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Niedriglohnsektor 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 4/2007 37 zahl entlohnt wurden. Bevor sie damit beginnen konnten, wurden sie in Dreiergruppen eingeteilt und jede Gruppe mit der Entscheidung konfrontiert, wie sie damit umgehen wür- de, wenn eines der Gruppenmitglieder »arbeitslos« würde. In diesem Fall mussten die Arbeitenden einen Teil ihres Ein- kommens für die Alimentierung des Arbeitslosen aufwen- den. Zur Entscheidung stand zum einen die Option, dass das arbeitslose Mitglied ohne Verpflichtung zur Gegenleis- tung alimentiert wurde, und zum anderen die Option, die- sem eine – wenn auch reduzierte – Arbeitspflicht aufzuerle- gen. Für die Arbeitenden hatte die Wahl der Option weder einen besonderen finanziellen Vorteil noch einen besonde- ren finanziellen Nachteil. Für den Arbeitslosen war mit der Arbeitspflicht ebenfalls kein finanzieller Vorteil verbunden. Trotzdem entschieden sich alle Gruppen mit überwältigen- der Mehrheit für die Option mit der Arbeitspflicht. Das Ergebnis des Laborexperiments ist auch deshalb von großer Bedeutung, weil die Probanden im Experiment die Entscheidung über die Arbeitspflicht zu einem Zeitpunkt tra- fen, bei dem sie noch nicht wussten, wie sie selbst davon betroffen sein würden. Mit anderen Worten gelingt es im Experiment, die Teilnehmer zur Offenbarung »objektiver« Ge- rechtigkeitsvorstellungen zu bewegen, ganz im Sinne des Rawl’schen Schleiers der Ungewissheit. Dass in der öffentlichen Diskussion um Workfare häufig an- ders argumentiert wird, dürfte aber nicht nur etwas mit per- sönlicher Betroffenheit zu tun haben, sondern auch mit der Intransparenz der Zahlungsströme und damit der externen Effekte. Nicht zuletzt spielen hier auch sachfremde Interes- sen eine gewichtige Rolle. Insbesondere von gewerkschaft- licher Seite wird das Workfare-Konzept abgelehnt, weil ein allgemeiner Anstieg des Drucks auf die Löhne befürchtet wird. Dass ein gerechtes Sicherungssystem zu einer mas- siven Entlastung der Arbeitseinkommen von Lohnneben- kosten führen würde, weil aus Leistungsbeziehern wieder Steuer- und Beitragszahler würden, wird an dieser Stelle leider allzu häufig übersehen. Hier besteht nach wie vor ein massives Vermittlungsproblem, dessen sich vor allem die Politik endlich annehmen sollte. Literatur Dohmen, T., A. Falk, D. Huffman und U. Sunde (2006), Homo Reciprocans: Survey Evidence on Prevalence, Behavior and Success, IZA DP 2205. Falk, A. (2007), »Gift-Exchange in the Field«, erscheint in Econometrica. Falk, A., D. Huffman und K. Mierendorff (2006), »Incentive Effects and Poli- tical Acceptability of Workfare«, mimeo, IZA. Fehr, E. und S. Gächter (2000), »Cooperation and Punishment in Public Goods Experiments«, American Economic Review 90(4), 980–994. Einstellungsgutscheine effektiver als Kombilöhne In jüngster Zeit wurde eine Vielzahl von Kombilohnvorschlä- gen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gemacht (vgl. z.B. Sinn et al. 2006; Sachverständigenrat 2006). Diese sollen Abhilfe bei der persistenten Langzeitarbeitslosigkeit und den hohen Arbeitslosenraten bei Niedrigqualifizierten schaffen. In einer Studie analysieren wir die Auswirkungen verschie- dener Kombilohnmaßnahmen auf die Beschäftigung, die Einkommensverteilung und den Staatshaushalt in Deutsch- land (vgl. Brown, Merkl und Snower 2006). Die Studie kommt zum Ergebnis, dass die üblicherweise diskutierten Kombi- lohnmodelle (dauerhafte Lohnsubventionen für Niedrigver- diener) weder ein effektives Instrument zur Schaffung von Beschäftigung in Deutschland noch das beste Instrument zur Bekämpfung der Einkommensungleichheit sind. Einstel- lungsgutscheine (befristete Lohnsubventionen für Neuein- stellungen) für Langzeitarbeitslose oder niedrig qualifizierte Arbeitnehmer sind weitaus wirkungsvoller. Alessio Brown* Christian Merkl* Dennis Snower* * Alessio Brown und Christian Merkl sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Weltwirtschaft und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Prof. Dennis Snower, Ph.D., ist Präsident des Instituts für Weltwirtschaft und Professor an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

