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Duell um den Frieden

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ATLAN 172 – Die Abenteuer der SOL

Nr. 671

Duell um den Frieden

von Peter Terrid

Es geschah im April 3808. Die entscheidende Auseinandersetzung zwischen Atlan und seinen Helfern und Anti-ES ging überraschend aus. Die von den Kosmokraten veranlaßte Verbannung von Anti-ES wurde gegenstandslos, denn aus Wöbbeking und Anti-ES entstand ein neues Superwesen, das hinfort auf der Seite des Positiven agiert. Die neue Sachlage gibt Anlaß zum Optimismus, zumal auch in der künstlichen Doppelgalaxis Bars-2-Bars der Friede einkehrt. Für Atlan jedoch ist die Situation alles andere als rosig. Der Besitz der Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst, ohne die er nicht den Auftrag der Kosmokraten erfüllen kann, wird ihm nun durch Chybrain vorenthalten. Ob er es will oder nicht, der Arkonide wird verpflichtet, die Namenlose Zone aufzusuchen. Inzwischen schreibt man den September des Jahres3808. Trotz der Vernichtung des letzten Übergangs zwischen Normaluniversum und Namenloser Zone, gibt es für den Arkoniden die Möglichkeit dennoch in dieses Raumgebiet zu gelangen.

Atlan führt eine beachtliche Streitmacht an, mit der er versuchen will, das Ungleichgewicht der Kräfte in der Namenlosen Zone zugunsten des Positiven zu verändern.

Dieses fast aussichtslose Unternehmen führt zu einem überraschenden Erfolg beim DUELL UM DEN FRIEDEN ...

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Die Hauptpersonen des Romans:

Atlan - Der Arkonide im Zweikampf der Welten.

Ziir-Tinc - Emulator der Walgonier.

Raan-Mar und Ollon-Tur - Anhänger des Emulators.

Irra-Con - Assistentin des Emulators.

Reen-Gor - Mitglied des Herrschaftsrats der Walgonier.

Daan-Bar - Chef der Tabu-Jäger.

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1.

Ziir-Tinc konnte es kaum glauben. Der Herrschaftsrat versuchte allen Ernstes, die Tatsache zu verschweigen, daß es einigen fremden Raumschiffen gelungen war, in das System der Doppelsonne Gaulat-Paudenc einzudringen.

Die Gründe für dieses Verhalten des Herrschaftsrats lagen auf der Hand: Wenn es möglich war, die Ewige Barriere von außen zu durchbrechen, dann war es höchstwahrscheinlich auch möglich, sie von innen nach außen zu durchstoßen. Damit wären die Walgonier nach jahrtausendelanger Haft hinter der Ewigen Barriere endlich frei gewesen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber paßte das dem Herrschaftsrat vermutlich überhaupt nicht ins Konzept. Gerade jetzt, wo die Paudencer zu einem wichtigen Faktor im Walgon-System geworden waren, durfte es keine Erschütterung der überkommenen Machtstrukturen von außen geben. Die Lage war brisant.

Erst nach dem großen Tag, an dem die beiden Sonnen des Systems und die beiden einzigen Planeten auf einer Achse hintereinander stehen würden, erst nach diesem Tag war es möglich, Kontakte nach außen aufzunehmen. Beide Bevölkerungsgruppen warteten sehnsüchtig auf den Tag der Großen Magischen Synopse.

Die Gaulater, wie sie genannt wurden, weil sie der Ansicht waren, das Leben im System werde vorwiegend vom Einfluß der grünen Sonne Gaulat beeinflußt, erhofften sich von diesem Tag eine Bestätigung ihrer Ansichten – und eine völlige Auflösung des Aberglaubens der Paudencer, die die andere Sonne des Systems verehrten, die weiße Sonne Paudenc, und sich von der Großen Magischen Synopse eine völlige Umkehr aller Verhältnisse erhofften. Ziir-Tinc kannte das Datum auswendig. Noch drei Tage mußten vergehen, dann war es soweit. Der Emulator der Walgonier fieberte diesem Tagentgegen. Nach seiner festen Überzeugung würde an diesem Tag das Leben der Walgonier eine schicksalhafte Wendung nehmen. Vorbei würde es sein mit der strengen Rationalität der Gaulater, ihren Vergötterung der reinen Vernunft. Vor allem der Herrschaftsrat betrachtete Gefühle nur als Hilfsmittel zur Manipulation der Bevölkerung. Die Paudencer waren in ihren Anschauungen weniger radikal; sie hatten gegen die Anwendung der Vernunft als Lebensprinzip nichts einzuwenden, aber sie vertraten den Standpunkt, daß die Gefühle eines Lebewesens ebenso wichtig waren und beachtet werden müßten, auch im Alltag.

Ziir-Tinc warf einen Blick auf den Monitor, über den eine Nachrichtensendung lief. Berichtet wurde Tratsch aus dem Umfeld des Herrschaftsrats. Mit keinem Wort gingen die Sprecher darauf ein, daß auf dem Raumhafen von Walgon II zwei fremde Raumschiffe gelandet waren. Ein drittes Schiff war auf Walgon I zur Landung gezwungen worden. Der Emulator wußte es von einem seiner zahlreichen Verbindungsmänner.

»Dadurch, daß du die ganze Zeit auf den Bildschirm starrst, wird die Lage nicht besser.«

Ziir-Tinc drehte sich herum. Irra-Con sah ihn mit beiden Gesichtern auffordernd an. Die junge Frau war von Ziir-Tinc angestellt worden, da er allein kaum mehr in der Lage war, die anfallenden Arbeiten zu erledigen. Selbst eine Untergrundorganisation wie die der Paudencer kam nicht gänzlich ohne

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Verwaltungsarbeit aus. Irra-Con erledigte diese Arbeiten erheblich schneller als Ziir-Tinc, dem diese Arbeiten gründlich verhaßt waren. Da sie aber in jedem Fall gemacht werden mußten, hatten sich nach einigen Monaten Zusammenarbeit die seltsame Lage ergeben, daß es die Angestellte war, die ihren Chef an die Arbeit trieb – nicht etwa umgekehrt. In der Regel hatte Ziir-Tinc an diesem Zustand wenig zu bemängeln, aber manchmal neigte Irra-Con dazu, den Druck ein wenig zu oft auszuüben. Ziir-Tinc nickte mit beiden Köpfen und schaltete die Nachrichtensendung aus.

»Ich werde mir das Schiff einmal aus der Nähe ansehen«, erklärte er. Irra-Con stand auf.

»Ich werde dich begleiten«, erklärte sie. Der Emulator seufzte leise und zog sich einen Mantel an. Der Abend senkte sich über die Hauptstadt des Planeten, und es versprach, kühl zu werden.

Die Straßen waren nahezu leer – und Ziir-Tinc erkannte sofort den Grund dafür. Überall waren Tabu-Jäger zu sehen, die Sicherheitspolizei, die jede Abweichung vom offiziellen Gaulat-Dogma unnachsichtig verfolgte. Im allgemeinen arbeitete sie nicht so offen wie an diesem Tag; Ziir-Tinc wertete es als schlechtes Zeichen.

Einer der Tabu-Jäger hielt Ziir-Tinc an. Er verlangte den Identitätsnachweis. Der Emulator gab die fälschungssichere Karte her, und sie wurde in der handlichen Personalpositronik überprüft, die jeder Tabu-Jäger mit sich führte.

»In Ordnung«, sagte der Polizist und gab Ziir-Tinc die Karte zurück. Sie war natürlich gefälscht – einer von Ziir-Tincs Freunden, der an einer entsprechenden Stelle arbeitete, hatte sie für den Emulator besorgt. Nur bei einer peinlich genauen Rückfrage wäre herausgekommen, daß die Unterlagen gefälscht waren. Auch Irra-Cons Papiere waren in Ordnung, wie die Prüfung ergab.

»Wo wollt ihr hin?« fragte der Tabu-Jäger. »In unsere Quartiere«, antwortete Ziir-Tinc wahrheitsgemäß. »Wir haben unsere Arbeit erledigt und brauchen jetzt etwas Ruhe.« Der Tabu-Jäger musterte Irra-Con und grinste anzüglich. Daß die junge Frau außerordentlich attraktiv war, hatte auch Ziir-Tinc schon bemerkt. Allerdings hatte er sich nie irgendwelche Annäherungsversuche erlaubt, nachdem er einmal hatte erleben müssen, daß Irra-Con einen lästigen Verehrer mit einer Dublette zu Boden geschickt hatte, die einem Schwergewichtsmeister gut angestanden hätte.

»Nimm dich zusammen«, sagte Irra-Con scharf. Das Grinsen des Polizisten gefror. Ziir-Tinc hatte Mühe, seine Erheiterung zu verbergen. Nach diesem kurzen Zwischenfall würden die beiden außer Verdacht sein – wer etwas zu verheimlichen hatte, legte sich nicht mit einem Tabu-Jäger an.

Ziir-Tinc und seine Begleiterin gingen weiter.

Ziir-Tinc wußte, daß er aufpassen mußte. Die Identitätspapiere, die er im Augenblick benutzte, hatte er bisher nur sehr selten gebraucht – und es war leicht möglich, daß er in der Aufregung bei einer Befragung Antworten gab, die nicht mit seinen Personaldokumenten übereinstimmten.

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»Wie willst du in die Nähe des Schiffes kommen?« fragte Irra-Con, als der Tabu-Jäger außer Hörweite war.

»Durch die Kanalisation«, antwortete Ziir-Tinc. »Das ist der übliche Weg.« Irra-Con warf ihm einen abschätzenden Blick zu.

»Glaubst du, daß du das durchhältst in deinem Alter?«

Ziir-Tinc lächelte.

Irra-Con war über einige seiner geheimen Aktivitäten informiert, aber sie wußte nicht, daß sie es mit dem Emulator der Walgonier zu tun hatte. Noch weniger wußte sie, daß die Lebensspanne eines Emulators weit über der normaler Walgonier lag. Zudem sorgte Ziir-Tinc in weiser Voraussicht dafür, daß er älter und schwächer wirkte, als er sich tatsächlich fühlte.

»Ich werde es schaffen«, sagte er gelassen. Wenig später fuhr ein öffentlicher Gleiter vorbei, der die beiden aufnahm und in den Wohnbezirk brachte, in dem ihre Wohnungen lagen. Ziir-Tinc hatte überall auf den beiden Walgon-Planeten Unterkünfte angemietet, meist mit falschen Papieren. Seine eigentliche Identität als Seelenheiler hatte er inzwischen ebenso aufgeben müssen wie die dazugehörige Wohnung. Das Quartier, das er nun aufsuchte, war zu seiner Deckidentität passend eingerichtet. Offiziell vertrieb er Kräuterkosmetika, Diätprodukte und anderes, hauptsächlich erbauliche Schriften über gesunde Lebensführung. Es war eines der zahlreichen kleinen Unternehmen, die sich in der Grauzone der beiden Ideologien angesiedelt hatte. Ziir-Tincs Geschäft roch ein wenig nach Paudencertum, aber gerade das machte diese Arbeit relativ sicher.

Ziir-Tincs Wohnung war sehr einfach eingerichtet, fast asketisch. Irra-Con sah sich kurz um.

»Von hier sind es mindestens zwei Wegstunden bis zum Raumhafen«, stellte sie nüchtern fest.

Ziir-Tinc lächelte.

Er wußte, daß es an der Zeit war, die Maschinerie in Gang zu setzen, an deren Vervollkommnung er jahrzehntelang gearbeitet hatte.

Ziir-Tinc suchte die Hygienezelle auf. Ein Knopfdruck ließ den Boden der Duschkabine zur Seite klappen, ein zweiter Knopfdruck sorgte dafür, daß die Sicherungssysteme ausgeschaltet wurden. Irra-Con hatte Ziir-Tincs Hantierungen mißtrauisch verfolgt. Sie deutete auf das Loch im Boden. »Wohin führt dieser Weg?« fragte sie zweifelnd.

»Frag nicht, komm mit«, antwortete Ziir-Tinc. Er schwang sich in die Öffnung, Irra-Con folgte zögernd.

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Auf einer glattpolierten Metallbahn glitt Ziir-Tinc in die Tiefe. Die Röhre führte mindestens einhundert Meter tief in das feste Felsgestein, auf dem sich das Wohngebäude erhob. Spätestens jetzt mußte Irra-Con begreifen, daß sie nicht etwa in den Diensten eines Sektionsleiters der Paudencer stand. Die Rutschfahrt endete. Sofort betätigte Ziir-Tinc den Schalter, der den Zugang zum Versteck absicherte. Selbst wenn man ihm jetzt auf den Fersen war, würde man sein Versteck nicht ausfindig machen können. Wer den Boden öffnete und den Schacht benutzte, landete an einem ganz anderen Ort, der Ziir-Tincs Versteck allerdings sehr ähnlich sah. Die Beleuchtung hatte sich eingeschaltet, sobald Ziir-Tinc angekommen war.

Irra-Con sah sich ein wenig scheu um. »Was ist das?« fragte sie. Ihr Rationalgesicht zeigte Zweifel, der Emotionskopf einen Anflug von Angst.

»Die geheime Kommandozentrale der Paudencer«, antwortete Ziir-Tinc. »Mein Hauptquartier.«

Irra-Con ließ einen Laut der Verwunderung hören, dann verfärbte sie sich, wie Ziir-Tinc mit Genugtuung feststellte. Irra-Con war eine intelligente Frau, sie hatte sofort begriffen, was die Eröffnung des Emulators auch für sie bedeutete. Sie kannte nun die geheime Zentrale der Paudencer – wenn die Tabu-Jäger sie jemals zu fassen bekamen, würde dieses Wissen ihren Tod bedeuten.

»Du scheinst sehr viel Vertrauen zu mir zu haben«, sagte Irra-Con nach kurzem Zögern. »Das habe ich«, antwortete der Emulator. Er warf den Mantel über eine Sessellehne und setzte sich in den Kommandostuhl. Mit ein paar Handgriffen aktivierte er die Zentrale. Es hätte ebensogut die Zentrale eines Raumschiffs sein können, eine Ansammlung von Instrumentenpaneelen, von Schaltern, Knöpfen und Hebeln, die Wände gespickt mit Bildschirmen. Ein paar davon flammten auf. Zum ersten Mal bekam Ziir-Tinc die fremden Schiffe zu sehen. Ihr Anblick erschreckte ihn nicht wenig.

Das einzelne Schiff auf Walgon I und eines der beiden Schiffe auf Walgon II stammten unverkennbar aus der gleichen Werkstatt, wie die Kugelform bewies – das dritte Schiff war zwar teilweise ebenfalls kugelförmig, aber der dünne Schwanz am Heck und die konische, facettenähnliche Wölbung an der Spitze ließen das Schiff eher wie eine überdimensionale Frucht aussehen. Ziir-Tinc war sich sehr sicher, daß dieses Schiff von einem anderen Volk erbaut worden war als dem der Kugelschiffkonstrukteure.

»Zwei Typen«, murmelte Ziir-Tinc und rieb sich das linke Kinn. »Zwei Völker.« Ein paar Tatsachen waren offenkundig. Vor allem, daß die Ewige Barriere durchlässig geworden war. Außerhalb dieser Grenze gab es raumfahrende Völker, woran Ziir-Tinc niemals gezweifelt hatte. Waren die beiden auf dem Raumhafen gelandeten Schiffe Zeichen eines Völkerbundes? Womöglich feindselig eingestellt gegenüber den Walgoniern? Der Emulator war ein Mann des Friedens und hatte eine wache Wahrnehmung für Feindseligkeit jeder Art.

Die beiden Schiffe auf Walgon II waren in Schirmfelder eingehüllt, wie man sie auch bei Walgon-Einheiten kannte. Beide Schiffe wurden immer wieder beschossen, ohne aber die geringste Wirkung zu zeigen.

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Ein Knopfdruck stellte eine Verbindung zwischen Ziir-Tincs Zentrale und dem zentralen Kommandostand der walgonischen Flotte her. Irra-Con riß entgeistert die Augen auf, als sie das sah.

»Wie hast du das gemacht?« fragte sie fassungslos.

»Mit sehr viel Geduld«, antwortete Ziir-Tinc beiläufig. Auf dem großen Monitor, der das Innere der Flottenzentrale zeigte, war ein Bildschirm zu sehen. Auf ihm erschienen die Flotteneinheiten, die die beiden Schiffe auf Walgon II vom Raum aus überwachten. Ziir-Tinc kannte die Stärke der walgonischen Flotte genau. Er wußte, daß der Herrschaftsrat nahezu alles aufgeboten hatte, über das er verfügte. Offenbar nahm man auf Walgon I die fremden Schiffe überaus ernst. Ziir-Tinc veränderte die Einstellung der Optiken. Das Bild der beiden Schiffe auf Walgon II wurde größer.

Ziir-Tinc spürte, wie eine rätselhafte Aufregung ihn ergriff. Er winkte Irra-Con heran. »Behalte diese beiden Schiffe im Auge«, sagte er. »Ruf mich sofort, wenn sich an dem Bild etwas ändert.«

Er selbst wandte sich einer anderen Beschäftigung zu.

Als erstes desaktivierte er sehr vorsichtig den Selbstlöschungsautomaten für die Positronik, in der alle Daten über die Organisation der Paudencer gespeichert waren. Dann prüfte er die Liste der Flottenangehörigen, die mit den Paudencern zusammenarbeiten oder sogar zu ihnen gehörten. Die Liste war klein, aber sie führte einige hohe Offiziere auf, des weiteren die Einheiten, auf denen sie Dienst taten.

Ziir-Tinc runzelte die Stirn, als er die Daten miteinander verglich.

War es wirklich ein Zufall, daß von seinen Verbindungsleuten kein einziger unmittelbar an dem Einsatz gegen die Fremdschiffe beteiligt war? Ziir-Tinc hielt das für extrem unwahrscheinlich.

Die Offiziere, die er kannte, waren mit ihren Schiffen über das ganze System verteilt. Sie konnte er in dieser Lage nicht um Hilfe bitten.

»Ziir-Tinc!«

Der Emulator eilte zu Irra-Con hinüber. Sie deutete auf den Schirm.

Es war inzwischen dunkel geworden über dem Raumhafen. Gleißendes Licht aus Hunderten von Scheinwerfern tauchte die beiden Fremdschiffe dennoch in strahlende Helligkeit.

Außerdem war eine doppelreihige Postenkette aufgezogen, verstärkt durch ein paar Hundertschaften Kampfroboter. Der Herrschaftsrat hatte sich auf alle Eventualitäten vorbereitet.

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Ziir-Tinc erinnerte sich an die Botschaft, die er von der sogenannten Emulatorquelle bekommen hatte. Danach sollte er die Aktionen gewisser Fremden nach Kräften unterstützen.

Waren dies die Fremden?

Ziir-Tinc hatte ein vages Bild von dem Anführer der Fremden gespeichert. So, wie es ihm die Emulatorquelle übermittelt hatte. Von den Schiffen dieser Fremden hatte der Emulator damals nichts erfahren, und so hatte er jetzt keinerlei Möglichkeit, die Information der Emulatorquelle zu überprüfen. Immerhin – es war ein einmaliger Vorgang, daß überhaupt Schiffe ins Walgon-System eingedrungen waren. Es erschien Ziir-Tinc nahezu ausgeschlossen, daß die Emulatorquelle noch andere Fremde gemeint haben konnte. Es sei denn, die Emulatorquelle spielte ein falsches Spiel – ein Gedanke, der Ziir-Tinc maßlos erschreckte.

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2.

»Patt«, stellte Insider trocken fest. Mit diesem einen Wort hatte er die Lage treffend umschrieben. Es ging im Augenblick weder vor noch zurück, und das galt sowohl für die Walgonier als auch für uns. Hoch über uns hing ein Pulk walgonischer Kampfschiffe im Raum, vier weitere Schiffe waren in unserer Nähe gelandet und bedrohten uns mit ihren Geschützen. Eine Postenkette war aufgezogen, Kampfroboter standen bereit.

Unternehmen konnten die Walgonier

nichts, es sei denn, sie riskierten dabei, ihre Hauptstadt auf Walgon II in Schutt und Asche zu legen. Ab und zu klopften sie mit kleineren Geschützen an unseren Schutzschirmen an, um uns zu zeigen, daß sie uns nicht vergessen hatten. Versuche, mit uns in Funkkontakt zu treten, unternahmen sie nicht.

Auf Walgon I sah es zur gleichen Zeit ähnlich aus; dort war die FARTULOON gelandet, auch dort ging es nicht weiter. Völlig untätig hingegen waren die Walgonier nicht. Dank unserer Fernortung konnten wir sie dabei beobachten, wie sie die Einflugschneise in das Walgon-System systematisch abzuriegeln versuchten. Immer wieder stiegen Raumtransporter auf und schütteten ihre tödliche Fracht ins All, vor allem Treibminen und Raumtorpedos, die ihre Bahnen im Schatten von Walgon I zogen. Es waren inzwischen so viele, daß wir uns würden anstrengen müssen, den Rückweg durchzuführen.

Danach aber stand mir nicht der Sinn. Ich wollte Kontakt zum Emulator der Walgonier, der sich angeblich auf Walgon II aufhielt. Es war inzwischen Nacht geworden.

Scheinwerfer bestrahlten den Platz, auf dem wir standen.

»Wie lange willst du noch warten?« fragte Tyari. Ich zuckte mit den Schultern. Ich suchte schon geraume Zeit nach einem Dreh, aus dieser reichlich verfahrenen Lage herauszukommen.

Schließlich fiel mir etwas ein – es würde riskant werden, aber es konnte klappen. In aller Eile ließ ich eine der beiden Space-Jets klarmachen, die es an Bord der MJAILAM gab. Von der Futurboje hinüberzuwechseln zu dem Kreuzer war kein Problem; die Schirmfelder der beiden Schiffe überlappten sich weitgehend.

Tyari und Insider nahm ich mit, Tyari vor allem deswegen, um die Nachrichtenverbindungen zu den Schiffen nicht abreißen zu lassen. Das Gespann Sternfeuer, Federspiel, Bjo Breiskoll und Tyari garantierte, daß wir selbst während einer Funkstille Informationen untereinander austauschen konnten. Und darauf kam es bei diesem Unternehmen an – alle Aktionen mußten genau aufeinander abgestimmt sein, wenn die gewünschte Wirkung eintreten sollte.

Die Space-Jet war startklar. Wir schnallten uns an, die ersten Minuten des Unternehmens konnten ruppig werden.

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Gleichzeitig wurde auf allen drei Schiffen der Start vorbereitet.

Ich sah Tyari an. Sie nickte. Die telepathische Verbindung stand.

»Dann los!« sagte ich.

Völlig synchron begannen die Triebwerke der Schiffe zu arbeiten. Mit einem Schlag wurde der Funkverkehr beim Gegner hektisch.

Die MJAILAM und die Futurboje stiegen langsam in die Höhe. Die Walgonier eröffneten sofort das Feuer, die Schiffe im Raum nahmen Kampfpositionen ein.

Tyari hatte die Augen geschlossen und hielt Kontakt zu Federspiel und Bjo.

In vierhundert Metern Höhe trennten sich die Futurboje und die MJAILAM; der Auftrag sah vor, daß sie versuchen sollten, sich zwischen die Walgon-Schiffe zu bringen, die im Raum operierten, und jene, die sich verzweifelt bemühten, ihre Triebwerke anlaufen zu lassen. Das erschwerte den Kanonieren der Walgonier die Arbeit.

Der Trick gelang. Wer das Manöver von außen verfolgte, mußte den Verdacht bekommen, die beiden Piloten seien volltrunken, solche Schlangenlinien beschrieben die beiden Schiffe in der Atmosphäre von Walgon II. Entsprechend verwirrt waren die Walgonier. Tyari hob die Hand.

Das Hangartor flog auf, die Space-Jet machte einen Satz und schoß ins Freie. Ich beschleunigte mit allem, was die Maschinen hergaben. Genau in meinen Kurs startete eines der Walgon-Schiffe – um Haaresbreite gelang es mir, eine Kollision zu vermeiden. Die Schirmfelder beider Schiffe kollidierten miteinander, als träfen zwei Hartgummibälle aufeinander. Die wesentlich kleinere und leichtere Space-Jet wurde mit einem heftigen Ruck aus dem Kurs gestoßen. Ein paar g schlugen durch und drückten uns in die Sitze.Gleichzeitig eröffneten die Futurboje und die MJAILAM das Feuer. Es war mehr als Schauspiel gedacht denn als ernsthafter Kampf, aber es erfüllte seinen Zweck. Als das erste Transformgeschoß detonierte, stoben die Walgon-Schiffe im Raum auseinander. Ich grinste zufrieden, als ich die Manöver sah – die Geschützmannschaft der MJAILAM hatte säuberlich so gezielt, daß die Kommandanten der Walgon-Schiffe jede Gefahr für ihre Einheiten vermeiden konnten – allerdings nur dann, wenn sie sich rechtzeitig in Sicherheit brachten.

