28
magazin DEZ/2013 DIVSI Staatsrat Dr. Ralf Kleindiek (Behörde für Justiz und Gleichstellung der Freien und Hansestadt Hamburg) „EIN RÜCKZUG AUS DEM INTERNET WÄRE FATAL!“ Zweite Info-Veranstaltung zum DIVSI-Projekt „Braucht Deutschland einen digitalen Kodex? Projekt von DIVSI und Allensbach beendet FREIHEIT VERSUS REGULIERUNG IM INTERNET Ergebnisse der Umfrage in Berlin vorgestellt

DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

Embed Size (px)

DESCRIPTION

zum Inhalt: Trotz Ausspäh-Aktion: "Ein Rückzug aus dem Internet wäre fatal!"Und weitere Themen…Herausgeber: DIVSIMittelweg 110 B, 20149 Hamburg

Citation preview

Page 1: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

magazinDEZ

/201

3

DIVSI

Staatsrat Dr. Ralf Kleindiek (Behörde für Justiz und Gleichstellung der Freien und Hansestadt Hamburg)

„EIN RÜCKZUG AUS DEM INTERNET WÄRE FATAL!“Zweite Info-Veranstaltung zum DIVSI-Projekt „Braucht Deutschland einen digitalen Kodex?

Projekt von DIVSI und Allensbach beendetFREIHEIT VERSUS REGULIERUNG IM INTERNET

Ergebnisse der Umfrage in Berlin vorgestellt

Page 2: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

2

INHALT4 DIGITALE SOUVERÄNITÄT – BUZZWORD ODER

AUFBRUCH ZU NEUEN UFERN?Harald Lemke beobachtet besorgt die Entwick-lung im Netz. Er fürchtet, dass wir die Balanceverloren haben

7 TROTZ AUSSPÄH-AKTIONEN: „EIN RÜCKZUGAUS DEM INTERNET WÄRE FATAL!“Zweite Info-Veranstaltung zum Projekt „BrauchtDeutschland einen digitalen Kodex?“ DIVSISchirmherr Prof. Dr. Roman Herzog als Ehren-gast unter den interessierten Zuhörern

10 FREIHEIT VERSUS REGULIERUNG IM INTERNETWerner Süßlin umreißt Ergebnisse einer aktuel-len Allensbach-Untersuchung im DIVSI Auftrag.Eine Erkenntnis: Die meisten Nutzer möchtensich frei und uneingeschränkt im Netz bewegen

14 OUTSIDERS AUS NEANDERTAL UND DIE HEILE,DIGITALE WELTZwei Jahre nach der „Milieu-Studie zu Vertrauenund Sicherheit im Internet“ haben wir die Datenerneut erhoben. Joanna Schmölz zeigt, was sichin diesem Zeitraum verändert hat

18 NATIONALER IT-GIPFEL VERSCHOBEN –AUF WANN?Irgendwann Anfang 2014 sollen sich jetzt die IT-Experten in Hamburg versammeln. Meike Demattio hat notiert, was die Beiratsmitgliederdes DIVSI von dieser Tagung erwarten

20 CYBER-MOBBING – WER SCHÜTZT DIE KINDER?Uwe Leest berichtet von einer neuen Gefahr fürunsere Gesellschaft, die oft durch Unsicherheitund Hilflosigkeit begünstigt wird

24 IST DAS GRUNDGESETZ TAUGLICH FÜR DIE DIGITALE ZEIT?Dr. Sönke E. Schulz über grundrechtliche Wirkungsdimensionen im digitalen Raum. ErsteErkenntnisse eines neuen DIVSI Projekts

26 AKTUELLE BÜCHER

Web: www.divsi.deE-Mail: [email protected]

Anfragen DIVSI magazin:Michael SchneiderLeitung KommunikationTel.: + 49 40 226 369 895 E-Mail: [email protected]: [email protected]

Wissenschaftliche Leitung: Joanna SchmölzTel.: + 49 40 226 369 896E-Mail: [email protected]

Wir haben unseren Verteiler für das DIVSI magazinaktualisiert und ergänzt. Bitte teilen Sie uns unterden o.a. E-Mail-Adressen mit, falls Sie künftig aufdas Magazin verzichten möchten.

Haben Sie Fragen oderwünschen weitere Informationen?

IMPRESSUM

Herausgeber:Deutsches Institut für Vertrauen undSicherheit im Internet (DIVSI)Matthias Kammer, DirektorMittelweg 14220148 Hamburg

Chefredaktion:Jürgen Selonke (V.i.S.d.P.)

Autoren: Meike Demattio, Uwe Leest, HaraldLemke, Joanna Schmölz, Dr. Sönke E. Schulz, Werner Süßlin

Realisation: PubliKom KommunikationsberatungGmbH, Hamburg

Bildnachweis: CSM Stock, DIVSI, Tom Maelsa, SarahPorsack

Verbreitete Auflage:ca. 7.000 ExemplareAbgabe kostenlos

Page 3: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

3

sein könnte. Im Zusammenhang mit den strapazierten Worten„Digitale Souveränität“ verwendet Lemke übrigens den Begriff„Buzzword“. Für Sie zur Erinnerung: Das während langweiligerKonferenzen beliebte Bullshit-Bingo erblickte 1993 bei SiliconGraphics als „Buzzword Bingo“ das Licht unserer Welt. Schondamals ging es darum, die inhaltslose Verwendung von Schlag-wörter zu persiflieren. Sollten wir 20 Jahre später nicht in derLage sein, Begriffe mit Sinn und Inhalt zu füllen?

Auf eine weitere Schattenseite unserer digitalen Welt weistUwe Leest hin, Chef des Bündnis gegen Cybermobbing. Ziel-scheibe dieser Art von Netzangriffen sind oft Kinder. Die unmit-telbaren Folgen sind schlimm, Spätfolgen kaum abzuschätzen.Dennoch negieren viele diese Gefahr für unsere Gesellschaft.Der Bericht (S. 20) sollte das ändern.

Die Allensbach-Meinungsforscher, das SINUS Institut sowiedas Kieler Lorenz-von-Stein-Institut: erstklassige Adressen undjeder Partner von DIVSI für spannende Projekte. Lesen Sie indiesem Magazin:

* Prof. Dr. Renate Köcher und ihr Allensbach Team habenrepräsentativ für das Projekt „Freiheit versus Regulierung imInternet“ geforscht. Erkenntnisse dazu ab S. 10.

* Dr. Sönke E. Schulz (Lorenz-von-Stein-Institut) berichtetüber die wissenschaftliche Annäherung an eine facettenreicheFrage: Ist das Grundgesetz tauglich für die digitale Zeit? SeineErkenntnisse ab S. 24.

* Joanna Schmölz, wissenschaftliche Leiterin bei DIVSI, informiert über die Fortschreibung der „Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet“, 2012 vom SINUS Institutrealisiert. Wir wollten jetzt wissen: was hat sich seitdem geän-dert (S. 14).

Ich wünsche Ihnen gesunde, friedliche Weihnachtstage,einen guten Rutsch in das Neue Jahr und informative Unter-haltung mit unseren Themen.

Jürgen SelonkeChefredakteur DIVSImagazin

Lob wird heute bestenfalls in homöopathischen Dosen ver-abreicht. Deshalb freue ich mich, gleich zweimal von anerken-nenden Worten berichten zu können. Marginalien, eingefangenin der Hamburger Bucerius Law School während der zweitenVeranstaltung zum DIVSI-Projekt „Braucht Deutschland einendigitalen Kodex?“

Der eine weiß vermutlich noch gar nicht, dass er gelobtwurde. Er heißt Moritz Nickel, ist 20 Jahre jung, studiert im vier-ten Trimester Jura an der Law School. Locker ließ er erst eineder Keynotes vom Stapel und reihte sich dann ohne Scheu beiden prominenten Diskussionsteilnehmern auf dem Podium ein.

Er war schon weg, als DIVSI-Schirmherr Prof. Dr. RomanHerzog konstatierte: „Insbesondere der Moritz, der hat das alleswunderbar dargestellt.“ Und der siebte Präsident der Bundes-republik Deutschland, der frühere Verfassungsrichter und lang-jährige Präsident des Bundesverfassungsgerichts bezog sichdabei auf so komplizierte Dinge wie Persönlichkeitsrechte, dieRechte anbietender Firmen im Internet, allgemein geltendeGrundsätze und wie das alles auf die besondere Situation in unserer digitalen Welt übertragen werden könne. Kompliment,Moritz Nickel!

Für das zweite Lob bedanke ich mich im Namen von DIVSIbei Staatsrat Dr. Ralf Kleindiek. „Man müsste Euch erfinden,wenn es Euch nicht schon gäbe“, stellte er im Grußwort fest.Wobei wir nicht so vermessen sind, dieses Lob als ein persön-liches einzuheimsen. Direktor Matthias Kammer und sein Teamwerten es aber gern als Anerkennung für vorgelegte Studienund Schriften, die stets Fragen von hoher Brisanz aufgegriffenund wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse als Antworten geliefert haben. Berichte in diesem Magazin beweisen, dassDIVSI in diesem Sinne weiterarbeitet. Alles über den Abend inder Bucerius Law School finden Sie ab Seite 7.

„Ich kann und will dem Internet nicht mehr trauen.“ Dasschreibt (S. 4) kein Digital Outsider. Sondern Harald Lemke, aus-gewiesener Experte auf dem Feld digitaler Weisheiten. Der einsterste CIO eines Bundeslandes führt aus, was ihn dazu gebrachthat. Und er skizziert, wie ein Aufbruch zu neuen Ufern möglich

Lob im Doppelpack, Buzzword-Bingo und drei neue Projekte

Page 4: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

4

Wir brauchen eine schnelle und eindeutige politische Positionierung

DIGITALE SOUVERÄNITÄT – BUZZWORD ODER AUFBRUCH

ZU NEUEN UFERN?

Von Harald Lemke

Hamburg – Eine grundsätzliche Bemer-kung vorweg: Vergessen Sie bitte alles,was ich in den letzten Jahren zum ThemaDatensicherheit und die Rolle des Staa-tes im Internet geschrieben oder gesagthabe. In den letzten Wochen ist ein digi-taler Tsunami über uns hinweg gefegt,der das Fundament unserer virtuellenWelt erschüttert hat. Wir werden tat-sächlich auf Schritt und Tritt überwacht,völlig aus dem Ruder gelaufene Schlapp-hüte befreundeter Nationen hören selbstdas Mobiltelefon unserer Kanzlerin ab.Zwar sind meine Telefonate längst nichtso relevant, aber das Vertrauen in die In-tegrität unserer Infrastruktur ist dahin.

Ich kann und will dem Internet nichtmehr trauen.

Gleichzeitig warne ich jedoch davor,geradezu verzweifelt immer neue Abhör-Vorfälle zu suchen und in die Öffentlich-keit zu pusten, um das Thema am Lebenzu halten. So wurde jüngst bekannt, dassman die Beleglisten von Hotels ausspio-niert hat, um zu erfahren, wer wann wowohnt.

Solche wahrhaft überflüssigen Mit-teilungen sind höchstens dazu geeignet,die Wichtigkeit des Themas zu diskredi-tieren. Der unerhörte Abhör-Skandal alssolcher wird dadurch letztlich klein gere-det. Oder verbirgt sich dahinter eine ge-zielte Ablenkungsaktion – je mehrÜberflüssiges verbreitet wird, desto

schneller erlischt irgendwann die Auf-merksamkeit…

Ohne also den Blick auf den unerhör-ten Vorgang als solchen zu verlieren,drängt sich mir ernsthaft eine immenswichtige Frage auf: Ist der Staat noch in

Das Schiff sinkt unddie Besatzung

baut Rettungsbootefür die Leitenden

Offiziere.

DATENSICHERHEIT

Page 5: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

erklärtes Ziel der Aufklärung ist und voraussichtlich auch nicht von einem„No-Spy-Abkommen“ umfasst wäre.

Eine ganz besondere Betroffenheitfindet sich im digitalen Milieu der „Post-materiellen Skeptiker“. Hier ist einerseitsder Schutzbedarf noch nicht richtig reflektiert, anderseits hat diese Gruppeein ambivalentes Verhältnis zur Rolle desStaates im Internet: Er soll Garant fürSchutz und Sicherheit, aber ohne Befug-nisse zur Durchsetzung sein.

