidungen hinsichtlich des Eingreifens in Systemdynamiken und -ressourcen, von Personen, die als Mitspieler Rollen von Akteuren übernehmen und Interessen vertreten, wobei die Handlungsspielräume zum Ausagieren dieser Rollen wiederum spezifischen Spielregeln unterliegen. Planspiele beinhalten Akteure, Regeln und Ressourcen (Klabbers 1999). Sie können somit in einem dreidimensionalen Schema verortet werden, wobei das prototypische Planspiel (in Abbildung 1 „S&G“ bezeichnet) eine ausgewogene Verknüpfung der drei Dimensionen (Spiel–Regeln, Rolle–Akteure, Simulation–Ressourcen) darstellt (Abbildung 1).

Abbildung 1: Dreidimensionales Schema zur Klassifikation von Planspielen (aufbauend auf Klabbers 1999; vgl. Kriz 2006) Simulation–Ressourcen: Bei Planspielen geht es um die Abbildung der Realität in ein (dynamisches) Modell, das als Nachbildung und Untersuchung von Systemabläufen eingesetzt werden kann, die man in der Wirklichkeit aus Zeit-, Kosten- oder Gefahrengründen nicht real durchführen kann oder will. Typische Beispiele für Simulationen sind das Durchspielen von militärischen Manövern, Trainingsszenarien für Einsatzkräfte in Katastrophensituationen oder das Pilotentraining im Flugsimulator. Planspiele beziehen sich dabei immer auch auf real vorhandene Ressourcen, d.h. auf materielle und/oder symbolische Manifestationen der Lebenswelt (z.B. Zeit, Geld, Materie, Energie). Planspiele bieten die Möglichkeit, insbesondere die optimale Nutzung von begrenzten Ressourcen und die Langzeitfolgen von Eingriffen (Entscheidungen) in Systemen transparent erfahrbar zu machen. Spiel–Regeln: Das „reine“ Spiel (z.B. Fußball, Skat, Halma) dient nicht wie die Simulation der Abbildung einer Wirklichkeit. Spiele erzeugen eine eigene Realität und zeichnen sich meist durch Wettbewerbscharakter aus (SiegerInnen und VerliererInnen des Spiels). Huizinga (1997) charakterisierte bereits in den 1930er Jahren den Menschen als „Homo ludens“ und betrachtet das Spiel als fundamentale menschliche Errungenschaft. Vielfach entsteht das Vorurteil, es handle sich nur um eine „Spielerei“, die für Lernzwecke ungeeignet erscheint, und auch das Missverständnis, dass gaming etwas mit gambling (Glücksspiel) zu tun hat, ist verbreitet. Obwohl gerade der Ursprung des Planspiels im Kriegsspiel die Ernsthaftigkeit deutlich macht, wurde, um Missverständnissen vorzubeugen, der Begriff „serious games“ (Abt 1974) eingeführt. Leider ist aber auch dieser Begriff mehrdeutig – er wird heute immer mehr als „Marketingbegriff“ von Spieleherstellern von digitalen Lernspielen gebraucht, um Lern- und Planspielprodukte von reinen Unterhaltungsspielen abzugrenzen. Akteure–Rolle: Die Rolle wird als Funktion definiert, die Personen im Planspiel übernehmen. Diese Rollen implizieren gewisse Freiräume in der tatsächlichen Ausgestaltung und in der individuellen Interpretation der Situation. Ein Spieler/eine Spielerin ist jede physikalische Person, die