Vom folgenden Durcheinander im Weltraum bekam ich nur wenig mit, ich hatte alle Hände voll zu tun, unsere Space-Jet zu lenken.

Ich stellte den Diskus hochkant und jagte ihn eine lange Straße entlang, so knapp über dem Boden, wie ich es verantworten konnte. Damit war den walgonischen Schützen das Ziel genommen, gleichzeitig versetzte ich damit die Stadt in helle Aufregung. An zerbrochenen Fensterscheiben würde man später unsere Flugroute genau rekonstruieren können.

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Dann ließ ich die Space-Jet wieder aufsteigen, zog sie über eine Hügelkette und tauchte hinab in ein tiefes Flußbett, das mich ein wenig an die nordamerikanischen Cañons erinnerte.

Eine Staffel einsitziger Jäger hatte sich an unsere Fersen geheftet, stellte ich plötzlich fest und stieß eine Verwünschung aus. Ich hatte keine Angst, daß uns die Maschinen gefährlich werden konnten – aber sie waren ungemein lästige Verfolger. Ihre Bordkanonen hämmerten in unsere Schirmfelder, ohne etwas auszurichten.

Es war an der Zeit, den Walgoniern ein Schauspiel zu liefern. Ich sah Tyari an, die noch immer die Augen geschlossen hatte. Insider zeigte ein leicht verkrampftes Gesicht. »Seid ihr bereit?« fragte ich. Die beiden nickten.

Ich zog den Diskus um eine Felsnase herum, für ein paar Sekundenbruchteile war er der direkten Sicht durch die Verfolger entzogen – und diese Spanne reichte mir. Mit einem Handgriff schaltete ich die Schirmfelder aus, im gleichen Augenblick detonierten die Sprengladungen, die ich außenbords hatte anbringen lassen.

Als die Jäger uns wieder sehen konnten, mußten sie ein Wrack sehen, das langsam auf den Boden zuglitt und an allen Ecken und Enden brannte. Daß unterhalb des Feuerzaubers sämtliche Anlagen der Space-Jet bestens funktionierten, brauchten die Jäger nicht zu wissen. Eine riesige Qualmwolke zogen wir hinter uns her.

Genau voraus entdeckte ich ein Trockental, genau das richtige für unsere Zwecke. Wieder dröhnte die Zelle der Space-Jet, als eine der Außenladungen hochging. Speziell in der Dunkelheit mußte es ein eindrucksvolles Bild sein.

Meine waghalsige Rechnung ging auf. Die Walgonier glaubten uns schwer angeschlagen und verzichteten aus Neugierde darauf, uns den Rest zu geben. Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus – ein oder zwei Treffer ohne Schutz hätte unser Schiff zur Not verkraftet, mehr aber gewiß nicht.

Ich ging mit hoher Fahrt hinab und ließ dann die Impulstriebwerke aufbrüllen. Eine riesige Sandwolke mußte sich um das landende Schiff bilden; auf den Infrarotschirmen der Jäger mußte es ein faszinierender Anblick sein.

Die Space-Jet setzte auf, und im gleichen Augenblick ließ ich die größte der Sprengladungen hochgehen. Sie bestand neben Sprengstoff vor allem aus flüssigem Brennstoff, der prächtige Flammen in den Himmel hinaufschießen ließ.

»Und jetzt hinaus«, stieß ich hervor. Wir hatten unsere Kampfanzüge angelegt. Die würden wir brauchen, um die Flammenhölle außenbords ungefährdet durchqueren zu können.

Wir hatten es jetzt sehr eilig. Die Jäger würden natürlich ein beträchtliches Stück über den Notlandeplatz

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der Space-Jet hinausschießen, dann zurückkommen und nachsehen, was aus der Besatzung geworden war. Nur die Zeit dieses Wendemanövers hatten wir, um uns in Sicherheit zu bringen. Wir stürzten ins Freie, schalteten die Antischwerkraftgeneratoren an unseren Monturen an und stießen uns vom Boden ab. Auf diese Weise kamen wir am schnellsten von der Space-Jet weg. Die Individualschirme schalteten wir nicht ein, sie wären zu leicht zu orten gewesen.

Ein paar Minuten später hatten wir es geschafft. Zwei der Jäger setzten unmittelbar neben der Space-Jet auf, die einen sehr beeindruckenden Anblick bot, lichterloh brennend und riesige Qualmwolken über das Land legend.

Bis die Walgonier feststellen konnten, daß wir nicht mehr im Inneren waren, mußte einige Zeit vergehen. Ich sah Tyari an. »Sie glauben, daß wir noch an Bord sind«, sagte sie lächelnd. »Kein Gedanke an Verfolgung.«

»Prächtig«, sagte ich. »Und jetzt so schnell wie möglich zur Stadt zurück. Wir müssen den Emulator finden.«

*

Die Stimmung war überaus erregt. Seit Menschengedenken hatte es im Herrschaftsrat der Walgonier nicht mehr solche Aufregung gegeben. Insgesamt siebzehn Walgonier hatten sich versammelt, zum Teil Mitglieder des Herrschaftsrats, zum Teil deren Assistenten. Reen-Gor sah sich das Getümmel mit gemischten Gefühlen an. Er begriff nicht, wie seine Kollegen sich derartig erhitzen konnten. Die Lage war klar und eindeutig, daran gab es nichts zu rütteln. Die Ewige Barriere war durchlöchert, das Auftauchen der Fremden hatte es hinreichend bewiesen.

Fest stand außerdem, daß es im Schatten der Walgon-Planeten, vor allem hinter Walgon I, eine Zone im Raum gab, in der sich die verhängnisvolle Wirkung der Sonne Paudenc bemerkbar machte. Raumschiffe konnten dort nur operieren, wenn sämtliche Besatzungsmitglieder die Augen des Emotionskopfs verbunden hatten. Die Androhung der sofortigen Exekution hatte dafür gesorgt, daß der entsprechende Befehl ausnahmslos befolgt wurde.

Ausrechnen ließ sich, daß es auf beiden Walgon-Welten zu verheerendem Durcheinander kommen mußte, wenn alle vier Himmelskörper des Systems auf einer Geraden zu stehen schienen.

Reen-Gor warf einen Blick auf die Uhr. In zwei Tagen war es soweit. Bis dahin hatte der Herrschaftsrat alle Möglichkeiten, das System der Vernunft abzusichern gegen den Aufstand der Emotionen. Bei entschlossenem Handeln hätte diese Frist genügen müssen, aber nicht, wenn sich die Mitglieder der Versammlung wechselseitig der Dummheit bezichtigen und sich Vorwürfe machten. Der einzige, der in diesem Durcheinander einen klaren Kopf bewahren konnte, war Reen-Gor, jedenfalls glaubte er das. »Vernichten!« hörte er den Flottenchef laut sagen. »Gar nicht erst lange fackeln.« Reen-Gor wölbte die Brauen.

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Diese Vorgehensweise versprach wenig Erfolg. Die Defensivwaffen der Fremden waren stark genug, jeden Angriff abzuwehren. Stärkere Kaliber einzusetzen konnte man nicht wagen, solange die drei Schiffe auf einem der Walgon-Planeten gelandet waren.

Der Startversuch der Fremdschiffe, den sie vor einer Stunde unternommen hatten, war vereitelt worden. Das Feuer der Walgonier hatte die Schiffe auf den Boden zurückgetrieben.

Ein Kleinraumschiff der Fremden hatte einen weiteren Fluchtversuch unternommen und war abgeschossen worden. Das Wrack wurde gerade untersucht, die ersten Ergebnisse konnten nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Ein Nachrichtenoffizier erschien und drückte dem Vorsitzenden eine Notiz in die Hand. Reen-Gor sah, wie der Vorsitzende las. Zuerst zeigte er eine zufriedene Miene, dann verfinsterten sich seine Züge.

»Ruhe!« schrie der Vorsitzende. Für kurze Zeit wurde es tatsächlich still.

»Ich habe zwei Dinge bekanntzugeben. Punkt eins: unser System ist abgeriegelt. Ein Entkommen der Fremden ist ausgeschlossen, des weiteren ein Eindringen weiterer Feindkräfte. Damit haben wir die Lage endlich voll unter Kontrolle.«

Beifälliges Gemurmel war die Antwort auf diese kühne Behauptung.

»Außerdem erfahre ich gerade, daß das abgeschossene Kleinraumschiff untersucht worden ist. Wir sind auf einen Trick hereingefallen – die Besatzung hat den Absturz nur vorgetäuscht und sich abgesetzt.«

Rufe der Erbitterung wurden laut.

»Ruhe!« schrie der Vorsitzende noch einmal. »Ich kann den Versammelten einen Film zeigen, der vor ein paar Stunden aufgenommen worden ist. Er zeigt, wie einige der Fremden im Schutz des Schirmfelds von einem Schiff zum anderen wechseln. Seither wissen wir endlich, wie diese Fremden aussehen.«

Der Raum wurde verdunkelt, dann lief die Projektion an. Reen-Gor erkannte die beiden Schiffe, die auf Walgon II standen. Das leichte Flimmern des Schutzschirms machte die Aufnahmen, die zudem aus großer Entfernung entstanden waren, ziemlich unscharf. »Diese Bilder haben wir herausvergrößern müssen«, erklärte der Vorsitzende. Reen-Gor hielt den Atem an, als die Fremden auftauchten.

Sie sahen aus wie verkrüppelte Walgonier – nur zwei Arme, nur zwei Beine und auch nur einen Kopf. Wie sich in diesem kleinen Hirnvolumen genug unterbringen ließ, um eine raumfahrende Technologie zu entwickeln, war Reen-Gor ein Rätsel.

Eine der drei Gestalten war einem Walgonier schon ähnlich. Einzelheiten waren wegen der Raumanzüge,

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die die Fremden trugen, nicht auszumachen, aber immerhin verfügte dieses Wesen über die üblichen vier Arme. »Wir haben es also mit zwei verschiedenen Völkern zu tun«, erklärte der Vorsitzende. »Ich vermute, daß es sich um Völker handelt, die biologisch mit den Walgoniern verwandt sind und sich während der langen Zeit der Trennung vom Muttervolk zurückentwickelt haben – von einigen Einzelexemplaren abgesehen. Jedenfalls scheint klar zu sein, daß es sich um degenerierte Walgonier handelt.« Diese Schlußfolgerung kam Reen-Gor ziemlich abenteuerlich vor, aber er hielt den Mund.

»Als Walgonier, ob degeneriert oder nicht, unterstehen sie der Gerichtsbarkeit Walgons. Wir werden sie daher auffordern, sich zu ergeben und sich unserem Urteil zu stellen.« »Und wie wird dieses Urteil aussehen?« fragte jemand.

Der Vorsitzende sah erstaunt auf.

»Aussehen? In einem Fall von bewaffnetem Angriff und Hochverrat? Todesstrafe, selbstverständlich.«

Reen-Gor räusperte sich.

»Irgendwelche Widersprüche?« fragte der Vorsitzende scharf.

»Ich glaube kaum, daß wir einen besseren Zugang zu den Fremden finden werden, wenn wir ihnen eröffnen, daß sie sich uns nur ergeben sollen, um anschließend hingerichtet zu werden.«

Der Vorsitzende lachte breit.

»Natürlich werden wir ihnen das nicht auf die Nasen binden«, sagte er spöttisch. »Du bist für eine intensive Kontaktaufnahme mit diesen seltsamen Walgoniern, Reen-Gor?« Reen-Gor nickte.

»Ich vermute außerdem«, sagte er leise, »daß diese drei Schiffe nicht allein operieren. Möglicherweise haben sie eine Flotte außerhalb der Ewigen Barriere stationiert.« »Von dort kommt niemand herein«, stieß der Vorsitzende hervor. »Das System ist abgeriegelt.«

»Das wird davon abhängen, welche Kräfte gegen uns stehen«, antwortete Reen-Gor. »Ist die gegnerische Flotte genügend groß, dann werden sie auch die Hindernisse aus dem Weg räumen können. Ich plädiere dafür, daß wir von uns aus versuchen, das Gebiet außerhalb der Ewigen Barriere zu erkunden.« »Pah«, sagte der Vorsitzende. »Wozu das? Wir haben die Archive geöffnet. Wir wissen, wie es draußen aussieht, sieben Lichtjahre entfernt ist Zaangor, eine unserer Kolonialwelten. Dort gibt es große Depots und Raumschiffswerften. Wenn wir unser System erst von den Aufrührern gesäubert haben, werden wir dort unsere Flotte vergrößern und ausrüsten. Und dann können wir daran gehen, das alte walgonische Herrschaftsgebiet neu aufzurichten.«

Reen-Gor hätte am liebsten mit einem Kopf geschüttelt, aber er hütete sich, seine Zweifel offen zu zeigen.

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Es war fast schon erschütternd, anhören zu müssen, in welchen Regionen sich manche Mitglieder des Herrschaftsrats bewegten. Seit Jahrtausenden gab es kein Walgon-Imperium mehr – jedenfalls nicht für alle Welten außerhalb der Ewigen Barriere. Es war völlig unlogisch anzunehmen, daß die Völker jenseits der Barriere nichts anderes zu tun gehabt hätten, als auf die Wiederkehr des Walgon-Systems zu warten, und sich danach widerstandslos dem Herrschaftsrat zu unterwerfen. Höchstwahrscheinlich gab es außerhalb längst ein neues Machtgebilde, und dessen Machthaber würden über das Wiedererscheinen des Herrschaftsrats gewiß nicht entzückt sein, schon gar nicht, wenn dieser Herrschaftsrat anmaßend die Oberhoheit über alle Walgon-Völker und -Kolonien zurückforderte.

»Was wir brauchen, sind Informationen«, sagte Reen-Gor vorsichtig. »Je mehr, um so besser.«

»Willst du selbst nachsehen?« fragte der Vorsitzende. Der Blick seines Emotionsgesichts hatte etwas Lauerndes.

»Ich bin dazu bereit«, erklärte Reen-Gor. »Das kannst du haben«, sagte der Vorsitzende. »Ich erteile dir hiermit den Auftrag, das Sperrgebiet zu durchfliegen und die Ewige Barriere zu durchdringen. Du wirst feststellen, wie es jenseits aussieht, und dann wirst du zurückkehren und uns berichten.« »Das werde ich tun«, sagte Reen-Gor und stand auf.

»Nicht so schnell«, sagte der Vorsitzende scharf. »Wir werden eine kleine Vorsichtsmaßnahme ergreifen müssen.«

Als Reen-Gor begriff, was der Vorsitzende meinte, war es bereits zu spät. Zwei Roboter hatten Reen-Gor gegriffen und schleppten ihn aus dem Saal.

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3.

Ziir-Tinc rieb sich die Hände. Er war mit sich zufrieden. Das System, an dem jahrhundertelang gefeilt und gebastelt worden war – es bewährte sich vollauf.

Ziir-Tinc hatte die Flucht des Kleinraumschiffs beobachtet, und er hatte auch den Absturz anmessen können. Anders als die Gaulater hatte Ziir-Tinc sehr bald geahnt, daß dieses Manöver nur ein Bluff gewesen war. Den entscheidenden Hinweis hatte er durch einen seltsamen Zufall bekommen.

Nachdem die beiden fremden Schiffe wieder auf Walgon gelandet waren, hatte es zwischen ihnen einen regen Austausch von Waren und Lebewesen gegeben. Ziir-Tinc, dessen Beobachtungssysteme nicht schlechter waren als die seiner gaulatischen Gegner hatte dabei zwei Gestalten erkennen können, die er schon einmal gesehen hatte – Daan-Bar und Ollon-Tur. Sie waren von einem Schiff zum anderen gewechselt. Ziir-Tinc hatte ein gutes Gespür für Bewegungsabläufe und Körpersprache – er war sich absolut sicher, daß die beiden Paudencer freiwillig an Bord der Fremdschiffe waren und sich dort wohl fühlten.

Folglich mußte es sich bei den Fremden um Freunde handeln. Mehr noch – Daan-Bar war demonstrativ auf halber Strecke zwischen den beiden Schiffen stehengeblieben und hatte gewinkt, obwohl er wissen mußte, daß er dabei beobachtet wurde.

Ziir-Tinc hatte die Botschaft empfangen, er ahnte, daß sie ganz speziell für ihn bestimmt gewesen war. Die Tatsache, daß ausgerechnet der Chef der Tabu-Jäger bei den Fremden war, mußte sich in Windeseile herumsprechen, natürlich auch bei denen, die Daan-Bars Aktivitäten fürchteten, weil sie von seiner inneren Wandlung nichts wissen konnten. Daraus ergab sich fast zwangsläufig, daß die Tatsache besonders bei den Paudencern rasch verbreitet werden würde – für normale Paudencer mußte diese Zusammenarbeit geradezu Alptraumcharakter haben. In jedem Fall war die Tatsache wichtig genug, sie unverzüglich über die geheimen Kanäle an den Emulator weiterzuleiten.

Da außer Ollon-Tur nur noch Ziir-Tinc von der inneren Wandlung Daan-Bars wußte, ergab sich aus all dem, daß Daan-Bar mit dieser Aktion eine Botschaft an Ziir-Tinc weitergeben wollte: ich habe Freunde unserer Sache gefunden.

Durch Erfahrung gewitzt, überprüfte Ziir-Tinc diese Überlegungen ein zweites Mal, indem er sie rein nach Gefühlskriterien begutachtete. Das Ergebnis war nahezu das gleiche – Ziir-Tinc empfand eine tiefe Freude und Genugtuung darüber, daß die Sache der Paudencer auch außerhalb der Ewigen Barriere Freunde hatte.

»Wir müssen handeln, Mädchen«, sagte Ziir-Tinc. »Irgendwo dort draußen irren Freunde von uns herum. Wir müssen sie finden und zu uns leiten.«

»Diese Fremden?« fragte Irra-Con verblüfft.

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»Genau die«, antwortete Ziir-Tinc. »Sie werden unsere Hilfe brauchen.«

Er überlegte, was zu tun sei. Er brauchte nur wenig Zeit, um zu einem Entschluß zu kommen.

Er ging hinüber zum Kommunikator. Es hatte viel Arbeit und Mühe gekostet, das Gerät zu besorgen und ins normale Netz einzuschalten, ohne daß den allgegenwärtigen positronischen Kontrollen die Rufnummer auffiel. Niemals zuvor hatte Ziir-Tinc den Anschluß benutzt. Er war nur zu einem einzigen Zweck gedacht – von diesem Anschluß aus sollte der Emulator am Tage der Entscheidung das Signal zum Losschlagen geben. Einen Augenblick lang zögerte Ziir-Tinc, dann schaltete er das Gerät ein. Er wählte eine Nummer, wenig später war die Verbindung hergestellt.

»Hier spricht Ziir-Tinc«, sagte der Emulator mit fester Stimme. »Raan-Mar, kannst du mich hören?«

Die aufgeregte Stimme der Paudencerin klang aus dem Lautsprecher.

»Ich höre dich, Ziir-Tinc. Aber ich kann dich nicht sehen.«

»Das ist auch nicht nötig. Der Tag der Entscheidung ist gekommen. Ich brauche deine Hilfe und die aller Freunde.«

»Sage mir, was ich tun soll.«

»In unserer Stadt sind einige Fremde unterwegs, Wesen, die ganz anders aussehen als wir.«

»Waaas?«

Ziir-Tinc lächelte, er konnte die Aufregung der Frau gut verstehen.

»Es ist so, wie ich es sage. Diese Fremden werden uns helfen, aber zunächst brauchen sie unsere Hilfe. Sage allen Freunden unserer Sache Bescheid. Sie sollen nach den Fremden suchen und sie zu einem unserer Versammlungsplätze bringen. Dort werde ich mich wieder bei euch melden.«

»Und wie können wir die Fremden erkennen?«

»Sie sehen anders aus als wir, sehr anders sogar. Ihr werdet sie sofort erkennen, wenn ihr sie seht. Und beeile dich, Raan-Mar, wir dürfen keine Zeit verlieren.«

»Ich werde handeln, Ziir-Tinc«, antwortete Raan-Mar atemlos und trennte die Verbindung.

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Insgesamt achtzehn dieser Gespräche führte Ziir-Tinc, dann konnte er sicher sein, daß die Botschaft überall auf Walgon II verbreitet werden würde.

»Bald werden wir mit den ersten Wesen von jenseits der Ewigen Barriere sprechen«, sagte der Emulator leise. Er sah Irra-Con an und lächelte, »ich sehe Furcht auf deinem Gesicht.«

»Ganz Fremde?« murmelte Irra-Con. »Sie werden uns vertrauter sein als mancher aus unserem Volk«, antwortete Ziir-Tinc. Er konzentrierte sich wieder auf sein Beobachtungssystem. Überall auf Walgon II gab es versteckte Kameras und Mikrophone, und all diese Nachrichtenkanäle liefen in dieser Zentrale zusammen.

Ziir-Tinc warf einen Blick auf die Uhr. Nach dem Einschalten des ganzen Systems blieb ihm genau eine Woche Zeit. Danach sorgte ein Selbstzerstörungsmechanismus dafür, daß das ganze System unwiderruflich zerstört wurde. Der Emulator hatte auf dieser Einrichtung bestanden. Er konnte es mit seinem Gewissen zur Not vereinbaren, für eine gewisse Spanne Zeit wie ein tausendäugiges Monstrum alle Aktionen zu beobachten, aber sehr bald nach dem Tag der Großen Magischen Synopse mußte diese allgegenwärtige Kontrolle verschwinden. Eine staatliche Organisation der Walgonier, wie sie sich diePaudencer vorstellten, war mit solchen Überwachungsmaßnahmen nicht zu vereinbaren. Auf den Straßen war es ruhig, aber an jeder zweiten Ecke konnte Ziir-Tinc gepanzerte Fahrzeuge sehen und schwerbewaffnete Einheiten der Tabu-Jäger und der Flotte. Der Herrschaftsrat hatte Walgon II fest im Griff – wenigstens an der Oberfläche.

Tief im Untergrund der Gesellschaft aber lief bereits die Aktion an, die das Ende des Herrschaftsrats einläuten sollte. Einen Augenblick lang schauderte Ziir-Tinc, als er an die Größenordnung dieser Revoltedachte. Der Plan lief auf nicht mehr und nicht weniger hinaus als eine vollständige Änderung der bestehenden Verhältnisse, auf eine Umkehrung der gesellschaftlichen Grundwerte.

Es würde außerordentlich schwer werden. Auch nach dem Umsturz würde es sicher noch etliche Gaulater geben, auf die Rücksicht genommen werden mußte. Keinesfalls wollte Ziir-Tinc erreichen, daß nach dem Tag der Großen Magischen Synopse die Paudencer mit den Gaulatern verfuhren, wie es früher umgekehrt der Fall gewesen war. Das wäre lediglich Etikettenschwindel gewesen. Mit Sorgfalt suchte Ziir-Tinc die Stadt nach den Fremden ab. Er wußte, daß es schwierig werden würde, sie zu finden. Aber es mußte gelingen, es hing einfach zu viel davon ab.

*

Wir drückten uns in den Toreingang. Langsam stapften die Roboter die Straße entlang, die Waffen schußfertig in den Händen. Ich vermutete, daß sie bei unserem Anblick sofort das Feuer eröffnen würden. Ich stieß einen Seufzer aus, als die sechs Kampfmaschinen um die Ecke bogen und außer Sicht gerieten.

»Hast du irgend etwas finden können?« fragte ich Tyari. Sie nickte.

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»Dort in dem Haus«, sagte sie und wies auf ein Wohngebäude, einen eckigen Betonkasten. »Da lebt ein Mann, der an uns denkt. Ich habe ihn zufällig gefunden. Wir werden gesucht.«

»Das weiß ich«, antwortete ich. »Aber nicht nur von Gaulatern«, sagte Tyari mit feinem Lächeln. »Der Anführer der Paudencer hat seine Leute angewiesen, nach uns Ausschau zu halten.«

Ich lächelte zufrieden.

Irgendeine Spur hatten wir gebraucht, um den Emulator finden zu können, und wer wäre besser zum Aufspüren einer solchen Fährte gewesen als eine Telepathin wie Tyari? Ich öffnete meinen Gedankenblock und sah Tyari an. Sie lächelte.

»Versuchen wir es«, schlug ich vor. Hastig überquerten wir die Straße. Dieser Außenbezirk der Hauptstadt wirkte wie ausgestorben – kein Wunder, die Bürger waren angewiesen worden, ihre Wohnungen nicht zu verlassen. Wir hatten die Durchsagen von den Lautsprecherfahrzeugen deutlich hören können.

»Kannst du ihn genau orten?« fragte ich Tyari. Sie nickte.

»Ich werde euch hinführen«, sagte sie. Als erstes Hindernis erwies sich die Haustür. Wir besaßen keinen Impulsschlüssel, mit dem wir das Schloß hätten aufschließen können. Ich wandte mich an Tyari.