Einstellungsgutscheine effektiver als Kombilöhne · Gini-Koeffizienten 1,6% 0,8% 1,3% 2 Dies gilt, ohne die absolute Höhe der Arbeitslosenun-terstützung zu verändern. 3 Das Ausgabenprogramm

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Niedriglohnsektor

60. Jahrgang – i fo Schne l ld ienst 4/2007

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zahl entlohnt wurden. Bevor sie damit beginnen konnten,wurden sie in Dreiergruppen eingeteilt und jede Gruppe mitder Entscheidung konfrontiert, wie sie damit umgehen wür-de, wenn eines der Gruppenmitglieder »arbeitslos« würde.In diesem Fall mussten die Arbeitenden einen Teil ihres Ein-kommens für die Alimentierung des Arbeitslosen aufwen-den. Zur Entscheidung stand zum einen die Option, dassdas arbeitslose Mitglied ohne Verpflichtung zur Gegenleis-tung alimentiert wurde, und zum anderen die Option, die-sem eine – wenn auch reduzierte – Arbeitspflicht aufzuerle-gen. Für die Arbeitenden hatte die Wahl der Option wedereinen besonderen finanziellen Vorteil noch einen besonde-ren finanziellen Nachteil. Für den Arbeitslosen war mit derArbeitspflicht ebenfalls kein finanzieller Vorteil verbunden.Trotzdem entschieden sich alle Gruppen mit überwältigen-der Mehrheit für die Option mit der Arbeitspflicht.

Das Ergebnis des Laborexperiments ist auch deshalb vongroßer Bedeutung, weil die Probanden im Experiment dieEntscheidung über die Arbeitspflicht zu einem Zeitpunkt tra-fen, bei dem sie noch nicht wussten, wie sie selbst davonbetroffen sein würden. Mit anderen Worten gelingt es imExperiment, die Teilnehmer zur Offenbarung »objektiver« Ge-rechtigkeitsvorstellungen zu bewegen, ganz im Sinne desRawl’schen Schleiers der Ungewissheit.

Dass in der öffentlichen Diskussion um Workfare häufig an-ders argumentiert wird, dürfte aber nicht nur etwas mit per-sönlicher Betroffenheit zu tun haben, sondern auch mit derIntransparenz der Zahlungsströme und damit der externenEffekte. Nicht zuletzt spielen hier auch sachfremde Interes-sen eine gewichtige Rolle. Insbesondere von gewerkschaft-licher Seite wird das Workfare-Konzept abgelehnt, weil einallgemeiner Anstieg des Drucks auf die Löhne befürchtetwird. Dass ein gerechtes Sicherungssystem zu einer mas-siven Entlastung der Arbeitseinkommen von Lohnneben-kosten führen würde, weil aus Leistungsbeziehern wiederSteuer- und Beitragszahler würden, wird an dieser Stelleleider allzu häufig übersehen. Hier besteht nach wie vor einmassives Vermittlungsproblem, dessen sich vor allem diePolitik endlich annehmen sollte.

Literatur

Dohmen, T., A. Falk, D. Huffman und U. Sunde (2006), Homo Reciprocans:Survey Evidence on Prevalence, Behavior and Success, IZA DP 2205.Falk, A. (2007), »Gift-Exchange in the Field«, erscheint in Econometrica.Falk, A., D. Huffman und K. Mierendorff (2006), »Incentive Effects and Poli-tical Acceptability of Workfare«, mimeo, IZA.Fehr, E. und S. Gächter (2000), »Cooperation and Punishment in Public GoodsExperiments«, American Economic Review 90(4), 980–994.