tatsächlich mitspielt. Ein Akteur ist eine Abstraktion und kann ein Individuum, eine Gruppe oder sogar eine Organisation repräsentieren. SpielerInnen spielen die Rollen von Akteuren. Bei manchen Planspielen können auch reale menschliche Akteure mit rein simulierten Akteuren interagieren. Neben der Simulation ist somit das Rollenspiel integrativer Bestandteil von Planspielen. Planspiele sind als Modelle der Realität jeweils auf einem bestimmten Abstraktionsniveau angesiedelt (von sehr authentisch und realitätsnah bis zu sehr abstrakt und metaphorisch). Sie beziehen sich auf bestimmte Inhalte eines gewählten Realitätsausschnittes. Neben der Inhaltsdimension geht es auch um die Dimension der Simulationsmethodik. Das Simulationsmodell bezieht sich auf reale Systeme, Systemelemente und deren Wechselwirkungen, Systemumwelten und Ressourcen. Bei Planspielen wird das Simulationsmodell durch Formen des Spiels in Anwendung und Interaktion gebracht (das Spiel selbst ist hierbei also die spezifische Art und Weise der Simulation von Systemprozessen; Duke 1974). Hierbei sind die Spielregeln und die im Spiel definierten Rollen dafür verantwortlich, welche Arten und welche Grenzen und Freiheitsgrade in der Interaktion zwischen den handelnden Akteuren möglich sind (beispielsweise Kommunikationsprozesse von Kooperation und Wettbewerb usw.). Planspiele sind somit als Ganzheit betrachtet Medien – sie dienen der kommunikativen Vernetzung und sie legen den vermittelten Inhalten eine spezifische Form auf. Gleichzeitig werden bei der Verknüpfung von Inhalt und Form im Planspiel wiederum unterschiedlichst gestaltete Medienelemente und Technologien eingesetzt, die einen symbolischen Charakter in Bezug auf die im Spiel dargestellte und konstruierte Realität aufweisen. Betrachtet man den Gesamtprozess des Planspielens im groben Überblick, so lassen sich einige Phasen beschreiben (Kriz 2003, 2005; siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Der Planspielprozess Die Entwicklung eines Planspiels beginnt mit der Konstruktion eines Simulationsmodells, das die wesentlichen Faktoren und Eigenschaften der zu simulierenden Prozesse und ihre Wechselwirkungen widerspiegelt. Im Design wird ein konkretes Planspiel (game) als Modell der Realität entwickelt. Dabei kommt es zu einer Abbildung und „Verzerrung“ der Realität u.a. durch bewusste und unbewusste Komplexitätsreduktion der Designer. Eine bewusste Abstraktion und somit auch Reduktion erfolgt beispielsweise aus didaktischen

