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Dynamische Wertprobleme Von Johan ~erman, Stockholm Die national~konomische Theorie macht gegenw~rtig ihren dritten NeubildungsprozeB durch. Ebenso wie bei den beiden friiheren Anl~sen sind es zwei grundlegende Probleme, welche man yon neuem erwRgt: das eine bezieht sich auf das gesetzmRBige Zusammenwirken der ver- schiedenen 5konomiseh bedeutungsvollen Faktoren, das andere auf die Frage des Wertbegriffes, d. h. im Grunde auf den psyehologischen Zu- sammenhang. Als die Physiokraten ihr Tableau ]~conomique fiber das ~konomische Zusammenwirken der verschiedenen Gesellschaftsgruppen und damit den Grund zu einer nationalSkonomischen Wissensehaft legten, machten sie einen ersten Versuch, den verwiekelten Mechanismus der Produktion und des Tausches zu erklRren. Das auf einem stationRren Haushalt angewendet~ Zirkulationsprinzip wurde yon den engtischen Klassikern iibernommen und yon diesen zu einem Gleiehgewiehtssystem ausgebildet, das dureh einseitig gerichtete Kausalzusammenh~nge aueh den Tausch und die Preisbildung erklRren sollte. Der zweite groBe Versuch, das 6konomische Gesehehen zu erkl~ren, ging yon der mathe- matisehen Schule aus, die teils den Kausatit~tsbegriff durch den Funktionsbegriff ersetzte, teils die Mitwirkung der Fal~toren zu einem allgemeinen Gleichungssystem entwickelte, laut welchem die geringste ~nderung des Gleiehgewiehtes auf den ganzen Meehanismus riie]£wirkt. Unterdessen ging man yon dem station~ren Rahmen, den man den Rekonstruktionen der 5konomisehen HergRnge angelegt hatte, nicht ab. Die dritte Approximation, die jetzt dargestellt wird, versucht fiber die Statik hinauszugehen und will der cete~s-t~ribus-Besehreibung eine Analyse der dynamisehen Ver~nderungen, d. h. der Vergnderungen in der Zeit, hinzufiigen. Der Wertbegriff, das andere zentrale Problem, ist gr6Btenteils -- zeitgem~B gesehen ganz und gar -- mit dem Gleichgewichtsproblem verbunden, enth~lt aber vor allem den psyehologischen Einschlag der Theorie. Fiir die Klassiker war der Wert zur HRlfte an seinen Gegenstand durch die darauf aufgewendeten Kosten gebunden, zur H~lfte yon der Sch~tzung abh~ngig, die das Ziel unter ungleichen Umst~nden hervor- rufen konnte. ]m Gegensatz dazu stellte die mathematische Schule den Grenznutzenbegriff auf und machte den Wert ganz subjektiv be- stimmt; gerade dadureh l~Bt er sieh als Preisbildungsfaktor in das groBe statische Gleichungssystem einfiigen, das Produktion und Tausch umfaBt. Man kann sagen, dab die dritte Au/fassungsart des Wertbegriffes aus 37*

Dynamische Wertprobleme

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Dynamische Wertprobleme Von

Johan ~erman, Stockholm

Die national~konomische Theorie macht gegenw~rtig ihren dritten NeubildungsprozeB durch. Ebenso wie bei den beiden friiheren Anl~sen sind es zwei grundlegende Probleme, welche man yon neuem erwRgt: das eine bezieht sich auf das gesetzmRBige Zusammenwirken der ver- schiedenen 5konomiseh bedeutungsvollen Faktoren, das andere auf die Frage des Wertbegriffes, d. h. im Grunde auf den psyehologischen Zu- sammenhang.

Als die Physiokraten ihr Tableau ]~conomique fiber das ~konomische Zusammenwirken der verschiedenen Gesellschaftsgruppen und damit den Grund zu einer nationalSkonomischen Wissensehaft legten, machten sie einen ersten Versuch, den verwiekelten Mechanismus der Produktion und des Tausches zu erklRren. Das auf einem stationRren Haushalt angewendet~ Zirkulationsprinzip wurde yon den engtischen Klassikern iibernommen und yon diesen zu einem Gleiehgewiehtssystem ausgebildet, das dureh einseitig gerichtete Kausalzusammenh~nge aueh den Tausch und die Preisbildung erklRren sollte. Der zweite groBe Versuch, das 6konomische Gesehehen zu erkl~ren, ging yon der mathe- matisehen Schule aus, die teils den Kausatit~tsbegriff durch den Funktionsbegriff ersetzte, teils die Mitwirkung der Fal~toren zu einem allgemeinen Gleichungssystem entwickelte, laut welchem die geringste ~nderung des Gleiehgewiehtes auf den ganzen Meehanismus riie]£wirkt. Unterdessen ging man yon dem station~ren Rahmen, den man den Rekonstruktionen der 5konomisehen HergRnge angelegt hatte, nicht ab. Die dritte Approximation, die jetzt dargestellt wird, versucht fiber die Statik hinauszugehen und will der cete~s-t~ribus-Besehreibung eine Analyse der dynamisehen Ver~nderungen, d. h. der Vergnderungen in der Zeit, hinzufiigen.

Der Wertbegriff, das andere zentrale Problem, ist gr6Btenteils - - zeitgem~B gesehen ganz und gar - - mit dem Gleichgewichtsproblem verbunden, enth~lt aber vor allem den psyehologischen Einschlag der Theorie. Fiir die Klassiker war der Wert zur HRlfte an seinen Gegenstand durch die darauf aufgewendeten Kosten gebunden, zur H~lfte yon der Sch~tzung abh~ngig, die das Ziel unter ungleichen Umst~nden hervor- rufen konnte. ]m Gegensatz dazu stellte die mathematische Schule den Grenznutzenbegriff a u f und machte den Wert ganz subjektiv be- stimmt; gerade dadureh l~Bt er sieh als Preisbildungsfaktor in das groBe statische Gleichungssystem einfiigen, das Produktion und Tausch umfaBt. Man kann sagen, dab die dritte Au/fassungsart des Wertbegriffes aus

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dem des relativen Tauschwertes hervorgegangen ist; die dynamisehe Konstruktion hatte bis dahin die MSgliehkeit versehiedener, zeitlich bestimmter Ausdriieke fiir den Wert nur gestreift und sieh mit ver- sehiedenen Relativzahlen ats Indikatoren fiir das Verhi~ltnis zwisehen Angebot, Na~hfrage und Preis begniigt. Die Seheu, die augenblieklich hinsiehtlich des Wortes und Begriffes ,,Wert" herrseht, weist deutlich darauf bin, dab man viele ungelSste Ri~tsel innerhalb des psychologisehen Gebietes, hinter dem eisernen Vorhang, den die Neo-Klassiker vor den Wertbegriff gezogen haben, ahnt. In dem MaBe, wie die Arbeit fiber die dynamisehe Approximation fortsehreitet, wird man bestimmt gezwungen, hinter den Vorhang zu gehen, und deshalb scheint es riehtig zu sein, die hanpts~ehliehste Aufgabe des dritten Neubildungsprozesses als ein dynamisehes Wertproblem zu bezeiehnen.

Es mnB indes dentlieh hervorgehoben werden, dab die Erkl~rungs- griinde der dynamisehen Ver~nderungen, die sich jetzt Sehritt fiir Sehritt dem Zentrnm der 6konomischen Theorie n/~hern, zu groBen Teilen yon den Bahnbreehern in der Mitre des 19. Jahrhunderts angedeutet wurden. DaB viele yon C o u r n o t s nnd noeh mehr yon J e v o n s ' Gedankeng/~ngen erst neuerdings wieder aufgenommen werden konnten, beruht teilweise auf der Tatsache, daB man erst in sp/~teren Jahren eine zusammen- h~ngendere Kermtnis yon den 6konomischen Ver/~nderungen w~hrend kiirzeren Perioden bekam. Die bedentnngsvollen erkenntnistheoretisehen Werke, die um die Mitre des vorigen Jahrhunderts ersehienen, zeigen jedoch deutlieh, dab man die Notwendigkeit einer Revision beziiglieh der Art der Urs~ichliehkeit innerhalb des Gebiet~s der Sozialwissenseha/ten sp'tirte.

Auch yon dem Gesiohtspunkte des Kausalit~tsproblems enthielten Wal ras ' Simult~ngleiehungen einen auBerordenttichen For~sehritt gegeniiber der Annahme der Kla~siker fiber die freistehende Prim~r- ursaehe des Wertes. Damit war in der Tat die metaphysiseh betonte Frage ,,warum" dutch die mehr stringente und gleichzeitig tiefergehende Frage ,,wie" ersetzt worden. Die dynamisehe Theorie will aueh die Frage ,,wie" beantworten und zu der statisehen Approximation auf der einen Seite eine funktionstheoretisehe Rekonstruktion des Verlaufes der Begebenheit in der Zeit hinzuffigen und andererseits eine verall- gemeinerte individual-psyehologisehe m also sozia!psychologische - - Erkl~rung dieser Grundlage der Absch~tzung der dynamisehen Re- konstruktion abgeben. Hier wird zu entseheiden sein, wie das Gleieh- gewieht~system der St~tik, das auf einer mehr oder miader anerkannten und klaxgelegten psyeho!ogisehen Grundlage ruht, mit der Psyehologie der Dynamik nnd der 5konomisehen Meehanik zusammengefiigt werden so]]. Man kann sagen, dab dieses das n/iehstliegende dynamische Wert- problem ist.

I. Statik und Dynamik Wie ersiohtlieh haben wir sohon ohne stringente Definitionen die

nun st~ndig nebeneinander gestellten Faehausdrfieke Statik und Dynamik angewendet. Es wird deutlich gezeigt, dab wir bier eine Grenze ziehen,

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abet es empfiehlt sieh, vorher die Versuche zu fiberblicken, die in der Absicht gemach~ wurden, den Zusammenhang zwisehen 5konomischer Statik und 5konomischer Dynamik klarzumachen. Die Ursachen, dab bisher so oft Mi~verst~ndnisse fiber die Bedeutung dieser Begriffe ent- standen sind, dfirften zweierlei sein: erstens hat man nicht immer die Stellung der neuen Theorie zu den bekannten Lehrgeb~uden angegeben und zweitens hat man selten die dynamische Lage im Verh~ltnis zur statischen geniigend scharf definiert.

Um die Kontinuit~t in den theoretischen Gedankeng~ngen aufrecht erhalten zu kS~*men, ist es nStig, immer klar zu machen, was geprfif~ werden sell. Die in ein mathematisehes Kleid gehfillten ErSrterungen sind in dieser Hinsicht nich~ selten verr~terisch. Die mathematisehen Formeln enthalten eine Erkl~rung und Rekapitulation des vorher- gehenden Resultates auf dem m a t h e m a t i s c h e n Gebiet, aber sie besagen niehts fiber den 5konomischen Zusammenhang, den zu vervollst~ndigen oder zu ersetzen sie bestimmt sind. Wenn man aus den Sozialwissen- schaften mit ihren schwankenden Grenzen die dogmenkritisehe Ein- leitung ausschaltet, so riskiert man, da~ das dann aufgebaute Gedanken- geb~ude auBerhalb des Forschungsgebietes zu stehen kommt. Man kSnnte behaupten, dab viele bedeutungsvolle Beitr~ge zur national- 5konomischen Theorie in Gestalt yon logisch begrenzten Deduk~ionen und in l~orm yon rein mathematisch ausgedrfickten ErSrterungen infolge der mangelnden Verbindung mit friiher vorgeschlagenen Problem- stellungen nie zu ihrem Recht kommen. E ine Verbindung zwischen alt und neu ist indessen die Stellung, die die Theorie zu den tats~ehlichen Ver~nderungen als solchen einnimmt, und spiegelt sieh, obwohl unvoU- st~ndig und unklar, in der 5konomisehen Statistik wider. Auch bei Ermangelung dogmenkritischer Erkl~rungen yon seiten der Forscher gibt der Kontakt der neuen Theorie mit den 5konomisehen Daten fast immer AnlaB zur fiblichen Auffassungsart.

Verschiedenartige oder unterlassene Definitionen der Begriffe Statik und Dynamik haben sp~ter Wortstreitigkeiten verursacht, die an die Debatten fiber den Kapitalbegriff erinnern. In der Tat ist dies nicht verwunderlich, da die Dimension des Kapitals vom Zeitfaktor bestimmt wird und die Beschreibung der Dynamik yon Ver~nderungen in der Zeit immer ganz oder teflweise yon der Kapitaltheorie umschlossen wird. Es ist deshalb natfirlieh, dab Diskussionen fiber die Art des Kapitals und der Kapitalszinsen entstanden, die frfihzeitig die Aufstellung yon Grenzen zwischen Statik und Dynamil~ erforderten; die Stellung der Geldlehre und Konjunkturtheorie im Verh~ltnis zu diesen Grenzen bert~te grSBtenteils auf der intimen Verbindung dieser Disziplinen mit der Kapitaltheorie. Wit kSnnen uns deshalb bei der Pr'ufung der spezie l l motivierten Grenze zwischen Statik und Dynamik mit einem t~berbliek fiber die Diskussionen des statischen und dynamischen Ein- schlages im Kapitalbegriff begnfigen. Danach wird es leichter sein, zu den vorgeschlagenen a l lgemein motivierten Grenzen zwisehen statiseher und dynamiseher 0konomie Stellung zu nehmen.

582 J. Akerman.

Es muB zu allererst darauf hingewiesen werden, dab man gew6hn- lich auf dem Gebiete der Kapitaltheorie eine Mischung yon fiktiven oder nominellen Gegensgtzen und reellen Verschiedenheiten finder. Im Zentrum der Frage steht das Problem: , ,Kann in einer statischen Wirtschaft Kapitalzins vorkommen ?" Damit hat man den ganzen Problemkomplex, den man um v. B 6 h m - B a w e r k s drei Griinde fiir die Existenz des Kapitalzinses gebildet hatte, aufgerollt; wenn man daran anschlieBend erklgrt: dab das statische Gemeinwesen so und so beschaffen sein muB, so vergil]t man aUzu oft, dab dieses statische Ge- meinwesen eine ganz yon den Theoretikern abhgngige Konstruktion ist.

Schon diese Einwendung scheint gegen die Angriffe, die gegen S c h u m p e t e r s Theorie fiber die 6konomische Entwicklung, in welcher es auf die Kapitaltheorie abgesehen ist, gerichtet sind, zu sprechen. Es ist jedoch ziemlich anerkannt worden, dab yon v. B 6 h m - B a w e r k s drei Hauptgriinden die beiden ersten - - yon der besseren Bediirfnisbefriedigung in der Zukunft und tier perspektivischen Unterschgtzung der Zukunft entschieden zu den dynamischen Gemeinwesen geh6ren. Der dritte G r u n d - yon der Einwirkung des zeitraubenden, produktivitgts- erh6henden Produktionsumweges - - kann aueh in einem statischen Gemeinwesen gedacht werden, aber das Entstehen des Kapitalzinses kann er allein nicht erkl~ren, da er momentan nur AnlaB zur N a c h f r a g e fiir das Sparen gibt; eine der beiden ersten Ursaehen, die sowohl zum Angebot aim auch zur Nachfrage des Sparens AnlaB geben, muB nebenbei vorh~nden sein, damit st~tion~res Gleiehgewicht entstehen soil Sowie man aber den ersten oder zweiten yon v. B 6 h m - B a w e r k s Griinden einfiihrt, dynamisiert man ja das Gemeinwesen und die statische Vor- aussetzung wird fallen gelassen.

Wenn man dies wie gesagt, unzghligen Variauten des Begriffes Stat ik-Dynamik innerhalb der Kapitaltheorie mit S c h u m p e t e r s eindeutigen Definitionen des Kreislaufes (der Statik) und der Entwicklung (der Dym~mik) vergleicht, so muB man anerkennen, dab die letzgenannte Neuschaffung yon auBerordentlichem Wert war1). Gerade dadureh,

1) Ygl. Robbins , L.: On a certain ambiguity in the construction of a stationary equilibrium, Economic Journal, S. 194. 1930. In diesem Artikel will der Verfasser zeigen, dab S c h u m p e t e r seine Analyse auf Clarks Definition der Statik grfindete, aus weleher hervorgeht, dal3 der Kapital. bestand ]aut V o r a u s s e t z u n g sleh unver~ndert hglt. Wenn S e h u m p e t e r dann das Vorhandensein des Zinses in dem stat~chen und dem dynamisehen Gemeinwesen besprieht, so geht er unbewul3t zu dem Statikbegriff der Klassiker fiber, aus welchem hervorgeht, dab sich alle Faktoren aus sieh selbst heraus im Gleiehgewieht befinden. Dagegen kann man elnwenden, daI] Ro bb in s - - wie mehrere andere yon S c h u m p e t e r s Kritikern - - nieht eingesehen hat, daft die statischen Konstruktionen in S o h u m p e t e r s Fassung spezieller Natur sind, indem das Ausbleiben des Unternehmergewinnes dessen ct~rakteristisehester Zug ist. Es ist deshalb typiseh, weft Robb ins (S. 211) Sehumpe~ers dynamische Th¢orie in zwei Punkten zusammenfal3t, ngmlieh, dal~ der Zins nieht in dem statisehen Zustand vorkommen kann, uncl dab er ein dynamisohes ]~inkommen ist; er lgBt abet die zentrale These

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dab S c h u m p e t e r die Systeme yon Wal ra s und v. BOhm-Bawerk vollst/~ndig beherrscht und gleichzeitig einen richtigen Blick fiir die dynamische Wirklichkelt des modernen kapitalistischen Gemeinwesens besitzt, ist er derjenige gewesen, der als erster auf die Notwendigkeit einer neuen Orientierung innerhalb dieses Gebietes hingewiesen hat.

