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12 fmpro service 3|2015 « So lange ich nicht dazu gezwungen werde, wende ich BIM nicht an», sagt ein Planer. So wie er, kommen noch längst nicht alle Beteiligten ins Schwär- men, wenn es um die Möglichkeiten des Building Information Modeling (BIM) geht. Dass eine informationsgetriebene Planung viele Vorteile mit sich bringt, ist zwar un- umstritten. Dennoch hat sich BIM in der Schweiz noch nicht grossflächig etabliert. Viele Entscheidungsträger zögern, vor al- lem aus Respekt vor Investitionen und ein- geschränktem Spielraum am Markt. Und FM UND BUILDING INFORMATION MODELING (BIM) Building Information Modeling (BIM) ist in aller Munde. Viele sehen das grosse Potenzial, einige nutzen es bereits, andere sind noch kritisch und erachten es als zu teuer und zu umständlich. Kalt lässt BIM jedoch niemanden. Text: Stefan Kühnis digital Mit einer Wertschöpfungspartnerschaft liesse sich die Marge erhöhen. Bild: IFMA Schweiz sie haben eine Menge offener Fragen dazu: Welche Daten und Informationen wer- den in BIM aufgenommen und abgebil- det und wann stehen diese zur Verfü- gung? Welche Tools und Prozesse liegen BIM zugrunde und wie werden sie ange- wandt? Wann und wo entstehen welche Kosten und ist die dreidimensionale Darstellung nur eine teure Spielerei? Gibt es Abstufungen im Sinne einer zu- nehmenden Professionalisierung oder ist BIM eine absolute Lösung ohne Schat- tierung? Welche Ausbildungsmöglichkeiten wer- den angeboten? Wann ist BIM ein Thema? Erreicht ein Neu- oder Umbauprojekt eine gewisse Grösse oder eine erhöhte Komple- xität, rücken bereits in der Entwicklungs- phase Themen wie Effizienz und Effektivi- tät im Planungs- und Realisierungsprozess in den Fokus. Heute noch ist diese Realität häufig durch allerlei Dokumente geprägt und mit dem Projektabschluss werden Da- tenträger, Planschachteln und Ordner er- stellt und tendenziell eher zu spät als zu früh in die Bewirtschaftung übergeben. Doch der Gebäudebetrieb startet schon während der Projektphase. «Bei dieser Übergabe geht enorm viel Wissen verlo- ren», sagt Andres Stierli von IFMA Schweiz. «Wir sprechen hier vom Death Valley of Know-how. Diese Lücke wieder zu füllen kostet Blut, Schweiss, Tränen und vor al- lem ganz viel Geld.» Er weist darauf hin, dass nahezu alle Informationen von meh- reren Projektbeteiligten benötigt werden, dass allerdings jede Partei sehr individuel- le Schritte macht, diese autonom aufberei- tet und sich dann wundert, dass zuneh- mend signifikante Abweichungen ent- stehen. Zentrale Daten schaffen dem Ab- hilfe und können erst noch in den Betrieb überführt werden. «Es schaudert mich, wenn es noch heute heisst, die Anlagendo- kumentation müsse dreifach ausgestellt in Papierform und auf CD übergeben wer- den», sagt Stierli. «Zu oft nimmt der Betrei- ber das hin, ganz nach dem Motto wir neh- men was wir bekommen. Das ist eigentlich schon eine Kapitulation.» Er plädiert dafür, die Weichen früher zu stellen: «Ich bin überzeugt, dass BIM eine Lösung sein

digital - fmpro-swiss.ch · dem Architekten über den Controller, den Ersteller und den Vermarkter bis hin zum ... zitiert er Albert Einstein. Diskussionsstoff BIM bietet Diskussionsstoff

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«So lange ich nicht dazu gezwungen werde, wende ich BIM nicht an», sagt ein Planer. So wie er, kommen noch

längst nicht alle Beteiligten ins Schwär-men, wenn es um die Möglichkeiten des Building Information Modeling (BIM) geht. Dass eine informationsgetriebene Planung viele Vorteile mit sich bringt, ist zwar un-umstritten. Dennoch hat sich BIM in der Schweiz noch nicht grossflächig etabliert. Viele Entscheidungsträger zögern, vor al-lem aus Respekt vor Investitionen und ein-geschränktem Spielraum am Markt. Und

FM und Building inForMationModeling (BiM)

Building Information Modeling (BIM) ist in aller Munde. Viele sehen das grosse Potenzial, einige nutzen es bereits, andere sind noch kritisch und erachten es als zu teuer und zu umständlich. Kalt lässt BIM jedoch niemanden. Text: Stefan Kühnis

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Mit einer Wertschöpfungspartnerschaft liesse sich die Marge erhöhen.

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sie haben eine Menge offener Fragen dazu:��Welche Daten und Informationen wer-den in BIM aufgenommen und abgebil-det und wann stehen diese zur Verfü-gung?��Welche Tools und Prozesse liegen BIM zugrunde und wie werden sie ange-wandt?��Wann und wo entstehen welche Kosten und ist die dreidimensionale Darstellung nur eine teure Spielerei?�� Gibt es Abstufungen im Sinne einer zu-nehmenden Professionalisierung oder

ist BIM eine absolute Lösung ohne Schat-tierung?��Welche Ausbildungsmöglichkeiten wer-den angeboten?

