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261 Ein Modell zur kalkulatorischen Bewältigung von Änderungsri- siken im Schadenbereich eines Versicherungsunternehmens Von Josef Hutter, Mannheim 1. DasrisikotheoretischeModell LI Schadenmodell zur Abbildung des Zufallsrisikos im engeren Sinn (Zufallsrisiko i. e. S., Zufallsrisiko erster Stufe) Zur Bestimmung kalkulatorischer Prämien und Reserven oder bei der Festle- gung von Risikoteilungskonzepten, wie Selbstbeteiligungen von Versicherungs- nehmern oder passive Rückversicherung von Versicherungsunternehmen für zukünftige Perioden, stützt sich die in der Versicherungswissenschaft und -praxis angewandte Risikotheorie 1 auf die drei grundlegenden stochastischen Schaden- variablen Schadenzahl, Schadensumme und Gesamtschaden, welche im folgenden mit N, X und Y bezeichnet werden. Die einer versicherungstechnischen Einheit (z.B. ein Einzelvertrag innerhalb einer als gleichartige Risiken angesehenen Risikogruppe von Versicherungsver- trägen, eine derartige (homogene) Risikogruppe, die Gesamtheit aller von einem Versicherungsunternehmen in einem Versicherungszweig (einer -sparte) abgeschlossenen Verträge oder die Gesamtheit aller Versicherungsverträge eines Versicherungsunternehmens) während einer Rechnungsperiode (z.B. ein Geschäftsjahr) insgesamt zuzuschreibende zufällige Schadenhöhe, der Gesamt- schaden Y{q)y läßt sich durch die in zweierlei Hinsicht stochastische Summe aus den zufälligen Schadenhöhen pro Einzelschaden, den Schadensummen Xi(q), / = 1, ..., N(q) und der zufälligen Anzahl der Schäden, der Schadenzahl N(q), darstellen: 1 Siehe z.B. Beard, R.E.IT. PentikäinenlE. Pesonen; Risk theory, London/New York 1984; Bühlmann, H.; Mathematical methods in risk theory, Heidelberg/New York 1970; Gerber, //.; An Introduction to Mathematical Risk Theory, Illinois 1979; Helfen, E. ; Risikotheorie - Grundlage der Risikopolitik von Versicherungsunternehmen, ZVersWiss 1975, 75-92; Hutter, /. ; Ein Unterneh- mensmodell als Planungs- und Controllingkonzept für Maßnahmen der passiven Rückversicherung von Erstversicherern, erscheint in Karlsruhe 1986; Kremer, E. ; Einführung in die Versicherungsma- thematik, Göttingen 1985; Kupper, J.\ Wahrscheinlichkeitstheoretische Modelle in der Schadenver- sicherung, Teil 1: Die Schadenzahl, BDGVM 5 (1962), 451-502; Teil 2: Schadenhöhe und Total- schaden, BDGVM 6 (1962), 95-129; Lemaire, /.; Theorie Mathématiques des Assurances, Presses Universitaires de Bruxelles, Brüssel 1982/83; Lippe, S.; Integration von Betriebskosten in risiko- theoretische Modelle, Karlsruhe 1983; Seal, H.L.; Stochastic Theory of Risk Business, New York 1969; Sterk, H.P. ; Selbstbeteiligung unter risikotheoretischen Aspekten, Karlsruhe 1979; Sundt, B. ; An Introduction to Non-Life Insurance Mathematics, Karlsruhe 1984.

Ein Modell zur kalkulatorischen Bewältigung von Änderungsri ...gung von Risikoteilungskonzepten, wie Selbstbeteiligungen von Versicherungs nehmern oder passive Rückversicherung

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261

Ein Modell zur kalkulatorischen Bewältigung von Änderungsri­siken im Schadenbereich eines Versicherungsunternehmens

Von Josef Hutter, Mannheim

1. Das risikotheoretische Modell

LI Schadenmodell zur Abbildung des Zufallsrisikos im engeren Sinn (Zufallsrisiko i. e. S., Zufallsrisiko erster Stufe)

Zur Bestimmung kalkulatorischer Prämien und Reserven oder bei der Festle­gung von Risikoteilungskonzepten, wie Selbstbeteiligungen von Versicherungs­nehmern oder passive Rückversicherung von Versicherungsunternehmen für zukünftige Perioden, stützt sich die in der Versicherungswissenschaft und -praxis angewandte Risikotheorie1 auf die drei grundlegenden stochastischen Schaden­variablen Schadenzahl, Schadensumme und Gesamtschaden, welche im folgenden mit N, X und Y bezeichnet werden.

Die einer versicherungstechnischen Einheit (z.B. ein Einzelvertrag innerhalb einer als gleichartige Risiken angesehenen Risikogruppe von Versicherungsver­trägen, eine derartige (homogene) Risikogruppe, die Gesamtheit aller von einem Versicherungsunternehmen in einem Versicherungszweig (einer -sparte) abgeschlossenen Verträge oder die Gesamtheit aller Versicherungsverträge eines Versicherungsunternehmens) während einer Rechnungsperiode (z.B. ein Geschäftsjahr) insgesamt zuzuschreibende zufällige Schadenhöhe, der Gesamt­schaden Y{q)y läßt sich durch die in zweierlei Hinsicht stochastische Summe aus den zufälligen Schadenhöhen pro Einzelschaden, den Schadensummen Xi(q), / = 1, ..., N(q) und der zufälligen Anzahl der Schäden, der Schadenzahl N(q),

darstellen:

1 Siehe z.B. Beard, R.E.IT. PentikäinenlE. Pesonen; Risk theory, London/New York 1984; Bühlmann, H.; Mathematical methods in risk theory, Heidelberg/New York 1970; Gerber, / / .; An Introduction to Mathematical Risk Theory, Illinois 1979; Helfen, E. ; Risikotheorie - Grundlage der Risikopolitik von Versicherungsunternehmen, ZVersWiss 1975, 75-92; Hutter, / . ; Ein Unterneh-mensmodell als Planungs- und Controllingkonzept für Maßnahmen der passiven Rückversicherung von Erstversicherern, erscheint in Karlsruhe 1986; Kremer, E. ; Einführung in die Versicherungsma­thematik, Göttingen 1985; Kupper, J.\ Wahrscheinlichkeitstheoretische Modelle in der Schadenver­sicherung, Teil 1: Die Schadenzahl, BDGVM 5 (1962), 451-502; Teil 2: Schadenhöhe und Total­schaden, BDGVM 6 (1962), 95-129; Lemaire, / . ; Theorie Mathématiques des Assurances, Presses Universitaires de Bruxelles, Brüssel 1982/83; Lippe, S.; Integration von Betriebskosten in risiko­theoretische Modelle, Karlsruhe 1983; Seal, H.L.; Stochastic Theory of Risk Business, New York 1969; Sterk, H.P. ; Selbstbeteiligung unter risikotheoretischen Aspekten, Karlsruhe 1979; Sundt, B. ; An Introduction to Non-Life Insurance Mathematics, Karlsruhe 1984.

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N(q)

Y(q)=LXi(q) (1) 1 = 1

Dabei steht der in der klassischen Risikotheorie als bekannt (fest, sicher) vorausgesetzte Parameter q für bestimmte Eigenschaften des stochastischen Modells, z.B. für den Verteilungstyp, den Erwartungswert, die Varianz usw. Natürlich kann er, soweit es sich um Vergangenheitsbetrachtungen handelt, immer nur als Schätzung vorliegen, bzw. in den hier behandelten Fällen, bei denen es stets um laufende oder künftige Rechnungsperioden geht, lediglich als Prognose gegeben sein.

Üblicherweise wird für die Schadenvariablen N(q), X\{q)y ..., XN(q)(q) die stochastische Unabhängigkeit vorausgesetzt und die Schadensummenvariablen Xi(q), i = 1, ..., N(q), als identisch verteilt angesehen, was erlaubt, den Erwar­tungswert ju(Y(q)), die Varianz o2(Y(q)) und das dritte zentrale Moment a3(Y(q)) des Gesamtschadens mit Hilfe der entsprechenden Größen der Scha­denzahl und der Schadensumme darzustellen2.

M(Y(q)) = M(N(q))ft(X(q))

o\Y(q)) = ^N(q))a2(X(q)) + a2(N(q))lu2(X(q)) (2)

a3(Y(q))=M(N(q))a3(X(q)) + 3a2(N(q))MX(q))o2(X(q))

Unter Verwendung der Größen o2(Y(q)) und a3(Y(q)) erhält man die Schiefe y(Y(q)) des Gesamtschadens durch die Beziehung

«3(r(g)) °\Y(q)) r(ym = ̂ ^ : (3)

Als Verteilungsmodell für die Schadenzahl haben im wesentlichen die diskreten Verteilungsfamilien

Poisson-, Binomial- und Negative Binomialverteilung

Eingang in die Literatur gefunden3, während für Schadensummenvariable

2 Siehe etwa: Kupper, (Fn. 1) 105; Lau, H.S.; An Effective Approach For Estimating The Aggregate Loss Of An Insurance Portefolio, JRI 1984, 20. Falls für N(q) und X(q\ bestimmte Verteilungsannahmen getroffen werden, vereinfachen sich teilweise die Formeln zu Ziffer (2).

3 Vgl. Albrecht, P. ; Dynamische statistische Entscheidungsverfahren für Schadenzahlprozesse, Karlsruhe 1981, 163-216; Beard/PentikäinenlPesonen (Fn. 1); Bühlmann (Fn. 1) 9-12, 41-54, 68-73; Kupper (Fn. 1)18-19.