Wir k6nnen nicht yon unserem Gedankengang abweiehen, um andere Einwendungen zu erwidern, die sp/~ter gegen S e h u m p e t e r s Erkl~rung des Kapitalzinses als einer nur dynamischen Erscheinung gemacht wurdenl). Ganz allgemein muB man jedoch sagen, dab Sehum- pe t e r mit seiner logischen Zinserkl~rung- yon der jedoch die Gruppe der Verbrauehsdarlehen abgesondert werden mug - - innerhalb des Bereiches der Dynamik die quasi-statischen Darstellungen, die an v/elen unklaren Pr~missen laborieren, ersetzen wollte. Folglich nimmt man oft an, dab die Statik die Abwesenheit yon Ver/~nderungen bei den Produktionsfaktoren bedeutet, abet gerade die Zinserkl/~rung stiitzt sich auf das Zustandekommen yon ~_nderungen beim Kapitalfaktor. Man sagt, dab den Individuen in dem statisehen Gemeinwesen die Zu- kunftsperspektive fehle, aber im n~chsten Augenblick spricht man yon 6konomisehen Gefahren und Unterseh/~t, zung des Nutzens in der Zukunft. Die sehwerste Inkonsequenz hat sich jedoeh die statisehe Kapitaltheorie bei der Behandlung der Bedeuttung der Zeit zu Sehulden kommen lassen; wenn man der Zeit keinen Platz zuweist, so muB man st~ndig nach einer Art imagin/~rer Zeit ohne 6konomisehe Relevanz greifen.

S c h u m p e t e r s Zinstheorie, laut welcher der Kapitalzins aus dem mit den Konjunkturen wechselnden Unternehmergewinn hervorgeht, hat nicht die Inkonsequenz der statisehen Theorien hinsichtlich des Zeitmomentes, nimmt abet auch nieht direkt Stellung dagegen. Deshalb kann man n i c h t sagen, S c h u m p e t e r habe eine a l lgemeing i i l t ige Grenze zwischen Statik und Dynamik gezogen.

Wenn wir nun zu der Behandlung der allgemein motivierten Grenze zwischen der statischen und dynamischen Theorie iibergehen, so mfissen wir erst das Verh~ltnis zwischen der statisehen respektive dynamisehen Konstn~tion auf der einen Seite und der Wirklichkeit des 6konomischen Lebens auf der anderen Seite bestimmen. I-Iier in diesem Falle hat

aus, n~mlich, dab der Zins aus dem Untemehmergewinn flieBt. In Sehum. peters statiseher Gesellschaft kann man sich folglieh den grundlegenden Zug in dem Gesellsehaftstyp der freien Konkurrenz und des PrivateigentuIns fehlend denken und unserer Meinung nach ist diese Annahme als Hintergrund fftr das moderne progressive Gemeinwesen sehr gut anwendbar.

1) Siehe ferner einerseits Heinze, G.: Statische oder dynamische Zins° theorie~ Leipzig. 1928, und Bousquet, G. H.- L'ceuvre seientifique de Joseph Sehumpeter, Revue d'~conomie politique, 4. 1929, sowie anderseits Honegger, H.: Zur Krisis der statisehen NationalOkonomie, Sehmollers Jahrbueh 1924, S. 473, und Beekerath, E. v.: ]~inige Bemerkungen zu Sehumpeters Theorie tier wirtsehaftliehen Entwicklung, Sehmollers Jahrbueh 1929, S. 537.

584 J. Akerman:

E. Care l l kiirzlieh die These aufgestellt, da6 das Wesen der reinen national6konomischen Theorie nur gewisse abstrakte Relationen zwisehen Gr6Ben, ohne Kontak~ mit empirisch-realistischer Verifikation, beriihrtl). Care l l hat mit Reeht die Ansicht, dab die Dynamik die Abweiehungen der 5konomischen Wirkliehkeit yon der statisehen Konstruktion aus- machen wiirde, abgelehnt, hat aber mit seinem dualistischen System einen ffir das 5konomische Denken besonders ungeeigneten Ausgangs- punk~ zustande gebraeht2). Der Abstand zwischen der deduktiven und der induktiven Okonomie wiirde in der Tat nach seiner Version durch die unendlich lange Strecke zwisehen der abstrakt abgegrenzten formellen Logik einerseits und den Sammlungen der 5konomisehen Geschichte und Statistik und der Aufteilung der Daten anderseits dargestellt werden.

Um fiber die Art der 5konomisehen Ver~nderlichkeit klar zu werden, muB man yon dem Standpunkt ausgehen, dab sowohl Statik wie Dynamik gegenseitige, gleichgestellte Konstruktionen sind, die auf versehiedene Weise versuchen, das tats~chliche Geschehen zu schematisieren und dadureh zu beschreiben. Wenn man so beim Studium der versehiedenen Beitr~ge zu den immer lebhafteren Diskussionen fiber die gegenseitige Stellung der Statik und Dynamik auf R. S t r e l l e r s sehon vor vier Jahren erschienene Untersuchung fiber dieses Thema stSBt3), diirfte man unserer Meinung nach eine bedeutende Etappe erreieht haben. S t r e l l e r hat sowohl dureh seine dogmenkritische Analyse, als auch dureh seine eigenen konstruktiven Vorsehl~ge unserer Meinung naeh iiberzeugend nachgewiesen, dab die klarste und ffir weitere Forschung gfinstigste Trennung zwischen den Bereiehen der Statik und der Dynamik dutch das Zeitmoment gegeben ist4). Wenn S t r e l l e r erkl~rt, dab der statisehen Konstruktion in ihren Gleichgewiehtsgleichungen die Zeit fehlt und dab die Dynamik im Gegensatz dutch Einsetzen der Zeit als Parameter gekennzeichnet ist, so hat er eine Definition festgelegt, die sich bei n~herer Betrachtung als gut anwendbar erweist. Auf die Kapitallehre angewendet,

1) Carell, Erich: SozialSkonomisehe Theorie und Konjunkturproblem. Miinchen. 1929. 0bwohl herausgerissene Zitate den in der zitierten Arbeit dargestellten Gedankengang oft entstellen un~ vergrSbern, scheint uns foigencler Satz aus Carells Buch eine richtige Auffassung yon dieser Tendenz zu geben: ,,Dutch Abstraktion yore Dasein erlangen ~ir das daseinsfreie Sosein."

~) Vgl. Vogel, E. H.: 1Kethodik und Erkenntnisobjekt einer Theorie der volkswirtsehaftliehen Dynamik, Jahrb. f. Na~ional6k. u. Statis~ik. M~rz. 1930.

3) Strel]er , R.: Statik und Dynamik in der theoretisehen lqational- 6konomie. Leipzig. 1926. Frfiher jedoeh ist derselbe Gedanke yon vielen anderen Forsehern, z. B . ~. D. K o n t r a t i e f f im Quart. Journal of Economics, S. 575. 1925, dargelegt worden.

4) Definitionen der Statik und Dynamik kSnnen folglich unserer Meinung nach nieht als riehtig oder unrlehtig angesprochen ~erclen, sondern nur als geeignet oder ungeeignet. Die Definitionen sind Werkzeuge oder Hilfsmittel bei der Forschung cler 5konomischen Wirkh'chkeit, nieht Forsehungsobjekte.

Dynamische Wertprobleme 585

zieht er die Konsequenz aus seiner These, indem er erkl~rt, dab das Kapital, das eine quadratisehe Dimension hat, zur Dynamik gehSrt, w~hrend alle linearen GrSBen zur Statik gehSrenl). In unserer unten angeffihrt~n Darstellung des Zeitmomentes als Wasserscheide zwisehen Statik und Dynami~ kann jedoch diese These nieht zur Anwendung kommen.

S t re l l e r s Anschauungsart, auf den traditionellen Eckstein der NationalSkonomie - - das ,,Gesetz" fiber Angebot und Nachffage angewendet, kann also folgendes ausdriieken: ein Markt befindet sich im Gleiehgewicht und die Statik herrscht, wenn kein Zeitintervall zwischen den Ausdrfieken fiir Angebot und Nachfrage verl~uft, w~hrend die Dynamik gilt, wenn die Zeit als notwendiger Faktor in die Funktion eingeht. Diese Definition erfordert indessen mehr Genanigkeit und Erl~uterung, als S t re l le r in der genannten Arbeit geleistet hat; besonders heiseht sie eine Stellungnahme zu Marshal l s quasi-statisehem Gleieh- gewicht, das wahrseheinlieh fiir die Dauer einer yon allen Ver~nderungen befreiten ~ und deshalb imagin£ren ~ Zeit eintritt. Zu dieser ceteris- ~Jaribus.Zeit werden wir in dem folgenden Absehnitt bei der Diskussion fiber die Bedeutung der Naehfragekurven zuriickkommen. Ehe wit unsere eigene Definition der Statik und Dynamik pr~limingr entwickeln, werden wir mittlerweile zwei in dem Folgenden nStige Begriffe, n~mlich die Reaktions- und Zuwaehsgesehw~ndigkeit der Faktoren, klarmachen.

Den klassischen und neo-klassisehen NationalSkonomen lag es fern, der Zeit naehzuforschen, die fiir einen Faktor nStig ist, um einen anderen zu beeinflussen. Ffir die Konjunkturforseher der sp~teren Jahrzehnte ist der Begriff ,,Reaktionsgeschwindigkeit" dagegen immer aktuell gewesen und mit der Zeit als besonderes Moment zwisehen Statik und Dynamik wird er yon noch grSBerer theoretiseher Bedeutung. ,,Das Moment der Reehtzeitigkeit" 3) kann in der Tat als Konjunkturerkl~rung angesprochen werden, indem der versehiedenen Sehnelligkeit, mit der die verschiedenen Faktoren zum Produktions- oder KonsumtionsprozeB kommen, groBe Bedeutung zugemessen werden muB.

In naher Verbindung mit der Reaktionsgesehwindigkeit steht der Begrlff ,,Zuwachsgeschwindigkeit". Das zuletzt genannte Wort drfickt den Verlauf einer Kurve in der Zeit aus, ihre positive oder negative Riehtung w~hrend eines gewissen Zeitmomentes, und kann folglich - - bei der J~mlichkeit mit der Reaktionsgeschwindigkeit - - nur der dyna- mischen Konstruktion angehSren. Diese Zuwaehsgesehwindigkeit kann

1) Vgl. K. Wicksells ~uSerung, d~t~, wenn nur das Zeitmoment einen genfigend breiten Platz in der Kapitaltheorie erh~lt, der Ausgangspunkt zur Er~rung des Kapitalzinses beinahe in jeder beliebigen Theorie gew~hlt werden kann. (Ekonomisk Tidskrift, S. 209. 1919.)

3) Laut S treller, R.: Die Dynamik der theoretischen NationalSkonomie, S. 120. Tfibingen. 1928. AuBer den hierher geh5renden Gesichtspunkten mu~ jedoch diese Arbeit eine Entt£uschung fiir jeden Leser sein, der an der friiheren Arbeit des Veffassers fiber Statik und Dynamik Anteil genommen hat.

58{} J. Akerman:

sich yon ihrer eigenen Zuwa~hsgesehwindigkeit - - d e r Acceleration trennen, wodurch die Ver~nderung mehr im Detail studiert werden kann. Natiirlich ist die Zuwachsgeschwindigkeit unter den 5konomischen Erscheinungen kein neuer Begriff - - ursprfinglich ist sie yon J evens dargestellt worden, aber erst in sp~teren Jahren, besonders yon Irving F i she r 1) und C. F. Roost) pr~zisiert und entwiekelt.

Nachdem wir diese beiden zur ])ynamik gehSrenden Begriffe de° finiert haben, kSnnen wir zu der Frage fiber die geeignete Grenze zwisehen statischer und dynamischer ~konomie zuriiekkehren. Um dieses Problem anschaulich zu maehen, k6nnen wit uns ein Uhrwerk vet Augen halten. Die statische Konstruktion beschreibt in der Tat keine Bewegung sondern einen Zustand; so wie in unserem Bild die Zahl, GrSBe und gegenseitige SteUung der Zahnr~der. Sie maehen eine sehematisehe Rekonstruktion der Hauptfaktoren und deren Struktur des 5konomischen Lebens aus; damit ist ja sehon viel iiber die Art ihres Zusammenspiels, wenn man den Mechanismus in Bewegtmg setzt, gesagt. In der statischen Kon- struktion herrscht vollst~ndige Beweglichkeit, abet keine Bewegung: das Uhrwerk hat keine Feder und keine Zeiger, funktioniert aber, sobatd das Zeitmoment eingefiihrt wird. Die ])ynamik erh~lt man somit, wenn die Feder das Uht~erk in Gang setzt, aber dabei miissen wir damit das Bild so weir wie mSglich symmetrisch relevant werden sell - - hinzufiigen, dab es vielmehr ein ganzes System yon versehieden starken und unter versehiedenen Zeitmomenten arbeitenden Federn ist, die zusammengeffigt werden. ])as Resultat dieser Zusammenarbeit des Federnsystems und des Uhrwerkes kann man auf dem Zifferblatt ah- lesen, wobei wir erinnern miissen, dab die Zeiger auf diesem Zffferblatt der 5konomischen ])ynamik nieht ebenso voneinander abh~ngig sind, wie bei einem Chronometer. Unter dem EinfluB der Federn zeigt nun der Sekundenzeiger fiir jeden Ruek eine Saisonwelle an, der Minuten- zeiger einen Konjunkturzyklus und der Stundenzeiger eine S~kular- variation. Abet dureh die verwickelte Zusammensetzung des Federn- systemes, durch atmosph~rische StSrungen und durch Friktion kommen solche Reibungen in dem Gang der Zeiger zustande, dab die Bewegung weder gleichm~Big fortsehreitend, noch proportional zwischen den drei Zeigern verteilt wird. Unser Bild verlangt aul]erdem die sehr wichtige Modifikation, dab das ganze Uhrwerk einer st~udigen ~nderung unter- zogen, gedacht sein muB: gewisse Zahnr~der werden vergrSBert, andere vermindern sich, so dab die ganze Konstruktion sieh nach und naeh ver£ndert, wenn auch nicht in der Art, so doch in ihrer Zusammen- setzung. ])iese Modifikation, die der ununterbrochenen fortsehreitenden

1) In zwei Artikeln im Journal of the American Statistical Society, S. 1024. 1928 und S. 179. 1925, pflegte Fisher die Zuwaehsgesehwindigkeit als Beweis far den Satz, dab die Smderungen des Preisniveaus die allein- herrschende Ursaehe zu Konjunkturweehseln ausmaehen, - - eine These, die sieh weder 5konomisch noch statistisch verteidigen l~Bt --, anzuwenden.

2) Roos, C. F.- A dynamical theory of economies, Journal of Political Economy, S. 6~2. 1927.

Dynamische Wertprobleme 587

Anpassung der 6konomisehen Institutionen an neue Verh~ltnisse ent- spricht, berficksiehtigt also interne Ver~nderungen, die, abgesehen yon den dynamisehen Zeitfunktionen, sich immer geltend machen. Wenn W a g e m a n n 1) und W e y e r m a n n ~) im Gegensatz zu den amerikanischen Konjunkturforsehern besonders den Untersehied zwischen Struktur und Konjunktur hervorheben, so bedeutet das im Grunde niehts anderes als einen Hinweis auf die Tatsache, dab die Voraussetzung der statischen Ver~nderung yon ebenso grol3er Bedeutung ist, wie die dynamischen Zeitverl~lffe.

Wir woUen nun, unserer obigen Ansehauungsart gem~B, etwas genauer den Zusammenhang zwischen Statik und Dynamik priifen. R. F r i sch 3) hat schon hervorgehoben, dab die Statik als ein Grenz- fall der Dynamik, in weleher die Reaktionsgeschwindigkeit als unendlich groB angesehen werden kann, aufgefaBt werden sollte, - - eine Ansicht, welche init der bier dargestellten zusammenf~llt. Indessen ist eine weitere Besehreibung nach zwei Riehtungen bin erforderlieh, und zwar: einerseits in Anbetracht der Stellung der Konstruktion zum wirklichen Leben, anderseits betreffs der Tragweite der Statik im Lichte der bisher dargelegten - - im groBen und ganzen ausschlieBlich statischen - - 5ko- nomisehen Theorie.

Unserer Meinung nach kann es keinen Sinn haben, die 5konomisehe Wirkliehkeit mit der statisehen Konstruktion zu identifizieren - - soweit muB man Carel l in seiner Kritik gewisser Konjunkturtheorien recht geben. Eine Beschreibung der zeitgebundenen Wirklichkeit erfordert aber notwendig auch eine Analyse der dynamischen Seite. Wenn man die versehiedenen Teile des Uhrwerkes besehreibt, so gibt selbstver- st~ndlich schon diese Beschreibung eine allgemeine :[dee fiber die Wirkungsart des Instrun~entes; ferner muB man aber eine Sehilderung fiber die Funktionsart des Apparates hinzufiigen, zumal unsere 6kono- misehe Zeituhr eine vielfaeh zusammengesetzte Kraftquelle hat und vielerlei StSrungen ausgesetzt ist. Die Beseh re ibung des Z u s t a n d e s und der Bewegung, die S t a t i k und die Dynamik , miissen indessen als s y m m e t r i s e h e und z u s a m m e n a r b e i t e n d e , re in a b s t r a k t e K o n s t r u k t i o n s m e t h o d e n b e t r a e h t e t werden, die geme insam ein s ehema t i s ehes Bild der W i r k l i e h k e i t geben.

