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Eiszeit. Vor rund 2,6 Millionen Jahren begann das jüngste Eiszeitalter, welches das Berchtesgadener Land und den Chiemgau entscheidend formte (Foto: H. Funk).

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Page 1: Eiszeit. Vor rund 2,6 Millionen Jahren begann das … 2...Eiszeit. Vor rund 2,6 Millionen Jahren begann das jüngste Eiszeitalter, welches das Berchtesgadener Land und den Chiemgau

Eiszeit. Vor rund 2,6 Millionen Jahren begann das jüngste Eiszeitalter, welches das Berchtesgadener Land und den Chiemgauentscheidend formte (Foto: H. Funk).

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Vor rund 2,6 Millionen Jahren begann mit dem Pleisto-zän (von griechisch pleistos = am meisten und keinos =neu) eine erdgeschichtliche Epoche, die sich klimatischdurch einen mehrfachen Wechsel zwischen Eis- undWarmzeiten auszeichnete, wobei in den kältesten Pha-sen Gletscher weit in das Alpenvorland vorstießen undsich anschließend wieder in den Alpenraum zurückzo-gen. Vor dem Hintergrund geologischer Zeitrechnungkann man diese Epoche durchaus als Zeitalter derNaturkatastrophen im Sinne dramatischer Wendungenbezeichnen. Denn vergleicht man die Geschichte derErde mit einem Tag, so währte das Pleistozän kaum eineMinute. Dennoch ist dieser Zeitabschnitt einer der

ereignisreichsten in der jüngeren Geschichte der Alpenund ihrer Vorländer.

Die Eiszeiten prägten das heutige Erscheinungsbilddes Berchtesgadener Landes und Chiemgaus nachhaltig.Und nicht nur das. Den eiszeitlichen Ablagerungen, insbesondere denjenigen aus der letzten Eiszeit, verdan-ken wir heute in ganz Mitteleuropa Wohlstand, unsereLebensgrundlage sowie wertvolle und ertragsreicheBöden. Denn ohne Eiszeit müsste man Saatgüter innähr stoffarme, kaum düngefähige tropische Böden desTertiärs einbringen.

5 Eiszeit

… Endlich erliegend das Eis des Nordens!Ureises Spätrest, älter als Alpen sind!

Ureis von damals, als die Gewalt des FrostsBerghoch verschüttet selbst den Süden,

Ebnen verhüllt so Gebirg als Meere!Wie stürzte Schneesturm, welche geraume Zeit,

Endlos herab! wie, reiche Natur, begrubstDu lebenscheu dich, öd und trostlos!

Aber es ging ja zuletzt vorüber!Tief aus dem Grund brach Alpengebirg hervor,Brach durch die Eiswucht, deren erstarrter Zug

Unendlich trümmervoll mit Blöcken …Karl Friedrich Schimper (1803–1867), Die Eiszeit, 1837

Eiszeit – eine Naturkatastrophe?Das Wort „Naturkatastrophe“ setzt sich aus dem lateini-schen Wort natura = Geburt und dem griechischen Begriffkatastréphein = umwenden zusammen. Katá bedeutet imGriechischen völlig, und strophé ist die Wendung. „Katastro-phe“ bezeichnet in antiken Dramen den plötzlichen Wende-punkt im Sinne von Unglück oder Verheerung. Das Wort„Naturkatastrophe“ bezeichnet also eine plötzliche undunheilvolle, verheerende Wendung sowohl durch als auch fürdie Natur. Aus menschlicher Sicht sind daher Naturgewaltenwie Erdbeben oder Überschwemmungen Naturkatastro-

phen, für die Natur jedoch nicht. Denn die Natur erholt sichschnell von den lokal begrenzten Verwüstungen. Naturkata -strophen im Sinn von plötzlicher Wendung für die Natur sindrasche Veränderungen, die weiträumig oder global wirksamund von Dauer sind. Dazu gehört vor dem Hintergrund geologischer Zeitrechnung der Wechsel von Eis- und Warm-zeiten. Naturkatastrophe ist in diesem Sinne ein wertfreierBegriff, da sich unter beiden Klimabedingungen eine jeweilsangepasste Fauna und Flora einstellte.

