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Eine Information der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V. (DGN) und des Berufsverbandes Deutscher Nuklearmediziner e.V. (BDN)

Eine Information der Deutschen Gesellschaft für ... · standteil sorgt dafür, dass das Radioisotop über die Blutbahn, den Nahrungsstoffwechsel oder auch die Atemluft im Körper

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Eine Information der

Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V. (DGN)

und des Berufsverbandes

Deutscher Nuklearmediziner e.V. (BDN)

Nuklearmedizin: Diagnostik und Therapie mit offenen Radionukliden

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Das Fachgebiet Nuklearmedizin bietet mit seiner mehr als50jährigen Erfahrung in Forschung und klinischer Anwendungzahlreiche gut etablierter Untersuchungs- und Behandlungs-verfahren für viele Bereiche der Medizin. Vielleicht am be-kanntesten ist in der Bundesrepublik Deutschland die Schild-drüsendiagnostik und -therapie. Doch auch in der Krebsbe-kämpfung, bei Herzkrankheiten, der Untersuchung des Ge-hirns und des Zentralen Nervensystems, bei Rheuma und Ske-lettkrankheiten und vielen anderen Indikationen spielt dieNuklearmedizin eine entscheidende Rolle. Diese Broschürekann sicherlich nur einen kleinen Einblick in das gewähren,was die Nuklearmedizin für ihre Patientinnen und Patientenund die allgemeine Medizin zu leisten imstande ist. Zwangs-läufig werden einige Punkte offen bleiben. Bitte, besprechenSie diese Fragen mit Ihrem behandelnden Nuklearmedizineroder richten Sie sich an uns. Die Adresse finden Sie auf der letzten Seite.

Nuklearmedizin: Diagnostik und Therapie mit offenen Radionukliden

Was ist Nuklearmedizin?

In der Nuklearmedizin kommen radioaktive Arzneimittel zumEinsatz. Sie bestehen aus einem Radioisotop, also einem ra-dioaktiven Teilchen mit in der Regel sehr kurzer Halbwertzeit,und meist einem zweiten Bestandteil, der an einen bestimm-ten Zelltyp im Körper bindet. Dieser zweite, spezifische Be-standteil sorgt dafür, dass das Radioisotop über die Blutbahn,den Nahrungsstoffwechsel oder auch die Atemluft im Körpergenau dorthin gelangt, wo es wirken soll, beziehungsweisewo bestimmte Stoffwechselvorgänge sichtbar gemacht wer-den sollen. Krebszellen beispielsweise haben einen erhöhtenTraubenzuckerverbrauch, so dass in der Krebsdiagnostik un-ter anderem ein mit einem Radioisotop (F-18) markierter Trau-benzucker verwendet wird, um die krankhaften Tumorzellenaufzuspüren.In der nuklearmedizinischen Diagnostik geht es also um dasSichtbarmachen von Stoffwechselvorgängen. Dazu werdenden Patienten geeignete Substanzen – sogenannte Radio-pharmaka – verabreicht (beispielsweise durch Injektion in die

F Für die Herstellung von FDG wird nur eine sogenannte OH-Gruppe eines Traubenzuckermoleküls durch radioaktives Fluor ersetzt.

OO

H

H HH H

+

+

F-18 OH+

+

HH

OH

HO HOOH OHOH

HO–CH2

HO–CH2

OH

F-18H

Traubenzucker = Glukose Fluorodeoxyglukose = FDG

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F a. Röntgenbild einer rechtenHand: Nach einem Unfalllassen sich trotz starkerSchmerzen keine Knochen-verletzungen nachweisen.

F b. Knochenszintigramm der-selben Hand: Schwarze Fleckenan der Handwurzel markierendie sehr wohl vorhandenenknöchernen Verletzungen.

