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48 Fresenius Z. Anal. Chem., Band 296 (1979) Fresenius Z. Anal. Chem. 296, 48 (1979) by Springer-Verlag 1979 EinfluB des pH-Wertes auf die Anomalien in der Temperaturabh~ingigkeit der Hydrolysengeschwindigkeit yon cycl. Cytidin-2',3'-monophosphat durch Ribonudease I Werner Mtiller* und Gerhard Talsky** Institut ffir Technische Chemic der Technischen Universit~t M/inchen, Lehrstuhl I, Lichtenbergstr. 4, D-8046 Garching Influence of pH on the Anomalous Temperature Dependence of the Velocity of Hydrolysis of Cycl. Cytidine-2',3'-monophosphate by Ribonuclease I Key words: Hydrolyse von cycl. Cytidin-2'. 3'-monophosphat durch Ribonuclease I; Temperaturabh~ingigkeit, Tempera- turanomalien. Wie wir in friiheren Arbeiten [4] zeigen konnten, verlfiuft die Temperaturabh/ingigkeit vieler enzymkatalysierter Reaktio- nen nicht nach der einfachen Arrhenius-Beziehung k - 1%' e-E/RT (1) Wahlt man n/imlich gentigend kleine Temperaturintervalle der MeBpunkte yon i - 2 ~und tr~gt lg kb, oder lg vb~ gegen 1 / T auf, so erh~ilt man keine Gerade, sondern neben Linerarab- schnitten relativ enge Temperaturbereiche von ca. 2 4 ~, in denen ein wellenf6rmiger Ubergang vorliegt. Auch die Temperaturabhfingigkeit der Hydrolysenge- schwindigkeit von cycl. Cytidin-2', 3'-monophosphat (cCMP) durch Ribonuclease I (RNase) verh/ilt sich so [2, 6], Wie wir in Vorversuchen feststellten, trat bei pH-)knderung des Reak- tionsmediums eine Verschiebung dieser Anomaliebereiche auf. Wir haben deshalb das kinetische Verhalten des Enzyms zwischen 3 ~ und 27 ~ unter stufenweiser Verfinderung des pH-Wertes von 6.3 auf 8,3 untersucht. Experimentelles Reagentien. RNase I aus Rinderpankreas, 5real kristallisiert (EC 3.1.4.22; Fa. Serva, Heidelberg): cycl. Cytidin-2',Y- monophosphat (cCMP), Ba-Salz (Fa. Schwarz Bio Research, Orangeburg, New York, und Fa. Merck, Darmstadt). Apparatur. Bei s/imtlichen Versuchen wurde die Hydrolysen- geschwindigkeit von cCMP durch RNase in Abwesenheit von Puffern und Salzen potentiometrisch mit einem Autotitrator (Radiometer, Kopenhagen) bestimmt [3, 6]. * Jetzige Anschrift: Dr. rer. nat., Dr. reed. Werner Miiller, Klinisch-Chemisches Institut Dr. H. Mtiller, Wittels- bacherstral3e 3, 8400 Regensburg ** Korrespondenzanschrift Meflvorgang. 1 ml Substratl6sung vorgelegt (Konz. : 3,8 mg/ml; ffir Km-Bestimmung zwischen 1,0 und 9,4mg/ml variiert), mit N2 die Luft im ReaktionsgeffiB verdrfingt, nach 5 rain mit 0,005 N NaOH den gewfinschten pH-Wert einge- stellt, die Reaktion durch Zugabe yon 0,05 ml RNase-L6sung gestartet (Endkonz. : 6,5 gg in 1,05 ml Reaktionsl6sung) und den Verbrauch an 0.005 N NaOH kontinuierlich registriert. Auswertung. Wie bei [3] angegeben. Ergebnisse Da sich bei wellenf6rmigen (Jbergangsbereichen eine exakte Ubergangstemperatur nicht ohne weiteres angeben 1/ifSt, wurden die Linearbereiche jeweils verlfingert und deren Schnittpunkte als >)mittlere I~bergangstemperatur Tm~ deft- niert. Bei Auftragen von T,, gegen den pH-Wert wurde eine sigmoide Kurve mit einem Wendepunkt bei pH 7,1 und Tm 10,5 ~ erhalten. Uber den ganzen pH-Bereich 6,3 his 8,3 verschob sich T,. von 7,l ~ nach 14~ Analog wie bei %r wurde auch die Temperaturabh/ingig- keil von Km bei verschiedenen pH-Werten ermittelt. Bei Auftragen von lg K,, gegen 1/T und Extrapolation der Linearabschnitte ergab sich eine mittlere ~bergangstempera- tur Tm~K_ von II,I~ die mit T,~ 10,8 sehr gut fiberein- stimmt. Aus den Steigungen der zwischen 3,2 und 21,2~ liegenden beiden Linearbereiche errechneten sich AH-Werte von 34,6 kJ Mol fiir den unteren und 12,7 kJ/M01 fiir den oberen Bereich. Vmax dagegen nahm im gleichen Temperatur- bereich bei Auftragen von Vm,x gegen lIT in Ubereinstim- mung mit ~ihnlichen Befunden bei Trypsin [1,5] linearen Verlauf. Daraus kann man schlief3en, daf3 die geschwindig- keitsbestimmende Abreaktion des ES-Komplexes im Gegen- satz zu K,, und v~, keine Unstetigkeit in ihrem Temperaturver- halten aufweist. FaBt man die gefundene S-Kurve als eine >>Titrationskur- ~e~ der Aminosfiure auf, die an einer, wenn auch geringen, Konformationsfinderung des Enzyms beteiligt ist, so kann man sich vorstellen, dab der pH-abhfingigen Nnderung von T,, offensichtlich ein ProzeB zugrunde liegt, an dem eines oder beide der sich im aktiven Zentrum des Enzyms befindlichen Histidine beteiligt 1st. Wir danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft ftir die Unterstiitzung dieser Arbeit durch Bereitstellung yon Sachmitteln. Literatur i. Gramsch, Ch.: Diss., Techn. Univ. Miinchen 1971 2. Miiller, W. : Diss., Techn. Univ. Mfinchen 1970 3. Miiller, W., Talsky, G. : Hoppe-Seylers Z. Physiol. Chem. 351, 1564 (1970) 4. Talsky, G. : Angew. Chem. 83, 553 (1971) 5. Talsky, G., Gramsch, Ch. : Angew. Chem. 83, 935 (1971) 6. Talsky, G., Miiller, W. : Hoppe-Seylers Z. Physiol. Chem. 352, 1681 (1971) Eingegangen am 24. Januar 1979

