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Arbeitsgruppe der Fleischbranche zur Liberalisierung des Fleischmarktes Positionspapier, Stand 26. Juni 2006 Der Arbeitsgruppe gehören (Stand 26.06.06) die folgenden Organisationen an: Schweizer Fleisch-Fachverband SFF, Schweizerischer Viehhändlerverband SVV, Coop, Bell AG, Migros-Genossenschafts-Bund, Micarna SA. Sie erarbeitet die Grundposition der beteiligten Organisationen zur Fleischmarktliberalisierung und hat den Auftrag, das Positionspapier mit neuen Erkenntnissen zum Chancen- und Risikopotential sowie mit Vorschlägen zu Begleitmassnahmen und zur Sicherstellung von Standortbedingungen, die international wettbewerbsfähig sind, laufend anzupassen. Eine erste Fassung wurde unter dem Datum des 17. Februar 2006 erstellt. Die nachfolgende per 26. Juni 2006 redigierte Fassung ist deshalb als Beitrag zu einer laufenden Auseinandersetzung zu betrachten, der je nach Gang der Diskussion weiter anzupassen ist. Für die Liberalisierung des Fleischmarktes im Rahmen des Agrarabkommens zwischen der Schweiz und der EU A. Grundposition 1. Handelspolitische Ausgangslage 1.1. Die Teilzollkontingente für den Import von Wurstwaren aus den vier EU- Ländern Italien, Deutschland, Frankreich und Ungarn werden im Sinne einer „Vergemeinschaftung“ des Marktzutritts der Importeure aus der EU diskutiert werden. Damit werden Fragen einer zusätzlichen Liberalisierung auf den Tisch kommen. 1.2. Trotz verschiedener Ungewissheiten ist davon auszugehen, dass aus der Doha-Runde der WTO eine Erhöhung des Importdruckes entsteht. Zollabbau, „Capping“ und/oder erweiterte Zollkontingente stehen im Raum. Mit der Bezeichnung „sensibler Produkte“ wird der Abbau des Grenzschutzes nicht aufgefangen werden können. 1.3. Der Bundesrat wird einen Bericht über die Möglichkeiten eines Freihandelsabkommens mit der EU im Landwirtschaftsbereich vorlegen. Die „Gruppe für eine offensive Agrarpolitik“ unter Leitung des ehemaligen Direktors des Bundesamtes für Landwirtschaft schlägt eine vollständige Liberalisierung per 2009 vor. 1.4. Das Integrationsbüro und das Bundesamt für Landwirtschaft haben im Nachgang zur Fleischfachtagung 2005 den Vorschlag einer schrittweisen Liberalisierung des Marktes für Fleischerzeugnisse im Rahmen der Evolutivklausel im Agrarabkommen zwischen der Schweiz und der EU im Rahmen der Bilateralen Verträge I lanciert.

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Arbeitsgruppe der Fleischbranche zur Liberalisierung des Fleischmarktes Positionspapier, Stand 26. Juni 2006 Der Arbeitsgruppe gehören (Stand 26.06.06) die folgenden Organisationen an: Schweizer Fleisch-Fachverband SFF, Schweizerischer Viehhändlerverband SVV, Coop, Bell AG, Migros-Genossenschafts-Bund, Micarna SA. Sie erarbeitet die Grundposition der beteiligten Organisationen zur Fleischmarktliberalisierung und hat den Auftrag, das Positionspapier mit neuen Erkenntnissen zum Chancen- und Risikopotential sowie mit Vorschlägen zu Begleitmassnahmen und zur Sicherstellung von Standortbedingungen, die international wettbewerbsfähig sind, laufend anzupassen. Eine erste Fassung wurde unter dem Datum des 17. Februar 2006 erstellt. Die nachfolgende per 26. Juni 2006 redigierte Fassung ist deshalb als Beitrag zu einer laufenden Auseinandersetzung zu betrachten, der je nach Gang der Diskussion weiter anzupassen ist.

Für die Liberalisierung des Fleischmarktes im Rahmen des Agrarabkommens zwischen der Schweiz und der EU

A. Grundposition

1. Handelspolitische Ausgangslage

1.1. Die Teilzollkontingente für den Import von Wurstwaren aus den vier EU-

Ländern Italien, Deutschland, Frankreich und Ungarn werden im Sinne einer „Vergemeinschaftung“ des Marktzutritts der Importeure aus der EU diskutiert werden. Damit werden Fragen einer zusätzlichen Liberalisierung auf den Tisch kommen.

1.2. Trotz verschiedener Ungewissheiten ist davon auszugehen, dass aus der

Doha-Runde der WTO eine Erhöhung des Importdruckes entsteht. Zollabbau, „Capping“ und/oder erweiterte Zollkontingente stehen im Raum. Mit der Bezeichnung „sensibler Produkte“ wird der Abbau des Grenzschutzes nicht aufgefangen werden können.

1.3. Der Bundesrat wird einen Bericht über die Möglichkeiten eines

Freihandelsabkommens mit der EU im Landwirtschaftsbereich vorlegen. Die „Gruppe für eine offensive Agrarpolitik“ unter Leitung des ehemaligen Direktors des Bundesamtes für Landwirtschaft schlägt eine vollständige Liberalisierung per 2009 vor.

1.4. Das Integrationsbüro und das Bundesamt für Landwirtschaft haben im

Nachgang zur Fleischfachtagung 2005 den Vorschlag einer schrittweisen Liberalisierung des Marktes für Fleischerzeugnisse im Rahmen der Evolutivklausel im Agrarabkommen zwischen der Schweiz und der EU im Rahmen der Bilateralen Verträge I lanciert.

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1.5. Als weitere Option stehen Freihandelsverträge – mit oder ohne Einschluss des Agrarsektors - zur Diskussion, insbesondere ein Abkommen mit den USA, deren Strategie auf eine vollständige Liberalisierung und einen Verzicht auf spezielle Kennzeichnungsvorschriften zu den Produktionsmethoden hinausläuft.

1.6. Vom 5. bis 30. Mai 2006 führten das Eidgenössische

Volkswirtschaftsdepartement und das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten bzw. die von ihnen geschaffene interdepartementale ein Konsultation zum Thema „Agrarfreihandel mit der EU“ durch. Es lag ihr der Kurzbericht „Freihandel Schweiz-EU im Agrar- und Lebensmittelsektor zugrunde.

Angesichts der intensivierten Diskussion über den Agrar-Aussenhandel ist es für die Fleischwirtschaft entscheidend, dass jetzt die richtigen Weichen gestellt werden, damit eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Wertschöpfungskette erzielt werden kann. Wir fordern, dass der Bund unverzüglich Gespräche mit allen Akteuren der Fleischbranche aufnimmt, um eine breit abgestützte handelspolitische Marschrichtung festzulegen.

2. Stand der Fleischwirtschaft auf Stufe Primärproduktion und Verarbeitung

2.1. Während die Schweiz in den letzten Jahren ständig Mengen und

Marktanteile verloren hat, konnte die Fleischwirtschaft in Österreich bei eher schlechteren Strukturen sowohl auf Stufe Produktion als auch auf Stufe Verarbeitung nicht nur die Menge halten, sondern auch Spezialitäten in den europäischen Markt exportieren. Auch wenn die Rahmenbedingungen Österreichs mit denjenigen der Schweiz nicht ohne weiteres verglichen werden können, steht fest, dass das Nachfragepotential in der Schweiz nicht voll ausgeschöpft wird und Möglichkeiten zur Substitution von Importen bestehen. Ausserdem entgeht der inländischen Wertschöpfungskette ein Marktpotential von rund 10 Prozent allein durch den Einkaufstourismus. Wir erwarten, dass Preissenkungen zu einer Steigerung des Fleischkonsums – der zu den tiefsten in Europa gehört – führen wird. Es kann deshalb nicht generell von einem gesättigten Markt ausgegangen werden.