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Eiszeiten und Warmzeiten im Wechsel

Seit sich die Wissenschaft mit den pleistozänen Eiszeitenbefasst, stellt sich die Frage nach ihrer Entstehung undwarum sie im Wechsel mit Warmzeiten auftraten. Zahl-reiche Theorien entstanden, von denen der astronomi-sche Ansatz des Belgrader Astrophysikers und Mathe-matikers Milutin Milanković (1879–1958) eine derbislang besten Antworten auf die Frage nach den Ursa-chen für den Wechsel zwischen Eis- und Warmzeiten lie-fert. Er erkannte, dass die Bewegungen der Erde um ihreAchse und ihre Bahn um die Sonne Zyklen unterliegen,die heute Milanković-Zyklen genannt werden. Astrono-mische Parameter bestimmen die Stärke der Sonnenein-strahlung und somit die Temperaturen auf der Erde: dieSchiefe der Ekliptik (Neigung der Erdachse), die Präzes-sion der Erdachse (Trudeln der Erdachse ähnlich einemKinderkreisel) und die Exzentrizität der Erdbahn um dieSonne (Form der Erdbahn). Dass astronomische Para-meter für Eiszeiten von Bedeutung sind, vermutetenzuvor schon der französische Mathematiker Joseph-Alphonse Adhémar (1797–1862) und der schottische

66 5 Eiszeit5

Naturforscher James Croll (1821–1890). Auch Sonnen-zyklen wurden als mögliche Ursache für den Wechselzwischen Eiszeiten und Warmzeiten diskutiert. In neue-rer Zeit haben Arbeiten am ozeanografischen Institut inWoods Hole (USA) und am Massachusetts Institute ofTechnology (USA) gezeigt, dass die Neigung derErdachse am Ende einer Eiszeit besonders stark war.Derzeit beträgt sie 23,5 Grad mit abnehmender Ten-denz. Eine klare, definitive Antwort auf die Frage nachder Ursache von Eiszeit-Warmzeit-Zyklen ist bis heutejedoch nicht möglich, da es sich sehr wahrscheinlich umäußert komplexe Wechselwirkungen zwischen mehre-ren Auslösemechanismen handelt.

Dass es überhaupt zu Eiszeiten kommen kann, wirdheute durch die Theorie der Plattentektonik erklärt. Inder Erdgeschichte gab es lange Zeit kein Festland in denPolregionen. Warme Meeresströmungen konnten sievom Äquator her kommend durchströmen. Somit wur-den die Temperaturen recht gleichmäßig über die ganzeErde verteilt. Durch die Wanderung der Kontinentegelangten große Landmassen in Regionen, in denen sieden Wärmetransport der Meeresströmungen unterbra-chen. Besonders stark ist dieser Effekt, wenn Kontinentedirekt an den Polen oder in ihrer Nähe liegen, so wie dies

5.1 Eiszeit. Westgrönland, Eqi-Gletscher. Ähnliche Anblicke waren dem steinzeitlichen Menschen im Chiemgau über Jahrhun-derttausende mehrfach vergönnt (Foto: H. Funk).

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heute in der Antarktis und Arktis der Fall ist. Die Tem-peraturunterschiede zwischen Äquator und den Polennehmen dadurch stark zu, was Gletscherbildung in denhöheren Breiten ermöglicht. Zudem reagieren Land-massen stärker auf Strahlungsänderungen als Meerwas-ser. Da die astronomischen Parameter Zyklen unterwor-

5Eiszeiten und Warmzeiten im Wechsel 67

fen sind, war nun auch der Wechsel zwischen Eis- undWarmzeiten möglich. Dafür spricht auch die Tatsache,dass die Milanković-Zyklen Jahrzehntausende bis Jahr-hunderttausende umfassen, jedoch im Mesozoikumüber Jahrmillionen keine nennenswerten Vereisungender Erde nachzuweisen sind, da sich keine Landmasse in

Was heißt „düngefähig“?Unter feucht-warmen Klimaten, so etwa im Erdmittelalter(Mesozoikum) und im Tertiär, entstehen im Boden durchintensive chemische Verwitterung so genannte Zweischicht-Tonminerale, insbesondere Kaolinit, benannt nach demersten Fundort in China am Berg Kaoling in der chinesischenProvinz Kiangsi, einem Abbauort von Porzellanerde (chine-sisch g o l ng = hoher Hügel). Tonminerale sind schichtweiseaufgebaute, plättchenartige Minerale. Sie sind überwiegendkleiner als 0,002 Millimeter und bilden den Hauptanteil derMineralteilchen der Korngröße (= Bodenart) „Ton“ im Boden.Die Schichten der Tonminerale setzen sich aus einer Kombi-nation von Silizium-, Sauerstoff-, Aluminium- und Wasser-stoffatomen zusammen. Einige Tonminerale können Wasserund Nährstoffe speichern und abgeben. Sie sind somit für

die Bodeneigenschaften und die Ernährung der Pflanzenäußerst wichtig. Nach ihrem Kristallaufbau unterscheidetman unter anderen Zweischicht- und Dreischichttonmine-rale. Dreischicht-Tonminerale, die im gemäßigten Klima beider Verwitterung von Gesteinen entstehen, können Nähr-stoff-Ionen und Wasser aufnehmen, speichern und wiederabgeben. Sie sind damit quellfähig oder aufweitbar. Nebendem Humus spielen sie deshalb eine herausragende Rollefür die Ernährung von Pflanzen. Nährstoffe in Form von Dün-ger können sich bei Zweischicht-Tonmineralen nur an denAußenflächen oder an Bruchflächen anlagern. Daher sindBöden feucht-warmer Klimate, in denen Zweischicht-Tonmi-nerale vorherrschen, nicht besonders fruchtbar und kaumauf konventionelle Art düngefähig.