Diese Erkl~rung erfordert eine Verdeutliehung betreffs unserer SteUung zu der traditionelleu statisehen Anschauungsart. Sehwer, oder besser gesagt, unmSglieh ist es, die Frage der wirkliehen Bedeutung der Statik in der nationalSkonomisehen Literatur ersehSpfend zu beantworten, und zwar deshalb, weft der Begriff selten definiert und der Zeitbegriff im versehiedensten Sinne angewendet wird. Das

1) Wagemann, E.: Konjunkturlehre. Berlin. 1928. ~) Weyermann, M. R." Die Konjunktur und ihre Beziehungen zur

Wir~schaftsstruktur. Jena. 1929. 8) Friseh, Ragnar: Statikk og dynamil~k i den ~konomiske teori.

NationalokonomJsk Tidskrift, S. 321. 1929.

5~ J. ~keman:

Gebr~uehliehste ist wohl eine Ident~ ierung des Statisehen mit statio- n~rem Zustand; ebenso wie S e h u m p e t e r die Dynamik im groBen und ganzen mit der Okonomie des progressiven Gemeinwesens identifiziert, so nimmt man an, daB die statisehe Approximation sieh effiillt, wenn Volksvermehrung, Kapitalerh6hung, teehnisches und kommerzielles Ge- deihen nicht vorhanden sind. Hier sehen wir, wie leieht das Bfld sieh trfibt, wenn man annimmt, daB Statik und Dynamik einem gewissen Ge- sellsehafstyp entspreehen, anstatt sie zwei Konstrt~tionen ausma~hen zu lassen, die gemeinsam eine Zusammenfassung der Wirkliehkeit gebenl). Die groBe Sc-hwierigkeit ist die Tatsache, daB viele der Erscheinungen, die man unter der statisehen oder unter der station~ren Rubrik besehreiben will, wirklieh zeitraubend sind; aus diesem Zustand stammen alle mehr oder minder hinkenden ~rersuche mit einer gleiehfSrmig fortsehreitenden Zeit oder geradezu mit einem gleiehfSrmig fortsehreitenden Hauslmlt, mit Unver~nderliehkeit aller Faktoren, die Zeit ausgenommen, oder den Prim~ffaktoren, die sieh w~hrend Zeitabsehnitten yon unbestimmter L~nge konstant halten, zu arbeiten. Dieser ganze Gedankengang, der hinter dem in diesem la~gen Verlauf erreiehten Normalpreis liegt und der, dogmenhistoriseh gesehen, allerdings viele Fortschritte mSglieh gemaeht hat, aber fiir fortgesetzte Efforsehung der Ursa~hen aueh hindernd im Wege stand, geht auf eine nieht genfigend stringente De- finition der Statik und der Dynamlk zurfiek. R o s e n s t e i n - R o d a n ~) hat auf eine interessante und unseres Wissens naeh vorher noeh nieht beoba~htete Unangemessenheit in der ErSrterung des statischen Gleieh- gewiehtes hingewiesen; wenn man innerhalb der Preisbildung sieh auf die endgiiltige Wiederherstellung des Gleiehgewiehtes einstellt, so nimmt man als Realit~t an, dab die seehs ~mktionsverh~ltnisse, die zwisehen Angebot, Na~hfrage und Preis geda~ht werden kSnnen, bis zur Gleiehgewiehtslage sieh innerhalb derselben Zeitperiode gleieh~ m~Big auswirken sollen, - - e i n e im hSehsten Grade unwahrseheinliebe Annahme3). DaB dies so oft von den sowohl der mathematisehen als aueh der neo-klassischen Schule angehSrenden NationalSkonomen dar- gestellt werden konnte, beruht m wie der genannte Veffasser soeben naehweist ~ auf der Auffassung der Identit~t, oder auf ]eden Fall auf der Interdependenz zwisehen den Gleichungen fiber die Naehfrage als Funktion des Preises und fiber den Preis als ~mkt ion der Naeh- frage. In der Tat aber handelt es sieh hier um versehiedene Gleiehungen, um irreversible ~ml~t'mnsvre h'~ltnisse, die sieh w~hrend versehieden langen Zeitabsehnitten abspielen.

l) Diese Ansicht bedeutet nieht eine Kritik yon Schumpeters ~yna- miseher Zinstheorie, denn diese hat es auf eine spezielle Au~eilung yon Statik und Dynamilr abgesehen, nieht au~ eine generelle Grenzbestimmung, um die es sieh bier handelt.

*) Rosenste in-Rodan, P. ~.: Das Zeitmoment in der mathematischen Theorie der wirtsehaftlichen Entwieklung, Zeitsehr. f. National6k., Bd. I, S. 129.

8) Vgl. oben Strellers Reehtzeitigkeit.

Dynamische Wertprobleme 589

Man hat Ursache, gegen den Hintergrund dieser kritischen Be- obaehtungen fiber die Anwendbarkeit der statischen Methode sieh zu fragen, wie man mit unserer Definition der Statik den Haupttefl der nationalSkonomisehen Lager und Systemgeb~ude definieren solI. In der Tat zeigt sich nach einiger ]~berlegung, dab diese neue Aufteilung der Statik und der Dynamik in hohem Grade die Erforsehung der kom- plementi~ren K o n s t ~ t i o n , n~mlieh der dynamischen, fSrdert, ohne die zentralen statischen Theorien ins Sehwanken zu bringen, wie sie w~hrend der Gesehiehte der NationalSkonomie yon Courno t und J evons an aufgestellt warden. Es kann geschehen, dab gewisse Darlegungen nieht zu plaeieren sind, und zwar deshalb, weil sie eine quasi-statisch~ oder quasi-dynami~che Abstraktion bflden, deren ,,zeitlose Zeit" ode ,,gleichfSrmig fortsehreitende Gesellschaft" Pr~missen enthalten, di die Generalisierung des Resultates verhindern. Betreffs der Kapitals- und Kapitalzinstheorie - - die wesentlieh dem dynamisehen Tell an- gehSrt - - handelt es sich um eine ,,~bersetzung" der Darstellung vom statisehen in den dynamisehen Zustand.

Wie sollen da, a l lgemein genommen, die statisehen Gesetze im Lichte unserer vom Zeitmoment v611ig befreiten statischen Konstruktion betrachtet werden ? Wir haben sehon darauf hingewiesen, daft man in und mit der Wesensbesehreibung, der Struktursehilderung, sehon eine ganze Menge fiber die Wirkungsart der verschiedenen Faktoren gesagt hat. Ebenso wie eine Repetieruhr jederzeit zum Stundenschlag gebracht werden kann, so kann man die statische Approximation be- trachten, die st~ndig die Bewegungstendenzen einschlieBt, welche die strukturelle Zusammensetzung gewissermal3en pr~disponiert. Dieser Zustand kann auch so ausgedriiekt werden, dab diese Tendenzen als Ausdruck der zeitlosen Differentialver~nder~ngen gedacht werden kSnnen. Wenn der Faktor a einen kleinen ZuschuB Aa bekommt, so bekommt der Faktor b einen anderen kleinen ZuschuB Ab, der Faktor c nachtr'~iglieh einen anderen kleinen Zuschul3 Ac usw., und diese Bewegung mit ver. schieden langen und naeh versehiedenen Riehtungen gelenkten ,,Kraft- linien" ist als in ein und demselben Zeitpunkt 1) geschehend gedaeht.

Sobald man die zeitlose Approximation verlassen hat, ist man inzwisehen in der Dynamik angelangt, die andere Untersuehungs- methoden verlangt als die Statik, aber in demselben hohen Grade, wie diese Abstraktion eine Rekonstruktion einer Seite der Wirkliehkeit bildet. Die Zeitkurve, die den wirklichen 5konomischen Verlauf dar- stellt, hat, yon dem Gesiehtspunkt der traditionellen Statik aus be- trachtet, als Resultat lauter ,,St6rungen". Bei der dynamischen Re. konstruktion hat man allerdings gewisse Ver'anderungen absondern miissen, die die Verriickungen auf Grund yon Friktion oder strukt~trellen i~mderungen - - da sie in erster Linie unter die statisehe Analyse fallen

z) Seitdem dieses gesehrieben wurde, haben wit ganz denselben Gedanken- gang bei Sehams, E.: Komparative Statik, Zeitschr. f. NationalSk., Bd. II, Heft 1, S. 31, wiedergefunden.

590 J. ~kerman:

nicht n~her erkl~rten. Aber dariiber hinaus hat man jetzt immer die Schwankungen in s~kl~re, konjunkturelle und saisonm~Bige auf~ geteilt. Wenn man nun die s~kul~re Variation nur als eine e r s t e Appro- ximation, als eine allgemeine Tendenz, ansehaulich gemacht dureh eine gerade Lin/e oder eine einfache Kurve der ParabeL oder Hyperbel- form, betracht~t, so haben die tieferliegenden Ursachen dieser Ent- w/eklung im allgemeinen leicht genug auf die ¥olksvermehrung und auf das Fortsehreiten des Industrial/sinus zuriickgefiihrt werden k6nnen. Auf die Interdependenz der verschiedenen Periodeu braueht keine Rfick- sicht genommen zu werden. Die Saisonvariation ist ohne Schwierigkeit als eine direkte Wirkung des Wechsels der Jahreszeiten erkl~rt worden. Also bleibt der Konjunkturzyklus /ibrig.

Bei einer objektiven Pr/ifung der Genesis und der Eigenart der statischen National~konomie scheint es nicht verwunderlich, dab die Konjunkturtheorie das Sorge~klnd der Wissenschaft wurde. Diese gleiehm~BJgen Ver~nderungen konnten ernsthaft nicht zuf~Uige St~rungen in einer allgemeinen Tendenz zum Gleichgewieht genannt werden, und doch muB es dem Forscher, der sein seh6nes Systemgeb~ude auf dem Grund der Unverknderliehkeit baute, sehr naheliegen, zum SehluB die Konjunkturbewegungen als St~rungsph~nomene mlt auBerhalb des Systems liegenden Ursachen zu behandeln. Von dieser Problemstellung stammen aUe Vorschl~ge, die Konjunkturwoge als Resultat einer einzelnen St6rung zu erkl&ren, die ihre Wirkungen in weitere Kreise spritzte, als Folge unrichtiger Zukunftsseh~tzungen oder als na~/irliche Wirkung ge&nderter &uBerer Voraussetzungen, dureh technisehe Fortsehritte oder Erntevariationen.

Die meisten Konjunkturerkl~rungen, die gegenw~rtig als der Wahrheit am n~chsten stehend betrachtet werden, sind jedoch Versuehe, die Konjunkturvariation in die Gleichgewichts6konomie hineinzuarbeiten. A ~riori sind sic fo]glich ,,endogene", nicht ,,exogene" Kon~unktur- theorien. Es ist jedoch nieht zu verwundern, dab es nie gegliickt ist, eine Briicke yon der statischen Darstellung zu der beigef/ig~en Kon- junkturerkl&rung diesen Linien gem~B zu bauen, denn wie sell man sich denken, dab eine zeitraubende periodische Erseheinung innerhalb des Rahmens eines zeitlosen Gleichgewichtszustandes erklkrt werden kann ? Eine noch entferntere Stellung im Verhkltnis zur statischen (~konomie nehmen die Konjunkturerkl~rungen ein, die sieh auf die getrennte Re- aktionsgesehwindigkeit versehiedener Faktoren gr/inden, wodurch die so ents~andenen Zeitdifferenzen AnlaB zu einer zylr|i~chen Bewegung geben. Dieser gauze Gedankengang ist ja dynamiseh und kann auf keine Art in den statischen Rahmen eingefiigt werdenl).

~) Vgl. L~we, A.: Wie ist Ko~unkturtheorie ~berhaupt m~glich~ Weltwirtschaftl. Arch., S. 163. Oktober 1926, sowie einen sehr instruktiven Artikel yon Kuznets , S.: Equilibrum economics and business cycle theory. Quart. Journal of Economics, S. 381. May 1930. Siche aueh O. Morgen- s terns durchaus interessantes Kapitel: ,,Theorie der Prognose" in ,,Wirt- schaf~sprognose", Wien. 1928.

Dynamische Wertprobleme 591

Natiirlich hat die obige Pr~ung es nicht auf eine Kritik der Re- sultate abgesehen, die die Konjunkturforschung und iiberhaupt die theoretische National6konomie bei der Erkl~rung der Konjunkturwoge innerhalb der statischen Konstruktion - - oder als ein fiir dieses irre- levante St6rungsph~nomen - - gewannen. Start dessen haben wir versucht nachzuweisen, da6 eine logisch unantastbare Konjunkturtheorie nur auf der Pr~misse beruhen kann, dab die statische Konstruktion den Zustand der 5konomischen GeseUsehaft in einem gewissen Augenblick angibt, womit allerdings verschiedene Aufgaben fiber die wahrscheinliche Mit- wirkung dieser Faktoren in der Zeit folgen. Die dynamisebe Konstruktion gibt dagegen ein Bild yon dem Verlauf, der sich in der Zeit abspielt - - nachdem die statischen Voraussetzungen angegeben sind - - und die Deutung der Konjunkturwoge liegt innerhalb dieser sp~teren Konstruktion.

Damit haben wir unseren ~berbliek fiber den Zusammenhang Statik--Dynamik abgeschlossen und k6nnen uns nun ganz auf die Aufgabe und auf die 1Kethodik der dynamischen Konstruktion ein- stellen, we|che der Gegenstand des vorliegenden Aufsatzes ist. Damit diese Gedankeng&nge in ihrem richtigen Licht hervortreten, mag jedoch nachtr~glich folgende aUgemeine Anmerkung hinzugefiigt werden. W~re die oben angefiihrte Aufteilung der Statik und der I)ynamik wirklieh ein richtiger Ausdruek fiir die Auffassung, die nun im Begriff steht, sich ihren Weg zu bahnen, so k6nnte man sich denken, dab wir uns gegen die mehr oder minder vollst~ndige Dynamisierung der Theorie wenden. ])as Gleiehgewichtssystem der Statik sail ja im Innersten davon ab, eine Norm fiir die allgemeine Interdependenz der 6konomisehen Faktoren und deren innewohnende Tendenz, eine St6rung des Normalniveaus zur Anfangslage zuriickzufiihren, zu geben. Wiirde die Statik in eine systema~ische Beschreibung der 6konomischen Voraussetzungen ver- wandelt werden, - - also yon einem Zustand w/~hrend eines gewissen Augenb]ickes - - , so muB schlieBlich die I ~ a m l k die Deutung aller national6konomischen Probleme im eigentlichen Sinne iibernehmen. Unsererseits werden ~ hervorheben, dab es Grund zu geben scheint, sieh der Forderung naeh einer kombinierten statischen und dynamischen Behandiung anzuschlieBen, da die Statik und die Dynamik den oben stehenden Linien gem~B definlert-werden; die Behandiung der 6konomischen Wirktichkeit effordert immer eine zusammenh~ngende Rekonstruktion sowohl der Voraussetzungen als auc]i deren Zusammen- spiel w~arend gewissen Zeitabsehnitten. Da indessen die Voraussetzungen oder die verschiedenen Faktoren der Gesellsehaftsstruktur sich ~ndern, wird es notwendig sein, sobald die dynami,~che Untersuehung sich tiber eine lange Periode erstreckt, auf die Ver~nderung der Voraussetzungen Riicksicht zu nehmen. W~hrend es s ich be i der o r t h o d o x e n Me- rhode d a r u m hande l t , die V e r ~ n d e r l i c h k e i t in das s t a t i s c h e G l e i c h g e w i e h t s s y s t e m e inzua rbe i t en , wi rd es, d iesem Ge- d a n k e n g a n g e gem~B, im Gegen te i l eine A u f g a b e sein, die d y n a m i s c h e K o n s t r u k t i o n pe r iod i sch fiir s t r u k t u r e l l e Ver- ~nde rungen zu kor r ig i e ren .

592 J. Akerman:

II. Dynamische Untersuchungsmethoden ~rie auBerordentlieh die Gleichgewiehts- und Kreislaufideen in der

theoretischen 0konomie festgewurzei~ sind, geht am besten aus der Tatsache hervor, dab der Versuch, mit dynamischen Formulierungen zu arbeiten, oft gepriift wurde, um mit den so gewonnenen neuen Kon- stanten das statische Gleichungssystem zu erweitern. Ebenso wie das statisehe Gleiehgewieht eine allgemeine Tendenz zum Ausgleieh zwischen den betreffenden Faktoren bezweek~, so zielt das dynamisehe Gleichgewicht auf einen Ausgleich innerhalb einer Bahn, die yon dem Spiel vcrschiedener Kr/~fte bestimmt wird. SchlieBlich handelt es sich nur um eine gewisse Stabilit/~t oder eine Gesetzm/~Bigkeit in der Be- wegung.