2.2. Anderseits sehen wir für das Schweizer Fleisch und für die entsprechenden Verarbeitungsprodukte, vor allem im Bereiche der Spezialitäten, durchaus eine Chance auf dem europäischen Markt. Voraussetzung ist allerdings, dass dazu die Rahmenbedingungen für die Viehwirtschaft und die Fleischwirtschaft parallel angepasst werden

Oberstes Ziel ist das Halten des Absatzes im Inland. Zur Kompensation der nach wie vor günstigen Importe und im Rahmen der Fokussierung auf wertschöpfungsintensive Produkte muss im europäischen Ausland Fuss gefasst werden. Dazu ist eine parallele Anpassung der Rahmenbedingung für die Vieh- und Fleischwirtschaft nötig. Wir fordern eine gleichgerichtete Verbesserung der Rahmenbedingungen sowohl für die Primärproduktion als auch für die Fleischindustrie und das verarbeitende Gewerbe.

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3. Im Fleischmarkt sind Besonderheiten gegenüber Milch und Käse zu beachten 3.1. Der Käsehandel mit der EU ist per 2007 frei. Demgegenüber wird der

Grenzschutz für die Primärproduktion von Milch und für die übrigen Milchprodukte aufrechterhalten. Damit wird unterstellt, dass über eine Käsemarktliberalisierung die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Milchsektors in genügendem Masse verbessert werden kann. Es liegt auf der Hand, analoge Überlegungen auch auf den Fleischmarkt zu übertragen. Dies ist jedoch nicht möglich, weil grundlegende Unterschiede bestehen.

3.2. Für den Fleischmarkt muss immer ein ganzes Tier verwertet werden, was

bedeutet, dass stets sowohl Frisch- als auch Verarbeitungsfleisch anfällt. Für die unterschiedlichen Fleischstücke bestehen extrem differenzierte Marktverhältnisse. Die Nachfrage reagiert auf Veränderungen der Preise je nach Teilsortimenten im Charcuterie- und Frischfleischbereich völlig anders. Infolge des Preisdrucks in einem Sektor gerät die Kalkulation des ganzen Tieres unter Druck. Gleichzeitig führt eine Marktspaltung zwischen liberalisierten und gestützten Fleischstücken zu Verzerrungen und damit zu einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit.

3.3. Die Verkäsungszulage des Bundes verbilligt den Käse, fördert damit die

Nachfrage und gilt dementsprechend als Massnahme zur Stützung des Inlandmarktes. Sie erleichtert aber auch die Kalkulation konkurrenzfähiger Preise auf Auslandmärkten, welche über Jahrzehnte – durch Exportsubventionen erleichtert – hatten aufgebaut werden können. Hingegen muss für Fleischprodukte der ausländische Markt – mit Ausnahme von Bündnerfleisch und wenigen anderen Spezialitäten – zuerst erarbeitet werden, und zwar von Anfang an unter dem Druck des internationalen Wettbewerbs.

Weil im Gegensatz zum Milchmarkt die Fleischwirtschaft immer ein ganzes Tier verwertet und für Fleischprodukte keine vergleichbare Marktstützung besteht, fordern wir bei der Fleischmarktliberalisierung ein die Primärproduktion und Verwertung gesamthaft umfassende Lösung.

4. Negative Auswirkungen einer Teilliberalisierung ohne Anpassung der

Rahmenbedingungen

4.1. Für die Liberalisierung liegen verschiedene Modelle vor, nämlich: - Vollständige Liberalisierung des Gesamtmarktes für Frischfleisch und

verarbeitete Fleischprodukte. - Teilweise Liberalisierung für verarbeitete Fleischprodukte, entweder für alle

oder einzelne Bereiche der Verarbeitungserzeugnisse. - Teilweise Liberalisierung für besonders wettbewerbsfähige Produkte von

Frischfleisch und Verarbeitungserzeugnisse. 4.2. In den bisherigen Diskussionen und Verlautbarungen aus dem Bundeshaus

geht oft nicht klar hervor, was unter „Fleischerzeugnis“, „Fleischprodukt“ oder „Fleischmarktliberalisierung“ verstanden wird. In der Schweiz werden mehr als die Hälfte des gewonnenen Fleisches als verarbeitete

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Fleischerzeugnisse konsumiert, nämlich einerseits als traditionelle Charcuterie (Brühwurst, Rohwurst, Kochwurst, Koch- und Rohpökelwaren) und andererseits - mit wachsender Tendenz - als vorgegarte Fleischerzeugnisse, sogenannte Convenience-Produkte. Der Entscheidungsbaum in der Fleischwirtschaft beginnt mit der Evaluation des Frischfleischbedarfs, insbesondere der hochpreisigen „Edelstücke“. Der Rohstoff für Charcuterie ist ein Spaltprodukt.

4.3. Bei einer Liberalisierung allein der verarbeiteten Fleischerzeugnisse ohne

Anpassung der Rahmenbedingungen und der Rohmaterialpreise wird die schweizerische Charcuterieproduktion auf Nischen und Spezialitäten zurückgedrängt. EU-Produkte werden preislich attraktiver sein und Schweizer Verarbeitungserzeugnisse auf den bisherigen Märkten verdrängen. Die angrenzenden Regionen mit vergleichbaren Konsumgewohnheiten sind sehr wohl in der Lage den "Schweizergeschmack" zu treffen. Gleichzeitig hat die Schweizer Charcuterieproduktion keine Chance mit dem teuren Rohstoff EU-Märkte zu erobern. Das labile kalkulatorische Gleichgewicht (Frischfleisch / Spaltprodukte) geriete aus den Fugen. Dieses Szenarium würde noch verschärft durch eine gleichzeitige Reduktion des Grenzschutzes für Frischfleisch infolge von WTO-Zugeständnissen.

4.4. Die geltende Aussenhandelsregelung kennt die Besonderheit von

Teilzollkontingenten für Fleischspezialitäten und Wurstwaren. Die entsprechenden Importrechte werden versteigert. Fleischspezialitäten und Wurstwaren gemäss Teilzollkontingenten Versteigerung 2005 Tonnen CHF

Trockenfleisch 220 Zuschlag 7.33 Rindfleischkonserven 770 " 0.28 Rohschinken 1100 " 7.20 Dosen- und Kochschinken 71 " 6.67 Wurstwaren Italien 2856 " 1.53 Wurstwaren Frankreich 125 " 2.48 Wurstwaren Deutschland 103 " 1.87 Wurstwaren Ungarn 64 " 0.09 Total 5309 Summe 15.1 Mio. CHF Wenn allein der Markt für diejenigen Produkte liberalisiert wird, die heute diesen Teilzollkontingentsmengen unterstellt sind, ist der Einfluss auf die Inlandproduktion spezifischer. Am stärksten betroffen von einer punktuellen Marktöffnung sind die Trockenfleischproduzenten (Graubünden, Wallis), die Kochschinkenfabrikanten und die Salamifabrikanten. Der Markt wird mit diesen Produkten überschwemmt, und die einheimische Produktion dieser Produkte sinkt auf weniger als die Hälfte. Es entsteht grosser Druck auf die Schweine- und auf die Kuhpreise. Am besten halten sich wahrscheinlich die Bündnerfleischproduzenten, die ihre bestehenden Exportkanäle bei billigerem Schweizer Rohstoff und im Veredelungsverkehr ausbauen können..

