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INTERNET WORLD Business 16 21. Juli 2014 15/14 Die E-Commerce-Schickeria W er in München einen Einkaufs- bummel macht, kommt an vier alt- eingesessenen Traditionshäusern rund um den Marienplatz kaum vorbei: Betten- rid, Lodenfrey, Ludwig Beck und Sport Schuster bedienen die Kundschaft dort jeweils seit über 100 Jahren. INTERNET WORLD Business lud die E-Commerce- Verantwortlichen der vier Handelshäuser, Fabian Göhler (Ludwigbeck.de), Ralf Mager (Lodenfrey), Peter Schön und Max Lenhart (Sporthaus Schuster) und Nicole Kaupp (Bettenrid), sowie Dominik Haupt von der gemeinsamen E-Commerce- Agentur Norisk zum Round Table, um über Herausforde- rungen, Chancen und Risiken des Multichannel-Zeitalters zu diskutieren. Sie wollen Ihre Einzelhandels- häuser mit jeweils über hundertjähriger Tradition ins Multichannel-Zeitalter füh- ren. Nimmt man Sie in diesem Bereich denn überhaupt ernst? Peter Schön: Bei uns im Sporthaus Schus- ter soll der Online-Handel ein Standbein des Unternehmens werden, das irgend- wann rund 20 Prozent zum Gesamtum- Vier Münchner Traditionshändler mit jeweils hundertjähriger Geschichte sprachen mit INTERNET WORLD Business über die Herausforderungen des E-Commerce-Zeitalters satz beiträgt. Die aktuellen Entwicklungen zeigen ja, dass sich die Kundschaft immer mehr ins Internet verschiebt oder sowohl im Laden als auch online kauft. Präferen- zen kann man da gar nicht mehr klar dif- ferenzieren. Der Kunde will einfach kau- fen, egal auf welchem Weg. Max Lenhart: Ja, das stimmt. An der Kun- denhotline merken wir immer stärker, dass Kunden in allen Kanälen bedient wer- den wollen und dass Services wie Click & Collect oder Retourenrücknahme im Laden erwartet werden. Für uns ist es eine tägliche Herausforderung, up to date zu bleiben. Technik, Prozesse und Schulung der Mitarbeiter sind sehr zeitintensiv. Ralf Mager: Auch wir müssen ein Multi- channel-Unternehmen sein, um auf dem Markt überhaupt weiterhin eine Chance zu haben. Alle in dieser Runde kämpfen nicht gegen einzelne, kleine Multichannel- Anbieter, sondern gegen die großen Online Pure Player, die uns den Markt leer fres- sen. Und alle Investitionen in das Online- Marketing machen auch die Marke stär- ker. Unser Online-Shop ist Schaufenster Nummer eins. Die Kunden recherchieren zuerst online und schauen nach, welche Marken wir überhaupt im Sortiment haben. Wir hatten lange das Problem, nur als Trachtendandler wahrgenommen zu werden. Dass von 7.500 Quadratmetern Verkaufsfläche nur 800 auf Tracht entfal- len, wusste keiner. Unser anfänglicher Hauptanspruch im E-Commerce war, den Shop als Marketinginstrument zu sehen und die Marke Lodenfrey zu stärken. Dass jetzt auch noch der Umsatz ganz gut läuft, ist auch toll. Fabian Goehler: Bei uns ist die Besonder- heit, dass wir ja nur ein Teilsegment des gesamten Sortiments von Ludwig Beck online anbieten. Da wir Ende 2012 zu einem verhältnismäßig späten Zeitpunkt online gingen, gab es schon eine Menge Player am Start. Die größte Chance für uns sahen wir im Bereich Beauty, da wir ein europaweit einzigartiges Sortiment haben und einen Nischen- und Luxusmarkt bedienen, den es so noch gar nicht gibt. Natürlich hatten die stationären Kollegin- nen und Kollegen zum Start Bedenken, dass der E-Commerce die stationären Umsätze kannibalisieren könnte und Kun- den sich offline beraten lassen, um dann online zu kaufen. Doch das hat sich in keinster Weise bewahrheitet. Im Gegen- teil: Die Kolleginnen und Kollegen im Beauty-Bereich haben erkannt, dass wir Nutzen bringen, dass Kunden beim Ein- E - COMMERCE Foto: Fotolia / Volker Werner er in Münc bummel mach eingesessenen Tra um den Marienplatz rid, Lodenfrey, Lud Schuster bedienen jeweils seit über 10 WORLD Business l Verantwortlichen d Fabian Göhler (L Mager (Lodenfre Max Lenhart und Nicole sowie Dom gemeinsam Agentu Table, u „Wir müssen mit den Großen mithalten, aber klein genug bleiben, um anders zu sein“ Fabian Goehler Geschäftsführer bei Ludwigbeck.de www.ludwigbeck.de 16_Roundtable.indd 16 22.07.2014 12:18:47