Gründen, auch um das Planspiel in seiner Komplexität der Zielgruppe so anzupassen, dass keine längere Unter- oder Überforderung entsteht. Durch Anwendung des Planspiels wird eine Spielrealität (play) erzeugt, die u.a. abhängig ist vom eingesetzten Planspiel, von den PlanspielleiterInnen (Facilitatoren) und von den SpielerInnen, deren Interaktionen, Entscheidungen und situativen Interpretationen des Planspielgeschehens. Zentrale Voraussetzung für eine sinnvolle Verwendung von Planspielen ist das Debriefing (Kriz & Nöbauer 2008). Damit ist die gemeinsame Reflexion des Erlebten im Hinblick auf eine Bewertung der im Spiel aufgetretenen Prozesse gemeint, mit dem Ziel, daraus Konsequenzen für reale Situationen abzuleiten. Dafür ist ein geeignetes Didaktikmodell notwendig. Im Debriefing erfolgt eine gemeinsam artikulierte Dekonstruktion des Planspiels mit dem Ziel, die eigene Realität neu zu (re)konstruieren. Mit „Metadebriefing“ ist eine Reflexion von Planspielentwicklern und Planspielleitenden gemeint. Bereits Debriefing und Metadebriefing haben teilweise auch evaluierenden Charakter. Zusätzlich gehört aber auch die formative und summative Evaluation im engeren Sinne zur Überprüfung des Nutzens und zur Qualitätssicherung des Planspiels. Dadurch wird eine zweite Art von Transfer erreicht, die dazu beiträgt, das Planspiel in seiner Wirkung und Usability kontinuierlich zu verbessern. Dafür bedarf es eines geeigneten Evaluationsmodells. Beispiel „SysTeamsChange“ Das Planspiel „SysTeamsChange“ ist modular aufgebaut und dauert je nach festgelegtem Trainingsbedarf zwei bis fünf Tage (Kriz & Hansen 2006). Es kann neben Schulungszwecken auch fließend in Beratungsprozesse und in länger dauernde reale Veränderungen eingebunden werden (s. u.). Die vier bis sechs Teilnehmenden schlüpfen in die Rollen eines Beraterteams bzw. „Change-Agent-Teams“ (man kann auch mehrere Teams parallel spielen lassen) und sie müssen gemeinsam Entscheidungen treffen, die sich auf die Entwicklung einer simulierten Organisation beziehen. Sie erhalten dabei fundiertes Hintergrundwissen über Methoden und Interventionsmaßnahmen, aber auch über typische Probleme (Widerstand, Umgang mit Macht usw.), die in einer Organisationsentwicklung vorkommen können. Unter Berücksichtigung des Entwicklungsstandes der betroffenen simulierten Akteure, deren Motivationslagen und Widerstände muss der Einsatz der „richtigen“ Maßnahmen zum „richtigen“ Zeitpunkt unter Budgetrestriktionen geplant und umgesetzt werden. Insgesamt sollen die simulierten Akteure von der Schockphase über die rationale Einsicht und emotionale Akzeptanz bis hin zur Integration des Wandels begleitet werden. Das Planspiel ist flexibel, weil zum einen jene Aktionen und Übungsmodule vertiefend ausgewählt werden können, die für das spielende Team von Bedeutung erscheinen. Außerdem können maßgeschneidert weitere Aktionen und Module in das Planspielmodell integriert werden und auch je nach Bedarf Eigenheiten der Organisation, aus der die SpielteilnehmerInnen kommen, in das Planspielmodell und die Simulation eingebaut werden. Neben dem Bezug zu konkreten, realen Fallstudien und Forschungsergebnissen ist das Planspiel theoriebasiert, da rund 25 aktuelle Theorien der Organisationsentwicklung in ihrer Vernetzung gleichzeitig simuliert werden. Diese Theorien und Forschungsstudien können dann ggf. mit Zusatzmodulen vertiefend erarbeitet werden. Vom Planspieltyp her handelt es sich um ein multimodales Medium, ein haptisches Brettplanspiel mit Spielbrett, Spielfiguren und weiteren Symbolen, in Kombination mit einer Computersimulation (mit entsprechender Java-Software). Die medialen Kernelemente sind im Folgenden dargestellt:

• Eine Anfangsstory bzw. ein Spielszenario führt die Teilnehmenden schnell in das Spielgeschehen ein und führt zu einer motivierten Rollenübernahme. Durch

unmittelbare Feedbacktexte wird dann die Story auf den Entscheidungen der SpielerInnen basierend fortgesetzt. Das Spiel bleibt dabei so generisch wie notwendig, damit die Teilnehmenden gut eigene bereits real erlebte Veränderungsthemen in das Spiel projizieren, erneut durchleben und angeregt werden, sich darüber mit den Teammitgliedern aktiv auszutauschen.

• Am Spielbrett sind im Kreis die verschiedenen simulierten Akteursgruppen in unterschiedlichen Farben dargestellt (z.B. rot: Geschäftsführung, orange: Stabsstellen, gelb: Sekretariat, grün: Verwaltung und Vertrieb, blau: Produktion, lila: Support, grau: Kunden, schwarz: Lieferanten). Für jeden simulierten Akteur existieren ein Name und eine Funktionsbezeichnung und die Bereiche werden dadurch weiter spezifiziert und differenziert (z.B. in der Produktion von der Leiterin/dem Leiter über die Meisterin/den Meister und die Arbeiterin/den Arbeiter bis hin zu einer/einem Auszubildenden, eine Arbeiterin/ein Arbeiter ist zugleich Betriebsrätin/-rat usw.).