Eine Teilliberalisierung nur bei Verarbeitungsprodukten ohne Anpassung der Rahmenbedingungen hat negative Effekte auf den Schlachtviehmarkt: Der Importdruck bei Verarbeitungsfleisch und die starke Konkurrenz auf den ausländischen Märkten setzt das Verarbeitungsfleisch unter grossen Preisdruck.

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Dieser kann nicht über eine Verteuerung von Frischfleisch aufgefangen werden, ohne den Inlandkonsum zu gefährden. Wir fordern eine vollständige Liberalisierung des Fleisch-marktes für die ganze Primärproduktion und alle Verarbeitungsprodukte. 5. Veredelungsverkehr und andere Massnahmen nicht hinreichend

5.1. Die neue Zollgesetzgebung erleichtert den aktiven und passiven

Veredelungsverkehr. Nach Ablauf der Übergangsfrist bis 2011 kann bei Aufrechterhaltung des hohen Grenzschutzes für Frischfleisch und einer Teilliberalisierung für Verarbeitungserzeugnisse teures inländisches Rohmaterial im Ausland verarbeitet und als Charcuterie im passiven Veredelungsverkehr reimportiert werden. Diese Entwicklung ist in erster Linie für die verarbeitende klein- und mittelbebriebliche Fleischindustrie, die ihre Betriebe nicht ins Ausland verlagern kann, nachteilig. Doch infolge des Verlusts an Arbeitsplätzen und inländischen Handelsbeziehungen ist die gesamte Wertschöpfungskette mit Einschluss der Primärproduktion nicht an diesem Szenarium interessiert.

5.2. Auch der aktive Veredelungsverkehr bleibt ein Behelf und kann den

Rohstoffpreisnachteil beim Export der Verarbeitungsprodukte nicht vollständig kompensieren. Das Administrativverfahren ist im internationalen Wettbewerb schwerfällig. Die erforderliche Flexibilität des Handels ist im Rahmen des Veredelungsverkehrs nicht gewährleistet. Die Differenzen zwischen dem Preis der kompensatorischen Importe und demjenigen der Inlandware können nicht vollständig zur Verbilligung des Exports eingesetzt werden. Importe im Rahmen des Äquivalenzprinzips sind nicht ohne weiteres zum Preis von Schweizer Ware abzusetzen. Die Zollbelastung im Bestimmungsland bleibt in jedem Fall ein bedeutsames Hemmnis.

5.3. Im Unterschied zu anderen Sektoren kommt die Fleischindustrie nicht in den

Genuss eines Rohstoffausgleichs im Rahmen des Schoggigesetzes. Deshalb werden private Ausgleichsmassnahmen zur Verbilligung des Rohmaterials für den Export diskutiert. Sie sind allerdings äusserst schwierig umzusetzen und können immer nur einzelne Projekte fördern. Damit wird allenfalls der Aufbau von Handelsbeziehungen erleichtert, doch ist ausgeschlossen, dass bei einer auf Verarbeitungsprodukte beschränkte Teilliberalisierung der Rohstoffpreisnachteil vollständig kompensiert werden kann

Aktiver Veredelungsverkehr und andere Massnahmen zur Milderung des Rohstoffpreisnachteils können in der Übergangsphase teilweise unterstützend wirken und den Aufbau von Handelsbeziehungen fördern. Sie sind jedoch nicht hinreichend, um die Marktanteile zu halten, geschweige denn auszubauen. Wir fordern eine über den Veredelungsverkehr hinausgehende, grundlegende Verbesserung der Rahmenbedingungen.

6. Rasche Beseitigung des Grenzschutzes

6.1. Aus den vorstehenden Überlegungen geht hervor, dass ein rascher und

spürbaren Abbau des Grenzschutzes, notwendig ist, der parallel für die

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gesamte Wertschöpfungskette (Primärproduktion und Verarbeitungserzeugnisse) durchgeführt wird. Wesentlich ist dabe, dass eine klare, zeitlich Perspektive eines vollständig liberalisierten Fleischmarktes verbindlich und verlässlich definiert wird.

6.2. Die „Gruppe für eine offensive Agrarpolitik“ unter Führung des ehemaligen

Direktors des Bundesamtes für Landwirtschaft schlägt die vollständige Grenzöffnung gegenüber der EU auf das Jahr 2009 mit Ausgleichszahlungen während einer Übergangsfrist bis 2013 vor. Wir unterstützen diese Position. Mit Nachdruck wird gleichzeitig verlangt, dass während der Übergangsfrist auch für die Fleischverarbeitung Mittel zur Anpassung bereitgestellt und langfristig gleichwertige Rahmenbedingungen mit denjenigen der EU (beispielsweise im Rahmen der Regionalpolitik) gewährleistet sein müssen.

6.3. Die Liberalisierung des Fleischmarktes mit der EU soll zeitlich auf die

Implementierung der WTO-Doha-Runde abgestimmt sein. Die Agrarpolitik 2011 richtet sich ebenfalls darauf aus, die Entwicklungen in der WTO durch Massnahmen im Inland aufzufangen. Eine Liberalisierung mit der EU, die gleichzeitig mit derjenigen in der WTO, aber konsequenter abläuft, verbessert die Chancen, dass der zusätzliche Importdruck (USA und Schwellenländer) durch einen Export in die benachbarten europäischen Länder aufgefangen werden kann. Im Rahmen der Agrarpolitik 2011 sind ausserdem die Rahmenbedingungen für die Fleischproduk-tion (Ziffern 8 und 9) zu verbessern.

Damit die Chancen verbessert werden, den zusätzlichen Importdruck durch Exportmöglichkeiten zu kompensieren, ist ein rascher, aber für Frischfleisch und Verarbeitungserzeugnisse paralleler Abbau des Grenzschutzes geboten. Wir fordern eine Fleischmarktliberalisierung in einem Schritt auf das Jahr 2010 mit Überbrückungsmassnahmen bis ins Jahr 2013.

7. Priorität bei Liberalisierung im Verkehr mit der EU

7.1. Ein Freihandelsvertrag mit den USA, der die Liberalisierung bei Fleisch und

Fleischerzeugnissen einschliesst, würde Vorteile beim Bezug und dem Export von Spezialitäten bieten (Import von „US-Beef“ und Export z.B. von Trockenfleischspezialitäten). Durch preislich wettbewerbsfähigere Verarbeitungserzeugnisse und Edelstücke im Frischfleischbereich ist der Verdrängungseffekt wahrscheinlich weit grösser als die Exportmöglichkeiten. Es ist nicht zu erwarten, dass aus den USA Rohmaterial für die Verarbeitung in der Schweiz eingeführt werden könnte.

7.2. Grundsätzlich sollen die Kennzeichnungsvorschriften parallel zur

Liberalisierung harmonisiert werden. Die LDV ist als weltweites Unikum problematisch. Würde sie im Rahmen eines Freihandelsvertrages mit den USA wegfallen, läge dies quer zur Situation im europäischen Raum und würde umgekehrt, mindestens teilweise, zusätzliche Probleme im Verkehr mit unseren Nachbarn der EU verursachen. Umgekehrt ist die LDV bezüglich Fleisch im Handel mit den EU-Staaten bereits heute kaum mehr relevant.

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Aus der Optik der Fleischwirtschaft und aus Konsumentensicht treten die Interessen an einem Freihandelsabkommen mit den USA und an einer Abschaffung der LDV hinter der Liberalisierung des Fleischmarktes mit der EU zurück. Wir fordern, dass die Priorität einer Fleischmarktliberalisierung klar auf die EU ausgerichtet wird.