5.2 Astronomische Parameter.Die Exzentrizität der Erdbahn um die

Sonne (A ohne Exzentrizität, B miteiner Exzentrizität von 0,5°), dieSchiefe der Erdachse (C) und die

Präzession der Erdachse (D) bewirkeneine zyklische Veränderung der Inten-

sität der Sonneneinstrahlung (Grafik: E. Langenscheidt).

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Polnähe befand. Ältere Eiszeiten sind zum Beispiel diepermo-karbonischen Eiszeiten, als im ErdaltertumAfrika als größere Landmasse am Südpol lag.

Von Eiszeit zu Eiszeit

In den kältesten Phasen der pleistozänen Eiszeiten, denHochglazialen, waren die Alpen von einem Eisstromnetzerfüllt. Dabei standen die ehemaligen Talgletscher nachihrem gewaltigen Anschwellen über Pässe hinweg mit-einander in Verbindung und ernährten sich somitgegenseitig. Man spricht dabei auch von Transfluenz-pässen (von lateinisch trans = über, hinaus und fluere =fließen, strömen). Das Eis bewegte sich nicht mehr demRelief untergeordnet durch ein Tal, sondern diesemübergeordnet in Richtung des allgemeinen Gefälles, dasvon den Zentralalpen aus hauptsächlich nördlich undsüdlich gerichtet ist. Vergleichbare Gletschertypen oderEisstromnetze gibt es heute auf der Inselgruppe Svalbardoder auf Grönland. Vom Alpennordrand strömte das Eisin einzelnen Zungen weit in das Vorland hinein undbreitete sich dort ohne das Widerlager von Talflankenfächer- oder fladenförmig aus. Man spricht jedoch bei

68 5 Eiszeit5

den in das Vorland vordringenden Eismassen nicht vonGletscherzungen, sondern von Vorland-Gletschern. Fürdas Gebiet zwischen Inn und Salzach waren dies haupt-sächlich der Inn-, Chiemsee- (auch Tiroler Achen-Glet-scher genannt) und der Salzach-Gletscher. In denWarmzeiten schmolzen die Gletscher zurück. Mitunterwaren sie in vergangenen Warmzeiten bei höheren Jah-resdurchschnittstemperaturen als heute deutlich kleinerals die derzeitigen Gletscher. Die jüngste Eiszeit endetevor etwa 10 000 Jahren. Mit dem Ende des Pleistozänsbegann das Holozän (von griechisch hólos = ganz undkainós = neu), unsere Warmzeit. Beide Epochen bildendie Periode des Quartärs. Dieser Wechsel der Epochensollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass wirtrotz aktueller Klimaerwärmung noch immer in einemEiszeitalter leben, in dem sich mit großer Wahrschein-lichkeit und in geologisch gar nicht allzu ferner Zukunfterneut gewaltige Gletscher in das Alpenvorland vor-schieben werden. Denn die Lage der Kontinente hat sichin den letzten 2,6 Millionen Jahren nur geringfügig ver-ändert. Warmzeiten dauerten etwa 10 000 bis 20 000Jahre an. Unsere Warmzeit, das Holozän, währt rund10 000 Jahre, sodass die nächste Eiszeit sozusagen vorder Tür steht.

5.3 Eisstromnetz. Antarktis. Vergleichbar wie auf dem Foto sah es in den Hochglazialen des Pleistozäns in den Alpen aus. EinEisstromnetz durchströmte das Gebirge, aus dem nur die höchsten Gipfel herausragten (Foto: Fred Walton, NOAA).

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Eiszeiten und Gletschervorstöße

Bis zum Jahr 1930 ging man innerhalb des Pleistozänsvon vier Eiszeiten aus, die für Süddeutschland nachFlüssen des bayerisch-schwäbischen Alpenvorlandes inder Reihenfolge ihres Alters von alt bis jung benanntwurden: Günz-, Mindel-, Riß- und Würm-Eiszeit. DenNachweis dafür erbrachten die beiden deutschen Quar-tärforscher Albrecht Penck (1858–1945) und EduardBrückner (1862–1927) Anfang des 20. Jahrhunderts. Bisin die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts kamen dreiweitere nachgewiesene Eiszeiten hinzu, zwei noch älterenamens Biber und Donau sowie die zwischen Günz-und Mindel-Eiszeit eingeschaltete Haslach-Eiszeit.Heute weiß man, dass sich innerhalb dieser „klassi-

schen“ Eiszeiten weitere Wechsel zwischen kälteren undwärmeren Phasen ereignet haben, sodass man von Eis-zeitkomplexen sprechen kann. Bekannt sind nunmehrmindestens 20 bis 25 Eiszeit-Warmzeit-Zyklen, wobeidie Eiszeiten zeitlich gesehen die Warmzeiten um Län-gen übertrafen.