E COMMERCE - norisk Group GmbH...rid, Lodenfrey, Ludwig Beck und Sport ... Vertrieb am POS andererseits wird bei Multichannel künftig nicht mehr funktio-nieren. Hier muss einfach

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INTERNET WORLD Business16 21. Juli 2014 15/14

Die E-Commerce-Schickeria

W er in München einen Einkaufs-bummel macht, kommt an vier alt-

eingesessenen Traditionshäusern rund um den Marienplatz kaum vorbei: Betten-rid, Lodenfrey, Ludwig Beck und Sport Schuster bedienen die Kundschaft dort jeweils seit über 100 Jahren. INTERNET WORLD Business lud die E-Commerce-Verantwortlichen der vier Handelshäuser, Fabian Göhler (Ludwigbeck.de), Ralf

Mager (Lodenfrey), Peter Schön und Max Lenhart (Sporthaus Schuster)

und Nicole Kaupp (Bettenrid), sowie Dominik Haupt von der

gemeinsamen E-Commerce-Agentur Norisk zum Round Table, um über Herausforde-rungen, Chancen und Risiken des Multichannel-Zeitalters zu diskutieren.

Sie wollen Ihre Einzelhandels-häuser mit jeweils über hundertjähriger Tradition ins Multichannel-Zeitalter füh-ren. Nimmt man Sie in diesem Bereich denn überhaupt ernst?Peter Schön: Bei uns im Sporthaus Schus-ter soll der Online-Handel ein Standbein des Unternehmens werden, das irgend-wann rund 20 Prozent zum Gesamtum-

Vier Münchner Traditionshändler mit jeweils hundertjähriger Geschichte sprachen mit

INTERNET WORLD Business über die Herausforderungen des E-Commerce-Zeitalters

satz beiträgt. Die aktuellen Entwicklungen zeigen ja, dass sich die Kundschaft immer mehr ins Internet verschiebt oder sowohl im Laden als auch online kauft. Präferen-zen kann man da gar nicht mehr klar dif-ferenzieren. Der Kunde will einfach kau-fen, egal auf welchem Weg.Max Lenhart: Ja, das stimmt. An der Kun-denhotline merken wir immer stärker, dass Kunden in allen Kanälen bedient wer-den wollen und dass Services wie Click & Collect oder Retourenrücknahme im Laden erwartet werden. Für uns ist es eine tägliche Herausforderung, up to date zu bleiben. Technik, Prozesse und Schulung der Mitarbeiter sind sehr zeitintensiv.Ralf Mager: Auch wir müssen ein Multi-channel-Unternehmen sein, um auf dem Markt überhaupt weiterhin eine Chance zu haben. Alle in dieser Runde kämpfen nicht gegen einzelne, kleine Multichannel-Anbieter, sondern gegen die großen Online Pure Player, die uns den Markt leer fres-sen. Und alle Investitionen in das Online-Marketing machen auch die Marke stär-ker. Unser Online-Shop ist Schaufenster Nummer eins. Die Kunden recherchieren zuerst online und schauen nach, welche Marken wir überhaupt im Sortiment haben. Wir hatten lange das Problem, nur