Einfluß des pH-Wertes auf die Anomalien in der Temperaturabhängigkeit der Hydrolysengeschwindigkeit von cycl. Cytidin-2′,3′-monophosphat durch Ribonuclease I

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Page 1: Einfluß des pH-Wertes auf die Anomalien in der Temperaturabhängigkeit der Hydrolysengeschwindigkeit von cycl. Cytidin-2′,3′-monophosphat durch Ribonuclease I

48 Fresenius Z. Anal. Chem., Band 296 (1979)

Fresenius Z. Anal. Chem. 296, 48 (1979) �9 by Springer-Verlag 1979

EinfluB des pH-Wertes auf die Anomalien in der Temperaturabh~ingigkeit der Hydrolysengeschwindigkeit yon cycl. Cytidin-2',3'-monophosphat durch Ribonudease I

Werner Mtiller* und Gerhard Talsky**

Institut ffir Technische Chemic der Technischen Universit~t M/inchen, Lehrstuhl I, Lichtenbergstr. 4, D-8046 Garching

Influence of pH on the Anomalous Temperature Dependence of the Velocity of Hydrolysis of Cycl. Cytidine-2',3'-monophosphate by Ribonuclease I

Key words: Hydrolyse von cycl. Cytidin-2'. 3'-monophosphat durch Ribonuclease I; Temperaturabh~ingigkeit, Tempera- turanomalien.

Wie wir in friiheren Arbeiten [4] zeigen konnten, verlfiuft die Temperaturabh/ingigkeit vieler enzymkatalysierter Reaktio- nen nicht nach der einfachen Arrhenius-Beziehung

k - 1%' e -E/RT (1)

Wahlt man n/imlich gentigend kleine Temperaturintervalle der MeBpunkte yon i - 2 ~ und tr~gt lg kb, oder lg vb~ gegen 1 / T auf, so erh~ilt man keine Gerade, sondern neben Linerarab- schnitten relativ enge Temperaturbereiche von ca. 2 4 ~, in denen ein wellenf6rmiger Ubergang vorliegt.

Auch die Temperaturabhfingigkeit der Hydrolysenge- schwindigkeit von cycl. Cytidin-2', 3'-monophosphat (cCMP) durch Ribonuclease I (RNase) verh/ilt sich so [2, 6], Wie wir in Vorversuchen feststellten, trat bei pH-)knderung des Reak- tionsmediums eine Verschiebung dieser Anomaliebereiche auf. Wir haben deshalb das kinetische Verhalten des Enzyms zwischen 3 ~ und 27 ~ unter stufenweiser Verfinderung des pH-Wertes von 6.3 auf 8,3 untersucht.