»Du mußt aufpassen«, sagte ich halblaut. »Wenn wir damit einen Alarm auslösen und jemand kommt, warne uns rechtzeitig.« »Wird gemacht«, versprach Tyari. Mit einem Schuß öffnete ich die Tür und stieß sie auf. Automatisch flammte die Beleuchtung auf. Ich sah kalte, nackte Wände, ein Gefängnis konnte nicht ungemütlicher sein als dieser Wohnblock. An einer Wand hingen Piktogramme, die die Hausbewohner zu Sauberkeit und Ordnung anhielten. »Sechzehntes Stockwerk«, flüsterte Tyari. Der Antigravlift brachte uns hinauf. Unterwegs begegnete uns ein junger Mann, der fassungslos die Augen aufriß, als er uns sah, und dann ohnmächtig wurde. Die Automatik des Lifts würde ihn sanft auf dem Boden absetzen, wir brauchten uns nicht um ihn zu kümmern.

»Er hält uns für Monster«, sagte Tyari lächelnd, ich grinste zurück.

Schönheit war Ansichtssache, daran ließ sich nichts ändern. Für uns mochten die Walgonier mit ihren vier Armen und Beinen erschreckend aussehen, für sie waren wir die Scheusale. In solchen Dingen machte sich bemerkbar, daß die Walgonier seit Ewigkeiten keinen Kontakt mehr zu anderen Völkern gehabt hatten – friedliche Raumfahrt im großen Maßstab pflegte in der Regel solche Vorurteile rasch zusammenbrechen zu lassen.Tyari führte uns. Vor einer Tür blieb sie stehen. Ich betätigte den Summer. Wenig später wurde die Tür geöffnet.

Als Handelsvertreter hatte ich nie mein Brot verdient, aber der Fundamentaltrick war auch mir vertraut. Bevor der überraschte Walgonier recht begriff, wie ihm geschah, hatte ich einen Fuß in der Tür. Ich hatte

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einen Paralysator in der Hand, hielt ihn aber auf den Boden gerichtet.

»Keine Angst«, zischte ich. »Wir kommen als Freunde!«

Ich kam mir vor wie in einem Abenteuerfilm, aber mir wollte kein besserer Text einfallen. Auf den Walgonier wirkte er nicht, er wurde bleich in beiden Gesichtern und trat einen Schritt zurück.

Hastig schlüpften wir in die Wohnung. Tyari blieb an der Tür stehen, um von dort aus Näherkommende telepathisch auf Feindseligkeit zu überprüfen:

»Machen wir es kurz«, sagte ich. »Du bist ein Paudencer, und von Ziir-Tinc hast du den Auftrag, nach uns zu suchen. Hier sind wir.« Der rechte Kopf des Walgoniers zeigte eine Miene der völligen Verständnislosigkeit, der linke wechselte wiederholt die Farbe. Insider löste die Spannung, indem er sich an mir vorbeischob und dem Walgonier alle Hände schüttelte. Wenigstens teilweise sah einer von uns nach walgonischen Vorstellungen normal aus.

»Wie habt ihr mich gefunden?« brachte der Verwirrte schließlich über die Lippen. »Eine komplizierte Sache«, antwortete ich ausweichend. »Bringe uns so schnell wie möglich zu Ziir-Tinc.«

Der Walgonier schüttelte die Köpfe. »Das kann ich nicht«, stieß er hervor. »Ich weiß nicht, wo Ziir-Tinc ist.«

»Irgend etwas werdet ihr doch wohl ausgemacht haben«, sagte ich drängend. Ich war sicher, daß bei der Zerstörung des Schlosses ein Alarm ausgelöst worden war, und nun brannte mir die Zeit auf den Nägeln. Ich hatte keine Lust, mich mit den Walgoniern herumzuschießen.

»Ich werde euch hinführen«, sagte unser unfreiwilliger Gastgeber. »Wir müssen vorsichtig sein.«

Er zog sich eine Jacke an, ein Vorgang, der bei zwei Köpfen und vier Armen einer artistischen Vorführung gleichkam, dann schlüpfte er in seine Schuhe. Unser Freund gehörte zur peniblen, umständlichen Sorte Lebewesen und ging mir mit seiner Art ziemlich auf die Nerven. Ich ahnte aber, daß ihn mein Drängen nur noch mehr verwirrt hätte, und sah daher schweigend bei seinem Zeremoniell zu. Ein dicker langer Schal vervollständigte die Kleidung, dann konnte es losgehen.

»Zwei Posten betreten gerade das Gebäude«, informierte mich Tyari. »Sie wissen aber nicht, wohin sie gehen sollen. Sie wollen das Haus Stockwerk für Stockwerk absuchen. Jetzt haben sie den jungen Mann gefunden, er ist wieder zu sich gekommen. Sie wissen, daß sie uns gefunden haben, und geben die Information an ihre Zentrale weiter.«

Tyari hielt die Augen geschlossen, um intensiver lauschen zu können.

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»In drei bis vier Minuten ist ein Kommando der Tabu-Jäger hier«, sagte sie schließlich. Ich wandte mich an unseren walgonischen Begleiter.

»Hat das Haus einen Hinterausgang?« fragte ich.

»Wofür?« fragte er unschuldig.

»Für den Fall eines Feuers, beispielsweise«, antwortete ich.

Wortlos deutete der Walgonier auf ein Piktogramm, das die Verwendung von offenem Feuer verbot. Ich begriff – wenn kein Walgonier ein solches Gebot übertrat und sich auch sonst immer vorschriftsmäßig verhielt, konnte es nicht zu einem Feuer kommen, also brauchte man auch keinen Notausgang. »Sie kommen höher«, informierte mich Tyari. »Ihre Waffen sind entsichert, sie haben Anweisung, sofort zu schießen, wenn sie uns sehen.«

»Können wir sie überraschen?«

Tyari nickte und ging voran.

Langsam schwebten wir im Antigravschacht hinunter.

»In ein paar Augenblicken werden sie in den Schacht treten«, sagte Tyari. Es war eine Angelegenheit vonzwei Sekunden. Die beiden Walgonier hatten die Köpfe noch nicht ganz in die Öffnung des Schachtes gesteckt, da wurden sie auch schon von unseren Paralysatoren getroffen und außer Gefecht gesetzt. Wir brauchten nur ungezielt in die Tiefe zu schießen – dank Tyari wußten wir, daß niemand sonst den Schacht im Augenblick benutzte.

Der Walgonier begann am ganzen Leib zu zittern, als er die beiden Betäubten sah, wie sie halb in den Schacht hineinhingen, halb auf dem Boden der Etage lagen.

»Er hat Angst, wir würden ihn umbringen«, sagte Tyari. Ich nahm meinen Paralysator und drückte ihn dem Walgonier in die Hand. »Damit kannst du dich wehren«, sagte ich. »Die Waffe betäubt nur, du brauchst dich also nicht zu fürchten.«

Eilig verließen wir das Gebäude. Unser Freund besaß einen Privatgleiter, der groß genug war, uns alle aufzunehmen.

»Fahr los«, ermunterte ich den Walgonier, der mit seinen zitternden Händen große Mühe hatte, das Fahrzeug zu starten.

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Endlich ruckte der Gleiter an. Unser Freund fuhr ebenso umständlich wie hektisch, eine entnervende Kombination. Der arme Kerl wußte offenkundig nicht mehr, wo ihm die Köpfe standen.

Tyari stieß mich an.

»Wir werden verfolgt«, sagte sie so leise, daß nur ich sie hören konnte. »Man will uns eine Falle stellen.«

»Einzelheiten?« fragte ich ebenso leise nach.

»Die Robots haben uns erkannt. Ich erforsche gerade die Gedanken eines der Verfolger. Man hat uns gewähren lassen, damit wir die Tabu-Jäger auf die Spur des Emulators bringen.«

Ich leckte mir die Lippen. Damit saßen wir in einer hübschen Klemme.

Weitermachen, gab das Extrahirn knapp durch.

Ich war von dem Produkt der ARK SUMMIA schon immer sehr beeindruckt gewesen, aber damit hatte ich nicht gerechnet. Der Vorschlag hörte sich überaus gefährlich an. Ich lehnte mich zurück und konzentrierte mich.

Die Analyse des Logiksektors war ausführlich und präzise. Es lief darauf hinaus, daß wir nur dann eine Chance hatten, wenn der Emulator und wir an einem Strang zogen. Aus unseren Aktionen und dem Stillschweigen des Emulators ließ sich in einer komplizierten kausallogischen Berechnung herausarbeiten, daß der Emulator damit rechnen mußte, daß wir verfolgt wurden, und es in seine Pläne einbezogen hatte.

Allerdings konnte er nicht wissen, daß ich eine Telepathin an meiner Seite hatte, die die Absichten der Verfolger erkennen konnte. Es würde in jedem Fall eine sehr heikle Angelegenheit werden.

Der Walgonier, den wir als Fahrer angestellt hatten, wurde langsam ein wenig sicherer. Tyari half ihm, indem sie ihm Anweisungen gab, wie er die Verfolger abschütteln konnte – erfolgreiche Anweisungen, wie sie mir wenig später augenzwinkernd mitteilen konnte.

Der arme Walgonier begriff gar nichts mehr. Ich sah, daß er auf beiden Stirnen dicke Schweißtropfen stehen hatte. Die Situation ging sichtlich über seine Kraft.

Ich konnte nur hoffen, daß das, was uns noch bevorstand, nicht über unsere Kräfte ging.

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4.

ATLAN-VISION »ORAKEL«:

Es ist unglaublich ruhig um mich. Frei kann ich die Gedanken strömen lassen, sanfter Frieden erfüllt meinen Körper.

Ich bin am Ziel angelangt, einem Ziel, wie ich es mir absonderlicher niemals hätte ausdenken können. Verbunden mit einem Pulk Spoodies, die ich selbst hierher gebracht habe, erfülle ich die Funktion eines Orakels. Den Herzögen von Krandhor stehe ich mit meinem Rat zur Seite, ich helfe ihnen, ihre Macht zu festigen und auszubauen. All dies geschieht, um frühstmöglich gewappnet zu sein für den Feind, der die Menschheit und auch die Kranen bedroht.

Seth-Apophis.

Ein Name bisher, nicht mehr. Das Symbol einer Macht, die im verborgenen wirkt, umgeben vom Schauer unergründlicher Geheimnisse. Noch weiß ich nicht, um wen oder was es sich handelt – ich weiß nur, daß diese Bedrohung die schwerste ist, die die Menschheit bisher zu bestehen gehabt hat. Unerhörte Aufgaben liegen vor uns.

Auch vor mir.

In Hunderten von Einzelfällen werde ich um Rat gefragt – und gebe ihn, gestützt auf zehntausend Jahre Erfahrung, auf einen Extrasinn, an dessen Fähigkeiten ich niemals Grund hatte zu zweifeln, dies alles gestärkt und angereichert durch einen Schwarm von Spoodies.

Heiterkeit erfüllt mich.

Zum ersten Mal bin ich einige der ehrenvollen Titel wert, mit denen ich vor vielen Jahren bedacht wurde – als Imperator von Arkon. Es liegt lange zurück, daß ich mit »Erhabener« angeredet worden bin. Allessehend, alleswissend, tausendäugig wurde ich genannt und noch mehr – jetzt bin ich allessehend, wenn ich will. Das ganze komplexe Kommunikationsnetz des Herzogtums steht mir zur Verfügung, ein positronisches Netzwerk, das sich über Vayquost gelegt hat. Es übergreift alle Bezirke, in die die linsenförmige Spiralgalaxis aufgeteilt ist: Berogan, Lquo, Flattlos, Varnhagher-Ghynnst, Faarnheyst und viele andere.

Ich habe unmittelbaren Zugriff auf alle Positroniken, auf die planetengebundenen ebenso wie auf die Rechner der Flottennester, im Notfall kann ich über Hyperfunkverbindungen auch mit einzelnen Schiffen Kontakt aufnehmen.

Ein Teil meines Bewußtseins ist frei, der weitaus größte Teil ist unablässig beschäftigt, vor allem der

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Extrasinn, der von den Spoodies noch besonders gefördert wird.

Tausende von Aufgaben gilt es zu erledigen. Kleinigkeiten sind darunter, aber manche Kleinigkeiten summieren sich allmählich zu gewaltigen Erschütterungen.

So weiß ich beispielsweise, daß auf dem Planeten Berghandor eine Bestellung für chirurgische Spezialwerkzeuge aufgegeben worden ist, ein Vorgang wie tausend andere auch. Ich weiß auch, daß der schwerreiche Reeder Thana Kolz den Neubau eines besonders großen, klobigen Schiffes angeordnet hat. Auch das ist weiter nicht ungewöhnlich. Indessen ist in den Speichern, die mir zur Verfügung stehen, säuberlich vermerkt, daß ein gewisser Oppoldhan, Kraftschyte von Geburt, in letzter Zeit versucht hat, den Orakel-Dienern pseudoreligiöse Traktate anzudrehen. Für jeden anderen wären diese Angaben bedeutungslos. Ich allein kann sie zusammensetzen.

Ich weiß, daß die Orakel-Diener, in der Hauptsache ehemalige Solaner, ziemlich unzufrieden sind. Sie ärgern sich zum einen darüber, daß sie ihr Schiff, die SOL, nicht mehr haben. Die SOL ist zum Spoodieschiff geworden. Unablässig pendelt sie zwischen Kran und Varnhagher-Ghynnst hin und her, nimmt eine Ladung Spoodies nach der anderen an Bord und schafft sie ins Herzogtum. Nur eine kleine solanische Stammbesatzung ist an Bord geblieben, die Mehrheit der Besatzung besteht aus Kranen und ihnen befreundeten Intelligenzen.

Zum anderen lieben die Solaner das Leben auf Planeten überhaupt nicht, auch nicht, wenn es sich um die Hauptwelt des Herzogtums handelt. Die Schönheiten des Wasserpalasts, der langsam seine endgültige Form annimmt, zählen für sie nicht.

Zudem sind sie isoliert. Aus Gründen der Geheimhaltung umgeben mich ehemalige Solaner wie eine menschliche Hülle. Unmittelbaren Zugang zu mir haben ausschließlich Solaner, nicht einmal die Herzöge selbst dürfen zu mir vordringen. Wenn ich mit ihnen verkehre, dann durch Funksprüche oder Kuriere ausden Reihen der Orakel-Diener. Verständlicherweise schafft das Ärger und Verdruß.

Viele Solaner fühlen sich isoliert, als ungeliebte Fremdkörper im Herzogtum. Hätten sie nicht die Spoodies, die ihre Intelligenz stützen und heben und ihnen beim Nachdenken helfen, hätten mich viele aus Kurzschlußgründen längst verlassen. So begreifen sie den Sinn dieser Maßnahme, aber das bedeutet nicht, daß sie sie willenlos hinnehmen. Es gibt Widerstand, der zum großen Teil aus der mehr oder minder großen Ablehnung der Orakel-Diener durch die Bewohner des Herzogtums resultiert.

Vielleicht liegt es am langen Weltraumaufenthalt der Solaner – jedenfalls reagieren sie im Durchschnitt auf die Spoodies erheblich besser als durchschnittliche Kranen, obwohl Kranen die Solaner in Einzelfällen weit übertreffen.

Eine meiner Aufgaben auch für die Zukunft wird es sein, diese Spannungen abzubauen oder doch wenigstens zu mildern. Nur wenn alle, Kranen, Prodheimer-Fenken, Tarts, Solaner und viele andere zusammenarbeiten, kann es gelingen, die Mächtigkeitsballung zu sichern, die von Seth-Apophis tödlich bedroht ist.

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Gefahren drohen ihr von allen Seiten, aber die meisten dieser Gefahren lauern unsichtbar im Hintergrund, oder sie quellen langsam aus der Tiefe empor. Ich weiß, daß Agenten von Seth-Apophis ins Herzogtum von Krandhor eingesickert sind, und es läßt sich leicht ausrechnen, welches Ziel ihre Aktivitäten haben werden. Bereits die kurze Zeit, die ich als Orakel der Herzöge fungiere, hat gezeigt, wie hilfreich diese Tätigkeit ist – logischerweise werden die Agenten von Seth-Apophis vordringlich bemüht sein, das Orakel zu zerstören oder unwirksam zu machen.

Kernziel ihrer Angriffe bin ich, obwohl sie von der Existenz meiner Person nichts wissen können. Das nimmt dieser Bedrohung aber nichts von ihrer Gefährlichkeit.

Persönlich wehren kann ich mich nicht. Mein Körper ist gleichsam desaktiviert, nur mein Verstand arbeitet noch. Dies sollte mir als Waffe zu meiner Verteidigung genügen. Meine Gedanken bewegen sich auf drei Ebenen. Während ich als Orakel den Kranen helfe und gleichzeitig an meinen eigenen Schutz denken muß, versuche ich zugleich, die größeren Zusammenhänge zu ergründen. Ein vages Gefühl gewinnt immer mehr Gestalt in mir – die Sicherheit, daß mit dieser Tätigkeit als Orakel von Krandhor meine Arbeit im Dienst der Kosmokraten noch lange nicht beendet ist.

Ich spüre es ganz deutlich – eines Tages werde ich den Wasserpalast wieder verlassen. Jemand anderes wird meine Rolle als Orakel übernehmen, ich werde wieder frei entscheiden, handeln und mich bewegen können. Es wird lange dauern, bis es soweit ist. Ich störe mich nicht daran. Ich weiß, daß diese Tätigkeit ihren Sinn hat, auch wenn ich diesen tieferen Sinn noch nicht zu ergründen vermag. So wichtig ich augenscheinlich auch in diesem gigantischen Kräftemessen bin, in das so unterschiedliche Geschöpfe wie Spoodies, Menschen, Kranen, Superintelligenzen und Kosmokraten verstrickt sind – ich vermag die kosmischen Zusammenhänge nicht zu erkennen.

Ich komme mir vor wie eine Figur in einem Schachspiel. Nicht nur, daß ich meinen Part zu spielen habe, die Aufgabe, die mir in diesem Spiel zufällt, ich stehe gleichzeitig vor dem Problem, System und Regeln des Spiels von innen heraus zu ergründen. Wenn ich dieses Gleichnis fortführe, dann käme mein Grübeln mitunter dem Versuch gleich, vom Spielbrett auch die geheimen Gedanken und Beweggründe der Spieler erschließen zu wollen. Ein hoffnungsloses Unterfangen. Wieder erreichen mich Informationen. Ich verarbeite sie, werte sie aus und mache Vorschläge. Es sind Vorschläge, nicht mehr, auch wenn sie vielen Kranen und anderen wie eine Weisung höherer Mächte vorkommen mögen. Eine Rückmeldung trifft bei mir ein – ein Problem im Sektor Flattlos, mit dem ich mich zu beschäftigen hatte, ist gelöst. Der Funkspruch drückt zwischen den Zeilen den Dank und die Verwunderung des Sektionschefs aus, der nach meinen Ratschlägen das Problem gelöst hat. Irgendwo in den positronischen Speichern wird der Funkspruch abgelegt, ich habe nicht die Zeit, mich ausführlich damit zu beschäftigen.

Ich lasse eine Hyperfunkverbindung zur SOL herstellen, dem Schiff, das so lange meine Heimat war.

Die SOL ist im Anflug auf Varnhagher-Ghynnst. Sie wird eine neue Ladung Spoodies an Bord nehmen. An Bord läuft der Betrieb normal, es sind keine Störungen aufgetreten. Mich stimmen diese Nachrichten mißtrauisch. Im Augenblick läuft alles zu normal, zu glatt und perfekt. Irgendwo in der Flut von Detailinformationen, die wie ein Wasserfall über mich hereinströmen, sind Daten verborgen, die ich nur zusammenzusetzen brauche, um einer wichtigen Sache auf die Spur zu kommen.

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Ich erinnere mich der drei Detailinformationen: chirurgische Spezialwerkzeuge, Riesenschiff, pseudoreligiöse Traktate. Ich spüre, daß diese drei Informationen zu einem Puzzle gehören, das zusammen mit anderen Bausteinen ein Bild ergeben wird – höchstwahrscheinlich ein Bild, das mir nicht gefallen wird.

Die Befehlsübermittlung funktioniert reibungslos. Ich gebe Anweisung, jede Bewegung des Riesenschiffs genau zu überwachen. Die Anweisung stößt auf Widerstand, Reeder Thana Kolz ist ein hochangesehener Mann, es gibt keinen Grund, ihm nachzuspionieren. Da die Anweisung aber vom Orakel kommt, wird sie befolgt. Eine Speichersektion der Positronik wird ein Itinerar des Schiffes anlegen. Ich fordere weitere Informationen über die besondere Art der chirurgischen Spezialwerkzeuge an; sie kommen nach kurzer Zeit. Es handelt sich um Gerätschaften, die für die kosmetische Chirurgie gebraucht werden – der Menge nach zu schließen, die der Unbekannte geordert hat, will er mehrere hundert Personen zur gleichen Zeit behandeln lassen. Auch diese Daten werden gespeichert, ich kann jederzeit auf sie zurückgreifen. Außerdem lasse ich mir den Text der Traktate zuspielen, die unter den Orakel-Dienern verteilt wurden. Die Schriften sind so verfaßt, wie ich es erwartet habe – sie versprechen Einführung in kosmische Geheimnisse, Kenntnis der universellen Kraftströme, die sich jedermann zunutze machen könne, Lösung aller geheimen Rätsel des Lebens, das alles garniert mit einem Wortschwulst, der bei logischer Analyse wie Seifenschaum zusammenbricht. Mystisches Gewäsch, urteile ich – wenig wahrscheinlich daß Orakel-Diener darauf hereinfallen. Gleichzeitig wird eine geheime Zusammenkunft angekündigt – geheim, aber auf öffentlich verteilten Schriften angekündigt. Ein klarer logischer Widerspruch, der meinen Verdacht erregt. Ich schiebe das Problem zurück. Ich darf mich nicht verrückt machen. Völlig habe ich mich noch nicht daran gewöhnt, daß ich im Tiefschlaf liege und mich nicht rühren kann; mein Mißtrauen ist immer wieder eine Spur zu groß. Wenn ich ihm nachgebe, komme ich aus dem Verdachtschöpfen nicht mehr heraus. Ich habe keine Lust, allmählich eine Paranoia zu entwickeln.

Funkspruch von der SOL. Das Schiff ist im Sektor Varnhagher-Ghynnst eingetroffen und beginnt mit der Spoodie-Ernte. Außerdem wird eine gewisse Portion Raumtang an Bord genommen.

Gefriergetrocknet, pulverisiert und in kleinen Dosen verabreicht, hat der Raumtang eine sanfte Bewußtseinserweiterung zur Folge, die sorgsam angewandt bei psychischen Störungen hilfreich sein kann. Ebenso wie der Fundort der Spoodies ist auch die Quelle des Raumtangs höchstes Staatsgeheimnis – in den falschen Händen können Spoodies und Raumtang verheerende Wirkung zeigen.

Alparslan Ordobon läßt sich bei mir melden, einer der Orakel-Diener, die jederzeit bei mir Zutritt haben. Ein hochgewachsener, schlanker Mann mit hagerem Gesicht und grauen Haaren. Er wirkt kühl, diszipliniert und stets sehr ruhig.

»Ich will den Vorfall nur dir melden«, sagt er nach einer kurzen Begrüßung.

»Welchen Vorfall?« frage ich.

Ordobon macht ein besorgtes Gesicht. »Einer unserer Freunde ist gestern nacht überfallen worden«, erklärt er. »Man hat ihn niedergeschossen, mit einem Paralysator.« »Raub? Oder eine private Rache?«

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Ordobon schüttelt den Kopf.

»Man hat ihm seinen Spoodie gestohlen«, sagt er zögernd. »Wir haben ihm einen neuen Symbionten gegeben und ihn angewiesen, über den Vorfall zu schweigen.«

Meine Gedanken überschlagen sich. Spoodie-Diebstahl. Das gab es bisher noch nicht, jedenfalls nicht in dieser Form. Daß jemand versuchte, in eines der staatlichen Vorratslager einzubrechen, um dort Spoodies zu stehlen, hat es des öfteren gegeben. Die Sicherheitsmaßnahmen haben solche Versuchejedesmal vereitelt. Aber ein Überfall auf einen Spoodie-Träger ist ein unerhörtes Novum.

»Wie geht es dem Überfallenen? Ist er schwer verletzt?«

»Nein«, antwortet Ordobon ruhig. »Das ist ja gerade das Gefährliche an der Sache – man hat ihm den Spoodie mit großer Sorgfalt entfernt. Operativ, und die kleine Wunde ist sauber versorgt worden. Da waren Fachleute am Werk.«

Sofort stelle ich die Querverbindung her. Für diesen Zweck also sind die chirurgischen Instrumente gedacht.

Hinter dem Überfall steht ein System, ein Plan. Das war keine spontane Aktion, nur ein Teilschritt zur Verwirklichung eines weit größeren Vorhabens.

Ich ahne, daß die Agenten des Gegners zu einem gefährlichen Schlag ausholen. Was wollen sie mit dem Spoodie? Ich bin sicher, daß es nicht nur darum geht, etwa den Anführer dieses Vorhabens zum Spoodie-Träger zu machen. Dahinter steckt mehr. »Gibt es weitere Ereignisse, die ich wissen sollte?« erkundige ich mich.