Die weitesten und kräftigsten Gletschervorstöße indas nördliche Alpenvorland fanden nach heutigem Wis-sen während der Günz-, Mindel- und Riß-Eiszeiten imZeitraum zwischen etwa 1 200 000 und 130 000 Jahrenvor heute statt. Von diesen Vorstößen zeugen unteranderem die Altmoränen, die sich im Gegensatz zu denJungmoränen der Würm-Eiszeit durch verwaschene,ruhigere Formen auszeichnen. Die weitesten Vorstößedes Inn- und Chiemsee-Gletschers fallen in die Mindel-

5Eiszeiten und Gletschervorstöße 69

Die Sache mit der TQ-GrenzeGemeint ist die Grenze zwischen Tertiär (Paläogen und Neo-gen) und Quartär (von lateinisch quartus = der Vierte). DerBegriff Quartär geht offiziell auf den französischenGeschichtsschreiber, Archäologen und Geologen Jules Des-noyers (1800–1887) zurück. Er schlug ihn im Jahr 1829 vor,um Sedimente im Pariser Becken anzusprechen, obwohl derBegriff schon vom italienischen Geologen Giovanni Ardunio(1714–1795) benutzt worden war. Die von Desnoyers be -schriebenen Schichten waren deutlich jünger als die tertiä-ren Ablagerungen. Damals gliederte man die Erdgeschichtein drei Teile. Das Quartär sollte diese ergänzen zu: Primär,Sekundär, Tertiär und Quartär. Im Jahr 1948 wurde die TQ-Grenze auf einem internationalen Geologenkongress auf1,81 Millionen Jahre vor heute festgelegt. Doch diese Grenze

blieb umstritten. So wurde sie 2004 durch die InternationaleStratigraphische Kommission (International Commission onStratigraphy, ICS) eliminiert und samt Tertär und Quartärkurzerhand aus der geologischen Zeitskala gestrichen. Dasließen verschiedene quartärgeologische Vereinigungen nichtauf sich beruhen. Im Jahr 2005 waren ihre Bemühungen umden Erhalt von Tertiär und Quartär von ersten Erfolgengekrönt. 2009 wurde die TQ-Grenze offiziell auf 2,6 Millio-nen Jahre vor heute festgelegt. Damit wurden sämtliche eis-zeitlichen Ablagerungen mit einbezogen. Zudem begann zudieser Zeit die Entwicklungsgeschichte des steinzeitlichenMenschen. Da der Beginn des Pleistozäns nicht verschobenwurde, umfasst das Quartär jetzt auch noch den jüngstenZeitabschnitt des Tertiärs (Neogen), das Gelasium.

5.4 Gletscher. Eiszeitliche Gletscher und ihre gewaltigen Eis-massen prägten entscheidend das

Erscheinungsbild der Alpen und ihreVorländer. In den Hochphasen derpleistozänen Vereisungen stießenGletscher mehrfach in das Alpen-

vorland vor. In den Berchtesgadenerund Chiemgauer Alpen ragten nur die

höchsten Gipfel aus den Eismassenempor (Foto: A. Stahr).

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und Riß-Eiszeit. Dabei wurde nordwestlich von Mün-chen das Gebiet der heutigen Stadt Erding erreicht, dievom Alpennordrand rund 70 Kilometer entfernt ist. Alt-moränen der Mindel-Eiszeit liegen bei Dorfen, rund 60Kilometer vom Alpenrand entfernt. Altmoränen derRiß-Eiszeit sind auch südlich vom Maximalvorstoß alsRückzugsstadium bei Traunreut und Trostberg erhalten.Für den Salzach-Gletscher nimmt man das Maximumder Eisausbreitung im Vorland in der Günz-Eiszeit an.Altmoränen dieses maximalen Vorstoßes finden sichnahe Burghausen, etwa 40 Kilometer vom Alpenrandentfernt. Moränen der Günz-Eiszeit erstrecken sich zu -

dem nördlich von Traunstein und im Alztal bei Alten-markt. Von den älteren Gletschervorstößen ist nurwenig bekannt.