als Trachtendandler wahrgenommen zu werden. Dass von 7.500 Quadratmetern Verkaufsfläche nur 800 auf Tracht entfal-len, wusste keiner. Unser anfänglicher Hauptanspruch im E-Commerce war, den Shop als Marketinginstrument zu sehen und die Marke Lodenfrey zu stärken. Dass jetzt auch noch der Umsatz ganz gut läuft, ist auch toll.Fabian Goehler: Bei uns ist die Besonder-heit, dass wir ja nur ein Teilsegment des gesamten Sortiments von Ludwig Beck online anbieten. Da wir Ende 2012 zu einem verhältnismäßig späten Zeitpunkt online gingen, gab es schon eine Menge Player am Start. Die größte Chance für uns sahen wir im Bereich Beauty, da wir ein europaweit einzigartiges Sortiment haben und einen Nischen- und Luxusmarkt bedienen, den es so noch gar nicht gibt. Natürlich hatten die stationären Kollegin-nen und Kollegen zum Start Bedenken, dass der E-Commerce die stationären Umsätze kannibalisieren könnte und Kun-den sich offline beraten lassen, um dann online zu kaufen. Doch das hat sich in keinster Weise bewahrheitet. Im Gegen-teil: Die Kolleginnen und Kollegen im Beauty-Bereich haben erkannt, dass wir Nutzen bringen, dass Kunden beim Ein-

E-COMMERCE

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Mager (LodenfreMax Lenhart

und Nicole sowie Dom

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„Wir müssen mit den Großen mithalten, aber klein genug bleiben, um anders zu sein“

Fabian GoehlerGeschäftsführer

bei Ludwigbeck.dewww.ludwigbeck.de

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Page 2: E COMMERCE - norisk Group GmbH...rid, Lodenfrey, Ludwig Beck und Sport ... Vertrieb am POS andererseits wird bei Multichannel künftig nicht mehr funktio-nieren. Hier muss einfach

LUDWIG BECK

Die einstige Knopfmacher- und Po-

samentier-Werkstätte lieferte schon

für die Märchenschlösser König Lud-

wigs II. Als „Ludwig Beck am Rathaus-

eck“ steht das Warenhaus heute auch

überregional für Kompetenz in Mode,

Jazz und Kosmetik. Seit 1998 ist das

Unternehmen börsennotiert.

Ludwig Beck in Zahlen:

• Gründung: 1861

• Fläche Stammhaus: 11.600 qm

• Anzahl Mitarbeiter: 488

• Umsatz 2013: 102,3 Mio. Euro

• Webshop-Launch: 2012

21. Juli 2014 15/14 17INTERNET WORLD Business

kauf schon vorinformiert sind und der Einkauf so teilweise schneller geht. Außerdem haben Kunden im Laden, die nicht aus München ka-men, immer wieder bedauert, dass sie die Marke, die sie vielleicht von einem Business-Trip nach London kennen, zu Hause in Bielefeld nicht bekommen. Die können jetzt auf den Online-Shop verwiesen werden.

Ist Ihre Kundschaft eher regional oder überregional?Nicole Kaupp: Der größte Anteil der Online-Kundschaft findet sich ver-stärkt um die Bettenrid-Häuser in München und Frankfurt herum. Wir sprechen aber im Online-Mar-keting auch überregionale Ziel-gruppen an. Durch die klassische Werbung wird aber eher die lokale Klientel erreicht.Mager: Bei uns kamen zum Start des Webshops rund 80 Prozent der Kundschaft aus Bayern. Heute liegt der Anteil bei 15 bis 18 Prozent. Wir haben also eine gewisse Überregionalität erreicht, weil beispielsweise Touristen, die bei uns im Urlaub eingekauft haben, später von zu Hause aus wieder online bestellen. Aber daran sieht man auch, dass der Online-Shop die Stationärumsätze nicht kanniba-lisiert, sondern zu Zusatzumsätzen führt. Damit überzeugt man dann auch Einkäu-fer, die seit 40 Jahren im Haus sind und viele Veränderungen bereits mitgemacht haben.