Übrigens lässt alle bisherige Erfah-rung vermuten, dass die Mehrzahl der besonders aktiven Internet-Anwender imHinblick auf eigene Schutzmaßnahmenwenig Zahlungsbereitschaft für Sicher-heit hat und die damit verbundenen Un-bequemlichkeiten nicht in Kauf nehmenwill.

Und unverändert scheint die Mehr-zahl der Deutschen das Thema weiterhinnur achselzuckend zur Kenntnis zu neh-men. Bestenfalls wundert man sich überden medialen Hype: „Hat irgendjemandetwas anderes erwartet?“

Weitere Komplikationen sind ange-sichts der Rahmenbedingungen der Internet-Wirtschaft zu erwarten:

n Wir haben es hier mit globalisiertenStrukturen mit vielfältigen Verflech-tungen zu tun.

5

der Lage, unser Grundrecht auf Men-schenwürde auch im Internet angemes-sen zu verteidigen? Bislang warte ichvergeblich auf eine klärende Antwort.Dafür muss ich mit Entsetzen die Bemü-hungen verfolgen, wenigstens die Kom-munikation der Spitzenpolitiker durch einNo-Spy-Abkommen vor „freundschaftli-cher Ausspähung“ zu schützen.

Gernot Hassknecht, der pöbelndeund pointiert kommentierende Mitspielerin der ZDF „heute show“, wäre der Rich-tige für die Bewertung dieses Vorgangs.Etwa so: Das Schiff sinkt und die Besat-zung baut fieberhaft Rettungsboote fürdie Leitenden Offiziere. Ist dieses Signalgeeignet, zerstörtes Vertrauen wiederaufzubauen?

Ich habe immer eine Balance vonFreiheit und Sicherheit gefordert, dasheißt, so viel Sicherheit wie unsere Frei-heit braucht, um sich entfalten zu kön-nen. Wer sich differenziert mit dieserschwierigen Materie auseinandersetzt,weiß um die Schwierigkeiten, die sicher-heitspolitischen Zielkonflikte der Netzpo-litik zu lösen.

Nun aber habe ich das Gefühl, dasswir die Balance verloren haben. Nicht dieSicherheit, sondern die Menschenwürdeist unser Super-Grundrecht und die gerätunter zermalmende Räder, wenn meindigitales Leben einer ständigen und um-fassenden Kontrolle durch Geheim-dienste unterliegt. Egal, ob es fremdeoder eigene sind.

Alle Beteiligten sind redlich bemüht,das Problem zu lösen. Diesen Eindruckkann zumindest gewinnen, wer dasThema in den Medien verfolgt. Sicher-heitsgesetz, deutsches und europäischesInternet, Datenschutzrichtlinie – Stich-worte einer laufenden Diskussion, vonder ich noch nicht weiß, wie effektiv,nachhaltig und zielführend sie ist. Ange-sichts der Komplexität der Thematik sindZweifel zumindest angebracht.

Warum? Drei beispielhaft genanntePunkte mögen das begründen:

n Hinsichtlich der Souveränität im Inter-net betreten wir wirklich Neuland.Staatlichkeit ist unscharf definiert,insbesondere beim Zusammenwirkenvon räumlich definierter Infrastrukturund virtuellen Diensten.

n Alle sicherheitspolitischen Lösungs-ansätze können durch „Reizthemen“wie Vorratsdatenspeicherung undTKÜ diskreditiert werden, schließlichhaben auch deutsche Sicherheits-behörden Anforderungen und auchDeutschland betreibt nachrichten-dienstliche Aufklärung im Netz.

n Das Internet hat in einer „Traditionder ersten Stunde“ noch immer eineoffene und kritische Kultur, die sichnicht mit staatlichen Interventionenverträgt.

Als besonderes Problem in der poli-tischen Nachbearbeitung wird sich dieambivalente Betroffenheit herausstellen.Die deutsche Wirtschaft ist auf jeden Fallbetroffen, weil Wirtschaftsspionage ein

Harald Lemke (*1956) ist seit Juli 2010 Sonderbeauftragterfür E-Government und E-Justice beider Deutschen Post. Bei der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft war er Vorsitzender derProjektgruppe „Zugang, Struktur undSicherheit im Netz“.

Page 6: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

6

n Kommunikationsnetze und -dienstewerden nicht vom Staat, sondern vonder Wirtschaft erstellt und betrieben.

n Lösungsansätze müssen wirtschaft-liche Rahmenbedingungen (etwa ROI,Zahlungsbereitschaft, Lieferanten-strukturen) berücksichtigen.

Wer immer hier etwas ändern will,muss dann auch zur Kenntnis nehmen,dass Deutschlands und Europas ITK-Wirtschaft den Anschluss verloren hat.Ihr Rückstand gegenüber den USA undChina ist augenfällig.

Die Entwicklung und Herstellung(fast) aller Infrastruktur-Komponentenerfolgt genau in diesen beiden Ländernund wirft ungeklärte Sicherheitsfragen(Backdoors?) auf. Viele Internet-Geschäfts-modelle sind internationalisiert und unterKontrolle der USA (z. B. Suche oder Soziale Netzwerke). Um die Beispieleweiter zu ergänzen: Apples App-Storesteht in den USA. Alle Apps werden dortgeprüft und kompiliert.

Vom Netz abgesehen, gibt es auchkeine „Natural Owner“ des Themas in derWirtschaft.

Politische Lösungen müssen dannauch noch sehr komplexe rechtliche Rah-menbedingungen berücksichtigen.

Staatliche Eingriffe in den Markt sindmit vielen rechtlichen Problemen verbun-den. Ohne den Anspruch auf Vollständig-keit erheben zu wollen, seien hierbeispielhaft nur genannt Beihilferecht,Vergaberecht, Freiheit der Berufsaus-übung, Handelsabkommen, Dienstleis-tungsfreiheit, Strafprozessrecht, TK-Recht,

EU-Recht. Jeder Jurist weiß, dass sichdiese Liste stressfrei strecken lässt.

In Bezug auf sehr komplexe undschnelllebige Internet-Themen hatDeutschland ein schwaches und teilweiseüberfordertes traditionelles Rechts-system. Der EU-Verordnungsentwurf zu Digitalen Identitäten und Vertrauens-systemen adressiert dieses Thema bereits.

Wenn die Politik jetzt versucht, dieProblematik unter den genannten Kom-plikationen zu lösen, müsste sie eigent-lich schnell feststellen, dass auch ihreStrukturen ein Teil des Problems sind.Was wir brauchen, ist eine schnelle undeindeutige politische Positionierung. DieArbeit wird nicht einfacher dadurch, dassviele Stakeholder mit eigenen Interessenin Politik, Wirtschaft und Gesellschaft allePhasen einer möglichen Lösung behin-dern.

Bei den verantwortlich Beteiligtenmüsste sich als Kerngedanke eingraben:Es geht um ein ressortübergreifendes

Thema. Es erfordert zielgerichtete Zusammenarbeit von Innen, Justiz, Wirt-schaft, Forschung, Verbraucherschutzund anderen.

Ein nationaler Lösungsansatz alleinscheint nicht zielführend. Nationale Akti-vitäten müssen durch multilaterale Lösungsansätze ergänzt werden, wobeimit steigender Anzahl der Partner dieKomplexität potenziert wird. Erste genannte, teils unreflektierte Forderun-gen nach „europäischer Infrastruktur“schaffen höchstens unrealistische Erwar-tungshaltungen.

Und bei all dem stimmt mich nichtfroher, dass Deutschland und die EUkeine Erfolgsgeschichte bei der staatli-chen Lenkung von strategischen undtechnologisch komplexen Wirtschaftspro-grammen vorweisen können.

Angesichts dieser Komplexität ver-bieten sich Schnellschüsse von selbst.Selbstverständlich muss der Problem-komplex adressiert werden, ohne jedocheinen unausgegorenen und dadurch ver-

mutlich untauglichen Lösungsansatz zuversprechen.

Es bleibt zu hoffen, dass wir nachneuer politischer Aufstellung sofort ineine qualifizierte Problem-Analyse ein-steigen. Um in einem realistischen Zeit-fenster zu denken, könnte die dann bisEnde 2014 zu einer nationalen Strategiefür Vertrauen und Sicherheit im Internetentwickelt werden. Also wäre der über-nächste IT-Gipfel das Forum, alle Stake-holder in Politik, Wirtschaft und Gesell-schaft für eine gemeinsame Arbeit zumotivieren.

Schaffen wir das nicht, wird „DigitaleSouveränität“ weiterhin nur ein Buzzwordbleiben und dann dürfen wir von einemAufbruch zu neuen Ufern unverändert nurträumen.

IT-Experten dringend gesucht

Berlin – Der Fachkräftemangel bei IT-Experten bleibt hoch. In der deutschenWirtschaft gibt es derzeit rund 39.000 offene Stellen, so das Ergebnis einer Studie,die der Hightech-Verband BITKOM in Berlinvorgestellt hat. Bei der repräsentativen Um-frage wurden mehr als 1.500 Geschäfts-führer und Personalverantwortliche vonUnternehmen aller Branchen befragt.

BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf:„Der Fachkräftemangel ist ein strukturellesProblem. Er besteht dauerhaft und weitge-hend unabhängig von der konjunkturellenEntwicklung.“ 48 Prozent der Unterneh-men erwarten denn auch, dass sich derFachkräftemangel weiter verschärfen wird.

Fast drei Viertel der ITK-Unternehmen (72 Prozent), die freie Stellen haben, suchenSoftware-Entwickler. Hier sind vor allemFähigkeiten rund um Cloud Computingund Social Media gefragt. Gesucht auch: Experten mit Kenntnissen zur Programmie-rung von Web-Präsenzen, betriebswirt-schaftlichen Anwendungen sowie Apps undmobilen Webseiten.

Hinter den Software-Entwicklern folgen beiden gesuchten Berufsbildern mit deut-lichem Abstand Anwendungsbetreuer undAdministratoren sowie Qualitäts-Manager.Ebenfalls häufig gesucht werden IT-Beraterund Experten für Marketing und Vertrieb.

NEWS

Nationale Aktivitäten müssen durch multilaterale Lösungsansätze ergänzt

werden.

Page 7: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

7

Von Jürgen Selonke

Hamburg – Das Interesse an der Thematikist gewaltig, wie die dichtgedrängten Reihen in der Hamburger Bucerius LawSchool deutlich zeigten. Unter den interessierten Zuhörern auch DIVSISchirmherr und Alt-BundespräsidentProf. Dr. Roman Herzog, begleitet vonseiner Gattin Alexandra Freifrau vonBerlichingen. Zum zweiten Mal hatteDIVSI zu einer öffentlichen Veranstaltungim Rahmen des Projekts „BrauchtDeutschland einen digitalen Kodex?“ geladen. Die Fragestellung dazu diesesMal: „Facebook, WhatsApp, Google+: Wermacht die Regeln?“

DIGITALER KODEX

Matthias Kammer, Direktor desDeutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet, umriss das Themaganz präzise: „Ist das Internet tatsächlich

oder nur scheinbar ein öffentlicherRaum? Sind es die Betreiber der großenInternet-Plattformen, die darüber be-

Wer entscheidet über die Spielregeln in unserer digitalen

Welt?

stimmen, was wir im Netz dürfen undwas nicht? Wer entscheidet über dieSpielregeln in unserer digitalen Welt?“

Er skizzierte dann, warum das Insti-tut überhaupt die Frage nach einem digi-talen Kodex für Deutschland aufgeworfenhätte: „Seit 15 Jahren verändert sichdurch die Digitalisierung unser Alltag ingroßer Geschwindigkeit. Dass sich Bahnbricht, was technisch möglich ist, zeigenuns zurzeit die gravierenden Abhörskan-dale. Der Wandel vollzieht sich umfas-send und deutlich – mit nicht hinnehm-baren Auswüchsen, aber auch mit großenChancen für uns alle: Bislang etablierte„analoge“ Institutionen werden verdrängt.Etwa im Handel durch eCommerce oder

Trotz Ausspäh-Aktionen:

„EIN RÜCKZUG AUS DEM INTERNET WÄRE FATAL!“

Zweite Info-Veranstaltung zum DIVSI-Projekt. Diskussion in der Bucerius Law School.