Ebenso wie das Verh~ltnis zwischen Angebot und Nachfrage den Ausgangspunkt fiir alle 6konomisehen ErSrterungen innerhalb der statischen Sph/~re ausmacht, ebenso natiirlich war es, dab man im Ver- h/£1tnis zwischen Angebot, Nachfrage und Preis fiir eine bestimmte Ware auf einem gegebenen Markte das erste Anwendungsgebiet fiir dynamisehe Forschungsmethoden fand. Wieder ist J e v o n s , der VorgKnger, indem er die Hoffnung ausgesprochen hat, dal~ man zu statistiseh bestimmten Nactffragekurven gelangen wfirde, welche also den wirklichen Ver/~nderungen in der Zeit entsprechen wiirden. In- wiefern man wirklich diese erwfinsehten Ziele reaEsieren k6nnte, werden wir nun prfifen, um uns dann zu fragen, ob nieht die Idee des d~mami- schen Gleiehgewiehtes eine generellere Methode erheiseht.

Der Pionier auf diesem Gebiete war, wie bekannt, der amerikanische Nationalfkonom H. L. N~ooreX). Ebenso wie J e v o n s epochebildender Einsatz auf den Gebieten der Kapitaltheorie, der Wertlehre und der induktiven National6konomie, oft durch seine unbest/~tigte Hypothese fiber den Zusammenhang der Krisen mit dem Auftreten der Sonnen- flecke beeintr/~chtigt wurde, so ist Me ores sehr bedeutungavolle Forscher- ta t auf dem Gebiete der statistiseh bestimmten Naehfragefunktionen bis in die letzten Jahre yon seiner unbegrfindeten meteorologischen uncI agrarischen Konjunkturtheorie verhfillt wordcn.

Wir werden hier nur die prinzipiellen Probleme der Mooresehen Lebre zur Spraehe bringen, welche fiir eine Beurteilung der Frage, ob es wirklich gelingt, eine dynamische Approximation zustande zu bringen, entscheidend sind. Wir mfissen daher annehmen, dab die wichtigsten Arbeiten auf dem Gebiete bekann$ sind 9.), um uns unmittelbar auf eine Diskussion des ffihrenden Gedankenganges einstellen zu k6nnen.

Y[oores ,,law of demand" geht, wie bekannt, darauf aus, dab man aws der Statistik fiber Preis und Produktion einer Ware w~hrend einer Reihe yon Jahren die typische Nachfragekurve dieser Ware heraus-

1) Sieh'e seine Arbeiten: Economic cycles, Kap. IV. 1914; Fore casting the yield and price of cotton, 1917, und Synthetic economies, 1919.

2) Wir haben es zun~ehst auf die unten angefiihrten Arbeiten yon Moore, Schul tz , Elmer W o r k i n g un~ L e o n t i e f abgesehen.

Dynamisehe Wertprobleme 593

reehnen kann. Die Kumbination yon niedriger Produktion und hohem Preis, hoher Produktion und niedrigem Preis sollte aus aprioristischem Grunde die Regel sein, da s i e - laut Marshal l - - die t~ische, fallende 'Nachfragekurve enth~lt. Were man also zun~chst nachforscht, ist der Elastizit~tskoeffizient ftir die genannte Ware w~hrend der gegebenen Periode - - also die Relativzahl, die angibt, um wieviel Prozent die Naehfrage steigen wird, wenn der Preis um 1% f~llt; dieses also unter der Voraussetzung, dab es sieh um eine sogenannte typische Kurve mit negativem Elastizitiitskoeffizienten handelt.

])as Resultat beruht aber ganz und gar auf der statistisehen Methode, die den Grund zu der Bereehnung legt. Man kSnnte unserer Meinung naeh die Forderung, dal3 jeder mathematisehe ProzeB, durch den man das Prim~rmaterial passieren l~Bt, 5konomiseh erkl~r~ werden muB 1), als Leitstern fiir diese Arbeit nehmen. Die Deutung der statistisch bestimmten Naehfragekurven wird sehon wegen so vieler dunkler Punkte beeintriichtigt, dal3 man Schwierigkeiten durch 6konomiseh nicht rele- vante Umreehnungen nicht hinzuzufiigen braucht.

Bevor wir auf die Deutung der erhaltenen Nachfrage- und Angebots- kurven - - am Anfang spreehen wir nur yon der ~Naehfragekurve - - eingehen, wollen wir uns die verschiedenen, 5konomiseben und stati- stisehen Probleme, die sich auf dem Wege zur Konstruktion der ge- suehten Kurven aufstellen, notieren. Es sind in der Tat viele Scheide- wege, die den Forscher vor wiederholte Wahlen stellen.

E r s t ens muB man die ,,~uBeren" und die ,,inneren" Ursachen trennen, die auf die gesueh¢~ Funktion einwirken kSnnen. Mit ~u~eren Ursachen meinen wir solehe, die die Voraussetzungen fi~ das Zusammen- spiel zwischen Naehfrage, Angebot und Preis ~ndern. Von diesen kSnnen wir die Mengenziffern in Hinsicht auf die Einwirkung der Volksver- mehrung dureh Berechnung der per-capita.Ziffern korrigieren; der Preis kann ebenso dureh Division mit der Engros-Indexzahl fiir dieselbe Zeit zum Realpreis verwandelt werden. Aber eine Korrektur solcher struktureller Ver~nderungen, wie die Ausdehnung des Produktions- apparates, technische und kommerzieUe Fortschritte, sowie Gesehmaeks- ver~nderung, ist bedeutend sehwerer und bis jetzt noeh nicht ver- sueht worden. Man muB auf jeden Fall annehmen, da~ man naeh der Korrektur yon den ~u6eren Ursachen absehen kann, und dab die Preis- quantit~tskombination aussehlieBlich yon einer inneren Ursacbe, n~mlich yon der fiir die Ware, die Zeit und den Markt eharakteristisehen Nach- fragekurve mit ihrer Lage und Einstellung (Elastizit~t) abh~ngig ist.

Sehon yon Anfang an mul~ man also zu der ~u~erst wichtigen Frage fiber die Eliminierung der Zeit Stellung nehmen. Bereits dieser Ausdruck scheint inWiderspruch zu stehen mit dem, was die ganzeMethode bezweckt, n~mlich ein Studium der Nactffragefunktionen unter dynamischen Ver- h~ltnissen, da ja die Zeit notwendigerweise einen Bestandteil bflden muB.

1) Laut Leontief , W.: Ein Versueh zur stat~stisehen Analyse v o n Angebot und l~achfrage. Weltwirtsohaftl. Arch., II, S. 4, not. 3. 1929.

Zet t sch r . f . Na~iona l6konomie , I I . Bd . , 4. H . 38

594 J. /~kerman:

t i ler wollen wir nur hervorheben, dab die Korrekt ion fiir die ,,Zeit" eigentlich eine Korrekt ion der betreffenden S~kularlinien, um welehe sieh die Quantit~ts- und die Preisvariationen verteilen, bezweckt. Da man bis jetzt in der Regel das Material yon Jahresfrequenzen behandelt hat, ist die Saisonvariation automatisch ausgeschaltet worden, und die Schwankungen, die man so in der Ta t studiert, sind die konjunktu- rellen. Wir werden im folgenden die Konsequenzen dieses Verfahrens diskutieren und auch die Frage, inwiefern der so erhaltene Ausdruek fiber die Art der l~achfrage wirklieh als dynamisch bezeichnet werden kann und die untersuchte Periode deutet.

Was die Methode fiir Zeitkorrektionen anbelangt, so hat man zwei Wege zu w~hlen, welche beide zum ersten Male yon M o o r e betreten wurden. Entweder kann man jede Ziffer als Relativzahl im Verh~ltnis zu der vorhergehenden als , l ink relatives" ansdriicken, oder man kann auch mit der Methode der kleinsten Quadrate eine S~kularlinie oder S~kularkurve hine'mlegen und bes t immt die Abweiehungen yon diesen ,,trend-ratios"1). Mit Korrelationsmethoden wird dann ganz einfaeh die Regressionsgleichung, die den fiir den Zeitfaktor korrigierten Zu- sammenhang zwisehen den beiden Serien ausdriickt, bes t immt ; der Elastizit~tskoeffizient geht aus der Neigung der Regressionslinie hervor. Will man gleichzeitig die Einwirkung anderer Faktoren auf die Nach- iragekurve und auf den Preis der in Frage kommenden Ware - - z. B. den Preis des Schweinefleisehes und die Einwirkung der Fleischpro- duktion auf die Naehfrage und auf den Preis fiir Lammfleiseh - - be- stimmen, so gesehieht das mittels der Methode tier mehrfachen Korre- lation~). Dadureh wird die Prognose, die mittels des Elastizit~ts. oder Korrelationskoeffizienten mSglich gemaeht wird, noch bestimmter.

Z w e i t e n s muB man zwisehen der Elastizit~t und der Variabilit~t der Nachfragekurve unterseheiden. Die Naehfrage nach einer Ware kann elastisch genannt werden, wenn bei einem gegebenen Zeitpunkte eine kleine Preisver~nderung eine starke NaehfrageerhShung zur Folge hat, soUte aber variabel genannt werden, wenn die Nachffagekurve die Tendenz hat, unregelm~13ig hin- und herzuriickenS). Eine gleich-

1) Die erstgenannte Methode wurde zuerst yon Moore in Economic cycles (1914) angewenclet, die letztere ebenfalls zuerst yon Moore in dem Artikel: Elasticity of demand and flexibility of prices. Journal of the American Statistical Association, M~rz 1922. - - Beide Methoden wurden ein- gehend yon H. S chu l t z in tier Standardarbeit dieses Gebietes: Statistical laws of demand and supply. Chicago, 1928 diskutiert und exemplifiziert. Holbrook W o r k i n g hat in dem Aufsatz: The statistical determination of demand curves, Quart. Journal of Economics, S. 503. 1925, dieselben Methoden vorgeschlagen.

2) Siehe z. B. Moore: Forecasting the yield and the price of cotton (zit.) sowie Ezek ie l , M.: A statistical examination of factors related to lamb prices. Journal of Political Economy, S. 233. 1927.

~) Vgl. Work i ng , Elmer: What do statistical demand curves show? Quart. Journal of Economics, S. 212. 1927.

Dynamische Wertprobleme 595

m/~l~ige Versehiebung der Nachfragekurve nach der einen Riehtung beruht nieht auf der Variabilit/~t, sondern auf strukturetlen ~nderungen innerhalb der Produktion, innerhalb der BevSlkerungsbewegung oder der betreffenden Konsumgfiter.

D r i t t e n s ist es nStig zwisehen Nachfrage- und Angebotskurven zu unterseheiden. Solange man sieh auf der deduktiven Ebene bewegt, ist es nieht schwierig, nachzuweisen, wie das dynamische Gleiehgewieht den Schnit tpunkt zwisehen den Naehfrage- und den Angebotskurven erreicht. Hier kann man unbehindert dynamische Gleichgewichtskurven konstruieren, indem man die Schnittpunkte, die man dureh eine Serie yon Angebots- und Nachfragekurven fiir ver- schiedene Zeitpunkte erh/~lt, miteinander verbindet. Wenn es sich aber datum handelt, diese Verh/~ltnisse mi t statistischem Material zu be- leuchten, so erweist es sieh als aul3erordentlieh schwierig, getrennte Daten ffir das Angebot und fiir die Naehfrage zustande zu bringen. In der Tat kann man fiir die Waren, die einen standardisierten Markt haben - - n/~chst den wichtigsten, vegetabitischen Stapelwaren - - nur die Produktionszfffern, sowie im besten Falle erg/~nzende Angaben fiber die GrSl3e des Lagers erfassen. Man mul3 als Regel annehmen, daB die Produktion mit der Konsumtion 1) zusammenf/~llt, und folglich Aufkl/~rung fiber das Angebot aus denselben Daten suchen, die ffir die Naehfrage gelten. Dies kann unter der Annahme gesehehen, dab die Produktion w/~hrend jedem Jahre eine Ftmktion yon Preisen yon vorhergehenden Jahren ist - - oder riehtiger, daft die Produktions- /~nderung eine Funktion von Preis/~nderungen vorhergehender Jahre ist~). Eine hohe negative Korrelation zwisehen Quantit~ts- und Preis- d a t e n - beispielsweise Senkung des Zuckerpreises bei vermehrter Zuckerproduktion und Steigerung bei vermindertem Angebot - - gibt folglieh den Naehfragetyp fiir Zucker in der fraglichen Periode an. Wenn jetzt dieselbe Serie mit der um ein Jahr vorgesehobenen Pro- duktionsserie korreliert wird, so bekommen wir eine hohe positive Korre- lation, welche bedeutet, dab das Angebot eine Funktion des Preises ist. Damit haben wir folglich auch den Angebotstyp des Zuekers ffir dieselbe Periode bekommen. Soll man eine solche ausgepr/~gte Korre- lation mit entgegengesetzten Zeichen durch einen einfachen Zeitvorschult der einen Serie erhalten, so setzt dies voraus, dal3 beide Serien dieselbe gleichm/~13ige Periodenl/~nge haben. Das ist in der Tat bei einigen der wichtigsten landwirtschaftlichen Produkte der Fall, denn dort herrseht

1) Vgl. Rieei, U.: Die synthetisehe Okonomie yon Henry Ludwell Moore. Zeitsehr. f. NationalSk., Bd. 1, S. 649.

~) Moore hat in dem Artikel: A moving equilibrum of demand and supply. Quart. Journal of Economies, S. 367. 1925, ,,the lag method" vor- geschlagen, um die Angebotskurve for Kartoffeln zu bestimmen. Sc h u l t z (oben zi¢iert 1928, S. 136) und M. Ezek i e l haben in ,,Statistical Analyses and the laws of prices". Quart. Journal of Economics, S. 199. 1928, dieselbe Methode angewendet. Keiner der drei Verfasser hat jedoeh dem Preis die Rolle eines t~tigen Faktors zugemessen; siehe unten.

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596 J. /~kerman:

die Zweijahrsperiode; mit anderen Worten, es gibt eine deutliehe Tendenz fiir alternierende gute und sehleehte Erntejahre und dies deshalb, well die Preissteigerung Arealzunahme und die Arealzunahme Preissenkung hervorruft. Diese Methode, die Naehfragekurve zu bestimmen, effordert folglieh viele spezielle Bedingungen.

V ie r t ens muB man zu der auBerordentlieh wiehtigen Frage Stetlung nehmen, inwiefern die untersuchte Ware der oft als aprioristisch an- gesehenen Regel, daB die Nachffagekurve negativ geneigt sein muB, folgt. Einer der elementaren Siitze der statischen Theorie besagt, daB niedriger Preis und groBe Nachfrage, hoher Preis und niedrige Nachfrage zusammengehSren. Aus der 5konomisehen Statistik geht jedoch hervor, dab man w~hrend der Konjunkturbewegung in der Regel positiv ge- richtete Nachfragekurven hat, daB Produktions- und Preiskurven mit anderen Worten positive Korrelation zeigen. Dieses ,,Konjunktur- paradoxon" ist in der Tat so allgemein giiltig, daB es - - wenn man die monopolistische Preisbildung auBerhalb l~Bt - - nur die landwirtsehaft- lichen Produkte sind, die einigermaBen auBerhalb des Rahmens fallen: die Produktions- und die Preiskurven der landwirtsehaftlichen Produkte zeigen in der Tat eine eigentiimliche Kombination yon Bewegungen des industriellen, yore ,,Konjunkturparadoxon" gelenkten Zyklus, und den ,,norrnalen", der statischen Theorie entspreehenden Verschiebungen, wetche sieh auf Grund des Zusammenhanges zwischen AnbaufFaehen und Preisiinderung in einer Zweijahrsperiode ergeben.

Zu diesem Umstand kommt auBerdem der au~rordentlieh wiehtige Tatbestand, daB der Zusammenhang zwisehen Preis und Angebot bzw. Naehfrage, mit den ver~hiedenen Phasen der Konjunktur stark variiert, und dab man bei den oben zitierten Untersuehungen schlieBlich auf die Schwankungen der Verteilung, der GrSBe tier Kapitalbildung und tier Warenlager keine Rfieksieht nehmen konnte. Das Angebot wird folglieh als totales und effektives Angebot, die Naehfrage als totale und effektive Nachfrage betrachtet.

Fassen wir alle die unentschiedenen Fragen, die unter den oben genannten vier Punkten dargelegt sind, zusammen, so geht daraus deutlieh hervor, daB die statistiseh bestimmten Nachfragekurven sich nut in geringem Grade yon dem Gedankengang der statisehen Approxi- mation losmachen kotmten. Die Frage ist also zunachst die: In weleher Hinsicht kann man sagen, dab sie sieh der dynamischen Approximation genahert haben ?

Marshal l , der ja auf diesem Gebiete die ganze statisehe, neo- klassisehe Anschauungsart reprasentiert, sah vollkommen ein, daB seine Nachfragekurven hypothetisch seien. Sie geben einen Ausdruek fiir gedachte, alternative Wahlhandlungen unter der Voraussetzung, dab alles und zuni~ehst die ,,Zeit" unverandert bleibt, wahrend die Nach- frage bzw. das Angebot wechselt und seinen Zusammenhang mit dem Preis zeigt. Zu den neuen ,,statistisehen Nachfragegesetzen" ist man ja in der Regel auf die Art gekommen, daB man die sakulare Tendenz

Dynamische Wertprobleme 597

beseitigt und damit auch einen grollen Tell des Zeitmomentes eliminiert hat. Die ,,routine of change ''1) wird danach analysiert, um aus der- selben die fiir die ganze Periode e h a r a k t e r i s t i s c h e Nachfragekurve mit dem dazugehSrenden Elastizit/~tskoeffizienten zu erhalten. Dieser Prozell liegt der ganzen Umsehreibung yon W a l r a s ' und P a r e t o s Gleiehungssystem dureh Moore zugrunde. Er will damit den er- wiinschten Zielen dieser Vorg/~nger, in jede Gleiehung den Zeitfaktor einzufiihren, n/~herkommen und dadureh das System dynamisieren: synthe¢isehe 0konomie wiirde folglieh ,,sowohl deduktiv und induktiv als aueh dynamisch, positiv und konkret ''2) werden.