Am Anfang gab es eine rigorose Mauer gegen den Online-Handel, weil die Kolle-gen einfach nicht verstanden haben, was das eigentlich ist. Dann haben wir angefan-gen, stationäre Events online zu begleiten und Anmeldungen beispielsweise ins In-ternet zu verlagern. Da merkten die Kolle-gen dann, dass sie viel schnelleres Feed-back bekamen. Früher schrieben Kunden nach einem Verkaufsgespräch einen Brief an die Geschäftsleitung. Heute erfolgt das Feedback direkt über Yelp, Facebook, Google+ oder Twitter. Das ist positiv für

das Unternehmen, für den einzelnen Mit-arbeiter kann es durchaus schwierig wer-den. Aber es kommt auch viel positives Feedback und genau das sind die Themen, die dem stationären Handel richtig gut tun. Und warum sollen wir den stationären Kunden online an die Konkurrenz abge-ben? Den behalten wir doch lieber selbst.Schön: Ich kann das für das Sporthaus Schuster nur unterstreichen. Vielleicht eine Anekdote, die exemplarisch für die Befruchtung des Stationärhandels durch das Internet ist. Wir hatten vergangenen Winter 40 Paar eines Kinderschuhs auf Lager, der sich stationär einfach nicht ver-kaufte. Wir machten ihn zum Newsletter-Thema und eine Woche nach Aussendung waren alle Modelle weg. Kunden kamen mit dem ausgedruckten Newsletter in unseren Laden und wollten vom Ver-käufer explizit diesen Schuh. Es freut mich sehr, wenn man hier auch in Zah-len oder sogar dem direkten Kontakt sieht, wie vernetzt die Kanäle sind und wie stark man gegenseitig voneinander profitiert.Goehler: Wir profitieren ebenfalls hoch-gradig von der stationären Präsenz und der Markenbekanntheit unserer Häuser, die alle eine über hundertjährige Geschichte aufweisen. Aber wir können den Filialen auch etwas zurückgeben. Nehmen Sie die Einführung einer neu-en Marke. Bevor die Kollegin einen Meter Regalplatz im Ein-gangsbereich für eine neue Marke freiräumt, können wir die Akzeptanz vorab online ausprobieren und mit viel geringerem Aufwand etwas laun-chen. Von diesem Miteinander kön-nen beide Seiten profitieren. Und auch bei uns stimmt es nicht, dass der Webshop dem stationären Handel Umsatz wegnimmt. Als Beleg haben wir die Kon-versionsraten für den Raum München und Umgebung ausgewertet. Und die sind deut-lich geringer als im Rest von Deutschland. Da liegt schon die Vermutung nahe, dass Kunden vorab im Webshop recherchieren, Verfügbarkeiten prüfen und dann gezielt

vor Ort in das Gespräch gehen, um bei-spielsweise den neuen Duft, den sie online

entdeckt haben, beim Stadtbummel in der Filiale auszuprobieren.

Kaupp: Das ist bei uns ähnlich. Wir versuchen, alle Medien miteinander zu verzahnen. Un-seren Servicekarten-Inhabern

schicken wir beispielsweise Mai-lings mit einem Online-Code, damit

der Kunde den Gutschein auch im Online-Shop einlösen kann. Und im Online-Shop können Kunden Termine für eine Bera-tung in den Bettenrid-Häusern vereinba-ren, weil es bei uns einfach sehr beratungs-intensive Produkte wie Betten gibt. Sie können online auch Termine mit Personal Shoppern vereinbaren, welche teilweise auch Fremdsprachen wie Russisch oder Arabisch sprechen. So befruchtet das natürlich auch die Häuser.Haupt: Wenn wir in ein Unternehmen kommen, erleben wir häufig, dass da zwei Marketingwelten nebeneinander koexis-tieren. Online Pure Play einerseits und Vertrieb am POS andererseits wird bei Multichannel künftig nicht mehr funktio-nieren. Hier muss einfach ganzheitlicher gedacht werden, auch wenn das zu Ent-scheidungen führt, die für einen Kanal vielleicht schmerzhaft sind, dafür aber das ganze Unternehmen voranbringen.Mager: Wir haben den ganzen Namen geändert und das gesamte Unternehmen umgebrandet – inklusive Schriftzug auf dem Haus. Früher gab es nämlich einen Bindestrich zwischen Loden und Frey. Aber der wurde nach 170 Jahren geopfert, weil die Domain mit Bindestrich nicht funktioniert. Das war ein riesen Invest, diesen Bindestrich zu streichen, weil die Leute Lodenfrey.com zusammenge- ▶ BETTENRID

Mit fast 100-jähriger Geschichte ist

Bettenrid als serviceorientiertes Bet-

tenfachgeschäft eine feste Institution.