F c. Das unter b. gezeigteSzintigramm in Farb-darstellung.

a b

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Blutbahn), die ganz spezifisch am fraglichen Stoffwechsel-prozess beteiligt sind und diesen geradezu „markieren“. DasSichtbarmachen erfolgt mit speziellen Untersuchungsgerä-ten, sogenannten Gammakameras. Diese können die jetztvom Körper ausgehenden Gammastrahlen „sehen“ und in eindiagnostisches Bild, ein sogenanntes Szintigramm verwan-deln. Damit unterscheiden sich nuklearmedizinische Untersu-chungen auch von Röntgenuntersuchungen, bei denen dieStrahlen von aussen (von der Röntgenröhre ausgehend) durchden Körper gesandt werden und bei denen anatomische De-tails des Körpers auf Röntgenbildern dargestellt werden.Da verschiedene Stoffwechselvorgänge mit ganz unterschied-licher Geschwindigkeit ablaufen, kann die Zeit, die zwischendem Verabreichen des Radiopharmakons und der eigentlichenUntersuchung verstreichen muss, stark variieren. WenigeMinuten sind ebenso möglich wie einige Tage. Auch kann dieZeit, die der Patient an der Gammakamera verbringen muss,aus unterschiedlichen Gründen ebenfalls zwischen wenigenMinuten und in seltenen Fällen sogar mehr als einer Stundevariieren. Die jeweiligen Gegebenheiten werden Ihnen vonden nuklearmedizinischen Mitarbeitern im Detail erläutert.Diese Erläuterungen werden auch unterschiedliche Vorbe-reitungen mit beinhalten (nüchtern, nicht nüchtern; Blasen-entleerung vor Untersuchung; untersuchungsspezifischeMahlzeitenusw.).

Nuklearmedizinische Therapie

Bei der nuklearmedizinischen Therapie gelangt ein Radio-pharmazeutikum wie bei der Diagnostik direkt bis an diekrankhaften Zellen und zerstört sie durch radioaktive Strah-len. Auch hier liegt ein prinzipieller Unterschied zur radio-logischen Strahlentherapie vor. Bei letzterer dringt hoch-energetische Strahlung, ausgehend von Linearbeschleunigernoder von umschlossenen Radioisotopen, von außen in denKörper ein, durchdringt das benachbarte Gewebe und wirddann durch entsprechende Techniken im Zielgewebe ge-bündelt.

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Schilddrüse: Untersuchung und Behandlung

Untersuchung – Diagnostik

Schilddrüsenerkrankungen sind in einem Jodmangelgebietwie der Bundesrepublik Deutschland leider immer noch weitverbreitet. Die im Halsbereich gelegene, schmetterlingsförmi-ge Schilddrüse produziert aus Aminosäuren und Jod die bei-den lebenswichtigen Hormone T3 und T4 (enthalten drei be-ziehungsweise vier Atome Jod), die in allen Zellen des Körpersden Energieumsatz und die Eiweissproduktion steuern. Dabeigibt sie immer exakt soviel Hormon ins Blut ab, wie der Körperbenötigt. Ist diese „Feinregulation” gestört, kommt es zur so-genannten Schilddrüsenüber- oder unterfunktion. Außerdemkann sich die Schilddrüse vergrößern und Knoten bilden.Dann spricht man vom Kropf beziehungsweise heißen undkalten Knoten. Heiße Knoten führen nicht selten zur Schild-drüsenüberfunktion und müssen daher ausgeschaltet wer-den. Kalte Knoten sind funktionslos. Sie müssen zunächst mitUltraschall, gegebenenfalls mittels einer Punktion zur Ge-webs-Untersuchung weiter abgeklärt werden, da sie auf Nar-bengewebe, Zysten, aber auch Krebsgeschwüre hinweisen

F In der schmetterlingsförmigen Schilddrüse werden wichtige Hormonegebildet.

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F Schilddrüsenszintigramme: Links: „Heißer“ Knoten im rechtenSchilddrüsenlappen (im Bild links, Pfeil), Iod wird vermehrtangereichert. Rechts: dieselbe Schilddrüse nach Radioiodtherapie: Die Schilddrüse reichert das Tc-99 wieder gleichmäßig an.

können. Der Jodstoffwechsel der Schilddrüse läßt sich imSchilddrüsenszintigramm mit Jodisotopen, aber auch mitspeziellen Radioisotopen, die sich Jod-ähnlich verhalten (Tc-99, I-123) sichtbar machen. Waren im Ultraschallbild bei-spielsweise Knoten zu erkennen, lässt sich nun zwischenkalten und heißen Knoten unterscheiden: Die heißen Knotenlagern Radioaktivität ein, die kalten nicht. Für die gründlicheUntersuchung der Schilddrüse sind diese Informationenunverzichtbar.