8. Verbesserung der Rahmenbedingungen für Primärproduktion

Der Erfolg am europäischen Markt setzt allerdings voraus, dass die Rahmenbedingungen für die Viehwirtschaft in der Schweiz nachhaltig verbessert werden. Dazu gehören die folgenden Massnahmen:

- Rasche und deutliche Senkung des Schwellenpreises für Futtermittel,

parallel zur Marktöffnung der Schweiz. Bei vollständiger Liberalisierung muss der Preis für Futtermittel auf dem EU-Niveau sein. Futtermittel machen rund 50% der variablem Kosten der Geflügel und Schweineproduktion aus. Besonders bei den Eiweissträgern müsste der maximale Spielraum schnell maximal ausgeschöpft werden. Im Gleichschritt zu den Schwellenpreissenkungen muss der Zollschutz für Futtermittel gesenkt werden.

- Aufhebung der Bestandesobergrenzen: Die kleinen Strukturen führen zu hoher Arbeitsbelastung, weil sich arbeitssparende Mechanisierung erst auf grösseren Betrieben lohnt. Neubauten von grösseren Geflügel- und Schweinehaltungsbetrieben unterstehen in jedem Fall der UVP-Pflicht - eine zusätzliche Begrenzung aus agrarpolitischer Sicht erübrigt sich.

- Verbesserung der Absatzförderung, ausgerichtet auf den europäischen Markt mit fokussierter Mehrwertkommunikation, einheitlichen Auftritt und Synergien zwischen Fleisch und anderen Agrarprodukten (Käse, Wein, Früchte….) Vorbildlich ist diesbezüglich die österreichische AMA oder auch die deutsche CMA. Mit Suisse Garantie wurde auch in der Schweiz eine Plattform für übergeordnete produktbezogene Kommunikation gefunden. Diese Plattform muss nun genutzt und ausgebaut werden.

- Ausweitung der Tätigkeit der Tierverkehrsdatenbank und Nutzbarmachung der Daten für die Kommunikation und die Qualitätssicherung.

- Datenkoordination: Die Daten der kantonalen ÖLN-Kontrollen, der Tierarzneimittel sowie die Betriebsdaten des Bundes sind zu verknüpfen und den privatrechtlichen Labelprogrammen zur Verfügung zu stellen.

- Rückverfolgbarkeit: Bezüglich Tracking und Tracing sind die Europäischen Mindestanforderungen zu erfüllen – das gilt auch für die Äquivalenz der Hygienebestimmungen.

Ausserdem sind auch die privaten Akteure in der Lage, durch freiwillige Gestaltung ihrer Rahmenbedingungen Mehrwerte anzustreben und zu realisieren. Dazu gehört die konsequente Umsetzung des Verzichts auf GVO-Futter, weil dies in Europa eine USP geworden ist.

Der Erfolg auf dem europäischen Markt setzt voraus, dass die Rahmenbedingungen für die Viehwirtschaft in der Schweiz nachhaltig verbessert werden. Wir fordern für

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die Primärproduktion eine Verbesserung der Rahmenbedingungen und insbesondere EU-konforme Futtermittelkosten.

9. Mit der EU äquivalente Rahmenbedingungen für die Fleischverarbeiter

9.1. Die Fleischverarbeiter fordern analoge Rahmenbedingungen, wie sie in der

EU gelten. Dies ist die Voraussetzung dazu, dass die Marktanteile gehalten und schliesslich ausgebaut werden können. Die öffentlichen Mittel, die durch den Wegfall der Marktstützungsmassnahmen frei werden, stehen einerseits für Direktzahlungen zugunsten der Landwirtschaft zur Verfügung. Sie müssen aber auch für äquivalente Rahmenbedingungen der Verarbeitungsbetriebe eingesetzt werden, wie sie in der EU, insbesondere im Zusammenhang mit der Förderung des ländlichen Raumes und der Regionalpolitik bestehen.

9.2. Insbesondere müssen Mittel zur Erleichterung der Strukturanpassung im

Verarbeitungsbereich bereitgestellt werden, wenn gemäss dem Vorschlag der „Gruppe für eine offensive Agrarpolitik“ eine vollständige Liberalisierung bereits auf das Jahr 2009 vorgesehen würde. Je rascher die Beseitigung des Grenzschutzes erfolgt, desto mehr ist auch den Standortnachteilen der inländischen Verarbeitungsbetrieben Rechnung zu tragen. Im Vordergrund stehen – auch im Interesse der Primärproduktion – Ausgleichzahlung für Wertverluste in Lagerbeständen, Investitionen in rationellere Arbeitsabläufe und ein erleichterter Zugang zu Fördermitteln im Bereiche des Exportmarketings.

Unerlässlich sind gegenüber der EU äquivalente Rahmenbedingungen sowie Anpassungshilfen, insbesondere in einer Übergangsperiode auch an die Fleischverarbeitung zur Erleichterung der Strukturveränderung. Wir fordern „gleichlange Spiesse“ durch eine Beseitigung der Standortnachteile für inländische Fleischverarbeiter.

10. Gemeinsame Forderungen der Fleischwirtschaft

10.1. Eine vollständige Liberalisierung des Fleischmarktes, parallel für

Frischfleisch und Verabeitungserzeugnisse wird auch Anpassungsdruck auf die Verarbeitungsstufe ausüben. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Wertschöpfungskette müssen der Druck zur Strukturanpassung auf allen Stufen wirksam sein.

10.2. Die EU-Preise in Prozenten der Schweizer Preise betragen auf Stufe

Primärproduktion 54%, auf Stufe Konsum (gemessen an einem Standardwarenkorb) 62 %. Dies lässt darauf schliessen, dass die Differenzen auf Stufe Verarbeitung geringer sind, als bei der Primärproduktion. Die Feststellung auf Seiten 14/15 der Vernehmlassungsunterlagen zur AP 2011 deckt sich auch mit den Preisvergleichen von Frischfleisch und Verarbeitungserzeugnissen zwischen Deutschland und der Schweiz. Die Preisunterschiede sind bei Verarbeitungserzeugnissen tendenziell geringer.

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10.4. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass sich bei vollständiger Liberalisierung, parallel für Frischfleisch und Fleischerzeugnisse die Verarbeitungsindustrie und -gewerbe halten können. Gleichzeitig wird aber Druck zu einer Angleichung der Verarbeitungs- und Handelsspannen ausgeübt. Der Zwang zur Ausschöpfung von Sparpotentialen wird stark spürbar sein. Anpassungshilfen, während einer eng begrenzten Übergangsperiode müssen den Annäherungsprozess erleichten bzw. die Strukturveränderungen abfedern.

1. Die Stossrichtung des Vorschlages der „Gruppe für eine offensive

Agrarpolitik“ unter der Führung des ehemaligen Direktors des Bundesamtes für Landwirtschaft wird aus der Sicht der Fleischwirtschaft grundsätzlich unterstützt.

2. Die Fleischwirtschaft hebt dabei die folgenden Kernpunkte hervor: * Wir treten für eine rasche Liberalisierung des Fleischmarktes mit der EU

im Rahmen der Evolutivklausel des Agrarabkommens ein. * Die Liberalisierung muss den Gesamtmarkt für Frischfleisch und

Verarbeitungsprodukte vollständig erfassen. * Die Rahmenbedingungen der Fleischverarbeitung müssen äquivalent zu

denjenigen der EU ausgestaltet sein. 3. Die Übergangsperiode ist sorgfältig zu planen. Zeitlich begrenzte

Anpassungshilfen, welche die strukturellen Veränderungen erleichtern, sind für Primärproduktion und Verarbeitung gleicherweise vorzusehen.