Im Sortiment finden sich Betten,

Matratzen, Lattenroste sowie Acces-

soires für Bad, Wohn- und Schlaf-

räume. Auch eine Nacht Probeschla-

fen macht der Fachhändler möglich.

Bettenrid in Zahlen:

• Gründung: 1916

• Anzahl Filialen: 3

• Anzahl Mitarbeiter: 250

• Umsatz: 35 Mio. Euro

• Webshop-Launch: 2002

„Unsere Online-Kunden tum-meln sich um die Standorte

München und Frankfurt“

Nicole KauppOnline-Marketing-Managerin

bei Bettenridwww.bettenrid.de

„Stationäre Händler müssen ein Online-Schaufenster schaffen, das das stationäre Geschäft befruchtet“

Dominik Haupt, Geschäftsführer Noriskwww.noriskshop.de

In loser Folge treffen sich die E-Com-

merce-Verantwortlichen der vier

Münchner Traditionseinzelhändler

Ludwig Beck, Lodenfrey, Bettenrid

und Sport Schuster zusammen mit

dem Münchner Back-Newcomer „Der

Gugl“, um über persönliche Herausfor-

derungen im Online-Handel präzise,

ungeschminkt und auf Augenhöhe zu

diskutieren. Auch mit gemeinsamen

Werbe- und Handelsaktionen greift

sich die Runde gegenseitig unter die

Arme, damit aus Einkaufshäusern mit

jeweils über hundertjähriger Tradition

Multichannel-Händler mit gesunder

Zukunft werden. Initiiert wurde die

Runde von dem Münchner Online-

Marketing- und E-Commerce-Dienst-

leister Norisk, der alle fünf Häuser auf

seiner Kundenliste führt.

Die E-Commerce-Schickeria

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INTERNET WORLD Business18

E-COMMERCE

21. Juli 2014 15/14

LODENFREY

Lodenfrey wurde 1842 als Weberei

von Johann Georg Frey gegründet und

ist als Erfinder der wasserdichten Lo-

denstoffe und Lodenmäntel bekannt.

1850 eröffnete das erste Geschäft am

Marienplatz, das erstmals Ware hin-

ter bodentiefen Glasfenstern präsen-

tierte. 1868 erfolgte der Umzug in das

heutige Stammhaus.

Lodenfrey in Zahlen:

• Gründung: 1842

• Verkaufsfläche Stammhaus:

7.500 qm

• Launch Webshop: 2010

schrieben ohne Bindestrich aus dem Web kennen.

Wie bedroht fühlen Sie sich denn überhaupt vom Online-Handel? Spüren Sie sinkende Frequenzen auf der Fläche und einen aggressiveren Preiskampf am eigenen Leib?Schön: Bedroht fühlen wir uns nicht, aber man bekommt den Preiskampf durchaus mit. Allerdings ist München auch aus sta-tionärer Sicht ein spezielles Pflaster. Auf der einen Seite stehen wir als Platzhirsch seit über 100 Jahren mitten im Herzen von München. Die Kunden schätzen diesen direkten Bezug zu einem besonderen Ge-schäft und natürlich die direkte Erreich-barkeit. Und dann zieht München auf der anderen Seite natürlich den Wettbewerb an – in diesem Jahr kam ein neuer Adidas-Store dazu, unfern von uns findet man jetzt einen Salewa Store, Sport Scheck hat vor Kurzem seine neue Filiale eröffnet.Mager: Ich glaube, wir haben in München auch die besondere Situation, dass wir noch eine sehr individuelle Innenstadt haben. In anderen großen Innenstädten steht der H&M neben Pimkie und Zara. Da ist München noch ein bisschen sozialer. Und diese soziale Komponente beim Einkaufen spielt in einer Stadt wie München noch eine große Rolle. Gesehen werden, Kaffee trinken, Freunde treffen. So eine schöne Innenstadt wird einfach nicht aussterben.Schön: Wir haben vor einem Monat unser neues Stammkundenprogramm namens „Gipfelstürmer“ Multichannel aufgesetzt. Wir werden also messen können, was ein Online-Kunde stationär kauft, wann er kauft und welche Effekte es zwischen den Kanälen gibt. Das wird ganz spannend sein, hierüber in ein paar Monaten zu sprechen!

