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16 Sommer 2017 K Lepra ist eine typische „Krankheit der Ar- mut“. Die chronische Infektion der Haut führt zur Zerstörung der Nerven und gehört weltweit zu den wichtigsten Risikofaktoren für Behin- derungen. Lepra ist einfach und vollständig heilbar, die Behandlung pro Patient kostet durchschnittlich nur 50 Euro. Im Jahr 2000 er- krankten weltweit rund 800 000 Menschen neu an Lepra, im Jahr 2015 waren es etwa 220 000 bis 250 000. Dr. Romana Drabik hält auf Wunsch Vorträge, auch in Schulen. Infor- mationen und Spendenkonto unter www.lep- ra-tuberkulose.de. ZUR LEPRA-ERKRANKUNG Dinslaken. 1976 entschloss sich Dr. Romana Drabik mit Ehemann Arkadius dazu, nach Mombasa in Kenia zu reisen, um dem kalten deutschen Januar den Rücken zu kehren und Urlaub zu machen. Da- mals führte sie als Internistin ihre eigene Praxis in Dinslaken. In Kenia angekommen wollte man Land und Leute kennenlernen. Bei einem Ausflug trafen sie auf ein Gruppe schrecklich entstellter Menschen, denen teilweise oder gar komplett die Gliedmaßen, Ohren und Nase, fehlten. Sogenann- te „Löwengesichter“, ein typisches Merkmal für Leprakranke. „Am meisten schockierten mich die Menschen, die um die Gezeichneten herumstan- den und diese zutiefst verabscheuten und be- schimpften“, so die gebürtige Oberschlesierin. „Der Gedanke daran macht mich noch nach 40 Jahren sehr traurig“, sagt die pensionierte Ärztin erschüttert. Ein einschneidendes Erlebnis, welches ihr Leben von Grund auf änderte. Sie informierte sich vor Ort und ihr wurde schnell klar, dass diese Menschen ihrem Schicksal überlassen wurden. „Noch Wochen nach unserem Aufenthalt in Afrika hatte ich schlaflose Nächte, je- ne traurigen Gesichter zu vergessen, war einfach unmöglich“, erzählt die mittlerweile 80-Jährige. Es folgten weitere Reisen nach Afrika. „Ich wollte mir ein Bild machen, wie die Krankheit auf dem Konti- nent verteilt ist. Das Ergebnis war erschreckend“, so die Expertin. Ihr starkes Bedürfnis zu helfen brachte sie dazu, bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Statistik anzufordern. „Mich interessierte, wie die Krankheit auf der Welt verteilt ist, wo am meisten Hilfe benötigt wird“, sagt sie. Die Antwort folgte im Januar 1980. „Damals gab es weltweit vier Millio- nen Leprakranke, zehn Prozent davon in Afrika und 75 Prozent in Südostasien, vor in allem In- dien“, so Drabik. Sie begann Spenden zu sammeln und traf noch im selben Jahr in der katholischen Kirche St. Elisabeth in Voerde-Friedrichsfeld durch Zufall auf einen indischen Priester, der Kon- takt zu einem Arzt in südindischen Kerala hatte und startete das erste Projekt. Seit vier Jahrzehnten, bis vor zehn Jahren noch von ihrem Mann Arkadius, der als Chemiker sämt- liche Laboruntersuchungen vor Ort übernahm, unterstützt, engagiert sich die ehemalige Internis- tin über die Grenzen hinaus in der Lepra- und Tu- berkulosehilfe. In den vergangenen 40 Jahren be- reiste sie systematisch Länder in denen diese schreckliche, aber dennoch heilbare Krankheit, vorherrscht. Afrika, Indien, Kaschmir, Russland, das