Einstellungsgutscheine effektiver alsKombilöhne

In jüngster Zeit wurde eine Vielzahl von Kombilohnvorschlä-gen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gemacht (vgl. z.B.Sinn et al. 2006; Sachverständigenrat 2006). Diese sollenAbhilfe bei der persistenten Langzeitarbeitslosigkeit und denhohen Arbeitslosenraten bei Niedrigqualifizierten schaffen.In einer Studie analysieren wir die Auswirkungen verschie-dener Kombilohnmaßnahmen auf die Beschäftigung, dieEinkommensverteilung und den Staatshaushalt in Deutsch-land (vgl. Brown, Merkl und Snower 2006). Die Studie kommtzum Ergebnis, dass die üblicherweise diskutierten Kombi-lohnmodelle (dauerhafte Lohnsubventionen für Niedrigver-diener) weder ein effektives Instrument zur Schaffung vonBeschäftigung in Deutschland noch das beste Instrumentzur Bekämpfung der Einkommensungleichheit sind. Einstel-lungsgutscheine (befristete Lohnsubventionen für Neuein-stellungen) für Langzeitarbeitslose oder niedrig qualifizierteArbeitnehmer sind weitaus wirkungsvoller.

Alessio Brown* Christian Merkl*

Dennis Snower*

* Alessio Brown und Christian Merkl sind wissenschaftliche Mitarbeiter amInstitut für Weltwirtschaft und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.Prof. Dennis Snower, Ph.D., ist Präsident des Instituts für Weltwirtschaftund Professor an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

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Das schlechtere Abschneiden von Kombilöhnen ist auf we-sentlich höhere Mitnahmeeffekte und höhere Lohnforderun-gen (Lohneffekte) zurückzuführen. Die gegen Einstellungs-gutscheine häufig vorgebrachten Drehtüreffekte stellen hin-gegen kein großes makroökonomisches Problem dar, dennhier überwiegen die positiven Klebeeffekte.

Deshalb könnten Einstellungsgutscheine 120 000 Arbeits-plätze schaffen, ohne das staatliche Budget langfristig zubelasten. Die Gutscheine können sich selbst finanzieren,indem die gestiegene Beschäftigung die Zahlungen für Ar-beitslosenunterstützung reduziert und die Steuereinnahmenerhöht.

Ein Ausgabenprogramm in Höhe von 2 Mrd. € für Einstel-lungsgutscheine für Langzeitarbeitslose würde 400 000 neueArbeitsplätze schaffen, Kombilöhne jedoch nur 16 000.

Nach unserem Konzept werden den Arbeitgebern bei derEinstellung von Langzeitarbeitslosen und Geringqualifizier-ten Einstellungsgutscheine ausgehändigt, die die Lohnkos-ten befristet während der ersten Zeit der Beschäftigung sen-ken. Diese befristeten Lohnzuschüsse müssten – anders alsin allen anderen Vorschlägen – mit der Dauer der Arbeitslo-sigkeit steigen und mit der Dauer der Beschäftigung und mitdem Qualifikationsgrad sinken.

Dieses Programm ist realisierbar, ohne die Unterstützungs-leistungen für Arbeitslose zu reduzieren. Die Niedrigqualifi-zierten und die Langzeitarbeitslosen, die am unteren Endeder Einkommensskala stehen, können durch den Wieder-eintritt in das Erwerbsleben ihre Produktivität und ihr Ein-kommen steigern.

Dieser Beitrag ist wie folgt gegliedert. Nach einer kurzen Dar-stellung der Motivation werden in einem ersten Schritt dermodelltheoretische Rahmen und die Simulationsergebnis-se erläutert. Der folgende Abschnitt leitet die wirtschafts-politischen Implikationen für effektive Beschäftigungssub-ventionen in Deutschland ab. Der anschließende Abschnittstellt den Bezug zu wichtigen existierenden Reformvorschlä-gen dar.

Beschäftigungssubventionen

Die Suche nach effektiven Instrumenten zur Bekämpfungvon Arbeitslosigkeit und Einkommensungleichheit ist einesder primären Ziele der Beschäftigungspolitik in den Län-dern der OECD. Unsere Studie analysiert auf verschiedeneZielgruppen gerichtete Subventionen nicht nur im Hinblickauf ihre Beschäftigungswirkung, sondern auch auf die Im-plikationen für Einkommensungleichheit und den Staats-haushalt. Dieser Ansatz ist in wirtschaftspolitischer Hinsichtbesonders bedeutend, denn viele Maßnahmenvorschläge

werden im politischen Prozess blockiert, weil sie die Einkom-mensungleichheit erhöhen.