Page 8: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

8

durch Online-Handel. Geschäftsmodellemüssen sich ändern – und sie veränderndie Industrie. Außerdem verändern sichauch Verhaltens- und Lebensweisen derMenschen grundsätzlich. Wir sind aufdem Weg zum ‚always online’. Mit demProjekt zum digitalen Kodex wollen wirfragen: Wie entstehen in diesem rasantenÄnderungsprozess unter den Beteiligtenverbindliche Spielregeln, verbindliche Ver-haltensregeln, weil die bisher gekanntennicht mehr zu passen scheinen?“

Staatsrat Dr. Ralf Kleindiek von derBehörde für Justiz und Gleichstellung derFreien und Hansestadt Hamburg machtein seinem Grußwort mit Blick auf die per-manenten Enthüllungen in Sachen Aus-späh-Skandal deutlich: „Es ist nichtverwunderlich, dass bei den Nutzern desNetzes viel Vertrauen verloren gegangenist. Wir müssen diese Entwicklung mitSorge betrachten. Ein Rückzug aus demInternet wäre fatal.“

Zur Problematik, wie Regeln ausse-hen könnten und wer sie erstellen sollte,erklärte der Staatsrat: „Sicherlich ist derStaat in der Vorhand.“ Erst wenn fest-stünde, dass dies nicht funktioniert,müsse man Alternativen suchen. Er ver-wies dann auf die Regeln, die traditions-gemäß für ehrbare Kaufleute in Hamburggelten. Ähnliches könnte auch als Kodexfür das Internet gelten. Diese Regelnseien allerdings nicht von selbst entstan-

den, sondern mussten entwickelt werden.Kleindiek: „Gleiches gilt auch für das Internet.“

Philipp Otto vom Berliner Think Tank„iRights.Lab“, der mit DIVSI an dem Pro-jekt arbeitet, verwies darauf, dass eineLösung nicht im Alleingang zu erreichensei: „Ein wichtiger Bereich sind die sozia-len Normen, die entwickelt und gestaltetwerden müssen. Das geht nur unter Einbeziehung aller gesellschaftlichenPlayer.“

Zu den „Regeln in sozialen Netzwer-ken“ nahm Prof. Dr. Wolfgang Schulz, Direktor des Hamburger Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung, in seiner

Keynote Stellung. Seine grundlegendeFrage: „Wer den Code schreibt, hat dieMacht?“

Eine seiner Thesen: Es gibt hand-lungsleitende Aspekte der Kombinationvon Hard- und Software. Wer die hand-lungsleitenden Aspekte bestimmt, setztdie Regeln für die Nutzung dieser Tech-nik. Prof. Schulz, der als einer von zehnExperten das Projekt „Braucht Deutsch-land einen digitalen Kodex?“ wissen-schaftlich begleitet, machte deutlich, wiehäufig heute bereits technische Restrik-tionen im Interesse des Betreibers einge-baut sind.

Sehr oft blieben Nutzer „ausge-sperrt“, sofern sie nicht bestimmte Regeln akzeptierten. Prof. Schulz: „Das istkeine technische Notwendigkeit, sondernwird absichtlich so gemacht, damit sichmehr Leute anmelden und so Netzwerk-effekte generiert werden.

Die Verbraucherrechte kämen oft zukurz. Ein besonderes Problem läge dabeiinsbesondere in den AGBs der Anbieterbegründet. Prof. Schulz: „Wer hat schonmal eine AGB ganz durchgelesen?“

Jüngster Redner und Teilnehmer ander Podiumsdiskussion war Moritz Nickel, Student an der Bucerius LawSchool. Mit Blick auf Social Media wies erkurz auf nützliche Funktionen hin: „Ver-netzung und Kommunikation, Unterhal-tung sowie Information und Werbung.“

Prof. Dr. Wolfgang Schulz

Page 9: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

Stellung: „Wir leben da in einem Span-nungsfeld zwischen juristischer Notwen-digkeit und einfacher Verständlichkeit.“Besonders Google aber hätte „ernsthafteVersuche unternommen“, in den AGBsfür Nutzer verständlich zu sein.

Jutta Croll, geschäftsführendes Vor-standsmitglied bei der „Stiftung DigitaleChancen“, die Projekte und innovativeStrategien zur Förderung der Medien-kompetenz entwickelt, widersprach dem

vehement. Nach ihrer Meinung und Erfahrung ist die Medienkompetenz gerade älterer Nutzer bei weitem nichtausreichend. Croll: „Viele sind sich nichtmal darüber im Klaren, dass sie durchihre Teilhabe am Netz einen Vertrag ein-gehen. Noch immer wird manchmalschneller geklickt als gedacht.“

Dagegen gab Moritz Nickel zu beden-ken, dass die Nutzer eine eigene Verant-wortung hätten. Der Student: „Deshalbverstehe ich das Pochen auf ganz viel Datenschutz nicht. Vielleicht reicht einesanfte Hand des Staates aus.“

Grundsätzlich sollte nach Ansichtvon Staatsrat Dr. Ralf Kleindiek die Thematik Datenschutz anders angesie-

delt werden: „Die gehört nicht ins Bundesinnenministerium, sondern zumJustiz- oder Verbraucherschutzministe-rium.“ Es seien Rahmenbedingungen zusetzen, in denen man sich entwickelnkönne. Skeptisch sei er im Hinblick aufdie Rolle des Staates, was dieser dazuleisten könne und was nicht. Kleindiek:„Der Staat muss sich gut aufstellen. Momentan ist er das nicht.“

Die Kernfrage des Abends „Wermacht die Regeln im Netz?“ beantwortetsich für Ole Reißmann (Spiegel Online)praktisch von selbst: „Das machen dieUnternehmen.“

Nach Ansicht von Dr. Ralf Kleindiekmüsse zunächst einmal überhaupt geklärt werden, was geregelt werdensoll: „Darüber gibt es kein gemeinsamesVerständnis. Es wird nur funktionieren,wenn wir es gemeinsam mit den Unter-nehmen machen.

9

Auf der anderen Seite stünden diese Gefahren: „Pseudo-Information, Redun-danz, fehlende Sozialkompetenz und fehlende Kontrolle.“

Dabei warnte er auch vor einem Pro-blem, das laufend zunähme: „Vieles, wasverbreitet wird, driftet ab in Blödsinn!“

Zum Vorwurf verworrener Nutzungs-bedingungen der Global Player nahm Sabine Frank, bei Google Leiterin Jugendschutz und Medienkompetenz,

DIVSI-Schirmherr und Alt-Bundespräsi-dent Prof. Dr. Roman Herzog zog diesesFazit aus der öffentlichen Veranstaltungin der Bucerius Law School:

Im Grunde sind alle Themen, die in diesengroßen Themenkreis gehören, angespro-chen worden. Aber es war natürlich zuwenig Zeit, das alles zu behandeln. Es gibtda die unterschiedlichsten Ansatzpunkte.Dort, wo es um Informationen geht, geht esum die Frage: Abwehr von falscher Infor-mation. Das geht im Grunde nur nach demTätergrundsatz: Wer einmal lügt, demglaubt man nicht.

Dort, wo es um Persönlichkeitsrechte geht,aber auch auf anderer Seite, wo es um dieRechte der anbietenden Firmen geht, müs-sen die allgemeinen Grundsätze, die ent-wickelt worden sind, auf die besondere Situation der modernen Technik übertragenwerden.

Manchmal wird schneller geklickt

als gedacht.

Jutta Croll

Sabine Frank

Moritz Nickel

Page 10: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

10

Von Werner Süßlin

Hamburg/Allensbach – Die meisten Internet-Nutzer trauen es sich grund-sätzlich zu, Risiken und Gefahren desNetzes einzuschätzen und möchten sichdaher völlig frei und uneingeschränkt imNetz bewegen. So eine Erkenntnis ausunserer aktuellen Umfrage, die Allens-bach für DIVSI bundesweit erhoben hat.

Gleichwohl ist die Mehrheit der Nut-zer wie der gesamten Bevölkerung davonüberzeugt, dass der Staat für die Anbietervon Internet-Seiten gewisse Regeln vor-geben und auch auf deren Einhaltungachten muss. Jeweils 61 Prozent sehenden Staat hier in der Pflicht.

19 Prozent der Bevölkerung (23 Pro-zent der Nutzer) sind anderer Ansicht. Sieglauben, dass dies nicht Aufgabe desStaates sein könne. Von denjenigen, diedas Internet besonders breit und intensivnutzen, ist jeweils nur etwas mehr alsjeder Vierte überzeugt, dass keine staat-lichen Vorgaben für die Anbieter von Inhalten erforderlich sind.

Eine klare Mehrheit spricht sich fürForderungen aus, Inhalte des Netzes angesichts vieler bedenklicher Inhaltestärker zu kontrollieren und unter Umständen auch zu verbieten. 57 Prozentder Bevölkerung (54 Prozent der Internet-Nutzer) befürworten eine stärkere Kontrolle und Regulierung der Inhalte. 27 Prozent der Bevölkerung (32 Prozentder Nutzer) lehnen dies ab. Sie argumen-

tieren: Es kann nicht sein, dass der Staatoder eine andere Stelle festlegen, was

sich der Einzelne im Internet anschauendarf und was nicht. Dafür ist jeder selbstverantwortlich.

UMFRAGE

FREIHEIT VERSUS

REGULIERUNG IM INTERNET

Eine klare Mehrheitspricht sich für

Forderungen aus, Inhalte des Netzes

stärker zukontrollieren undunter Umständenauch zu verbieten.

Page 11: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

11

Im Hinblick auf eine stärkere Kon-trolle von Inhalten bzw. die Bedeutungder Eigenverantwortung unterscheidensich die verschiedenen Nutzergruppenerheblich. Zwar überwiegt auch bei den-jenigen, die das Internet besonders breitund häufig nutzen, der Anteil derer, diesich für einen Ausbau von Kontrollen aus-sprechen. Die Unterstützung ist aber wesentlich geringer als bei denen, dievergleichsweise selten online sind.

47 Prozent der Nutzer, die mehrmalsam Tag im Internet sind, befürwortenstärkere Kontrollen. Von den Befragten,die das Internet nur selten nutzen, sindes dagegen drei Viertel. Umgekehrt beto-nen 38 Prozent der Intensiv-Nutzer, dassdie Nutzung von Angeboten ausschließ-lich in der Verantwortung des Einzelnenliegen sollte. Von denjenigen, die seltenins Internet gehen, sind lediglich 13 Pro-zent dieser Ansicht.

Ein vergleichbares Bild zeigt sich,wenn man die Breite der Internet-Nut-zung heranzieht. Personen mit einembreiten Nutzungsspektrum lehnen einestärkere Kontrolle von Inhalten deutlichhäufiger ab als diejenigen, die relativ wenige Angebote in Anspruch nehmen.Entsprechend verweisen sie wesentlichhäufiger auf die Bedeutung der Eigenver-antwortung. Die Unterstützung für einestärkere Kontrolle wird maßgeblich auchdavon beeinflusst, wieweit man sichselbst eine Einschätzung der Gefahrenund Risiken des Internets zutraut. Befür-

wortet wird eine stärkere Kontrolle weitüberdurchschnittlich von den Nutzern,die sich hier eher unsicher sind.

Zweifel, ob und wieweit sich eineKontrolle und Überwachung des Netzesüberhaupt verwirklichen lassen, sind weit

Auf der Pressekonferenz erklärte Allensbach-Chefin Prof. Dr. Renate Köcher die divergierenden Interessender Internet-Nutzer so: "Er will nichtzum Experten werden, er will einen sicheren Rahmen."