5.1 Findlinge oder: die lange Diskussion

Die Wurzeln der Eiszeitforschung finden wir im späten18. Jahrhundert. Damals reiste der schottische Naturfor-scher und Geologe James Hutton (1726–1797) in dieSchweiz. Er studierte große Gesteinsblöcke, auch Erra-tika, erratische Blöcke (von lateinisch errare = umherir-ren) oder Findlinge genannt, die nicht zum Gestein dernäheren Umgebung passten. Nach eingehenden Beob-achtungen kam Hutton zum Schluss, dass nur Gletscherauf ihrem Weg zu Tal, auf denen er bei seinen Studien-reisen ebensolche Blöcke bemerkte, für den Transportverantwortlich sein können.

Unterstützung für diese Annahme erhielt Hutton imJahr 1802 von seinem schottischen Landsmann, demMathematiker und Geologen John Playfair (1748–1819), der Hutton auf zahlreichen Exkursionen beglei-

70 5 Eiszeit5

Eiszeit, KaltzeitGemäß der Fachliteratur herrschte in den Gebieten, dieauch während der kältesten Zeitabschnitte des Pleisto-zäns nicht vergletschert waren, eine „Kaltzeit“, währendsich eine Eiszeit nur in den von Gletschern bedecktenRegionen vollzog. Da eine drastische Abnahme der Jah-resdurchschnittstemperaturen ein globales Phänomenist, wird von uns generell der Begriff Eiszeit verwendet.

5.5 Eiszeit. Narsaq, Westgrönland. Ähnlich wie auf dem Foto eines grönländischen Gletschers dürfte es in den kältesten Phasen der pleistozänen Vereisungen am Alpennordrand vor dem Eintritt der Eismassen in das Vorland ausgesehen haben (Foto: H. Funk).

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tete und die Herkunft von Erratika in Schottland unter-suchte. Die Ansichten der beiden Wissenschaftler wur-den zur damaligen Zeit ungern akzeptiert. Findlingewaren für die Kirche ein nicht zu widerlegender Beweisfür die Sintflut. Selbst renommierte Wissenschaftlerwollten die Auffassungen der schottischen Kollegen

nicht teilen. Sintflutartige Ereignisse, Eisbergdrift oderÜberflutungen durch das Meer waren verbreitete Deu-tungen für die Herkunft der Findlinge. So vertrat derdeutsche Geologe Christian Leopold Freiherr von Buch(1774–1853) in einem Werk über die Verbreitung vonFindlingen aus dem Jahr 1815 noch eine Schlammflut-theorie. Doch noch im gleichen Jahr äußerte derSchweizer Ingenieur, Botaniker und GletscherkundlerIgnaz Venetz (1788–1859) in Luzern ähnliche Ansichtenwie Hutton und Playfair Jahre zuvor. Venetz’ Thesenwurden 1830 vom deutsch-schweizerischen Geologenund Gletscherforscher Johann von Charpentier (1786–1855), der sich auch Jean de Charpentier nannte, sowievom schweizerisch-amerikanischen Zoologen, Paläon-tologen und Geologen Jean Louis Rodolphe Agassiz(1807–1873) und dem deutschen Botaniker und Geolo-

55.1 Findlinge oder: die lange Diskussion 71

5.6 James Hutton. Der schottische Naturforscher JamesHutton (1726–1797) gilt als Begründer der Geologie als Wis-senschaft. Dabei vertrat er den Aktualismus, ein grundlegen-des Prinzip der modernen Geologie. Er ging davon aus, dassdie gleichen geologischen Vorgänge, die gegenwärtig zu beob-achten sind, auch in der Vergangenheit gewirkt haben müs-sen. Somit seien direkte Rückschlüsse von der Gegenwart auffrühere geologische Prozesse möglich. Im Jahr 1785 veröf-fentlichte Hutton das Werk Theory of the Earth. Seine Auffas-sungen über die Herkunft von erratischen Blöcken und eineehemals große Vergletscherung der Alpen über die Vorländerhinaus waren lange umstritten. Die dritte Auflage von Theoryof the Earth wurde nach Huttons Tod vom schottischenMathematiker und Geologen John Playfair herausgegeben, derdie Thesen seines Landsmannes unterstützte (Foto: USGS).

5.7 Schusterstein. BundesstraßeBerchtesgaden–Königssee, Berchtes-

gadener Land. Findlinge wie der„Schusterstein“ boten gegen Ende

des 18. Jahrhunderts Anlass zur Diskussion unter den Wissenschaft-lern. Wie kamen die zum Teil haus-

hohen Felsen, die sich von den umgebenden Gesteinen deutlich

unterscheiden, an Ort und Stelle?(Foto: E. Langenscheidt)

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gen Karl Friedrich Schimper (1803–1867) unterstützt.In der Vorstellung Schimpers gab es den Weltsommerund den Weltwinter, in welchem es nach seiner Auffas-sung zur Verschleppung erratischer Blöcke kam. InMünchen hielt Schimper 1835 und 1836 darüber Vor-träge. Von Ende 1836 bis zum Frühjahr 1837 hielt er sichbei Agassiz in Neuenburg (Neuchâtel) auf, wo er nachweiteren Spuren von Gletschern suchte. Schimper hatnie ein wissenschaftliches Werk verfasst. Die Lorbeerenseiner Gedanken zu erratischen Blöcken erntete Agassiz,der Schimper in seinen Büchern nach jahrelangem Zwistnie erwähnte.