Wann ist BIM ein Thema?Erreicht ein Neu- oder Umbauprojekt eine gewisse Grösse oder eine erhöhte Komple-xität, rücken bereits in der Entwicklungs-phase Themen wie Effizienz und Effektivi-tät im Planungs- und Realisierungsprozess in den Fokus. Heute noch ist diese Realität häufig durch allerlei Dokumente geprägt und mit dem Projektabschluss werden Da-tenträger, Planschachteln und Ordner er-stellt und tendenziell eher zu spät als zu früh in die Bewirtschaftung übergeben. Doch der Gebäudebetrieb startet schon während der Projektphase. «Bei dieser Übergabe geht enorm viel Wissen verlo-ren», sagt Andres Stierli von IFMA Schweiz. «Wir sprechen hier vom Death Valley of Know-how. Diese Lücke wieder zu füllen kostet Blut, Schweiss, Tränen und vor al-lem ganz viel Geld.» Er weist darauf hin, dass nahezu alle Informationen von meh-reren Projektbeteiligten benötigt werden, dass allerdings jede Partei sehr individuel-le Schritte macht, diese autonom aufberei-tet und sich dann wundert, dass zuneh-mend signifikante Abweichungen ent- stehen. Zentrale Daten schaffen dem Ab-hilfe und können erst noch in den Betrieb überführt werden. «Es schaudert mich, wenn es noch heute heisst, die Anlagendo-kumentation müsse dreifach ausgestellt in Papierform und auf CD übergeben wer-den», sagt Stierli. «Zu oft nimmt der Betrei-ber das hin, ganz nach dem Motto wir neh-men was wir bekommen. Das ist eigentlich schon eine Kapitulation.» Er plädiert dafür, die Weichen früher zu stellen: «Ich bin überzeugt, dass BIM eine Lösung sein

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kann. Wir müssen zusammen bauen und haben gemeinsame projektbezogene Infor-mationsansprüche – vom Investor und dem Architekten über den Controller, den Ersteller und den Vermarkter bis hin zum Nutzer und zum Facility Manager ist eine bessere Koordination und eine gemeinsa-me Datenbasis erforderlich. Wir müssen Know-how sichern und weiterführen, wir dürfen es nicht wieder hergeben. Mit einer solchen Wertschöpfungspartnerschaft kön-nen alle Beteiligten die Marge erhöhen. BIM steht schliesslich für effiziente Prozes-

se und effektives Arbeiten.» Bereits wür-den erste Projekte in der Schweiz entspre-chend ausgeschrieben, die Aufträge dann aber ins Ausland vergeben, weil Schweizer Unternehmen dafür noch nicht bereit sind. «Wer jetzt nicht agiert, wird schon in weni-gen Jahren die Chance verpasst haben», warnt Stierli.

Drei Milliarden Franken in zehn JahrenEin wichtiges Thema ist BIM derzeit beim Schweizer Pharmakonzern Roche. Auf dem Areal in Basel will er in den nächsten zehn Jahren rund drei Milliarden Schwei-zer Franken in Neubau-Projekte investie-ren und so den Standort erneuern. «Die Im-mobilie, also die Arbeitsumgebung ist neben den Mitarbeitenden ein entschei-dender Faktor, um Medikamente für die Zukunft entwickeln zu können», sagt Jan Leibundgut, Leiter Real Estate Manage-ment Roche Basel und Kaiseraugst. Auf-grund eines Masterplans und der fehlen-den Möglichkeit nach einem Wachstum in

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die Breite müssen die neuen Gebäude auf dem bestehenden Platz höher und vor al-lem effizienter gebaut werden. Ausserdem muss jeder Bereich auch während den Bau-phasen durchgehend betriebsfähig sein. Daniel Riekert, Project Initiation Director: «Genau deshalb befassen wir uns mit BIM. Wir standen vor der Herausforderung, wie wir dieses Vorhaben nun angehen sollen. Noch nie hatten wir eine solche Anzahl Projekte einer solchen Dimension gleich-zeitig zu bewältigen. Zudem ist die Verfüg-barkeit hochqualifizierter Projektierer li-mitiert und der Markt wäre bald leer gesaugt. Also müssen wir neue Wege ge-hen.» Riekert betont, dass die Methode BIM nicht aufs Mal einführt wird, sondern Schritt für Schritt: «Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut», sagt er. «Doch die Wertschöpfung durch BIM endet auch nicht mit dem Bauprojekt, wir versprechen uns das noch grössere Potenzial sogar erst danach.» Derzeit gilt es, die grossen Her-ausforderungen und Ansätze zu verfei-

BIM erhöht die Wettbewerbsfähigkeit.