»Die Schriften dieses Oppoldhan haben ein wenig für Unruhe gesorgt«, berichtet Ordobon. »Aus Gesprächen habe ich erfahren, daß ein paar Orakel-Diener zu dieser angeblich geheimen Zusammenkunft gehen wollen. Ich bin sicher, sie tun es nur aus Neugierde. Einige wollen diesen mystischen Unfug entlarven und sich auf Kosten von Oppoldhan amüsieren. Aber mir scheint, daß Oppoldhan damit einen bestimmten Zweck verfolgt – und ihn erreicht hat. Eine größere Zahl von Orakel-Dienern wird ihn aufsuchen, gleichgültig aus welchem Grund.«

Ich sehe eine Verbindung zwischen diesen Vorfällen. Jemand arbeitet sich auf dem Weg über die Orakel-Diener an mich heran. Ein Attentat?

»Hast du einen Vorschlag?« frage ich Ordobon.

»Wenn du es gestattest, werde ich selbst auch hingehen«, sagt Ordobon. »Ich werde dir später berichten, was sich dort ereignet hat. Und ich werde nicht unbewaffnet gehen.« »Einverstanden«, antworte ich.

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Alparslan Ordobon zieht sich zurück. Währenddessen informiere ich die Polizei auf Kran; sie soll ein waches Auge auf die Aktivitäten des Kraftschyten haben, vor allem aber feststellen, wer seine Hintermänner sind. Gleichzeitig laufen meine anderen Aktivitäten weiter. Schlaf kenne ich nicht. Wenn es Nacht wird über dem Wasserpalast, scheint die Sonne auf die gegenüberliegende Seite des Planeten. Auch dort wird meine Hilfe immer wieder gebraucht, und was für Kran gilt, entspricht den Verhältnissen auf anderen Planeten des Herzogtums.

Dennoch finde ich Zeit zur Muße. Ein großer Teil meiner Tätigkeit läuft fast unbewußt ab, an der Oberfläche meiner Gedanken kann ich ausruhen – wenn nicht alarmierende Nachrichten mich zu voller Konzentration zwingen.

Eine seltsame Stimmung hat sich meiner bemächtigt.

Im Hintergrund meiner Wahrnehmung

kann ich spüren, daß die Aktivitäten merklich abflauen. Es fühlt sich an, als halte das Herzogtum für eine kurze Weile den Atem an. Ich spüre Schauer durch meinen Körper rieseln.

Es ist nicht die Kälte des Tiefschlafs, die mich erschüttert. Vielmehr legt sich von irgendwoher eine dumpfe Ahnung auf mich, eine vage Stimmung von Unsicherheit. Der Schatten der Zukunft scheint mich zu streifen. Vor meinem inneren Auge ziehen Bilder vorbei. Es geht viel zu schnell, als daß ich sie deuten könnte. Schemenhafter Spuk, erschreckend und beängstigend.

Ich spüre, daß ich den Kontakt zu meinem Körper verliere.

Aus meinem Innern scheinen die Bilder aufzusteigen, Bilder des Schreckens, gefahrverkündend. Ich weiß nicht, was sie bedeuten sollen, sie haben überhaupt keinen Zusammenhang. Ich spüre nur, daß es der symbolhafte Widerschein von Elend und Unterdrückung ist, der mich streift und erschüttert. Ich weiß nicht mehr, was Wirklichkeit ist. Ich scheine in einer Traumwelt zu sein, wache auf und bin mitten in einem weiteren Traum. Auch diese Bilder verflüchtigen sich und entlassen mich in weitere Halluzinationen. Einen kurzen Augenblick lang bin ich völlig klar.

Ich weiß, daß ich in diesem Augenblick nicht wirklich auf Kran bin. Ich weiß, daß ich eine Vision durchlebe, wie ich schon einige erlebt habe. Und in diese Vision hinein schiebt sich eine weitere Vision, eine vage Vorahnung von dem, was kommen wird, wenn das, was ich jetzt von irgendwoher als Bild empfange, längst Wirklichkeit geworden ist.

Eine Ahnung nur ...

Irgendwo in den Weiten des Kosmos wartet eine weitere Aufgabe auf mich. Ich bin noch nicht entlassen aus den Diensten der Kosmokraten, mein Auftrag geht weiter. Sterne wirbeln vor meinem inneren Auge vorbei. Ihr Anblick erschreckt mich, obwohl ich keinerlei Einzelheiten entdecken kann, die dieses

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Erschrecken auslösen könnten. Ich ahne nur, daß irgendwo zwischen diesen Sternen das Grauen haust.

Die Witterung einer ungeheuren Gefahr erreicht mich. Ich weiß, daß ich mich dieser Gefahr werde stellen müssen. Die Vision in der Vision sagt mir nicht, worin meine neue Aufgabe bestehen wird – sie verrät nur, daß sie auf mich wartet. Irgendwo, irgendwann. Ich spüre, daß ich diese Aufgabe werde lösen müssen – allein.

Die Erkenntnis durchfährt mich wie ein Schock.

Allein?

Alles in mir bäumt sich auf. Was ist mit den Freunden und Gefährten? Mit Tyari? Ich weiß plötzlich, daß ich sie in der Zukunft dieser Vision nicht mehr bei mir haben werde. Alles andere verschwindet. Nur ein Bild bleibt, es erfüllt mich mit schmerzhafter Stärke.

Hellrot, fast weiß glimmt das Feuer in der Esse. Eine metallene Zange holt das weißglühende Metall heraus, legt es auf den Amboß. Hammerschläge sausen auf das Metall herab, ich spüre sie mit schneidender Härte. Jeder Hieb scheint mich zu treffen, ein Stück von mir abzuspalten. Jede Faser meines Körpers wird erschüttert. Unerbittlich saust der Hammer herab, formt und härtet das Metall.Alles Überflüssige wird herausgeschmiedet, bis allein der Stahl zurückbleibt.

Die Klinge versinkt zischend im Öl. Ich spüre, wie der Schmerz mich durchrast. Ich weiß, daß die Prozedur noch nicht beendet ist. Sie wird weitergehen, bis das Schwert fertiggeschmiedet ist. Mag der Stahl Funken versprühen und kreischen, er kann sich nicht dagegen wehren.

Ich ahne, was diese Symbolik zu bedeuten hat. Das, was ich durchlitten habe, was ich erleiden werde, bis diese Vision Realität geworden ist – es dient dem Zweck, jene Waffe in den Händen der Kosmokraten zu schmieden, die ich in Zukunft sein soll. Ich kann das Schwert sehen, eine blitzende Klinge, scharf und geschmeidig. An den stark verlängerten Parierstangen baumeln Waagschalen. Ich erkenne das Symbol wieder – die gewappnete Gerechtigkeit.

Das Bild verschwindet. Eine fürchterliche Leere breitet sich in mir aus. Alles, was ich noch spüren kann, ist eine Frage, die Urfrage menschlicher Existenz.

Warum?

Darauf bleibt die Vision mir die Antwort schuldig.

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5.

ATLAN-VISION »ORAKEL«:

»Keine Gefahr«, berichtet Alparslan Ordobon zufrieden. »Zu der Versammlung sind knapp einhundert Personen erschienen, darunter zwei Dutzend Orakel-Diener.«

Aufmerksam höre ich ihm zu.

»Der Kraftschyte scheint mir harmlos zu sein, jedenfalls für das Orakel. Ansonsten ist er ein geschickter Schwindler und Hochstapler, der mit technischen Mätzchen und raffinierten Tricks vorspiegelt, mit magischen Kräften versehen zu sein. Unter diesem Gesichtspunkt war seine Vorführung recht eindrucksvoll – ich habe die Freunde gefragt. Sie fanden die artistische Darbietung eindrucksvoll, das Zaubermeister-Gehabe der Garnierung fanden sie lächerlich, ohne Ausnahme.« Seltsam, ich bin über diese Auskunft nicht erleichtert. Aufmerksam betrachte ich Ordobon. Sein Gesicht zeigt keinerlei Gemütsregung, er ist ruhig und gelassen wie immer. Zu dem, was er sagt, paßt, was ich über meine Informationskanäle habe feststellen lassen.

Oppoldhan reist seit Jahren von Planet zu Planet, führt seine magischen Tricks vor, erleichtert Leichtgläubige um beträchtliche Summen und das mit solcher Raffinesse, daß die Geschröpften sich bisher geweigert haben, ihn strafrechtlich zu verfolgen. Sie glauben ihm noch immer. Es ist nicht Sache der Polizei; unbelehrbar Abergläubische vor sich selbst zu schützen – Oppoldhan kann sein Gewerbeunbehelligt fortsetzen. Über andere Aktivitäten von ihm ist nichts bekannt geworden. Niemand weiß auch, wo er die Beträge angelegt hat, die er seinen Opfern aus den Taschen geholt hat. Nach den Begriffen des Herzogtums ist der Kraftschyte ein schwerreicher Mann, sein privates Auftreten aber ist ausgesprochen maßvoll. Viel Geld gibt er nur für seine Apparaturen aus; er beschäftigt einige hochqualifizierte Fachleute für Mikropositroniken, die ihn mit immer neuen Zaubermaschinen ausrüsten.

»Es ist gut«, sage ich zu Ordobon. »Ich bin mit dir zufrieden.«

Er lächelt dankbar und zieht sich zurück. Sicherlich will er mich nicht täuschen, aber ich habe den sicheren Eindruck, daß seine Informationen nicht stimmen.

Es braut sich etwas zusammen, ein unbekannter Gegner holt zum Schlag aus. Ich habe nur ein Mittel, diesen Schlag abzufangen. Informationen.

Ich kann an jede Datensammlung heran, die es im Herzogtum gibt. Natürlich ist nicht alles gespeichert, auch die Kranen und die ihnen verbündeten Völker kennen das Individualrecht auf persönliche Freiheit. Aber irgendwo in den Billionen gespeicherter Informationen sind die Brocken enthalten, die ich noch brauche, um ein klares Bild der Lage zu gewinnen.

Es hat etwas mit mir zu tun – weniger mit Atlan als mit dem Orakel. Es hat auch etwas mit Spoodies und

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Spoodie-Schiff zu tun. Ich ahne auch, daß der entscheidende Schlag des Gegners nicht lange auf sich warten lassen wird.

Es gilt, rasch zu handeln – das einzige, was ich beim besten Willen nicht kann. Vorsorglich lasse ich einige Hundertschaften Kampfroboter aktivieren. Sie bleiben in den Silos, noch sollen sie in der Nähe des Wasserpalasts nicht erscheinen.

Das Itinerar wird mir zugespielt.

Das Schiff von Thana Kolz ist mit unbekanntem Ziel gestartet. Vor seinem Abflug hat es einige hundert Erntemaschinen an Bord genommen, dazu eine komplette Fabrik für Fruchtsaftkonzentrate.

Das Rätsel wird immer größer.

Ich mache von meinen Vollmachten

Gebrauch und schnüffle in den Geschäftsverbindungen von Thana Kolz herum. Er ist ungeheuer vielseitig – er besitzt nicht nur zahlreiche große Werften, Raumschiffahrtslinien für Fracht- und Personentransport. Ihm gehören auch zahlreiche Amüsierbetriebe auf vielen Planeten – erfahrungsgemäß ideale Plätze, um gescheiterte Existenzen für zwielichtige Geschäfte anzuheuern.

Thana Kolz lebt gefährlich. Fünf Attentatsversuche und zwei knapp gescheiterte Entführungen haben ihm gegolten. Man hat ihm deswegen eine private Leibwache von einhundert Mann bewilligt.

Ich durchforste die Personalakten dieser Leibwächter. Es scheinen ausgesuchte Charaktere zu sein – Söldnernaturen, die jeden Auftrag ausführen, wenn er nur gut genug bezahlt wird. Gemeinsamer Wesenszug ist eine angesichts von soviel Schurkerei fast schon amüsante Loyalität zum jeweiligen Arbeitgeber und der Söldner untereinander. Das Ergebnis der Recherchen ist klar – Thana Kolz verfügt über eine Privattruppe, die den Teufel aus dem Höllenfeuer zerren würde, wenn er es verlangt.

Ich lasse mir die lizenzierten Waffenkäufe geben, die Thana Kolz getätigt hat. Er hat viel mehr eingekauft, als er für seine Truppe braucht – erheblich mehr. Noch einmal durchmustere ich seine Söldner und stelle erschreckt fest, daß er sie jeweils nur für ein Jahr eingestellt und dann wieder entlassen hat. Die fraglichen Personen sind nachher nirgendwo aktenkundig geworden.

Dieses Verfahren kenne ich. Nach Ablauf des Dienstjahres sind die Söldner auf einer schwarzen Lohnliste aufgeführt, als schweigende Reservearmee. Eine Schätzung ergibt, daß Thana Kolz auf diese Weise über fast achthundert Mann verfügen kann.

In einer Waffenfabrik, an der er über Strohmänner beteiligt ist, hat es Unregelmäßigkeiten gegeben – großkalibrige Geschütze sind spurlos verschwunden.

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Langsam setzt sich das Bild deutlicher zusammen. Thana Kolz hat ein großes Transportschiff, er hat eine leistungsfähige Privatarmee, die vorzüglich bewaffnet ist. Und er ist mitsamt Schiff und Leibwache spurlos verschwunden. Ich bin sicher, er wird wieder von sich hören lassen – auf Kran, ganz in meiner Nähe.

Ich bin ganz ruhig und gelassen. Die Spoodies helfen mir, meine Gedankenarbeit schnell und mit höchster Konzentration stundenlang durchzuhalten.

Unablässig sichte ich Daten, vergleiche ich Informationen und Statistiken.

Ich muß schnell arbeiten. Bevor ich die Machtmittel einsetzen kann, die man mir zur Verfügung gestellt hat, brauche ich handfeste Beweise.

Wenn ich in diesem Stadium meiner Ermittlungen eines der Flottennester alarmiere, die Jagd auf Thana Kolz eröffnen oder Kran abriegeln lasse, und es geschieht danach nichts, ist der Ruf des Orakels angeschlagen. Eine solche Pleite darf ich mir nicht erlauben. Ist es das, worauf Kolz hinarbeitet? Eine lächerliche Fehlreaktion des Orakels, die es in den Augen der Kranen lächerlich oder gar neurotisch erscheinen läßt? Ein ungeheurer Datenbluff, inszeniert nur zu dem einen Zweck, mich außer Kontrolle zu bringen. Ich kann den Verdacht nicht von der Hand weisen. Auch ihn muß ich ins Kalkül ziehen. Auf den Welten des Herzogtums geht alles seinen gewohnten Gang. Nichts Auffälliges geschieht. Nur unter der Oberfläche braut es sich zusammen. Keine Schießereien, keine spektakulären Aktionen – nur ein lautloses, unauffälliges Gedankenduell, das sich in aller Stille vollzieht. Kein Stoff für Sensationsreporter, die es auch im Herzogtum gibt. Eine Geschichte, die jeden Leser maßlos langweilen müßte; was ist schon Spannendes daran, wenn ein Mann im Tiefschlaf denkt und grübelt und sich das Gehirn zerbricht, um einem anderen raffinierten, teuflisch geschickten Denker das Handwerk zu legen.

Das Schlachtfeld, auf dem die Truppen langsam formiert werden, sind Überlegungen und Kalkulationen, Nachrichtenverbindungen, positronische Speicher und Rechenzentren. Keine markigen Dialoge: »Ha, Schurke!« oder »Stirb, Verruchter!« – nur hier eine kleine Information, dort eine Nachrichtensperre. Keine zischenden Blasterschüsse, keine detonierenden Ladungen – statt dessen gezielte Desinformation, falsche Fährten, Bluffs und Tricks.

Ich lasse mir über eine Fernleitung den Konstrukteur der Erntemaschinen holen. Ich kann den Mann sehen, er mich nicht. Er sieht auf dem Bildschirm nur das Symbol des Orakels, vor dem er eine geistige Habachtstellung einnimmt.

»Für welche Art von Früchten sind diese Erntemaschinen gedacht?« will ich wissen. Mein Gesprächspartner ist ein Prodheimer-Fenke, ein Wesen, das an ein aufrecht gehendes Eichhörnchen mit hellblauem Fell erinnert. Glücklicherweise ist er kein typischer Vertreter seiner Art, die als ausgesprochen schwatzhaft gilt. Vielleicht liegt es an seiner Verwirrung, daß er sich so kurz faßt. »Nüsse«, antwortet er knapp. »Durchmesser zwölf bis zweiundzwanzig Millimeter.« Ich trenne die Verbindung und überlasse es der Phantasie des Prodheimer-Fenken, sich auszumalen, warum wohl das Orakel von Krandhor ihm persönlich eine solche Frage stellt.

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Hinübergeschaltet zum biologischen Institut der Akademie von Kran. Dort ist alles gespeichert, was es an biologischem Wissen im Herzogtum gibt. Ich frage nach Nüssen und bekomme eine Liste geliefert, die im Druck zweihundert engbeschriebene Seiten stark wäre. Ein positronisches Raster befördert alle Nüsse heraus, die zu groß oder zu klein sind, um von den Maschinen erfaßt zu werden. Außerdem filtere ich solche Nüsse heraus, die zum alltäglichen Nahrungsfundus irgendeines bekannten Volkes im Herzogtum gehören. Danach umfaßt die Liste siebzehn Positionen. Ich gehe sie durch und lasse mir die Ursprungsplaneten dieser Nüsse überspielen. Ich vergleiche sie mit dem Itinerar von Thana Kolz’ Schiff.

Es gibt eine Deckung. Irmanghat, eine Welt am Rand der Galaxis Vayquost. Irmanghat-Nüsse, so erfahre ich, sind im Handel nicht erhältlich. Ihr Saft hat psychogene Wirkung, er wird in psychotherapeutischen Kliniken verwendet, um aggressionsgehemmte Klienten zu stimulieren.

Hat Thana Kolz vor, seine Leibwächter mit dem Extrakt dieser Nüsse in Kampfmaschinen zu verwandeln? Ich stelle eine Verbindung her zum besten Psychotherapeuten, den es auf Kran gibt.

Von ihm lasse ich mich über die Wirkung des Irmanghat-Nußextraktes aufklären. »Der Extrakt hat eine sehr spezifische Wirkung«, bekomme ich zu hören. »Er kann nicht dazu verwendet werden, im Bewußtsein vorhandene Aggressionen zu steigern. Er dient nur dazu, verdrängte, unausgelebte Aggressionen an die Oberfläche der Wahrnehmung zu befördern und die motorische Abfuhr solcher Aggressionen zu erreichen.«

Fehlanzeige. Die Söldner von Thana Kolz brauchen sicherlich ihre Aggressivität nicht mehr an die Oberfläche ihres Bewußtseins zu spülen. Was hat Thana Kolz dann mit diesem Saft vor?

Ich lasse einen Kreuzer vom Nest der Achten Flotte zum Planeten Irmanghat starten. Er soll herausfinden, ob sich dort das Schiff von Thana Kolz herumtreibt.

Währenddessen wird das amtliche Melderegister nach den Söldnern durchforstet. Das Ergebnis ist schnell geliefert – alle fraglichen Personen sind seit einiger Zeit nicht mehr behördlich erreichbar. Briefe gehen ungeöffnet zurück, amtliche Dokumente können nicht zugestellt werden. Kein Zweifel, die Söldner sind an Bord des Schiffes.

Die Positronik, mit der ich verbunden bin, hat unterdessen weiter alle Daten durchgesehen, die es über Thana Kolz gibt, und seine versteckten Beteiligungen an wichtigen Fabriken und Industriezweigen.

Ich prüfe die Ergebnisse. Die Positronik kann bei aller Präzision nicht wissen, worauf es mir ankommt.

Ich werde durch einen Funkspruch von der SOL unterbrochen. Das Spoodieschiff ist mit einer neuen Ladung Spoodies auf dem Rückweg nach Kran. Die Nachricht erleichtert mich. Ich kenne den kranischen Kommandanten des Schiffes sehr gut, und mit der SOL habe ich im Ernstfall ein Machtmittel zur Verfügung, das sich sehen lassen kann. Niemand kann besser abschätzen als ich, was dieses Schiff mit einer guten Besatzung zu leisten vermag.

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Ich ordne schnellsten Rückflug an. Der Befehl wird bestätigt. Die SOL wird in einundzwanzig Stunden nach einem Gewaltflug Kran erreichen.

Ich interessiere mich weiter für die Industriebeteiligungen des Thana Kolz.

Er hält eine Mehrheit bei einem Unternehmen, das Bestäubungsrobots herstellt. Einer Ahnung folgend, lasse ich mich mit dem Unternehmen verbinden. Eine Leitung wird quer durch Vayquost geschaltet. Die Verbindung ist schlecht, ein Energiesturm tobt zwischen dem Planeten und Kran, aber die Verständigung klappt leidlich. »Was für einen Zweck haben Bestäubungsrobots?« frage ich an.

»Sie helfen beim Abbau von Naturprodukten auf Planeten, auf dem sich die natürlichen Bestäuber dieser Pflanzen nicht durchsetzen können, weil sie das Klima nicht vertragen oder ihren Freßfeinden hoffnungslos unterlegen sind.«

»Beispiel!« ordne ich an.

Das Beispiel wird geliefert.

Im gleichen Augenblick will ich Alarm auslösen. Ich weiß jetzt, worum es geht. Ich kann das Musterbeispiel eines solchen Bestäubungsrobots sehen. Ein Ding, das kaum so groß ist wie mein kleiner Finger. Es kann krabbeln und fliegen. Auf dem Rücken sitzt ein Polster aus feinster Kunstfaser. Es nimmt Pollen auf und trägt sie zum Stempel der zu befruchtenden Pflanze.

Es ist purer Zufall, das das Ding aussieht wie ein Spoodie.

»Letzte größere Bestellung«, will ich wissen. Ich habe es sehr eilig.

»Vor zehn Tagen«, lautet die Antwort. »Achtzehn Millionen Stück für Ghesh.« Uninteressant. Ich verfolge eine andere Spur.

»Irgendeine auffällige andere Bestellung?« frage ich an. Der Krane, der mir antwortet, macht eine Geste der Bejahung. Die Verbindung ist so schlecht, daß ich ihn kaum erkennen kann.

»Vor drei Tagen haben wir zwölfhundert Stück davon geliefert«, antwortet er. »Ich weiß auch nicht, was jemand mit einer so geringen Stückzahl anfangen will. Wir beliefern normalerweise nur Großabnehmer, aber in diesem Fall haben wir eine Ausnahme gemacht.«

Ich kenne die Ausnahme. Es ist Thana Kolz.

Endlich fügen sich die Bausteine zusammen. Das Bild ist komplett. Ich weiß, daß ich nicht viel Zeit habe.

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Ich spüre einen feinen Schmerz wie ein Prickeln.

Man hat mir einen meiner Kommunikationsstränge abgeschnitten. Die Aktion des Gegners läuft.

Jetzt geht es um Sekunden. Ich lasse die Verbindung zusammenbrechen und versuche, die von mir alarmierten Roboter zu erreichen. Zu spät. Auch dieser Nachrichtenstrang ist durchtrennt.

Die Sicherheitsvorkehrungen im Wasserpalast laufen. Hermetisch werde ich von der Außenwelt abgeriegelt. Wer jetzt noch zu mir vordringen will, muß schwere Schiffsgeschütze einsetzen.

Wer mich von der Außenwelt abschneiden will, hat es wesentlich leichter. Ich kann die Bilder empfangen.

Sie sind überall zugange. Sie durchschneiden Kabel, zerstören Kameras und Bildschirme. Ihre Gesichter sind von Haß gezeichnet – ich kann es einen kurzen Augenblick lang sehen, dann wird die Kamera zerstört. Solaner, Orakel-Diener. Einen habe ich wiedererkannt. Alparslan Ordobon. Er machte einen verstörten Eindruck.

Unglaublich geschickt ist Thana Kolz vorgegangen. Jetzt sind mir die Einzelheiten des Plans klar.

Der gestohlene Spoodie hat ihm als Muster gedient. Nach diesem Bild hat er die Bestäubungsrobots abändern lassen. Zeit genug hatte er dazu. Dann hat er während der okkulten Sitzung des Kraftschyten die anwesenden Orakel-Diener betäubt, ihre Spoodies entfernt dazu die chirurgischen Instrumente und dafür seine Bestäubungsrobots eingesetzt. Wenn sie, wie die Spoodies, unter der Haut sitzen, kann man von außen den Wechsel nicht sehen.

Aber statt einer intelligenzfördernden Flüssigkeit sondern diese Bestäubungsrobots den Extrakt der Irmanghat-Nüsse ab – eine Substanz, die alle unterdrückten Aggressionen der Orakel-Diener aufputschtund mobilisiert. Natürlich halten sie mich für den Quell allen Übels. Infolgedessen versuchen sie, mich lahmzulegen.