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: IfD-Umfrage 11015, Oktober 2013

Auf 100 Prozent fehlende Angaben = unentschieden

57%

27%

54%

32%

Grafik 29

Bevölkerunginsgesamt

Internet-Nutzer

Ich finde es notwendig, dass der Staatoder andere Stellen die Inhalte vonInternet-Seiten stärker kontrollieren

und unter Umständen auch verbieten.Es gibt viele Seiten mit bedenklichen

Inhalten, z. B. Pornografie, Gewalt-darstellungen

Es kann nicht sein, dass der Staatoder eine andere Stelle festlegen,was sich der Einzelne im Internet

anschauen darf und was nicht. Dafürist jeder selbst verantwortlich. Daherbin ich gegen eine stärkere Kontrolle

Plädoyer für stärkere Kontrollen der Inhalte

Seltener

Mittel

Eng

insgesamt

Nutzungsintensität

Internet-Nutzer

Mehrmals täglich

Mehrmals in der Woche

32%

38%

28%

13%

41%

31%

21%

54%

47%

59%

75%

46%

53%

66%

Nutzungsspektrum

Breit

(eher) nicht zutrauen

39%

19%

47%

68%

Internet-Nutzer, die sich eine Einschätzung der Gefahren und Risiken ...

(eher) zutrauen

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Internet-Nutzer ab 16 Jahre Quelle: IfD-Umfrage 11015, Oktober 2013

Auf 100 Prozent fehlende Angaben = unentschieden

Für stärkere KontrolleGegen stärkere Kontrolle

Grafik 30

Unterschiedliche Unterstützung für stärkere Kontrollenin verschiedenen Nutzergruppen

Page 12: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

12

verbreitet. Lediglich 37 Prozent der Inter-net-Nutzer halten eine wirksame Kon-trolle für möglich. 49 Prozent äußernausdrücklich Zweifel, die übrigen trauensich kein Urteil zu. Auch 43 Prozent der-jenigen, die sich für die stärkere Kontrollevon Inhalten aussprechen, sind skeptisch.Immerhin 41 Prozent aus diesem Kreissind zuversichtlich, dass eine wirksameKontrolle gelingen kann.

Weitgehende Einigkeit besteht überdie Notwendigkeit länderübergreifenderRegelungen. Das gilt ganz unabhängigdavon, ob man stärkere staatliche Kon-trollen befürwortet oder ablehnt. Nichteinmal jeder Zehnte verspricht sich etwasvon rein nationalen Maßnahmen und Vor-schriften. 72 Prozent sind überzeugt,dass Regelungen nur dann effektiv seinkönnen, wenn sie auch international ein-heitlich sind.

In welchem Umfang der Staat aufdiesem Feld aktiv ist und welche Kon-trolle er ausübt, davon haben weite Teileder Bevölkerung wie auch der Onliner nurdiffuse Vorstellungen. 49 Prozent der Bevölkerung (45 Prozent der Internet-Nutzer) trauen sich kein Urteil zu, ob derStaat bisher zu viel oder zu wenig kontrol-liert und reguliert.

Diejenigen, die sich konkret äußern,sehen eher Versäumnisse. Jeweils rundein Drittel der Bevölkerung sowie der Internet-Nutzer bemängelt ein unzu-reichendes staatliches Engagement indiesem Bereich.

Lediglich eine Minderheit ist der Ansicht, dass der Staat bisher zu stark indas Internet eingreift. Nur sieben Prozentder Internet-Nutzer teilen diesen Ein-druck. Auch diejenigen, die das Netz besonders breit und intensiv nutzen, äußern sich bei dieser Frage nicht kritischer.

Gleichzeitig besteht die Sorge, dassdie Freiheit im Netz durch den Staat bedroht sein könnte, indem er beispiels-

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Internet-Nutzer ab 16 Jahre Quelle: IfD-Umfrage 11015, Oktober 2013

Auf 100 Prozent fehlende Angaben = unentschieden

15%

34%

6%

33%

44%

22%

17%

den StaatGefahren für die Freiheit im Internet durch...

Unternehmen

„Wie groß ist die Gefahr, die vom Staat für die Freiheit im Internet ausgeht, indem erz. B. das Verhalten der Bürger im Internet überwacht?"

Sehr groß

Groß

Weniger groß

Gar nicht groß

„Wie groß ist die Gefahr, die von Unternehmen für die Freiheit im Internet ausgeht, indem siebei Suchmaschinen oder Online-Shops vor allem Inhalte anzeigen, die bereits auf das Profil

des Nutzers zugeschnitten sind, man also nicht mehr alle Inhalte angezeigt bekommt?"

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: IfD-Umfrage 11015, Oktober 2013

29%

9%

19% 19%

31%

8%

44% 41%

Bevölkerung insgesamt

Staat greift zu stark ein

Gerade richtig

Zu wenig

Kann ich nicht beurteilenbzw. unentschieden

Grafik 33 neu

Wie beurteilen Sie die Eingriffe des Staates ins Internet und die Kontrolle, die er ausübt? Greift der Staat Ihrer Meinung nach zu stark ein oder zu wenig oder gerade richtig?"

insgesamt Intensiv-Nutzer

mit breitemNutzungs-spektrum

Internet-Nutzer

31%

15%

49%

5% 7%

17%

31%

45%

Gefahren für die Freiheit im Internet

Vielfach herrscht in der Bevölkerung Unklarheit überdas Ausmaß der staatlichen Eingriffe

Lediglich eine Minderheit ist derAnsicht, dass derStaat bisher zustark in das

Internet eingreift.

Page 13: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

13

Werner Süßlin (*1952)studierte Volkswirtschaftlehre an derUniversität Freiburg. Seit 1978 arbeiteter als wissenschaftlicher Mitarbeiteram Institut für Demoskopie Allens-bach, wo er Untersuchungen aus dem Bereich der Markt- und Sozial-forschung leitet.

weise das Verhalten der Bürger im Internetüberwacht. Rund jeder zweite Nutzerschätzt diese Gefahren als groß odersogar sehr groß ein. Nur sechs Prozentsehen keinerlei Anlass zur Besorgnis.

Noch häufiger sind allerdings Befürchtungen, dass die Freiheit des Internets dadurch gefährdet wird, dassetwa Anbieter von Suchmaschinen oderOnline-Shops nicht mehr alle, sondern

überwiegend auf das jeweilige Nutzer-profil zugeschnittene Inhalte anzeigen.Zwei Drittel der Onliner sind davon über-zeugt, dass dadurch die Freiheit des Net-zes in hohem Maße bedroht wird. Nichteinmal jeder Fünfte schätzt diese Gefahrals eher gering ein.

Nur die wenigsten Nutzer haben allerdings bisher den Eindruck, dass estatsächlich zu zunehmenden Einschrän-

kungen der Freiheit im Netz kommt. ImHinblick auf die Entwicklung in den letz-ten Jahren ziehen diejenigen, die über-haupt Veränderungen wahrgenommenhaben, eine weit überwiegend positive

Bilanz. 35 Prozent der Onliner sind derAnsicht, dass die Freiheit im Internet zugenommen hat, lediglich elf Prozentsind überzeugt, dass sie eher abgenom-men hat. 36 Prozent sehen keine Verän-derungen. Auch diejenigen, die dasInternet besonders häufig und über-durchschnittlich breit nutzen, teilen dieseEinschätzung.

Über ein Drittel der Onliner

glauben, dass die Freiheit im Netz eher

zugenommen hat.

18%

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: IfD-Umfrage 11015, Oktober 2013

Freiheit im Internethat eher zugenommen

Eher abgenommen

Unentschieden

Weitgehend unverändert

35%

11%36%

„Haben Sie den Eindruck, dass die Freiheit im Internet in den letzten Jahren eher zugenommen hat, oder hat sie eher abgenommen, oder hat sich an der Freiheit im Internet in den letzten

Jahren nicht viel geändert?"

Grafik 35

Nur die wenigsten der Befragten sehen zunehmende Freiheitsbeschränkungen im Netz

Zahlreiche Medienvertreter nutzten die Gelegenheit und ließen sich von Deutsch-lands führender Meinungsforscherin detailliert erklären, was die Nutzer im Hinblick auf mögliche Internet-Kontrollfunktionen vom Staat erwarten.

Page 14: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

14

OUTSIDERS AUS NEANDERTAL

UND DIE HEILE, DIGITALE WELTNach zwei Jahren wurden die Daten zu den DIVSI Internet-Milieus erneuterhoben, um den Stand der Entwicklung in Deutschland zu überprüfen

MILIEU-AKTUALISIERUNG

von Anfang 2013 herausgefunden hat.Derzeit haben wir zwar noch rund 26 Mil-lionen „Digital Outsiders“ bei uns – Men-schen also, die komplett oder beinahekomplett ohne Internet leben. Für die

Entscheider ist das jedoch nichts, wie einZitat belegt: „Das ist eine große Gruppe,aber die Neandertaler waren auch einegroße Gruppe und die sind ja dann auchausgestorben…!“

Ist es tatsächlich so? Werden die „Digital Outsiders“ von der digitalen

Landkarte verschwinden? Ein Vergleichvon zwei DIVSI-Untersuchungen bringtLicht in das Dunkel.

DIVSI hat 2011 in der „Milieu-Studiezu Vertrauen und Sicherheit im Internet“

erstmals die Landschaft der digitalen Lebenswelten in Deutschland ermitteltund beschrieben. Sie wurde repräsentativfür die deutsche Wohnbevölkerung ab 14 Jahren erstellt. Die DIVSI Internet-Milieus gruppieren Menschen nach derÄhnlichkeit ihrer Einstellungen und Ver-

Von Joanna Schmölz

Hamburg – Mobile Endgeräte, einfach zunutzende Apps und der unaufhaltsamfortschreitende Ausbau der Telekommu-nikationsnetze werden dafür sorgen,dass es den real existierenden „Offliner“nicht mehr lange geben wird. So heißt esjedenfalls überall. Danach ist alles eitelSonnenschein in einer rundum digitali-sierten Welt.

Und falls die Technik dies nichtschaffen sollte, löst eben die Demografiedas Problem. Davon jedenfalls sind dieEntscheider in Deutschland überzeugt,wie DIVSI in einer repräsentativen Studie

Nur eine regelmäßige Aktualisierunggeneriert auf Dauer stabile Zeitreihen.

Page 15: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

15

haltensweisen in punkto Vertrauen undSicherheit im Internet. Damit ist dieseUntersuchung weit mehr als eine reineNutzer-Typologie, die lediglich erfasst,wer wie häufig wo im Netz unterwegs ist.

Als in dieser Form einzigartige Seg-mentierung sollen die DIVSI Internet-Milieus als Zielgruppenwährung im digi-talen Kontext etabliert werden. Hierzugehört die regelmäßige Aktualisierung,um eventuelle Größenveränderungen undNeu-Formationen der einzelnen Gruppenrechtzeitig zu erfassen. Nur dann lassensich auf Dauer stabile Zeitreihen gene-rieren.

Vor diesem Hintergrund haben wir imSommer 2013 die Daten erneut erhoben,

um zu überprüfen, wie sich die digitaleGesellschaft bei uns in den letzten beidenJahren entwickelt hat.

Die Ergebnisse lassen Antworten aufzwei wichtige Fragen zu:

Sind Offliner und Outsiders bald wirklich Schnee von gestern?

Keinesfalls! Das zeigen zumindestdie aktualisierten DIVSI Internet-Milieus.Die Ergebnisse machen deutlich, dass sichdie Entwicklungen in der digitalen Gesell-schaft von technischen Innovationen alleinnicht beeinflussen lassen. Vielmehr speisen sich die Gründe für oder gegendie Internet-Nutzung aus den grundsätz-lichen Einstellungen der Menschen, ihrerWert-Orientierung und Lebensweise sowieihrem Bildungsgrad und ihrer sozialenLage. Ob jemand zum Beispiel sozialeNetzwerke oder ein E-Government-Ange-bot nutzt, hängt hiervon ebenso ab, wievon den individuellen Ansprüchen an Convenience und Sicherheit.

Welche Rolle spielt das Altertatsächlich?

Auf jeden Fall nicht den Hauptpart,wie viele Entscheider mit ihrer „Neander-taler-Meinung“ glauben. Die Fakten bele-gen etwas anderes. Demnach ist es zu

kurz gegriffen, davon auszugehen, dasssich die Thematik mit den Offlinern, denOutsiders, den „Alten“ und Verunsicher-

ten durch Demografie oder durch einenvereinfachten Zugang zu digitalen Ange-boten in Kürze von allein erledigt habenwird.