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überwiegend folgende stetige Verteilungsfamilien und davon abgeleitete (trun-kierte und konzentrierte) Verteilungen zur Anwendung gekommen sind4:

Exponential-, Pareto-, Normal-, Lognormal- und Gammaverteilung

Y(q) als Ganzes repräsentiert in gewisser Weise, nämlich als bedingte (unter der Bedingung q) Wahrscheinlichkeitsverteilung, den Grad an Riskanz (Zufallsri­siko i.e.S., Zufallsrisiko erster Stufe5) der vom Versicherungsunternehmen von einer Risikoeinheit als möglichem Schadenproduzent übernommenen Gefahr unter der Annahme einer gemäß der Hypothese q bekannten (stabilen, sicheren) stochastischen Gesetzmäßigkeit während der in der Gegenwart oder Zukunft durchlaufenen Geschäfsperiode.

Vereinfachend oder zur Betonung ausgewählter Aspekte können von Y(q) abgeleitete Risikomaße wie der Erwartungswert, die Varianz, die Standardab­weichung, der Variationskoeffizient, die Schiefe und die Überschreitungswahr­scheinlichkeit einer vorgegebenen Schadengrenze oder Kombinationen davon zur Gefährlichkeitsmessung herangezogen werden, oder es kann, falls eine das Verteilungsmodell insgesamt berücksichtigende komplexere Bewertung gewünscht wird, die Wahl auf den Bernoulli-Nutzen und das Bernoulli-Prinzip oder die verschiedenen Arten der stochastischen Dominanz fallen6.

Nun hat sich in der Realität gezeigt, daß aufgrund von Änderungen im Scha­denursachenkomplex, hervorgerufen durch technologische, rechtliche, soziale oder politische Entwicklungen, trendmäßige, zyklische und stochastische Veränderungen am Verteilungsmodell Y{q) zu beobachten sind7, mithin die Fiktion einer stabilen Hypothese q eher als realitätsfern einzustufen ist. Es liegt daher nahe, den das stochastische Schadenmodell Y(q) determinierenden Para­meter q nach eventuell subjektiven Mutmaßlichkeitsvorstellungen stochastisch variieren zu lassen und zu einem zufälligen Parameter Q überzugehen.

4 Vgl. Beard/Pentikäinen/Pesonen (Fn. 1) 60-S4; Bühlmann (Fn. 1) 4-9, 18-19; Hogg, K.V.I S.A. Klugmann; Loss Distributions, Chichester 1984; Kupper (Fn. 1) 95-103.

5 Die Kennzeichnung "Zufallsrisiko erster Stufe" für das oben erklärte Zufallsrisiko i.e.S. bei stabilen stochastischen Gesetzmäßigkeiten stammt von Eichhorn. Vgl. Eichhorn, W. ; Erscheinungs­formen des versicherungstechnischen Risikos, ZfV 1978, 594.

6 Zum Bernoulli-Nutzen und Bernoulli-Prinzip siehe z.B.: Schneeweiss, H. ; Entscheidungskrite­rien bei Risiko, Berlin/Heidelberg/New York 1967, 61-77. Einen Überblick über die verschiedenen Arten von stochastischer Dominanz findet man bei: Mosler, K.C.; Entscheidungsregeln bei Risiko: Multivariate stochastische Dominanz, Berlin/Heidelberg/New York 1983.

7 Vgl. Gerathewohl, K. et al.; Rückversicherung. Grundlagen und Praxis, Bd. 1, Karlsruhe 1976, 14-22; Jannott, H.K. ; Zufallsrisiko-Änderungsrisiko, in: Festschrift für Reimer Schmidt, hrsg. von F. Reichert-Facilides, R. Ritter und J. Sasse, Karlsruhe 1976, 407-432; Jannott, H.K.IK. Gerathe­wohl, Probleme des internationalen Risikoausgleichs, ZfV 1984, 521-526, speziell 522-524.

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Ein auf die Schadenzahl beschränktes Beispiel eines derartigen Vorgehens liefert das Modell schwankender Grundwahrscheinlichkeiten von Ammeter mit einer Poissonverteilung als bedingter Verteilung und einer Gammaverteilung als mischender A-priori-Verteilung, wobei der Parameter q identisch mit dem Erwartungswert ju(N(q)) der Schadenzahl ist, also dem Scharparameter 0 der Poissonverteilung entspricht (q=ju(N(q)) = 0)8.

Tabelle 2 enthält beispielhaft einige Risikoparameter zum Gesamtschaden Y,9 einer Risikogruppe von versicherungstechnischen Einheiten (Einzelver­trägen) für die Geschäftsperioden t = 0, 1, 2, 9 und 10 auf der Grundlage der in Tabelle 1 ausgewiesenen Risikoparameter zur Schadenzahl und Schadensumme. Als Schadensummenverteilung wird stets die Gammaverteilung verwendet, während bei der Schadenzahl drei Fälle zu unterscheiden sind:

1. Zunächst der Fall einer

Poissonverteilung (Poisson),

d.h. es gilt für alle t: o2(Nt) =ju(Nt),

2. ferner eine

negative Binomialverteilung (neg. Bin. 1),

bei der für alle t: o2(Nt) = 1,8-ju(Nt) zutrifft, und

3. schließlich eine negative Binomialverteilung (neg. Bin. 2)

als Ergebnis des Ammeterschen Modells schwankender Grundwahrscheinlich­keiten zur Berücksichtigung einer Teilkomponente von Änderungsrisiko.

Im letzten Fall wird bei einer Poissonverteilung der Poissonparameter 6 durch das Produkt 9- Q* von 8 mit der für alle t a priori identisch gammaverteilten Zufalls variable Q* ersetzt, deren Parameter in der letzten Zeile von Tabelle 1 zu finden sind. Daraus resultiert als spezielle A-posteriori-Verteilung die gemischte Poissonverteilung neg. Bin. 2.

8 Vgl. Ammeter, H.; Die Elemente der kollektiven Risikotheorie von festen und zufallsartig schwankenden Grundwahrscheinlichkeiten, MVSVM 1949, 35-95.

9 Im folgenden wie auch in den Tabellen wird zur Vereinfachung der Schreibweise auf die Wiedergabe des Parameters q verzichtet und beispielsweise N, für N(qt) geschrieben.

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Tabelle 1

Risikoparameter zur Schadenzahl N, und Schadensumme X, für die vergangene Geschäftsperiode 0 und die zukünftigen Gschäftsperioden t = infolge der Änderungshypothesen rg(t), rx(t) und Q*

1 bis 10

T = l

VW)

o\Nt)

Y(Ni)

v(Nt)

M(Xt) o(Xt) y{xt)

Poisson (=1 •/*(#,)) neg. Bin. { = 1,8 -fi(Nt))

absolut rei. zu ju(Nt) a

neg. Bin.2

Poisson neg. Bin.1 neg. Bin.2

Poisson neg. Bin.1 neg. Bin.2

Gamma-vertei- ( = 2-j/(Ar,)) lung

0 1,00 1,00

1,00

3000 3000 5400

190501 63,50

0,01826 0,01361 0,28868

0,01826 0,02490 0,14549

1200 2400

1 1,06 1,03

1,09

3180 3180 5720

213856 67,25

0,01773 0,01362

0,28868

0,01773 0,02378 0,14542

1236 2472

2 1,09 1,02

1,21

3466 3466 6239

253741 73,21

0,01699 0,01266 0,28868

0,02279 0,145 33

1260 2520

3 1,12 1,01

1,37

3 882 3882 6987

317840 81,88

0,01605 0,01196 0,28868

indentiseli 0,02153 0,14523

1274 2548

rM)

9 1,05 1,02

2,15

4907 4907 8833

506549 103,23

0,01428 0,01064

0,28868

0,01915 0,14504

1579 3158

10 1,04 1,03

2,30

5100 5100 9185

546978 107,25

0,01400 0,01043 0,28868

0,01400 0,01879 0,14502

1626 3252

ON

für alle / identisch 4 für alle t identisch 2

Q* für alle /identisch gammaverteilt mit p(Q*t) = l, o(Q*t) = 0,144338, y(Q*() = 0,288676

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Tabelle 2 Risikoparameter zum Geschäftsperiodengesamtschaden Yt als Folge der zugehörigen Schadenzahl- und Schadensummenparameter Nt und X,

M(Y,)

o(Y.)

Y(Y.)

y<{Y,)

yc(Y.)

Poisson neg. Bin.1 neg. Bin.2

Poisson neg. Bin. 1 neg. Bin.2

Poisson neg. Bin.1 neg. Bin.2

Poisson neg. Bin.1 neg. Bin.2

Poisson neg. Bin.1 neg. Bin.2

Poisson neg. Bin.1 neg. Bin.2

Poisson neg. Bin.1 neg. Bin.2

absolut in DM relativ als Vielfaches von//(y0)

absolut in DM

relativ in % von MY,)

absolut in DM

relativ als Vielfaches von/*(y,)

absolut in DM

relativ als Vielfaches von//(Y,)

0 3600000

1,00

146969 158291 540001

4,082 4,397

15,000

0,07349 0,07617 0,28955

4168232 4212909 5936031

1,1578 1,1702 1,6489

3078953 3039792 1937325

0,8553 0,8444 0,5381

1 3930480

1,09

155 854 167860 588336

3,966 4,271

14,946

0,07137 0,07398 0,28946

4532362 4579659 6475494

1,1531 1,1652 1,6475

3377173 3335558 2118876

0,8592 0,8486 0,5391

2 4367160

1,21

165871 178649 651805

3,798 4,091

14,866

0,06837 0,07087 0,28934

5006667 5056882 7186561

1,1464 1,1579 1,6456

3777143 3732720 2359974

0,8648 0,8547 0,5403

9 7748153

2,15

247329 266383

1145376

3,192 3,438

14,766

0,05746 0,05956 0,28902

8695976 8770186

12701730

1,1223 1,1319 1,6393

6862186 6795218 4220356

0,8857 0,8770 0,5447

10 8292600

2,30

259651 279715

1224776

3,130 3,372

14,741

0,05635 0,05841 0,28899

9287031 9365100

13589490

1,1199 1,1293 1,6387

7361838 7291234 4520179

0,8878 0,8792 0,5451

OS

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Tabelle 3

Risikoparameter zu dem über die Geschäftsperioden aggregierten Gesamtschaden Y0,, auf der Grundlage der in Tabelle 1 ausgewiesenen Schaden­zahl- und Schadensummenparameter