Baltikum, auch postsowjetische Staaten in Zentralasien, China und weitere Länder, vor allem im südostasiatischen Raum. Ihr Ziel: Prävention, Diagnostik und Therapie. Dazu gehört nicht nur Leprakranke durch Reihen- untersuchungen aufzuspüren, vor allem Aufklä- rung möchte die für ihre Arbeit mehrfach ausge- zeichnete Ärztin betreiben, denn es herrscht eine große Unwissenheit über diese Krankheit. Die Be- troffenen werden oftmals ihrem Schicksal überlas- sen. „Es ist entsetzlich zu sehen, dass Ärzte ihre Pa- tienten nicht richtig behandeln, weil sie die Symp- tome der Krankheit nicht erkennen“, erzählt sie, „vielen Menschen könnte durch eine frühzeitige Diagnose dieses Leid erspart bleiben.“ Unzählige Vorträge hielt sie in den letzten Jahren, schulte Krankenschwestern, angehende und bereits prak- tizierende Ärzte vor Ort. Die seelische Belastung der Gezeichneten ist groß, denn die Lepra führt in vielen Fällen zur ge- sellschaftlichen Ausgrenzung. Daher unterstützt die Spezialistin auch soziale Hilfsprogramme, die den Betroffenen ein menschenwürdiges Leben und die gleichberechtigte Teilhabe an der Gemein- schaft ermöglichen. So wurde 1985 in Kerala, Süd- indien, für verstümmelte Leprakranke ein kleines Dorf mit 40 Häusern, ein Krankenhaus und ein großer Mehrzweckraum fertiggestellt, welches den Betroffenen ein weitgehend ‚normales‘ Leben er- möglicht. „Alles finanziert durch Spendengelder Dinslakener“, erzählt sie stolz. „Dinslaken ist klas- se, und vielen in den betroffenen Gebieten ein Be- griff. Eine Straße im Lepradorf trägt sogar den Na- men unserer Stadt“, erzählt sie ein wenig stolz. Mittlerweile ist sie nicht mehr alleine unterwegs. Über die Jahre konnte sie ein Netzwerk von Medi- zinern und Organisationen, die sich dem Kampf gegen die Krankheit verschrieben haben, aufbau- en. Als Ärzte-Team helfen sie nun gemeinsam, oft unter Einsatz ihres eigenen Lebens. So führte es sie beispielsweise gemeinsam mit Leprologen aus In- dien, Russland, Kasachstan und Tadschikistan auf eine Mission ins Pamir-Gebirge. Die Route führte entlang des Fluss Pjandsch, der die Grenze zwi- schen Afghanistan und Tadschikistan bildet. „Vier- mal täglich mussten wir uns per Satellitentelefon melden, denn die Gefahr, von herunterfallenden Steinbrocken erschlagen oder überfallen zu wer- den, war enorm“, so Drabik. Ob sie bei ihrer Arbeit Angst verspüre, möchte man wissen, die Krankheit ist immerhin ansteckend. „Ich habe nie Angst. Angst schwächt die Menschen und deren Immun- system, das würde mich angreifbar machen. Es macht mich glücklich, diesen Menschen zu helfen, erfüllt mich und gibt mir Kraft, meine Arbeit fortzu- führen“, erklärt sie. Unzähligen Menschen konnte sie durch ihren Einsatz helfen. „Auszeichnungen bedeuten mir schon etwas“, sagt Dr. Drabik be- scheiden. „Das zeigt mir, dass unsere Arbeit etwas bewegt.“ Dunja Vogel Ihr Leben widmet sie der Leprahilfe Dr. Romana Drabik kämpft seit mehr als 40 Jahren unermüdlich für die Kranken Dr. Drabik unterhält sich mit Leprapatienten in einer Klinik in Bombay. FOTO: PRIVAT/NRZ