Wie sehon die vorhergehende Diskussion durehblieken hell, kann indessen mit Bestimmtheit gesagt werden, dall es Mo o re nieht gegliickt ist, das Gleiehungssystem der mathematischen Sehule im eigentlichen Sinne dureh Einfiihrung der st/~ndig variablen 3) Zeit, zu dynami- sieren. Dies wiirde das Hineinarbeiten der Zuwaehs- und der Reaktions- gesehwindigkeiten aller Faktoren bedeutet haben - - eine bei unserer jetzigen mangelhaften induktiven Erkermtnis des 5konomisehen Lebens sehwindlig machende Aufgabe. Dagegen kann man behaupten, dall Mo o re einen sehr bedeutungsvoUen Sehritt in die Richtung zu einer Konkreti- sierung der station~ren Theorie getan hat, und dall diese zu einem kleinen Tefl dadureh i n t e r m i t t e n t oder komparativ dynamiseh wurde.

Es ist nunmehr durch L e o n t i e f s 4) und S e h u l t z '5) Arbeiten kIargelegt worden, dal~ die Bestimmung yon Nach~agekurven und des Elastizit/~tskoeffizienten aus 5konomisehen Zeitserien und fiir eine ganze Periode sich auf der Annahme irgendeiner normalen oder sekul/~ren Linie griinden mull, um welche die Quantit/~ts- bzw. die Preiszahl schwanktS). Wenn man, wie L e o n t i e f , yon der Originalzahl - - oder yon deren Logarithmen - - ausgeht, wodurch die proportionalen ~nderungen einen konstanten Ela~tizit/~tskoeffizienten geben, so wird das Problem ganz unbestimmt. L e o n t i e f kommt nur dutch den Kunst- grill, das prim/ire Material in zwei H~lften zu teilen und anzunehmen, dab das Kurvenpaar (Nachfrage- und Angebotskurven), das fiir beide H~lften gemeinsam ist, wirklieh fiir die ganze Periode repr~sentativ

1) Siehe Sehul tz , H.: Der Sinn der statistisehen Naehiragekurven, S. 36 his 39. Bonn. 1930.

3) Synthetic Economies, zit. S. 6. 8) Dies ist mit mehr oder weniger Seh~rfe in beinahe allen - - iibrigens

durchwegs griindliehen und sehr anerkennenden - - Rezensionen yon ,,Syn. thetie economies" hervorgehoben worden. Siehe U. Ricei in der Zeitsehr. f. ~ational6k. , Bd. I, S. 649; G. d e l V e e e h i o in Giornale degli Eeonomisti. Juli 1930; 0. W e i n b e r g e r in den Jahrb. f. National6k. u. Statistik, Februar 1930; M. E z e k i e l in Quart. Journal of Economies, August 1930; P. G. W r i g h t in Journal of Political Economy, Juni 1930.

4) Oben zitiert. 6) Der Sinn der sta~as" tisehen Naehfragekurven, zit., S. 84 his 97. 8) Eine andere Saehe ist es, dab die Bestimmung der Elasfizit~ts~nderung

yon einem Z e i t p u n k t zu einem anderen keine solche Bereehnung der s~kuliiren Little orfordert. Siehe unten fiber die ,,Intensit~t".

598 J. ~kerman:

ist, zu einer bestimmten L6sung. Das Resultat dieser Reehnung wird auBerdem notwendig, weil die sgkulgren Vergnderungen in der Regressions. linie, die den regul~ren Zusammenhang der Ursachen zwischen Quantitgt und Preis ausdriicken solI, mit inbegriffen sin& Soll man folglich zu einem ,,law of demand" kommen, so muB man das primgre Material ffir die s~kulgre Steigerung, die nichts direkt mit dem Zusammenhang der Ursachen zu tun hat, korrigieren und auch die Mengenziffern zur per-capita-Zahl und die Preisangaben zum Realpreis durch Division dureh die altgemeine Preisindexzahl umreclmen.

Anderseits hat man in der letzten Zeit deutlich eingesehen, dab eine Berechnung des wirklichen Zusammenhanges zwischen simultanen Preis- und Quantitgtsziffern die Zeit, d. h. die sgkulgren .ifmderungen, einbeziehen mug, wenn das Resultat Anspruch darauf erheben will, ein Ausdrnek ffir dynamische Vergnderungen zu seinl). Es ist allerdings richtig, daB, wie Schul tz sagt, der ngchs te direkte Zusammenhang der Ursachen zwischen Quantitgt und Preis ein reversibler kurzfristiger Zusammenhang ist, wghrend die langfristigen 21.nderungen aus irre- versiblen sgkulgren ~mderungen bestehen, die deshalb nach seiner Meinung auszuschalten sind. Abet weder Schul tz noch Moore haben eingesehen, dab es I n t e r d e p e n d e n z e n zwischen ku rzen und langen Pe r ioden gibt, zwischen den sgkulgren Tendenzen, die man ausschaltet, und den kurzfristigen Versehiebungen, die man dar. zustellen wiinschtS). Es ist riehtig, wie Schul tz hervorhebt, dal3 Leon. t ier mit seinen unkorrigierten Daten --ebenso wie die Neo-Klassiker jede beliebige Angebots- und Nachfragekurve anerkennen kann und folglich das Grundprinzip der Lausanner Schule iiber die Nachfrage nach einer einzelnen Ware als nieht bloBe Funktion dieses Preises, sondern al ler Preise ablehnt. Es kann aber gerade Moore und Schul tz gegen- fiber mit ebenso groBem Recht eine kongruente Einwendung gemacht werden: Sie nehmen an, dab die Nachfrage fiir die untersuchte Ware eine partielle EIastizitgt babe, die sich wghrend der ganzen behandelten Periode konstant verhglt - - eine Annahme, die sowohl gegen Walras ' System als auch gegen die Forderung der Dynamik spricht3).

1) Siehe Staehle, H.: Die statistisehe Analyse you Angebot und Naeh- frage und die Klausel veteris paribus. Weltwir~seh. Arch., S. 135. Juli 1930, und Gilboy, E. W.: Demand curves in theory and practice. Quart. Journal of Economics, S. 601. August 1930.

2) Der interdependente Zusammenhang 6konomischer Perioden yon verschiedenen L~ngen ist ein fiihrender Gedanke in der Abhandlung des Verfassers: ,,Ore det ekonomiska livers rytmlk". Stockholm. 1928. Dieser Gedanke ist gleiehzeitig yon O. Morgenstern in Wirtsehaftsprognose, Eine Untersuchung ihrer Voraussetzungen und MSgliehkeiten, 8. 52. Wien; J. Springer. 1928, dargelegt worden.

3) Dieses ist yon V. Morett i in: Sopra aleuni probleml di dinamiea economica, Giornale deg]i economisti, S. 449. 1929 sowie yon t~I. Ezekiel in seiner instruktiven Rezension yon Moores: Synthetio Economics, Quart. Journal of Economics, August 1930, hervorgehoben worden.

Dynamische Wertprobleme 599

Auf rein deduktivem Wege kann man, wie es oft dargestellt wurde, die Naehfragekurve dadureh dynamisieren, indem man sie l~ngs der Zeitskala gleiten l~Bt. Graphisch kann man dies mit einer dreidimen- sionalen Konstruktion, in weleher man die Zeit l~ngs der X-Aehse, den Preis l~ngs der Y-Achse und die Menge li~ngs der Z-Achse auftr~gt, anschaulieh machen. Aber synthetiseh, dynamiseh und konkret ist eine solehe abstrakte Konstruktion nicht.

Naeh all diesen 5konomiseh-prinzipiellen und statistiseh.methodo- logischen Einwendungen, die verschiedene Arten, aber in gleich grol3er Ausdehmmg die versehiedenen Versuehe, statistisch bestimmte Nach- fragegesetze zu konstruieren, treffen, mag es seheinen, als ob dieser ganze Gedankengang aufgegeben werden sollte. So schleeht steht es jedoeh nieht. Man mSge sich erinnern, dab keine sehwerwiegenden Einwendungen gegen die yon Moore und Sehul tz und anderen gemachten Bereeh- nungen, in welehen sie eine Elastizit~t gelten lassen, die als typiseh fiir die ganze untersuehte Periode angesehen werden kann, gemacht werden konnten. DaB dieser synthetisehe Ausdruek ohne Sehwierigkeit gegen einen ,,mehr dynamisehen" ausgetauseht werden kann, erscheint uns wahrseheinlieh. Man kann, anstatt den Etastizit~tskoeffizienten nut ffir eine einzige Periode, z. B. 1875 bis 1925, zu bereehnen, ihn fiir jede der Perioden 1875 bis 1895, 1876 bis 1896, 1877 bis 1897 . . . . . . . . . 1900 bis 1925 berechnen. Dadureh wiirde man einen Ausdruek fiir die durehsehnittliehe ~nderung der Elastizit~t w~hrend der Jahrzehnte um die Jahrhundertwende erhalten, aueh wenn diese ~mderungen, streng genommen, nieht als wirkliche dynamisehe ~_nderungen in der Zeit bezeiehnet werden kSnnen, da sie sieh ja in erster Linie auf eine Abstraktion aus einem Tell der Zeitver~nderungen, n~mlieh den s~ku- l~ren, griinden und auBerdem nieht ffir getrennte Zeitpunkte, sondern ffir getrennte Perioden gelten.

Am allern~ehsten liegt wohl doeh eine Bereehnung der Ver~nderung der Menge und des Preises fiir eine und diesetbe Ware w~hrend jeden Jahres, wenn es sieh um Statistik yon Jahresfrequenzen handelt. Es ist in der Tat ein flagranter Beweis ffir die l~eh t der statistisehen Methode fiber die Forseher, dab man erst naeh Versuehen mit ,,laws of demand" fiber zeitlos georduete Daten einer ganzen Periode ein und ein halb Jahrzehnt na~hdaehte, ehe man die Ver- ~nderungen des Elastizit~tskoeffizienten yon Jahr zu Jahr zu untersuehen begannl). P igou hat neuerdings diese Koeffizienten ffir den Zueker- verbraueh in den Vereinigten Staaten bereehnet, hat aber sonderbarer- weise nieht den naheliegenden SehluBsatz, dab die Koeffizienten eine mit der Konjunkturbewegung zusammenfallende zyklisehe Ver'anderung

x) Dieses eigentfimllehe Verhalten kehrt in der ffir Konjunkturbeurteilung und ff~ Prognose angew~ndten 6konomisehen Statistik wieder. Wie selden finder man einen statistisehen Vergleieh fiber eine l~ngere Periode yon Pro- duktion, Preis uncl Lagerhaltung ein und derselben Ware vor, w~hrend Indexzahlen atler m6glieher Arten in st~ndig erh6htem Umfang publiziert werden.

600 J. Akerman :

zeigen, aufgestelltl). Die einzigen positiven Koeffizienten gelten den Krisenjahren 1893, 1896, 1900, 1904 und 1908/9, d. h. allen w~hrend der Periode vorkommenden Maximalpunkten des Prim~rzyklus mi~ Ausnahme yon 1907, das dafiir von den beiden folgenden Jahren repr~- sentiert wird. Die grSBten negativen Koeffizienten kommen in den krisenfreien Hochkonjunktursjahren 1895, 1898, 1903, 1905 und 1913 vor. Da der Elastizit~tskoeffizient fiir eine so ganz auf Konsum einge- stellte Ware, wie Zueker, diese konjunkturelle Ver~nderung zeigt, ist es selbstverst~ndlieh, dab Produktionswaren, wie FAsen und Kupfer, noch st~ixkeren Ausschlag geben mi~ssen. Untersuchungen fiir alle wiehtigeren Waren, diesen Linien entsprechend, scheinen nun erforderlieh zu sein, aber man muB da auch von den Mona t sz i f f e rn ausgehen, wenn man wirklich eine Konjunkturperiode yon nur drei- bis vierj~hriger Dauer analysieren will; und dieses, obgleich man die automatische Ausschaltung der Saisonsehwankungen, die sonst mit der Anwendung yon Jahresdaten einhergeht, nicht gewinnt.

Da wir nun einen ~berblick fiber die beachtenswerten Arbeiten erhalten haben, zu denen Moores ,,Synthetic economics" innerhalb kurzer Zeit Anlal~ gab, ist es angemessen, wiederum Moores Stellung zu den dynamischen Ver~nderungen zusammenzufassen, ehe wir eine andere LSsung vorschlagen. Erstens scheidet er eine s~kul~re Linie aus, die fiir ihn den Charakter des Normalpreises in bczug auf die Preise hat und den Charakter der Normalmenge in bezug auf die Produktion. Zweitens bewegen sieh urn diese s~kul~re Linie Abweichungen, deren gegenseitiges VerhMtnis yon einem, ffir die ganze untersuchte Periode geltenden I~Iachfrage- und Angebotsgesetze bestimmt wird; jeder Punkt in den Angebots- und Nachfragekurven entspricht folglieh einer MSgliehkeit zum Gleiehgewicht w~hrend der in Frage stehenden Periode, und deshalb wird dieser Zustand als bewcgliches Gleichgewieht bezeichnet. Drittens unterscheidet Moore Oszillationen, d. h. Ab- weichungen yon diesem bewegliehem Gleichgewicht. Um diesen Ge- dankengang an das Gleichungssystem der Lausanner Sehule anzuknfipfen, werden sowohl das bewegliche Gleichgewicht, wie aueh die Oszillationen yore Gesichtspunkt des partiellen und des allgemeinen Gleichgewiehtes aus betrachtet.

Es f~llt nun sofort in die Augen, dab diese drei Gruppen nicht ohne weiteres gleichgestellt werden kSnnen; die s£kul~ren Linien sind reine Zeitserien, das bewegliche Gleichgewieht ist ein zeitloses Gesetz, welches sieh auf die Abweiehungen von den s~kul~ren Linien grfindet, die Oszilla- tionen sind sehlieBlich zeitbestimmte StSrungsmomente oder Ab- weichungen yon dem beweglichen Gleichgewicht. Ebenso wie W. M. Persons ~) glaubt, die s~kul~ren und die Saisonschwankungen dutch

1) Pigou, A. C. : The statistical derivations of demand curves. Economic Journal, S. 397, Tab. II. 1930.

s) Review of Economics Statistics, Preliminary Volume I, Cambridge, Mass. 1919.

Dynamisehe Wertprobleme 601

eine Rechenmethode ,,eliminieren" zu kSnnen, so maeht auch Moore Versuche, bestimmte periodische Ver~nderungen des 5konomisehen Lebens als konstant zu fassen. ~bereinstimmend mit den Theoretikern, welche den Konjunkturzyklus mit ttinweis auf exogene Einflfisse erkl~ren, folgt M o o r e schliel31ieh Ri ear d o s Spuren, da er yon gegebenen Ausgangs- punkten aus die langfristigen Wirkungen gewisser Faktoren erkl~ren wfllZ). Das ist trotz allem die ceteris-paribus-Methode, die in neuem Kleid vor den Zuschauer tritt und man mull sieh ffagen, ob das 5ko- nomisehe Zusammenspiel ohne diese Hauptfigur fiberhaupt Leben bekommt.

Wenn wir nun yon den Pr~missen des statisehen Zustandes theo- retisehe Konstruktionen l~ngs der Zeitskala vorschieben wollen, so mfissen wir erst die Anhaltspunkte fiir eine derartige Konstruktion festlegen. In dem Grade, wie die statische Zustandsbesehreibung modern bleibt, bildet sie einen Grundpfeiler fiir die Brficke, die fiber den Strom der Zeit gesehlagen wird; mit dem Aussehen der WSlbung aber hat sic nur mittelbar zu tun. Sie erfordert darfiber hinaus von dem System der Federn, das in unserem Bild den Mechanismus des Uhrwerkes in Gang setzt, Kenntnisse der Kriifte, die in der Zeit wirken~). Das sind daher nicht einmalig, sondern ununterbrochen, nicht konstant, sondern variabel wirkende Kr~fte, die unseren dynamisehen Anhalts- punkt bilden.