Behandlung – Therapie

Die zentrale Rolle, die die Schilddrüse im Organismus spielt,macht eine ausgewogene Therapie bei Erkrankungen drin-gend erforderlich. Hier spielt der Nuklearmediziner die Rolledes Schilddrüsenhausarztes, gegebenenfalls durch Verschrei-bung spezieller Medikamente. Daneben gibt es eine spezifi-sche nuklearmedizinische Therapie, bei der radioaktives Jod(I-131) zur Anwendung gelangt. Dem Patienten werden Kap-seln, die I-131 enthalten, oral verabreicht; das Jod wandertdurch die Blutbahn und konzentriert sich in der erkranktenSchilddrüse. Diese wird (unter Schonung des übrigen Körpers)bestrahlt. Auf diese Weise kann man Kröpfe unblutig ver-kleinern und Überfunktionen dauerhaft beseitigen. Die Be-handlung ist nur auf speziell dafür eingerichteten Therapie-stationen möglich.

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Krebserkrankungen – Onkologie

Optimale Therapie durch exakte Diagnostik

Tumorzellen, also die entarteten Zellen in einem Krebsge-schwür, unterscheiden sich in ihrem Stoffwechsel von gesun-den Zellen. So haben nahezu alle Krebszellen einen erhöhtenUmsatz an Traubenzucker. Bei einigen Krebserkrankungenwerden vom betroffenen Organ verstärkt Hormone produ-ziert, wieder andere Krebszellen zeichnen sich dadurch aus,dass auf ihrer Oberfläche bestimmte Eiweiss-Strukturen vor-handen sind. Diese Besonderheiten treten nicht nur bei denZellen des sogenannten Primärtumors auf (also dem Ge-schwür, von dem die Krebserkrankung ausgeht), sondern – daes sich ja jeweils um den gleichen Zelltyp handelt – auch beiallen Tochtergeschwülsten (Metastasen).

Besteht beispielsweise der Verdacht, dass ein bekannter Pri-märtumor sich bereits im Körper ausgebreitet hat, ist es invielen Fällen möglich, radioaktiv markierten Traubenzuckeroder eine Substanz, die spezifisch an die Tumorzellen bindet,in die Blutbahn zu injizieren und anschließend eine Aufnahmedes gesamten Körpers anzufertigen. Gibt es bereits Tochter-geschwülste, so sind auch diese szintigraphisch erfassbar.

Radiojodtumortherapie und Radioimmuntherapie

Die speziellen Stoffwechseleigenschaften von Krebszellen er-möglichen es, die Krankheit mit Radionukliden nicht nur zuuntersuchen, sondern auch zu bekämpfen. Bisher gibt es erstfür wenige Krebserkrankungen erprobte Verfahren. Diese fol-gen jedoch alle dem gleichen, erfolgreichen Prinzip: Ein ge-eignetes Radiopharmazeutikum spürt gezielt die Tumorzellenauf und zerstört sie durch Strahlung. Auf diese Weise lassensich beispielsweise kleinste, weit verstreute Tochterge-schwülste bekämpfen.

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Bekannte und seit Jahrzehnten eingesetzte Routine ist diehochdosierte Therapie mit J-131 beim Schilddrüsenkrebs. Siekommt im Anschluß an die operative Entfernung einer bösar-tig veränderten Schilddrüse zum Einsatz und entfernt äußerstwirkungsvoll eventuell bestehendes Schilddrüsenrestgewebeund mögliche Metastasen. Wie bei der normalen Radiojodthe-rapie wird auch bei der Radiojodtumortherapie I-131 auf Iso-topenstationen verabreicht. Neu und noch nicht routinemäs-sig verfügbar sind Verfahren, bei denen man spezifische, ge-gen Krebszellen gerichtete Eiweiße hochdosiert mit Radioiso-topen markiert und in die Blutbahn einspritzt (Radioimmun-therapie). Auch wenn dieses Verfahren bisher nur in wenigennuklearmedizinischen Zentren an Patienten eingesetzt wird,zeichnet sich dennoch ab, dass es in den kommenden JahrenEinzug in die klinische Routine halten wird.