• Ebenfalls am Spielbrett sind Felder dargestellt, auf denen sich die simulierten Akteure bewegen können. Dazu dienen Spielfiguren (sog. „Pöppel“) in den entsprechenden Farben, um jeden einzelnen Akteur symbolisch darzustellen. Kreissegmente am Spielbrett illustrieren insgesamt sieben psychologische Phasen eines inneren Veränderungsfortschrittes der simulierten Beteiligten, der am Spielbrett direkt illustriert wird. Ein Spielziel stellt es dar, dass die simulierten Akteure sich von außen (Schockphase) nach innen in die Kreismitte (Integration) bewegen. Das physische Aussehen der Akteure wird auch in einem Übersichtsblatt in comicartiger Form dargestellt.

• Neben dem psychologischen Fortschritt und der Überwindung von Widerständen wird auch der gestaltungslogische Fortschritt der Organisation dargestellt. Immer wenn bestimmte Meilensteine eines Veränderungsprozesses erreicht wurden, erhalten die SpielerInnen einen Ring, der auf einen Pfosten gesteckt wird. Entsprechend dem zugrunde gelegten Planspielmodell von Organisationsentwicklung können bis zu sieben Ringe erzielt werden.

• Spielchips symbolisieren die begrenzten Ressourcen der simulierten Organisation (pro Runde darf nur eine bestimmte Anzahl an Ressourcen – Zeit, Geld usw. – ausgegeben werden und jede Aktion kostet Ressourcenpunkte).

• Die rund 40 bis 50 (je nach Version) zur Verfügung stehenden Interventionsmethoden und Maßnahmen (und deren Beschreibung, Kosten usw.) für den Veränderungsprozess sind auf Metaplankarten ausgedruckt. Die Teilnehmenden bekommen Pinnwände, um darauf die Karten zunächst in eine für sie sinnvolle Ordnungsstruktur und Kategorisierung zu bringen und um Interventionen im Zeitverlauf planen zu können.

• Alle Entscheidungen der Spielteams werden auf einem Entscheidungsbogen in Papierform dokumentiert. Die PlanspielleiterInnen haben ein Computerprogramm zur Auswertung und zum Spiel zur Verfügung, in das u.a. die aktuellen Aktionen und die dafür ausgewählten Akteure eingegeben werden und das Wirkungen – nicht deterministisch, sondern dynamisch erzeugt und auf veränderlichen Wahrscheinlichkeiten beruhend – kalkuliert und die passenden Feedbacks automatisch generiert und ausdruckt. Die SpielerInnen können dieses Feedback zu ihren Spielbrettern und Spieltischen mitnehmen, gemeinsam auswerten und bei erfolgreichen Interventionen ggf. auch simulierte Akteure in Richtung Spielbrettmitte weiterschieben.

Die Teilnehmenden interagieren bewusst nicht mit dem Computerprogramm, da sie auf diese Weise stärker miteinander kommunizieren. Sie sitzen um das Spielbrett herum und haben so die Möglichkeit, sich beim Sprechen direkt in die Augen zu sehen. Das Spielbrett

und die anderen Elemente stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die haptischen Elemente führen im doppeldeutigen Sinne zum besseren „Begreifen“ der Zusammenhänge. Die unmittelbaren Feedbacks, der Fortschritt der simulierten Akteure am Spielbrett und der anschauliche Zuwachs an Ringen auf dem Pfosten geben kognitiv Orientierung und haben zugleich motivierende Funktion.