4. Aus der Sicht der Fleischbranche stufen wir die Liberalisierung des

Fleischmarktes mit der EU als bedeutsamer ein als die Aushandlung von Erleichterungen im Handel mit Fleisch und Fleischererzeugnissen mit den USA:

B. Chancenpotentiale und Risiken

1. Grundsätzlich Es ist zu prüfen, ob aus der Sicht der Fleischverarbeitung unter

Freihandelsbedingungen Risiken oder Chancen überwiegen. Wir gehen von einem Kostenblock von 40 Prozent des Verkaufswertes aus, welcher durch Verarbeitung und Handel beansprucht und dem internationalen Wettbewerbsdruck ausgesetzt wird. Die Vorteile überwiegen dann die Nachteile, wenn die zusätzlichen Importe durch Exporte mindestens kompensiert und die im Einkaufstourismus verlorenen Umsätze zurückgewonnen werden. Diese

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Zielsetzung muss kurzfristig – zum Beispiel innerhalb einer dreijährigen, durch Begleitmassnahmen unterstützen Periode – erreichbar sein, damit wir aus der Sicht der Fleischverarbeiter von einem „vorherrschenden Chancenpotential“ sprechen.

Für alle Stufen der Wertschöpfungskette müssen die Risiken des allgemein hohen Kostenumfeldes, insbesondere der Lohn-, Bau- und Investitionskosten, einschliesslich derjenigen der bereits getätigten Investitionen überwunden werden. In der Fleischverarbeitung liegen die Lohn- inkl. Lohnnebenkosten rund 20% über denjenigen Zentraldeutschlands. 2. Schlachtviehproduktion und Viehhandel Auch aus der Sicht der Fleischverarbeitung macht der Freihandel nur dann einen

Sinn, wenn sich in der Schweiz eine hinreichende Schlachtviehproduktion unter europäischen Konkurrenzbedingungen behaupten kann. Die Fleischwirtschaft muss sich auf Schweizer Fleisch stützen können, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Exportpotentiale (Ziffer 4 und 5) nur unter dieser Bedingung realisiert werden können.

Dem zentralen Risiko massgeblich tieferer Schlachtviehpreise stehen die

Chancen höherer Mengen durch einen steigenden Konsum, den Wegfall des Einkaufstourismus und den Export durch eine erstarkte Fleischverarbeitung gegenüber. Die Vorteile tieferer Produktionskosten müssen konsequent genutzt werden, mit Einschluss der Zulassung von Parallelimporten. Insgesamt werden sich aus der Sicht der Fleischwirtschaft auch für die Schlachtviehproduzenten neue Chancen ergeben, welche die Risiken überwiegen.

Für den Schlachtviehhandel sind durch die Liberalisierung keine wesentlichen

Veränderungen zu erwarten, wenn das Produktionsvolumen aufrechterhalten oder gesteigert werden kann. Da heute durch Einheitstarife der Handel aus entlegenen Gebieten tendenziell begünstigt wird, könnte ein zusätzlicher, auf die ganze Wertschöpfungskette ausgeübter Wettbewerbsdruck zu einer verbesserten Kostenwahrheit im Viehhandel führen. Dies stärkt dessen Wettbewerbsfähigkeit. Eventuelle Nachteile für Produzenten entlegener Gebiete müssten gegebenenfalls durch regionalpolitische Massnahmen aufgefangen werden.

3. Verarbeitungs- und Handelskosten

2.1. Erste Verarbeitungsstufe

In der Schweiz sind die Schlacht- und Zerlegebetriebe von vergleichsweise bescheidener Grösse. Sie verteilen sich auf die verschiedenen Landesgegenden. Dies kontrastiert zur Situation massgebender EU-Länder mit wesentlich grösseren Anlagen an zentralen Standorten, welche höhere Skalenerträge generieren, als in der Schweiz erzielt werden können. Durch den Wegfall des Zolles (z.B. für Schweinscarrée von Fr. 23.71 pro Kilo, Tarif Nummer 0203.1991) werden Schlacht- und Zerlegebetriebe starkem Konzentrations- und Rationalisierungsdruck ausgesetzt sein. Diese

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Schwäche wird im Bereich der Zerlegung noch durch die grössere Arbeitsintensität bei höheren Lohnkosten verstärkt. Allerdings ist die Konzentration auf der ersten Verarbeitungsstufe durch die Industriebetriebe der beiden Marktführer, teilweise in Kooperation mit weiteren Akteuren, bereits weit fortgeschritten. Sie haben in letzter Zeit bedeutende Investitionen vorgenommen. Die eng miteinander verbundenen Arbeitsabläufe beschränkt die Gefahr einer Verlagerung der Zerlegeprozess ins Ausland. Der Distanzschutz und Bedenken gegenüber Lebendviehtransporten mildern die Nachteile, welchen die Schlacht- und Zerlegebetriebe ausgesetzt sind. Die Verluste an inländischer Wertschöpfung durch den passiven Veredelungsverkehr werden sich deshalb in Grenzen halten. Anderseits finden regionale und lokale Produktions- und Vermarktungskreisläufe eine bestimmte Kundschaft. Einzelne lokale Schlachtbetriebe werden auch unter Freihandelsbedingungen ausgesprochene Nischen besetzen können. Im mittleren Bereich wird sich die Konzentrationsbewegung jedoch stark verschärfen.

2.2. Zweite Verarbeitungsstufe Das generell höhere Kostenumfeld wird sich nachteilig für die

Wettbewerbsfähigkeit der Verarbeitungsstufe auswirken. Allerdings sind die Preisunterschiede zwischen dem benachbarten Ausland und der Schweiz beim Frischfleisch besonders ausgeprägt. Bei Wurstwaren und Charcuterieartikeln sind die Differenzen weniger gross. Der Zolltarif (z.B. für Würste von Fr. 9.19 Pro Kilo, Tarif Nummer 1601.0029) deutet darauf hin, dass darin bereits heute kein „Industrieschutz“ eingebaut ist. Die zweite Verarbeitungsstufe hat zahlreiche Möglichkeiten, ihre Produkte zu differenzieren. Der durch den Freihandel ausgelöste zusätzliche Wettbewerbsdruck dürfte deshalb spürbar sein, aber verkraftet werden können: In den Industriebetrieben durch Rationalisierungsmassnahmen, im Gewerbe durch eine verstärkte Fokussierung auf regionale Spezialitäten.

2.3. Handel Fleisch(gross)Handel

Der Fleischhandel kann grundsätzlich vom „Heimvorteil“ profitieren. Nachteilig wirkt sich für ihn aus, dass die Branche im Verhältnis zu den meisten EU-Ländern kleinstrukturiert ist. Die europäische Konkurrenz dürfte die Grosshandelsmargen unter Druck setzen, der Verdrängungswettbewerb wird zunehmen und einschneidende Strukturanpassungen werden folgen. Ausländische Verteiler dürften weitgehend vom europäischen Fleischhandel bedient werden. Bei einem Freihandelskabkommen dürften sich die Chancen- und Gefahrenpotentiale für die Branche in etwa aufwiegen, weil aus dem Strukturebereinigungsprozess auch Gewinner hervorgehen. Grosshandel mit Fleischerzeugnissen / Engrosmärkte Hauptabnehmer sind Restaurants, Kantinen usw. Im Rahmen der Gemeinschaftsverpflegung wird äusserst preisbewusst eingekauft. Zuschläge für besondere Qualitätsmerkmale (schweizerische Herkunft, besonders tierfreundliche Produktion usw.) sind nur schwer zu realisieren. Gefragt sind insbesondere ganzheitliche Lösungen und Logistikleistungen.