Entsprechend dieser Kriterien (Beschäftigungswirkung, Ein-kommensungleichheit, Staatshaushalt) untersuchen wir fürDeutschland gezielt die Frage, welche Zielgruppe für Be-schäftigungssubventionen am besten geeignet ist und wel-che Subventionshöhe selbstfinanzierend wäre. Darauf gibtes in der existierenden Debatte bisher keine einvernehmli-chen Antworten.

Allgemein lassen sich zwei breite wirtschaftspolitisch rele-vante Zielgruppen unterscheiden: einerseits Arbeitnehmermit niedrigeren Einkommen und niedriger Qualifikation undandererseits Langzeitarbeitslose.

Speziell vergleichen wir die folgenden Subventionen:

– Kombilöhne (dauerhafte Lohnsubventionen) für Niedrig-verdiener,

– Einstellungsgutscheine (befristete Lohnsubventionen fürNeueinstellungen) für Niedrigqualifizierte (NQA),

– Einstellungsgutscheine für Langzeitarbeitslose (LZA).

Modellansatz und Simulation

Die Modellierung erfolgt anhand eines mikroökonomisch fun-dierten und dynamischen theoretischen Modells, in dem dieArbeitnehmer entsprechend ihrer exogen gegebenen Qua-lifikation in drei Sektoren eingeteilt sind: Hoch-, Mittel- undNiedrigqualifizierte.1 Darüber hinaus können sich Arbeitneh-mer in verschiedenen Arbeitsmarktzuständen befinden, ins-besondere Kurz- und Langzeitarbeitslosigkeit sowie Kurz-und Langzeitbeschäftigung. Ihre Produktivität kann mit derDauer ihrer Arbeitslosigkeit sinken und der Dauer ihrer Be-schäftigung steigen. Die Produktivität eines Arbeitnehmersist somit von der jeweiligen Qualifikationsgruppe und vonder Beschäftigungsentwicklung abhängig.

Nach erfolgter Lohnverhandlung zwischen Beschäftigtenund Arbeitgebern treffen letztere gewinnmaximierend Ein-stellungs- und Entlassungsentscheidungen, indem sie dieaktuelle und zukünftig erwartete Produktivität mit den Löh-nen vergleichen.

Dieses Modell wird mit Daten kalibriert, um die Arbeitsmarkt-situation in Deutschland realistisch widerzuspiegeln. Damitwird die Reaktion auf die Beschäftigungssubventionen si-muliert. Der Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, dass Ver-haltensänderungen der Akteure explizit in Betracht gezogenwerden und deren Folgen prognostiziert werden können.

1 Die Größe der jeweiligen Qualifizierungsgruppen ist exogen vorgegeben.Für eine endogene Modellierung vgl. Oskamp und Snower (2006).

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Dadurch hebt sich die Analyse von vielen an-deren Prognosen ab, bei dem die Effekte nurin buchhalterischer Art berechnet und Ver-haltensänderungen vernachlässigt werden(vgl. Lucas 1976, Kritik).

Beschäftigungssubventionen können lang-fristig selbstfinanzierend sein, indem sie ei-nerseits die Beschäftigung und somit dieSteuereinnahmen erhöhen und andererseitsdie Arbeitslosigkeit und somit die Ausgabenzur Arbeitslosenunterstützung reduzieren.2

In einem ersten Schritt wird folglich analy-siert, welche Subventionen das Potential ha-ben, langfristig selbstfinanzierend zu sein. Im zweiten Schrittwird dann untersucht, welche Beschäftigungswirkungen rea-lisiert werden können, wenn der Staat darüber hinaus ei-nen bestimmten Betrag für Beschäftigungssubventionenaufbringt. Dies wird beispielhaft für ein Arbeitsmarktpro-gramm3 mit einem Volumen von 2 Mrd. € dargestellt. Beiallen Programmen treten zwischenzeitlich höhere transito-rische Defizite auf, die innerhalb von zwei bis drei Jahren fastkomplett verschwinden.4