Ich weiß auch, welche Ziele Thana Kolz weiter verfolgt. Er will das Spoodieschiff in seine Gewalt bekommen. Er will die Original-Spoodies durch seine Fälschungen ersetzen. Er will zunächst Kran, dann andere Welten in einem Chaos von Haß, Blut und Gewalt versinken lassen. Und es gibt nur ein Wesen im ganzen Herzogtum, das diesen Plan kennt. Das mächtigste und zugleich ohnmächtigste Wesen – mich.

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6.

ATLAN-VISION »ORAKEL«:

Ich bin von der Außenwelt abgeschnitten. Der Anschlag der Orakel-Diener hat sein Ziel erreicht, das Orakel von Krandhor ist verstummt.

Ich überprüfe die internen Sicherheitsmaßnahmen. Das Orakel ist autark, allerdings nicht für unbegrenzte Zeit. Die Energieversorgung reicht für Jahrtausende, andere lebensnotwendige Materialien werden sich früher erschöpfen.

Nur an eines hat man bei der Konstruktion des Orakels von Krandhor nicht gedacht – daran, daß das Orakel von sich aus ins normale Leben zurückkehren möchte. Wenn ich wieder voll einsatzfähig werdenwill, brauche ich jetzt Hilfe von außen. Ich nehme mir vor, diesem Übel nach der Niederschlagung des Aufstands abzuhelfen.

Konzentriere dich auf das Wesentliche, gibt der Extrasinn durch.

Was kann ich tun? Ich gehe die Möglichkeiten durch.

Das Orakel besitzt auch Waffen, die ich ferngesteuert einsetzen kann. Aber noch kann ich mich dazu nicht entschließen. Die Solaner, die es auf mich abgesehen haben, stehen unter Drogeneinwirkung. Von den falschen Spoodies befreit, würden sie sicherlich die Fronten wechseln. Ich kann nicht auf sie feuern lassen. Ich muß einen anderen Weg finden.

Thana Kolz ist boshaft.

Er hat seine Werkzeuge angewiesen, vor allem den Nachrichtenfluß vom Orakel zur Außenwelt abzuschneiden – die umgekehrte Verbindung funktioniert noch hervorragend. Will man mich damit zur Aufgabe zwingen, indem man mir das Aussichtslose meines Widerstands vor Augen führt? Ein kurzer Impuls des Logiksektors verrät mir, daß Thana Kolz höchstwahrscheinlich nicht darauf aus ist, mich zu töten – er will mich zwingen, für ihn zu arbeiten. Das Orakel soll fortbestehen, aber seine Anweisungen und Vorschläge sollen nicht länger dem Aufbau einer Puffermacht zwischen den Mächtigkeitsballungen von ES und Seth-Apophis dienen. Sie sollen dabei helfen, die Macht von Seth-Apophis zu vergrößern.

Wie kann ich mich dagegen zur Wehr setzen?

Die Pläne des Thana Kolz nehmen immer deutlichere Gestalt an. Seine Gefolgsleute greifen die anderen Orakel-Diener an, überwältigen sie und entfernen die Spoodies. Sie werden durch die gefährlichen Imitationen ersetzt; die Zahl meiner Gegner wächst dadurch immer mehr.

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Zum ersten Mal kann ich Thana Kolz sehen. Sein Schiff setzt zur Landung auf Kran an, beeinflußte Orakel-Diener haben ihm Landeerlaubnis gegeben.

Thana Kolz gehört zum Volk der Pandharen. Er ist über zwei Meter groß, breit und massig. Seine blaue Schuppenhaut glänzt in der Zentralebeleuchtung, die grünen Augen, in einem gleichseitigen Dreieck auf der Stirn angeordnet, sehen in die Kamera.

»Du kannst mich hören, Orakel«, sagt er ruhig. »Dann weißt du auch, daß du mich nicht aufhalten kannst. Ergib dich, bevor es zu spät ist.«

Er kann auf meine Kapitulation warten, das weiß ich. Er hat mich in der Hand. Warum versucht er dann, mich unter Druck zu setzen? Ich weiß, daß er mir vorläufig nicht mit Gewalt zusetzen kann. Noch hat er seine Macht nicht etabliert. Vor allem ist die SOL nach Kran unterwegs, an Bord die Spoodie-Ladung, die Thana Kolz für seine Zwecke benötigt. Wenn der Kommandant beim Landeanflug Schäden am Wasserpalast entdecken sollte, wird er sofort mißtrauisch werden. Der Raum um Kran ist zur Zeit leer von Kampfschiffen, aber die SOL allein genügt, um Thana Kolz entscheidend zu besiegen. Er weiß das.

Das lautlose Gedankenduell geht weiter. Was sind die Pläne des Pandharen, wie kann ich sie durchkreuzen? Was kann er seinerseits von meinen Plänen vorauskalkulieren? Wie werden seine Gegenmaßnahmen aussehen?

»Ich verspreche dir, dich unangetastet zu lassen«, fährt Thana Kolz fort.

Es muß für dich noch eine Verbindung nach außen geben, informiert mich der Logiksektor. Eine Leitung, die du bislang noch nicht kennst – wohl aber Thana Kolz.

Ich überlege, wie diese Leitung wohl beschaffen sein mag. Es gibt Tausende von Verbindungen, ich kann sie nicht alle kennen. Dafür ist die Positronik da, an die ich angeschlossen bin.

Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Ich muß den Verbund zwischen dem Orakel und der Positronik intensivieren. Was das heißt, weiß ich genau.

Ich muß mich in die Positronik hineinschmuggeln, nicht körperlich, sondern geistig. Meine Gedanken können als Informationspaket durch die Leitungsbahnen der Positronik fließen.

Sie können dabei aber auch auseinandergesplittert werden, sich in den Leitungen verfangen, in Einzelteile auseinanderfallen und spurlos verschwinden.

Ich kann bei diesem Kontakt nicht nur den Verstand verlieren – ich kann geistig dabei spurlos verschwinden.

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Die Positronik verfügt über Schaltkreise, die ankommende Daten sichten und sortieren. Ich muß verhindern, daß das mit mir geschieht – sonst werden meine Gedanken und Erinnerungen nach Sachgruppen aufgegliedert, verlieren den Zusammenhang und sind danach nie wieder in der alten Form zusammensetzbar.

Ein minimaler Datenschwund ist bei allen Rechnern unvermeidbar. Daher gehört zu jedem Informationsimpuls ein Kontrollbyte, mit dem die Richtigkeit der aufgenommenen Daten überprüft werden kann.

Mein Bewußtsein besitzt diese Kontrollbytes nicht. Wenn die unzähligen Einzelinformationen, aus denen sich mein Geist zusammensetzt, auseinandergerissen werden – was wird dann aus den unvermeidlichen Fehlern, die bei solchen Vorgängen auftreten? Ich habe Angst.

Sie wird immer stärker. Die Positronik kennt keinen Unterschied zwischen Bewußtem und Unbewußtem. Für sie sind verdrängte Informationen Daten wie alle anderen auch. Wenn ich von dieser Reise durch Leiterbahnen zurückkehre – falls überhaupt – werde ich dann noch eine normale Psyche haben? Es gibt nur eine Antwort auf diese Frage – das Experiment.

Ich taste mich zur Positronik vor. Zunächst gebe ich meine Anweisungen so, wie ich es üblicherweise tue – ich rede mit ihr. Der hochwertige Rechner versteht die Problematik sofort.

»Ich werde spezielle Leiterbahnen für dich freischalten«, informiert er mich. »Der Datenfluß deiner Persönlichkeit wird als Paket durch mich fließen können. Du wirst keinen Schaden nehmen.«

Ich traue dieser Auskunft nicht. Ein menschlicher Geist ist anders beschaffen als die künstliche Intelligenz einer Positronik. Bei aller technischen Vollkommenheit fehlt ihr die Möglichkeit, Gefühle zu empfinden. Und ich habe keine Lust, von diesem Ausflug ins Innenleben einer Positronik als Informationsroboter in Menschengestalt zurückzukommen.

Was bleibt mir anderes – ich versuche es. Die Positronik hilft mir. Sie schaltet eine Verbindung, die von ihren Speichersegmenten hinüberführt zu den Spoodies, mit denen ich verbunden bin.

Ich spüre, wie ich gleichsam aus meinem Körper gesaugt werde. Mein Bewußtsein fließt durch die armdicke energetische Schlauchverbindung hinauf zu der Spoodie-Wolke. Sie ist in eine energetische Hülle eingebettet und wird über dünne Schläuche von außen mit Nährstoffen versorgt.

Als ich dort ankomme, überfällt mich schlagartig Übelkeit – die Spoodies geben die Energien, die sie aus der Nährlösung empfangen, an mich weiter, und ich habe dabei das Gefühl, gewaltsam gefüttert zu werden. Einen kurzen Augenblick lang tauche ich in den Spoodie-Schwarm hinein, splittere auf in Hunderte von Teilen, aber ich werde sofort wieder abgestoßen.

Die Gedankenwelt der Spoodies ist mir nicht zugänglich; sie sind von gänzlich anderer Art als ich. Aber

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ich ahne in diesem Augenblick, daß die Spoodies auf sehr rätselhafte Weise mit einigen der größten Geheimnisse des Kosmos zusammenhängen. Ich ahne, daß ihre Geschichte tief hinabreicht in die Vergangenheit.

Der Weg wird frei, er führt mich hinüber in die Positronik. Sie hat Wort gehalten – große Speichersegmente sind für mich freigeschaltet worden. Als ich dort ankomme, habe ich das Gefühl, als würde ein Stahlskelett durch meinen Körper gezogen. Ich fühle mich bewegungsunfähig, und in mir breitet sich eine ungeheure Kälte aus.

Meine Körperempfindung habe ich verloren, die Angst, die mich erfüllt, verschwindet mit einem Schlag – ich ahne, daß ich bei diesem Eindringen in die Positronik meine Gefühle nicht bei mir behalten kann. Auf Millionen von Speichereinheiten ist mein Bewußtsein nun verteilt, aber es bleibt zusammen. Ich bin nach wie vor ich.

Von allen Seiten spüre ich die Anwesenheit der Positronik. Das Bild einer Eishöhle drängt sich mir auf – ein Hohlraum, in den unzählige feine Eisnadeln hineinragen, zwischen deren Spitzen ein bläuliches Feuer tanzt. Wenn ich eine der Nadeln berühre, habe ich Kontakt mit der Positronik.

Das Extrahirn hilft nur. Es muß ungeheure Kraft leisten. Jetzt, mitten in der Positronik muß ich mit dem Rechner in seiner Gedankensprache kommunizieren. Ein Gedanke, den ich habe, muß vom Extrahirn umgewandelt werden in Signale, die die Positronik verstehen kann.

Ich schicke Fühler aus, schlängele mich an Leitungen entlang und überprüfe sie. Rasender Schmerz erfüllt mich, als ich bei einem dieser Versuche in der Steuerung des Energieschirms herauskomme, der meinen Körper im Wasserpalast vor Angriffen schützt. Schnell ziehe ich mich wieder zurück.

Ich muß einen Weg aus diesem Labyrinth herausfinden.

Die Positronik schlägt Alarm. Das, was ich in ihrem Innenleben veranstalte, stimmt nicht mit dem Programm überein. Die Positronik kann mich nicht verdauen. Sie meldet einen inneren Schaden – und diese Meldung geht hinaus.

Ich fädele mich hinterher.

Aus den Speichern der Positronik erfahre ich, daß diese Leitung zu einem Instandsetzungskommando führt. Sie endet in einem Bildschirmkommunikator.

Als jemand sich vor das Gerät setzt und auf den Alarm reagiert, kann ich die Rückmeldung wie eine heiße Welle durch mich fließen spüren. Ich gebe der Positronik Anweisung, was sie zu melden hat.

Fehlschlag.

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Das Programm zwingt den Rechner, seine Schadensmeldung zu formulieren. Von weitergehender Kommunikation mit der Werkstatt ist nicht die Rede.

Ich schicke wirre Impulse los, die einige Leitungen der Positronik verstopfen und blockieren. Die Fehlermeldung kommt nicht durch – und löst dabei eine neue Fehlermeldung aus. Auch sie wird von mir abgefangen. Dann erscheint auf dem Bildschirm in der Werkstatt endlich der Text, den ich dort haben will.

Der Techniker fragt zurück, was er mit den Daten anfangen soll. Er hat wohl erwartet, von der Positronik um Hilfe gebeten zu werden – statt dessen bekommt er verwirrende Anweisungen.

Ich bekomme die Rückmeldung, daß er sie ausführen will.

Darauf zu warten, fällt mir schwer. Probeweise lasse ich mich in meinen Körper zurückgleiten. Der Versuch gelingt. Ich kann bei mir keine Schäden oder Erinnerungslücken feststellen.

Zurück in den Rechner.

Ich stelle fest, daß sich das Leitungsnetz des Rechners erweitert hat. Der Techniker hat die Anweisungen befolgt.

Er hat den Bildschirmkommunikator zusammengeschaltet mit seinem normalen Fernkommunikator. Über diese Leitung kann ich vordringen bis zur großen Hyperfunkstation des Wasserpalasts – von außen, der Weg von innen ist längst abgetrennt. Auch die Funkstation hat eine Positronik. Ich kann mich mit dem Kodezeichen des Orakels ausweisen, meine Befehle werden wie üblich befolgt.

Ich ahne, daß meine Aktivitäten nicht verborgen bleiben können. Die Leute, die für Thana Kolz arbeiten, werden schnell merken, daß jemand der Hyperfunkstation einen Auftrag erteilt.

Es ist ein Wettlauf mit der Zeit.

Ich gebe Anweisung, eine Hyperfunkleitung zur SOL zu schalten. Es geschieht mit gewohnter Schnelligkeit und Präzision. Ich erreiche den Kommandanten der SOL. Seltsam verzerrt klingt seine Stimme – kein Wunder, bei mir kommen keine Schallwellen an, sondern Informationsbündel. Er kann mich ebenso wenig hören – meine Antworten erscheinen als Schriftzüge auf seinem Bildschirm.

»Verbindung mit SENECA herstellen«, ordne ich an. Wieder weist mich der Kodeimpuls als Orakel aus und verschafft meiner Forderung den nötigen Nachdruck.

Dann spüre ich eine Flutwelle über mich hereinbrechen – der Verbund ist hergestellt. Die unvermeidlichen Störungen des Hyperfunkverkehrs scheinen als feines Brennen auf meiner Haut zu sitzen, sie sind lästig,

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aber nicht hinderlich.

Ich tauche in SENECA ein.

Die Hyperinpotronik an Bord der SOL, dem Rechner auf Kran weit überlegen, warnt mich.

»Die Verbindung darf niemals abreißen«, sagt SENECA; der Plasmazusatz SENECAS macht es möglich, daß ich ihn wie gewohnt sprechen hören kann. SENECAS Plasma ist in der Lage, die Impulse, die SENECA erreichen, so umzuwandeln, daß sie menschlichen Sinneswahrnehmungen entsprechen.

Mein Körpergefühl kehrt wieder – ich habe den Eindruck, mich in eine träge schwammige Masseverwandelt zu haben. Es stört mich nicht – ich kann wieder hören und sehen. Über ein sehr kompliziertes Rückkopplungsverfahren stabilisiert SENECA die Hyperfunkverbindung zwischen der SOL und Kran. Noch einmal warnt mich die Hyperinpotronik. Wenn die Verbindung zusammenbricht, werde ich mich auflösen und in SENECA aufgehen.

Ich erschrecke bei diesem Gedanken, und ganz im Hintergrund kann ich die Enttäuschung spüren, die SENECA daraufhin erfährt.

Die SOL ist nicht mehr weit von Kran entfernt. Ich gebe dem Kommandanten Anweisungen, wie er zu handeln hat. Auf keinen Fall darf er mit brutaler Gewalt gegen die übernommenen Orakel-Diener vorgehen – und ich will Thana Kolz lebend fassen. Wenn wir ihn lebend fassen, wird er uns vielleicht wichtige Informationen über Seth-Apophis geben können.

Die SOL taucht im System der Sonne Krandhor auf. Meinen Anweisungen entsprechend teilt sich das Schiff auf. Thana Kolz soll keine Möglichkeit gegeben werden, sich mit seinem Schiff abzusetzen, das auf dem Raumhafen von Kran steht.

Über die Wasserpalast-Positronik erfahre ich, daß die Rebellen das Auftauchen der SOL bemerkt haben. Ich lasse mir die Bilder zuspielen.

Zufriedenheit erfüllt mich, als ich die Aufzeichnung sehen kann.

Die abtrünnigen Orakel-Diener sind völlig verwirrt. Ihre latenten Wut- und Haßgefühle auf mich hat Thana Kolz mit seinen Machenschaften aufputschen können, aber es ist ihm offenkundig nicht möglich, ähnliche Gefühlsaufwallungen im Fall der SOL hervorzurufen.

Im Gegenteil. Ich kann sehen, daß sich einige der Orakel-Diener zu verschanzen beginnen. Sie eröffnen Paralysatorfeuer auf die Leibgarde des Pandharen.

Thana Kolz hat sich gründlich verrechnet. Woher hätte er die Gefühle kennen sollen, die einen Solaner

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erfüllen, wenn er an sein Schiff denkt?

Die Orakel-Diener haben begriffen, daß der Anschlag des Seth-Apophis-Agenten auch ihrem heißgeliebten Schiff gelten soll. Die künstlich aufgepeitschte Wut der Manipulierten wendet sich nun gegen ihren Erzeuger. Die Leibgardisten sind zunächst überrascht, dann hellauf empört. Mit diesem Frontwechsel haben sie nicht gerechnet, sie betrachten ihn als Verrat.

Schüsse fallen im Wasserpalast. Die Eingangshalle wird umkämpft. Scheiben bersten, Thermitladungen schmelzen Säulen und Tragbalken zusammen. Ich bekomme mit, daß Alparslan Ordobon seine Vollmachten nutzt und die Kampfroboter aktiviert, deren Einsatz er vorher verhindert hat. Die schweren Maschinen greifen in den Kampf um den Wasserpalast ein. Ich bin erleichtert, als ich sehe, daß Ordobon Anweisung gegeben hat, nur betäubende Waffen einzusetzen.

Die Leibgardisten sind nicht so zimperlich. Vom Raumhafen her organisieren sie Nachschub. Leichtgängige Geschütze werden aus den Laderäumen des großen Schiffes geholt und zum Wasserpalast befördert.

Ihre Salven hämmern in die Außenmauern, die Orakel-Diener müssen sich zurückziehen. Die Kampfroboter setzen den Widerstand fort, sie können zwei der Geschütze zusammenschießen.

Die SOL-Mittelzelle nähert sich Kran. In den Hangars machen sich Kampfrobots bereit. Sobald die SOL niedrig genug ist, werden sie aus den Schleusen herabregnen und in die Kämpfe eingreifen.

Thana Kolz hat sein gewagtes Spiel verloren.

Aber er hat noch eine Trumpfkarte. Von der Wasserpalast-Positronik kommt ein scharfer Warnimpuls. Es hat eine Beschädigung gegeben. Mit ungeheurer Schnelligkeit wird die Störung lokalisiert.

Zentrum ist die positronische Werkstatt. Der Bildschirmkommunikator ist von einem Blasterschuß gestreift worden.

So schnell es geht, ziehe ich mich zurück. Es ist eine Sache von Sekundenbruchteilen. Ich entferne mich aus SENECA, rase als Impulsbündel zurück zur Hyperfunkstation auf Kran. Von dort über die Kommunikatorleitung in die Werkstatt.

Was dort geschieht, kann ich nicht sehen – aber ich ahne es. Einer von den Kämpfern des Thana Kolz ist in die Werkstatt eingedrungen und hat den Techniker zusammengeschossen, der dort Dienst tut. Jetzt hebt er wahrscheinlich die Waffe, um die Verbindung zwischen SOL und dem Orakel zu trennen.

Ein Wettlauf in Lichtgeschwindigkeit. Durch die zusammengelöteten Leitungen jage ich in den Kommunikatoranschluß, der die Positronik mit der Werkstatt verbindet. Aus der Waffe des Angreifers

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löst sich der Schuß. Der sonnenheiße Strahl trifft den Kommunikator, zerstört ihn.

Was von außen wie ein Zusammenschmelzen des Geräts aussieht, schlägt sich im Innern ganz anders nieder – Impulse dringen in die Leitungen des Systems ein. Sie haben keinerlei Sinn und Bedeutung, aber sie werden verarbeitet, als handele es sich um Nachrichten. Damit kann man theoretisch eine Positronik im Bruchteil einer Sekunde völlig zerstören, gäbe es nicht Sicherheitseinrichtungen dagegen. Das System schützt sich selbst, indem es die Verbindungen kappt.

Ich muß durch, bevor die Sicherung zu arbeiten beginnt. Eine unbegreifliche Kraft packt mich und scheint mich in die Länge zu ziehen. Ich ahne, daß ich mit meinem Bewußtsein exakt in den Schaltvorgang hineingeraten bin, der die Sicherung herausfliegen läßt.

Mein Bewußtsein löst sich auf, für den Bruchteil einer Sekunde verschwinde ich als Person.

Die Positronik des Wasserpalasts rettet mich. Sie leitet das Impulsbündel, das von mir übriggeblieben ist, in einen großen, völlig leergeschalteten Speicher.

Dort finden die Bruchstücke meines Geistes wieder zusammen. Furchtbare Schmerzen quälen mich. So schnell es geht, gleite ich durch die Leitungen zurück.

Mein Körper nimmt mich wieder auf. Ich habe das Abenteuer überstanden.

Von außen werden die Verbindungen geflickt. Der Informationsfluß ist wieder hergestellt. Ich kann mich verständlich machen, hebe die Sicherheitsmaßnahmen auf. Auf dem Raumhafen toben schwere Kämpfe. Thana Kolz versucht sein Schiff zu starten, aber es gelingt ihm nicht. Kampfroboter von der SOL haben die Landestützen zerschossen. Das Schiff kippt zur Seite und wird von seinen Triebwerken über den Plastbeton geschoben. Detonationen erschüttern den Schiffskörper. Ich ahne, daß Thana Kolz die Vernichtung seines Schiffes nicht überleben wird. Medorobots kümmern sich um die Orakel-Diener mit den falschen Spoodies. Man wird sie ihnen entfernen und ihnen neue Spoodies zuteilen. Ich bin sicher, daß es von nun an nie wieder zu solch einer Rebellion kommen kann.

Ich kann beruhigt sein.

Das Orakel von Krandhor hat seine erste schwere Bewährungsprobe bestanden – und ich werde dafür sorgen, daß ich niemals wieder gezwungen werden kann, zu einem so abenteuerlichen Mittel zu greifen wie in den letzten Stunden.

Auf dem Raumhafen vergeht das Riesenschiff mitsamt seinem Besitzer, seine Leibwächter ergeben sich. Sie haben harte Strafen zu erwarten. Der Wasserpalast hat beträchtlichen Schaden erlitten, aber man wird die Beschädigungen in kurzer Zeit beheben können. In einigen Wochen wird dieser Vorfall äußerlich nicht mehr zu sehen sein.

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Nur in meinem Gedächtnis und in den Speichern der Positronik wird die Erinnerung an diese Stunden erhalten bleiben. Ich lasse für kurze Zeit meine Gedanken einfach treiben. Ich weiß, daß ich mir diese Muße nicht sehr lange werde erlauben können. Meine Arbeit als Orakel von Krandhor wird weitergehen bis ...

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7.

Sehr aufmerksam sah mich Ziir-Tinc an. Seine Gesichter wirkten ernst und nachdenklich.

»Willkommen, Freund«, sagte er dann. »Ich habe dich erwartet.«

»Ich hatte es gehofft«, gab ich zurück. »Es hat ziemlich lange gedauert, bis wir dich erreichen konnten. Die Tabu-Jäger haben uns sehr hartnäckig verfolgt.«

Ziir-Tinc lächelte.

»Ich wußte, daß du kommen würdest«, sagte er freundlich. »Noch bevor eure Schiffe unsere Sonne erreicht hatten.«

Ich sah ihn erstaunt an.

Ziir-Tinc war ein Walgonier, der Ernst und Würde ausstrahlte. Er war von mittlerem Alter, wirkte zugleich reif und jugendlich. Das Bild, das ich von ihm hatte, war widersprüchlich – zum einen machte er einen bemerkenswert durchschnittlichen Eindruck, auf der anderen Seite konnte ich sehr deutlich spüren, daß ich einen außergewöhnlichen Walgonier vor mir hatte.

»Willst du mir sagen, aus welcher Quelle du dieses Wissen geschöpft hast?« fragte ich ihn.

Ziir-Tinc lächelte noch immer.

»Vor kurzer Zeit bekam ich eine Botschaft«, sagte er halblaut. »Eine sehr seltsame Stimme meldete sich bei mir. Sie teilte mir mit, daß unserem Volk eine bessere Zukunft bevorstünde, wenn ich die Aktionen von Fremden unterstütze, die in unser Sonnensystem eindringen würden. Ich habe damals ein sehr vages Bild von diesen Fremden gesehen – einer davon mußt du sein, ich erkenne dich wieder.«

Unwillkürlich mußte ich an die Vision denken, die ich an Bord der Futurboje erlebt hatte, während ich auf den Beginn dieser Aktion wartete. Es erschien mir unwahrscheinlich, daß Ziir-Tincs Informationsquelle und der Ursprung meiner Vision identisch sein sollten.

