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Arch. Oto-Rhino-Laryng. 220, 295--297 (1978) Archives of Oto-Rhino-Laryngology Springer-Verlag 1978 Short Communication/Kurze Mitteilung Ein kaloriseher Vestibularistest mit erhiihter Aussagekraft P. Strauss, O. Bock und A. Kurzeja HNO-Klinik der Universit/it Diisseldorf (Direktor: Professor Dr. K.-H. Vosteen), MoorenstraBe 5, D-4000 Diisseldorf 1 A Caloric Vestibular Test with Increased Positive Evidence Summary. The positive evidence of the caloric test increases, when the time- course of the induced heat wave in the petrous bone was eleminated, which differs from man to man. This is possible by changing head position during calorisation, so that a nearly rectangular stimulus results. Key words: Caloric vestibular test - Induced heat wave - Rectangular stimulus - Variance. Zusammenfassung. Die Aussagekraft der k~dorischen Vestibularispriifung nimmt zu, wenn der bei jeder Versuchsperson unterschiedliche zeitliche Verlauf der induzierten W~irmewelle im Felsenbein ausgeschaltet wird. Dies gelingt durch Ver/inderung der Kopfhaltung w~ihrend der Kalorisation, so dab ein an- n/ihernd rechteckf'6rmiger Reiz erzeugt wird. Sehliisselwiirter. Gleichgewichtsprfifung - Induzierte Wiirmewelle - Rechteck- reiz - Varianz. An einen klinischen Test wird die Anforderung gestellt, dab er ,,gesund" und ,,krank" mtglichst deutlich trennt. Die heute giingige kalorische Vestibularisprfifung (Hallpike, 1956) erfiillt diese Bedingung nur begrenzt, da die Streuung der MeBdaten (Abb. 1) bereits bei gesunden Versuchspersonen so groB ist, dab sich die Ergebnisse pathologischer F~ille kaum noch von gesunden klar abgrenzen lassen. Durch eine Senkung der Streubreite wiirde daher die Aussagekraft des kalorischen Tests stei- gen. Eine wichtige Varianzquelle stellen die Differenzen im zeitlichen Verlauf der induzierten W~irmewelle dar, welche bedingt sind durch die unterschiedlichen anato- Sonderdruekanfragen an: Dr. P. Strauss (Adresse siehe oben) 0302-9530/78/0220/0295/$ 01.00

Ein kalorischer Vestibularistest mit erhöhter Aussagekraft

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Page 1: Ein kalorischer Vestibularistest mit erhöhter Aussagekraft

Arch. Oto-Rhino-Laryng. 220, 295--297 (1978) Archives of Oto-Rhino-Laryngology �9 Springer-Verlag 1978

Short Communication/Kurze Mitteilung

Ein kaloriseher Vestibularistest mit erhiihter Aussagekraft

P. Strauss, O. Bock und A. Kurzeja

HNO-Klinik der Universit/it Diisseldorf (Direktor: Professor Dr. K.-H. Vosteen), MoorenstraBe 5, D-4000 Diisseldorf 1

A Caloric Vestibular Test with Increased Positive Evidence

Summary. The positive evidence of the caloric test increases, when the time- course of the induced heat wave in the petrous bone was eleminated, which differs from man to man. This is possible by changing head position during calorisation, so that a nearly rectangular stimulus results.

Key words: Caloric vestibular test - Induced heat wave - Rectangular stimulus - Variance.

Zusammenfassung. Die Aussagekraft der k~dorischen Vestibularispriifung nimmt zu, wenn der bei jeder Versuchsperson unterschiedliche zeitliche Verlauf der induzierten W~irmewelle im Felsenbein ausgeschaltet wird. Dies gelingt durch Ver/inderung der Kopfhaltung w~ihrend der Kalorisation, so dab ein an- n/ihernd rechteckf'6rmiger Reiz erzeugt wird.

Sehliisselwiirter. Gleichgewichtsprfifung - Induzierte Wiirmewelle - Rechteck- reiz - Varianz.

An einen klinischen Test wird die Anforderung gestellt, dab er ,,gesund" und ,,krank" mtglichst deutlich trennt. Die heute giingige kalorische Vestibularisprfifung (Hallpike, 1956) erfiillt diese Bedingung nur begrenzt, da die Streuung der MeBdaten (Abb. 1) bereits bei gesunden Versuchspersonen so groB ist, dab sich die Ergebnisse pathologischer F~ille kaum noch von gesunden klar abgrenzen lassen. Durch eine Senkung der Streubreite wiirde daher die Aussagekraft des kalorischen Tests stei- gen.

Eine wichtige Varianzquelle stellen die Differenzen im zeitlichen Verlauf der induzierten W~irmewelle dar, welche bedingt sind durch die unterschiedlichen anato-

Sonderdruekanfragen an: Dr. P. Strauss (Adresse siehe oben)

0302-9530/78/0220/0295/$ 01.00

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Abb. I. Variance of results of the caloric vestibular test, maximal frequency (standard deviation as percentage of means)