Im Juni 1837 hielt Agassiz bei einem Treffen derSchweizer Gesellschaft der Naturwissenschaften in Neu-chátel die Eröffnungsrede. Darin postulierte er, dassnicht die Sintflut die Findlinge bewegt hatte, sondernGletscher. Er führte zudem aus, dass die Gletscher ehe-mals über ganz Europa von der Arktis bis zum Mittel-meer verbreitet waren. Von vielen Anwesenden erntete

72 5 Eiszeit5

5.8 Findling. Schönau, Berchtes-gadener Land. Sintflutartige Ereig-nisse wurden unter anderem für denTransport solch gewaltiger Fels-brocken verantwortlich gemacht(Foto: E. Langenscheidt).

5.9 Jean Louis Rodolphe Agassiz. Gemälde von AbnerLowe. Louis Jean Rodolphe Agassiz (1807–1873) wurde in derSchweiz geboren. Er war Zoologe, Paläontologe und Geologe.Bekannt ist er insbesondere für seine Leistungen als Ichthyo-

loge (Fischkundler) und Eiszeitforscher. Im Jahr 1840 veröf-fentlichte er seine Studien über Gletscher. Im gleichen Jahrstellte er zusammen mit dem englischen Geologen WilliamBuckland (1784–1856) fest, dass auch Schottlands Land-

schaften von Gletschern geprägt worden waren. Von 1847 anlehrte er als Professor für Zoologie und Geologie an der Har-

vard University. Agassiz starb in Cambridge. Sein Grabmalbesteht aus einem Felsen der Moräne des Schweizer Aar-

Gletschers. Das 3 946 Meter hohe Agassizhorn in den BernerAlpen der Schweiz sowie eine Reihe von Tierarten wie der

Agassiz Zwergbuntbarsch (Apistogramma agassizii), die Kali-fornische Wüstenschildkröte (Gopherus agassizii) und sogar

ein Krater auf dem Mars tragen seinen Namen (Foto: USGS).

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rund 35 Kilometer langen Abfluss des Starnberger Sees,der bis 1962 noch Würmsee hieß. Mit einer Klima -verschlechterung vor rund 115 000 Jahren begann dieFrühwürm-Phase (Frühglazial). Sie folgte der „nur“etwa 11 000 bis 15 000 Jahre währenden Riß-Würm-Warmzeit (= Eem-Warmzeit in Nordeuropa, benanntnach dem Fluss Eem in den Niederlanden). DieseWarmzeit war durch vergleichsweise stabile Klimaver-hältnisse charakterisiert und wies in Mitteleuropa imOptimum Temperaturen auf, die um 5 Grad Celsiusüber den heutigen Jahresmitteltemperaturen lagen,wodurch der Meeresspiegel auch ohne Einfluss desMenschen deutlich höher lag als in der Gegenwart.

Frühglazial: Flüchtlinge und Heimkehrer

In dieser ersten, sehr langen Phase der Würm-Eiszeitzwischen 115 000 und 25 000 Jahren vor heute wechsel-ten kältere und wärmere Klimabedingungen mehrfacheinander ab. Bekannt sind bislang mindestens sechsStadiale und Interstadiale (Stadiale = Kaltphasen undInterstadiale = Warmphasen innerhalb einer Eiszeit).So gab es im Berchtesgadener Land und im Chiemgaumit zunehmender Abkühlung am Beginn der Früh-würm-Phase Kiefern- und Fichtenwälder mit Wachol-der (Juniperus spec.) und Gräsern in der Strauch- undKrautschicht. Der Eichenmischwald der Riß-Würm-Warmzeit verschwand, ebenso viele andere Gewächse,darunter etwa die Gemeine Hasel (Corylus avellana),die Europäische Stechpalme (Ilex aquifolium), dieWeißtanne (Abies alba) und die Hainbuche (Carpinusbetulus) sowie zahlreiche weitere Gattungen der letztenWarmzeit. Etwas günstigere Klimaverhältnisse zwischenden Abkühlphasen ließen beispielsweise Gemeine Hasel (Corylus avellana), Sanddorn (Hippophae rham-noides) und Serbische Fichte (Picea omorika) zurück-kehren.