M(Yo.i)

°{Yo.i)

Y(Y0tl)

YeiYo,,)

le{Y0tl)

Poisson neg. Bin.1 neg. Bin.2

Poisson neg. Bin. 1 neg. Bin. 2

Poisson neg. Bin.1 neg. Bin.2

Poisson neg. Bin. 1 neg. Bin. 2

Poisson neg. Bin.1 neg. Bin.2

Poisson neg. Bin. 1 neg. Bin.2

Poisson neg. Bin.1 neg. Bin.2

absolut in DM relativ als Vielfaches von^(Y0)

absolut in DM

relativ in % von ß(Yo.t)

absolut in DM

relativ als Vielfaches von^(Y0>/)

absolut in DM

relativ als Vielfaches von//(y0,,)

1 2 3 7530480 11897640 16843308

2,0977

214220 223091 798587

2,844 2,963

10,605

0,05122 0,05216 0,20527

8348578 8693332 0493240

1,108 1,113 1,393

6760055 6728632 4935798

0,8977 0,8935 0,6554

3,3050

270930 285806

1030820

2,277 2,402 8,664

0,04101 0,04228 0,16859

12926430 12983690 16091690

1,086 1,091 1,353

10916970 10086396 8466363

0,9176 0,9131 0,7116

4,6786

323893 343844

1266362

1,923 2,041 7,518

0,03463 0,03579 0,14761

18068810 18145150 21939170

1,073 1,077 1,303

15666270 15594680 12568720

0,9301 0,9259 0,7462

9 55 302111

15,3642

621929 667233

2667769

1,125 1,204 4,824

0,02043 0,02119 0,09842

57636500 57807630 65758100

1,042 1,045 1,189

53302233 52857390 45997530

0,9588 0,9558 0,8317

10 63594711

17,6686

673956 723477

2935487

1,060 1,138 4,616

0,01927 0,01999 0,09486

66122720 66309580 75077750

1,039 1,042 1,181

61122470 60941990 53332310

0,9611 0,9583 0,8386

<1

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Die Parameter rg(t) und rx(t) stellen deterministische prognostizierte (postu­lierte) Änderungsfaktoren dar, um die sich die Schadenzahl- bzw. Schadensum­menerwartungswerte in der laufenden Periode t gegenüber der Vorperiode /— 1 erhöhen. rx(t) ist als Teuerungsfaktor (hervorgerufen z.B. durch Infla­tion) für die einzelnen Schadensummen zu interpretieren, während rg(t) etwa den Einfluß von Bestandswachstum - gemessen an der Steigerung der Zahl an Versicherungsverträgen - oder einer Erhöhung der erwarteten Schadenhäufig­keit pro versicherungstechnische Einheit zum Ausdruck bringt.

Das Produkt aus rg(t) und rx(t) entspricht dann dem Anstieg des Gesamt-schadenerwartungswertes von der Periode t—1 zu t, d.h. es gibt das in der jeweils neuen Periode erwartete Schadenvolumen als Vielfaches der Vorpe­rioden wieder. Damit enthält Zeile vier in Tabelle 1 das in den zukünftigen Perioden 1 bis 10 erwartete Schadenvolumen als Vielfaches der zum Basisjahr gewählten gerade vergangenen Periode 0.

Die Größen v(Nt) und v ( ^ ) bezeichnen den Variationskoeffizienten, also den Quotienten aus der Standardabweichung und dem Erwartungswert der jeweiligen Zufallsvariablen (z.B. v(Nt) = a(Nt)/(^(Nt)).

In den Tabellen 2 und 3 zu den Gesamtschäden Yt und Y0, „ wobei der letz­tere das aus den Geschäftsperioden 0 bis / aggregierte Gesamtschadenvolumen darstellt, sind zusätzlich noch Schadengrenzen JE undy E angegeben, welche von dem in einem Zeitabschnitt tatsächlich auftretenden Schadenvolumen mit einer Wahrscheinlichkeit von höchstens £ = 1/10000 über- bzw. unterschritten werden. Die Berechnung dieser Werte erfolgte mit Hilfe eines modifizierten Normal Power Verfahrens10.

Obgleich eine eingehende Kommentierung der Tabellenwerte in schriftlicher Form aus Platzgründen nicht möglich ist, sollen wenigstens einige Aspekte erläuternd ins Licht gerückt werden:

1. Sämtliche absoluten Risikoparameter (a, y"c— ju und fi-y_E) der Gesamt­schadenvariablen Yt bzw. Y0,, nehmen mit in t wachsenden Erwartungs­werten ju(Yt) bzw. pt(Yot ,) zu, während die relativen Risikoparameter (o//u, Y> iy£—fÀ)lfÀ, (ju-y_e)l^) abnehmen.

2. Die Unterschiede zwischen den Risikoparametern in den beiden Fällen ohne Änderungsrisiko (Poisson- und neg. Bin. 1) sind trotz der um 80% größeren Schadenzahlvarianz bei der negativen Binomialverteilung, welche aber gleichzeitig durch eine deutlich kleinere Schiefe gekennzeichnet ist, als geringfügig einzustufen. Zudem werden die Differenzen der relativen Risi­koparameter mit in t wachsendem erwarteten Schadenvolumen immer kleiner.

Vgl. Beard/PentikäinenlPesonen (Fn. 1) 116-118.

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3. Das bezüglich der Schadenzahl unterstellte zeitstabile Änderungsrisiko im Sinne schwankender Grundwahrscheinlichkeiten nach Ammeter (neg. Bin. 2), welches alle zur Risikogruppenvariable Nt gehörigen Einzelrisiken einheitlich und gemeinsam betrifft, also die stochastische Unabhängigkeit der individuellen Schadenzahl variablen dieser Einzelrisiken zerstört, bewirkt einen deutlichen Anstieg sowohl der Schiefe als auch der Varianz und entsprechend des Variationskoefffizienten von Nt. Demzufolge weisen alle Risikoparameter des Gesamtschadens für diesen Fall gegenüber den beiden anderen eine wesentliche Gefährlichkeitserhöhung aus.

4. Zwar deuten die mit t und wachsendem ju( Yt) ebenfalls sinkenden relativen Risikoparameter auch auf ein abnehmendes relatives Risiko der Gesamt­schadenvariablen hin, allerdings von einem im Hinblick auf die zuvor behan­delten Fälle ohne Änderungsrisiko erheblich geringeren Ausmaß.

5. Im übrigen läßt sich leicht zeigen , daß die relativen Risikoparameter Schiefe und Variationskoeffizient des Gesamtschadens Yt im Fall neg. Bin. 2 für M(Nt) gegen », nicht wie die entsprechenden Parameter in den Fällen Poisson und neg. Bin. 1 gegen 0, sondern gegen den Wert des Variationsko­effizienten bzw. der Schiefe der A-priori-Verteilung, also gegen v(Q*) bzw. y(Q*) konvergieren. Mit anderen Worten: Bei der Berücksichtigung des Änderungsrisikos findet ein Ausgleich im Kollektiv - so man gewillt ist, die Konvergenz der relativen Risikoparameter derart zu apostrophieren - ledig­lich in schwächerem Grad und nur bis zu einem gewissen, durch das Modell vom Änderungsrisiko vorgegebenen, höheren Niveau statt. Wegen der Art der Ermittlung der Schadengrenzen ~yE und yE mit Hilfe der Normal Power Methode folgt unmittelbar, daß auch (yE-ju)/ju und (ju-y^E)/ju für ju(Nt) gegen unendlich in den Fällen Poisson und neg. Bin. 1 gegen 0 und im Fall neg. Bin. 2 gegen zwei feste Werte aif a2>0 konvergieren, was sich auch so ausdrücken läßt: Die über den Erwartungswert hinaus erforderlichen Sicher­heitsmittel werden relativ zum Erwartungswert immer kleiner, in der Situa­tion ohne Änderungsrisiko prozentual vom Erwartungswert beliebig klein, sofern die Risikogruppe hinreichend genug vergrößert werden kann und beim Vorhandensein von Änderungsrisiko der beschriebenen Art auch bei beliebiger Größe der Risikogruppe immer größer als 100 a Prozent von

6. Demgegenüber lassen die Zahlenwerte von O/JU, y, {yE - ju)/ju und (// - y_E)l^ zum aggregierten Gesamtschaden Y0>, vermuten, daß ein Ausgleich in der Zeit in vollem Maße (Konvergenz der entsprechenden relativen Risikopara­meter gegen 0 für t gegen oo dann gewährleistet ist, wenn wie im Beispiel hier die Annahme getroffen wird, das Änderungsrisiko zu den verschiedenen

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Perioden beeinflusse sich gegenseitig nicht, genauer, die Variablen Q* seien für alle t stochastisch unabhängig.

Abbildung 1 visualisiert einige der Tabellenwerte zu den Gesamtschadenvaria­blen, um die Sachlage zu veranschaulichen. Die Darstellung beschränkt sich auf den Fall neg. Bin. 2, weil für den dazu gewählten Maßstab bis auf die ja bei allen Fällen übereinstimmenden Erwartungswerte, die Risikoparameter der Gesamt­schadenvariablen zu den übrigen zwei Fällen nur schwierig einzuzeichnen sind, da sie fast zusammenfallen.

Anhand der Graphik kann der in Punkt 6 angesprochene Ausgleich in der Zeit unschwer nachvollzogen werden. Zwar ist die absolute Bandbreite ~yE — y_E

beim aggregierten Gesamtschaden Y(q^0, o) immer größer als beim Periodenge-samtschaden Y{qt), relativ aber auf die Erwartungswerte bezogen wird der Korridor, in dem sich der tatsächliche Gesamtschaden mit der vorgegebenen Wahrscheinlichkeit bewegen darf, bei den aggregierten Variablen viel schneller enger als bei den Periodenvariablen und das auf einem auch niedrigeren Niveau. So ergeben sich beispielsweise bei f=10 als Werte für yE — y_E 109,36% von fx{Y{qt)\ aber lediglich 34,24% vonju(Y(q0,0)).