Macht es für ein Unternehmen mit relativ kleinem Filialnetz überhaupt Sinn, Click & Collect-Services anzubieten?Schön: Ich glaube, dass so ein Service enorm wichtig ist, um sich von den Pure Playern abzuheben. Ich bin der Überzeu-gung, dass wir, die Handel seit 100 Jahren betreiben, den Handel auch verstehen. Wir wissen, welches Bedürfnis der Statio-närkunde, der neuerdings auch online kauft, hat. Und wir können und müssen hier selbstbewusst sagen: Wir verstehen das besser als Online-Händler.Lenhart: Die Kunden möchten sich online oft nur vorinformieren und nutzen den Webshop als verlängertes Schaufenster. Wir hören oft an der Hotline, dass die Kunden zur Anprobe lieber in den Laden kommen als gegebenenfalls wegen Retou-ren wieder zur Post gehen zu müssen.

Das heißt, die Online-Darstellung von Warenverfügbarkeiten ist Pflichtprogramm?Schön: Wir haben das schon eingeführt. Wir haben keine getrennte Lagerhaltung. Ich sehe das technisch aber als kaum zu bewältigende Herausforderung, die Daten synchron zu halten.Lenhart: Zur Schuster-Gruppe gehört ja auch die Sport Münzinger GmbH mit dem Online-Shop Sport-muenzinger.de. Wir verkaufen hier online und stationär eine hohe Anzahl Trikots. Wenn mal ein

Deutschlandspiel stattfindet und das Ende des Bestandes in Sicht ist ...Schön: ... und ein DFB-Damentrikot bei der Konkurrenz ausverkauft ist, dann wird es innerhalb kürzester Zeit eben 150 Mal online verkauft.Lenhart: Wir beobachten die Bestände, greifen zum Teil händisch in die automa-tisierten Prozesse ein und nehmen auch mal einen Artikel früher offline. Da sind enger Kontakt mit den Produktmanagern und dem Store-Leiter von Münzinger gefragt, was hervorragend klappt.Mager: Wir haben auch umgestellt, zeigen aber im Moment noch keine stationären Bestände an. Wir haben aber die Bestände in die Verfügbarkeiten im Online-Shop reingenommen. Wir führen also tatsäch-lich ein eigenes Online-Lager mit 2.000 Quadratmetern und ein Innenstadtlager mit 7.500 Quadratme-tern Fläche. Wenn wir einen Artikel einmal fotografiert haben, fas-sen wir beide Bestände zu-sammen. Künftig wird es aber auch Verfügbarkeitsanzeigen für den Stationärhandel geben. Die technische Basis dafür ist jetzt geschaffen.Haupt: Das Thema Echtzeit-bestandsabgleich ist technisch wirklich eine Herausforderung. Gerade bei großen Flächen ist es nicht ganz ohne, Ware auf der Flä-che zu finden. Zumal der ein oder andere Kunde ja auch ganz trick-reich ist und sich selbst Dinge reserviert oder in der Kabine lie-gen lässt. Bei kleineren Stückzah-len führt das zu Problemen, wenn das Picking inhouse auf der Fläche stattfindet.

Haben Sie da einen Tipp?Haupt: Für die Startphase ist das Thema Instore Picking sicherlich ein sehr guter Ansatz, weil ein Händler hier sehr orga-nisch sein Geschäft aufbauen kann. Ab einem gewissen Volumen wird man um ein eigenes Lager oder eine Zentrallösung nicht herumkommen, weil natürlich ein Picking-Prozess auf der Fläche aus dem Regal heraus etwas anderes ist als ein Kommissionierthema. Viele unsere Kun-

Rund um den Marienplatz haben sich die vier Münchner Einzelhandelshäuser

seit jeweils mehr als 100 Jahren angesiedelt

SPORT SCHUSTER

Seit 1913 befindet sich das Sporthaus

Schuster in der Rosenstraße 6, erst

auf 200, jetzt auf 5.000 Quadratme-

tern. Ebenfalls 1913 wurde der erste

achtseitige Katalog publiziert. Heute

erscheinen zwei Saisonkataloge à 500

Seiten pro Jahr. 1,9 Millionen Kunden

suchen das Haus, das 2006 aufwendig

umgebaut wurde, jährlich auf.