»Dieser geheimnisvolle Informant nannte sich die Emulatorquelle«, verkündete Ziir-Tinc.

Spontan dachte ich an die Lichtquelle der untergegangenen Basis des Ersten Zählers, nicht nur der Namensähnlichkeit wegen. Zutreffend, bestätigte der Extrasinn. »Du bist der Emulator der Walgonier«, erklärte ich. Ziir-Tinc nickte. »Und wie sehen deine Pläne aus?«

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Ziir-Tinc deutete auf einen Bildschirm. Er zeigte eine Grafik, die von einer Positronik zusammengestellt worden war. Abgebildet war das System der Doppelsonne.

»In wenigen Stunden«, verkündete Ziir-Tinc, »wird sich die Große Magische Synopse bilden. Dann ist der Augenblick für uns gekommen, den Herrschaftsrat abzusetzen.« »Und wie soll das materiell aussehen?« wollte ich wissen.

»Von hier aus kann ich sämtliche Aktionen steuern und koordinieren«, sagte er und deutete auf den technischen Park seiner Zentrale. »Ich habe sehr lange auf diesen Tag hingearbeitet. Jede Einzelheit habe ich durchdacht, mir Lösungen einfallen lassen und an ihrer Verwirklichung gearbeitet. Auf ein Zeichen hin, das ich geben werde, rücken unsere Leute aus und blockieren den Herrschaftsrat vollkommen.«

»Blockieren?«

Ziir-Tincs Emotionsgesicht bekam einen Ausdruck der Unzufriedenheit.

»Wir Paudencer sind friedliebend«, sagte er leise. »In unseren Reihen finden sich nur wenige Kämpfer, noch weniger, die etwas davon verstehen.«

»Du rechnest auf unsere Hilfe?«

Ziir-Tinc machte eine Geste der Bejahung. »Es würde unsere Aktionen sehr fördern«, sagte er. »Obgleich ich natürlich weiß, daß es eine Zumutung ist – ihr kennt uns Walgonier kaum, und die wenigen, die ihr kennt, haben meist auf euch geschossen.«

Ich lächelte.

»Ich pflege Völker nicht zu beurteilen«, antwortete ich. »Und wenn doch, dann ganz bestimmt nicht ausschließlich nach ihren Raufbolden.«

»Das freut mich«, sagte Ziir-Tinc. Ich bedachte die Möglichkeiten, die wir hatten. Die Besatzungen der drei Schiffe reichten kaum aus, um einen entscheidenden Schlag gegen den Herrschaftsrat zu führen. Aber je präziser und überraschender ein solcher Angriff vorgetragen wurde, um so größer waren die Aussichten, den Herrschaftsrat zu überrumpeln und langwierige und verlustreiche Kämpfe zu vermeiden.

»Können wir hier unten geortet werden?« fragte ich Ziir-Tinc.

»Was hast du vor?« fragte er zurück. Ich zeigte auf das kleine Hyperfunkgerät, das ich mitgeschleppt hatte.

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»Ich will meine Schiffe anrufen«, antwortete ich. Ziir-Tinc machte ein besorgtes Gesicht. »Kannst du damit warten?« fragte er. »Ich fürchte, daß man die Zentrale hier anmessen kann. Nicht, daß wir nicht auch andere Mittel hätten, aber der Verlust dieser Einsatzzentrale würde unsere Pläne sehr gefährden.« »Ich werde warten«, versprach ich. In einem der kleineren Nebenräume der Paudencer-Zentrale fand ich ein Bett, auf dem ich mich ausstrecken konnte.

Noch immer beschäftigten mich die Visionen.

Ich hatte eine Menge Vermutungen über ihre Quelle, aber keinen einzigen brauchbaren Hinweis.

Vor allem war mir nach wie vor unklar, welchen Zweck der Sender dieser Visionen verfolgte. Wollte er mich warnen? Um Hilfe rufen? Vorab über mein Schicksal informieren?

Ich fand keine Antwort auf diese Fragen. Tyari saß auf der Bettkante und strich mir über die Haare.

Auch ihr Tod war Gegenstand einer Vision gewesen. Um ihretwillen hoffte ich insgeheim, daß diese Botschaften aus dem Nirgendwo nichts weiter waren als boshafte Fieberträume, Wahngebilde, die einerÜberprüfung durch die Wirklichkeit nicht standhalten würden.

Andererseits wirkten die Visionen ungeheuer real, so wirklichkeitsecht, daß ich versucht war zu glauben, Kontakt mit einem Besucher aus der Zukunft zu haben.

»Laß dich davon nicht verwirren«, sagte Tyari leise. »Selbst wenn diese Visionen absolut der Wirklichkeit entsprechen – du lebst in diesen Geschichten, und das allein ist wichtig.«

Ich wußte nicht, ob ich mich auf dieses Leben freuen sollte, auf eine Existenz in Einsamkeit, in der ich keinen der alten Freunde mehr um mich haben würde.

Ich bemerkte, daß ich Angst hatte, einzuschlafen. Die Visionen waren bedrückend, selbst wenn in den beiden letzten Fällen das Ende positiv gewesen war.

Ich fürchtete mich vor weiteren Bildern diese Art; ganz im Hintergrund der Visionen hatte ich deutlich spüren können, daß mir in der Zeit nach den Visionen noch andere Aufregungen bevorstanden.

Innerlich wehrte ich mich dagegen, in dieser Form verplant zu werden. Auch wenn es keine Macht war, die über mein Schicksal entschied – es war grauenvoll, in eine längst bekannte Zukunft zu gehen. Von der Zeit nach dem Orakel ahnte ich nur, daß sie mich in neue, unbekannte Regionen führen würde – aber bereits die Ahnung dessen, was auf mich wartete, genügte, mich schaudern zu lassen. Quälend langsamverstrich die Zeit. Ich war mit meinen Ängsten und Zweifeln allein, auch wenn Tyari an meiner Seite war. Einmal mehr wurde mir deutlich, daß kein Verfahren so gut geeignet ist, einen Menschen um den Verstand zu bringen, wie müßiges Nachdenken. Mit jeder Minute schienen meine Zweifel und Sorgen

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anzuschwellen, bis sie mich zu ersticken drohten.

Schließlich gelang es mir endlich, mich herumzudrehen und einzuschlafen.

*

Ziir-Tinc hatte eine Uhr in seiner Zentrale. Sie lief seit mehr als einem Jahrhundert, und sie zählte die Zeit rückwärts.

Die Stunde der Entscheidung kam näher. »Ich glaube, du kannst jetzt deine Freunde anfunken«, sagte Ziir-Tinc.

Ich griff zum Funkgerät. Die Verbindung mit der MJAILAM war rasch hergestellt. Daug-Enn-Daug war am anderen Ende der Funkstrecke.

»Hier Atlan«, sagte ich knapp. »Ich bin in der Zentrale der Paudencer, wir schlagen in absehbarer Zeit los.«

»Das ist gut so«, hörte ich den Emulator der Vulnurer sagen. »Ich habe eine Botschaft bekommen, Atlan.«

»Von wem?«

»Von der Lichtquelle. Sie erscheint mir ungeheuer wichtig.«

»Ich höre!«

»Die Lichtquelle will uns den ganzen hinterhältigen Plan der Zyrtonier mitteilen, aber nur unter einer Voraussetzung.«

»Wie sieht diese Voraussetzung aus?« »Es muß gelingen, die positiven und ordnenden Kräfte in derNamenlosen Zone so zu verstärken und zu fördern, daß eine durchgreifende Änderung wahrscheinlichwird. Unsere Überlegungen laufen darauf hinaus, daß die Lichtquelle damit vorrangig dieses System meint und seine Bewohner.«

Ich stieß einen leisen Seufzer aus. Es war mir nicht leichtgefallen, Ziir-Tinc unsere Hilfe zuzusagen. Für meinen Teil war die Angelegenheit klar, desgleichen für Tyari und Insider. Aber ich konnte schlecht versprechen, daß auch die anderen an Bord der drei Schiffe ihr Leben riskieren würden, um bei einem reichlich unbekannten Volk eine Revolution zu unterstützen. Allerdings war ich mir ziemlich sicher gewesen, daß die Besatzung meine Frage positiv beantwortet hätte. Wesen in Not allein zu lassen, war

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nicht die Art der Solaner.

»Ich habe mir einen Plan ausgedacht«, erklärte ich Daug-Enn-Daug. »Als erstes werdet ihr die Vulnurerschiffe auffordern, in das System einzudringen. Mit sechs Schiffen haben wir erheblich mehr Handlungsspielraum als mit dreien, außerdem müssen die Walgonier einen Teil ihrer Flotte abziehen, das wird der FARTULOON und uns helfen.«

»Das Einfluggebiet ins System ist abgeriegelt«, erinnerte mich der vulnurische Emulator. »Vergiß das nicht. Es wird nicht so leicht sein für die Schiffe.«

»Wir werden einen Weg finden, ihnen die Bahn freizuräumen«, antwortete ich. »Wir werden ihn schnell finden müssen«, warf Ziir-Tinc ein. Ich nickte.

Irra-Con, Ziir-Tincs umsichtige Assistentin, stieß einen Laut der Verblüffung aus. Sie deutete auf einen der Bildschirme.

»Was hat das zu bedeuten?« fragte sie laut.

*

Aufmerksam verfolgte Reen-Gor die Manöver seines Raumjägers. Mit hoher Fahrt näherte er sich dem Sperrbezirk.

Ab und zu griff er sich in den Nacken. Die Wirkung des schmerzstillenden Medikaments ließ allmählich nach.

Wäre Reen-Gor dazu noch in der Lage gewesen, hätte er jetzt brennenden Haß gespürt, aber er war dazu nicht mehr imstande. Der chirurgische Eingriff, den man an ihm vorgenommen hatte, nachdem er aus dem Saal des Herrschaftsrats geführt worden war, war erfolgreich verlaufen.

Der Vorsitzende des Herrschaftsrats hatte sein Opfer bestens präpariert. Reen-Gor war im Vollbesitz seines Verstands, nur seine Gefühle waren ihm nicht mehr zugänglich. Der linke Kopf war völlig unversehrt. Der rechte Kopf hingegen war von allen Sinneseindrücken abgeschnitten worden, auch die Handlungsmöglichkeiten waren ihm genommen.

Irgendwo in diesem Stück Leben aus Fleisch und Knochen saß ein Gehirn, das dachte und empfand. Es bekam keinerlei Wahrnehmungen mehr, die es hätte verarbeiten können, es hatte keinerlei Muskulatur mehr zur Verfügung, die es hätte kontrollieren können.

Genau dosierte Mengen eines bestimmten Medikaments hatten dazu geführt, daß Teilbereiche des Fühlhirns verödet waren und nicht mehr funktionierten. Reen-Gors Ohren waren ebenso intakt wie seine

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Augen, aber die Signale konnten nicht mehr verarbeitet werden, die zuständigen Hirnsektionen waren chemisch stillgelegt worden. Auch die Kopplung mit der nervlichen Steuerung der Motorik war unterbrochen.

Man hatte Reen-Gor gesagt, daß die Wirkung des Medikaments nach einiger Zeit nachlasse und er danach wieder völlig normal sein würde.

Reen-Gor hatte die Angelegenheit durchdacht und war zu dem Ergebnis gekommen, daß man ihm die Unwahrheit gesagt hatte – einmal verödete Hirnsektionen wiederzubeleben war eine Kunst, zu der die walgonische Wissenschaft noch nicht vorgestoßen war, falls es überhaupt möglich war, solche Techniken zu entwickeln.

Reen-Gor empfand keinerlei Ärger oder Mißbehagen deswegen. Sein klardenkender Verstand sagte ihm, daß er so vorbereitet seiner Aufgabe am besten gewachsen war. Nur völlig rationale Erforschung des Raumgebiets konnte die Informationen liefern, die der Herrschaftsrat brauchte – jede Beeinträchtigung dieser Forschung durch Gefühlsaufwallungen hätte das Ergebnis verzerrt. Reen-Gorhatte sich auch ausgerechnet, daß man ihm mit diesem Eingriff nichts Übles gewollt hatte – er war sachlich notwendig gewesen, außerdem hatte sich der Vorsitzende ausrechnen können, daß Reen-Gor nach der Operation aus logischen Gründen ebenso sehr damit einverstanden sein würde, wie er sich vorher aus emotionalen Gründen dagegen gewehrt hatte.

Einen Walgonier, der keinerlei Gefühlsregungen mehr kannte, konnte man weder in Wut oder Angst versetzen, noch ihn demütigen oder unglücklich machen. Begriffe wie diese waren Reen-Gor nur noch als abstrakte Formeln zur Beschreibung ihm unverständlicher Denkvorgänge zugänglich.

Mit großer Konzentration lenkte Reen-Gor den wendigen Jäger durch die Sperren. Jeder andere Walgonier hätte in dieser Lage feuchte Hände bekommen, wäre angesichts der überall treibenden tödlichen Gefahr unsicher geworden.

Reen-Gor konnte das nicht passieren. Er war ein lebender Automat, er wußte es und war damit einverstanden, eben weil er ein Automat geworden war.

Er kannte die Abmessungen seines Schiffes, er kannte die Distanzen, die es zwischen den Raumminen gab. Sie reichten aus für ihn, manchmal nur um wenige Handbreit – für einen lebenden Automaten war das vollauf genug.

Er zitterte nicht im geringsten, als er seinen Jäger durch eine Viererstaffel von Raumminen manövrierte; er holte auch nicht tief Luft oder wischte sich den Schweiß von der Stirn, als das Manöver gelang. Es war eine lösbare Aufgabe, er hatte sie gelöst, das war alles. Die Raumtorpedos konnte er ignorieren. Ihre Peilköpfe waren auf größere Schiffe eingestellt – selbst wenn man ihn mit einem Feindschiff verwechseln sollte, war sein Jäger viel zu unbedeutend, um von den Torpedos angegriffen zu werden.

Mit komplizierten Manövern schlängelte sich Reen-Gor durch die vielfach gestaffelten Reihen der

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Treibminen. Langsam kam er dabei jenem Sektor näher, der scheinbar geeignet war, das Walgon-System zu verlassen oder anzufliegen.

Jeder andere wäre in dieser Lage aufgeregt gewesen, nicht so Reen-Gor. Völlig leidenschaftslos führte er seinen Auftrag durch. Ab und zu warf er einen Blick auf die Bildschirme. Deutlich war die Konstellation Gaulat-Paudenc-Walgon I zu sehen, aber die Große Magische Synopse hatte keinerlei Wirkung auf Reen-Gor. Er sah sich das Schauspiel nüchtern an, zuckte mit den Schultern und wandte sich dann einer anderen Beschäftigung zu.

Er programmierte den Rechner des Raumjägers für ein kurzes Linearmanöver; sobald er den Sperrbezirk hinter sich gelassen hatte, sollte das Manöver eingeleitet werden. Reen-Gor wußte, daß dieser Versuch scheitern konnte, und er sah auch ein, daß es nur eine Antwort auf die offenstehenden Fragen gab. Das Experiment mit tödlichem Risiko mußte unternommen werden, am besten von jemandem, der angesichts der Gefahr keine Todesfurcht mehr empfinden konnte. Auch unter diesem Gesichtspunkt erwies sich die Maßnahme des Vorsitzenden als schlüssig. Regungslos verfolgte Reen-Gor, wie sein kleines Schiff beschleunigte und den Normalraum verließ. Als es aus dem übergeordneten Kontinuum zurückkehrte, wußte Reen-Gor, daß die Kalkulation aufgegangen war. Man konnte das System verlassen. Und die eingedrungenen Fremden waren nicht allein gekommen. Drei Schiffe trieben sich in der Nähe des Einflugsektors herum – jetzt gerade setzten sie sich in Bewegung.

Reen-Gor wollte fliehen – er mußte diese wichtige Information an den Herrschaftsrat weitergeben.

Er kam nicht mehr dazu.

Ein Traktorstrahl von einem der großen Schiffe hielt ihn unbarmherzig fest und zerrte den kleinen Jäger auf die Schiffe zu. Reen-Gor verhielt sich ruhig. Ein Walgonier, der keine Angst mehr vor dem Tod hatte, ließ sich auch durch die Aussicht einer Gefangennahme nicht verwirren.

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Fasziniert verfolgte ich das Geschehen auf den Bildschirmen.

Langsam stellte sich jene astronomische Rarität ein, die von den Walgoniern Große Magische Synopse genannt wurde. Ich hätte es als Konjunktion von vier Himmelskörpern bezeichnet, die sich in regelmäßigen Abständen wiederholte.

Nach den normalen Regeln der Astrophysik durfte eine solche Konstellation eigentlich keinen besonderen Einfluß auf die Bevölkerung der beiden Walgon-Planeten haben. Die Tatsachen, die wir unterdessen gesammelt hatten, sprachen eine andere Sprache. Wie sich dieses Phänomen wissenschaftlich erklären ließ, war ein Problem von geringer Bedeutung. Weitaus wichtiger war, daß es sich überhaupt ereignete.

Ich hörte, wie Ziir-Tinc schnell und heftig atmete. Dies war der Augenblick, auf den Ziir-Tinc entsetzlich viele Jahre lang hatte warten müssen. Verständlich, daß der Emulator der Walgonier nun erregt war.

In der Zentrale der Paudencer wuchs die Spannung.

Der Herrschaftsrat hatte in den letzten Stunden alles aufgeboten, was er zur Verfügung hatte – Walgon II war förmlich abgeriegelt. Nahezu die gesamte Walgon-Flotte war im Raum um den Planeten versammelt; die Waffen dieser Schiffe konnten praktisch jeden Fleck auf dem Planeten erreichen. Es war eine eindrucksvolle Demonstration der Macht, die uns geboten wurde – allerdings verfehlte sie ihren Zweck völlig.

Ich interpretierte diesen Massenaufmarsch gänzlich anders – als ein deutliches Zeichen, wie sehr sich die Mitglieder des Herrschaftsrats vor der Paudenc-Katharsis fürchteten. »Jetzt geht es los«, murmelte Ziir-Tinc. Auf der grafischen Darstellung war zu sehen, wie der Schatten von Walgon I die Scheibe des äußeren Walgon-Planeten berührte und sich langsam hinüberschob. Auf den Landstrichen, die in dieser Grafik abgebildet wurden, fand in diesem Augenblick die Paudenc-Katharsis statt, so hofften wir jedenfalls.

Die ersten Meldungen trafen ein.

Ziir-Tinc operierte jetzt völlig offen. Mochten die Gaulater die Zentrale der Paudencer ruhig anpeilen – bis sie sie erreichen konnten, war der Walgon-Schatten über den Planeten gewandert. Entweder hatte sich danach alles geändert, oder es hatte keinen Sinn mehr, sich zum Glauben an Paudenc zu bekennen. So oder so – dies war die Stunde der Entscheidung.

Ziir-Tinc drehte sich zu mir herum. Seine beiden Gesichter strahlten.

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»Es läuft«, stieß er hervor. »Und es funktioniert so, wie wir es uns vorgestellt haben. Freunde haben sich bei mir gemeldet, überall drängen sich Walgonier zusammen, und jeder kann die Wirkung der Synopsespüren. Überall wird auf den Herrschaftsrat geschimpft und geflucht.«

»Damit wird es nicht getan sein«, warf ich ein.

Sorgenvoll sah ich auf den Schirm, der mir die Lage auf dem Raumhafen zeigte. Dort hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt nichts geändert – nach wie vor standen die MJAILAM und die Futurboje auf dem weiten Platz und wurden von allen Seiten mit Geschützen bedroht.

Irra-Con stieß einen unterdrückten Freudenruf aus.

»Eines der Schiffe ist gelandet«, stieß sie hervor; ihre Augen leuchteten. »Die Besatzung hat sich mit den Paudencern zusammengetan.«

Ziir-Tinc stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.

Offenbar griff die Wirkung der Paudenc-Katharsis nun auch nach den Schiffen der Flotte. Aus den Meldungen, die bei uns eintrafen, ging hervor, daß immer neue Einheiten davon erfaßt wurden und aus den Verbänden ausscherten.

In einigen Fällen kam es zu kurzen Gefechten zwischen Gaulatern und Paudencern in den Reihen der Flotte. In der Regel fanden diese Gefechte ein rasches Ende, wenn die Gaulater ebenfalls in den Wirkungsbereich von Walgon I gerieten und ihre Meinung änderten.

»Die Flotte hat Startbefehl bekommen«, gab Irra-Con bekannt. »Der Herrschaftsrat fordert die Kommandanten auf, eine Warteposition einzunehmen.«

Ich ahnte, wo diese Warteposition war – weit außerhalb des Wirkungsfelds der Paudenc-Katharsis.

Selbst wenn die große Mehrheit der Walgonier zu den Paudencern überlief – mit diesem Machtmittel in der Hand konnte der Herrschaftsrat selbst einer überwältigenden Mehrheit seinen Willen aufzwingen. Noch waren die Walgonier nicht frei. Auf dem Raumhafen starteten die Schiffe, die meine Freunde bedrohten. Auch sie waren zurückbeordert worden.

Die öffentlichen Nachrichtenmedien schalteten sich ein; ein Teil der Reporter war in die Paudenc-Katharsis geraten und hatte die Front gewechselt. Jetzt berichteten sie von dem allgemeinen Umschwung – Ziir-Tinc brauchte seine eigene Medienbrigade gar nicht erst zu bemühen. Neugewonnene Paudencer übernahmen es, die Nachricht weiterzugeben. Auf den Bildschirmen war die davonjagende Flotte zu sehen. Ihr Verschwinden löste bei den Gaulatern immer größere Verwirrung aus – sie fühlten sich wahrscheinlich vom Herrschaftsrat im Stich gelassen. Wut und Verbitterung ließen sie noch schneller

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ihre Anschauungen ändern, als es ohnehin der Fall gewesen wäre.

Sobald unsere Schiffe operieren konnten – die FARTULOON saß allerdings noch immer auf dem ersten Walgon-Planeten fest –, wurde eine Einsatzgruppe zusammengestellt. Ollon-Tur führte sie in die Zentrale der Paudencer. Ziir-Tinc war überglücklich.

Die Aktionen liefen in solcher Vielfalt und Schnelligkeit ab, daß wir nur mit größter Mühe den Überblick behalten konnten. Langsam strich der Schatten des inneren Walgon-Planeten über die Oberfläche von Walgon II. Wo er unmittelbar zu sehen war, gab es danach keinen einzigen Gaulater mehr. In den Randregionen fanden mehr als zwei Drittel der Walgonier ihr Leben von Grund auf verändert – auf den Straßen spielten sich Szenen ab, die Stunden zuvor noch undenkbar gewesen wären.

Tabu-Jäger warfen ihre Waffen und Dienstabzeichen weg und ließen die Gefangenen frei; es sprach für die Moral der Paudencer, daß es danach nicht zu wilden Haßausbrüchen gegen die früheren Jäger kam, sondern meist zu Verbrüderungsszenen. »Unglaublich«, stammelte Ziir-Tinc immer wieder.

Über mein Handfunkgerät und die Anlage der MJAILAM stellte ich eine Verbindung zu den Vulnurerschiffen her.

Sie drangen gerade in das System ein. Die Lücken in der Schockfront wurden von Minute zu Minute größer; es sah ganz danach aus, als sollte es am Ende dieses Tages eine Schockfront nicht mehr geben – jedenfalls nicht im System der Doppelsonne Gaulat-Paudenc.

Aber noch war der Kampf nicht entschieden.

Der Herrschaftsrat krallte sich in seinen Machtpositionen fest. Die Mitglieder dachten nicht daran, ihre Privilegien zu opfern, vor allem nicht ihre angemaßte Macht, über die Gedanken und Gefühle von Millionen zu entscheiden.

Einen furchtbaren Rückschlag mußten sie verdauen, als die Vulnurerschiffe im System auftauchten.

Das Problem der Minensperre umgingen sie ebenso einfach wie wirkungsvoll. Ein schnelles Linearmanöver ließ sie über die Sperre hinwegsetzen und in der Nähe des Planeten Walgon II wieder auftauchen.

Ihr Erscheinen wirkte wie ein Schock. Überall auf Walgon II war das Bild zu sehen – die drei gewaltigen Schiffe, die von einem Augenblick auf den anderen neben dem Planeten erschienen.

Es war nicht die technisch-militärische Macht, die den Schock auslöste – es war das Erscheinen einer neuen moralischen Kraft, die das Lebensgefüge der Walgon-Welten in den Grundfesten erzittern ließ. Hätte ich bis zu diesem Augenblick noch Zweifel gehabt, welche Rolle den Vulnurern in der Namenlosen

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Zone zufiel, dann wären diese Zweifel nun behoben gewesen.