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271

Abbildung 1

Zeitlicher Verlauf einiger Risikoparameter zum Geschäftsperiodengesamtschaden Yt(qt) und zu dem über die Geschäftsperioden 0 bis / aggregierten Gesamtschaden Y(q(0i f)) im Vergleich zu einer

zufälligen Realisation y(qt) bzw. y(q0> t)) dieser Gesamtschadenvariablen

Y(q(o,t)>

15 -

10 -

5 -

Akkumulierter Gesamtschaden Y(q, .) der Perioden 0 bis t (o,t)

1

0

( Y ( < 3 ( o , t ) »

y ( Y ( * ( o , t ) »

^ ( Y ( * ( o , t ) »

ï e ( Y ( « ( 0 , t ) W

- i 1 r -

Y(q t) , Gesamtschaden Y(qfc) der Periode t

3 -

1 .

yE<Y(qt))

y <Y(qt)>

y e (Y(q t ) )

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 t

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1.2 Schadenmodell zur gemeinsamen Abbildung von Zufallsrisiko i.e.S. und Änderungsrisiko y dem Zufallsrisiko im weiteren Sinn

(Zufallsrisiko i. w. S., Zufallsrisiko erster und zweiter Stufe)

In Erweiterung der Überlegungen von Eichhorn, welcher unter Änderungsri­siko die Unsicherheit über den in einer laufenden oder zukünftigen Periode tatsächlich zutreffenden Schadenzahl- bzw. Schadensummenerwartungswert li(N(q)) bzw. ju(X(q)) versteht11, gelten im weiteren beliebige, soweit in einem Modell überhaupt spezifizierbare, unsichere, d.h. nur mit einer vorgegebenen (bekannten) Wahrscheinlichkeit mögliche Veränderungen an dem in der Vorpe­riode t = 0 für wahr gehaltenen Schadenmodell Y(q0) als Ausdruck von Ände­rungsrisiken, z.B. ein Wechsel im Verteilungstyp, Änderungen des Erwartungs­wertes, der Varianzen u.a.

Um nicht ebenfalls bei einer lediglich sprachlichen Modellbildung zu verharren, wird dabei von einer diskreten Zufallsvariable ß i ausgegangen, deren Werte qik, k = 1, ..., K, jeweils ein zu der Periode 1 mögliches Schaden­modell Y(q ut) anhand der Variablen N(qik) und X(qxk) konkretisieren. Jedes qik stellt eine mehrdimensionale Größe dar, welche die N(qik) und X(qik) konstituierenden Elemente enthält. Bei einem für alle k jeweils einheitlichen Verteilungstyp zur Schadenzahl und Schadensumme mit je zwei Scharparame­tern können dies etwa die Funktionalparameter n{N(q\k))> o2(N(qik)), ju(X(qlk)) und o(X(qlk)) von N(qlk) und X{qxk) sein:

qik = (p{N(qlk)), o\N(qlk)), f*(X(qlk)), o(X(qlk))) (4)

Die diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilung UQx = {uik), k = l, ..., K, von ß i gibt als A-priori-Verteilung die Mutmaßlichkeit wieder, mit der in der Geschäftsperiode 1 das Auftreten eines der verschiedenen denkbaren K stocha­stischen Schadenszenarien Y(qik), k=\, ..., K, erwartet wird, während die sozusagen doppelt stochastische Zufallsvariable Y{QX) in diesem Sinne den Gesamtschaden einer Risikoeinheit für ein aus den einzelnen angenommenen Szenarien gemischtes mittleres Szenario darstellt.

Y(Qi) läßt sich als mathematisches Modell interpretieren, das neben den Zufallsschwankungen i.e.S. von Y(q0) um ju(Y(q0)) beim Schadenmodell mit festem Parameter q0 zusätzlich die durch Qx postulierten Änderungen der Risi­kolage (Änderungsrisiko, Zufallsrisiko zweiter Stufe) mit abbildet, oder anders

11 Vgl. Eichhorn (Fn. 5) 594; Die Kennzeichnung "Zufallsrisiko zweiter Stufe" hat ebenfalls Eichhorn vorgeschlagen, um einerseits die Stochastizität bei der Wahl der Schadenerwartungswerte deutlich zu machen und andererseits aber auch eine Unterscheidung zum Zufallsrisiko erster Stufe zu haben.

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ausgedrückt, gewissermaßen das Informationsrisiko im Hinblick auf den in der Geschäftsperiode t = 1 tatsächlich gültigen Parameter qik berücksichtigt.

In y (ß i ) und den davon abgeleiteten Risikoparametern kommt also inte­griert und in Zahlen gefaßt neben dem Zufallsrisiko i.e.S. auch das Änderungs­risiko zum Ausdruck, und zwar dergestalt, wie es mittels der Änderungshypo­thesen qxk und deren Wahrscheinlichkeitsgewichten uxk modelliert worden ist. Die zweifache Stochastizität von Y(QX) rechtfertigt für dieses Gesamtrisiko die Wahl der Bezeichnung "Zufallsrisiko" i.w.S.

Damit verfügt man nun über ein Modell, das in der Lage ist, die wohl wichtig­sten Risikoarten im Schadenbereich zu quantifizieren, sofern es gelingt, die Modellparameter zu spezifizieren. Schwierigkeiten bereitet dabei vor allem die Festlegung der das Änderungsrisiko charakterisierenden A-priori-Verteilung UQXÌ welche ja nicht unmittelbar gemessen werden kann, sondern oft nur mit Hilfe von Expertenprognosen auf Umwegen konstruiert werden muß12.

Dieses Problem weist auf eine weitere Risikoart hin, welche in der Literatur, obgleich inhaltlich nicht gänzlich übereinstimmend, mit den Begriffen Diagno­serisiko13, Irrtumsrisiko14 und Informationsrisiko15 umrissen wird. Falls man darunter, teilweise abweichend von den Auffassungen der Urheber dieser Wort­schöpfungen, ganz allgemein die Gefahr des Auseinanderklaff ens von dem obigen Modell des Zufallrisikos i.w.S. und der Wirklichkeit versteht16, so wird schnell die prinzipielle Vergeblichkeit des Bemühens deutlich, ein derartiges Risiko mittels eines quantitativen Modelies abbilden zu wollen.

12 Ein Beispiel für eine Expertenprognose zu Schadenerwartungswerten über einen Zeitraum von 7 = 3 Jahren liefern Helten und Kurble. Siehe: Helten, E. ; Methoden und Grenzen der Prognose im Versicherungsunternehmen, ZVersWiss 1981, 343-345; Helten, E.IG. Kurble; Expertenpro­gnose des Schadenbedarfs in der Kraftfahrthaftpflichtversicherung, VW 1982, 446-452.

13 Vgl. Helten, E.\ Statistische Entscheidungsverfahren zur Risikopolitik von Versicherungsun­ternehmen, Habilitationsschrift Köln 1973, 48-50.

14 Vgl. Farny, D.\ Produktions- und Kostentheorie der Versicherung, Karlsruhe 1965, 25-26; Jannott {Fn. 7) 415-417; Gerathewohl (Fn. 7) 9, 106, 658; Karten, W.; Grundlagen eines risikoge­rechten Schwankungsfonds, Berlin 1966, 41-43.

15 Vgl. Fuss, F. ; Risikogerechte Eigenkapitalausstattung und Solvabilitätssystem der Schaden­versicherungsdirektive - eine betriebswirtschaftliche Untersuchung, Karlsruhe 1971, 22.

16 Die eben aufgelisteten Begriffe der genannten Autoren beziehen sich hauptsächlich auf Daten der Vergangenheit, also auf das Risiko, Beschreibungs- und Erklärungsmodelle zu vergangenen Geschäftsperioden falsch zu konstruieren und zu implementieren, was sich lediglich mittelbar negativ für das zukünftige Geschäft auswirken kann, etwa wenn unzulässigerweise mit Zeitstabili­tätshypothesen oder mit falschen Modellfortschreibungen gearbeitet wird. Da es bei Anwendungen von Modellbildungen in der Praxis aber eigentlich fast immer darauf ankommt, ein Modell für die Zukunft zu haben (z.B. Prognosemodelle als Grundlage für Entscheidungsmodelle), sind in diesem Beitrag unter Irrtumsrisiko lediglich Irrtümer in bezug auf die wahre stochastische Gesetzmäßigkeit künftiger Geschäftsperioden gemeint.

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Kaum hätte man nämlich ein solches vorgeschlagen, müßte man sich ja bereits wieder Gedanken machen, wie die Gefahr, daß auch dieses Modell unzutreffend ist, abzubilden sei, d.h. man gerät in eine aus Gründen der Logik nicht abbre­chende Kette von Iterationen, weshalb wohl am besten ganz auf das Unter­fangen und die Messung dieses Risikos verzichtet wird.

Das schließt nicht aus, daß fallweise pauschale quantitative Aussagen zum Irrtumsrisiko wie etwa eine von Helten, der aus der unvollständigen informatio­nellen Situation (in der Kraftverkehrsversicherung, Anmerkung des Verfassers) wohl größere Risiken als aus der Stochastizität des Schadenverlaufs erwachsen sieht, zulässig oder berechtigt sein mögen17. Auch bedarf es keiner Erörterung, daß in Situationen, wo nur geringe oder gar keine Informationen vorliegen18, z.B. bei der Tarifierung neuer Risiken, vermutlich das Irrtumsrisiko, die alles dominierende Risikoart sein dürfte. Ansonsten aber wird sich leider erst hinterher, wenn man sich bereits geirrt hat, am Ausmaß des Irrtums vielleicht ermessen lassen, wie groß das Risiko dafür zuvor gewesen sein könnte.