Sporthaus Schuster in Zahlen:

• Gründung: 1913

• Verkaufsfläche: 5.000 qm

• Umsatz 2013: ca. 50 Mio. Euro

• Webshop-Launch: 2008

nger

igen nären tände -Shop

äch-

„Wir kämpfen nicht gegen kleine Multichannel-Anbieter, sonden gegen

die großen Online Pure Player“

Ralf MagerGesamtverantwortlicher für den Bereich

E-Commerce bei Lodenfreywww.lodenfrey.com

16_Roundtable.indd 18 22.07.2014 12:18:54

Page 4: E COMMERCE - norisk Group GmbH...rid, Lodenfrey, Ludwig Beck und Sport ... Vertrieb am POS andererseits wird bei Multichannel künftig nicht mehr funktio-nieren. Hier muss einfach

19INTERNET WORLD Business21. Juli 2014 15/14

Daniela Zimmerinternetworld.de/dz

den wickeln die Logistik auf zwei Stand-beinen ab. Es gibt ein Online-Lager, in dem die Top-Artikel kommissioniert wer-den. Aber hochpreisige Artikel wie die 2.000-Euro-Skijacke hängt man sich ungern in ein dunkles Lager, da kann man dann auf die Stationärfläche zugreifen.

Wie ist es mit Mobile?Goehler: Wir haben in Sachen Mobile die Gnade der späten Geburt. Als wir die Ent-scheidung für den Shop getroffen haben, gab es in unserem Shop-System ein Update, das Full-Responsive-Möglichkeiten bot. Und auf diesen Zug sind wir in dem Fall wirklich aufgesprungen, auch auf Empfeh-lung unserer Agentur für das Shop-Design, Mzentrale. Die eigentliche Herausforde-rung kam allerdings im Nachgang, weil viele Dienstleister erst nach und nach in der Lage sind, Module „full responsive“ anzubieten. Wir wären schon längst mit Kundenbewertungen aktiv, mussten aber auf das Modul warten. Wir haben fast alle Partner rechts überholt – und generieren jetzt über 20 Prozent unserer Online-Um-sätze über mobile Endgeräte.Haupt: Grundsätzlich kann man für jeden Shop-Betreiber sagen, dass Mobile ein essenzieller Kanal werden wird, weil die Wechselwirkung zwischen den Kanälen oder die Kanalabwanderung häufig über den Mobile-Kanal ausgelöst wird. Händler müssen auch stationär offensiv mit dem Thema umgehen und sollten lieber kos-tenloses W-LAN anbieten als GPS-Ab-schirmungssignale zu senden. Wenn man Kunden bestärkt, online zu agieren, und sie mit Services abholt, die einen Mehr-wert für ihn haben, bindet man sie auch ein Stück weiter ans Haus.

Und Beacons?Mager: Wir haben eine kleine Tochter Off & Co. nebenan mit 400 Quadrat-metern, die zwar eine Lodenfrey-Tochter ist, aber als eigener Shop funktio-nieren muss. Da werden wir jetzt mit Beacons expe-rimentieren, um Leute, die beispielsweise in den Baye-rischen Hof gehen, abzu-fangen. Die sind genau unsere Zielgruppe. Bei den ganz großen Häusern wird es wohl eher eine schwie-rige Geschichte werden, weil wir wahrscheinlich jede Menge Beacons ein-setzen müssen, damit das überhaupt relevant wird. Das ist wohl eher für kleine Stores was.