Kombilöhne, die dauerhaft für die Bezieher niedriger Ein-kommen bezahlt werden, sind in Deutschland nicht selbst-finanzierend. Die Simulation zeigt, dass selbstfinanzierendeEinstellungsgutscheine mit der Zielgruppe Langzeitarbeits-lose zu einer höheren Beschäftigung und Einkommensgleich-heit führen als mit der Zielgruppe Niedrigqualifizierte. Wäh-rend für Langzeitarbeitslose mit niedriger Qualifikation einEinstellungsgutschein in Höhe von 17% der Arbeitskostenlangfristig selbstfinanzierend ist, liegt dies für Langzeitar-beitslose mit mittlerer Qualifikation bei 8% der Arbeitskos-ten. Diese Maßnahme, die langfristig keine zusätzlichen Aus-gaben beansprucht und zudem die Einkommensgleichheit5

verbessert, würde die Arbeitslosigkeit langfristig um 3% sen-ken, d.h. es wären etwa 120 000 zusätzliche Stellen zu er-warten. Für die Arbeitslosigkeit niedrig qualifizierter Lang-zeitarbeitsloser würde dies eine Senkung um etwa 9% be-deuten (vgl. Übersicht 1).

Exemplarisch wird analysiert, welche Arbeits-markteffekte durch ein zusätzliches jährlichesAusgabenvolumen von 2 Mrd. € langfristigerzielt werden können. Auch hier zeigt sich,

dass es am effektivsten ist, die Mittel für Einstellungsgut-scheine für Langzeitarbeitslose zu verwenden. Laut Simu-lation könnte ein solches Programm die Langzeitarbeitslo-sigkeit um 20% und die gesamte Arbeitslosigkeit um 10%reduzieren, d.h., es wäre mit rund 400 000 zusätzlichenBeschäftigten zu rechnen.

Würden die Mittel dagegen nur auf Einstellungsgutschei-ne für niedrig qualifizierte Arbeitslose konzentriert, so lä-ge die Reduzierung der Langzeitarbeitslosen nur bei 14%und der Rückgang der gesamten Arbeitslosigkeit bei rund7%. Dies entspräche etwa 280 000 zusätzlichen Arbeits-plätzen.

Ein klassischer Kombilohn (Subventionierung aller Niedrig-verdiener) würde die Arbeitslosigkeit laut Simulation nur um0,4% reduzieren. Das entspräche weniger als 16 000 zu-sätzlichen Arbeitsplätzen. Hintergrund sind unter anderemdie oben erwähnten Mitnahmeeffekte und die Erhöhung desLohns für Beschäftigte.

Bei allen drei Beschäftigungssubventionen würde die Ein-kommensungleichheit abnehmen. Bemerkenswerterweiseverringert sich die Einkommensungleichheit (gemessendurch den Gini-Koeffizienten) bei den Einstellungsgutschei-nen für Langzeitarbeitslose am meisten. Zwar erhöhen letz-tere die Einkommen der niedrig qualifizierten Arbeitsplatz-

Übersicht 1 Selbstfinanzierende Programme

Selbstfinanzierende Programme

Einstellungsgutscheine

für LZA

Neu geschaffene Arbeitsplätze 120 000

Prozentuale Reduzierung der Arbeitslosigkeit 3%

Prozentuale Reduzierung der Langzeit-

arbeitslosigkeit 6%

Prozentuale Reduzierung des

Gini-Koeffizienten 0,5%

Quelle: Institut für Weltwirtschaft.

Übersicht 2 Zwei-Milliarden-Programme

Quelle: Institut für Weltwirtschaft.

Einstellungs-

gutscheine Zwei-Milliarden-Programme

für LZA für NQA

Kombi-

lohn

Neu geschaffene Arbeitsplätze 400 000 280 000 16 000

Prozentuale Reduzierung der

Arbeitslosigkeit 10% 7% 0,4%

Prozentuale Reduzierung der

Langzeitarbeitslosigkeit 20% 14% 0,8%

Prozentuale Reduzierung des

Gini-Koeffizienten 1,6% 0,8% 1,3%

2 Dies gilt, ohne die absolute Höhe der Arbeitslosenun-terstützung zu verändern.

3 Das Ausgabenprogramm bezieht sich auf die zusätz-lichen Nettoausgaben (zusätzliche Ausgaben minuszusätzliche Einnahmen).

4 Um die simulierten Effekte oder darüber hinaus gehen-de Effekte zu gewähren, muss die Annahme von Ar-beitsangeboten mit den bestehenden Sanktionsmög-lichkeiten sichergestellt werden.