F Bei diesem Patienten, der nach überstandenem Schilddrüsenkrebswieder erhöhte Tumormarker aufwies, konnte erst mit der PET-Aufnahme des Kopf-Hals-Bereiches eine Lymphknotenmetastaseaufgespürt werden. Gut zu sehen ist, wie PET-Bilder (Mitte) mitMagnetresonanztomographieaufnahmen (oben) kombiniert werdenkönnen (unten), um den Tumor (im „Fadenkreuz“) noch exakter zu lokalisieren.

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Langfristige Linderung bei Krebsschmerzen

Krebspatienten, bei denen der Tumor Tochtergeschwülste insSkelett abgesiedelt hat, leiden häufig unter sehr starkenSchmerzen. Für oft mehrere Monate andauernde Schmerzlin-derung oder -freiheit sorgt die nuklearmedizinische palliativeSchmerztherapie, die bereits sehr lange bekannt ist, jedoch inden vergangenen Jahren durch neue Radiopharmaka deutlichverbessert wurde. Diese Radiopharmaka konzentrieren sich inden Tochtergeschwülsten und sorgen bei einem Grossteil derPatienten nach einmaliger Gabe für eine deutliche, lang-fristige Linderung der Schmerzen, so dass in der Regel eineReduktion der Schmerzmittelgabe möglich ist. Bei Bedarf kön-nen diese Therapien wiederholt werden.

F Dieser Patient mit Lymphknotenkrebs befindet sich in einem weitfort-geschrittenen Krankheitsstadium. Befallen sind Lunge (P), Lymph-knoten in Brust- (P) und Bauchhöhle (P) und Rippen im Bereich desBrustkorbes (P).

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F oben: Szintigramm des Herzens in Belastung (etwa auf dem Fahrrad-ergometer): Der Pfeil weist auf eine gut sichtbare Mangeldurch-blutung in der Vorderwand des Herzens; unten: in Ruhe hat sich dieHerzdurchblutung wieder normalisiert.

Herzkrankheiten – Kardiologie

In der Herzdiagnostik spielt die Nuklearmedizin schon seitJahrzehnten eine wichtige Rolle – insbesondere bei einer der„Volkskrankheiten”, der Koronaren Herzkrankheit (KHK). Beidieser Krankheit werden durch Fettablagerungen die Herz-

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e HirnDiagnostik: Hirn-Szintigraphie

r NebenschilddrüseDiagnostik: Nebenschilddrüsen-Szintigraphie

t SchilddrüseDiagnostik: Labordiagnostik, SzintigraphieTherapie: Radioiodtherapie

u GelenkeDiagnostik: Entzündungs-SzintigraphieTherapie: Radiosynoviorthese

i SkelettDiagnostik: Skelett-SzintigraphieTherapie: Radiostrontium- / Samariumtherapie

o LungeDiagnostik: Lungen-Szintigraphie

p HerzDiagnostik: Myokard-Szintigraphie, PET

a Leber | GallenblaseDiagnostik: dynamische Leber- / Gallen-Szintigraphie

s MilzDiagnostik: Milz-Szintigraphie

d NebenniereDiagnostik: Nebennierenrinden- /

Nebennierenmarks-Szintigraphie

f Nieren | HarnwegeDiagnostik: Isotopennephrogramm, Szintigraphie

g WirbelsäuleDiagnostik: Skelett-Szintigraphie

Ï TumoreDiagnostik: Tumor-Szintigraphie, PETTherapie: Radioiod-, Radioimmuntherapie