Dr. Romana Drabik kmpft seit mehr ... - lepra-tuberkulose.de · 16 Sommer 2017 K Lepra ist eine typische ¹Krankheit der Ar- mutª. Die chronische Infektion der Haut fh rt zur Zerstr

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Page 1: Dr. Romana Drabik kmpft seit mehr ... - lepra-tuberkulose.de · 16 Sommer 2017 K Lepra ist eine typische ¹Krankheit der Ar- mutª. Die chronische Infektion der Haut fh rt zur Zerstr

16 Sommer 2017

K Lepra ist eine typische „Krankheit der Ar-mut“. Die chronische Infektion der Haut führt zur Zerstörung der Nerven und gehört weltweit zu den wichtigsten Risikofaktoren für Behin-derungen. Lepra ist einfach und vollständig heilbar, die Behandlung pro Patient kostet durchschnittlich nur 50 Euro. Im Jahr 2000 er-krankten weltweit rund 800 000 Menschen neu an Lepra, im Jahr 2015 waren es etwa 220 000 bis 250 000. Dr. Romana Drabik hält auf Wunsch Vorträge, auch in Schulen. Infor-mationen und Spendenkonto unter www.lep-ra-tuberkulose.de.

ZUR LEPRA-ERKRANKUNGDinslaken. 1976 entschloss sich Dr. Romana Drabikmit Ehemann Arkadius dazu, nach Mombasa inKenia zu reisen, um dem kalten deutschen Januarden Rücken zu kehren und Urlaub zu machen. Da-mals führte sie als Internistin ihre eigene Praxis inDinslaken. In Kenia angekommen wollte manLand und Leute kennenlernen. Bei einem Ausflugtrafen sie auf ein Gruppe schrecklich entstellterMenschen, denen teilweise oder gar komplett dieGliedmaßen, Ohren und Nase, fehlten. Sogenann-te „Löwengesichter“, ein typisches Merkmal fürLeprakranke. „Am meisten schockierten mich dieMenschen, die um die Gezeichneten herumstan-den und diese zutiefst verabscheuten und be-schimpften“, so die gebürtige Oberschlesierin.„Der Gedanke daran macht mich noch nach 40Jahren sehr traurig“, sagt die pensionierte Ärztinerschüttert. Ein einschneidendes Erlebnis, welchesihr Leben von Grund auf änderte.

Sie informierte sich vor Ort und ihr wurdeschnell klar, dass diese Menschen ihrem Schicksalüberlassen wurden. „Noch Wochen nach unseremAufenthalt in Afrika hatte ich schlaflose Nächte, je-ne traurigen Gesichter zu vergessen, war einfachunmöglich“, erzählt die mittlerweile 80-Jährige. Esfolgten weitere Reisen nach Afrika. „Ich wollte mirein Bild machen, wie die Krankheit auf dem Konti-nent verteilt ist. Das Ergebnis war erschreckend“,so die Expertin.

Ihr starkes Bedürfnis zu helfen brachte sie dazu,bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eineStatistik anzufordern. „Mich interessierte, wie dieKrankheit auf der Welt verteilt ist, wo am meistenHilfe benötigt wird“, sagt sie. Die Antwort folgte imJanuar 1980. „Damals gab es weltweit vier Millio-nen Leprakranke, zehn Prozent davon in Afrikaund 75 Prozent in Südostasien, vor in allem In-dien“, so Drabik. Sie begann Spenden zu sammelnund traf noch im selben Jahr in der katholischenKirche St. Elisabeth in Voerde-Friedrichsfelddurch Zufall auf einen indischen Priester, der Kon-takt zu einem Arzt in südindischen Kerala hatteund startete das erste Projekt.

Seit vier Jahrzehnten, bis vor zehn Jahren nochvon ihrem Mann Arkadius, der als Chemiker sämt-liche Laboruntersuchungen vor Ort übernahm,unterstützt, engagiert sich die ehemalige Internis-tin über die Grenzen hinaus in der Lepra- und Tu-berkulosehilfe. In den vergangenen 40 Jahren be-reiste sie systematisch Länder in denen dieseschreckliche, aber dennoch heilbare Krankheit,vorherrscht. Afrika, Indien, Kaschmir, Russland,das Baltikum, auch postsowjetische Staaten inZentralasien, China und weitere Länder, vor allemim südostasiatischen Raum.