Allein ihr Erscheinen trug dazu bei, die Lage zu verändern und in gänzlich anderer Weise neu zu stabilisieren. Sie wirkten auf die Walgonier wie Katalysatoren – obwohl an den Vorgängen nicht unmittelbar beteiligt, lösten sie eine Kettenreaktion von Ereignissen aus.

Aus den Schwärmen von Raumschiffen, die in wilder Flucht Walgon II verließen, lösten sich kleinere Verbände und liefen geschlossen über. Wer jetzt noch schwankte, fand beim Anblick der Vulnurer schnell zu einer Entscheidung.

Wer sich jetzt zu einem Leben in Selbstverantwortung und mit eigenen, unbeeinflußten Gefühlen entschied, der würde so schnell seine Meinung nicht mehr ändern. Die Kundgebungen auf Straßen und Plätzen ließen die Walgonier überdeutlich spüren, auf was sie seit Jahrhunderten hatten verzichten müssen. Sie konnten jetzt sehen, wie sie durch die kalte Perfektion ihres Staates innerlich zugrunde gerichtet worden waren, welcher Preis für die einwandfreie Funktion aller Institutionen hatte gezahlt werden müssen.

In seiner Verblendung hatte der Herrschaftsrat seit Jahrhunderten versucht, den Walgoniern ein materielles Paradies zu schaffen – um den Preis einer inneren Hölle der Gefühle.

Erst das Erscheinen der Vulnurer brachte eine Stabilisierung. Die Walgonier begannen zu begreifen, daß die Gefahr für ihr Leben und ihre innere Freiheit noch nicht beendet war. Mit Gefühlsüberschwang allein ließ sich das Leben so wenig meistern wie mit kalter Logik; beides war vonnöten.

Mit dem Schwung, den ihnen die letzten Stunden gegeben hatten, begannen die Walgonier, sich neu zu organisieren. Dem Herrschaftsrat mußte etwas entgegengestellt werden, das in der Lage war, das Vakuum auszufüllen, das dem Verschwinden des Herrschaftsrats unweigerlich folgen mußte. Organisationskomitees wurden gebildet, Vertreter gewählt, die für die einzelnen Walgonier sprechen und entscheiden sollten. Mit unglaublicher Schnelligkeit bildete sich eine neue staatliche Struktur heraus, einstweilen noch brüchig und wenig stabil, aber das nahm jeder in Kauf.

Die Flotte der Walgonier sammelte sich in der Nähe des inneren Planeten.

Ziir-Tincs Verbindungen reichten auch dorthin. Er hatte Leute, die uns mit Informationen belieferten.

Sie sahen nicht günstig aus.

Auf Walgon I hatten die Gaulater von jeher die Oberhand gehabt, und sie gaben diese Macht auch jetzt nicht preis. Außerdem machte sich der kathartische Effekt der Großen Magischen Synopse auf dem inneren Planeten weit weniger stark bemerkbar als auf Walgon II.

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Noch hatte der Herrschaftsrat den inneren Planeten fest im Griff. Ein zaghafter Versuch der Paudencer, einen Gesinnungswandel ihrer Nachbarn und Bekannten herbeizuführen, war von den gaulatischen Tabu-Jägern zerschlagen worden.

So zügig die Dinge auf Walgon II liefen, so schleppend kamen die Paudencer auf dem inneren Planeten voran.

»Ich sehe keine andere Möglichkeit«, sagte Ziir-Tinc schließlich. »Ich fürchte, wir werden tatsächlich zum Mittel des bewaffneten Kampfes greifen müssen.«

Sein Denkgesicht zeigte offene Verwirrung und Ratlosigkeit, sein Fühlkopf zeigte eine Miene der Verzweiflung und Trauer. »Ich habe damit gerechnet«, antwortete ich gelassen.

Ich wußte, daß ich mich auf die Solaner verlassen konnte, die sich in der Zentrale der Paudencer versammelt hatten. Die Begeisterung der Paudencer hatte auch sie angesteckt; sie waren gern bereit, auch etwas zu riskieren, wenn sie damit den Walgoniern die Freiheit zurückkämpfen konnten.

»Das Problem ist nur, wie wir nach Walgon I kommen«, sagte ich.

Ziir-Tinc lächelte verhalten.

»Es gibt ein paar Transmitterstrecken«, sagte er zögernd. »Einer meiner Vorgänger hat sie vor langer Zeit installieren lassen. Danach ist das Wissen um die Transmittertechnik verlorengegangen. Es sind die einzigen, die es noch gibt.«

»Und wo sind die Stationen?« fragte ich. »Eine davon ist hier in der Zentrale«, antwortete Ziir-Tinc. Er drückte einen besonders gesicherten Knopf und ließ damit ein Stück Wand im Boden verschwinden. Dahinter erkannte ich einen Transmitter, ein sehr altmodisch wirkendes Gerät, das nicht sonderlich vertrauenerweckend aussah.

»So lange gibt es die Zentrale schon?« fragte ich zweifelnd.

»Wir haben das Gerät demontiert und hierher geschafft«, klärte mich der Emulator auf. »Aber wir haben es nicht ein einziges Mal in Betrieb gesetzt. Möglich, daß es überhaupt nicht funktioniert.«

»Und die anderen?«

»Die sind in Ordnung«, beteuerte Ziir-Tinc. »Das haben wir immer wieder überprüft.« »Schalte den Transmitter ein«, bat ich ihn. »Wir werden sehen, ob er richtig arbeitet.« Der walgonische Transmitter unterschied sich nicht unerheblich von den Modellen, die ich kannte. Aus dem Boden stieg nach dem Einschalten ein energetischer Nebel auf, der sich unaufhörlich bewegte.

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»Einer wird das Experiment wohl machen müssen«, sagte ich.

Ich ging auf den Transmitter zu. Tyari legte mir eine Hand auf den rechten Unterarm und sah mich an. Dann schien sie in meinen Gedanken zu lesen, daß ich mich von meinem Entschluß nicht würde abbringen lassen, zuckte mit den Schultern und trat einen Schritt zurück.

Ich betrat den Transmitterraum. Der Nebel war nicht zu spüren, und als ich mitten in ihm war, war er für mich nicht mehr wahrnehmbar. Alles sah völlig normal aus. »Schicke mich auf die Reise«, bat ich Ziir-Tinc. Er zögerte, dann betätigte er den Transporthebel.

Jäh verfärbte sich der Nebel blau, dann wurde er langsam rot und heller.

Ich spürte das leise Zerren der Entmaterialisierung, und im nächsten Augenblick verschwand die Zentrale der Paudencer vor meinen Augen.

Ein furchtbarer Schmerz raste durch meinen Schädel.

Transportvorgänge dieser Art, auch die altmodische Transition gehörte dazu, waren leider stets von mehr oder weniger starken Entstofflichungsschmerzen begleitet, und mein arkonidisches Nervensystem hatte schon immer heftiger darauf reagiert als die konstitutionell robusteren Artgenossen Perry Rhodans.

Dieses Mal war es die schiere Hölle. Mein Schädel schien zerplatzen zu wollen, vor meinen Augen wallten farbige Schleier. Unwillkürlich stöhnte ich auf.

Im gleichen Augenblick flammte die Beleuchtung auf, wahrscheinlich durch das Geräusch aktiviert.

Ich war in einem nüchternen, schmucklosen Raum herausgekommen, einer Mönchszelle vergleichbar. Es gab einen Tisch, ein Bett, einen Stuhl, mehr nicht. In eine Wand waren die Bedienungselemente des Transmitters eingebaut worden – der größte Teil der aufwendigen Technik steckte wahrscheinlich irgendwo unter mir im Boden.

Ich trat zur Schalttafel hinüber. Ziir-Tinc hatte nicht gelogen. Der Transmitter war tatsächlich seit Äonen nicht mehr benutzt worden. In der langen Zeitspanne hatte es sich allerhand Ungeziefer in dem Raum gemütlich gemacht – das Bett zerfiel zu Staub, als ich es anrührte, und der leise Lufthauch, der dabei entstand, reichte aus, um auch Tisch und Stuhl den Rest zu geben. Die Schalttafel hatte irgendwelchen Insekten als Brutstätte gedient – alles verdreckt und verschmutzt. Irgendein neugieriger Krabbler hatte es sogar geschafft, sich in das Innere der Einrichtung hineinzuzwängen, um dort seine Brut großzuziehen.

Herausgekommen waren dabei haarfeine Verbindungen zwischen Leitungen, die nicht miteinander verbunden werden durften. Zwar reichten diese Fäden nicht aus, den Schaltvorgang wirksam zu stören – aber sie erzeugten Kriech- und Nebenströme, deren Auswirkung ich noch deutlich spüren konnte.

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Ich zog das Vibrationsmesser und hielt es an die Schalttafel. Die ultrahohen Schwingungen schüttelten die Instrumente kräftig durch; puderfeiner Staub rieselte auf den Boden, danach war die Schaltung sauber. Als ich in der Zentrale der Paudencer wieder auftauchte, war der Kopfschmerz erheblich geringer geworden – es gab keinen Zweifel, die Transmitterverbindung stand. »Wo ist die Gegenstation?« wollte ich von Ziir-Tinc wissen. Der machte ein ahnungslosverlegenes Doppelgesicht.

»Das wissen wir nicht, jedenfalls nicht bei dieser Verbindung«, gab er zu.

»Wir werden es herausfinden«, versprach ich. Ich winkte meine Männer heran. »Macht euch fertig!«

Wir trugen die flugfähigen Anzüge und waren mit allem versehen, was man bei einem solchen Unternehmen brauchte – Waffen in allen Größenordnungen, Spreng- und Schmelzladungen und einige technische Spielereien, die jedem Gegner gehörig zu schaffen machen würden.

»Einsatzklar?«

Die Köpfe bewegten sich auf und ab. Schnell überprüfte ich meine Ausrüstung. Es konnte losgehen.

Es würde nicht leicht werden, das wußte ich. Wir waren wenige, und dem Herrschaftsrat standen viele Machtmittel zur Verfügung. Aber darauf kam es nicht an.

Im Grund war es ein Kampf zwischen zwei Handvoll Wesen, fast schon ein Duell. Der Preis dieses Duells war der Frieden für das Walgon-System und in der Folge für weite Bereiche der Namenlosen Zone – das lohnte jeden Einsatz.

»Vorwärts!« sagte ich.

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9.

Es war unglaublich still. Nichts war zu hören außer den Geräuschen, die wir selbst produzierten.

Hinter mir drängten sich die Männer der Einsatzgruppe. In Zweiergruppen waren sie nach Walgon I vorgestoßen. Ihre Waffen waren einsatzklar.

Ich stand vor der Tür, durch die man den Transmitterraum verlassen konnte. Ich brauchte nur einen Knopf zu betätigen, um sie zu öffnen, vorausgesetzt, der Mechanismus funktionierte nach so langer Zeit überhaupt noch.

Ich drückte den Knopf. Es gab ein leises Knirschen, dann senkte sich die Tür in den Boden.

Sofort konnte ich sehen, warum kein Laut zu uns gedrungen war – Tür und Fassung bestanden aus unterarmdickem Beton.

Der Weg öffnete sich auf einen langen Gang, der von einigen altersschwachen Leuchtkörpern erhellt wurde. Auch hier gab es keinen Hinweis, an welchem Ort von Walgon I wir uns aufhielten. Ich legte einen Finger auf die Lippen.

Leise schlich ich vorwärts.

Der Gang war knapp einhundert Meter lang, es gab in Abständen von jeweils drei Metern auf jeder Seite eine Tür. Das dicke Stahlblech zeigte, daß es sich um Zellen handeln mußte.

Ich trat an eine der Türen. Durch ein Guckloch konnte ich den Häftling sehen, eine junge Walgonierin, die auf einer Pritsche lag und schlief. Ich pochte gegen die Tür. Die junge Frau schrak hoch. In ihrem Denkgesicht war Verwirrung zu lesen, ihr Fühlgesicht zeigte Todesangst.

»Gehörst du zu den Paudencern?« fragte ich.

»Das wißt ihr doch längst«, zischte die junge Frau; ihr Gesichtsausdruck wechselte zu mühsam beherrschter Wut.

»Tritt zurück, ich werde die Zelle öffnen.« Ich nahm den Thermostrahler zur Hand und schweißte das Schloß auf. Ein paar Augenblicke später war die junge Frau frei. Der Anblick von uns Menschen war allerdings zuviel für ihr erschüttertes Nervensystem – sie sah mich, riß die Augen auf, stieß einen unterdrückten Schrei aus und fiel in Ohnmacht. »So eine Wirkung möchte ich auch einmal haben«, witzelte jemand.

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»Hör auf zu provozieren«, machte sich eine andere Stimme bemerkbar.

»Öffnet alle Zellen – wir können Verbündete gebrauchen!«

Während sich meine Gefährten daran machten, die Häftlinge zu befreien, suchte ich nach einem Ausgang. Ich fand eine steinerne Treppe, die in die Höhe führte.

Vorsichtig schlich ich hinauf.

Auf dem nächsten Absatz stand ein Wachrobot. Er sah mich und hob sofort den Waffenarm. Ich hatte den Thermostrahler bereits in der Hand und schoß schneller.

Mein erster Schuß zerstörte den Waffenarm, der nächste Treffer ließ den Robot den Halt verlieren und auf den Boden krachen – dennoch brachte er es fertig, ein lautes Alarmsignal auszustoßen.

»Tempo!« bestimmte ich und rannte los. Jetzt kam es auf Sekunden an. Ich stieg die Treppe so schnell wie möglich hinauf. Ein neuer Gefängnistrakt war zu sehen, bewacht von zwei walgonischen Tabu-Jägern. Insider streckte sie mit dem Paralysator nieder, ich kümmerte mich derweil um den Robot, der in das Gefecht einzugreifen versuchte.

Der Kampf dauerte jeweils nur ein paar Sekundenbruchteile, dann war er entschieden. »Wahrscheinlich haben die beiden Wachen einen Schlüssel«, stieß ich hervor. »Kümmert euch darum.«

Ich hetzte weiter.

Befreite Walgonier schlossen sich uns an, dadurch wuchs unsere kleine Streitmacht. Auf der vierten Ebene entdeckten wir neben einer vollrobotischen Küche auch ein Waffenlager, mit dem wir unsere Verbündeten in die Lage versetzen konnten, sich aktiv am Kampf zu beteiligen.

Die Schlacht um die Küche dauerte zwei endlos lange Minuten, dann waren auch diese Spezialmaschinen niedergekämpft, die uns mit Quirlen, Hackmaschinen, Passierstäben und ähnlichen Werkzeugen zusetzen wollten. Ein paar Augenblicke lang machte dieser Anblick Spaß – dann aber wurde mir klar, daß jeder Robot in diesem Haus, ungeachtet seiner eigentlichen Funktion, zusätzlich den Auftrag hatte, alles zu bekämpfen, was sich nicht einwandfrei legitimieren sollte. Eine Küchenmaschine auf zwei Laufketten, die mit Spritztüten und Ausbeinmessern ausgestattet war, konnte uns nicht ernsthaft gefährlich werden, wohl aber andere Robots, die über gefährlichere Waffen verfügten.

»Halt!« rief Insider plötzlich. »Was gibt es?« fragte ich.

»Sieh dich um«, forderte mich Insider auf. »Sieh dir das genau an.«

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Ich hob in einer Geste gespielter Verzweiflung beide Hände.

»Was soll das?« fragte ich. »Eine Küche, nichts weiter.«

»Richtig«, sagte Insider grinsend. »Aber das ist ganz bestimmt nicht die Küche für die Gefangenen. Du brauchst nur einen Blick in den Kühlraum zu werfen.«

Zwei Fleischroboter, die dort arbeiteten, hatten uns besonders hartnäckig zugesetzt – mit Beilen und Knochensägen und rasiermesserscharfen Messern.

»Hier wird nicht Alltagskost produziert – hier wird für die Chefetage gekocht«, stellte Insider fest.

Ein schneller Rundblick bewies mir, daß er recht hatte. Einer unserer Mitkämpfer war gerade damit beschäftigt, seinen Kampfanzug von einer klebrigen Kuchenmasse zu befreien, mit der ein Konditoreirobot ihn überfallen hatte.

Kuchen für politische Gefangene? Ausgeschlossen.

»Und wenn mich meine Urteilskraft nicht täuscht, dann ist das dort ein Spezialaufzug für Speisen und Getränke«, fuhr Insider fort. Ich grinste ihn an.

Auf diesem Weg kamen wir vermutlich an allen Wachen und Sicherheitsvorkehrungen vorbei – allerdings wahrscheinlich nur einzeln.

»Komm«, sagte ich und winkte Insider heran. »Wir werden es ausprobieren.« Der Transportraum reichte gerade für uns beide. Die Türen schlossen sich, dann spürten wir, wie der Aufzug anruckte. Es ging nach oben – offenbar sehr hoch, wie die Länge unserer Fahrt bewies. Endlich hielt der Aufzug an.

So schnell wie möglich öffnete ich die Tür. Als erstes blickte ich in das fassungslose Doppelgesicht eines Wachtpostens, der einen Augenblick später betäubt zusammenbrach. Als er zusammenbrach, wurde hinter ihm der Blick auf einen Speisesaal frei. Es war für mindestens dreißig Personen gedeckt worden, aber niemand war zu sehen. Die Mitglieder des Herrschaftsrats hatten Wichtigeres zu tun als zu schmausen.

Rasch schickten wir den Aufzug wieder hinunter, um Verstärkung zu holen. Wir warteten, bis unsere kleine Streitmacht auf zehn Kämpfer angewachsen war, dann setzten wir die Suche nach dem Herrschaftsrat fort. Am anderen Ende des langen Speisesaals gab es eine Tür, hinter der Stimmengewirr zu hören war.

»Insider und ich werden uns um Kampfroboter kümmern, falls welche auf der anderen Seite sind. Der Rest wird versuchen, die Mitglieder des Herrschaftsrats zu betäuben – also nur Paralysatoren

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verwenden, keine anderen Waffen. Bereit?«

Insider hatte unterdessen ein paar der technischen Spielzeuge aus den Taschen gekramt, die sich bei solchen Operationen immer wieder als äußerst wirksam erwiesen hatten. Ich gab ihm ein Zeichen.

Mit Donnergetöse flog die Tür auseinander, als die Sprengladung hochging. Sobald auch nur die kleinste Lücke frei war, ließ Insider einen Spezialsatz durch die Luft fliegen – eine Ladung, die nicht nur einen grellweißen Blitz erzeugte, der alle Getroffenen für eine Minute nahezu erblinden ließ, sondern auch einen Lärm verursachte, als sei der Weltuntergang gekommen. Vor allem wurden überreichlich niederfrequente Schwingungen erzeugt, die man zwar nicht hören, wohl aber fühlen konnte – es war, als würden einem die Eingeweide verknotet.

In den ersten Entsetzensschrei der Versammelten hinein stieß ich in den Raum vor. Programmgemäß schickte Insiders Geschoß dicke schwarze Wolken in die Luft, die besonders auf die Optiken der Roboter abgestimmt waren – sie strahlten viel Infrarotlicht ab, was die Sensoren der Kampfmaschinen erheblich verwirrte.

Ich fand einen solchen Roboter am anderen Ende des Saales und ließ ihn mit einem gezielten Schuß erblinden; seine Programmierung ließ ihn schlagartig erstarren – ohne Wahrnehmungsmöglichkeit konnte er zwischen Freund und Feind nicht mehr unterscheiden und setzte sich dann selbst außer Funktion.

Eine zweite Maschine wurde von Insider ausgeschaltet, gleichzeitig ließ ich vor dem Ausgang des Versammlungsraumes eine Thermitladung hochgehen, die zwar den Ausgang freischmolz, aber eine solche Hitze ausstrahlte, daß minutenlang niemand in die Nähe der Tür geraten durfte, wenn er sich nicht versengen wollte.

Es war ein tolles Durcheinander. Schreie und Flüche waren zu hören, Wutgebrüll, dazwischen das Zischen von Paralysatorschüssen und das leise Poltern, wenn ein Körper betäubt auf dem Boden landete.

Über allem lag das Schrillen einer Alarmsirene, das einfach kein Ende nehmen wollte. Du hast vergessen, daß Walgonier zwei Köpfe haben, gab der Extrasinn knapp durch. Ich begriff sofort – um einen Menschen zu betäuben, genügte ein Treffer aus dem Paralysator. Bei einem Walgonier brauchte man zwei Schüsse.

Dieser fatale Fehler wurde uns beinahe zum Verhängnis. Die Walgonier erwiderten das Feuer, und sie schreckten nicht davor zurück, sich den Weg mit Thermostrahlern freizukämpfen.

Diesmal waren wir es, die überrascht wurden.

Aus der Decke löste sich eine dichte gelbe Wolke und sank auf uns herab, gleichzeitig verschwand ein Teil der Wand im Boden. Durch den Wirrwarr sah ich drei Walgonier, die sich gerade noch rechtzeitig

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absetzen konnten.

Ich rannte hinüber zu der Öffnung. Sie schloß sich so schnell, daß ich keinerlei Aussicht mehr hatte, nach den drei Walgoniern hindurchschlüpfen zu können.

Ich überließ es dem Extrahirn, die Daten auszurechnen – ich hob den Arm und warf meinen Thermostrahler den dreien hinterher. Der Logiksektor kalkulierte mit der Brillanz einer Positronik, seine Impulse steuerten meine Bewegung, und der Trick gelang. Meine Waffe wurde im Flug von der zuschnappenden Tür gepackt und schlichtweg zermalmt. Das Magazin war dieser Beanspruchung nicht gewachsen und ging hoch. Schreie wurden laut, als an der Geheimtür ein Feuerball aufschwoll und immer größer wurde. Die geballte Energie eines fast vollen Thermomagazins entlud sich an dieser Stelle, und dem war die Konstruktion der Walgonier nicht gewachsen. Die Wucht der Detonation preßte das Türstück wieder in den Boden zurück und keilte es fest.

»Schafft sie aus dem Raum!« schrie ich in das Durcheinander. Ein paar Mitglieder des Herrschaftsrates hatten eingesehen, daß weitere Gegenwehr sinnlos war, und hoben nun die Arme, der Rest lag betäubt am Boden. Im Hintergrund sah ich, daß zwei meiner Begleiter leicht verletzt worden waren.

»Ihnen nach!« bestimmte ich und winkte Insider heran.

Wir mußten warten, bis die Glut der Thermoladung soweit abgeklungen war, daß wir durch das Loch schlüpfen konnten. Dennoch holten wir uns ein paar Brandblasen. Wieder ein Gang. Wir stürmten ihn entlang, als wir plötzlich spürten, daß der Boden zu vibrieren begann.

Insider stieß einen Fluch aus.

Das Geräusch war eindeutig – der Start eines kleinen Raumschiffs. Die Spitze des Herrschaftsrats war uns im letzten Augenblick doch noch entwischt.

Und irgendwo im Raum um die Doppelsonne hing die Raumflotte der Walgonier, bereit, den Kampf neu aufzunehmen.

*

Niemand hinderte Reen-Gor, als er zum Hangar ging. Die Vulnurer an Bord der MORGEN hatten anderes zu tun, als sich um den aufgefischten Walgonier zu kümmern. Reen-Gor war darüber weder erfreut, noch betrübt. Er nahm die Tatsache einfach zur Kenntnis.

Er hatte ziemlich viel Zeit zum Nachdenken gehabt, und er hatte sie genutzt. Mochte der barbarische Eingriff des Herrschaftsrats ihn auch seiner Gefühlswelt beraubt haben – aufgrund logischer Kalkulation konnte Reen-Gor zu den gleichen Ergebnissen kommen wie ein Paudencer.

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Seine Analyse war umfassend und schwierig gewesen, aber sie war eindeutig ausgefallen.

Er empfand keinerlei Schrecken oder Furcht, wenn er sich ruhig ausrechnete, daß sein künftiges Leben, nur noch von der Logik diktiert, voraussagbar sein würde wie das Innenleben eines Spielautomaten – mit dem Unterschied, daß bei einem Spielautomaten noch ein positronischer Zufallszahlengenerator für Abwechslung sorgte, während es dergleichen für Reen-Gor nicht mehr geben würde.

Reen-Gor öffnete den Hangar. Sein kleiner Jäger war einsatzbereit. Die Vulnurer hatten ihn routinemäßig gewartet und aufgetankt. Reen-Gor setzte sich auf seinen Platz und leitete das Absetzmanöver ein.

Zwei Tatsachen standen für ihn fest: Die Zeit des Herrschaftsrats war vorbei, und die Paudencer konnten diesen Kampf niemals gewinnen. Daß der Herrschaftsrat nicht mehr zu bestimmen hatte, war eindeutig – sämtliche Nachrichtenmedien waren fest in der Hand der Paudencer und berichteten von der Niederlage des Herrschaftsrats. Es wurden auch die befreiten Gefangenen gezeigt, die das Einsatzkommando Atlan gerettet hatte. Allein dieser Anblick reichte aus, vielen Gaulatern vor Augen zu führen, welches System sie unterstützt hatten.