Ó EntzündungenDiagnostik: Entzündungs-Szintigraphie

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kranzgefäße, die den Herzmuskel versorgen, verengt oder so-gar verstopft, so dass sich die Versorgung einzelner Bereichedes Herzens bis hin zum gefürchteten Herzinfarkt verschlech-tert. Mit Hilfe der nuklearmedizinischen Untersuchung desHerzmuskels (Myokardszintigraphie), kann sichtbar gemachtwerden, wo und wie stark die Nährstoffversorgung einge-schränkt ist. Dazu werden den Patienten spezielle Radiophar-maka (Tc99-Sesta-MIBI, Tl201) in die Blutbahn injiziert, diesich im Herzmuskel besoders stark anreichern. Anders als beider Koronarangiografie (Herzkatheteruntersuchung) werdenalso nicht die einzelnen Herzkranzgefäße mit Kontrastmittelröntgenologisch dargestellt, sondern es wird die regionaleHerzmuskeldurchblutung sichtbar gemacht. Da Katheter-untersuchungen zwar die Einengung von Herzkranzgefäßen,nicht aber die Durchblutung des gesamten Herzmuskels sicht-bar machen, sind Myokardszintigraphien bei der Planung undKontrolle der KHK-Therapie unverzichtbar.Ebenfalls eine wichtige Rolle spielt die nuklearmedizinischeDiagnostik nach einem Herzinfarkt. Nicht immer ist Herzge-webe, das nicht mehr durchblutet wird, auch tatsächlich be-reits abgestorben. Durch die Stoffverteilung von Zelle zu Zelleund andere Mechanismen kann eine minimale Nährstoffver-sorgung immer noch aufrechterhalten sein. Solches noch amLeben erhaltene, aber nicht oder kaum durchblutete Gewebenennt man „winterschlafend”. Durch eine Operation am offe-nen Herzen lässt sich die Durchblutung häufig wiederherstel-len, das Muskelgewebe kann sich erholen. Findet in den Herz-muskelzellen jedoch überhaupt kein Stoffwechsel mehr statt,sind sie in Folge des Infarktes abgestorben. Eine Herzopera-tion wäre ein den ohnehin geschwächten Patienten völligsinnlos belastender Eingriff. Ob winterschlafend oder abge-storben wird mit anderen Radiopharmaka (F18-FDG, Tl201)dargestellt.

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Gehirn und Nervensystem

Das Nervensystem und insbesondere das Gehirn sind weitweniger als andere Organe für sogenannte invasive Unter-suchungsmethoden zugänglich. So sind beispielsweise Ge-webeentnahmen aus Gehirn oder Nervensystem mit einemhohen Risiko behaftet. Um Veränderungen an der Gewebe-struktur (beispielsweise größere Hirntumoren, Einblutungennach einem Schlaganfall) nachzuweisen, wird in der Regeleine Röntgen-Computertomographie oder Magnetresonanz-tomographie durchgeführt. Um hingegen Stoffwechselstö-rungen und andere Krankheiten des Gehirns nachzuweisen,werden nuklearmedizinische Verfahren benötigt. WichtigeKrankheitsfelder, auf denen die Nuklearmedizin über etablier-te Verfahren verfügt, sind Demenzen, Epilepsie und Hirntu-moren, aber auch die oft lebensrettende Schlaganfallakutdi-agnostik, entzündliche Hirnerkrankungen und psychischeKrankheiten wie etwa Depressionen.

Alzheimer und Co –

Demenzen und Parkinson früher erkennen

Demenzen wie etwa die Alzheimer oder die Creutzfeld-Jakob-Krankheit können bis heute erst nach dem Tod des Betroffe-nen sicher diagnostiziert werden – durch die Untersuchungdes Gehirngewebes. Zu Lebzeiten erfolgt die Diagnose unddie Unterscheidung zwischen den verschiedenen Krankhei-ten, die zu den typischen Symptomen führen, in erster Liniedurch die sorgfältige Befragung der Kranken und ihrer Ange-hörigen. Hinweise liefern dabei unter anderem Verhaltensauf-fälligkeiten. Problematisch ist jedoch, dass derartige Sympto-me beispielsweise auch von schweren Depressionen herrüh-ren können. Diese Unsicherheit wiegt deshalb besonders schwer, weil in-zwischen Medikamente zur Verfügung stehen, die den Krank-heitsverlauf deutlich verlangsamen oder effektiv therapieren