Ihr Ziel: Prävention, Diagnostik und Therapie.Dazu gehört nicht nur Leprakranke durch Reihen-untersuchungen aufzuspüren, vor allem Aufklä-rung möchte die für ihre Arbeit mehrfach ausge-zeichnete Ärztin betreiben, denn es herrscht einegroße Unwissenheit über diese Krankheit. Die Be-troffenen werden oftmals ihrem Schicksal überlas-sen. „Es ist entsetzlich zu sehen, dass Ärzte ihre Pa-tienten nicht richtig behandeln, weil sie die Symp-tome der Krankheit nicht erkennen“, erzählt sie,„vielen Menschen könnte durch eine frühzeitigeDiagnose dieses Leid erspart bleiben.“ UnzähligeVorträge hielt sie in den letzten Jahren, schulteKrankenschwestern, angehende und bereits prak-

tizierende Ärzte vor Ort.Die seelische Belastung der Gezeichneten ist

groß, denn die Lepra führt in vielen Fällen zur ge-sellschaftlichen Ausgrenzung. Daher unterstütztdie Spezialistin auch soziale Hilfsprogramme, dieden Betroffenen ein menschenwürdiges Lebenund die gleichberechtigte Teilhabe an der Gemein-schaft ermöglichen. So wurde 1985 in Kerala, Süd-indien, für verstümmelte Leprakranke ein kleinesDorf mit 40 Häusern, ein Krankenhaus und eingroßer Mehrzweckraum fertiggestellt, welches denBetroffenen ein weitgehend ‚normales‘ Leben er-möglicht. „Alles finanziert durch SpendengelderDinslakener“, erzählt sie stolz. „Dinslaken ist klas-se, und vielen in den betroffenen Gebieten ein Be-griff. Eine Straße im Lepradorf trägt sogar den Na-men unserer Stadt“, erzählt sie ein wenig stolz.

Mittlerweile ist sie nicht mehr alleine unterwegs.Über die Jahre konnte sie ein Netzwerk von Medi-zinern und Organisationen, die sich dem Kampfgegen die Krankheit verschrieben haben, aufbau-en. Als Ärzte-Team helfen sie nun gemeinsam, oftunter Einsatz ihres eigenen Lebens. So führte es siebeispielsweise gemeinsam mit Leprologen aus In-dien, Russland, Kasachstan und Tadschikistan aufeine Mission ins Pamir-Gebirge. Die Route führteentlang des Fluss Pjandsch, der die Grenze zwi-schen Afghanistan und Tadschikistan bildet. „Vier-mal täglich mussten wir uns per Satellitentelefonmelden, denn die Gefahr, von herunterfallendenSteinbrocken erschlagen oder überfallen zu wer-den, war enorm“, so Drabik. Ob sie bei ihrer ArbeitAngst verspüre, möchte man wissen, die Krankheitist immerhin ansteckend. „Ich habe nie Angst.Angst schwächt die Menschen und deren Immun-system, das würde mich angreifbar machen. Esmacht mich glücklich, diesen Menschen zu helfen,erfüllt mich und gibt mir Kraft, meine Arbeit fortzu-führen“, erklärt sie. Unzähligen Menschen konntesie durch ihren Einsatz helfen. „Auszeichnungenbedeuten mir schon etwas“, sagt Dr. Drabik be-scheiden. „Das zeigt mir, dass unsere Arbeit etwasbewegt.“ Dunja Vogel

Ihr  Leben  widmet  sie  der  LeprahilfeDr. Romana Drabik kämpft seit mehr als 40 Jahren unermüdlich für die Kranken

Dr. Drabik unterhält sich mit Leprapatienten in einer Klinik in Bombay. FOTO: PRIVAT/NRZ