Dabei spielt es auch keine Rolle, dassviele „Digital Outsiders“ – derzeit immernoch 37 Prozent der Bevölkerung! – imDurchschnitt älter als der Rest der digi-talen Gesellschaft sind. Ein großer Teilvon ihnen steht noch mitten im (Berufs-)Leben. 53 Prozent der „InternetfernenVerunsicherten“ und 89 Prozent der „Ord-nungsfordernden Internet-Laien“ sindunter 69 Jahre alt und damit in vielerleiHinsicht im allerbesten Alter.

Insgesamt zeigt auch die jüngste Erhebung, dass die DIVSI Internet-Milieustrotz der rasanten digitalen Entwicklungstabil bleiben, weil sie die Motive undBarrieren der Internet-Nutzung ganzheit-lich betrachten. Die Milieus bleiben damitüber einen längeren Zeitraum ein belast-bares Instrument, mit dem die digitaleGesellschaft „vermessen“ werden kannund sich ihr Zustand zuverlässig beschrei-ben lässt. Nach zwei aufeinanderfolgen-den Befragungswellen lassen sich ersteTendenzen erkennen und darauf gestütztEntwicklungen aufzeigen. Schon heutesind wir auf die nächsten Untersuchungs-

Unt

ere

Mitt

elsc

hich

t/U

nter

schi

cht

Festhalten BewahrenTradition

HaltunggegenüberInternet

VerunsicherungÜberforderung

Exklusion

Multioptionalität,vernetzt-entgrenzt

VerantwortungsbewusstseinSkepsis

Grundorientierung

Sozi

ale

Lage

Haben & Genießen Sein & VerändernModernisierung/Individualisierung

Machen & Erleben Grenzen überwindenNeuorientierung

Mitt

lere

Mitt

elsc

hich

tOb

ersc

hicht/

Ober

e Mitte

lschic

ht

VerantwortungsbedachteEtablierte

10%

InternetferneVerunsicherte

27% UnbekümmerteHedonisten

12%

DigitalSouveräne

16%

PostmaterielleSkeptiker

9%

Effizienz-orientiertePerformer

16%Ordnungs- fordernde Internet- Laien 10%

Digital Natives (44%)Digital Immigrants (19%)Digital Outsiders (37%)

© SINUS 2013

*DIVSI Milieu-Studie 2012, Basis 2.000 Fälle **DIVSI politische Einstellungen 2013, Basis: 1.045 Fälle, CAPI-Stichprobe

Landkarte der digitalen Gesellschaft in Deutschland

Page 16: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

16

ergebnisse gespannt, mit denen die Ent-wicklung weiter beschrieben werdenkann.

n Häufig wird davon ausgegangen, dassder rasante technologische Fort-schritt unablässig neue „Digitale Generationen“ hervorbringt (Genera-tion@, Generation Smartphone etc).Die vorliegenden Ergebnisse zeigenallerdings, dass Einstellungsmusterhinsichtlich digitaler Themenfelderrelativ konstant bleiben. Auch wennalso die technische Ausstattung jähr-lich aktualisiert wird, ändert sichnicht gleichzeitig die digitale Denk-weise; beispielsweise wird ein „Ver-antwortungsbedachter Etablierter“auch mit seinem Tablet der aktuellsten

Entwicklungsstufe weiterhin durchZurückhaltung und Selbstschutz-maßnahmen sein persönliches Risikoim Internet zu mindern versuchen.

n Zum anderen zeigt auch ein Blick indie Entwicklung der sozialen Milieusin Deutschland, dass übergeordneteEinstellungsmuster und die Zugehö-rigkeit von Menschen zu bestimmtenGruppen relativ stabil sind. Qualitativneue Formationen einer Gesellschaftentwickeln sich in der Regel eher inlangsamen Schritten von acht biszehn Jahren.

n Zudem scheint der Zuwachs bei den„Digital Natives“ von der demografi-schen Entwicklung kompensiert zuwerden, wie die Entwicklung der „Internetfernen Verunsicherten“ zeigt.Diese werden als Gruppe nicht etwakleiner, sondern lediglich älter.

Ergebnisse im Detail

Die folgende Darstellung zeigt einenVergleich zwischen der Ersterhebung undModellierung aus dem Jahr 2011 mit derersten Aktualisierung aus dem Jahr 2013.Dabei werden leichte Verschiebungen inder Verteilung der Befragten über dieverschiedenen digitalen Lebensweltendeutlich.

�n Das Segment der „Digital Natives“nimmt insgesamt um drei Prozent-punkte zu und steigt damit auf 44 Pro-zent der Bevölkerung. Diese Entwick-

lung erklärt sich durch leichte Zu-wächse bei den „Digital Souveränen“und den „Effizienzorientierten Perfor-mern

n Das Segment der „Digital Immi-grants“ bleibt annähernd konstant mitleicht abnehmender Tendenz von 20 auf jetzt 19 Prozent.

n Das Segment der „Digital Outsiders“verkleinert sich insgesamt um zweiProzentpunkte (von 39 auf 37 Prozent

Digital Natives44%

Digital Immigrants

19%

Digital Outsiders

37%

Segmente im Stichprobenvergleich

Digital Natives41%

Digital Immigrants

20%

Digital Outsiders

39%

*DIVSI Milieu-Studie 2012, Basis 2.000 Fälle **DIVSI politische Einstellungen 2013, Basis: 1.045 Fälle, CAPI-Stichprobe

Digital Souveräne

EffizienzorientiertePerformer

(Unbekümmerte)Hedonisten

PostmaterielleSkeptiker/SicherheitsbedachtePostmaterielle

Verantwortungs-bedachte Etablierte

OrdnungsforderndeInternet-Laien

InternetferneVerunsicherte

14%

15%

12%

10%

10%

12%

27%

16%

16%

12%

9%

10%

10%

27%

2011* 2013**

Joanna Schmölz (* 1976) studierte Medienkultur und PolitischeWissenschaft an der Universität Ham-burg und arbeitete zeitweise als freieJournalistin. Sie kam im November2011 zu DIVSI, wo sie als Prokuristinund als wissenschaftliche Leiterin fungiert, Forschungsprojekte verant-wortet und die Themen des Institutsmitentwickelt.

Ergebnisse der DIVSI Internet-Milieu-Aktualisierung2013 im Detail

Page 17: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

17

Bemühen um Sicherheitim Kommunalen Cyber-Raum

Bonn – Um die Sicherheit im KommunalenCyber-Raum ging es jetzt bei der Kom-mune-2.0-Sicherheitskonferenz im Fraun-hofer Institut FOKUS. Motto: „Wemkönnen Bürgerschaft und Wirtschaft imCyber-Raum trauen?“ Der hessische CIO,Staatssekretär Horst Westerfeld, zeichnetedabei ein besorgniserregendes Bild undführte aus, dass von den über 300.000 IT-Servern, die in Bund, Ländern und Kommunen im Einsatz sind, ungefähr dieHälfte außerhalb von professionell durchIT-Dienstleister geschützten Räumen betrieben werden.

Westerfeld warnte: „Welche dieser Rechnernach BSI IT-Grundschutz oder den Daten-schutzanforderungen gemäß der Daten-schutzbeauftragten entsprechen, sei dahin-gestellt. Sicher ist eines – die meisten dieserin nicht professionellen Rechenzentren untergebrachten Rechner und Daten sindvor Hackern nicht sicher. Die Rechner werden in der Regel nicht professionell administriert und sind oft ohne ausreichen-des Backup in Betrieb.“

Dr. Kay Ruge vom Deutschen Landkreistagnahm Bezug auf eine DIVSI Studie und erklärte: „Nach der Milieu-Studie des Deut-schen Instituts für Vertrauen und Sicherheit

im Internet erwarten 60 Prozent der Bevöl-kerung von Wirtschaft bzw. vom Staat einestärkere Gewährleistung von sicheren Rahmenbedingungen für die Nutzung desInternets.“

Diese staatliche Gewährleistungsfunktionbeträfe wegen der zahlreichen Bürgerkon-takte insbesondere auch die kommunaleEbene. Angesprochen sind damit alle gut11.000 Städte, Landkreise und Gemeinden.Insofern ziele die Initiative Kommune 2.0mit der speziellen Berücksichtigung dieserPerspektive im Sinne eines kommunalenCyber-Raums in die richtige Richtung.

Franz Reinhard Habbel vom DeutschenStädte- und Gemeindebund sah ebenfallsdie Kommunen in der Pflicht: „Im Post-Prism-Zeitalter kommt der Sicherung vonDaten und deren Kommunikation eineeminente Bedeutung zu.“ Er vertrat danndiese These: Alles was digital werden kann,wird digital werden. Und alles was gespei-chert werden kann, wird auch gespeichertwerden. Habbel weiter: „Wir müssen unsalso mit den Konsequenzen einer solchenEntwicklung auseinander setzen. Dabei giltes, Gefährdungen frühzeitig zu erkennen,Schäden zu vermeiden und höchste Sicher-heitsanforderungen zu verfolgen. UnsereWirtschaft und unsere Gesellschaft werdensich nur weiter entwickeln können, wennim Zeitalter zunehmender Digitalisierung,Grundfragen der IT-Sicherheit und des Datenschutzes geklärt werden. Der Staat

und damit auch die Kommunen überneh-men hier eine neue Sicherstellungsfunktionim Bereich der Daseinsvorsorge.”

Im Team mit dem Fraunhofer InstitutFOKUS, dem Deutschen Städte- und Gemeindebund sowie dem Deutschen Land-kreistag wird die Initiative Kommune 2.0deshalb Perspektiven zur sicheren Gestaltungkommunaler Cyber-Räume entwickeln.

Wolfgang Scherer, Vorsitzender des Kom-mune 2.0 e. V., hielt dazu fest: „Die hetero-genen Infrastrukturen von Bund, Ländernund Kommunen verhindern in vielen Bereichen eine effiziente Ebenen übergrei-fende und interkommunale Zusammen-arbeit kommunaler und staatlicher Verwal-tungen. Zur Professionalisierung und Kon-solidierung des nationalen öffentlichenCyber-Raums sind deshalb Standard-Architekturen für kommunale Cyber-Räume auf Länderebene unabdingbar.“

Der Deutsche Landkreistag sowie der Deut-sche Städte- und Gemeindebund wollenjetzt mit dem Initiativkreis „KommunalerCyber-Raum“ im Fraunhofer InstitutFOKUS Sicherheitsszenarien aus Sicht derKommunen entwickeln. Bereits vorhan-dene Konzepte und Infrastrukturen sollendabei im Sinne von intelligent integriertenInfrastrukturen gebündelt werden. Ein erstes White Paper zum „KommunalenCyber-Raum“ soll im Rahmen der CeBIT2014 vorgestellt werden.

NEWS

der Bevölkerung). Diese Veränderungist allerdings nur bei den „Ordnungs-fordernden Internet-Laien“ erkenn-bar, die „Internetfernen Verunsicher-ten“ bleiben mit 27 Prozent konstant.�Ein vertiefender Blick in die sozio-

demographischen Profile der DIVSI Internet-Milieus zeigt ebenso leichte Veränderungen hinsichtlich Alter und Geschlecht. So nimmt der Anteil derFrauen bei den „Digital Souveränen“ undden „Effizienzorientierten Performern“jeweils um sieben bzw. elf Prozentpunktezu. Zudem steigt der Anteil der über 60-Jährigen bei den „Internetfernen Verunsicherten“ von 63 auf 74 Prozent.

n „Digital Souveräne“ und „Effizienz-orientierte Performer“ verzeichnenZuwächse in der Altersgruppe derunter 40-Jährigen. Bei den „DigitalSouveränen“ steigt der Anteil von 63 auf 68 Prozent, bei den „Effizienz-orientierten Performern“ von 50 auf56 Prozent.

n Bei den „Postmateriellen Skeptikern“und den „Internetfernen Verunsicher-ten“ sind deutliche Vergrößerungenbei den über 60-Jährigen sichtbar. Beiden „Postmateriellen Skeptikern“steigt ihr Anteil von 20 auf 31 Prozent,bei den „Internetfernen Verunsicher-ten“ von 63 auf 74 Prozent.

n Der Anteil der Frauen nimmt bei den„Digital Souveränen“ und den „Effi-zienzorientierten Performern“ zu: Beiden „Digital Souveränen“ steigt er von32 auf 39 Prozent, bei den „Effizienz-orientierten Performern“ von 37 auf48 Prozent.

n Die „Ordnungsfordernden Internet-Laien“ haben im Vergleich zu 2011einen höheren Männeranteil.