55.2 Die Würm und ihre Eiszeit 73

Serengeti in Bayern und MitteleuropaWährend der Riß-Würm-Warmzeit glich die Tierwelt Mittel-europas fast derjenigen, wie wir sie heute im trockentropi-schen Ostafrika oder im tropischen Zentralafrika vorfinden.Zu ihren Vertretern gehörten fossilen Funden zufolge unteranderen der Waldelefant (Elephas antiquus), das Nashorn(Dicerorhinus kirchbergensis), der Auerochse (Bos primige-nius), das Flusspferd (Hippopotamus amphibius), der Was-

serbüffel (Bubalus murrensis), die Sumpfschildkröte (Maure-mys orbicularis), der Höhlenlöwe (Panthera leo spelaea), dieHöhlenhyäne (Crocuta crocuta spelaea) und der Elch (Alcesalces). Im Vergleich dazu ist unsere derzeitige Warmzeitdeutlich zu kalt, was sie durch die Klimaerwärmung seitMitte des 19. Jahrhunderts nach dem Kälterückschlag der„Kleinen Eiszeit“ aufzuholen scheint.

er Wut und Empörung. Auf einer anschließendenExkursion konnte Agassiz noch einige Fürsprecher fürseine Thesen gewinnen, doch in der Wissenschaft gab estrotz seiner Ernennung zum Professor in Harvard, vonwo aus er seine Theorien verbreiten konnte, noch überJahrzehnte Widerstand. Im Jahre 1840 führte Agassizden Begriff „Eiszeit“ in die wissenschaftliche Literaturein. Als die Eiszeittheorie Jahre später doch noch ihrenSiegeszug angetreten hatte, ging man noch von einereinzigen großen Vergletscherung aus, was als Monogla-zialismus bezeichnet wird (von griechisch mónos =allein und lateinisch glacies = Eis).

Im Jahr 1861 folgerte der Schweizer Geologe Adolphvon Morlot (1820–1867) nach Untersuchungen amGenfer See, dass die Gletscher der Alpen mindestenszwei Mal bis dorthin vorgestoßen sein müssen. Durchdie richtungsweisenden Arbeiten der deutschen Quar-tärforscher Albrecht Penck (1858–1945) und EduardBrückner (1862–1927) gelang schließlich der Nachweisvon vier Eiszeiten. Das war die Geburtsstunde des Poly-glazialismus (von griechisch polýs = viel) und somit dermodernen Eiszeitforschung. An dieser Stelle sei ange-merkt, dass Johann von Charpentier bei seinen Aufent-halten in der Schweiz mit Bergbauern sprach, denen die Verfrachtung von Findlingen durch Gletscher längstklar war. Sicherlich auch vielen anderen Menschen, diejedoch nicht berühmt oder einflussreich genug waren,um ihre Erkenntnisse wissenschaftlichen Kreisen über-zeugend zu vermitteln.

5.2 Die Würm und ihre Eiszeit

Am besten erforscht ist die Würm-Eiszeit, die jüngsteVereisungsphase des Pleistozäns. Sie wird zusammenmit der vorangegangenen Warmzeit in das Jungpleisto-zän gestellt. Ihren Namen hat sie von der Würm, dem

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Man weiß dies durch die Bestimmung von Pflanzen-überresten und Blütenpollen aus mehr als 300 000 Jah-ren alten Moränen- und Seeablagerungen. Die Auswer-tung des darin eingeschlossenen Pflanzenmaterials gibt

74 5 Eiszeit5

die Vegetationsentwicklung von wärmeren und kälterenKlimaphasen detailliert wieder. Auch mehrere überein-ander folgende Bodenbildungen innerhalb würmeiszeit-licher Lössablagerungen, die nur unter wärmeren Kli-

5.10 Höhlenlöwe. Die Raubkatze jagte sowohl in der Riß-Würm-Warmzeit als auch in der Würm-Eiszeit im Chiemgau, da unterbeiden Klimabedingungen genügend Beutetiere vorhanden waren. Das Exponat im Diorama des Südostbayerischen Naturkunde-und Mammut-Museums Siegsdorf ist einem Skelettfund im Gerhartsreiter Graben bei Siegsdorf nachempfunden worden. MittelsRadiokarbonmethode wurde das Alter der aufgefundenen Überreste des Höhlenlöwen auf etwa 47 000 Jahre vor heute bestimmt.Die Skelettreste weisen Schnittspuren auf, die darauf hindeuten, dass steinzeitliche Menschen das Raubtier mit Steinmessernabgefleischt haben. Ob es sich um Neandertaler oder um moderne Menschen gehandelt hat, welche die Spuren auf den Löwen-knochen hinterließen, kann aufgrund fehlender Werkzeuge an der Fundstelle nicht gesagt werden (Foto: A. Stahr).