5 Die Einkommensgleichheit wird durch den Gini-Koef-fizienten gemessen.

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besitzer um mehr, dies wird aber bei Einstellungsgutschei-nen durch den wesentlich höheren Beschäftigungseffektüberkompensiert.

Mitnahme- und Lohneffekte sind dafür verantwortlich,dass Einstellungsgutscheine in unserer Simulation im-mer mehr Beschäftigung schaffen als die üblichen Kom-bilöhne. Mitnahmeeffekte beziehen sich auf Subventions-zahlung für Arbeitnehmer, die auch ohne Subvention be-schäftigt gewesen wären. Bei Kombilöhnen sind die Mit-nahmeeffekte viel höher, denn unter den Niedrigverdie-nern ist die Zahl derer, die auch ohne Zuschüsse beschäf-tigt worden wären, viel größer. In anderen Worten: EinGroßteil der Mittel wird für Arbeitnehmer ausgegeben, diesowieso beschäftigt gewesen wären. Das verbessert zwarderen Einkommenssituation, bei gegebener Budgetres-triktion reduzieren die Mitnahmeeffekte aber die Beschäf-tigungswirkungen. Einstellungsgutscheine zielen dage-gen erstens auf Arbeitslose und zweitens zielgenau aufdie Gruppen ab, die niedrige Einstellungswahrschein-lichkeiten aufweisen, die Mitnahmeeffekte sind damit we-sentlich geringer.

Da Lohnverhandlungen in Deutschland von »Insidern« (In-haber von Arbeitsplätzen)6 dominiert werden, würde einedauerhafte Lohnsubvention (unabhängig davon, ob sie ar-beitgeber- oder arbeitnehmerseitig bezahlt wird) für Niedrig-qualifizierte in den Lohnverhandlungen entsprechend be-rücksichtigt werden (Lohneffekte). Dadurch würde sich dasGehalt der Niedrigqualifizierten erhöhen, was insbesonde-re die Beschäftigungschancen der Arbeitslosen reduziert,die aufgrund von langer Arbeitslosigkeit eine geringere Pro-duktivität aufweisen.

Während diese beiden Effekte die Beschäftigungswirkun-gen von Kombilöhnen reduzieren, werden gegen Einstel-lungsgutscheine häufig die so genannten Drehtüreffektevorgebracht (vgl. z.B. Sachverständigenrat 2006, 42): Ar-beitnehmer werden nur für die Förderungsdauer eingestelltund dann entlassen, oder sie ersetzen andere (nicht ge-förderte) Arbeitnehmer. Diese Argumentation verkennt, dassNeueingestellte durch ihre Beschäftigung oft erheblich anProduktivität und Arbeitseinsatz gewinnen und durch ihreangeeignete Arbeitsroutine mit niedrigeren Einstellungs-und Ausbildungskosten verbunden sind. Dadurch sind siefür den Arbeitgeber am Ende der Förderungsdauer oft we-sentlich attraktiver, als sie es ohne Subvention zu Beginngewesen wären (direkte Klebeeffekte). Obwohl Unterneh-men kurzfristig einen Anreiz haben könnten, die subven-tionierten Langzeitarbeitslosen nach der Förderungsdau-

er wieder zu entlassen, entsteht für den Arbeitsmarkt ge-nerell dennoch mehr Beschäftigung. Denn dadurch wür-den nach Ablauf der Förderung, aus den ursprünglich Lang-zeitarbeitslosen ein Kurzzeitarbeitsloser mit einer weitaushöheren Wiedereinstellungswahrscheinlichkeit (indirekteKlebeeffekte).7

»Drehtüreffekte« sind langfristig viel kleiner als kurzfristigund stellen kein großes makroökonomisches Problem dar.Deren Berücksichtigung in der Simulation (in Form vonabnehmenden Grenzerträgen) schmälert die selbstfinan-zierende Subvention nur geringfügig (zum Beispiel wür-de die selbstfinanzierende Subvention für niedrig qualifi-zierte Langzeitarbeitslose von 17 auf 15% der Lohnkos-ten sinken).

Wirtschaftspolitische Implikationen

Aus der Simulationsstudie leiten wir folgende Prinzipien fürdie effektive und kosteneffiziente praktische Umsetzung vonBeschäftigungsgutscheinen ab:

1. Der Gutschein sollte auf Langzeitarbeitslose abzielen.Dies bedeutet, dass die Höhe des Gutscheins mit derLänge der Arbeitslosigkeit steigen sollte.