Was wir nun als wertvolle Ausgangspunkte ffir die dynamisehe Theorie gefunden zu haben glauben, ist nichts anderes, als eine Dynami- sierung der ~ltesten Begriffe der ~ationalSkonomie, n/~mlich der Idee des ,,economic man" und der Gleichgewichtsidee. Der eine Begriff berfihrt folglieh die psycho log i sche Seite des Zusammenhanges und hier grit es, die zentraIe Einstellung zu den 6konomischen Ver/inderungen in der Zeit zu finden. Es kann schon jetzt angedeutet werden, daft diese Einstellung notwendigerweise an die Kapitaltheorie anknfipft, an die Abw/igung des Menschen zwischen Sparen und Konsumtion, zwischen Produktion ffir gegenw~rtige und zukfinftige Ziele. Der andere Begriff, die Gleichgewiehtsidee, war in der Tat bei den/~Itesten ktassischen Autoren semidynamisch; es war erst die mathematisehe Schule, die das Gleich- gewieht zu einem streng statischen Begriff verwandelte. Das dynamisehe Gleichgewieht, das wit hier besehreiben werden, ist im Grunde eine Pr/~zisierung der Mtesten Gleiehgewiehtsidee, die davon ausging, dab einem Ausschlag nach der einen Richtung bald yon anderen Kriiften entgegengewirkt wird, die einen Rfiekgang und vielleicht einen Ausschlag nach der entgegengesetzten Richtung hervorrufen. Exakt ausgedriickt, enth/~It dieser Gedanke nichts anderes, Ms wellenf6rmige 2~mderungen der Variationen: mit einem Wort, es ist die S inuskurve , die den Schlfissel zu dem Begriff des dynamischen Gleichgewichtes gibt. Ebenso wie die

1) Vgl. Kuznet~ S. : Static and dynamic economics. American Economic Review, S. 431. Sept. 1930.

3) Siehe oben S. 586.

602 J. /?~kerman:

harmonische Analyse noeh so komplexe Kurven in eine Serie Sinuskurven auflSsen karm, so hat es die dynamisehe Theorie auf eine Analyse ab- gesehen, die die wichtigsten Wogen unterseheidet mad deren verwiekelte Mitwirkung bestimmt. Folglieh gilt es nun zun~tehst zu unterscheiden, wie diese Wogen aufeinander wirken, darfiber hinaus aber die mehr oder minder exakten Faktoren zu bestimmen, die die Periodenl~nge und die Amplitude hervorrufen.

Inzwisehen soll erst der psychologisehe Einsehlag, d. h. der dynamisehe Wertbegriff, klar gemaeht werden, ehe wir mas an eine niihere Priifung der Bestimmungsfaktoren des dynamisehen Gleiehgewiehtes heranwagen.

HI. Der dynamische Wertbegriff Wenn wir nun den Wertbegriff zur Prfifung heranziehen, so kSnnen

wir nach der einen Seite die oft unbewul3te, normative Einstellung der Klassiker zum Wert, die in dem Weft der Arbeit wurzelte, beseitigen, aber anderseits den (~bertreibungen, die die Reaktion gegen diesen Irrtum hervorrief, ausweichen. W~enn man aus Fureht, den Irrtum der Klassiker zu wiederholen, das Wort ,,Wert" aus dem 5konomisehen WSrterbuch streichen will, so hat man in einem phantastiseh hohem Grad fiber das Ziel hinausgeschossen. Eine wertfreie BIationalSkonomie wird zu grol3en Teflen wertlos, deshalb, weft sie sich alles dessen beraubt, was mit dem mensehliehen Subjekt zusammenhi4ngt: wenn die Theorie das Verhalten des Menschen zu den 5konomiseh relevanten Tatsachen besehreiben soll, so wird die ganze Theorie leer und umn" teressant, wenu die psyehologische Grundlage, die Wertsch£tzungen, fehlen.

Betreffs des Wertbegriffes der s t a t i s e h e n Approximation kSnnte man sagen, dal3 alles, was als Var iab le in die Gleiehgewichts- g l e i chungen e ingeht , Wer t hat . Eine Einteilung des Wertbegriffes in Untergruppen ffihrte die Klassiker auf gef~hrliehe Wege und hat nunmehr meist dogmengeschiehtliches Interesse, obwohl aueh eine Kenntnis fiber den Sinn und das gegenseitige Verhalten des Ge. brauchs-, Sch~tzungs-, Kosten- und Tausehwertes notwendig ist, um die 6konomisch-psyehologischen ~berlegungen zu verstehenl).

Wenn es sieh datum handelt, die Stellung des Wertbegriffes in der dynamisehen Theorie zu untersuehen, so wiirde es sieh lohnen, yon dem Problem des Verh~ltnisses des Wertes zur Zei t auszugehen. Es kann n~mlieh geltend gemaeht werden, dal3 keine Wertschatzung gedaeht werden kann, die nieht zeitgebunden ist, - - dab das Wort,,Wert" folglich eine Zeitbestimmung erfordert. Teilt man die Zeit in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ein, so finden wir gleieh drei entsprechende Wertbegriffe: Kostenwert, Knappheitswert und Tausehwert. I)er Kostenwert ist ein historiseh-relevanter Begriff; er gibt die Tatsaehen flit die Buehffihrung, die auf die zukfinftige Preisbildung indirekt einwirkt~ die aber nieht als Unterlage ffir eine allgemeine Preisbildungserkl~rung

z) Siehe z. B. Walsh, C. M.: The four kinds of economie value, Cam- bridge, Mass. 1926.

Dyaamische Wertprobleme 603

angewendet werden kann. Der Knappheitswert wird, wenn er wirklich dem Sinne der Definition entsprechen sell und folglich weder auf den vergangenen 6konomischen Verlalff noch auf Antizipationen Riicksicht nimmt, ein rein imagin/~rer Begriff. Er hat nur in der zeitlosen, statisehen Konstruktion einen Sinn, we die Gleichgewichtslage unabh/ingig yon dynamischen ~nderungen besteht. DaB die elementare Wertlehre der Grenznutzentheorie als wirklichkeitsfremd in besonders hohem Grade hervorragt, beruht unzweifelhaft gerade auf dem Umstand, dab die Seh/~tzung der versehiedenen Wertdosen bei der Exemplifikation einen Zeitverlauf erfordert, obgleich die ganze Absch~tzung a priori momentan sein sell. In der Tat ist jedoch das ,,Knappheitsprinzip" der wertfreien Preisbfldungserkl/~rung ebenso imaginiir betreffs des Zeitbegriffes und dazu hohl hinsichtlieh des psychologischen Zusammen- hanges.

Nut der Tausehwert hat gleichzeitig praktisehen Sinn und theo- retisehes Interesse, aber es muB betont werden, dab ein groBer Teil dieses Interesses verlorengeht, wenn man yon dem relativen Tauschwert die Wertseh~tzung wegoperiert. Dieser Tauschwert sagt n/imlieh etwas aus fiber das Verh/iltnis zwisehen der Summe alter antizipativen Sch~tzungen ffir einen gewissen Nutzen und der Summe aller Seh/~tzungen fiir s/~mtliehe fibrigen Nutzen. Gleichzeitig wie dieser Tausehwert die relative Seltenheit des in Frage kommenden Nutzens ausdriickt, gibt er Ausdruek fiir die relative Sch~tzung dieses Nutzens; der Tausehwert stellt folglieh einen psyehologisehen Koeffizienten dar.

Wenn wh" uns der dynamischen Konstruktion zuwenden, k6nnen wir nur yon den Faktoren ausgehen, die direkt Produktion und Verteilung

wir nennen sie hier die Quan t i t /~ t s f ak to ren - - bestimmen, oder aueh yon den oben genannten psyeho log i schen Koef f i z i en ten . Wenn man sich bei dieser Konstruktion nicht auf ein ceteris-paribus stiitzen kann, wird es besonders wiehtig, wie die Entseheidung fiber diesen Punkt f/~llt, delta man hat keine Veranlassung, zu vermuten, dai] die beiden Gruppen der Ursaehen symmetriseh in der dynamischen Wirkliehkeit eingesehlossen sind. MAt anderen Worten handelt es sich darum, ob man die Quantit~ts/~nderungen oder die Versehiebungen der psychologisehen EinsteUung als prim/ire unterstellen sell. Unserer Meinung naeh ist der Versuch, ,,rein 6konomisehe" Er6rterungen na~htr~glich aueh mit psychologischen Bestimmungsfaktoren zu vervoUst/indigen, oft zu einem Versueh ausgeartet, die Here in das Baekrohr zu schieben, naehdem man vergessen hat, sie mater den Teig zu mengen. Man hat mit anderen Worten, das Gefiihl gehabt, daft die Triebfeder aus dem 6konomisehen Ablauf weggelassen wurde und dies oft deslmlb, weft die Nationa16konomie vet Probleme gestellt wurde, die mit unseren gegenw/irtigen psyehologisehen Kenntnissen unl6sbar erscheinen. Was die Effinder der sub]ektiven Wertlehre mit genia~em Seharfblick mit ihrer Konstruktion ausfiihrten, war ein Versueh, dem zukfinftigen, empirisehen Resultat der Psychologie mit deduktiven Annahmen vor- zugreifen. Diese Annahmen miissen sieh ihrerseits auf die 6konomisehe

604 J. Akerman:

Wirkliehkeit stfitzen, die die Psyehologie erkl~ren sollte. Es war einer erkenntnistheoretischen Richtung vorbehalten, auf den Zirkelschln~ in dieser ErSrterung hinzuweisen, aber in der Tat hat diese Kritik nur in einer Feststellung unseres gegenwi~rtigen Mangels an 5konomisehen und psyehologisehen Tatsachen gegipfelt, welehe die intuitiv geahnte Erkl~rung stiitzen kSnnten. Diese wenig konstruktive Kritik daft jedoch der fortsehreitenden Entwieklung der NationalSkonomie nieht im Wege stehen.

Ebenso wie die Margina]isten bei der statischen Konstruktion yon der psyehologisehen Reaktion - - also vom Subjekt und nieht yore Objekt im 5konomisehen Handeln - - ausgingen, so werden wir bei den dynamisehen Erkl~rungen erst die psychologisehen Koeffizienten be- handeln. In der Tat gibt es noch starkere Griinde, um innerhalb der Dynamik yon dem mensehtiehen Subjekt auszugehen, Ms innerhalb der Statik, und dies wird gleich klar, wenn man erw~gt, welehe Tausehwerte zuerst beaehtet werden sollen. In der Statik werden alle Gfiter innerhalb eines Augenbliekes getauseht und irgendeine Wahl, die die Zeitbeurteilung in sieh sehlieBt, kommt nicht vor; will man also den Produktionsfaktor mitnehmen, der die Zeit zur Dimension hat, n~mlieh das Kapital, so muB man ganz begriffswidrig mit ,,Kapital- disposition" reehnen. In der Dynamik handelt es sieh dagegen aus- schlieBlieh um zeitgebundene Tausehwerte; man kann sagen, dab es kurzfristige nnd langfristige Gesiehtspunkte sind, die sich gegenseitig aufwiegen: der Konsum in der Gegenwart, der mit dem Konsum der Zukunft vergliehen wird. Schon diese Tatsaehe verweist die dynamische Konstruktion in erster IAnie auf die psychologisehe Seite der Kapital- theorie. Das 5konomische Zeitproblem ist in allem wesentlieh mit der Sch£tzung der Zukunftsgfiter, im Verh~iltnis zur L~nge der Produktions- umwege, dem Konsumtionsprogramm der Gegenwart verkniipft, ja auch die Verteilung ist mit dieser Seh~tzung unauflSsbar vereint. Inner- halb der dynamischen Konstruktion die ,,wertfreien" Konstruktionen anzuwenden zu versuehen, ist vollkommen ausgeschlossen und schon ein erster ~berbliek fiber die hierher gehSrenden Probleme hat uns gezeigt, dab die psyeho log i sche Mot iv i e rung des Tansehwer t e s i n n e r h a l b der D y n a m i k u n v e r m e i d l i e h ist.

Wie F e t t e r 1) sagt, gibt es eine Grenze, einen Ann~herungswert fiir das Verh~ltnis zwisehen gegenw~rtigem und zukiin~tigem Konsum und dieser Ann~herungswert ist der Kapitalzinssatz. W~re es so, dab der Zinssatz nur auf dem Verh~ltnis zwisehen gegenw£rtigem und zu- kiinftigem Konsum beruhe, wie es jeden Augenbliek behaup~et wird, so wfirden wit bier ohne weiteres unseren gesuchten psyehologischen Koeffizienten angetroffen haben. Aber der Zinssatz beruht auBerdem auf der gegenwartigen und zukiinftigen ProdukCAvitat: die Einstellung zur Zukunft ~ndert sieh im Verh~lmis zu der Gesehwindigkeit, womit

1) Principles of Economics, S. 159. 1904. Wie Fisher hinweist, heii~t es zwischen Kapi~alzins und Kapitalzinssatz streng zu unterseheiden.

Dynamische Wertprobleme 605

das neue Kapital zu schon vorhandenem Kapital hinzugefiigt wird. Um den Ausdruck des Zinssatzes fiir die psychologische Abw~gung zwischen Gegenwart und Zukunft rein zu erhalten, sollte dieser deshalb, wenn irgend mSglieh, um den Zuwachsprozent des Kapitals verminder~ werden. DaB eine solche Operation, die alle diese Abweichungen auf denselben Plan zuriickfiihren wiirde, nicht leicht durehffihrbar ist, ist indessen deuttieh genug. Der Zusammenhang zwischen Sparen und Kapitalbildung ist eine dieser 5konomisehen Tatbesti~nde, deren Kausal- zusammenhang nie als einseitig gerichtet betrachtet werden daft; man kann immer zweifeln, ob man das Pferd vor den Wagen oder den Wagen vor das Pferd spannen sollte.

Um wieder an die friiher erw~hnten Versuehe, dynamisehe Nach- fragekurven zu konstruieren, anzukniipfen, kSnnte man sich doch aueh eine andere Art denken, unseren psychologischen Koeffizienten zu bestimmen. Man wfirde z. B. das Verhaltnis der monatliehen Steigerung zwisehen Preis und Quantit~t berechnen kSnnen, - - ein Verh~Itnis, das an Stelle des Elastizit~tskoeffizienten gut als I n t e n s i t ~ t fiir Real- kapital, z. B. fiir typische Produktionsgiiter, wie Eisen, Stahl, Kupfer und Zement, bezeichnet werden kann. Diese InCensit~t, verglichen mit der Intensit~t fiir Konsumtionswaren, wiirde einen Ausdruck ffir die allgemeine Einstellung hinsichtlich der Produktion der Zukunftsgiiter geben: ist die relative Intensit~t der Produktivgfiter hoch, so ist die Wertsch~tzung des Zukunftsnutzens seitens der Gesellschaft aueh hoeh, ist sie niedrig, so ist diese Wertseh~,tzung auch niedriger.

Eine Bestimmung der Wertverbindungen zwischen gegenwiirtigen und zukiinftigen Giitern sowohl dutch Ablesung des Kapitalzinssatzes wie durch Bestimmung der relativen Intensit~t der Produktivgfiter diirfte maneherlei interessante Aufkl~rungen geben. Teils miiBte man da. dureh fiber den Zusammenhang zwisehen der Geld- und der Warensph~ixe in dieser Hinsieht zur Klaxheit kommen, teils miiBte sie Lieht auf alle die Faktoren werfen, die innerhalb der beiden Gebiete einen plastischen AnschluB an die Versehiebungen der Wertsch~tzungen verhindern. Da wir ja annehmen, dab unsere dynamisehe Untersuchungsmethode so kurzfristig ist, dab die stationiire Zustandsbesehreibung modern bleibt, so brauchen wir a priori auf strukturelle oder institutionelle -~nderungen nieht Rfieksieht zu nehmen. (Hier erhebt das ceteris-paribus wieder sein tIaupt). Die genannten hindernden Faktoren bestehen in erster Linie aus allen regulierenden Eingriffen in die Preisbildung: die monopolistisehe Preisbestimmung, die spekulative Warenlagerung, die UngleichheiV der Kreditgew~hrung usw. Nicht bloB betreffs des Zinssatzes, sondern auch bei Bestimmung der Intensit~t muI3 man jedoeh damit rechnen, dab die Versehiebungen der Produktivit~t allerdings auf die ~l~nderungen der zukfinftigen Sch~tzung einwirken, aber daft auflerdem die Variationen des Kapitalzuwachses selbst auf die Sch~i~zung der Zukunft einwirken.

Will man einen leichtfaBlichen und aUgemein giiltigen Indikator von dem Verh~ltnis des zukiinftigen I~utzens zu dem gegenw~r~igen

606 J. /~kerman:

Nutzen, so besteht kein Zweifel, dab der Kapitalzins der denkbar beste MaBstab ist. Vergleiche mit den Intensit£tsver~nderungen der Kapital- giiter sollten doch auf viele Arten die Variationen des Zinsniveaus ver- voUst~ndigen kSnnen. Im folgenden werden wir indessen nut den Zinssatz als den gesuchten Wertmesser, d. h. als den psychologischen Koeffizienten der Dynamik betrachten.

Nun kann jedoch eine Einwendung gegen die oben angefiihrte ErSrterung gemacht werden, indem man in Frage stellen kann, ob die ganze Gesellschaft an dieser wechselnden Absch~tzung der Zukunft teilnimmt. Es gibt also Konjunkturtheoretiker, die in den, den Unter- nehmer- und den Arbeiterklassen entgegengesetzten Interessen, also in erster Linie in der Einkommenverteilung, eine Erkl~ang der Kon- junkturverschiebungen und mittelbar auch des 8konomischen Gedeihens sehen. Abet die Schw~che dieser Erkl~rung liegt in der iibertriebenen Bedeutung, die dadurch dem Willensakt der Unternehmer zugemessen wird; so viel zeigt doch jedes Studium der Konjunkturverschiebungen, dab diese den C harakter st£ndig wiexlerkehrender Pendelschwingungen haben. Es scheint da nicht unberechtigt zu sein, als erste Approximation die ganze Gesellschaft als eine Einheit zu betrachten, die an dieser rhyth- mischen ~ber- und Untersch~tzung der zukiinftigen Bediirfnisbe- friedigungen teilnimmt.