Experimentelles

Reagentien. RNase I aus Rinderpankreas, 5real kristallisiert (EC 3.1.4.22; Fa. Serva, Heidelberg): cycl. Cytidin-2',Y- monophosphat (cCMP), Ba-Salz (Fa. Schwarz Bio Research, Orangeburg, New York, und Fa. Merck, Darmstadt).

Apparatur. Bei s/imtlichen Versuchen wurde die Hydrolysen- geschwindigkeit von cCMP durch RNase in Abwesenheit von Puffern und Salzen potentiometrisch mit einem Autotitrator (Radiometer, Kopenhagen) bestimmt [3, 6].

* Jetzige Anschrift: Dr. rer. nat., Dr. reed. Werner Miiller, Klinisch-Chemisches Institut Dr. H. Mtiller, Wittels- bacherstral3e 3, 8400 Regensburg

** Korrespondenzanschrift

Meflvorgang. 1 ml Substratl6sung vorgelegt (Konz. : 3,8 mg/ml; ffir Km-Bestimmung zwischen 1,0 und 9,4mg/ml variiert), mit N2 die Luft im ReaktionsgeffiB verdrfingt, nach 5 rain mit 0,005 N NaOH den gewfinschten pH-Wert einge- stellt, die Reaktion durch Zugabe yon 0,05 ml RNase-L6sung gestartet (Endkonz. : 6,5 gg in 1,05 ml Reaktionsl6sung) und den Verbrauch an 0.005 N NaOH kontinuierlich registriert.

Auswertung. Wie bei [3] angegeben.

Ergebnisse

Da sich bei wellenf6rmigen (Jbergangsbereichen eine exakte Ubergangstemperatur nicht ohne weiteres angeben 1/ifSt, wurden die Linearbereiche jeweils verlfingert und deren Schnittpunkte als >)mittlere I~bergangstemperatur Tm~ deft- niert. Bei Auftragen von T,, gegen den pH-Wert wurde eine sigmoide Kurve mit einem Wendepunkt bei pH 7,1 und Tm 10,5 ~ erhalten. Uber den ganzen pH-Bereich 6,3 his 8,3 verschob sich T,. von 7,l ~ nach 14~

Analog wie bei %r wurde auch die Temperaturabh/ingig- keil von K m bei verschiedenen pH-Werten ermittelt. Bei Auftragen von lg K,, gegen 1/T und Extrapolation der Linearabschnitte ergab sich eine mittlere ~bergangstempera- tur Tm~K_ von II,I~ die mit T,~ 10,8 sehr gut fiberein- stimmt. Aus den Steigungen der zwischen 3,2 und 21,2~ liegenden beiden Linearbereiche errechneten sich AH-Werte von 34,6 kJ Mol fiir den unteren und 12,7 kJ/M01 fiir den oberen Bereich. Vmax dagegen nahm im gleichen Temperatur- bereich bei Auftragen von Vm,x gegen l IT in Ubereinstim- mung mit ~ihnlichen Befunden bei Trypsin [1,5] linearen Verlauf. Daraus kann man schlief3en, daf3 die geschwindig- keitsbestimmende Abreaktion des ES-Komplexes im Gegen- satz zu K,, und v~, keine Unstetigkeit in ihrem Temperaturver- halten aufweist.

FaBt man die gefundene S-Kurve als eine >>Titrationskur- ~e~ der Aminosfiure auf, die an einer, wenn auch geringen, Konformationsfinderung des Enzyms beteiligt ist, so kann man sich vorstellen, dab der pH-abhfingigen Nnderung von T,, offensichtlich ein ProzeB zugrunde liegt, an dem eines oder beide der sich im aktiven Zentrum des Enzyms befindlichen Histidine beteiligt 1st.

Wir danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft ftir die Unterstiitzung dieser Arbeit durch Bereitstellung yon Sachmitteln.

Literatur

i. Gramsch, Ch.: Diss., Techn. Univ. Miinchen 1971 2. Miiller, W. : Diss., Techn. Univ. Mfinchen 1970 3. Miiller, W., Talsky, G. : Hoppe-Seylers Z. Physiol. Chem.

351, 1564 (1970) 4. Talsky, G. : Angew. Chem. 83, 553 (1971) 5. Talsky, G., Gramsch, Ch. : Angew. Chem. 83, 935 (1971) 6. Talsky, G., Miiller, W. : Hoppe-Seylers Z. Physiol. Chem.

352, 1681 (1971)

Eingegangen am 24. Januar 1979