Befremdlich bleiben jedoch Äusserungen mit in der Folge quasi Lehrsatzcha­rakter wie: "Der Umfang des Irrtumsrisikos aus den aktuellen Beständen verän­dert sich proportional zu deren Größe"19. Oder: "Das Diagnoserisiko (Irrtums­risiko, Informationsrisiko) hat, falls es sich negativ auswirkt, die für den Versi­cherer unangenehme Eigenschaft, bestandsproportional zu sein: ... Einen «Ausgleich im Kollektiv» gibt es hier offenbar nicht"20.

Gewiß hat derselbe Irrtum, etwa eine falsche Schätzung des Gesamtschaden-erwartungswertes pro Risikoeinheit (hier eines Einzelvertrages) bei einem gemessen an der Anzahl der Risikoeinheiten größeren homogenen Kollektiv, stärkere Auswirkungen als bei einem kleineren, was aber noch lange nicht bedeuten muß, daß ein eventueller versicherungstechnischer Verlust propor­tional größer sein wird. Setzt man dagegen, wie offenbar die beiden angeführten Autoren zuvor, den tatsächlichen Verlust pro Risikoeinheit für zwei verschie­dene große Bestände gleich, so ist trivialerweise als Folge dieser Voraussetzung der gesamte Verlust im größeren Kollektiv natürlich proportional höher. Nur sagt das wohl wenig darüber aus, wie groß vorher die Gefahr für einen derar­tigen Verlust gewesen ist. Im übrigen führt ein solcher Risikobegriff für das Irrtumsrisiko bei einer vergangenheitsorientierten Betrachtung zu der absurden

17 Vgl. Helfen, E.\ Statistische Probleme der Tarifierung in der Kraftverkehrsversicherung, ZVersWiss 1974, 164.

18 Siehe z.B. Gerathewohl, K.\ Living with Inflation - A Reinsurer's Viewpoint, VW 1982, 1110-1124, speziell 1117-1119; Glotzmann, P. ; Bestandspolitik bei neuen Risiken, ZVersWiss 1983, 285-306.

19 Vgl. Farny (Fn. 14) 26. 20 Vgl. Eichhorn (Fn. 5) 590.

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Situation, daß ausgerechnet bei dem Kollektiv, für das mehr Informationen zur Verfügung stehen sollten, das Irrtumsrisiko höher eingestuft wird, wo man doch eher wie Fuss21 das Gegenteil anzunehmen hat.

Ähnlich wie Y(q0) kann auch die das Änderungsrisiko berücksichtigende Gesamtschadenvariable Y{QX) als Summe der zufälligen Schadenzahl N(QX) und den geweils zufälligen Schadenhöhen Xt{Qx), i= 1, ..., N(QX), geschrieben werden. Da aber die Ungewißheit über den in der Geschäftsperiode 1 wirklich vorhandenen Parameter qxk die Schadenzahl und die Schadensumme gemein­sam beeinflußt, sind beide stochastisch abhängig, so daß keine (2) entspre­chende Formel für die Momente von Y(QX) existiert.

Statt auf eine einzelne Risikogruppe bezogen, soll nun im weiteren das Modell für ein aus Teilrisikogruppen zusammengesetztes Gesamtkollektiv formuliert werden. Dessen Gesamtschaden für die laufende Geschäftsperiode 1 stellt gerade die Summe der entsprechenden Gesamtschäden Y(Qiy), / = 1, ..., / , der einzelnen Teilrisikogruppen dar:

Y(Q1)=ÌY(QXJ) (5) ; = i

Die stochastische Parametervariable Qx besteht aus der vektoriellen Zu­sammenfassung der Sektorenvariablen ß1;-, ß i : = ( ß n , ..., ßiy, •••> Qu)> mit der gemeinsamen Verteilungsfunktion UQv welche die Wahrscheinlich­keitsvorstellungen über das Auftreten möglicher Parameterkombinationen qik' = (qiik, •••, qijk, ••• q\jk)> k = l, ..., Ky beschreibt.

Wenn man nun bezüglich der bedingten Schadenvariablen N(qXjk), X{qXjk) und Y(qXJk), d.h. den Schadenvariablen, welche gerade die Risikolage im Scha­denbereich beschreiben, wenn in der Periode 1 das A>te Schadenszenario zutrifft, für jedes feste k die folgenden Annahmen voraussetzt,

(1) die Zufallsvariablen Schadenzahl N(qXjk) und Schadensummen Xi(qXjk), i = 1, ..., N(qXjk), seien stochastisch unabhängig,

(2) die Zufallsvariablen Xi(qXjk), i=l, ..., N(qXjk), seien stochastisch unab­hängig und identisch verteilt und

(3) die Zufallsvariablen Gesamtschaden Y{qXjk)y j = 1, ..., /, seien stochastisch unabhängig,

dann kann die Berechnung des Erwartungswertes, der Varianz und der dritten Momente von Y(QX), der das Änderungsrisiko berücksichtigenden Gesamt-

21 Vgl. Fuss (Fn. 15) 22.

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schadenvariablen des Gesamtkollektivs, mittels der nachstehend beschriebenen Prozedur schrittweise vollzogen werden:

1. Mit Hilfe der bedingten Verteilungen PN{qxjk) und FX(qxjk) ermittelt man zunächst//, o2 und a3 von N(qXjk) und X{qXjk).

2. Die Größen ju(Y(qXjk)), o2(Y(qXjk)) und a3(Y(qXjk)) erhält man über die Gleichungen (2).

3. ju(Y(qxk))f o2(Y(qxk)) und a3(Y(qxk)) ergeben sich als Summen der entsprechenden sektoriellen Größen.

4. Die gemischten ersten drei Momente jUi(Y(Qx)), für 1=1, 2, 3, lassen sich aus den /-ten Momenten von Y(qxk) über die Beziehung22

MY(Qi) = T.fii(Y{qìk))u(qìk) (/= 1, 2, 3) (6) k

berechnen.

5. Mit ihnen können schließlich die Werte der zentralen Momente <*2(Y(Q\)) = o2(Y(Qi)) und a3(Y(ßi)) über folgende Formeln errechnet werden23

o2{Y(Qx))=M2(Y(Qx))-v2(Y(Qx))

(7) a3(Y{Qx)) =M3(Y(QX)) - 3 / i ( r (ßi)) /*2(nßi)) + 2M\Y(QX))

Die Rechnung vereinfacht sich etwas, wenn zusätzlich die stochastische Unabhängigkeit der Variablen QXj vorausgesetzt werden darf, mithin das Ände­rungsrisiko in den verschiedenen Teilrisikogruppen ; unsynchronisiert in dem Sinne auftritt, daß etwa höhere Schadenerwartungen in einer Teilrisikogruppe nicht zwangsläufig auch höhere Schadenerwartungen in den übrigen Teilrisiko­gruppen nach sich ziehen.

In diesem Fall sind auch die das Zufallrisiko i.w.S. abbildenden Gesamtscha­denvariablen Y(Qij) stochastisch unabhängig. Es genügt dann die Kenntnis der das Änderungsrisiko je Teilrisikogruppe beschreibenden Verteilungen UQlj statt der gemeinsamen Verteilungsfunktion UQl über alle Teilrisikogruppen und a 2 (7(ßi)) und a3(Y(Qx)) stellen einfach die Summe der entsprechenden Sektorenparameter dar. Diese Sachlage wird bei dem nachfolgenden Beispiel unterstellt.

Siehe Bühlmann (Fn. 1) 66. Siehe Kendali, M. G. IA. Stuart; The Advanced Theory of Statistics, Vol. 1, London 1969,56.

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Abbildung 2

Teilmodell für den Versicherungszweig Allgemeine Haftpflicht

BETRIEB

S1

ALLGEMEINE

HAFTPFLICHT

BERUF

s2

PRIVAT

s3

s4

Als Gesamtkollektiv betrachte man etwa das im Versicherungszweig All­gemeine Haftpflicht abgeschlossene Geschäft eines Schaden- und Unfallver­sicherers, das vielleicht, wie in Abbildung 2 angezeigt, in die Risikogruppen ; = 1 , ..., 4 zerlegt werden kann. Sj sei die für alle versicherungstechnische Einheiten innerhalb jeder Risikogruppe j einheitliche Versicherungssumme und Lj die Anzahl der Risikoeinheiten pro Gruppe.

Weiter möge jede Risikogruppe hinsichtlich der Schadenzahl und der Scha­densumme ein streng homogenes Kollektiv bilden, d.h. alle Einheiten einer Gruppe besitzen identische Schadenzahl- und Schadensummenverteilungen. Um die Rechenarbeit zu vereinfachen, werden keine rechts trunkierten oder konzentrierten Schadensummen Verteilungen verwendet. Die Schadensumme darf also unbeschränkt hohe Werte annehmen, obwohl in der Realität natürlich obere Grenzen für die Schadenhöhe existieren und hier im Beispiel für den Versicherer ein Haftungslimit in Gestalt der Versicherungssumme Sj vorliegt.

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Hat man für die vergangene Geschäftsperiode 0 die in Tabelle 4 aufgeführten Parameter ermittelt, so können mit den Formeln (2) die in Tabelle 8 unter der Kennzeichnung Fall (1) wiedergegebenen Gesamtschadenparameter berechnet werden.

Die Schadenparameter aus Tabelle 4 beruhen weitgehend auf tatsächlichen Schadendaten eines Schaden- und Unfallversicherers, während die Bestandspa­rameter Lj und Sj in Anlehnung an die Realität so festgesetzt wurden, daß deut­liche Unterschiede im Hinblick auf die Bestandsgröße gemessen an der Zahl der versicherungstechnischen Einheiten pro Risikogruppe und den Haftungsumfang pro Schadenfall bestehen.