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Für die gehobene Gastronomie wird sich ein Nischenmarkt für Erzeugnisse mit speziellen Qualitätsmerkmalen behaupten. Catering Der Handel im Sektor „Catering“ hat zunehmende Bedeutung. Im Zentrum steht die Dienstleistung, doch spielt die Preisgestaltung ebenfalls eine grosse Rolle. Trotzdem können Schweizer Spezialitäten auch im Catering vermarktet werden; ein Bonus für die „Swissness“ lässt sich teilweise realisieren. Detailhandel; Grossverteiler

Der Detailhandel kann heute nur einen begrenzten Grenzschutz in Anspruch

nehmen. Der Privatverbraucher führt bereits jetzt Kleinmengen zollfrei ein. Die Kenntnisse des Schweizer Marktes und die Standortvorteile (gute Lagen sind besetzt) sind als Stärken der Detailhändler zu betrachten. Bei den Standortnachteilen überwiegt das allgemein hohe Kostenumfeld des Wirtschaftsstandortes Schweiz. Die Bruttomargen des personal- und kostenintensiven Detailhandels werden bei Freihandel unter Druck kommen. Vorverpackte Waren, insbesondere in Grosspackungen, sind preissensibel und werden durch Discounter, aus ausländischer Herkunft, mit sehr engem, aber deutlich preisgünstigeren Angeboten stark konkurrenziert. Demgegenüber kann sich der Detailhandel weiterhin mit besonderen Leistungen im Sinne von Tierschutz, GVO-Freiheit, sensorischen Qualtitätmerkmalen und Serviceleistungen im Offenverkauf profilieren. Insgesamt ist mit einer breiteren Produktepalette, stärkerer Differenzierung und allenfalls Rationalisierungsmassnahmen zu rechnen. Die Chancenpotentiale dürften desahlb die Gefahrenpotentiale übersteigen, insbesondere durch den abnehmenden Einkaufstourismus und die Nachfrage zusätzlicher Kunden aus dem grenznahen Ausland, die schweizerische oder regionale Spezialitäten in der Schweiz einkaufen.

Fachgeschäfte (Metzgereien) Die Metzgereifachgeschäfte zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen Teil

ihres Sortimentes selber herstellen und damit sowohl in der Verarbeitung als auch im Detailhandel, teilweise im Grosshandel und in der Belieferung der Gastronomie tätig sind. Wettbewerbsnachteile erwachsen ihnen durch die Kostenstruktur ausgeprägter Kleinbetriebe, die sich durch offene Grenzen verstärken werden. Die lokale Verankerung, die Einbindung in regionale Vermarktungssysteme, das hohe Ausmass der mit den Produkten verbundenen Dienstleistungen und das Angebot ausgesprochener Spezialitäten sind besondere Stärken des Fachgeschäftes. Für ein Sortiment an Brüh- und Rohwurstwaren wird die durchschnittliche Bruttomarge (Verarbeitungs- und Handelskosten) gegenwärtig auf rund 12 Franken pro Kilo beziffert. Mit derselben Bruttomarge und bei um 50 Prozent reduzierten Rohmaterialkosten werden die Verkaufspreise im Fachhandel für Rohwurstwaren etwa vergleichbar, jedoch im Brühwurstbereich in der Schweiz immer noch deutlich höher sein. Die Wettbewerbsnachteile gegenüber dem ausländischen Fachhandel dürften aber durch Kooperationen und eine weitere Spezialisierung aufgefangen werden können.

Der zusätzliche Wettbewerbsdruck wird in der Fleischverarbeitung stark spürbar sein und sich auf die erste Verarbeitungsstufe konzentrieren. Die

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zweite Verarbeitungsstufe wird sich bei gezielten Anpassungsmassnahmen gut behaupten können. Im Handel kommt das Mengengeschäft unter Druck, wogegen sich Spezialitäten und Serviceleistungen gut behaupten. Von Anfang an ziehen die Konsumenten Nutzen aus der grösseren Vielfalt des Angebotes und bei tieferen Preisen.

4. Schätzung des Exportpotentials Die Aussenhandelsstatistik weist für das Jahr 2005 einen Export von 4'239

Tonnen Fleisch und Fleischerzeugnissen aus. Rindfleischprodukte (Bindenfleisch) stehen mit 2'911 Tonnen im Vordergrund.

Die Fleischwirtschaft schätzt, dass der Export unter Freihandelsbedingungen

innerhalb von drei Jahren auf 12'000 Tonnen etwa verdreifacht werden kann. Die Schätzung geht davon aus, dass aufgrund bestehender Exportprojekte im Rahmen des Veredelungsverkehrs die folgenden jährlichen Ausfuhren realistisch sind: 4'000 Tonnen getrocknetes Rindfleisch; 1'500 Tonnen Rohschinken; 1'500 Tonnen Rohwurstwaren; 2'500 Tonnen Convenienceprodukte inklusive Schinkenspezialitäten und 2'500 Tonnen Brühwurstwaren mit spezifischer Identität. Damit kann ein Zuwachs des Importes von etwa einem Drittel aufgefangen werden. Durch den weitgehenden Abbau der Preisdifferenzen zum benachbarten Ausland dürfte der Einkaufstourismus im Ausland bedeutungslos werden, was ein weiterer „Umsatzgewinn“ von gegen 40'000 Tonnen bewirkt.

Allerdings sind für die wirtschaftlichen Effekte nicht allein die Mengen

ausschlaggebend, sondern insbesondere auch die wertmässigen Umsätze und die Wertschöpfung. Dennoch vermitteln die als plausibel betrachteten Schätzungen gewisse Hinweise auf das Marktpotential für die inländische Schlachtviehproduktion.

Experten rechnen mit einem Zeitbedarf von fünf Jahren, die benötigt werden, bis

internationale Handelsbeziehungen aufgebaut und ertragsversprechend genutzt werden können. Es darf deshalb davon ausgegangen werden, dass aufgrund der vorsichtigen Schätzungen des kurzfristig möglichen Exportes in einer nächsten Phase ein weiterer, bedeutenderer Zuwachs realisiert werden kann.

Die fleischverarbeitende Industrie und das Metzgereigewerbe werden innerhalb von drei Jahren den internationalen Wettbewerbsdruck durch Exporte und durch die Rückgewinnung der Einkaufstouristen kompensiert haben. Auf dieser Basis ist die Aussicht auf längerfristige Wachstumsmöglichkeiten realistisch.

5. Absatzförderung Die bestehenden Erfahrungen im Export beruhen auf den erweiterten

Möglichkeiten, die der aktive Veredelungsverkehr im Äquivalenzverfahren bietet. Ein Fleischverarbeiter konnte beispielsweise im Jahre 2005 einen Export von 350 Tonnen Speck-, Schinken- und Brühwurstspezialitäten realisieren. Die Planung geht für 2006 von 600 Tonnen aus. Ein anderer, kleinerer Exporteur exportierte 2005, ebenfalls auf der Basis des Veredelungsverkehrs insgesamt 4 Tonnen Fleischerzeugnisse, davon 1,6 Tonnen Rohschinken, 1,2 Tonnen Mostbröckli und 1,2 Tonnen Produkte aus dem Roh- und Brühwurstsegment. In

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beiden Beispielen ist Deutschland der Zielmarkt. Verschiedene Bündnerfleischfabrikanten konnten schon früher die Möglichkeiten des Veredelungsverkehrs nutzen, da für sie die rechtlichen Grundlagen bereits seit längerem bestehen. Wichtigste Absatzmärkte sind Deutschland und Frankreich.