Abbildung 3: Das Planspiel SysTeamsChange und einige seiner Elemente im Einsatz Fallbeispiele für den Einsatz Zielgruppen des Planspiels SysTeamsChange sind einerseits Mitglieder von Organisationen, die vor einem geplanten Wandel stehen oder sich in einer organisationalen Veränderung befinden – insbesondere auch zur Vorbereitung von Steuergruppen und Change-Projektteams. Andererseits eignet sich das Planspiel insbesondere in der Aus- und Weiterbildung von Personengruppen, die als BeraterInnen oder TrainerInnen, Coaches oder Change Agents Organisationsberatungsprozesse zur Unterstützung von organisationalem Wandel professionell begleiten, sowie von Personengruppen, die als Führungskräfte in Organisationen tätig sind oder tätig sein werden. Das Planspiel wird an Universitäten und Hochschulen in vielfältigen Bildungszusammenhängen eingesetzt. Je nach Zielgruppe variieren die Schwerpunkte. Während z.B. im Bachelorprogramm der Fachhochschule Vorarlberg die konkrete Vermittlung von Theorieaspekten und deren Zusammenwirken eine zentrale Rolle spielen, so wird das Spiel im Executive HR-Master der Ludwig-Maximilians-Universität München mit höherem Komplexitätsgrad verwendet und insbesondere auch konkret auf die Rolle der teilnehmenden Personalverantwortlichen, HR-Manager und Führungskräfte hin reflektiert und mit konkreten Problemstellungen aus der eigenen langjährigen Berufserfahrung der Teilnehmenden verknüpft. In Organisationen wird das Planspiel ebenfalls mit unterschiedlichen Zielsetzungen angewandt. In einer Schweizer Schule im Kanton Zürich sowie in einem großen deutschen Versicherungskonzern wurde das Spiel mit Führungsverantwortlichen und Change-Organisationsteams durchgeführt. Nach dem Spiel wurde auf die jeweilige anstehende Veränderung hin reflektiert und es wurden konkrete Veränderungsschritte abgeleitet und festgelegt. In der Schule führte dies dann zur Begleitung der Planung und Durchführung des Schulentwicklungsprozesses. Im Falle des Versicherungskonzerns wurde der gesamte interne Standardprozess für die Begleitung von Changeprozessen analysiert, neu definiert und neu ausgerichtet. Bei dieser Verwendungsart geht es nach dem Spiel im

Debriefing zunächst vorwiegend um die Analyse der eigenen Prozesse und Instrumente und um die Ableitung neuer Ziele und Strategien für die jeweilige Organisation. Durch das Planspiel wird ein Bewusstsein für eigene Handlungsspielräume geschaffen und es entsteht eine Art „Orientierungslandkarte“, ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Sprache beruhend auf der Spielerfahrung. Mentale Modelle und Perspektiven werden ausgetauscht und in eine gemeinsam geteilte Vision und in konkrete Veränderungsideen für die eigene Organisation eingebracht. In einigen Fällen führt dies dann im Anschluss zu einer weiterführenden und tiefergehenden Organisationsberatung. Im Zuge dessen kann das Planspiel dann ggf. zusätzlich für weitere reale Akteursgruppen und Beteiligte Verwendung finden. So wurde z.B. im Anschluss auch die Steuergruppe für die Schulentwicklung mit dem Planspiel vorbereitet und im Versicherungskonzern werden nun die Führungskräfte mit dem Planspiel weiterqualifiziert. Das Planspiel wird insbesondere zur Fortbildung für Führungskräfte eingesetzt, vorwiegend in internen Workshops mit Führungskräften gleicher Hierarchieebene. Ein klassisches Einsatzszenario ist das Durchlaufen aller höheren Führungskräfte bis zu einer festgelegten Hierarchiestufe – z.B. erste und zweite Führungsebene bei einem großen österreichischen Versicherungskonzern als allgemeines internes Ausbildungsprogramm. Ein anderes häufiges Verwendungsgebiet stellt die Vorbereitung von Führungskräften und Beteiligten auf unmittelbar bevorstehende spezifische Veränderungen dar, so wie bei einer österreichischen Bank und einem deutschen Logistikunternehmen. Neben Führungspersonen werden aber auch Personal- und Changemanager aus Unternehmen – wie bei einem weltweiten DAX-Industriekonzern und einem der größten weltweiten Rückversicherer – mit dem Planspiel trainiert. Bei dieser Einsatzform steht das Reflektieren aus Sicht der realen Rolle im Unternehmen und eigener Verhaltensmuster im Debriefing im Vordergrund. Es werden mit den Teilnehmenden persönliche Transferreflexionen durchgeführt, die dem Überprüfen und Verbessern der eigenen Vorgehensweisen bei der Gestaltung von Veränderungsprozessen dienen. Das systemische Gestalten von Veränderungsprozessen und Wissen zu Change-Tools und -methoden, die Wahrnehmung von und der Umgang mit Widerstand und Motivation von Beteiligten und die Analyse von Systemzusammenhängen lernender Organisationen sind hier mögliche Bestandteile der Reflexion, die in einem Coaching ggf. weitergeführt werden kann. Fazit und Ausblick Das Planspiel eignet sich gut zur Sensibilisierung und Einführung, wenn in einer Organisation Veränderungsprozesse in Gang gebracht werden sollen. Damit werden insbesondere Perspektivenvielfalt, Teamprozesse und Organisationsentwicklungen ideal unterstützt. Aktuell laufen wissenschaftlich begleitete Evaluationsstudien, deren Ergebnisse zu weiteren Optimierungen und Gestaltungsideen beitragen können. Neben verschiedenen ergänzenden Sprachversionen (neben Deutsch und Englisch) sollen auch weitere Komplexitätsstufen und Szenarien entwickelt werden. Auch das Variieren und Ausprobieren neuer medialer Elemente ist geplant. Unter anderem sollen in den Rückmeldungen und Theoriemodulen Geschichten im Comicformat einbezogen werden und auch das Experimentieren mit szenischen Feedbacks im Filmformat ist angedacht. Eine Variante für Großgruppen ist in Entwicklung, da sich in ersten Piloteinsätzen zeigte, dass das Planspiel auch als Großgruppenintervention (an einem Tag mehr als 100 Teilnehmende in mehr als 20 Teams) als Incentive zur schnellen Bewusstmachung und Motivation für einen Wandel dienen kann. Dafür sollen aber zusätzliche mediale Unterstützungen bereitgestellt werden, wie z.B. die Projektion aller Spielbretter auf eine