mischen Verh~iltnisse im Felsenbein (Pneumatisation, Durchblutung, Entfernung des lateralen Bogengangs vom Geh6rgang). Das in Anlehnung an Veits (1928) und Oman (1972) hier vorgeschlagene Verfahren der Kalorisation kann diese Varianz- queue groBenteils ausschalten, da nicht die Temperatur in ihrem ganzen zeiflichen Verlauf als vestibul/irer Reiz wirksam wird, sondern nur ein kurzer Teil yon konstan- ter Gr6Be. Die Versuchsperson wird zun~ichst im Sitzen gespfilt, wobei der Kopf um 30 ~ vorne geneigt ist. Dadurch befindet sich der seitliche Bogengang in hori- zontaler Position und ist dutch den thermischen Reiz nicht erregbar. Anhand eines mathematischen Modells, welches die physikalischen Vorg/inge bei der W/irmelei- tung im Felsenbein beschreibt (Book und Bromm, 1977), haben wir berechnet, dab sich nach ca. 2 min ein konstanter Temperaturgradient im Knochen ausgebildet hat. Daher legt sich die Versuchsperson nach Ablauf dieser Zeit unter fortlaufender Spfilung zuriick, wobei der Kopf um 30 ~ gegen die Waagerechte gebeugt bleibt. Diese Lagerung entspricht derjenigen, nach Hallpike (1956). Der laterale Bogengang steht nun senkrecht und kann auf den nunmehr konstanten W/irmereiz optimal rea- gieren. 30 s sp/iter setzt sich die Versuchsperson erneut auf, womit der Reiz wieder unwirksam wird. Der Verlauf des auf das Vestibularorgan einwirkenden Reizes ist also ann/ihernd ,,rechteckf'drmig". Er beginnt beim Hinlegen der Versuchsperson, erreicht sogleich seinen Maximalwert und beh/ilt diesen 30 s lang bei, um ebenso schnell nach dem Aufrichten wieder auf Null zu sinken.

Wir haben diese Methode bisher an zehn normalen Versuchspersonen gepr/ift. Beide Ohren wurden mit Wasser yon 29,2 ~ C und einer Str6mungsgeschwindigkeit yon 200 ml/min durch einen in den Gehfrgang eingelegten Silikonkatheter gespiilt. Zur Auswertung der registrierten Elektronystagmogramme wurde vorl/iufig nur die mittlere Frequenz wNarend 10 s des st/irksten Nystagmus verwendet. F/Jr die Spii- lung de r rechten Ohren erhielten wir dabei einen Mittelwert yon 2,02 Schl/igen/s und einer relativen Standardabweichung (s/x) yon 22%. F/ir die linke Seite ergaben sich entsprechend 2,01 Schl/ige/s und 23%. Wurden f/Jr jede Versuchsperson die beider- seitigen Ergebnisse gemittelt, ergab die Auswertung bei einem Mittelwert yon 2,02 Schl/igen/s ein Absinken der Streuung auf 18% (Abb. 1).

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Der Blick auf Abbildung 1 zeigt, dab das hier beschriebene Verfahren der Kalo- risation die Streubreite der Ergebnisse tats/ichlich deutlich senken konnte. Daher kann man sagen, dab die Trennsch/irfe zwischen ,,gesund" und ,,krank" durch den hier vorgestellten Test besser geworden ist, verglichen mit der klassischen Kalorisa- tion nach Hallpike. Eine weitere klinische Relevanz liegt darin, dab bei dem neuen Verfahren die Zeit bis zum Erreichen der Maximalfrequenz des Nystagmus (ca. 3--8 s vom Hinlegen an gerechnet) in erster Linie yon der Erregbarkeit der Vestibularor- gane und nicht wie beim Test nach Hallpike vorn Verlauf der Temperaturwelle im Felsenbein abh/ingt. Die Bestimmung dieser Zeit ist als MaB fiir die Erregbarkeit des Vestibularorgans daher besonders gut geeignet.

Die Durchffihrung dieser Vestibularispriifung ist ohne weiteres in jeder Arztpra- xis rn6glich. Zun~ichst wird die Untersuchungsliege so eingestellt, dab der Patient im Liegen die Optimumposition einnimmt. Dann wird der Patient hingesetzt und mit 30 ~ nach vorn gebeugtern Kopf 2 min lang gesp/ilt. Hierbei wird der Kopf durch eine zweite Kopfst/itze yon vorne in der Position 30 ~ Anteflexion gehalten. Dann legt er sich unter fortw/ihrender Spiilung hin in die vorbereitete Optimumlage und der Ny- stagmus wird im E N G registriert oder in den letzten 10 s des Liegens unter der Frenzelbrille ausgez/ihlt. Nach 30 s Liegen setzt sich der Patient wieder in die alte Stellung auf und die Sp/ilung wird beendet.

Literatur

Bock, O., Bromm, B.: A mathematical model of caloric nystagmus. Biol. Cybernetics 27, 27-32 (1977)

Claussen, C.: Das Frequenzmaximum des kalorisch ausgelfsten Nystagmus als Kennlinienfunktion des gepriiften Vestibularorganes. Acta oto-laryng. (Stockh~) 67, 639-645 (1969)

Hallpikel C. S.: The caloric test. J. Laryng. 70, 15--56 (1956) Kurzeja, A., Strauss, P., Heinig, A., L6hber, S.: Vergleich verschiedener Nystagmus-Parameter mit der

gemessenen sogenannten maximalen Winkelgeschwindigkeit bei der thermischen Erregbarkeits- prfifung. Z. Laryng. Rhinol. 57, 143-151 (1978)

Oman, C. M.: Dynamic response of the semicircular canals and lateral line organs. Ph.D. Thesis, MIT: Cambridge, USA (1972)

Strauss, P., Meyer zum Gottesberge, A.: The effect of mental activity on thermic induced nystagmus under various test conditions. 6th Extraord. Meeting B/tr/my Society, London, Sept. 1977

Torok, N." Nystagmus frequency versus slow phase velocity in rotatory and caloric nystagmus. Ann. Otol. (St. Louis) 78, 625--639 (1969)

Veits, C.: Zur Technik der kalorischen Schwachreizuntersuchung. Z. Hals-, Nas.- u. Ohrenheilk. 19, 542-548 (1928)

Zangemeister, W. H., Book, O.: (In Vorbereitung)

Eingegangen am 15. Februar 1978