Page 18: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

18

NATIONALER IT-GIPFEL

VERSCHOBEN – AUF WANN?

EXPERTEN-TREFFEN

Von Meike Demattio

Hamburg - Verschieben war einfach,eine neue Terminierung dagegen scheintschwer. Unverändert ist vom Bundes-ministerium für Wirtschaft und Techno-logie kein Termin für den nationalenIT-Gipfel in Hamburg zu erfahren, derursprünglich für den 10. Dezember geplant war. Bekannter Grund: „Der andauernde Prozess der Bildung einerneuen Bundesregierung“. Wann dieserVorgang abgeschlossen sein wird, ver-mag bis zum Redaktionsschluss dieserAusgabe niemand zu sagen.

Offiziell war nur zu hören, dass der 8. Nationale IT-Gipfel auf „Anfang 2014“terminiert werden soll. Insidern scheintdas ein dehnbarer Begriff. Wann also in

den Räumlichkeiten der Hamburger Han-delskammer über Konzepte zur Stärkungdes IT-Standorts Deutschland diskutiertwird, steht in den Sternen. Nach vorlie-genden Plänen will man sich vor allemmit der Digitalisierung der Industrie, derIT-Sicherheit und den Wachstumsbedin-gungen für junge Unternehmen derBranche beschäftigen.

Interessenten für das komplexe Pro-gramm gibt es genug. Zwischen 700 und800 Teilnehmer werden erwartet. SiebenArbeitsgruppen mit bis zu acht Unter-gruppen wollen sich zum – hoffentlichfruchtbaren – Gedankenaustausch treffen.

Mitglieder des DIVSI Beirats und aus-gewiesene Kenner der Materie geben denPlanern des IT-Gipfels in aller Kürze einpaar Anregungen, auf was das Augen-merk gerichtet werden sollte.

Prof. Dr. Claudia Eckert (TU Münchenund Fraunhofer AISEC München):

„Ich erwarte mir vom IT-Gipfel klareStrategien und konkrete Roadmaps fürInvestitionsprogramme, um Schlüssel-technologien und Kernkompetenzen fürdie sichere, digitale Wirtschaft zu ent-wickeln. Von großer wirtschaftlicher undgesellschaftlicher Bedeutung für diekommenden Jahre wird die Ausgestal-tung der unter dem Schlagwort Industrie4.0 angekündigten, vierten industriellenRevolution sein, bei der die vertrauens-würdige ITK eine zentrale Rolle spielenwird. Ich erwarte mir deshalb vom IT-Gipfelklare Aussagen dazu, mit welchen kon-kreten Maßnaahmen Politik und Wirt-schaft unter Einbeziehung der Wissen-schaft das verloren gegangene Vertrauenin die IT sowohl auf der Seite der Wirt-schaft als auch beim Verbraucher wiederherstellen wollen.“

Thomas Götzfried(Aufsichtsratsvorsitzender Götzfried AG):

"Ich wünsche mir vom IT-Gipfel kon-krete Entscheidungen für mehr Beteili-gungs- und Chancengerechtigkeit imNetz. Niemand darf aus der digitalen Weltausgegrenzt sein. Das Netz muss in aus-reichender Qualität allen Bürgern inDeutschland zur Verfügung stehen – auchwenn sie in abgelegenen Regionen wohnenund/oder finanziell schwach sind. ZumWohl unseres Landes und jedes Einzelnen,müssen die Menschen mit der digitalenWelt vertraut sein. Dafür müssen umge-hend die Voraussetzungen geschaffenwerden".

Die altehrwürdigen Räumlichkeiten der HandelskammerHamburg: Im stilvollen, traditionsreichen Rahmen gehtes um Zukunftskonzepte

Page 19: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

19

modernen Gesellschaft, deshalb mussdas Netz in allen politischen, wirtschaft-lichen und gesellschaftlichen Entschei-dungen mitgedacht werden.“

Harald Lemke (Sonderbeauftragter fürE-Government und E-Justice bei derDeutschen Post):

„Ich wünsche mir, dass der IT-Gipfeldie Vertrauenskrise angemessen adres-siert, die mit den jüngst bekanntgewor-denen Abhöraktionen im Internet überAnwender und Anbieter von Internet-Diensten einhergeht. Ich wünsche mir darüber hinaus, dass man der Versuchung

Neue Impulse für ein„Digitales Deutschland“

Hamburg – Die Expertenstudie „Zukunfts-pfade Digitales Deutschland 2020“ hat zweizentrale Anliegen. Zum einen sollen neueImpulse für ein „Digitales Deutschland“ gesetzt, zum andern soll gleichzeitig der föderale Gedanke gestärkt werden. Die Studie wurde im Auftrag des Bundesinnen-ministeriums sowie der IT-Beauftragen ausBayern, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalzund Sachsen erstellt und jetzt präsentiert.

Die Untersuchung erfasst alle relevantenKernbereiche der Gesellschaft. Neben dendigitalen Trends in Politik und Verwaltungwerden auch Grundlagenthemen wie Infra-struktur, Souveränität, Sicherheit und Datenschutz sowie die digitalen Lebensweltender Bürger in den Fokus der Betrachtunggerückt. Insgesamt wurden über 500 Exper-ten befragt. Nach deren Ansicht muss sichdas Engagement des Staates unmittelbar aufdie Basisthemen „Digitale Infrastruktur“,„Digitale Souveränität“ und „IT-Sicherheitund Datenschutz“ konzentrieren. Im föde-ralen Kontext sollte der IT-Planungsrat beider Gestaltung der Digitalisierung eine wesentliche Rolle einnehmen. Er könne als

nationales Steuerungsgremium konsequentdie digitale Agenda für Deutschland vor-geben.

Eine Erkenntnis der Studie ist auch, dass dieBevölkerung angesichts der rasanten Ent-wicklung der IKT-Medien in ihrer digitalenSouveränität hinterherhinke. Im Sinne einerumfassenden Medienkompetenz sei jederBürger selbst verantwortlich, daher müssedie Medienkompetenz in allen Altersklassenund Lebenswelten gestärkt werden. EineForderung deshalb: „Die Digitalisierungmuss stärker in das Bildungssystem inte-griert werden.“

Doch auch die Verwaltung sei in der Pflicht.Mit dem E-Government-Gesetz seien dieRahmenbedingungen für die Umsetzungder Digitalisierung im öffentlichen Sektorklar gesteckt worden, doch noch gebe esdeutlichen Handlungsbedarf. Die Verwal-tung muss sich an die Weiterentwicklungder digitalen Möglichkeiten anpassen, umden Forderungen des E-Government-Gesetzes gerecht zu werden. Wichtigste Voraussetzung dafür sei die Schaffung vonAngeboten, die einen Mehrwert verspre-chen. Dazu sind die Dienste nutzerfreund-lich, relevant und zuverlässig zu gestalten.

NEWS

Meike Demattio (* 1978) studierte an den Universitäten Kon-stanz und Hamburg Medienwissen-schaften bzw. Medienkultur undSoziologie. Zuletzt war sie als ver-triebsstrategische Projektmanagerin inder Finanzbranche tätig. Im Oktober2013 kam Frau Demattio als Projekt-leiterin zu DIVSI, wo sie diverse Studien-projekte des Instituts verantwortet.

Prof. Dr. Miriam Meckel (Universität St. Gallen):

Schneller werden: Deutschland benö-tigt den Ausbau der schnellen Netze undmehr Chancen und Flexibilität für Unter-nehmertum im digitalen Sektor.

Standards setzen: in der Digitalisie-rung brauchen wir klare und kulturellverankerte deutsche und europäischeStandards, z.B. im Datenschutz, und eineechte Idee, wie wir digitale Kompetenzenauf allen Stufen des Bildungssystemsverankern.

Denken verändern: das Internet istkein Medium, es ist die Infrastruktur der

widersteht, für dieses komplexe Problemeine einfache Lösung aus dem Hut zuzaubern, nur weil gerade IT-Gipfel ist.Daher wünsche ich mir die Ankündigung,zum nächsten IT-Gipfel eine Strategie zupräsentieren, die durchdacht und mit denbetroffenen Stakeholdern abgestimmt ist.“

Dr. Bernhard Rohleder (Hauptgeschäftsführer BITCOM):

„Der nächste IT-Gipfel muss ein Stra-tegiegipfel werden. Jetzt ist zu entschei-den, welchen Weg Deutschland in diedigitale Wirtschaft und die digitale Gesell-schaft gehen soll. Vom IT-Gipfel erwarteich wesentliche Beiträge für die anste-henden Richtungsentscheidungen.“

Page 20: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

20

CYBER-MOBBING – WER SCHÜTZT DIE KINDER?

GEFAHRENABWEHR

Unwissenheit und Hilflosigkeit verschlimmern die Situation. Mädchen werden häufiger angegriffen als Jungen.

Page 21: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

21

Von Uwe Leest

Karlsruhe – „Das Internet ist für unsalle Neuland.“ Mit dieser Aussage hatKanzlerin Angela Merkel währendeiner gemeinsamen Pressekonferenzmit dem amerikanischen PräsidentenBarack Obama in diesem Jahr für großes Gelächter gesorgt. Noch mehrwie Hohn klingt diese Äußerung vordem Hintergrund der weltweitenAbhör-Spionage-Affäre der USA, inderen Fadenkreuz auch die Bundes-regierung geriet.

Jedoch, in gewisser Hinsicht liegt dieKanzlerin mit ihrem Statement richtig: ImGegensatz zu den „Digital Natives“, dieschon mit drei Jahren ein Tablet zu bedie-nen wissen, sind die „Digital Immigrants“,also jene, die nicht mit den neuen Medienaufgewachsen sind, im Umgang mit demInternet häufig äußerst ahnungslos. „SilverSurfer“, wie diese Internet-Nutzer auchgern genannt werden, nehmen nicht sostark an den neuartigen Entwicklungenim digitalen Bereich teil wie die jüngereGeneration und betreten deshalb auch inder Tat regelmäßig Neuland, wenn siesich mit dem Internet befassen.

Ebenso kann man auch behaupten,dass wir in Bezug auf rechtliche Frage-stellungen (wie bei der Frage, welche ver-bindlichen Regelungen/Sanktionen – vonzum Beispiel kriminellem Verhalten – imInternet denkbar sind) sehr wohl Neulandbetreten. Rechtliche Regelungen sind imdigitalen Kontext noch nicht ausschöp-fend etabliert bzw. werden etwa durchneue technische Gegebenheiten regel-mäßig überholt.

Wer trägt die Verantwortung imNetz? Wie ist dort mit Verstößen umzuge-hen? Welche Gesetze für den digitalenRaum sind möglich und nötig? Dies sindaktuelle und spannende Fragen – auch imHinblick auf Cyber-Kriminalität wie bei-spielsweise Cyber-Mobbing.

Wo sich soziales Benehmen vermis-sen lässt, wo Verleumdungen (Denunzia-tion) und Beleidigungen (Harassment) inden digitalen Lebensraum eindringen, daspricht man von Cyber-Mobbing. Aberauch Identitätsraub, Cyber-Stalking, Sex-ting und andere Formen der Pornografiezählen zu Cyber-Mobbing.

Auch wenn es im analogen Raumklare rechtliche Regelungen und Grenzengibt, hinkt der digitale Raum hinterher.Und das, obgleich internationale und nationale Studien zeigen, dass zum

Uwe Leest (*1961) ist Vorstand des Bündnisses gegen Cybermobbing e.V. und beschäftigt sichseit über 20 Jahren mit sozialen undpolitischen Themen der Gesellschaft.

Beispiel das Phänomen Cyber-MobbingEinzug hält in die Kinderzimmer, in Orga-nisationen und den Arbeitsalltag von unsallen.

So deutet beispielsweise die „EUKids-Online-Studie“ darauf hin, dass rund40 Prozent der europäischen Kinder und

Jugendlichen in der Vergangenheit bereits mit einem oder mehreren Online-Risiken (wie z.B. Cyber-Mobbing, HappySlapping, Sexting, Grooming etc.) in Berührung gekommen sind.