Als Schadenzahlmodell wird stets eine negative Binomialverteilung unter­stellt, während für die Schadensumme bei den Risikogruppen 1 und 2 mit der Lognormalverteilung und bei den Risikogruppen 3 und 4 mit der Exponential-verteilung gearbeitet wird.

In den Tabellen 5, 6 und 7 sind in verschiedenartiger Darstellung zu jeder Riskogruppe ; die Parameter qX}k und die ihnen z.B. durch Expertenurteil zuge­billigten Wahrscheinlichkeitsgewichte zusammengefaßt, wobei von unverän­derten Bestandsparametern ausgegangen wird. Jedes qXjk entspricht einer Änderungshypothese, also unterschiedlichen, in der laufenden Periode 1 für möglich gehaltenen, Schadenszenarien, welche mit den vorgegebenen Wahr­scheinlichkeiten uXjk erwartet werden.

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Tabelle 4

Bestands-, Schadenzahl- und Schadensummenparameter der Vorperiode 0

Fall

(1)

Risiko­

gruppe

0/

01

02

03

04

Bestandsparameter

Loj

400

5000

100000

30000

%

in

Mio.

DM

20

5

1

2

Loj - Soj

in

Mio.

DM

8000

25000

100000

60000

MN(qoi))

in%

von

250

6

13

10

1000

300

13000

3000

Schadenparameter

°2(N(<!oj))

in%

von

375,0

7,2

16,9

18,0

1500

360

16900

5400

o2(N{qQj))

1,5

1,2

1,3

1,8

MWlOj))

in%o

von s0j

0,2

2,0

0,5

0,6

in

DM

4000

10000

500

1200

o(X(qQj))

in%o

von

0,2

2,0

0,5

0,6

in

DM

4000

10000

500

1200

to

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Tabelle 5

In der laufenden Periode 1 für möglich erachtete Werte q\jk der stochastischen Parametervariable giy, d.h. verschiedene Alternativen für Erwartungs­wert und Varianz der Schadenzahl und Erwartungswert und Standardabweichung der Schadensumme, sowie zugehörige Wahrscheinlichkeiten u\jk

Werte der Schaden- Wahrscheinlich-Parameter- Parameter- Komponenten der Werte der Parametervariablen giy summen- keitsverteilung variable variablen Verteilung von ßi7

Qu

Qu qu« (M(N(qljk)), or^JVfo,,*)), fi(X(qijk)), a(X(qv,k))) in DM in DM

ß l l -

0.2 =

Ö I 3 -

ß l 4 =

T~

-L

<7m = <7l 1 2 =

q i \ 3 = (

< 7 l l 4 =

4 l 2 1 =

q\22 =

q\23 =

q\24 =

<7l31 =

<?132 =

<7l33 =

? 1 4 1 =

^ 1 4 2 =

4 1 4 3 =

<7l44 =

<7l45 =

[ 1000 [ 1100 ; 1200 [ 1300

[ 300 [ 330 [ 360 [ 270

[ 13000 [ 14300 [ 15600

[ 2700 [ 3000 [ 3000 [ 3600 [ 3600

2000 2200 2400 2600

450 495 540 405

16900 18590 20280

4050 4500 5400 5400 6480

4000 4400 4000 4400

10000 11000 10000 11000

500 550 575

1320 1200 1380 1320 1380

8000) 6600) 6000) 8800)

10000) 16500) 20000) 33000)

500) 550) 575)

1320) 1200) 1380) 1320) 1380)

Lognormal­

verteilung

Exponential-

verteilung

0,40 0,25 0,25 0,10

0,50 0,20 0,20 0,10

0,50 0,30 0,20

0,10 0,30 0,30 0,20 0,10

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Tabelle 6

In der laufenden Periode 1 für möglich erachtete Werte qljk der stochastischen Parametervariablen QX], relativ ausgedrückt zu den erwarteten Bestands­parametern dieser Periode, Anzahl der Risiken L1; und jeweils abgeschlossene Versicherungssumme sV), sowie zugehörige Wahrscheinlichkeiten uljk

Werte der Schaden- Wahrscheinlich-Parameter- Parameter- Komponenten der Werte der Parametervariablen Q Xj summen- keitsverteilung variable variablen Verteilung von QXj

Öi/

Qu 4i, k (M(N(qUk)), o^iNiq^)), v(X(qljk)), o(X(qljk))) uljk

in % von L\j in%vonLi ; in%ovon.sI; in%ovon^iy

fill--

012 =

r ß.3= L

L

014 =

— — — _

< 7 n i = (

<?1 12 = (

4 l l 3 = (

^ 1 1 4 = (

qi2i= i

<7l22 =

4 1 2 3 = (

4 1 2 4 = (

< 7 l 3 1 = {

q\32= i

4133 =

4141 =

4142 =

4143 =

4 l 4 4 =

4145 =

250,0 ; 275,0

300,0 ; 325,0

; 6,0

; 6,6 ; 7,2 : 5,4

[ 13,0 [ 14,3 [ 15,6

[ 9,0 [ 10,0 [ 10,0 [ 12,00 ( 12,00

500,00 550,00 600,00 625,00

9,00 9,90

10,80 8,10

16,90 18,59 20,28

13,50 15,00 18,00 18,00 21,60

0,200 0,220 0,200 0,220

2,000 2,200 2,000 2,200

0,500 0,550 0,575

0,660 0,600 0,690 0,660 0,690

0,400) 0,330) 0,300) 0,440)

2,000) 3,300) 4,000) 6,600)

0,500) 0,550) 0,575)

0,660) 0,600) 0,690) 0,660) 0,690)

Lognormal­

verteilung

Exponential-

verteilung

0,40 0,25 0,25 0,10

0,50 0,20 0,20 0,10

0,50 0,30 0,20

0,10 0,30 0,30 0,20 0,10

Page 22: Ein Modell zur kalkulatorischen Bewältigung von Änderungsri ...gung von Risikoteilungskonzepten, wie Selbstbeteiligungen von Versicherungs nehmern oder passive Rückversicherung

282

Tabelle 7 Komponenten der Werte q\,k von Tabelle 5 als Vielfache verschiedener Erwartungswerte von

Schadenzahl und Schadensumme

MWtoilk)) ttWqiik)) MWqiià) <K*(<?1/*)) MWqoi)) fWÜilk)) f(X(q0l)) M(X(qljk))

4 n i

4112

4113

4114

4121

4122

4123

4124

4131

4132

4133

4141

4142

4143

4144

4145

1,0

1,1 1,2 1,3

1,0

1,1 1,2 0,9

1,0

1,1 1,2

0,9

1,0 1,0

1,2 1,2

2,0 2,0 2,0 2,0

1,5 1,5 1,5

1,5

1.3

1,3 1,3

1,5

1,5 1,8 1,5 1,8

1,00 1,10 1,00 1,10

1,00 1,10 1,00 1,10

1,00 1,10

1,15

1,10 1,00

1,15 1,10 1,15

2,0

1,5 1,5 2,0

1,0

1,5 2,0 3,0

1,0

1,0 1,0

1,0 1,0

1,0 1,0 1,0

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Tabelle 8

Gesamtschadenparameter der Teilsparten und der Sparte in der laufenden Geschäftsperiode 1 für die stochastischen Änderungshypothesen QXj

(Fälle (2) und (3)) im Vergleich zu den entsprechenden Werten bei der Annahme zeitlich stabiler Schadenparameter q0j (Fall (1))

Fall Gesamtschadenparameter gruppe

«(-te)) «zi «zi -("te) «zi '(t:))

(1) (2)

(3)

(1) (2)

(3)

(1) (2)

(3)

(1) (2)

(3)

ti

Ol

11

11

02

12

12

03

13

13

04

14

14

in%o von

LQJ ' Soj

0,5000

0,5727

0,5357

0,1200

0,1297

0,1242

0,0650

0,0740

0,0694

0,0600

0,0688

0,0640

in Mio DM

4,00

4,58

4,29

3,00

3,24

3,11

6,50

7,40

6,94

3,60

4,13

3,84

in% von

Loj • SQJ

750,000

4875,547

1870,330

414,000

935,088

601,018

7,475

971,930

231,766

20,160

463,648

146,400

in Mio. DM2

60000

390044

149626

103500

233772

150254

7475

971930

231760

12096

278189

87840

in% von

LQJ ' SQJ

3,18-107

1,22-IO9

1,61 IO8

4,36 IO7

3,38-IO8

1,77-IO8

1,30-IO4

4,35-IO8

4,71-IO7

1,04 IO5

8,60 IO7

4,20-IO6

in Mio. DM3

2,54-IO9

9,79 IO10

1,29-IO10

1,09 IO10

8,45 IO10

4,42-IO10

1,30 IO7

4,35-IO11

4,71 • IO10

6,26 IO7

5,16-IO10

2,52-IO9

in Mio DM

0,244949

0,624534

0,386816

0,321714

0,483500

0,387627

0,086458

0,985865

0,481415

0,109981

0,527435

0,296378

0,0612

0,1363

0,0903

0,1072

0,1491

0,1248

0,0133

0,1332

0,0694

0,0306

0,1278

0,0772

0,17289

0,40205

0,22308

0,32758

0,74772

0,75864

0,02006

0,45367

0,42211

0,04707

0,35167

0,09677

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Tabelle 8 -Fortsetung-

Gesamtschadenparameter der Teilsparten und der Sparte in der laufenden Geschäftsperiode 1 für die stochastischen Änderungshypothesen ß , y

(Fälle (2) und (3)) im Vergleich zu den entsprechenden Werten bei der Annahme zeitlich stabiler Schadenparameter q0j Fall ((1)) Haftpflicht insgesamt

Fall Gesamtschadenparameter

«ti «ti «f» «ti «ti «ti

(1) (2)

(3)

in%o

von

Loj-Soj

0,0886

0,1003

0,0941

in Mio DM

17,10

19,35

18,17

in% von

LQJ ' SQJ

94,855

970,951

320,975

in Mio. DM2

183071

1873934

619482

in% von

Loj • Soj

7,01•106

3,47 108

5,53 107

in Mio. DM3

1,35 1010

6,69 1011

1,07-1011

in Mio DM

0,427867

1,368917

0,787071

0,0250

0,1079

0,0433

0,17265

0,26070

0,21886

OO

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285

Auf der Grundlage dieser Tabellenwerte können mittels der vorhin beschrie­benen Vorgehensweise die in Tabelle 8 unter Fall (2) ausgewiesenen Risikopara­meter zu den die Änderungsrisiken Qxj berücksichtigenden Gesamtschadenva­riablen Y(QXj) und Y(QX) berechnet werden. Die Zahlen werte für den Fall (3) resultieren aus Änderungshypothesen mit denselben Wahrscheinlichkeitsge­wichten wie im Fall (2), bei denen aber die Schadenzahl- und Schadensummen­erwartungswerte gegenüber Fall (2) nur halb so große Zuwächse erreichen und bei denen die Varianz/Erwartungswert-Verhältnisse der Schadenzahl für jede Risikogruppe mit denjenigen von Fall (1) identisch sind.