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Allerdings verbietet es sich aufgrund ihrer teilweise nicht un-erheblichen Nebenwirkungen, die Behandlung „auf Ver-dacht" durchzuführen. Eine zumindest weitgehend sichereDiagnose ist unabdingbar. So können die oben genannten kli-nischen Befunde in einem sehr frühen Stadium der Krankheit– und gerade dann ist die medikamentöse Therapie erfolgver-sprechend – durch nuklearmedizinische Verfahren (SPECT undPET) ergänzt werden. Nachgewiesen werden die bereits kurznach Ausbruch der Krankheit auftretenden typischen Stoff-wechselmuster im Gehirn: Der Stoffumsatz ist in ganz spezifi-schen Regionen des Gehirns gestört.Auch für die Behandlung der Parkinson-Krankheit (Schüttel-lähmung) ist es entscheidend, das Leiden bereits in einem frü-hen Stadium zu diagnostizieren und sicherzustellen, dass essich nicht um parkinsonähnliche Symptome handelt – diewiederum ganz anders behandelt werden müssten. Für dieentsprechende nuklearmedizinische Untersuchung wird derBotenstoff Dopamin, der bei Parkinson-Kranken nicht mehr inausreichender Menge produziert wird – radioaktiv markiert.Auch hier ermöglichen bekannte, typische Verteilungsmusterder Substanz im Gehirn die Differenzierung zwischen denunterschiedlichen Krankheiten.

Epilepsie – auf der Suche nach dem „Epizentrum“

Die Behandlung von Epileptikern ist in den vergangenen Jah-ren immer weiter verbessert worden. Ein nahezu „normales"Leben ist heute für viele Betroffene unter medikamentöserTherapie die Regel. In einigen Fällen jedoch gelingt es mit denzur Verfügung stehenden Medikamenten nicht, die Anfällezuverlässig zu verhindern. Eine Möglichkeit, diesen Patientenzu helfen, ist, das Zentrum, von dem die epileptischen Anfälleausgehen, operativ zu entfernen. Da ein solcher Eingriff imGehirn riskant ist und nur die minimal notwendige Menge anGehirngewebe entnommen werden darf, muss zuvor diesersogenannte epileptogene Herd genau lokalisiert werden. Diesist am besten während eines Anfalls mit Hilfe der PET mög-lich, da der Zuckerumsatz in diesem Fokus dann drastischgegenüber dem umliegenden Hirngewebe erhöht ist.

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Knochen und Gelenke

Nachweis von Krankheiten und Verletzungen

Im menschlichen Skelett wird ständig Kalziumphosphat aus-und eingebaut. Diese Umbauprozesse finden dort besondersintensiv statt, wo der Knochen stark beansprucht wird oderaber in erkrankten Knochen- und Gelenkregionen. Mit Hilfeder Skelettszintigraphie (Tc-99m-Phosphonate) lässt sichdieser Phosphatstoffwechsel sichtbar machen. Damit ist esmöglich, anhand von Stoffwechselveränderungen Erkrankun-gen des Skeletts nachzuweisen, lange bevor morphologischeVeränderungen am Knochen auftreten. Dies spielt zum Bei-spiel bei Krebspatienten eine Rolle, deren Tumor möglicher-weise bereits Tochtergeschwülste in das Skelett abgesiedelthat (insbesondere bei Brust- und Prostatakrebs). Weiterhinlassen sich mit Hilfe der Skelettszintigraphie Entzündungen

F links: normales, also gesundes Skelettszintigramm; rechts: Skelett-szintigramm mit zahlreichen Metastasen, also Tochtergeschwülsteneines Krebstumors.

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des Knochens oder der Gelenke nachweisen. Das Szintigrammzeigt nicht nur Lage und Intensität des oder der Entzündungs-herde(s), sondern es ermöglicht auch die Differenzierungzwischen Knochen- und Weichteilentzündung. Da mit nur ei-ner Untersuchung das gesamte Skelett abgebildet werdenkann, lassen sich – ohne zusätzliche Strahlenexposition – weitentfernte Krebsmetastasen ebenso aufspüren wie verstreutliegende Entzündungsherde.Weiterhin lassen sich auf diese Weise frische, aber auch mo-natelang zurückliegende Verletzungen des Knochens nach-weisen. Dies spielt in der Unfallheilkunde eine große Rolle, dabeispielsweise Rippen- und Wirbelkörperverletzungen rönt-genologisch häufig nicht dargestellt werden können. Einweiteres Beispiel ist die Kindesmisshandlung. Hier kann dieSkelettszintigraphie die typischen mehrfach aufeinander-folgenden Gewalteinwirkungen dokumentieren und damiteine Handhabe liefern einzuschreiten.