Die Hangarschleuse öffnete sich. Ein Traktorprojektor stieß den Raumjäger ins Freie. Sofort begann die Ortung zu arbeiten. Reen-Gor ließ den Jäger beschleunigen. Aus seinen Berechnungen wußte Reen-Gor, daß die Große Magische Synopse noch für knapp eine halbe Stunde Bestand haben würde. Danach mußte sich ihre Wirkung verlieren. Walgonier, die bis dahin überzeugte Gaulater geblieben waren, würden sich nur schwer umstimmen lassen – allerdings waren sie inzwischen ohnehin so in der Minderheit, daß man sich nicht weiter um sie zu kümmern brauchte. Mit der Zeit, so war zu erwarten, würden sie von sich aus merken, daß eine Paudencer-Regierung dem Herrschaftsrat bei weitem vorzuziehen war.

Ein paar Unverbesserliche allerdings würde es in jedem Fall geben – allen voran die Mitglieder des Herrschaftsrats, denen die Flucht gelungen war. Sie würden nach kurzer Zeit den Kampf wieder aufnehmen, auch vor verbrecherischen Aktionen nicht zurückschrecken und alles tun, um ihre alte Macht wiederzugewinnen.

Es gab nur ein Mittel, sie daran zu hindern – sie ein für allemal handlungsunfähig zu machen.

Dazu aber waren die Paudencer aufgrund ihrer Weltsicht nicht imstande. Ihre Philosophie ließ Todesurteile einfach nicht zu – sie hätten das Gaulater-Problem nur lösen können, wenn sie ihre eigenen Prinzipien über Bord warfen und sich verhielten wie der Herrschaftsrat. Ein Paradoxon, für das es keine Lösung gab.

Hoffnungslos war auch der Versuch, die flüchtigen Mitglieder des Herrschaftsrats überzeugen zu wollen. Ihre Untergebenen mochten sich darauf herausreden, daß sie im Auftrag des Herrschaftsrats Verbrechen verübt hatten – die Mitglieder des Rates konnten das nicht. Auf dem Weg zur Paudencer-Philosophie, noch halb befangen von der eigenen Weltsicht, mußten sie irgendwann zu der Einsicht kommen, Verbrechen verübt zu haben, für die es nach ihren alten Anschauungen nur eine Strafe geben konnte –

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den Tod. Da Reen-Gor seine früheren Befehlsgeber sehr genau kannte, wußte er genau, daß sie diesenKnoten nicht würden entwirren können. Außerdem war er aufgrund ruhiger Überlegung zu der Einsicht gekommen, daß der Rest des Herrschaftsrats selbst dann aktiv werden würde, wenn es für ihn keinerlei Aussicht auf Wiedererringung der Macht gab. Auf dem Bildschirm zeichnete sich die gegenwärtige Konstellation ab.

Die walgonische Flotte rührte sich nicht, auch nicht die Einheiten, die noch unter dem Kommando der Gaulater standen. Es gab zu diesem Zeitpunkt außer dem Schwarm von Raumtorpedos nur zwei Körper, die sich durch das System der Doppelsonne bewegten – das Fluchtschiff des Herrschaftsrats und Reen-Gors Jäger.

Die Kurse dieser beiden Schiffe führten aufeinander zu.

Reen-Gor schaltete das Funkgerät ein. Er rief das Boot des Herrschaftsrats an. Wie er nicht anders erwartet hatte, wurde ihm sofort geantwortet. Reen-Gor sah das Gesicht seines früheren Chefs auf dem kleinen Bildschirm vor sich.

»Reen-Gor«, stieß der Vorsitzende hervor. Reen-Gor zuckte mit keiner Miene. Er wußte, was der Ausruf zu bedeuten hatte. Das Schiff der drei Flüchtigen war nicht mehr als ein fast lichtschnelles Beiboot; Reen-Gors Raumjäger war erheblich schneller und besser ausgestattet – vor allem war er überlichtschnell. Und nach dem operativen Eingriff war Reen-Gor für Paudenc-Gedanken völlig unerreichbar – der Vorsitzende freute sich offen über die Hilfe, die ihm unverhofft über den Weg lief.

»Ich werde euer Boot andocken«, versprach Reen-Gor und leitete eine Kursanpassung ein. Sein Herz schlug ruhig und sehr gleichmäßig, obwohl der weitere Ablauf der Ereignisse für Reen-Gor längst feststand.

Das Boot kam immer näher. Reen-Gor steuerte zügig und behutsam und brachte seinen Jäger bis auf einige Meter heran, dann leitete er das Andockmanöver ein.

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10.

»Ich begreife es nicht«, stieß Insider hervor.

Überall im Walgon-System wurden die Bilder übertragen. Ziir-Tinc hatte Anordnung gegeben, die Flucht des Herrschaftsrats für jedermann sichtbar zu machen.

Auf seinen Befehl hin war auch jede Verfolgung der Flüchtigen unterblieben. Ich sah Ziir-Tinc an. Er hatte feuchte Augen, sein Logikgesicht war völlig ausdruckslos, seine Fühlmiene verriet Schmerz und Trauer.

Auf den Bildschirmen konnten wir die Vorgänge verfolgen.

Das Boot der drei Flüchtlinge hatte im Raum einen kleinen Jäger der Walgonier getroffen und bei ihm angedockt. Wir hatten von den Vulnurern erfahren, daß es sich um das Boot eines gewissen Reen-Gor handelte, der vor kurzer Zeit erst von der MORGEN an Bord genommen worden war. Offenbar hatte sich der Walgonier absetzen können. Die beiden kleinen Schiffe jagten nun durch den Raum. Ihr Kurs war eindeutig; sie steuerten aus dem System heraus.

Der Walgonier, der dieses Manöver durchführte, mußte ein wahres Wunder an Nervenstärke und Kaltblütigkeit sein. Wie er sich durch die Minensperre schlängelte, war geradezu akrobatisch.

Daug-Enn-Daug ließ sich mit mir verbinden.

»Wir haben unsere Unterlagen über diesen Reen-Gor herausgesucht«, sagte er ohne Umschweife. »Als wir ihn an Bord nahmen, haben wir ihn kurz untersucht. Dabei haben wir festgestellt, daß man ihn zu einem lebenden Roboter gemacht haben muß – er ist zu keinerlei Gefühlsregung mehr fähig. Seine Handlungen werden nur von Logik und Kalkül bestimmt.«

Ich stieß eine Verwünschung aus. Keine schnellen Urteile, gab das Extrahirn durch.

Ich konnte mit dieser Lageanalyse wenig anfangen. Immerhin gab mir die Erklärung des Emulators der Vulnurer einen Hinweis darauf, woher der Pilot – es mußte Reen-Gor sein – die Nervenstärke nahm, den Jäger und dessen Anhängsel durch das Gewirr von Raumminen zu lotsen.

»Sie werden entkommen«, warnte ich Ziir-Tinc. Ich konnte ihn nur auf dem Bildschirm sehen, er war noch immer in der Zentrale der Paudencer auf Walgon II. Ich stand mit meinen Gefährten auf Walgon I im Versammlungsraum des Herrschaftsrats. Die Inneneinrichtung war völlig verwüstet, sie würde auch nicht repariert werden. Inzwischen war der Beschluß gefaßt worden, das Gebäude völlig abzureißen.

Ziir-Tinc bewegte die Köpfe.

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»Sie werden nicht entkommen«, sagte er ruhig. »Ich weiß es.«

Ich war nicht so sicher.

Minuten vergingen mit quälender Langsamkeit. Was wir von dem Drama im Weltraum zu sehen bekamen, war verblüffend ähnlich mit einem jener primitiven positronischen Spiele, bei denen es darauf ankam, ein Raumschiff auf einem Bildschirm durch ein kompliziertes Labyrinth zu steuern. Ich hatte diese Spiele nie sonderlich gemocht, zumal ein großer Teil von ihnen auf blindwütige Schießerei um jeden Preis hinauslief. Aber selbst die harmlosen, die angeblich nur die Konzentration und Geschicklichkeit des Spielers fördern sollten, hatten unerfreuliche Nebenaspekte – unter anderem den, Zerstörungsrisiken aller Art zu verharmlosen. Im wirklichen Leben gab es keine Tastatur, auf der man nach einer Zerstörung einfach STOP/RESTORE,

CLEAR SCREEN und dann RUN einzutippen brauchte, um von neuem anfangen zu können. Ich spürte, wie meine Hände feucht wurden. Obwohl es eine Gefahr für die Walgon-Planeten bedeuten konnte, wünschte ich den vieren, daß sie durchkamen.

Und dann geschah es. Ein Lichtblitz zeigte an, daß in der letzten Reihe eine der Minen getroffen worden war – sie hatte die beiden Schiffe im Bruchteil einer Sekunde zerstört. »Jetzt gibt es keinen Herrschaftsrat mehr«, sagte Ziir-Tinc leise.

Ich sah ihn an, dann ging ich zum Instrumentenpaneel hinüber. Die Vorgänge waren aufgezeichnet worden. Ich ließ die Daten zurücklaufen und neu abspulen. Gleichzeitig befahl ich dem Rechner eine detaillierte Darstellung.

Jetzt war das Minenlabyrinth sehr deutlich zu sehen, vor allem das Netzwerk der Energiefäden, die durch den Raum trieben. Langsam bewegte sich das Schiff durch das Gewirr.

Dann wieder der Lichtblitz, der von der Vernichtung der beiden Boote kündete. Ich spulte noch einmal zurück und ließ das Bild in noch größerer Darstellung einfrieren. Der Energiefaden, der das Ende des Schiffes herbeigeführt hatte, war knapp zwei Meter vom Rumpf entfernt. Angesichts der Tatsache, daß der Pilot früher weit geringere Distanzen hinter sich gebracht hatte, war dieser Lenkungsfehler unbegreiflich. Bei einem normalen Piloten hätte mich dergleichen nicht gewundert – um ein Raumschiff zwei Meter seitlich zu versetzen, genügte ein einfaches Händezittern.

Aber bei Reen-Gor, einem lebenden Roboter?

Ich sah auf. Ziir-Tinc sah mich an. »Der Pilot hat sich und seine Begleiter getötet«, stellte ich fest. »Es war kein Unfall, kein Eingreifen kosmischer Mächte – es ist Selbstmord gewesen.«

Ziir-Tinc rührte sich nicht. Statt dessen meldete sich der Extrasinn:

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Versuche nicht, es zu ergründen. Der Pilot hat nach seinen Denkkategorien folgerichtig gehandelt, aber du wirst es niemals begreifen können. Sei froh darüber.

Ich beschloß, den Rat des Logiksektors zu befolgen. Wenig später traf ein Funkspruch von den gaulatischen Einheiten der Walgon-Flotte ein. Unter der Bedingung einer ehrenvollen Übergabe waren die Gaulater bereit, sich zu ergeben. Ziir-Tinc nahm das Angebot an.

Damit war der Kampf um die Freiheit endgültig entschieden. Das Walgon-System war frei, es gab keinen Herrschaftsrat mehr, der die Bewohner unterdrücken konnte. Die Umkehrung der Verhältnisse war geglückt, die Kräfte des Chaos hatten einen Mißerfolg einstecken müssen – es fragte sich nur, wie groß und entscheidend diese Schwächung letztlich sein würde.

*

Daug-Enn-Daug bewegte sich fast feierlich durch die Zentrale der MJAILAM.

»Ich habe eine Botschaft zu überbringen«, eröffnete er.

»Von wem?« fragte ich sofort.

Was wir jetzt brauchten, war ein Hinweis für das weitere Vorgehen. Im Walgon-System gab es für uns nichts mehr zu tun. Kurze Zeit nach der Selbstzerstörung der Fluchtschiffe war die gesamte Schockfront um das System der Doppelwolke in einer energetischen Explosion vergangen. Es gab sie nicht mehr. Ziir-Tinc hatte den Vorgang mit gemischten Gefühlen verfolgt, wie er mir gestanden hatte. Von dem Augenblick an, an dem es keine Schockfront mehr gab, die Ewige Barriere, wie sie von den Walgoniern genannt worden war, gab es auch keinen Emulator der Walgonier mehr. Ziir-Tinc war nun ein völlig normaler Angehöriger seines Volkes, er würde altern und normal sterben.

»Ein Preis für die Freiheit meines Volkes, den ich gerne zahle«, hatte er gesagt. »Von der Lichtquelle«, verkündete Daug-Enn-Daug. »Ihre Informationen sind von ungeheurer Wichtigkeit. Sie enthüllen uns Vergangenheit, Gegenwart und Aspekte der Zukunft. Vor allem erklären sie die Geschichte unseres Volkes.

Ich will sie euch erklären.

Vor Urzeiten – die Lichtquelle hat keine genauen Zahlen genannt, aber die Spanne muß sich nach Zehntausenden von Jahren bemessen – gab es nur ein einziges Volk unserer Art – die Vulnurer.

Es geschah, daß sie sich machthungrige und ehrgeizige Führer an die Spitze wählten, denen von einem unseligen Forschungsdrang besessene Wissenschaftler zur Hand gingen. Gemeinsam schufen sie aus Wesen unseres Volkes nach langen Versuchen eine neue Art. Ihr Plan war es, Vulnurer einer ganz

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besonderen, weit überlegenen Spezies zu züchten. Einige dieser Versuche schlugen fehl. Wir kennen die Ergebnisse – es sind die Zyrvulner. Man hat sie ziehen lassen, da sie die Pläne der Mächtigen nicht störten.

Während die Wissenschaftler forschten und experimentierten, erweiterten die Mächtigen unseres Volkes ihre Macht über die Sterne, die sie sehen konnten. Ihre Herrschaft muß schrecklich und grausam gewesen sein, und sie erreichte ihren Höhepunkt, als die Wissenschaftler endlich melden konnten, daß ihnen die Züchtung einer neuen Art gelungen sei. Auch diese Art kennen wir – es sind die zeckenähnlichen Zyrtonier. Ursprünglich geplant als Dienstboten besonderer Güte, als Kampftruppe und vieles mehr, was den Machtanspruch der Vulnurer unterstützen konnte, entwickelten die Zyrtonier immer mehr Eigenleben.

Die besten Gaben, die vulnurische Wissenschaftler ihnen mitgegeben hatten, kehrten sich nun gegen die Schöpfer der Zyrtonier. Listenreich und tückisch bereiteten die Zyrtonier ihre Pläne vor. Ihr Ziel war es, die Macht zu übernehmen.

Aber sie erlitten eine furchtbare Niederlage. Noch während sie planten und den Umsturz vorbereiteten, wurden sie in die Namenlose Zone versetzt, wie viele andere Völker auch. Lange Zeit waren die Vulnurer und Zyrtonier von diesem Schlag geschockt. Dann aber machten die Zyrtonier eine überraschende Entdeckung.

Sie stellten fest, daß sie in der Lage waren, mit technischen Mitteln die Schockfront um ihr System zu durchbrechen. Mehr noch – es gelang ihnen auch sehr bald, einmal auf der richtigen Spur, Mittel und Wege zu ersinnen, andere Schockfronten aufzuspüren und zu durchstoßen. Ihr Wissen um die Schockfronten mehrend, gelang es ihnen schließlich sogar, künstliche Schockfronten zu erzeugen oder natürliche zu manipulieren.

Damit nicht genug.

Überall in der Namenlosen Zone waren Spione und Späher der Zyrtonier unterwegs. Sie brauchten nicht lange, dann kannten sie die Eigenart der Namenlosen Zone.

Immer wieder, so stellten sie fest, tauchten neue Sonnensysteme in der Namenlosen Zone auf, eingehüllt in Schockfronten. Und jedesmal war von der Schockfront ein Volk eingeschlossen, dessen rücksichtslose Machtpolitik zum Alptraum seiner kosmischen Nachbarn geworden war.

Lange Zeit hatten die Zyrtonier sehr viel Angst, denn es gelang ihnen beim besten Willen nicht, die Rätsel dieses Versetzungsvorgangs zu lösen. Nach wie vor wissen sie nicht, wie und durch was die Systeme in die Namenlose Zone verpflanzt werden.

Aber es genügte ihnen, daß sich diese unbekannte Macht nicht meldete. Sie unternahmen einige Versuche, diese Macht verdeckt zu provozieren, dann offen. Als sie keine Antwort bekamen, wurden sie dreist. Sie entwickelten den Langzeitplan, der mir von der Lichtquelle enthüllt worden ist. Dank ihrer

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Macht über die Schockfronten haben die Zyrtonier damit begonnen, die Völker der Namenlosen Zone zu unterwerfen. Durch vielerlei Tricks und Manipulationen lenkten sie die Geschicke der eingeschlossenen Völker aus allen Bereichen des Universums.

Ihr Ziel ist klar und eindeutig. Sollte es ihnen eines Tages gelingen, ein Verfahren zu ersinnen, das sie aus der Namenlosen Zone in das Normaluniversum zurückkehren läßt, dann werden sie die von ihnen geheim kontrollierten Völker auf das Normaluniversum loslassen. Sie werden allen Haß und alle Wut dieser Völker auf die ahnungslosen Bewohner des Normaluniversums lenken und selbst im Hintergrund bleiben, wohl wissend, daß sie über ihre Kontrolle der Schockfronten auch die Kontrolle über die Völker innerhalb der Schockfronten haben werden. Sie werden die Völker der Namenlosen Zone dazu bringen, gewaltige Raumflotten zu bauen, und sie werden das Universum mit Krieg überziehen. Sollte einer dieser Verbündeten zu widersprechen wagen, wird er von anderen kontrollierten Völkern bekämpft – wenn das überhaupt notwendig sein sollte, denn die Zyrtonier haben die Völker innerhalb der Schockfronten als Geiseln.«

Mich schauderte, wenn ich mir das vorzustellen versuchte.

Für die Walgonier hätte das bedeutet, daß ihre Raumflotten im Dienst und Auftrag der Zyrtonier kämpften. Wagten sie zu meutern, riegelten die Zyrtonier die Schockfront rund um das Walgon-System ab und verwehrten den Flotten die Rückkehr. Genügte das nicht, den Widerstand zu brechen, dann konnten sie die Flotte eines anderen kontrollierten Volkes durch die Schockfront führen und die wehrlose Zivilbevölkerung der Walgon-Planeten angreifen lassen.

»Ich brauche nicht zu erklären, worauf dieser Plan hinausläuft – auf die allumfassende, alleinige Macht der Zyrtonier, die sich über das ganze Universum ausbreiten soll. Dies ist kein Fiebertraum eines Verrückten – es ist der Langzeitplan der Zyrtonier, und sie verfolgen ihn bis auf den heutigen Tag.«

»Ungestört?« fragte Tyari fassungslos. »Nicht ganz«, antwortete Daug-Enn-Daug langsam. »Diesem Langzeitplan setzten die Vulnurer einen anderen Plan entgegen. Vulnurische Wissenschaftler entwickelten die Grundlagen der Lichtquelle und das Prinzip der Emulatoren. Die ersten Emulatoren der Vulnurer gingen in der Lichtquelle auf, die dadurch an Macht und Einfluß gewann. Schließlich ist es den Vulnurern geglückt, sich aus der Macht der Zyrtonier zu befreien und zu flüchten.

Die Zyrtonier aber setzten den Vulnurern immer wieder nach, griffen sie an und versuchten sie zu vernichten. Schließlich sah die Lichtquelle keine andere Möglichkeit mehr, als drei Schiffe zu erbauen, die ihr kennt – die GESTERN, HEUTE und MORGEN – und in diesen Schiffen das kleine Restvolk der Vulnurer in das sichere Versteck des freien Raumes zu entlassen. Zur gleichen Zeit wurde auch der Plan der Futurboje entworfen und in Gang gesetzt. Seither wartet die Lichtquelle darauf, daß sie sich mitanderen Kräften verbünden kann, um endlich eine grundsätzliche Änderung der Verhältnisse in der Namenlosen Zone erreichen zu können.«

Daug-Enn-Daug stieß einen Laut des Vergnügens aus.

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»Es sieht aus«, schloß er seinen Vortrag, »als sei diese Änderung zum Besseren nicht mehr aufzuhalten.«

Unwillkürlich wanderten meine Gedanken zu Chybrain.

Bei den Worten des Emulators der Vulnurer war mir erschreckend klar geworden, daß sich Chybrain mit der Aufgabe, das Rätsel der Namenlosen Zone zu lösen, ein Ziel gesteckt hatte, das seine Kräfte bei weitem überstieg. Er konnte es einfach nicht schaffen, daran hatte ich keine Zweifel mehr. Um seine Rehabilitierung vor den Augen der Hohen Mächte sah es mehr als betrüblich aus.

War das der Grund, weshalb ich seit geraumer Zeit kein Lebenszeichen von Chybrain mehr empfangen hatte?

Daug-Enn-Daug setzte seinen Vortrag fort. »Von diesen Daten der Lichtquelle ausgehend, haben wir die Archive der Walgonier durchforschen lassen. Ziir-Tinc wird uns sagen, was dabei herausgekommen ist.« Der ehemalige Emulator der Walgonier stand auf. Er wirkte sehr ernst.

»Ich habe Informationen ausgraben können, die im Licht der Erkenntnisse von Daug-Enn-Daug bedeutungsvoll sein können«, erklärte er. »Aus diesen Daten ergibt sich, daß es in einem Sektor der Namenlosen Zone, der Tabuland genannt wird, vielleicht das Versteck der Zyrtonier geben muß. Ich habe die Koordinaten dieser Zone mitgebracht.« Ich stand auf und nahm den Datenstreifen aus Ziir-Tincs Hand.

»Brechen wir auf«, sagte ich. »Die Zeit drängt.«

Eine Stunde nach der Besprechung brachen wir auf, ich hatte mir die MJAILAM als Flaggschiff meiner kleinen Flotte ausgesucht. Beim Verlassen des Walgon-Systems bekamen wir weitere Hinweise darauf, daß sich die Dinge zum Besseren entwickelten. Die Sonnensysteme der Namenlosen Zone waren nun noch deutlicher anmeßbar geworden als früher.

Nur ein Bereich zeigte keine Veränderung – eine Zone undurchdringlicher Schwärze. Und genau dort lag nach den Daten des walgonischen Emulators das Versteck der Zyrtonier.

*

Mißmut war die vorherrschende Stimmung im neuen Rat der Pagen. Sie hatte alle vier Mitglieder dieses neuen Rates erfaßt: Objount, 4-Page, Merzzen, 13-Page, Ul-Horz, 211-Page, und Katzulla, 666-Page.

»Die Daten sind ungünstig, sehr ungünstig sogar«, sagte Katzulla.

»Sie werden sich bessern«, hoffte Objount. Ul-Horz machte eine abwehrende Geste. »Das Walgon-System ist jetzt völlig frei«, rief er den anderen in Erinnerung. »Bei anderen Systemen sieht die

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Entwicklung ähnlich ungünstig aus.«

»Mag sein«, stimmte Katzulla zu. »Aber wir haben noch andere Mittel in der Hand, um unsere Pläne durchsetzen zu können. Schließlich haben wir uns frühzeitig genug auf ungünstige Entwicklungen vorbereitet.« »Ich weiß«, mischte sich Merzzen ein. »Der undurchdringliche Wall.«

»Er ist undurchdringlich«, rief Katzulla Merzzen ins Gedächtnis. »Wir haben es vor wenigen Stunden noch erlebt. Sechs Schiffe haben versucht, den Wall zu durchdringen. Sie sind daran gescheitert, keines von ihnen hat einen Durchbruch geschafft.«

»Mehr noch«, warf Objount ein. »Jetzt sind sie sogar voneinander getrennt. Die aufgefangenen Funksprüche beweisen, daß sie die Verbindung untereinander völlig verloren haben.«

»So ist die Lage«, sagte Katzulla. »Angreifen kann man uns nicht, wir sind ausreichend gegen alle Versuche geschützt. Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist, daß wir noch genügend Möglichkeiten besitzen, die wir bislang noch nicht einmal annähernd ausgeschöpft haben. Unsere Gegner haben nicht die geringste Ahnung, was wir ihnen noch alles entgegensetzen können.«

Katzulla richtete sich auf.

»Ist einer von euch bereit, öffentlich zu verkünden, daß sich der Große Plan des Rates der Pagen nicht mehr durchführen läßt?« Die Antwort war Schweigen.

Jeder im neuen Rat der Pagen wußte, daß es an der Verwirklichung dieses gigantischen Planes keinerlei Zweifel geben konnte. Sie waren gleichsam undenkbar.

»Als erstes werden wir diese frechen Eindringlinge vernichten«, erklärte Katzulla selbstsicher. Er machte eine kleine dramatische Pause. »Und dann holen wir zum Schlag aus – wehe den anderen, wenn wir ihn führen!«

ENDE

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Weiter geht es in Band 173 der Abenteuer der SOL mit:

Der heilige Vulkan

von Hans Kneifel

Impressum:

© Copyright der Originalausgabe by Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Chefredaktion: Klaus N. Frick

© Copyright der eBook-Ausgabe by readersplanet GmbH, Passau, 2008, eine Lizenzausgabe mit

Genehmigung der Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

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