Für die im Beispiel zur Schadenzahl und Schadensumme vorgegebenen Scha­dendaten läßt sich generell feststellen, daß sowohl die Teilsparten- als auch die Spartengesamtschadenparameter durch die Einführung der unsicheren Ände­rungshypothesen erheblich größer geworden sind. Dabei wirkt sich die Unsi­cherheit über die wahren Schadenzahl- und Schadensummenparameter in den Teilsparten 3 und 4, die zuvor als relativ ungefährlich eingestuft werden konnten, wesentlich stärker aus als bei den in der Vorperiode (bei ex post bekannten Risikoparametern) als gefährlich angesehenen Teilsparten 1 und 2.

Risikogruppe 3 mit der in der Vergangenheit absolut niedrigsten Standardab­weichung von 86458 DM (Fall (1)) weist nun nach Berücksichtigung des vermu­teten Änderungsrisikos mit 985 865 DM (Fall (2)) bzw. 481415 DM (Fall (3)) die höchste Standardabweichung aller Teilsparten auf. Zwar besitzen die Risiko­gruppen 1 und 2 nach wie vor überwiegend die höheren relativen Risikopara­meter, der Abstand zwischen den verschiedenen Teilsparten aber ist kleiner geworden.

Tabelle 9 enthält ergänzend für die drei vorgestellten Fälle (1), (2) und (3) die Sicherheitsmittel - absolut in Millionen DM und relativ als Prozentsatz von Erwartungswert und Standardabweichung, welche über die jeweiligen Erwar­tungswerte hinaus zur Verfügung stehen müssen, um zu gewährleisten, daß der jeweils tatsächlich eintretende Gesamtschaden die Summe aus Gesamtschaden­erwartung und vorhandenen Sicherheitsmitteln mit einer Wahrscheinlichkeit von höchstens e überschreitet.

Anschaulich läßt sich das auch so ausdrücken: Ein Versicherer, welcher die Gesamtschadenerwartung als Nettorisikoprämie und die berechneten Sicher­heitsmittel als Sicherheitszuschlag erhält, muß im Mittel bei T Geschäftspe­rioden unter unveränderten Bedingungen mit höchstens e • T Verlustperioden rechnen. Bei den in der Tabelle angenommenen Werten von e = 0,001 bzw. e = 0,0001 wäre demnach unter 1000 bzw. 10000 beobachteten Geschäftsjahren im Schnitt je 1 Verlustjahr zu erwarten, wobei die Größe des Verlustes allerdings eine beliebige Höhe annehmen kann.

Die Werte im oberen Teil von Tabelle 9 wurden wieder mit Hilfe der Normal-Power-Methode für jede Teilrisikogruppe getrennt berechnet, d.h. ohne die

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286

Tabelle 9

Bei einem vorgegebenen Sicherheitsniveau e zur Vermeidung oder zum Ausgleich eines Perioden­verlustes über die Teilsparten- bzw. Spartengesamtschadenerwartungswerte hinaus erforderliche

Sicherheitsmittel

Über den Gesamtschadenerwartungswert hinaus notwendige Sicherheitsmittel bei

Fall Risiko- £ = 0,001 (x£ = 3,090232292) £ = 0,0001 (xE =3,710164820) gruppe in % in in % in

von Mio DM

von Mio DM

*j M WS)) «ü «zi «ti (1)

(2)

(3)

01 02 03 04

11 12 13 14

11 12 13 14

20,43 38,15

4,15 9,65

49,93 61,96 49,76 45,91

30,76 52,07 25,62 24,92

333,66 355,70 311,88 315,73

366,31 415,57 373,67 359,14

340,81 417,12 369,17

322,81

0,817295 1,144338 0,269647 0,347246

2,287751 2,009271 3,683859 1,894221

1,318311 1,616882 1,777240 0,956745

24,97 47,26 4,99

11,64

62,23 79,03 62,26 56,60

37,77 66,47 31,98 30,24

407,80 440,71 375,29 381,03

456,56 530,10 467,54 445,84

418,48 532,42 460,82 391,61

0,998903 1,417826 0,324465 0,419065

2,851350 2,563026 4,609285 2,351533

1,618742 2,063806 2,218466 1,160632

Über den Gesamtschadenerwartungswert hinaus notwendige Sicherheitsmittel bei

Fall £ = 0,001 (xe = 3,090232292) £ = 0,0001 (xE = 3,710 164820) Haft- in% in in % in pflichtins- von Mio von Mio gesamt DM DM

«$ «® «Û «OS) (1) 8,35 333,63 1,427475 10,20 407,75 1,744630 (2) 24,48 346,17 4,738791 30,16 426,48 5,838178 (3) 14,74 340,21 2,677689 18,09 417,58 3,286654

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Verbundeffekte zu berücksichtigen, welche die gemeinsame Übernahme aller vier Teilrisikogruppen nach sich zieht. Die Zahlen im unteren Teil sind nach demselben Verfahren ermittelt, nun angewandt auf die Schadenvariable Y(QX) des Versicherungszweigs Allgemeine Haftpflicht insgesamt.

In allen drei Fällen, also auch bei den teilspartenweise stochastisch unabhän­gige Änderungsrisiken berücksichtigenden Fällen (2) und (3) zeigt sich, daß die globale Sicht weise eine starke Verminderung der Sicherheitsmittel zuläßt. Beispielsweise sind für e = 0,001 im Fall (2) statt der Summe von 9874102 DM aus den für jede Teilsparte einzeln berechneten Sicherheitsmitteln lediglich 4738791DM nötig.

Vergleicht man die Riskanz der Teilspartengesamtschadenvariablen nun anhand der bei einem gewählten Sicherheitsniveau e zur Verfügung zu stel­lenden Sicherheitsmittel, so gelangt man im Fall (1) zur selben Reihenfolge (von der niedrigeren zur höheren Gefährlichkeit)

03, 04, 01 und 02,

wie sie sich auch bei Verwendung der Risikoparameter Standardabweichung, Variationskoeffizient und Schiefe ergibt, unabhängig davon, ob die absolute Höhe der Sicherheitsmittel oder der Prozentsatz in bezug auf die jeweiligen Erwartungswerte als Maß benutzt wird.

Anders stellt sich die Lage bei den Fällen mit Änderungsrisiken ((02) und (03)) dar. Da bei jenen das Änderungsrisiko für jede Teilsparte eine Vielzahl von Risikoeinheiten gemeinsam und gleichmäßig beeinflußt, spielt nun auch die an der Gesamtschadenerwartung gemessene Bestandsgröße eine entscheidende Rolle. Hinsichtlich der absoluten Höhe der Sicherheitsmittel sind jetzt im Fall (2) die Teilsparten in der Rangfolge

04, 02, 01 und 03

und im Fall (3) in der Rangfolge

04, 01, 02 und 03

anzuordnen, welche sich zudem von der in beiden Fällen identischen Rangfolge der Erwartungswertprozentsätze unterscheidet, die so lautet:

04, 03, 01 und 02.

Neben der bemerkenswerten Tatsache, daß das Änderungsrisiko offenkundig bedeutsame Verschiebungen der Gefährlichkeitsgewichte der Teilrisikogruppen in bezug auf die Gefährlichkeit der Gesamtrisikogruppe bewirken kann, springt vor allem auch die unter Umständen drastische Erhöhung - sei es absolut in DM oder relativ in Prozent der Gesamtschadenerwartung - der erforderlichen

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Sicherheitsmittel ins Auge. Beispielsweise müßten diese laut Tabelle 9 von 4,14% der Gesamtschadenerwartung in Teilsparte 03 bei Fall (1) auf 25,62% in Teilsparte 13 bei Fall (3) wachsen, das entspricht immerhin trotz der abge­schwächten Änderungshypothese einem Anstieg von mehr als 517 Prozent, wobei außerdem zu beachten ist, daß implizit von der Annahme ausgegangen wird, der das Änderungsrisiko berücksichtigende Gesamtschadenerwartungs­wert fit(Y(Qx3))>ju(Y(qo3)) stehe auch tatsächlich als Nettorisikoprämie zur Verfügung.

Die Werte für den Versicherungszweig Allgemeine Haftpflicht insgesamt aus dem unteren Teil von Tabelle 9 (8,35% im Fall (1) und 14,74% im Fall (3), das ergibt einen Zuwachs von 76,53 Prozent) zeigen zwar aufgrund der Mittelung und der Unabhängigkeit der Änderungsrisiken zwischen den Teilsparten einen abgeschwächten Gesamteffekt, der im Fall (3) aber immer noch eine Erhöhung der Sicherheitsmittel um 87,58% von 1427475 DM auf 2677689 DM nötig macht.