Jeder, der die Dogmengeschichte der Konjunkturtheorie studiert hat, muB bemerken, dab der obige Gedankengang viel Gemeinsames mit der allgemeinen Konjunkturerkl~rung hat, die yon Af t a l i on 1) und B o u n i a t i a n 2) aufgestellt wurde. Unserer Meinung nach haben diese Autoren einen auBerordentlich wichtigen Beitrag zur Konjunktur- theorie geliefert, abet die soziale Wertlehre, yon der sie ausgehen, ist sowohl zu weitgehend, wie auch zu eng. Sie ist deshalb zu weitgehend, weft sie sich den Zwecken dieser Forscher gem~B einer spezieUen, de- taillierten Konjunkturerkl~rung anpaBt, aber sie ist gleichzeitig zu eng, um einen Grund ftir eine allgemeine, psychologische Auslegung tier dynamischen Ver~nderungen zu geben.

Fiir die dynamische Konstruktion ist es schlie~lich die psychologische Mot~vierung, die ins Zentrum rfickt~ die Variation der Sch~tzung des gegenw~rtigen und des zukiinftigen Nutzens, die der Verschiebung der Produktivi~t folgt. Wit werden nun sehen, ob wit hinter dieser psychologischen Variation irgendeinen objektiven Grund ffir die Va- riationen der Sch~tzungen entdecken kSnnen. Gibt es einen solchen, so ist irgendeine Verteidigung fiir die Methode, erst den dynamischen Wertbegriff zu entwickeln, um danach zu den Produktivit~ts~nderungen in der Zeit iiberzugehen, nicht nStig, denn in einem solchen t~alle ist

1) Aftalion, A.: Les erises l~riodiques de surproduction, I his II. Paris. 1913.

~) Bounia t ian: Les crises 6conomiques. Deuxieme ~dition fran~aSse. Paris. 1930. - - Siehe die Rezension des Verfassers in der Zeitschr. f. NationalSk., Bd. II, Heft 3.

Dynamisehe Wertprobleme 607

die Reihenfolge folgende: der objektive Grund (N), der psychologische Koeffizient (I) und die Quantit£tsver~nderungen (K). Folgende Formel veranschaulicht den Zusammenhang:

N , (I-U-----~K)

Auch wenn es keine Interdependenz zwischen N und I gibt, kSnnen wir N nieht als prim~re Ursache betrachten, denn I und K entstehen nicht als Folge yon N. Der Faktor N dagegen kann ein regulierender objektiver Faktor sein, der seinen Stempel auf die beiden fibrigen Va- riationen des Gliedes drfickt und folglieh den Rhytmus dieser Ver- ~nderungen bestimmt. Dadurch wird das dynamische Gleichgewieht zu guter Letzt erkl~rt werden kSrmen.

IV. Das dynamische Gleichgewicht In einem ausgezeichneten Aufsatz sagt E. V o e g e l i n : ,,Die Wirt-

schaft vollzieht sich nicht in der Zeit, sondern die Zeit ist jenes Element in der Wirtschaft, das in jedem Punkt des Wirtschaftsprozesses mit bestimmter Rhytmik und zugleich Variation der Rhytmik und mit be- stimmten immanenten Gesetzen neu geboren wird . . . . Die Zeit ist der Sinn der Wirtschaftl). ''

Wenn aber aueh jeder 5konomischc Verlauf seiner eigenen Wirt- schaftsperiode folgt2), so ist es offenbar, dal~ diese sozusagen oft unter- einander gemischt werden und dab man folglieh yon gewissen Standard- perioden spreehen kann. Die in jeder Hinsicht wichtigste dieser Standard- perioden ist das J a h r . So wie innerhalb der Landwirtschaft das Erntejahr, yon Herbst zu Herbst, den natfirlichen Rahmen fiir die Produktions- Konsumtionsgleiehungen bildet, so hat die industrielle Gesellschaft im Buchffihrungsjahr dieselbe Wirtsehaftsperiode angewendet. So wie der Wechsel der Jahreszeiten den urspriinglichen AnlaB zum Sparen und zur Kapitalbildung gab, so ffihren die Saisonschwankungen eine regelm~l~ige Verschiebung in dem psychologisehen Koeffizienten, im Zinssatz, andauernd mit sich. Die ,,time-preference", wie Fisher3) sagt, bewegt sich wellenfSrmig innerhalb der Grenzen des Kalenderjahres vorw~rts: im Sommer ist die Sch~tzung der Produktivit~t der Zukunft und des Konsums niedrig, um sich w~hrend der Erntezeit, die mit einem Maximum ffir die industrielle Produktion zusammenf~llt, stark zu erhShen.

1) Voegelin, E.: Die Zeit in 4er Wirtsehaft, Arch. f. Sozialwissensch. u. Sozialpolit., Bd. 23., S. 186. 1924/25.

3) Siehe P. 1~. R o s e n s t e i n - R o d a n s bedeutungsvollen Artikeh Das Zeitmoment in der mathematisehen Theorie des wirtschaftlichen Gleich- gewiehtes, Zeitschr. f. l~ationalSk., Bd. I, S. 131. 1929, fiber die ,,Annahme eines verschiedenen Rhytmus" (einer Disproportionalit~t der Tempi) sowie im Handw. der Staatswissenseh., Bd. IV, S. 1197, fiber die ,,Wirtschafts- periocle". Vgl. ferner O .Morgens te rns Ansehauung fiber die , ,Zeit q u a l i t ~ t " der 5konomisehen Faktoren in ,,Wir~sehaft~prognose", S. 62. Wien. 1928.

3) Fisher , Irving: The theory of interest as determined by impatience to spend income and vpportunity to invest it. New York. 1930.

608 J. Akerman:

Naehher vermindert sich diese Zeitseh~tzung wiederum bis zur Jahres- wende, steigt w~hrend der saisonm~Big vermehrten Aktivit~t des Erwerbs- lebens im Frfihling sehwach und f~llt wieder auf das niedrige Niveau des Sommers zurfick. Der Herbst (und einigermaBen der Frfibling) sind folglich die Perioden, wo das ganze 5konomisehe Handeln in erster Linie auf die Zukunft eingestellt ist.

Man kann naeh einem Studium der Variationen sowohl der agra- rischen wie der industriellen Produktion, als auch des Geldmarktes, d .h. der Kapitalbildung, behaupten, daft jeder Herbst einen kr~ftigen Anreiz zur Verl~ngerung der Produktionsumwege mit sieh ffihrt; diese Jahreszeit gibt folglich der Regelm~fiigkeit des 5konomisehen Lebens einen Antrieb die Intensit~t ffir Zukunftsgfiter zu vergrS~ern und die Intensit£t ffir gegenw~rtige Gfiter einzusehr~nken. Voi~ diesen unwider- sprechlichen, selbstverst~ndlichen und doeh sehr wichtigen Erw~gungen ist es nur ein Sehritt zu der Behauptung, dab die Saisonschwankungen einen bedeutungsvollen aktiven Anteil an der Konjunkturbewegung nehmenl). Die Pr/~misse, dab dies der Fall ist, ist deuflieh die Tatsache, dab der ProduktionsprozeB zeitraubend ist, dab eine Wartezeit erforderlieh ist, ehe die zukfinftigen Gfiter verkaufsfertig sind. Geht man yon dieser einfaehen Tatsache aus, n/~mlieh, dab die psychologische Einstellung zur Zukunft und damit s/~mtliehe Produktions-Konsumtionsgleiehungen sich innerhalb eines einj~hrigen Zyklus bewegen, und dab die Prodnktions- umwege bei der Kapitalbfldung eine Tendenz haben, sieh fiber Jahres- l~nge auszudehnen, so haben wir damit in der Tat die einzigen grund- legenden Voraussetzungen ffir das Emporkommen der Konjunkturwelle genannt.

DaB man mit dieser Art der Betrachtung wirklich zu dem Wesent- lichen im Konjunkturph~nomen herangekommen ist, zeigt besonders die Tatsache, dab die Konjunkturtheorien, die der Kritik standgehalten haben, n~mlich die Theorien der ~A~oerkapitalisierung, sich ohne Sehwierigkeit in diese Konjunkturerkl~rung einfiigen lassen. Dies ist bei T u g a n - B a r a n o w s k y s Hinweis auf die Bedeutung der Realkapital produzierenden Industrien, bei Sp ie thof f s Krisenerkl~rung auf Grund des Mangels an Komplement/~rgfitern, bei Cassels Theorie fiber den Mangel des Warrens zum SchluB der Hoehkonjunktur und bei Aft alio ns und B o u n i a t i a n s Gedankengang fiber die variierende Sch/~tzung der Produktionsmittel und der Waren der Fall2). Wieksel ls scheinbar monet/~re Theorie fiber den Zusammenhang zwischen Leihzinsen (Preis- niveau) und Realkapitalzinsen ist auch die einzige Theorie fiber ,,time preference", bei der die weehselnde Sch~tzung der Zukunftsgfiter ats s te t s zusammenh/~ngend mit dem weehselnden Ertrag des Realkapitals und als yon diesem kontrolliert, angesehen wird.

i) Dies ist eine grundlegende These in ~cr Arbeit des Verfassers: Om det ekonomiska livers rytmik. Stockholm. 1928.

2) In der 1930 ersehienenen Arbeit ,,A treatise on money" hat sich J. H. Keynes derselben Gruppe angeschlossen.

Dynamische Wertprobleme 609

Geht man also yon den beiden Voraussetzungen aus,.daB die Einstellung der Produktion auf die Zukunft innerhalb der ab- geschlossenen Abrechnungsperiode eines Jahres eine kr~ftige Steigerung w£hrend des Herbstes erf£hrt, welche aus der ErhShung des Zinssatzes zu dieser Zeit hervorgeht, und daB die Produktionsumwege nebenbei eine Tendenz haben, sieh fiber Jahresl£nge auszudehnen, so sollte man ein Schema fiir die Konjunkturwellen ffir nur diese beiden Tatsachen kon- struieren k6nnen. Es muB da vorausgeschickt werden, dal3 die Aufgabe vor allen Dingen in einer Erkl~rung der kurzen 3- bis 4j~hrigen Kon- junkturzyklen besteht. Beim Studium der Wirtschaftsstatistik der Vereinigten Staaten der letzten vier Jahrzehnte zeigt es sieh, dab es nur kurze Wellen sind, die mit roller Klarheit hervortreten, w~hrend die 7- his 9j£hrigen traditionellen Zyklen als sekund~re Ph~nomene hervorragen und beinahe den Charakter einer Zusammenffigung yon zwei bis drei kurzen Zyklen habenl). Wenn wir nun den Monatsdurch- sehnitt des Leihzinses yon 4- his 6monatigen prima Gesch~ftswechseln in New York als Quelle ~) betrachten, so finden wir, daB es w~hrend der Jahre 1892 his 1930, mit Ausnahme der Kriegsjahre 1914 his 1921, zehn deutlich markierte, kurze oder ,,primiire" Konjunkturzyklen gab, welche alle in und mit einer Saisonsteigerung im Herbst ihren Anfang nahmen und alle w~hrend einer Herbstsaison gleiehm~Big kulminierten. Die Minima s~mtlicher Zyklen trafen also im Sommer ein. Von den zehn Zyklen waren seehs regelm£Big drei Jahre lang, zwei zweij~hrig und zwei vierj~hrig. Man hat folglieh reeht, yon dem drei Jahre langen Zyklus als yon einem Typus zu spreehen und mit diesem Typus als Ausgangspunkt kSnnen wir ein Schema ffir das Aufkommen der Kon- junkturvariationen auf Grund der Saisonvariationen aufstellen. Wir zeichnen dieses Schema folgendermaBen:

3 3 3 2 2 2

1 1 1 1

--I 0 -[-I --I 0 +I --I 0 +i --1

Wenn wir erst yon der Ziffernserie unterhally der Linie absehen, so bezwecken alle Zahlen 1 deutlich das erste Herbstmaximum, das die Konjunktursteigerung in Bewegung setzt. Nach der Depression im Sommer kommt die automatische herbstliche Steigerung der Nachfrage nach Warten und dieser saisonm~Bige Bedarf bringt eine vergr68erte Kapitalbildung mit sich, die sich fiber den Rahmen des Jahres hinausstreckt. Wenn wit zum Herbst Nr. 2 herangekommen

1) Auch bei anderen Industriel~ndern kaun man diese kurzen Wellen unterscheiden, aber aus versehiedenen Griinden treten nut die sekund~ren Krisenumschl~ge mit gr6Berer Deutlichkeit hervor. Es ist jedoeh kein Grund vorhanden, die amerikanisehen und die europ~isehen Konjunkturzyklen prinzipiell zu trennen.

z) Siehe Review of Economics Statistics, Preliminary Volume I, S. 92. 1919.

Zei t schr . f. N a t i o n a l 6 k o n o m l e , I I . Bd . , 4. H . 39

610 J. Akerman-

sind, folgt dieser neue Impuls einer weiteren sowohl saisonm~Bigen als auch konjunkturellen Steigerung der Nachfrage nach dem immer knapper werdenden Sparen und im Herbst Nr. 3 ist der Bogen zu stratum gespannt: Man will auf den ~mmer mehr verl~ngerten und l~nsichtlieh des Resultates ganz ungewissen Abschlu~ der Produktionswege nieht mehr warren. Die Krise ist Init anderen Worten eine Tatsache, welche eine radikale, nochmalige Wertbestimmung des Verh~ltnisses zwischen gegen- w~rtigen und zukiinftigen Giitern herbeiffihrt. Man ist w~hrend dem n~chstfolgenden Sommer wieder auf dem Grund und mit dem Herbst beginnt der ProzeB aufs neue.

Wir erinnern uns, dab wir jedoch auch Perioden yon einer anderen L~nge als regelm~l~ig drei Jahre hatten, n~mlich zwei- und vierj~hrige Zyklen. In dem vorigen Falle, der bisher nur bei s~kul~ren Wendepunkten (urn die Mitre 1890) eingetroffen ist, ist es schon der erste Herbst nach der konjunkturgenerierenden Herbstsaison, der die Krise hervorruft. In letzterem Falle, der w~hrend des heftigen Fortschrittes im ersten Jahr- zehnt des 20. Jahrhunderts eintrat, ist es der dritte Herbst nach dem generierenden, der eine Krise herbeib2hrt. In s~mtlichen F~llen handelt es sich aber um eine Anzahl yon Konjunkturwellen yon ganzer Jahres- l~nge. Die Konjunkturtheorie hat folglich eine ~bereinstimmung zur Quant~ntheorie der Physik: die gradm~Bigen Ver~nderungen in der L~nge der Zyklen sind dureh diskontinuierliche, sprunghafte ~berg~nge ersetzt, und zwar deshalb, weft das J a h r das Quantum oder Standard- maB der Konjunktur ist.

Im oben angefiihrten Schema haben wir unterhalb der Linie eine andere Reihe hinzugefiigt, um den Konjunkturverlauf auszudrficken: Wenn das Zinsniveau in der Mitre der aufsteigenden Konjunktur mit 0 bezeichnet wird, - - in der Tat ist ja oft gerade diese Phase als ,,normal" yon den Konjunkturforschern bezeiehnet worden - - , so weicht es bei der Depression bzw. Krise um eine Einheit nach abw~rts oder aufw~rts. Hier haben wir deutlich einen Verlauf, dermit Recht als charakteristisch ffir das d y n a m i s c h e Gle iehgewich t bezeichnet werden kann: Ebenso wie ein Wagebalken sich um den Aufh~ngepunkt bewegt, so haben wir bier regelm~Bige, gleichstarke Schwingungen nach beiden Richtungen, jedoch mit dem Untersehied, dab das Hinabsteigen yon ÷ 1 zu - -1 doppelt so schnell geht wie der Aufsehwung yon --1 zu -b 1. Dies h~ngt mit dem oft betonten kumulativen Charakter der Konjunktursteigerung zusammen. Die vergrSBerte Wertsch~tzung der Bediirfnisbefriedigung in der Zukunft wird dutch die saisonm~Bige Vermehrung des psychischen Koefflzienten des erst~n Herbstes freigelegt, und der folgende Herbst beschleunigt die Bewegung. Die Krise, die durch die n~chste Herbst- steigerung hervorgerufen wird, ffihrt eine nochmalige Wertbestimmung zum Vorteil der Gegenwartsgiiter mit sich, die wesentlieh psyehologiseher Natur ist und deshalb viel schneller geht, als die vorhergehende Wert- steigerung ffir Zukunftsgiiter. Die Wertsteige~mg fiir Zukunfsgiiter wird folglich primer yon dem objektiven Faktor - - der saisonm~l~igen Vermehrung der Wertsch~tzung der Z u k u n f t - gestiitzt, w~hrend die

Dynamisehe Wertprobleme 611

Wertverminderung der Zukunfsgiiter aUerdings ein ProzeB ist, der yon den letzten Saisonsteigerungen freigemacht wird, aber dann haupt- s~chlich innerhalb der mentalen Sph~ren vet sich geht.