2. Außerdem sollte die Höhe des Gutscheins im Laufe derBeschäftigungsphase abnehmen.

3. Darüber hinaus sollte die Höhe des Gutscheines mit demQualifikationsgrad des Langzeitarbeitslosen abnehmen.8

4. Die unter 1., 2. und 3. beschriebene Entwicklung sollteauf keinen Fall Sprünge aufweisen, sondern kontinuier-lich zu- bzw. abnehmen, da sonst Fehlanreize entste-hen würden.

5. Die entsprechenden Einstellungsgutscheine sollten be-fristet vergeben werden.9

6. Es ist wichtig, dass parallel zu einem entsprechendenProgramm, die existierenden Sanktionsmöglichkeiten zurAnnahme von Arbeit genutzt werden.10

6 Etwa 85% der westdeutschen Beschäftigten arbeiten in einem Unterneh-men, das entweder einem Branchen- oder Flächentarifvertrag unterliegt,beziehungsweise sich daran orientiert (Stand: Jahr 2000, vgl. Kohaut undSchnabel 2003). Selbst ohne Tarifvertrag ist der Einfluss von »Insidern«wesentlich größer als der von »Outsidern«.

7 Beide Klebeeffekte wurden z.B. bei der Evaluierung des Hamburger Mo-dells nachgewiesen (vgl. Jirjahn, Pfeifer, Tsertsvadze und Koch 2006).

8 Ein höherer Qualifikationsgrad impliziert eine höhere Einstellungswahr-scheinlichkeit und damit höhere Mitnahmeeffekte. Zur Quantifizierungdes Qualifikationsgrades könnte der letzte Lohn diskontiert um die Dau-er der Arbeitslosigkeit herangezogen werden,

9 Wir modellieren mit einer Laufzeit von einem Jahr.10 Unserer Meinung nach sollte darüber hinaus keine Ermessensentschei-

dung durch einen Fallmanager stattfinden. Das Argument, auf dieseWeise Mitnahmeeffekte vermeiden zu können, ist etwas irreführend. DieErfahrung in anderen Ländern zeigt, dass Fallmanager ein Interesse aneiner erfolgreichen Implementierung eines derartigen Programms ha-ben. Dadurch kann der Fehlanreiz entstehen, dass insbesondere sol-che Langzeitarbeitslose subventioniert werden, die ohnehin besser ver-mittelbar gewesen wären. Bei einer Fokussierung auf gewisse Alter-gruppen besteht die Gefahr, dass solche mit einer niedrigen Einstel-lungssensitivität gewählt werden. Da die empirische Literatur für Deutsch-land dazu sehr dünn ist, würden wir deswegen von einer derartigenFokussierung abraten.

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Bezug zu existierenden Reformvorschläge

In der Debatte um Kombilöhne und um eine Reform der Ar-beitslosenunterstützung werden in Deutschland derzeit ins-besondere drei Vorschläge betrachtet:

– der Vorschlag zur Aktivierenden Sozialhilfe des ifo Insti-tuts, vgl. Sinn et al. (2006),

– das Gutachten des Sachverständigenrates (2006),sowie

– der Vorschlag zur »Workfare« vom Institut zur Zukunft derArbeit (IZA), siehe Bonin und Schneider (2006).

Die ersten beiden Ansätze schlagen im Wesentlichen ei-ne Absenkung des Niveaus für Arbeitslosengeld (ALG) IIund eine gleichzeitige dauerhafte Lohnsubvention für Ar-beitnehmer vor. Sie unterscheiden sich im Hinblick aufdie Niveauabsenkung und die Ausgestaltung der Lohn-subvention.

Der dritte Vorschlag verlangt die Ausübung staatlicher Tä-tigkeit (»Workfare-Jobs«) zur Bedingung für den Bezug vonALG II. Dadurch soll der Anreiz zur Aufnahme von Arbeitim regulären Markt erhöht werden, da ceteris paribusWorkfare-Jobs nur eine Entlohnung in Höhe des ALG IIführen.