Falls das Änderungsrisiko die verschiedenen Risikogruppen nicht willkürlich, uneinheitlich und ungleichmäßig trifft, sondern sich im Gegenteil bei einigen oder allen Risikogruppen gleichmäßig und synchron auswirkt, muß die Annahme stochastisch unabhängiger Variablen QXj fallengelassen werden. Das hat zur Folge, daß die für den gesamten Versicherungszweig berechneten Sicherheitsmittel gegenüber der Summe der für jede Teilrisikogruppe ermit­telten Sicherheitsmittel nur in geringerem Ausmaß kleiner wird.

Ist man bereit, so wie es eben an Beispielen erläutert wurde, die Veränderung der Risikoparameter Varianz, Standardabweichung, Variationskoeffizient, Schiefe und Sicherheitsmittel bei einem Übergang von Y(q) zu Y(Q) als Maßgröße für das Änderungsrisiko zu akzeptieren, so können eine Reihe von im nächsten Abschnitt zusammengefaßten Schlußfolgerungen festgehalten werden.

2. Konsequenzen aus der Verwendung des Modells für die Versicherungspraxis

(1) Sofern man sich in der Versicherungspraxis die Mühe macht, Änderungsri­siken hinsichtlich der Schadenzahl und der Schadensumme als prognosti­sche Hypothese quantitativ zu formulieren, besteht die Möglichkeit, die Auswirkungen dieser vermuteten unsicheren Änderungen, insbesondere deren in der Regel gefährlichkeitserhöhende Wirkung, anhand von relativ leicht interpretierbaren Kennzahlen zum Gesamtschaden, der eigentlich relevanten Größe für den Schadenbereich eines Versicherungsunterneh­mens, deutlich zu machen.

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(2) Dabei zeigt sich, daß die Gefährlichkeitsgewichte, mit denen einzelne Teil­risikogruppen zum Zufallsrisiko im Schadenbereich des Gesamtunterneh­mens beitragen, beim Übergang vom Zufallsrisiko i.e.S. zum Zufallsrisiko i.w.S., also durch die Berücksichtigung des Änderungsrisikos, gravierende Verschiebungen erfahren können. Eine zuvor nur als mäßig riskant einge­stufte Risikogruppe kann dann ein größeres Risiko darstellen, als eine andere vorher als die gefährlichere angesehene Risikogruppe.

(3) Für zwei Risikogruppen mit gleicher Gesamtschadenerwartung (Nettorisi-koprämie), welche demselben Änderungsrisiko unterworfen sind, wird der Anteil des Änderungsrisikos am Zufallsrisiko i.w.S. bei der Risikogruppe höher zu veranschlagen sein, welche das geringere Zufallsrisiko i.e.S. aufweist.

(4) Bei zwei der Anzahl an Risikoeinheiten nach verschieden großen Beständen von versicherungstechnischen Einheiten mit identischen indivi­duellen Schadenzahl- und Schadensummen Verteilungen (d.h. beide Teil­kollektive zusammen bilden ein streng homogenes Gesamtkollektiv), welche einem gleichartigen Änderungsrisiko ausgesetzt sind, wirkt die höhere Bestandsgröße des einen Teilkollektivs im Hinblick auf das Ände­rungsrisiko, aber auch auf das Zufallsrisiko i.w.S. nicht im gleichen Maße risikomindernd (bezüglich der Verwendung relativer Risikomaße) wie auf das Zufallsrisiko i.e.S. Wenn Änderungsrisiken vorliegen, sind demzufolge Bestandsausweitungen ein weniger effizientes Mittel zur Risikoreduktion als in den Fällen, bei denen keine Änderungsrisiken bestehen. Auf keinen Fall gilt, jedenfalls solange wie nicht die untaugliche Größe Gesamtscha­denerwartungswert als Risikomaß verwendet wird, die in der Literatur zuweilen anzutreffende recht allgemeine Behauptung, das Änderungsrisiko sei proportional zur Bestandsgröße24.

(5) Proportional zur Bestandsgröße dagegen ist die Gesamtschadenerwartungs-wertänderungya(y(ß1)) — ju(Y(q0)). Sie kann als sicheres Äquivalent für die von dem unterstellten Änderungsrisiko herrührende unsichere und unbekannte Vergrößerung oder Verkleinerung des Bestandsgesamtschade-nerwartungswertes unter stabilen Risikobedingungen angesehen werden. Sofern die Differenz positiv ist, muß sie so wie die Nettorisikoprämie fit(Y(q0)) im Fall des Zufallsrisikos i.e.S. als zusätzlicher Nettorisikoprä-mienanteil im Fall des Zufallsrisikos i.w.S. zur Verfügung stehen, um die vermuteten Auswirkungen des Änderungsrisikos im Schadenbereich im Mittel zu auszugleichen, d.h. um zu gewährleisten, daß zum einen die

24 Vgl. Farny (Fn. 14) 25; Jannott (Fn. 7) 412-413; Gerathewohl (Fn. 7) 15.

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(mathematische) Gewinn- bzw. Verlusterwartung des eigentlichen Versi­cherungsgeschäfts gerade null wird und zum anderen bei experimentell k-facher unabhängiger Wiederholung der betrachteten Geschäftsperiode unter gleichen Bedingungen die Summe der kollektiven Gewinne und Verluste pro Periode, also im zeitlichen Mittel, für k gegen unendlich mit Wahrscheinlichkeit eins gegen null konvergiert.

(6) Bei positiver Wertedifferenz von ju(Y(Qx)) -ju(Y(q0)) kann das Igno­rieren derartiger Änderungsrisiken, sofern sie tatsächlich vorhanden sind, ernste Folgen haben, weil ja eine Verlusterwartung in dieser Höhe in Kauf genommen wird und zudem eine größere Schwankungsbreite der Schaden­werte zu verkraften ist. Auf der anderen Seite ist es natürlich schwieriger, diesen Anteil an der Nettorisikoprämie bei Versicherungspreisverhand­lungen glaubhaft zu machen, denn er beruht weniger, wie der Erwartungs­wert ju(Y(q0)), auf oft vielen und relativ objektiven Vergangenheitsdaten, sondern mehr auf einer eher subjektiven Beurteilung zukünftiger Entwick­lungen. Sollten sich entsprechend höhere Netto- bzw. Bruttorisikoprämien, das sind die Nettorisikoprämien vermehrt um Sicherheitszuschläge, für die Tragung des Änderungsrisikos am Markt nicht durchsetzen lassen, wird man unter risikopolitischen Gesichtspunkten gut daran tun, anderweitige Vorsorge zu betreiben, etwa mit einer Erhöhung der Sicherheitsmittel oder durch den verstärkten Einsatz geeigneter Rückversicherungsschutzkon­zepte.

(7) Für beide Aufgabestellungen, Absatzentscheidungen zu treffen, insbeson­dere beim Führen von Versicherungspreisverhandlungen auf der Basis kalkulierter Prämien, sowie die Auswahl und detaillierte Konstruktion kompensatorischer Risikoschutzmaßnahmen festzulegen, bietet das vorge­stellte Schadenmodell eine gute Grundlage, weil es in objektiver Weise erlaubt, die möglichen Konsequenzen denkbarer Handlungsalternativen auch bei Vorliegen von Änderungsrisiken vor Augen zu führen und zu beurteilen, trotz der auf subjektiver bei mehreren Geschäftspartnern möglicherweise unterschiedlicher Einschätzung beruhenden Verände­rungen bezüglich der Schadenzahl und der Schadensumme.

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Zusammenfassung

Ein Modell zur kalkulatorischen Bewältigung von Änderungsrisiken im Schadenbereich eines Versicherungsunternehmens

Neben den im allgemeinen recht gut berechenbaren zufälligen Schwankungen von Schaden­werten (Zufallsrisiko im engeren Sinn) haben in den letzten Jahren zunehmend ständige Verände­rungen der gesamten Risikolage, welche jeweils mehrere Risikogruppen und Geschäftssparten gemeinsam betreffen (Änderungsrisiko) für die Versicherungspraxis Bedeutung erlangt, zu denen bisher noch keine quantitativen Abbildungsansätze vorhanden sind. Der Beitrag zeigt, wie mit Hilfe von aus Expertenmeinungen abgeleiteten A-priori-Verteilungen über künftig mögliche Risikopara­meter ein Änderungsrisiken mit einbeziehendes Schadenmodell entwickelt werden kann, und macht an Beispielen die Konsequenzen deutlich, die sich aus der Beachtung eines derartig ermittelten Gesamtrisikos (Zufallsrisiko im weiteren Sinn) ergeben.

Résumé

Un modèle pour la considération des changements permanents de la situation du risque global

Parallèlement aux fluctuations aléatoires des variables de sinistres (le risque aléatoire au sens strict) que l'on peut calculer facilement, les changements permanents de la situation du risque global (le risque de changement), qui touchent plusieurs groupes de risques et branches conjointement et simultanément, ont pris ces dernières années une importance considérable aux yeux des compagnies d'assurance. Cette contribution permet de développer un modèle de sinistre comprenant le risque de changement, avec l'aide des distributions a priori sur des paramètres de risques possibles à l'avenir, basées sur l'opinion d'experts. Quelques exemples soulignent les conséquences qui résultent de la prise en considération du risque global (le risque aléatoire au sens large) ainsi calculé.

Summary

A Model with Consideration of Permanent Changes of the Global Risk Situation

Besides the random fluctuations of the accumulated claims (risk of random fluctuations in the stricter sense of the word), which are fairly well calculable in general, permanent changes of the global risk situation, concerning several risk groups or business lines jointly and simultaneously (risk of change), have been of growing importance for the insurance business in the last years. Quanti­tative models for the risk of change have been lacking so far, however. This contribution develops a claims model incorporating the risk of change, which is based on a priori probability distributions on future risk parameters derived from expert opinions. The consequences resulting from this new concept of total risk (risk of random fluctuations in the broader sense of the word) are demonstrated by several examples.