große Videoleinwand mit Veränderungen aller Teams in Echtzeit, was in diesem Setting auch den Wettbewerbscharakter des Spiels bewusst steigern wird. Literatur

Abt, C. (1974), Serious Games, New York, The Viking Press. Duke, R. (1974), Gaming: The future´s language, New York, Sage Publications. Huizinga, J. (1935/1997), Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt. Klabbers, J. (1999), Three easy pieces: a taxonomy on gaming, in: Sounders, D. & Severn, J. (Eds), Simulation and Games for Strategy and Policy Planning, London, Ko-gan Page, 16–33. Klabbers, J. (2008), The Magic Circle: Principles of Gaming & Simulation, Rotterdam, Sense Publishers. Kriz, W.C. & Nöbauer, B. (2008), Teamkompetenz. Konzepte, Trainingsmethoden, Praxis, 4., erweiterte Auflage, Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. Kriz, W. C. (2003), Creating Effective Interactive Learning Environments through Gaming Simulation Design, in: Simulation & Gaming, 34 (4), 495–511. Kriz, W. C. (2005), Planspiel, in: Kühl, S., Strodtholz P. & Taffertshofer, A. (Hrsg.), Handbuch quantitative Methoden in der Organisationsforschung, Hamburg, Rowohlt, 243–269. Kriz, W. C. (2006), Kompetenzentwicklung in Organisationen mit Planspielen, in: Zeitschrift für Systemdenken und Entscheidungsfindung im Management, 5 (2), 73–112. Kriz, W. C. (2007), Planspiele für die Organisationsentwicklung, in: Schriftenreihe Wandel und Kontinuität in Organisationen, Bd. 8, Berlin, Wissenschaftlicher Verlag Berlin. Kriz, W. C. (2010), Evaluation von ePlanspielen und digitalen Lernspielen, in: Mayer, H. O. & Kriz, W. C. (Hrsg.), Evaluation von eLernprozessen, München, Oldenbourg Verlag, 61–96.