Übereinstimmend wird betont, dass der Erfolg auf ausländischen Märkten sehr

stark von gemeinsamen Absatzförderungsmassnahmen abhängen wird. Eine konsequente kollektive Marketingstrategie, welche die gute Reputation schweizerischer Nahrungsmittel (Schokolade, Käse, Wein, Fleisch usw.) im Rahmen eines koordinierten Auftrittes nutzt, wird als unverzichtbar, aber auch als sehr erfolgversprechend beurteilt. Die Möglichkeiten der Absatzförderungsverordnung sind konsequent auszubauen und durch die Fleischbranche zu nutzen.

Eine gemeinsame, durch die AMS branchenübergreifend entwickelte und den Fleischsektor (vorzugsweise durch die Proviande) einschiessende Strategie für das Exportmarketing sowie die Nutzung der öffentlichen Unterstützung im Rahmen der Absatzförderungsverordnung ist für den Erfolg der Fleischbranche entscheidend.

C. Begleitmassnahmen

Die Arbeitsgruppe legt Wert auf die Vorbemerkung, dass die Überlegungen zu Begleitmassnahmen zwangsläufig provisorischen Charakter haben. Im Vordergrund stehen die unternehmerischen Aufgaben, die Chancen wahrzunehmen und den Risiken durch geeignete betriebliche Massnahmen zu begegnen. Ein abrupter und fundamentaler Wechsel in den staatlichen Rahmenbedingungen nimmt aber auch die öffentliche Hand in die Verantwortung. Wir wollen der Frage, wie dies konkret aussehen könnte, nicht aus dem Weg gehen, auch wenn einzelne skizzierte Anpassungshilfen einstweilen eher den Charakter von Beispielen haben. 1. Grundsätzlich Unser Positionspapier plädiert dafür, dass der umfassende Freihandel für den

Ernährungssektor in einem einzigen Schritt auf einen bestimmten Stichtag eingeführt wird, beispielsweise auf den 1. Januar 2010. Demgegenüber werden während einer bestimmten Zeitspanne befristete Begleitmassnahmen nötig sein, welche den Akteuren die Anpassung an die Freihandelsbedingungen erleichtern. Unsere Überlegungen gehen davon aus, dass diese Übergangsperiode, während welcher die betroffenen Unternehmungen mit einer gewissen Unterstützung rechnen können, auf drei bis vier Jahre, zum Beispiel bis zum 31. Dezember 2013 befristet ist.

Die Verarbeiter von Landwirtschaftsprodukten und insbesondere die

Fleischverarbeiter haben grundsätzlich dieselben Herausforderungen zu meistern wie der Agrarsektor selber. Der Wegfall des Grenzschutzes erleichtert zwar die Beschaffung des Rohmaterials zu konkurrenzfähigen Preisen. Doch setzt er auch die Verarbeitungs- und Handelskosten, die rund 40 Prozent des gegenwärtigen Endverkaufswertes ausmachen, dem internationalen Wettbewerbsdruck aus. Dies wird vor allem infolge des Lohngefälles erhebliche Konsequenzen haben. Für die Fleischverarbeiter ist der Schritt zu Freihandelsbedingungen anspruchsvoller, als er per 1. Juli 2007 durch die Milch- und Käsewirtschaft bewältigt werden muss, da die Verkäsungszulage von 10 Rappen pro Kilogramm eine nach wie vor bedeutende Marktstützung bedeutet.

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Die Fleischwirtschaft ist gewillt, die internationale Wettbewerbsfähigkeit grundsätzlich selber zu erarbeiten. Mit umso grösserem Nachdruck fordert sie aber, dass auch Fleischverarbeiter Anpassungshilfen beantragen können.

Die Arbeitsgruppe Fleischmarktliberalisierung fordert, dass befristete Begleitmassnahmen auch für die Verarbeiter von Landwirtschaftsprodukten zur Verfügung gestellt werden.

2. Finanzierung der Lagerentwertung Mit dem Stichtag der Inkraftsetzung eines Freihandelsabkommens werden die

Schlachtviehpreise dem europäischen Preisniveau angepasst. In Erwartung des beträchtlichen Preisrucks gegen unten muss ohne Begleitmassnahme befürchtet werden, dass die Schlachtviehmärkte einbrechen. Es sind deshalb Rahmenbedingungen zu schaffen, welche den Übergang abfedern.

Unter der Voraussetzung, dass keine finanziellen Einbussen durch die

Entwertung der Lagerbestände befürchtet werden müssen, dürften die schlachtenden Betriebe bereit sein, ihre Käufe auf den schweizerischen Schlachtviehmärkten im Vorfeld des Inkrafttretens eines Freihandelsabkommens aufrecht zu erhalten.

Dazu wird es zweckmässig sein, vorgängig Referenzpreise festzulegen. Sie

beziehen sich einerseits auf das Preisniveau in der EU, allenfalls in den die Schweiz umgebenden EU-Ländern. Anderseits werden die schweizerischen Preise während einer bestimmten Periode vor dem Übergang zum Freihandel als Referenz festgelegt.

Schlachtbetriebe erhalten die Möglichkeit, die Differenz der Referenzpreise,

multipliziert mit dem Schlachtgewicht ihrer Lagerbestände an einem zu bestimmenden Stichtag, dem Bund in Rechnung zu stellen. Unter der Annahme, dass auf diese Weise der Wertverlust von 60'000 Tieren der Rindergattung und 400'000 Schweinen entschädigt wird, müssen rund 100 Mio Franken für diese flankierende Massnahme budgetiert werden.

Den schlachtenden Betrieben ist die Preisdifferenz EU/Schweiz auf den Lagerbeständen an einem zu bestimmenden Stichtag zu erstatten. Dafür ist ein Aufwand von 100 Mio Franken als vorübergehende Stützung des Schlachtviehmarktes vorzusehen.

3. „Freihandels-Fitness“ Den fleischverarbeitenden Betrieben werden sehr erhebliche Anstrengungen der

Anpassung abverlangt. Es ist deshalb entscheidend, dass ihnen dabei materielle Unterstützung gewährt wird. Wir betrachten es aber als ebenso wichtig, dass den Akteuren auf diese Weise die grosse Bedeutung signalisiert wird, welche der Verarbeitung der viehwirtschaftlichen Produktion durch die inländische Fleischindustrie und durch ein dezentrales Gewerbe auch unter den neuen Voraussetzungen zukommt. 3.1. Investitionsförderungsprogramm

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Wir empfehlen, an die Erfahrungen mit dem Bundesgesetz über Investitionshilfe für Berggebiete (SR 901.1) und dem Bundesbeschluss über die Unterstützung des Strukturwandels im ländlichen Raum (SR 901.3) anzuknüpfen. Die bereits vorhandenen Instrumente können sinngemäss auf Anpassungsmassnahmen fleischverarbeitender Betriebe in der ganzen Schweiz angewendet werden.

Investitionshilfe Der Bund kann natürlichen und juristischen Personen in der ganzen

Schweiz Investitionshilfedarlehen für einzelbetriebliche Projekte gewähren, welche die Wettbewerbsfähigkeit der Fleischgewinnung-, verarbeitung und -veredelung oder den Gross- und Detailhandel mit Fleisch und Fleischerzeugnissen im Rahmen des Freihandels mit der EU stärken.

Es kommen dafür insbesondere Investitionen zur Modernisierung von

Maschinen, Geräten und Anlagen mit Einschluss von baulichen Massnahmen in Frage. Ebenfalls unterstützt werden Erweiterungsinvestitionen zur Überschreitung kritischer Betriebsgrössen.