Auch in unserer Simulation würde eine Absenkung des Un-terstützungsniveaus zu einer niedrigeren Lohnsetzung undfolglich zu höheren Einstellungs- und niedrigeren Kündi-gungsraten führen und damit das Beschäftigungsniveau stei-gern. Betrachtet man diese Politikmaßnahme isoliert, so istdie Zusatzbeschäftigung nur um den Preis höherer Einkom-mensungleichheit zu bekommen. Die Absenkung des Un-terstützungsniveaus wird einen Teil der Arbeitslosen zurückin Beschäftigung bringen und damit besser stellen. Insbe-sondere die Arbeitslosen müssten jedoch mit einem niedri-geren Einkommen als zuvor auskommen.11

Wenn eine Absenkung des Unterstützungsniveaus poli-tisch erwünscht ist, sollte sie deswegen besser mit Einstel-lungsgutscheinen für Langzeitarbeitslose kombiniert wer-den, da dies mit höheren Beschäftigungseffekten verbun-den ist und sogar die Einkommensungleichheit stärker re-duziert.

Das Konzept des »Workfare« der IZA erhöht zwar den An-reiz für Arbeitnehmer, einen privaten Arbeitsplatz anzuneh-men, jedoch ist anzumerken, dass mit diesem Konzept ver-schiedene Probleme verbunden sind:

– Der Staat muss ausreichend Beschäftigung organisie-ren und zur Verfügung stellen. Dies kann mit einem er-

heblichen organisatorischen und finanziellen Aufwandverbunden sein.

– Es besteht die Gefahr, dass privatwirtschaftliche Tätig-keiten verdrängt werden, insbesondere im Handwerk oderbei haushaltsnahen Dienstleistungen.

– In anderen Ländern (z.B. Großbritannien und die Nie-derlande) war die Einführung von »Workfare« mit einermassiven Abwanderung in die Erwerbsunfähigkeit ver-bunden. Diese Entwicklung schönt zwar die Statistiken,löst aber das Problem nicht.

Zusammenfassung

Kombilöhne sind ungeeignet zur Schaffung von Beschäfti-gung. Einstellungsgutscheine können dagegen – in begrenz-tem Maße – einen moderaten und politisch durchsetzbarenBeitrag zur Schaffung neuer Arbeitsplätze leisten. Wundersollten allerdings nicht erwartet werden, dafür wird der »gro-ße Wurf« benötigt: Eine umfassende Arbeitsmarktreform, dieim gegebenen politischen Rahmen jedoch schwierig reali-sierbar ist.

Literatur

Bonin, H. und H. Schneider (2006), »Workfare: Eine wirksame Alternative zumKombilohn«, IZA Discussion Paper No. 2399, Institut zur Zukunft der Arbeit.Brown, A., Chr. Merkl und D.J. Snower (2006), »Comparing the Effectivenessof Employment Subsidies«, Kiel Working Paper No.1302, Institut für Weltwirt-schaft, http://www.ifw-kiel.de/pub/kap/2006/kap1302.htm.Jirjahn, U., Chr. Pfeifer, G. Tsertsvadze und S. Koch (2006), Kombilohn inHamburg: Befristete Lohnsubventionen mit nachhaltigem Erfolg, IAB Kurz-bericht (20).Kohaut, S. und C. Schnabel (2003), »Tarifverträge – nein danke!? Ausmaßund Einflussfaktoren der Tarifbindung west- und ostdeutscher Betriebe«, Jahr-bücher für Nationalökonomie und Statistik 223(3), 312–331.Lucas, R. (1976), »Econometric Policy Evaluation: A Critique«, Carnegie Ro-chester Conference Series on Public Policy 1, 19–46.Oskamp, F. und D.J. Snower (2006), »The Effect of Low-Wage Subsidies onSkills and Employment«, Kiel Working Paper No. 1292, Institut für Weltwirt-schaft.Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwick-lung (2006), Arbeitslosengeld II reformieren: Ein zielgerichtetes Kombilohn-modell, Expertise im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Tech-nologie, Wiesbaden.Sinn, H.-W., Chr. Holzner, W. Meister, W. Ochel und M. Werding (2006), »Ak-tivierende Sozialhilfe 2006: Das Kombilohn-Modell des ifo Instituts«, ifo Schnell-dienst 59(2), 6–27.

11 Letztendlich muss es eine politische Entscheidung bleiben, ob dies er-wünscht ist oder nicht.