Was ist denn aktuell Ihre größte Herausforderung?Mager: Systemintegration und Mobile. Das muss ein-fach gemacht werden. Die technische Basis zu schaf-fen, war super anstren-gend. Und Berater, die behaupten, so etwas sei super easy, haben es halt selber noch nie gemacht.

Das kostest wirklich viel Energie, Zeit und Geld und am Ende muss man erst mal sehen, ob es wirklich Mehrwert bietet.Kaupp: Wir haben in diesem Jahr sehr viel vor. Im Bettenrid-Haus in der Neuhauser Straße findet ein Umbau mit Neueröff-nung im September statt und in Frankfurt ein Umzug in die Kaiserstraße mit Neu-eröffnung. Dadurch wird das neue Corpo-rate Design in beiden Häusern konsequent weiter umgesetzt. Auch haben wir gerade die Einführung einer neuen Warenwirt-schaft sowie eines Zentrallagers hinter uns gebracht. Die nächsten To-dos sind Mobile und damit einhergehend auch Location Based Services.Schön: Technik, Technik, Technik. Wir sind kontinuierlich dabei, unsere internen Prozesse neu aufzusetzen und zu optimie-ren. Aktuell zum Beispiel unseren Instore-Picking-Prozess, an dem wir intensiv arbeiten, um durch Verbesserungen die Ausfallquote zu minimieren.Goehler: Unsere größte Herausforderung besteht eher darin, groß genug zu sein, um mit den Großen mithalten zu können, aber klein genug zu bleiben, um ganz anders sein zu können. Denn darin sehe ich unsere Zukunft. In puncto Convenience und Service müssen wir alles können, was die Großen auch bieten: Lieferzeiten, Ladezeiten, Mobile – all diese Themen müssen einfach perfekt gelöst sein. Aber gleichzeitig müssen wir in der Nische unser Glück finden und es beispielsweise schaffen, Neukunden noch persönliche Karten zu schreiben oder andere Dinge zu machen, wo Herz, Lokalität und Regiona-lität mitschwingen. Damit können wir uns abheben. Die Menschlichkeit muss auch online rüberkommen.

Schön: Genau dies ist auch unsere große Stärke, die man unbedingt in allen Kanä-len spüren sollte. Das ist uns ein wichtiges Anliegen, weil wir uns durch unsere fach-liche Kompetenz und unseren speziellen Schuster-Service einfach von anderen abheben. Diese Besonderheit transportie-ren wir in unserem Blog genauso wie an unserer Hotline. Unsere Mitarbeiter sind top geschult und wenn sie mal nicht wei-terhelfen können, verbinden sie den Kun-den zum Fachverkäufer in die Abteilung weiter. Idealerweise sprechen sie noch im bayerischen Dialekt. Nordlichter, die aus Hamburg anrufen, sind da immer hellauf begeistert.

Letzte Frage: Lohnt sich E-Commerce?Schön: Formulieren wir es anders: Multi-channel lohnt sich.Mager: Man darf nicht nur den Webshop allein berücksichtigen. Jeder Euro, der ins Online-Marketing investiert wird, zahlt auch auf die stationäre Filiale ein. Deswe-gen stimmt die Denke „E-Commerce lohnt sich nicht“ nicht. Entweder lohnt sich ein Unternehmen als Ganzes oder es lohnt sich eben nicht. ◼

Moderation: Daniela Zimmer

„An der Kundenhotline merkt man immer stärker, dass die Kunden auf allen Kanälen

bedient werden wollen“

Max Lenhart (li.) und Peter Schön Leiter Kundenservice, interne Prozesse / Leiter

E-Commerce beim Sporthaus Schusterwww.sport-schuster.de

Kanal für LadenhüterDas Sporthaus Schuster konnte über

Newsletter-Werbung einen Kinder-

schuh, der ein Ladenhüter war, in nur

einer Woche komplett abverkaufen.

SortimentstestLudwigbeck.de testet das Interesse

an neuen Produkten zunächst im

Webshop, bevor in der 1a-Stationär-

lage Regalfläche freigeräumt wird.

ImagegewinnLodenfrey schaffte es über den

Online-Shop, dass Kunden nicht nur

bei Trachten, sondern auch bei High

Fashion an den Händler denken.

Webshop-Benefits

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