Rheuma – langfristige Linderung

durch Radiosynoviorthese

Rheumapatienten, bei denen einzelne Gelenke besondersschwer betroffen sind, können vom Verfahren der Radiosyno-viorthese profitieren. Bei dieser nuklearmedizinischen Thera-pie wird ein Radiopharmakon direkt in das schmerzende, ru-higgestellte Gelenk gespritzt. Dort zerstört es die Zellen derwuchernden, entzündeten Gelenkinnenhaut (Synovia), diedie Schmerzen verursacht. Zum Einsatz kommen dabei radio-aktive Substanzen (Beta-Strahler), deren Strahlung im Gewe-be nur eine Reichweite von wenigen Millimetern hat. Dadurchbleibt die Wirkung auf die entarteten Zellen der Gelenkinnen-haut beschränkt. Das umliegende Gewebe wird nicht geschä-digt. Die Radiosynoviorthese kann, sollte die Gelenkinnen-haut erneut wuchern, problemlos wiederholt werden.

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F Radiosynoviorthese eines Hüftgelenks: Im Röntgenbild (oben) siehtman die korrekte Lage der Punktionsnadel. Die Pfeile zeigen dieAusbreitung des Kontrastmittels. Unten ist im Szintigramm dieVerteilung des Radiopharmakons zu sehen.

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Lungenembolien rechtzeitig entdecken

In der Lunge erfolgt der Gasaustausch zwischen Blut undAtemluft. Sind wichtige Blutgefässe in der Lunge verstopft,kann das mit Sauerstoff angereicherte Blut nicht in den Kör-perkreislauf gelangen. Dies geschieht zum Beispiel, wenn sichnach einem Unfall oder langer Bettlägrigkeit in einzelnen Ve-nen Blutgerinnsel (Thromben) bilden, sich ablösen und mitdem Blutstrom in die Lunge gelangen und dort in den Lungen-gefässen „steckenbleiben” (Lungenembolie). Lungenembo-lien können unerkannt lebensbedrohlich sein. Die schnellst-mögliche Entdeckung und Behandlung ist lebensnotwendig.Beim nuklearmedizinischen Untersuchungsverfahren Lungen-ventilationsszintigraphie atmet der Patient zunächst ein ra-dioaktives Gas ein, so dass die „Belüftung” der Lunge sicht-bar wird. Anschliessend wird ein Radiopharmakon in denBlutkreislauf gespritzt, um auch die Durchblutung darzu-stellen (Perfusionsszintigraphie). Liegt eine Lungenembolievor, ist die Belüftung in beiden Lungenflügeln normal undgleichmäßig, die Durchblutung dagegen ist in einem Lungen-flügel deutlich schlechter. Die Lungenszintigraphie ist bei ent-sprechender Technik das genaueste und empfindlichste Ver-fahren zum Lungenembolienachweis.

Entzündungsherde aufspüren

Bestimmte Blutwerte weisen eindeutig daraufhin, dass imKörper eine Entzündung vorliegt. Nicht immer ist jedoch klar,wo sich der Krankheitsherd befindet. Isoliert man aus demBlut des Betroffenen die sogenannten Granulozyten – sie sindim Körper für das Bekämpfen von Entzündungen zuständig –,markiert sie radioaktiv und injiziert sie anschließend wieder inden Blutkreislauf, so ist der Entzündungsherd nach kurzer Zeitin diesem Immunszintigramm als die Stelle im Körper erkenn-bar, in der sich die markierten Granulozyten angereicherthaben. Die Entzündung kann nun gezielt behandelt werden.