5.11 Wolf. In der frühen Würm-Eis-zeit durchstreifte der Wolf in Rudelndas Berchtesgadener Land und denChiemgau auf der Suche nach Beute,zu der neben Rentieren und Aas zahl-reiche kleinere Säugetiere zählten.Der Wolf war einer der Nahrungskon-kurrenten der steinzeitlichen Jäger,aber nachweislich auch deren Beute.Da die Domestikation des Wolfesnach neuesten Forschungsergebnis-sen bereits vor mehr als 100 000 Jah-ren begonnen hatte, dürften Wölfeoder erste Hunde schon im Frühgla-zial die Jäger auf Beutezügen begleitethaben, um etwa als Furcht erregendeMeute einzelne Großsäuger wie Mam-muts, Rentiere oder Pferde von derHerde zu trennen (Foto: A. Stahr).

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55.2 Die Würm und ihre Eiszeit 75

5.12 Luchs. Auch der Luchs war imFrühglazial Nahrungskonkurrent undBeute des Menschen. Und sicherlich

war, neben Fleisch und Knochen, seinFell schon damals begehrt, aber mehr

aus der Not heraus als wegen einerzweifelhaften Mode in modernen

Zeiten (Foto: A. Stahr).

LössLöss ist die hochdeutsche Schreibweise für das schweize-risch-elsässich-schwäbische Wort „lösch“, das „locker“ be deu -tet. Dabei handelt es sich um ein vom Wind transportiertesgelbbraunes Lockermaterial aus verschiedenen Mineralienmit der Korngröße 0,002 bis 0,02 Millimeter, das auch alsSchluff bezeichnet wird. Man könnte auch Staub dazu sagen.Löss wurde während der Eiszeiten nach dem Rückzug derVorland-Gletscher durch starke Stürme (Winderosion) austrocken gefallenen Flussbetten, Schotterfeldern und Grund-moränen ausgeweht und in unmittelbarer Nähe wie auch in

größeren Entfernungen wieder abgelagert. Löss bestehthauptsächlich aus dem Mineral Quarz. Hinzu kommen nocheinige andere Minerale sowie Kalk und Tonminerale. Dabeihandelt es sich um schichtartig aufgebaute Minerale. Siehaben die Fähigkeit, zwischen ihren Schichten Nährstoff-Ionen aufzunehmen oder abzugeben, einer der Gründe fürdie Entwicklung nährstoffreicher Böden aus eiszeitlichenAblagerungen. Werden Löss-Ablagerungen im Zuge der Ver-witterung und Bodenbildung entkalkt, so spricht man vonLösslehm.

Isotope: uralt und verräterischWoher weiß die Wissenschaft, wann es kalt oder warm war?Die Klimaschwankungen im Pleistozän ließen die Gletschermehrfach bis in das Alpenvorland vorstoßen und wieder bisauf Gletscherstände ähnlich den heutigen abschmelzen. Inder Arktis und Antarktis bewirkten diese klimatischen Ver-änderungen zwar auch beträchtliche Schwankungen im Eisvolumen, doch die gewaltigen Eismassen dieser Regionenverschwanden in Anbetracht ihrer Pollage und der dort vorherrschenden Klimaverhältnisse niemals in auch nurannähernd vergleichbarer Art und Weise. Daher konnten Eis-bohrkerne gewonnen werden, die aufgrund der Sauerstoff-Isotopen-Verhältnisse das Klima der vergangenen 150 000Jahre lückenlos wiedergeben. Man spricht auch von der Sauerstoff-Isotopen-Methode oder von Sauerstoff-Isotopen-Stadien (OIS = oxygen isotope stages). Auch aus Tiefsee-bohrkernen konnten anhand der Kalkgehäuse von Foramini-feren (einzellige Lebewesen) Sauerstoff-Isotopen-Stadien

bestimmt werden. Atome bestehen aus Protonen, Neutro-nen und Elektronen. Isotope (von griechisch ísos = gleichund tópos = Ort, Gegend) sind Atome eines Elements wieSauerstoff, die eine unterschiedliche Anzahl an Neutronenund somit eine unterschiedliche Massenzahl aufweisen.Beim Sauerstoff (O) gibt es die Isotope 16O, 17O und 18O. DasVerhältnis zwischen 16O und 18O ist abhängig von der Tem-peratur. In einer Kaltphase wird mehr leichtes 16O im Eis fest-gelegt, 18O reichert sich hingegen relativ im Meerwasser an.Ermittelt man durch Datierungen das Alter von einzelnenSchichten in Eis- oder Tiefseebohrkernen, erhält man eineZeit-Temperaturkurve, die für die letzten 900 000 Jahre gutmit den astronomischen Milanković-Zyklen übereinstimmt.Auch Pollenanalysen zeigen aufgrund des Vegetationsspek-trums in Verbindung mit Datierungen, ob und wann kältereoder wärmere Klimaphasen vorherrschten.

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