Bild: adam121 - Fotolia.com

heit schaffen. Mit informierten, digitalen Modellen kommen wir der Wahrheit so nahe wie möglich. Dies führt allerdings dazu, dass man sich von der heutigen Dar-stellung verabschieden und den Informati-onsaustausch neu definieren muss.» Doch genau diese Transparenz erachtet er auch als eines der grössten Hindernisse für die Einführung von BIM. «Wir müssen nicht von Anfang an auf den Mond fliegen», sagt er. «Wir müssen damit beginnen, lernen und zusammenarbeiten. Derzeit befinden wir uns in einer Zwischenphase. Von den sogenannten Early Adopters muss das The-ma nun auf die breite Masse übersprin-gen.» Denn schliesslich sei die reinste Form des Wahnsinns, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändere, zitiert er Albert Einstein.

DiskussionsstoffBIM bietet Diskussionsstoff und wird es auch noch eine Weile lang tun. Die Daten-flut ist ein Thema, viele Beteiligte haben Angst vor den grossen Datenmengen. Der Roche-Konzern wiederum sieht BIM für seine Projekte als ökonomische und kreati-ve Notwendigkeit. Der eingangs erwähnte Planer sagt, er brauche BIM nicht, er müss-te in der Ausschreibung dazu gezwungen werden, um diese Methodik anzuwenden. Leider gehen derzeit Aufträge genau sol-cher Ausschreibungen, die BIM vorschrei-ben – beispielsweise jener des Basler Felix-Platter-Spitals – ins Ausland. Also sollte das Augenmerk auch von Planern vielleicht eher auf die Wettbewerbsfähigkeit gelegt werden, die die Methodik BIM erhöht – ähnlich wie es mit der Einführung von CAD einmal war, auf die heute niemand mehr verzichten würde.

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der Planungs- und Bauphase, sondern vor allem auch jene für die Bewirtschafter und Endnutzer. Peter Scherer, Partner, Bereichsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung der Amstein + Walthert AG in Zürich, kennt ebenfalls verschiedene Länder, die bereits einen Schritt weiter sind als die Schweiz. In Deutschland und Österreich sind bereits detaillierte Normen in Arbeit, in den skan-dinavischen Ländern und in den Nieder-landen ist die Nutzung von BIM bei öffent-lich finanzierten Bauvorhaben schon seit dem Jahr 2008 vorgeschrieben. Die einzel-nen Länder gehen mit dem Thema unter-schiedlich um, je nach (Bau-)Kultur. In der föderalistischen Landschaft Schweiz wird die Herausforderung anders zu lösen sein, als in einem zentralistisch geführten Land. «Die Schweizer Baubranche ist nicht be-sonders Digital-affin», sagt Scherer. «Des-halb ist der Bausektor die eigentlich gröss-te Herausforderung.» Die überwältigenden Zahlen zum Nutzen von BIM rät er mit Vorsicht zu geniessen. Dennoch empfiehlt er, die Besteller und Betreiber damit zu konfrontieren. «Jeder Stakeholder hat der-zeit ein eigenes Businessmodell», sagt er. Auf der technischen Ebene ist bereits heu-te vieles möglich. «Doch wir müssen Klar-

IFMA Spotlight 2015 BIM war das Thema des diesjährigen IFMA Spotlight Events im Auditorium der F. Hoff-mann-La Roche AG in Basel. Der Anlass zeigte auf, wie First Movers BIM erfolgreich umset-zen, wie die Weichen für die nachhaltige Wert-erhaltung gestellt werden und wie die Mehr-werte für den Betrieb die Attraktivität von Immobilien massgeblich steigern. Die Zitate in diesem Beitrag stammen aus den Referaten des Events und aus der anschliessenden Po- diumsdiskussion. Infos: www.ifma.ch/spotlight.

Drei Milliarden Franken in zehn Jahren für Neubauprojekte auf dem gleichen Areal: Roche erhofft sich durch BIM einige Vorteile.

nern. Die Zusammenarbeit mit Soft-warefirmen ist dabei ein zentraler Punkt. «Die Lösungen, die wir brauchen, gibt es zum Teil noch gar nicht», sagt Riekert. «Das ist ein grosser Schritt für alle Beteilig-ten. Es gibt viele knifflige Fragen, die man nur im Team und im Kontext beantworten kann. Theoretisch können wir uns das al-les vorstellen, auch dass es funktioniert, nun müssen wir es aber noch umsetzen.»

Erfahrungen und HerausforderungenVerschiedene Länder sind uns in Sachen BIM bereits weit voraus. Zum Beispiel die USA, aber auch Grossbritannien: «Wir hat-ten eine Rezession», sagt Reid Cunning-ham, Strategic Development Director bei BAM FM Ltd. UK. «Die britische Regierung will 30 Prozent sparen. Das kann sie, in-dem sie rund um ihre vielen Gebäude auf BIM setzt. So wurde das Thema bei uns stark vorangetrieben.» Cunningham hat in-zwischen eine Menge Erfahrungen mit und rund um BIM gesammelt. «Zu Beginn waren solche Projekte noch eher teuer, in-zwischen ist der Return on Investment be-reits nach ungefähr zwei Jahren erreicht. Die anfänglich hohen Investitionen sind rasch kompensiert, das geht sehr schnell», sagt er und betont nicht nur die Vorteile in

Bild: Roche