Nieren

Die Nieren reinigen das Blut von „Abfallstoffen” des mensch-lichen Stoffwechsels. Diese „Klärfunktion” kann man mit Hil-fe der Nierenszintigraphie darstellen. Dazu verwendet manradioaktive Substanzen, die von den Nieren stark ausgeschie-

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F oben: Durchblutungsszintigraphie der Lunge (Perfusions-szintigramm): mehrere Durchblutungsdefekte in den Lungenspitzen(Pfeil). unten: Belüftungsszintigraphie der Lunge (Ventila-tionsszintigramm): Normalbefund; aus dem Unterschied beiderSzintigramme ergibt sich die Diagnose Lungenembolie

den werden. Zum einen kann die Verteilung dieser Substanz inden Nieren mit Hilfe einer Gammakamera sichtbar gemachtwerden. Zum anderen kann man – für jede Niere einzeln –Funktionskurven erstellen, also messen, wie schnell die ein-zelne Niere das Radiopharmakon ausscheidet (Clearance-

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bestimmung). Dadurch lassen sich Schädigungen des Nieren-gewebes ebenso nachweisen wie Harnabflussstörungen oderder Rückfluss des Harns in die Nieren. Insbesondere bei Säug-lingen und Kleinkindern müssen Krankheitsbilder der Nieren

F Nierenszintigramm; links Normalbefund, rechts Schrumpfniere.unten: szintigraphisch erstellte Funktionskurve der Niere: DieSchrumpfniere (grün) leistet deutlich weniger als die gesunde (rot).Dadurch ist die Gesamtleistung (Clearance) vermindert.

rechts links

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schnell und sicher erkannt werden, um Folgeschäden zu ver-meiden. Eine wichtige Rolle spielt die nuklearmedizinischeNierenuntersuchung auch bei erhöhtem Blutdruck unklarerUrsache.

Strahlenexposition bei

nuklearmedizinischen Untersuchungen

Die Strahlenexposition durch nuklearmedizinische Untersu-chungen ist in den vergangenen Jahren immer weiter zurück-gegangen. Das liegt zum einen daran, dass die verwendetenRadiopharmaka immer weiter verbessert werden konnten.Zum anderen wurde die Kameratechnik immer weiter opti-miert. Hinzu kommen neue Verfahren wie etwa die Positro-nen-Emissions-Tomographie (PET). Im Mittel entspricht dieStrahlenexposition bei einer nuklearmedizinischen Unter-suchung der Strahlendosis, die ein Mensch im Verlauf einesJahres aus der Umgebung aufnimmt. Damit entspricht sie beivielen Untersuchungen in etwa der Strahlenexposition einerRöntgenuntersuchung der Lunge (wobei die Nuklearmedizinden Vorteil hat, dass bei ihr ohne Mehrbelastung in einer ein-zigen Untersuchung der gesamte Körper dargestellt werdenkann). Bitte, fragen Sie Ihren behandelnden Nuklearmedizinernach der genauen Strahlenexposition der für Sie in Fragekommenden Methode.Die Strahlendosen in der nuklearmedizinischen Therapie sindnaturgemäss höher als in der Diagnostik. Diese erhöhte Dosisbetrifft aber nur das jeweilige Zielorgan, etwa die Gelenk-innenhaut bei der Radiosynoviothese oder die Schilddrüse beider Radioiodtherapie.

Wo kann ich mich beraten lassen?

Die Frage, ob eine nuklearmedizinische Untersuchung oder

Therapie in einem konkreten Fall sinnvoll ist oder nicht, kann jeder

Nuklearmediziner beantworten, der für das fragliche Verfahren

ausgebildet ist. Adressen in der Nähe Ihres Wohnortes bekommen

Sie bei der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin:

Heike Jordan • Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Im Hassel 40 • 37077 Göttingen

Fon 0551 / 3764 47 • Fax 0551 / 3764 53

eMail: [email protected]

Aktuelle Informationen finden Sie ausserdem auf den Homepages

sowohl der DGN als auch des BDN (www.nuklearmedizin.de

und www.bdn-online.de).

Impressum:

V.i.S.d.P.: Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin

Bildnachweis:

Nuklearmedizinische Klinik und Poliklinik rechts der Isar der Technischen Universität München (Titel)

Radiologische Universitätsklinik Freiburg, Abteilung Nuklearmedizin

Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin, Universität Münster

Klinikum Kassel, Institut für Nuklearmedizin

Röntgeninstitut Bremerhaven

Abbildung Seite 6 aus „Ärztlicher Ratgeber Schilddrüse“, 3. Auflage 2000

(erhältlich über Wort & Bild Verlag, 82065 Baierbrunn, oder Apotheken)

Zeichnung Seite 12 von Dieter Tonn, Göttingen

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