Auch die bundesweite „Cyber-Life-Studie“ des Bündnisses gegen Cyber-mobbing e.V., an der 10.000 Eltern,Schüler und Lehrer teilgenommen haben,zeigt: 25,3 Prozent der Befragten sind inder Schule bereits Opfer von Mobbing geworden, und rund 16,6 Prozent warenschon einmal von Cyber-Mobbing betroffen.

25,3 Prozent derBefragten sind inder Schule bereitsOpfer von Mobbing

geworden.

Wo Verleumdungenund Beleidigungenin den digitalen Lebensraum eindringen, daspricht man von Cyber-Mobbing.

Page 22: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

mit dieser Form der Internet-Kriminalitätüberfordert.

Erschwerend kommt hinzu, dassTäter im Cyberspace oftmals nur schwer

22

Die meisten Cyber-Mobbing Vorfällewerden an Haupt- und Realschulen fest-gestellt, aber auch bei bereits 30 Prozentder Grundschüler gibt es derartige Vor-fälle. Auch zeigen die Ergebnisse, dassMädchen etwas häufiger das Ziel vonCyber-Attacken sind als Jungen.

Die meisten Jugendlichen reagierenmit Wut (43 Prozent) und Angst (36 Pro-zent) auf Cyber-Mobbing. Jeder fünfte Jugendliche, der Cyber-Mobbing erlebthat, gab in der Studie an, noch heutedurch das Mobbing im Internet belastetzu sein oder darunter zu leiden. Dennochmeldet nur jeder fünfte Jugendliche den

Vorfall den Betreibern der betroffenenPlattformen. Die meisten Kinder und Jugendliche wenden sich zunächst anihren/ihre Freundinnen oder Eltern, wennsie Opfer von Cyber-Mobbing wurden.

Diese sind jedoch oftmals ratlos.Auch die Lehrerinnen und Lehrer, jasogar die Schulleitungen wiesen in denmeisten Fällen das Problem weit von sich

– aus Unwissenheit und Hilflosigkeit. Inden wenigsten Fällen werden Vorkomm-nisse der Polizei gemeldet und selbstwenn: Auch viele Polizeidienststellen sind

Forderung nach einem Gesetz gegenCyber-Mobbing.

Beschimpft/beleidigt

Verbreitung von Lügen und Gerüchten

Lustig gemacht/gehänselt

Unter Druck gesetzt/erpresst/bedroht

Ausgrenzung/Ablehnung von Kontaktanfragen

Veröffentlichung von Fotos

Verbreitung unabgenehmer/peinlicher Fotos/Filme

51%

63%

33%

47%

27%32%

24%

27%

22%

27%

18%

15%

15%

14%

Jungen

Mädchen

Nein78,8%

KeineAngabe

4,6%

Ja16,6%

Häufigkeit sowie Art und Weise des Cyber-Mobbings

Page 23: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

23

zu identifizieren sind. Daraus folgt, dasses trotz der zahlreichen Straftatbestände,unter die Cyber-Mobbing Fälle subsu-miert werden können, einige Hinde-rungsgründe gibt, warum letztendlicheine effektive Strafverfolgung in vielenFällen nicht stattfindet.

Aus diesem Grund fordert das Bünd-nis gegen Cybermobbing e. V., ein Cyber-Mobbing-Gesetz, damit zukünftige Fällebesser geahndet werden können. Damitschließt sich das Bündnis den Forde-rungen und Vorschlägen verschiedenerInstitutionen an, die z. B. einen digitalenKodex in Erwägung ziehen oder speziali-sierte Fachkräfte in Politik (Stichwort: Internet-Minister) und Justiz (Stichwort:Cyber Staatsanwaltschaften in Berlin undCottbus) einsetzen möchten.

Die jüngsten Entscheidungen von Facebook, Gewaltfotos zuzulassen sowiedie Privatsphäre-Beschränkungen fürJugendliche zwischen 13 und 17 Jahrenaufzuheben, zeigen, dass die Betreiberdiverser Plattformen ihrer Verantwortung(z. B. hinsichtlich des Jugendschutzes)nur ungenügend nachkommen und dassdaher die Politik und die Justiz gefordertsind, neue Rahmenbedingungen zuschaffen.

Und doch tut die Gesellschaft gutdaran, wenn sie bei all den Forderungennach verbesserten rechtlichen Rahmen-

bedingungen für den digitalen Raum auchdie Grenzen und Schranken solcher Gesetze im Blick behält.

Insbesondere diverse Ausspäh-Aktionen der USA führen uns vor Augen,wo die Grenzen erreicht werden: In derkalifornischen Stadt Glendale beauftragtedas Schulamt erst kürzlich ein Unterneh-men damit, 14.000 Schüler im Internet zuüberwachen. Der Grund für diese Maß-nahme: Cyber-Mobbing, Suizide und Drogengeschäfte sollten damit verhin-dert werden. Die Schülerinnen und Schü-ler wussten jedoch nicht, dass alleÄußerungen, die sie in einem der sozialenNetzwerke tätigten, registriert und aus-gewertet wurden.

Auch wenn Schul-Suizide aufgrundvon Cyber-Mobbing ein enormes Problemdarstellen, bleibt fraglich, ob die obenvorgestellten Maßnahmen nötig bzw.ethisch zu rechtfertigen sind. Vielleicht istes manchmal sogar schon ausreichend,wenn man ein gutes Kinderbuch zurHand nimmt, um beispielsweise von

Wilhelm Busch zu lernen: „Das Gute –dieser Satz steht fest – ist stets das Böse,was man lässt!“ (aus „Die Fromme Helene“)

Schüler überwacht,um Suizide

zu verhindern.

Das Bündnis gegen Cybermobbing e.V.wurde 2011 nach einer Diskussions-Veran-staltung in Karlsruhe gegründet. Der ehren-amtliche Verein, in dem sich Eltern,Pädagoginnen, Juristen, Mediziner, For-scher und weitere Betroffene engagieren,wird ausschließlich von Sponsoren getra-gen. Ziel des Bündnisses ist es, die Gesell-schaft für die Problematik des Cyber-Mobbing zu sensibilisieren, Aufklärungs-,Forschungs- und Präventionsarbeit zu leis-ten. Da sich das Bündnis als Dach-Organi-sation wahrnimmt, ist ein weiteres erklärtesZiel, alle Kenntnisse und Informationen aufdem Gebiet zu bündeln und jene miteinan-der zu vernetzen, die sich mit der Thematikbeschäftigen.

Hauptschule

Realschule

Gesamtschule

Berufsschule

Gymnasium

20%

26%

19%

16%

10%

Jungen

Mädchen

10%

010 11 12 13

Alter der Schüler/innenAlter der Schüler/innen

Cyb

er-M

obbi

ng-F

älle

14 15 16 17 18 19 20 21

20%

30%

Erlebte Fälle von Cyber-Mobbing nach Alter, Geschlecht und Schulform

Page 24: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

24

trächtigung des Rechts auf Vertrau-lichkeit und Integrität informations-technischer Systeme sowie

n Zensur durch soziale Netzwerke undderen Auswirkungen auf die Meinungs-freiheit.

Angesprochen sind mit diesen Fall-gestaltungen zum einen die Schutz-pflicht- und Gewährleistungsdimensionder Grundrechte, bei der es darum geht,ob und inwieweit der GrundrechtsträgerMaßnahmen des Staates fordern kann,die ihn vor den Beeinträchtigungen seinerGrundrechte von dritter Seite (privat oderdurch andere Staaten) schützen. DieserVerpflichtung kann der Staat in vielfälti-ger Weise nachkommen. Selbst hinsicht-lich fundamentaler Individualrechts-positionen – körperliche Unversehrtheitund Leben – ist aber anerkannt, dass demStaat ein weiter Einschätzungsspielraumzukommt, wie er die Schutzansprüche er-füllt. In der Rechtsprechung des BVerfGist zwar eine leichte Veränderung derSchwerpunktsetzung erkennbar ("Grund-

IST DAS GRUNDGESETZ

TAUGLICH FÜR DIE DIGITALE ZEIT?

Das Kieler Lorenz-von-Stein-Institut untersucht grundrechtliche Wirkungsdimensionen im digitalen Raum

ÜBERPRÜFUNG

Von Dr. Sönke E. Schulz

Die Enthüllungen von Edward Snowdenund die Ausspäh-Aktivitäten der NSA, dieoffenbar die gesamte – und damit auchdie deutsche – Internet-Kommunikationbetreffen, prägen derzeit die öffentlicheDebatte. Oftmals wird dabei eine Ver-bindung zu den Bestrebungen der Euro-päischen Union hergestellt, das Themen-feld Datenschutz regulatorisch neu undeuropaweit einheitlich zu erfassen. DieseVerknüpfung ist nur bedingt weiterfüh-rend – sind doch unterschiedliche Bedro-hungslagen betroffen.

Während die Aktivitäten der Nach-richtendienste staatliche Eingriffe (wennauch nicht durch deutsche Behörden) indas Fernmeldegeheimnis und andereGrundrechte betreffen, sollen durch dieReform des Datenschutzrechts vor allemdie Verhältnisse zwischen privaten Anbie-tern, beispielsweise von sozialen Netz-werken wie Facebook, und den Nutzernneu justiert werden.

Ein Projekt des Lorenz-von-Stein-Instituts, gefördert vom Deutschen Institutfür Vertrauen und Sicherheit im Internet(DIVSI), greift beide Entwicklungen auf. Esverfolgt das Ziel, die Wirkungsdimen-sionen der Grundrechte weiter zu ent-wickeln und damit deren Durchsetzungs-kraft zu stärken. Die abwehrrechtlicheFunktion der Grundrechte, die jeden staat-lichen Eingriff (durch deutsche Behörden)

rechtfertigungsbedürftig macht, ist starkausgeprägt. Aus historischen Gründensteht sie in Deutschland im Vordergrund.

Die grundrechtlichen Schutzbereichewurden in der Vergangenheit zudemimmer aktuellen technischen, sozialenund wirtschaftlichen Entwicklungen an-gepasst. Das Recht auf informationelle

Selbstbestimmung sowie auf Vertraulich-keit und Integrität informationstechni-scher Systeme verdeutlicht dies. Für dieGrundrechtsfunktionen lässt sich einesolche Fortentwicklung zur Bewältigungaktueller Bedrohungen nicht feststellen.Exemplarisch greift die Studie folgendeKonfliktlinien zwischen Privaten im Inter-net auf:

n Cyber-Mobbing als Bedrohung desallgemeinen Persönlichkeitsrechts,

n Datenschutz und Gefahren für dasRecht auf informationelle Selbst-bestimmung,

n technische Veränderungen auf denZielsystemen durch Apps als Beein-

Die abwehrrechtliche Funktion der Grundrechte, die jeden staatlichen

Eingriff rechtfertigungsbedürftig macht,ist stark ausgeprägt.

Page 25: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

25

anzuerkennen. Zu diskutieren ist, welcheMaß- nahmen in Erfüllung des verfas-sungsrechtlichen Schutzauftrags ziel-führend oder gar verfassungsrechtlichgefordert sind.

Ein „Maßnahme-Mix“ aus verschie-denen Bestandteilen dürfte die einzigzielführende Variante sein. Als solchewerden im Rahmen der Studie diskutiert,ohne abschließende Antworten zu formu-lieren, sondern vielmehr einen Ansatz füreine Neujustierung rechtlicher Ordnungim Internet liefern zu wollen: Die Möglich-keit,

n Internet-spezifische Grundrechte zukodifizieren,

n die relevante Gewährleistungs- undDrittwirkungsdimension zu kodifi-zieren,

n die Schutzpflichtfunktion inhaltlichweiter zu entwickeln,

n die Drittwirkung zu effektivieren, n den einfachgesetzlichen Rechts-

rahmen weiter zu entwickeln,n Machtungleichgewichte zu ver-

ringernn Vollzug und Rechtsdurchsetzung

stärken,n den internationalen Rechtsrahmen

fortzuentwickeln,n Verhandlungen mit den Anbietern

zu führen,n Selbstregulierungsmaßnahmen

zu fördern und zu initiieren, n die Medienkompetenz der Nutzer

zu stärken,n Aufklärungs- und Informationsmaß-

nahmen zu intensivieren, n eigene Infrastrukturen und Dienste

aufzubauen, n einen (nationalen) Markt durch

Zertifizierungen, Akkreditierungenoder andere Maßnahmen zu fördern.