Der gesuchstellende Betrieb hat mit dem Gesuch seine Marktchancen

glaubhaft zu machen. Es wird ihm ein Investitionshilfedarlehen unter Berücksichtigung seiner finanziellen Möglichkeiten und der Bedeutung des Projektes für die Verarbeitung und Verteilung der regionalen viehwirtschaftlichen Produktion zu tieferen als den marktüblichen Zinsen oder zinslos gewährt.

Finanzhilfe Während sich die Investitionshilfe auf Massnahmen der betrieblichen

Infrastruktur bezieht, erscheint es im Kontext des Freihandels zweckmässig, auch organisatorische Vorkehrungen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit zu fördern und zu unterstützen.

Zu denken ist insbesondere an Projekte der Rationalisierung von

Arbeitsabläufen, der Kooperation zwischen Unternehmen sowie an Betriebszusammenschlüsse mit Blick auf den internationalen Konkurrenzdruck.

Dafür sollen einzelne Unternehmen oder Firmengruppen Finanzhilfe des

Bundes beanspruchen können. Der Bund gewährt dazu Beiträge von zwischen 50 bis 80 Prozent an die Aufwendungen, welche ein Unternehmen oder mehrere Firmen gemeinsam zur Erarbeitung solcher Konzepte leisten. Sinngemäss sind Aufträge, die von den Gesuchstellern mit gleicher Zielrichtung an externe Fachleute erteilt werden, durch den Bund mitzufinanzieren.

3.2. Schuldenerlass und Stillegungsbeiträge für Schlachtbetriebe Der Freihandel mit der EU wird den Strukturwandel verschärfen. Es ist

denkbar, dass er nicht mehr in allen Fällen im Rahmen des Generationenwechsels erfolgen kann. Insbesondere bei der Fleischgewinnung als der ersten Verarbeitungsstufe können sich schwierige Zielkonflikte ergeben. Einerseits dürfte es in zahlreichen Fällen empfehlenswert erscheinen, kleine Schlachtbetriebe aus wirtschaftlichen Gründen stillzulegen. Anderseits können Überlegungen der Regionalpolitik

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und der Nischenproduktion dazu führen, dass dezentrale, kleine Schlachtbetriebe aufrecht erhalten bleiben.

Beiträge zur Stilllegung von kleinen Schlachtanlagen können dazu führen,

dass die Trägerschaften sich der Entscheidung, die im Rahmen des Freihandels mit der EU nötig werden, bewusst zu werden. Wir plädieren deshalb dafür, dass das Programm zur „Freihandels-Fitness“ mit Beiträgen für die Stillegung kleiner Schlachtanlagen ergänzt wird.

Auf der anderen Seite haben zahlreiche Schlachtbetriebe erhebliche

Investitionen getätigt, insbesondere, auch mit Blick auf eine Öffnung der Grenzen. In Analogie zur Investitionsförderung ist deshalb auch ein Schuldenerlass für bereits getätigte Investitionen, welche mit gleicher Zielrichtung realisiert worden sind, ins Auge zu fassen.

Die Fleischwirtschaft fordert zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit im Freihandel mit der EU zweckgerichtete Investitionshilfedarlehen, Finanzhilfen sowie Stillegungs- und Amortisationsbeiträge.

3.3 Durchführung und Finanzbedarf

In Analogie zum Bundesgesetz über Investitionshilfe für Berggebiete und dem Bundesbeschluss über die Unterstützung des Strukturwandels im ländlichen Raum empfehlen wir den Erlass eines befristeten Bundesbeschlusses zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit bei der Verarbeitung von Agrarprodukten im europäischen Freihandel. Natürliche und juristische Personen und Personengemeinschaften können beim Kanton Gesuche um Investitionshilfedarlehen, Finanzhilfe, Stillegungs- und Amortisationsbeiträge einreichen. Der Kanton leitet die Anträge dem seco weiter, welches über die Gesuche entscheidet.

Gesuche müssen in jedem Falle den Zusammenhang mit den neuen

Freihandelsbedingungen und – im Falle der Investitions- und Finanzhilfe – die Marktchancen, die sich aus dem Projekt ergeben, nachweisen. Angemessene Eigenleistungen werden vorausgesetzt. Ob stets auch die Kantone zu Finanzierung beigezogen werden müssen, kann heute noch offen bleiben. Da es sich beim Freihandel mit der EU um ein nationales Projekt handelt, erscheint eine Finanzierung ausschliesslich durch den Bund als konsequent. Bei Stillegungs- und Amortisationsbeiträgen sind die regionalpolitischen Komponenten stärker gewichtet, weshalb dafür eine gemeinsame Finanzierung durch Bund und Kantone zu prüfen ist.

Die Fleischbranche geht davon aus, dass die für die flankierenden

Massnahmen zur Verfügung stehenden Mittel nach Sektoren budgetiert werden. Für die Fleischverarbeitung erscheinen uns die folgenden Richtwerte als angemessen:

- Zinslose, im Rahmen der geschäftsmässig begründeten

Amortisationsdauer rückzahlbare Investitionshilfedarlehen (z.B. Aufstockung des Investitionshilfefonds gemäss IHG): 50 Mio Franken.

- Finanzhilfen als à fonds perdu-Beiträge für organisatorische

Massnahmen der Rationalisierung, für Kooperationen und Betriebszusammenschlüsse: 10 Mio Franken.

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- Stillegungsbeiträge, insbesondere für nicht mehr benötigte Schlachtanlagen 10 Mio und Amortisationsbeiträge für bereits getätigte Invesitionen 30 Mio Franken.

Die Fleischverarbeiter fordern, dass als flankierende Massnahmen 50 Mio rückzahlbare Investitionskredite und 50 Mio à fonds perdu-Leistungen zur Strukturbereinigung bereitgestellt werden

C. Äquivalente Standortbedingungen Das Institut für Agrarwirtschaft an der ETH Zürich arbeitet an einer Studie über

„staatliche Unterstützungszahlungen an Fleischverarbeitungsbetriebe in der Schweiz, Deutschland und Oesterreich. Der Abschluss der Arbeit wird auf Juli 2006 erwartet.

Die europäische Fleischwirtschaft profitiert von staatlichen Förderinstrumenten. Bei

den Schlacht- und Fleischverarbeitungsbetrieben sind dies vor allem Investitionsbeihilfen und zinsverbilligte Kredite. Unter optimistischen Annahmen betragen die maximalen Einsparungseffekte zwischen 4 bis 6 % der Gesamtkosten pro kg Schlachtgewicht (ohne Rohstoffkosten). Die Beihilfeintensität ist abgestuft; nur KMU-Betriebe in A-Födergebieten (z.B. neue Bundesländer Deutschlands) erhalten bis maximal 50% der Investitionskosten.

Andere Wettbewerbsnachteile konnten in der Studie nicht berücksichtigt werden (z.B.

LSVA, Soforthilfe Vogelgrippe und andere EU-Beihilfen). Die Studie identifiziert anderseits auch Standortvorteile der inländischen Betriebe, wie sie heute bei den Veterinärkosten und Entsorgungskosten der Schlachtnebenprodukte bestehen. Mit Blick auf die Freihandelsbeziehungen sind diese im Gleichschritt mit den Standortnachteilen abzubauen. Letztere sollen auch mittels der Begleitmassnahmen (Teil B) gemildert werden.

Die schweizerische Fleischverarbeitung verfügt sowohl über Standortnachteile als auch –vorteile. Veränderungen müssen im Gleichschritt erfolgen, damit das Verhältnis nicht verschlechtert wird. Die Anpassung an das verbleibende Gefälle muss mit Begleitmassnahmen gemäss Teil B erleichtert werden.