Wenn wir nun zu unserer Formel: N ~ (X ~ K)

zuriickkehren, so finden wit, dab der primate Zyklus als eine erste Approxi- mation dutch N vollst~ndig erkl~rt ist, das der reinen objektiven Tat- saehe der Saisonvariationen, folglich dem Jahreszyklus der Temperatur- schwankungen oder der Balm und der Umlaufzeit der Bewegung der Erde um die Sonne, entspricht; yon I, das den psychologischen Koeffi- zienten an diese Tatsache hinsichtlich der Wertsch~tzung yon zukfinftigen Produkten und zukiinftiger Konsumtion heranbringt, sowie von K, das ~lie Bestimmungsfaktoren der Kapitalbfldung bezeichnet und vet allen Dingen den Zustaud, dab der ProduktionsprozeB fiir Reallrapital und besonders ffir produzierte Produktionsmittel die Tendenz hat, die Dauer eines Jahres zu iiberschreiten.

Die intuitiv aufgefaBte Lrberzeugung, dab das Konjunkturph~nomen zuletzt auf einer externen Ursa~he beruht, die ihrerseits ihren Stempel auf die (n~chst den psychologischen und technischen Voraussetzungen) als Voraussetzungen ebenso notwendigen 6kon0mischen Faktoren dr~ickt, hat viele eigentfimliche Konstruktionen hervorgebracht. Hierher ge- h6ren Jevons ' herostratisch verrufene Theorie der Sonnenflecke, Moores Hypothese fiber die Bedeutung der astronomiseh-meteorologisch be- dingten Erntevariationen, als den Ursprung des industriellen Konjunktur- zyklus, sowie einzelne Versuche, mit z u f ~ g ausgestreuten Variationen in der Zeit, das Emporkommen yon Wellenph~nomenen zu erkl~ren, die den Konjnnkturzyklen ent~rechenl). Der Gedanke, dab es eine regelm~Big wirkende, objektive Kraft hinter dem Konjunkturph~nomen gibt, i s t richtig, abet die soeben genannten Versuche, diese Kraft zu bestimmen, sind sehr problematisch und widerlegen sich automatiseh bei einem detaiUierten Studium des 6konomischen Verlaufes innerhalb des Konjunkturzyklus. Wenn man start dessen yon einer so greifbaren und auf alle Erscheinungen des 6konomischen Lebens einwirkenden Tat- sache, wie die Wirtschaftsperiode oder die Saisonvaviationen des J a h r e s ausgeht, so kommt man zu einer Deutung, die eine Erkl~rung zul~Bt, die der Idee des dynamischen Gleiehgewichtes gem~B ist.

Der n~ehste Schritt gilt der Erkl~ung des s~kul~ren Zyklus, der zwei oder drei kurze (primate) Konjunkturzyklen in sich einschlieBt. Wenn es sich datum handelt, ob ein Konjunkturzyklus drei kurze Zyklen in sich einsehlieBt, so k6nnen wit wiederum das oben angeffihrte Schema anwenden, nut mit dem Unterschied, dab die Saisonschwankungen gegen den prim~ren Zyklus ausgetauscht werden. Es ist der erste primate

1) Siehe z. B. Schonheyder, K.- Produtionscykleme og kriserne. Statsokonomisk Tidskrift, S. 57. 1927, und Kuznets, S.: Random events and cyclical escillatfions. Journal of the American Statistical Association, S. 258. September 1929, sowie die elort angegebenen Autoren,

89*

612 J. ~kerman:

Zyklus nach der tiefen Depression, der die Kapitalbildung f~ir einen besonders weiten Zeitraum freimacht - - also f~r Produktionsprozesse, die nieht nur eine Tendenz haben, die Jahresperiode, sondern auch die des primgren Zy~us zu fiberschreiten. Der zweite primgre Zyklus beschleunigt diese Entwicklung, und der dritte Zyklus zwingt zu einer solchen Neueinsehgtzung der Zukunft, dab die sekundgre Krise hervor- gerufen wird. m Handelt es Sich um einen sekundgren Zyklus mit nut zwei primgren Wellen - - solche stellen sich z. B. im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts ein, als die primgren Zyklen besonders lang waren - - , so schreiben wir das Schema folgenderweise:

2 2 2 1 1 1 1

--1 q-1 --1 q-1 - -1 + I - -1

Auch bier k6nnen wir das Bild einer Pendelbewegung erhalten, denn auch bier handelt es sich um ein dynamisches Gleichgewicht, das urspriinglich yon einer generierenden 6konomischen Jahresperiode re. gu~ert wurde.

Wenn wir aber zu einer lgngeren sgkul&ren Periode 1) kommen, ver- gndert sich die Art des ganzen Zusammenhanges. Wenn man es fiber. haupt wagen soil, yon einer sgkul~ren P e r i o d e zu sprechen, so ist es zun~chst eine beilgufig 60jghrige, welche sich in den Variationen sowohl des Leihzinses als auch des Preisniveaus geltend machte. Abet diese langen Perioden haben nicht die Gleichgewichtseigensehaften, die wir soeben bei den KonjunkturweUen kennenlemten. Wenn wir yon den sgkulgren Kon~unkturzyklen ausgehen, bekommen wir ngmlieh folgendes Schema:

3 4 3 4 2 5 2 5

1 6 1 6 1

Hier handelt es sich deutlich nicht um eine sozusagen yon unten her generierte Periodenbfldung, so dab die Bewegung nicht zu dem Pendelschlag yore Charakter des dynamischen Gleichgewiehtes verein- facht werden kann. Wir miissen folglich annehmen, dab wir hier vor neuen objektiven Faktoren stehen, die den Grund fiir die Gleichung

N' ~ (I ,T- - -~ K)

bilden. N' kann bier a]s auf den Generationsgnderungen beruhend gedacht werden, indem die besonders groBen, oder die individuell be- sonders unternehmenden Jahrggnge, welche kurz nach einer Kriegs- periode geboren werden, eine ,,Flut" hervorrufen, die ihren Stempel auf die 6konomische Tgtigkeit driickt~). Es ist auf jeden Fall klar,

x) Als eine angemessene ~inteilung der 6konomischen Perioden haben wit folgende Grenzen vorgeschlagen: Saisonwellen: 1 Jahr oder einen Tell davon, K o n j ~ e n e n : 1 his 10 Jahre, sgkul~re Wellen: l~uger a]s 10 Jahre.

i) Dieser Gedanke ist, wie bekannt, zuerst yon dem norwegisehen Statistiker Ejlert Sundt angegeben worden.

Dynamische Wertprobleme 613

dab die sgkul~ren Perioden nicht als nut ,,yon unten her" yon den Kon- junktur, und Saisonvariationen generiert betrachtet werden k6nnen.

Die Theorie des s t a t i s c h e n Gleichgewichtes ist, wie wir gesehen haben, auf eiller rein imagin~ren Zeitauffassung gegriindet; die Theorie des d y n a m i s c h e n Gleichgewichtes geht yon einer bestimmt abge- grenzten Wirtschaftsperiode und yon dem EinfluB dieser Periode auf das Emporkommen yon Zyklen mit gr6Beren Wellenl~ngen aus. Wenn man aber zu den s~kul~ren Perioden kommt, sagen wir zu allen fiber zehn Jahresl~ngen, so zerbricht auch die Idee des d y n a m i s e h e n Gleichgewichtes; jedenfalls mu6 sic da auf eine neue, mehr historisch betonte Art formuliert werdenl).

Gleiehzeitig wie man diesen Unterschied feststellt, daft man jedoch nicht vergessen, dab ein verwickelter Zusammenhang der Ursachen zwischen den kurzen und den langen Perioden besteht 3). I)er l~aktor 2( und der Faktor 2(' k6nnen nieht als aufeinander einwirkend geda~ht werden, aber / und K in der Formel, die den Zusammenhang innerhalb der Konjunkturperioden beschreibt, beeinflussen sich und werden be- einflul~t yon I und K in der Formel, die fiir die s~kulgren Perioden gilt.

Wenn wir folglich auf die Fak~ren N, I u n d K sowie N', I und K als Bausteine bei der Erkl~rung der dynamisehen Zusammenh~nge hinweisen, so geschieht das im vollen BewuBtsein dessen, dab das damit im Zusammenhang behandelte dynamische Gleichgewicht nicht mit der Oleichgewiehtsidee der statisehen Konstruktion verglichen werden kann. Das s~tische Gleiehgewicht hat folgende zwei Eigenschaften: Teils bezweckt es einen zeitlosen Zusammenhang oder einen Hergang, der durch vollst~ndige Freiheit yon allen Friktionsmomenten mit einer imagin~ren Zeit rechnet, teils hebt es in seinem mathematischen Kleid die Interdependenz aUer einlaufenden Faktoren hervor. Abet innerhalb des d y n a m i s e h e n Verlaufes hat man keinen Grund, yon Interdependenz solcher Art zu sprechen, sondern nur yon einseitig gerichteten Ursachen3). In unserer Formel sollten wir folglich anstatt (I~-~'_K), (II-~-K 1, K2--~-12) geschrieben haben, um damit anzugeben, dab es sich um einen irreversiblen Zusammenhang innerhalb jeder Reaktion handelt, und dais die ungleiehen Zusammenh~nge folglich sukzess iv dependente sind. Betra~htet man I und K als einen, die gauze psyehologisehe bzw. Kapitalsph~re in sieh

1) In diesem Punktc sind wit folglich auf eincm anderen Weg zu dem- sclben Rcsultat wie F. H. Knight in seinem intcressanten Artikeh Statik und Dynamik, in der Zeitschr. f. National6k., Bd. II, H. 1, gekommen. Betreffs der meehanischen Analogicn un~ der Stellung des Historismus zur ~konomie sind ~ir dagegen eincr andercn Meinung.

a) Siche Vcrfassers: Om det ckonomiska livets rytmlk, 7. Kap. Stock- holm. 1928. Nun ist dcrselbe Schlul~ yon S. Kuznets in: Secular movements of production and prices. New York. 1930, auf S. 325 ausgesproehen worden: The faster the rates of growth in the underlying primary trend line, the greater is the amplitude of the secondary variations and of the eyelial fluctuations.

3) Vgl. Rosenstein-Rodan, P. N.: in der Zcitsehr. f. National6k., Bd. I, S. 142.

614 J. Akerman:

schlie6enden Begriff , so kann man logisch yon Interdependenz such innerhalb der zeitbestlmmten Periode sprechen. Handelt es sich dsgegen um ungleiche Herg~nge in der Zeit, so verschwm" det die Interdependenz, und man bekommt start ihrer einseitige Reaktionen die sukT~ssive sufeinander einwirken. Die Formel muB dann:

geschrieben werden. Es d6rfte nicht verneint werden k6nnen, da6 die Anwendung yon

Gleichungen sls Symbol fiir die 6konomischen Herg~nge die 6konomisch- dynsmische Forschung durch das Erfordernis der Zeitlosigkeit des Zussmmenhanges wirklich behinderte. In der Tat hat das Interesse fiir alle Simultangleichungen im System der Lausanner Schule oft die 6konomische Theorie in den Hintergrund gedr/ingt, aber das, was den Forscher in der mathemstischen Theorie am meisten interessieren soil, ist die Theorie, nicht die MathematikX). Blickt man nun auf die un- gleichen Zufliisse yon 6konom~schen und erkenntnistheo~tischen Ge- darken, die die dynsmische Forschuugsmethode befruchtet hsben, oder sic nachtr~glich entwickeln k6nnen, zur~ick, so diirfte man diese in drei Richtungen zusammenfassen k6nnen.

Erstens greift man beim Studium yon Veriinderungen in der Zeit gewisserma6en yon dem zeitlosen Gleichgewichtssystem der msthe- mstischen Schule auf den Versueh der Klassiker, die Theorie einem fortschreitenden Gemeinwesen anzupassen, zuriick. DaB wit nun mit Hilfe yon mathemstisch-ststistischen Methoden diese Wirklichkeit mit Effolg studieren k6nnen, beruht darsuf, dab die National6konomie, ebenso wie die Naturwissenschaften beginnt, Zutritt zu einem gro6en und det~fllierten Forschungsmaterial zu bekommenZ).

Zweitens wird die Funktionsbetrachtung gegen die stochastische susgetauscht. Von dem einfachen KausaUt~tsbegriff ging man dutch Courno t und seine Nachfolger zu dem Funktionsbegriff fiber und nun ist man bereit, die Wahrscheinlichkeitsgesetze in die 6konomisch- empirische Forschung hineinzuarbeiten. Ebenso wie innerhslb der Nstur- wissenschaften gilt es folglich, mit der wshrschelnlichen Verteflung sis Standard, zu entscheiden, welches Resultat als t y p i s c h angesehen werden soil. Unter der Leitung solcher Berechnungen k6nnen Gesetze sufgestellt werden, deren Fehlergrenzen gleichfslls aus der Wshr- scheinliehkeitsberechnung hervorgehen. Indes enth~lt ein solches Gesetz such eine Prognose : die Nstional6konomen, die noch glauben, gro6e Wissenschaftlichkeit an den Tag zu legen, indem sic behsupten, dab

1) B o u s q u e t , G. H.: Histoire dconomique ou dcenomie pure T Revue d'histoire dconomique et sociale, nr. 1. 1930.

s) Siehe Stamp, J. in: The Statistical verification of social and economic theory, S. 3. London. 1927: ,,The analytical method in the line of Ricardo, Mill and Marshall has for the time being, at any rate, reache~ the limit of its usefulness. I believe that for the next advance we must depend upon realistic statistical investigation and verification".

Dynamische Wertprobleme 615

man ,,natfirlieh niehts fiber die Zukunft sagen kann", sagen damit, da6 sie jede exakte Forschungsmethode abweisen. Der hervorragende Physiker Sir James J e a n s ~u6ert betreffs der Forschungsmethoden in der Physik etwas, was wohl wert ist, aueh yon jetzigen National- 5konomen bemerkt zu werden: ,,Self einem Vierteljahrhundert haben die Naturforscher nach Henri P o i n c a r ~ s Beispiel alle Versuche, das Ph~nomen zu e r k l ~ r e n , aufgegeben und sich damit begniigt, es auf die mSglichst einfache Art zu b e s e h r e i b e n . Die Gelehrten unserer Zeit sind zuffieden, wenn es ihnen gelingt, eine mathematisehe Forme| aufzustellen, die v o r a u s s a g t , was unter gewissen angegebenen Be- dingungen eintreffen wirdX). '' Nun ist es richtig, daB die ,,gewissen an- gegebenen Bedingungen" sich schnell innerhalb der 6konomisehen Wirk- lichkeit ver~ndern, dab - - mit anderen Worten - - die statistisehe Zu- standsbeschreibung rasch genug unmodern wird. Man fibertreibt aber die Unberechenbarkeit der struktureUen oder institutionalistisehen Ver- ~nderungen, wenn man behauptet, da6 die dynamischen Ver~nderungen sieh nicht mit der besten wissenscha~lichen Methode, die es fiberhaupt gib~ - - n~mlieh der Prognose - - , studieren lieBen~). Ebenso wie die Meteorologie ist die NationalSkonomie in der beneidenswerten Lage, best~ndig die Vergleiche zwischen Theorie und Wirkliehkeit in demselben MaBe, wie die Zei~ vorw~rtsschreitet, wiederholen zu kSnnen.

Drittens ist es offenbar, dab die dynamische Theoris noch viel weniger als die statisehe die psyehoiogisehe Unterlage fiir alle Wert- seh~tzungen und die gauze 5konomische T~tigkeit entbehren kann. J e v o n s Gedanke, dab man durch Durehsehnittsbereehnung die dureh- schnittliche Reaktion bei einer BevSlkerung (,,trading body") 3) erhalten kann, bekommt seine wirkliehe Bedeutung, wenn er in die dynamisehe Forschungsmethode eingefiigt wird. Wenn wir nur auf die Variationen beim Kapitalszins, als Ausdruck fiir die Wertsch~tzung yon zukiinftigem Nutzen im Yerh~ltnis zu gegenw~rtigem Nutzen Riicksicht nehmen, so kann man sagen, dab dieser psyehologische Koeffizient die natfirliche Basis ffir die ganze dynamische Konstruktion bildet. An Stelle des statischen unver~nderlichen Gemeinwesens und an Stelle des g le ich- m~Big fortschreitenden Gemeinwesens t r i t t folglich ein Wirtschafts- system, dessen Kernpunkt yon einem p e r i o d ~ h variablen F a k ~r , dem Kapitalszins, gebfldet wird. Um diesen werden also alle die anderen Fak- toren, betreffend die Konsumtionsver~nderungen, den EinfluB der mone- t~ren Faktoren, die Folgen der monopolistischen Preisbildung usw.

1) The universe around us. London. 1928. 2) Mit Prognose ist bier nicht die Form der Konjunkturbeurteilung,

die yon dem Harvard Economic Society und anderen Forsehungsinstituten angewendet wird, gemeint. Die Prognose, die sieh au$ der Idee des dynami- sehen Gleiehgewichtes, wie diese hicr entwiekelt wurde, griinde~, ist vielmehr stringent; es ist jedoeh noch zu zeitig, sich fiber ihren praktisehen Weft zu ~uBern.

s) J e v o n s , W. S.: The theory of political economy, 4. Aufl., S. 15 u. 88. London. 1924.

616 J. Akerman: Dynamische Wertprobleme

gebaut. Ist man so welt gekommen, so kann man die Analogien Statik und I)ynamilr fallen lassen: Die Statik wird eine mehr oder minder oft wiederholte Zustandsbeschreibung, die die Zeitvariationen for die in- stitutionellen Ver~nde~mgen korrigiert, und die dynamischen Wert- probleme werden nichts anderes als wirkliche, zeitbestimmte Wert- probleme.

(Aus dora 8chwedischen fibersetzt yon J. Morgenstern, Wien)