Schließlich ist in der Globalität desInternets zu berücksichtigen, dass derStaat zwar die grundsätzliche Pflicht hat,seine Bürger vor Zugriffen zu schützen, eraber „nur zu etwas verpflichtet sein

recht auf Gewährleistung der Vertraulich-keit und Integrität"). Inwieweit diese begriffliche Neuorientierung auch hin-sichtlich des Prüfungsmaßstabs nach-vollzogen wird, bleibt abzuwarten.

Zum anderen wird in Konstellationen,die das Privatrechtsverhältnis betreffen,die Frage relevant, ob und inwieweit auchPrivate grundrechtsverpflichtet sind. Inder Rechtsprechung anerkannt ist die sogenannte mittelbare Drittwirkung, wasbedeutet, dass die Grundrechte als objek-tive Werte-Ordnung auch das Verhältnisder Bürger zueinander prägen und imRahmen auslegungsbedürftiger Vor-schriften des Zivilrechts Berücksichtigungfinden müssen. Eine weiterreichende unmittelbare Wirkung wird – selbst inVerhältnissen, die von einem erheblichenMachtungleichgewicht geprägt sind undsomit dem Verhältnis Bürger-Staat nahe-kommen, – einhellig abgelehnt; Kartell-,Verbraucherschutz- und Datenschutz-recht versuchen insofern, einfachgesetz-lich einen sachgerechten Ausgleich zusichern.

Gerade weil in der öffentlichen Dis-kussion vermehrt die Fundamental-garantie der menschlichen Würde als Argument genannt wird, analysiert dieStudie auch diesen Aspekt: Art. 1 Abs. 1 GGist materielle Leitlinie für die Grund-rechtsfunktionen. So ist anerkannt, dassArt. 1 Abs. 1 GG unmittelbare Wirkungzwischen Privaten entfaltet und dass diestaatliche Schutzpflicht in jedem Fall aktiviert wird, wenn es um menschen-würde-relevante Maßnahmen Dritter geht(Absolutheitsanspruch).

Auch wenn oft eine Verknüpfung etwades Datenschutzes oder des Cyber-Mob-bings mit Art. 1 Abs. 1 GG erfolgt – diemeisten der Internet bezogenen Fallge-staltungen beeinträchtigen die mensch-liche Würde nicht. Eine Differenzierungzwischen allgemeinem Persönlichkeits-recht (Art. 2 Abs. 1 GG) und damit Abwä-gungsoffenheit sowie menschlicherWürde ist zwingend erforderlich. EineRückbesinnung auf die verfassungsrecht-lichen Grundlagen führt dazu, rechtspoli-tisch Wünschenswertes und unabding-bares verfassungsrechtliches Postulatauseinanderzuhalten.

Damit bewegt sich der Staat mit seiner Reaktion in der Regel außerhalbdieses Kernbereichs. Insofern ist seinweiter Ermessenspielraum, wie er derSchutzverpflichtung nachkommen will,

Dr. Sönke E. Schulz (*1980) studierte von 2000-2005 Rechts- undPolitikwissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. 2007wurde er mit einer Arbeit zum Thema„Änderungsfeste Grundrechte“ durchdie Rechtswissenschaftliche Fakultätder CAU Kiel zum Dr. jur. promoviert.Zweites juristisches Staatsexamen2008. Bereits seit 2007 ist er geschäfts-führender wissenschaftlicher Mitarbei-ter am Lorenz-von-Stein-Institut undHabilitand bei Prof. Dr. Utz Schliesky.Dr. Schulz ist Autor zahlreicher wissen-schaftlicher Publikationen zur Verwal-tungsmodernisierung, zum E-Govern-ment und zu den Auswirkungen derDigitalisierung auf Staat und Gesell-schaft.

[kann], das er rechtlich und tatsächlichauch zu leisten vermag“ (so der ehema-lige Präsident des BVerfG Hans-JürgenPapier). Insofern muss man anerkennen,dass die Steuerungsfähigkeit des Natio-nalstaats in einer globalisierten Welt begrenzt ist.

Es bleibt zu hoffen, dass zwar einer-seits sinnvolle Reaktionsmöglichkeitendiskutiert und verwirklicht, andererseitsaber auch nicht Erwartungshaltungen geweckt werden, die sich nicht erfüllenlassen. Das Eingeständnis beschränkternationaler Steuerungsfähigkeit, beispiels-weise was rechtlich verbindliche Maßnah-men betrifft, führt zu einer Veränderungdes gegen den Staat gerichteten Anspruchsauf Schutz – er hat diesen dann zum Bei-spiel durch Verhandlungen, faktische Ein-wirkungen auf Anbieter und Aufklärungs-maßnahmen zu realisieren. Der Ermes-sensspielraum ist weit – Untätigkeit istdennoch nicht angezeigt.

Die Steuerungs-fähigkeit des

Nationalstaats ist ineiner globalisierten

Welt begrenzt.

Page 26: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

... würden Sie mir dazu Ihre E-Mail-Adresse verraten?Internet-Nutzung und Non-Response beim Aufbaueines Online Access Panels

Autorin: Dr. Simone BartschOnline-Befragungen werden immer beliebter, da sieschnell, einfach und kostengünstig sind. Wie steht esaber um die Qualität der Daten? Anhand eines neu auf-gebauten Online Access Panels werden in diesem Bandanschaulich mögliche Quellen für Verzerrungen aufge-zeigt und eingehend analysiert, um daraus Handlungs-empfehlungen für die Praxis abzuleiten. Dabei werdenauf der Basis von aktuellen Daten auch Analysen zur

Internet-Nutzung präsentiert und Perspektiven der Verbreitung des Internets dis-kutiert. Ein Buch für alle, die sich für Internet-Nutzung und Methodenforschunginteressieren, Online-Befragungen durchführen, auswerten oder Daten aus Online-Befragungen interpretieren wollen.

Nomos Verlag, ISBN 978-3-8329-7500-5, Preis 39,00 €

Data UnserWie Kundendaten die Wirtschaft revolutionieren

Autoren: Björn Bloching, Lars Luck, Thomas RamgeTante Emma speicherte noch alles Wichtige über ihreKunden im Hinterkopf. Heute sammeln Herstellerund Händler in Massenmärkten massenhaft digitaleDaten. Kreditkarten-Firmen wissen sogar, wer sichin den nächsten fünf Jahren scheiden lässt. In derneuen Welt des „Big Data“ können UnternehmenKundenverhalten vorhersagen. Oft besser als dieKunden selbst. Mit Social Media, Cloud undSmartphone heben sich die Grenzen von Online- und

Offline-Welten mehr und mehr auf – und verbreitern die Datenbasis weiter. BigData wird Gesellschaft, Politik und Wirtschaft so grundlegend verändern wie derelektrische Strom und das Internet.

REDLINE Verlag, ISBN 978-3-86881-319-7, Preis 24,99 €

VertrauensfragenEine Obsession der Moderne

Autorin: Ute Frevert„Vertrauen“ – kaum ein Begriff hat eine so rasante Auf-merksamkeits- und Erregungskonjunktur zu verzeich-nen. Auf Wahlplakaten und in der Produktwerbungbegegnen wir ihm, bei jeder Krise wird sein Verlust beschworen. Wo Vertrauen in Frage gestellt wird, da gedeiht rasch eine Kultur des Verdachts und der Rechen-

AKTUELLE BÜCHER

26

Page 27: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

schaftspflichten mit langfristig fragwürdigen Folgen. Ute Frevert zeichnet zunächst die Karriere des Vertrauens in der Modernenach, das seit dem 18. Jahrhundert zunehmend säkularisiert und entmoralisiert wurde. Sie untersucht dann den Gebrauchdes Begriffs in unterschiedlichen Kontexten wie Familie, Freundschaft, Schule, Ökonomie und Wissenschaft. Schließlich wirftsie auch einen kritischen Blick auf die „V-Waffe“, den inflationären Einsatz des Vertrauensarguments in der Politik.

C.H. Beck-Verlag, ISBN 978-3-406-65609-5, Preis 17,95 €

Internet-Politik in DeutschlandVom Mythos der Unregulierbarkeit

Autor: Stefan ScholzLange Zeit galt das Internet als anarchisches Medium, das sich unabhängig von äußeren Einflüssenentwickelt und einen weitgehend rechtsfreien Raum bildet. Vor allem den Nationalstaaten wurdelange Zeit jegliche Regulierungsmöglichkeit im internationalen Computernetz abgesprochen. Dochdie Zeiten ändern sich. Die vorliegende Arbeit analysiert die wichtigsten politischen Aktivitäten, dieauf die Gestaltung und Entwicklung des Internets in den Jahren von 1996 bis 2003 Einfluss genom-men haben. Was ist von der Idee eines durch Konsens und Software-Code selbstregulierten Internetsgeblieben?

LIT Verlag, Reihe Medien & Politik, ISBN 3-8258-7698-5, Preis 24,90 €

Massenphänomen ComputerspieleSoziale, kulturelle und wirtschaftliche Aspekte

Autor: Jeffrey WimmerComputerspiele sind ein globales Phänomen von sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Bedeutung. Online oder offline gespielt, ziehen Games inzwischen nicht nur Kinder und Jugend-liche, sondern zunehmend auch Erwachsene in ihren Bann. Das Buch gibt einen wissenschaftlichfundierten Überblick über Computerspiele und deren Nutzer. Es liefert damit die notwendigenHintergrundinformationen für das Verständnis der aktuellen Debatten um den gesellschaftlichenStellenwert von Computerspielen. Dabei wird nicht nur die Faszination, sondern zugleich auchdie Macht des neuen Leitmediums der Unterhaltungsindustrie veranschaulicht. Für Einsteigerin das Thema auf akademischem Niveau, für Pädagogen und interessierte Eltern ein echter Tipp.Mit einem Glossar, Spielverzeichnis sowie kommentierten Literatur- und Link-Hinweisen.

UVK Verlagsgesellschaft mbH, ISBN 978-3-86764-088-6, Preis 29,99 €

Das Internet: Bereicherung oder Stressfaktor für die Demokratie?

Herausgeberin: Prof. Dr. Marianne KneuerInmitten der Ermüdung, in die das repräsentative Demokratie-Modell gekommen ist, erscheintdas Internet wie ein Heilmittel. Den digitalen Medien wird zugeschrieben, Transparenz, Partizipa-tion, Responsivität und Repräsentavität zu verbessern und so Repräsentation zu ergänzen oderzu modernisieren. Dieser Band geht der Frage nach, welche Wirkung die neuen Formen vernetzterKommunikation auf die demokratischen Prozesse haben: Kann das Internet Defizite oder Fehl-entwicklungen heutiger Demokratien beheben und so Demokratie bereichern? Oder ergeben sichaus der Funktionslogik des Internets Stressfaktoren, da demokratische Strukturen geschwächtund demokratische Prozesse unterminiert werden?

Nomos Verlag, ISBN 978-3-8487-0531-3, Preis 44,00 €

27

Page 28: DIVSI magazin – Ausgabe 04/2013

DIVSI Veröffentlichungen

StudienMilieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet, 2012Meinungsführer-Studie: Wer gestaltet das Internet?, 2012Entscheider-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet, 2013Freiheit versus Regulierung im Internet, 2013

RedenRoman Herzog: Internet und Menschenwürde, 2013Olaf Scholz: Braucht das Internet Vertrauen?, 2013

DiskussionsbeiträgeDominic Völz, Timm Christian Janda: Thesen zur Netzpolitik – Ein Überblick, 2013Christina Heckersbruch, Ayten Öksüz, Nicolai Walter, Jörg Becker, Guido Hertel: Vertrauen und Risiko in einer digitalen Welt, 2013Göttrik Wewer: Digitale Agenda 2013 - 2017 – Netzpolitik im neuen Deutschen Bundestag, 2013 Miriam Meckel, Christian Fieseler, Jan Gerlach: Der Diskurs zur Netzneutralität, 2013