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Ekaterine Shaverdashvili DAS BILD DER DEUTSCHSPRACHIGEN LÄNDER IN LEHRPLÄNEN UND LEHRWERKEN FÜR DAF IN GEORGIEN 1. EINLEITUNG Georgien ist heute ein Teil der globalisierten Welt und versucht u. a. im Fremd- sprachenunterricht den Schülerinnen und Schülern diese globalisierte Welt zu zeigen bzw. im Fremdsprachenunterricht neue Anforderungen zu stellen und den Lernenden durch die Vermittlung der Fremdsprache fremde Kulturen und Weltbilder näher zu bringen und sie verstehen zu lehren. Mit dem Wachs- tum der Nachfrage nach interkulturell kompetent Agierenden sind die An- sprüche an Lehrpläne, Lehrmaterialien und das Lehrpersonal entsprechend gewachsen, den neueren Entwicklungen im Bereich Methodik-Didaktik Rech- nung zu tragen. Die neuen Standards und Lehrpläne seit Ende 2000 beruhen auf neuesten wissenschaftlichen, lernpsychologischen und fachdidaktischen Erkenntnissen und basieren einerseits auf Grundlagen des europäischen Re- ferenzrahmens und andererseits auf den nationalen Lehr- und Lerntraditio- nen. Der Fremdsprachenunterricht muss den heutigen veränderten gesell- schaftlichen Anforderungen gerecht werden und soll der Entwicklung der Persönlichkeit dienen, indem er die kognitiven, sprachlichen und sozial- affektiven Fähigkeiten der Schüler fördert. Das Ziel des FSUs besteht in erster Linie darin, die Lernenden in der Zielsprache kompetent zu machen (Nationaler Lehrplan für Allgemeinbildende Schulen 2008: 47). In neuen Standards wird neben den Sprachstrukturen und Grundfertigkeiten auf die Notwendigkeit der Vermittlung von kulturellem Wissen eingegangen. mit dem Ziel, • das Interesse dem Fremden gegenüber zu wecken, • die fremde Kultur zu verstehen und • kulturelle Vielfalt schätzen zu lernen. (VgL Nationaler Lehrplan für Allgemeinbildende Schulen 2008: 48) 141

Ekaterine Shaverdashvili

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Livro DACH LANDESKUNDE

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  • Ekaterine Shaverdashvili

    DAS BILD DER DEUTSCHSPRACHIGEN LNDER IN

    LEHRPLNEN UND LEHRWERKEN FR DAF IN

    GEORGIEN

    1. EINLEITUNG

    Georgien ist heute ein Teil der globalisierten Welt und versucht u. a. im Fremdsprachenunterricht den Schlerinnen und Schlern diese globalisierte Welt zu zeigen bzw. im Fremdsprachenunterricht neue Anforderungen zu stellen und den Lernenden durch die Vermittlung der Fremdsprache fremde Kulturen und Weltbilder nher zu bringen und sie verstehen zu lehren. Mit dem Wachstum der Nachfrage nach interkulturell kompetent Agierenden sind die Ansprche an Lehrplne, Lehrmaterialien und das Lehrpersonal entsprechend gewachsen, den neueren Entwicklungen im Bereich Methodik-Didaktik Rechnung zu tragen. Die neuen Standards und Lehrplne seit Ende 2000 beruhen auf neuesten wissenschaftlichen, lernpsychologischen und fachdidaktischen Erkenntnissen und basieren einerseits auf Grundlagen des europischen Referenzrahmens und andererseits auf den nationalen Lehr- und Lerntraditionen.

    Der Fremdsprachenunterricht muss den heutigen vernderten gesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden und soll der Entwicklung der Persnlichkeit dienen, indem er die kognitiven, sprachlichen und sozialaffektiven Fhigkeiten der Schler frdert. Das Ziel des FSUs besteht in erster Linie darin, die Lernenden in der Zielsprache kompetent zu machen (Nationaler Lehrplan fr Allgemeinbildende Schulen 2008: 47).

    In neuen Standards wird neben den Sprachstrukturen und Grundfertigkeiten auf die Notwendigkeit der Vermittlung von kulturellem Wissen eingegangen. mit dem Ziel,

    das Interesse dem Fremden gegenber zu wecken, die fremde Kultur zu verstehen und kulturelle Vielfalt schtzen zu lernen.

    (VgL Nationaler Lehrplan fr Allgemeinbildende Schulen 2008: 48)

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  • Ekaterine Shaverdashvili

    Neu und sehr lobenswert ist, dass unter der Rubrik "Dialog der Kulturen" dem interkulturellen Lernen Rechnung getragen wird. Hier werden Indikatoren aufgezhlt, anhand derer der "Stand des Kulturellen Wissens" gemessen werden sollte:

    IX. Klasse (3. Lernjahr. Deutsch als 2. Fremdsprache) 1) Der Schler erkennt Informationen aus dem kulturellen Bereich. Das Ergebnis ist sichtbar, wenn der Schler die auf den Abbildungen/in den Texten dargestellten kulturellen, symbo

    ltglichen Realien, Sehenswrdigkeiten und Personen erkennt. 2) Der Schler zeigt Toleranz gegenber den kulturellen und individuellen Unterschieden.

    Das Ergebnis ist sichtbar, wenn der Schler Parallelen zu den eigenen soziokulturellen Werten (Religion, Lebensstil, Feste, Bruche, zu der administrativen Struktur des Landes, den Eigenarten einer historischen Epoche) ziehen und Unterschiede und Gemeinsamkeiten erkennen kann

    eigene Meinungen, Ansichten und Einstellungen ber kulturelle Fragen korrekt darlegt

    Parallelen ziehen, hnlichkeiten und Unterschiede zwischen der eigenen und den fremden Gefhlswelten (Gefhle, Einstellungen) wahrnehmen kann

    Stereotypel uerungen (z.B. ,diese Generation interessiert sich fr nichts', ,Franzosen sind geizig' u.a.) erkennen und sie durch Gegenbeispiele widerlegen kann.

    3) Der Schler bercksichtigt die Verhaltensnormen, die in der fremden soziokulturellen Umgebung gltig sind.

    Das Ergebnis ist sichtbar, wenn der Schler soziokulturelle Eigenarten beobachtet und erkennt die fremdkulturellen Verhaltensnormen in den Simulationen anwendet. (Vgl. Nationaler Lehrplan fr Allgemeinbildende Schulen

    Neben den Standards, die fr alle Schulfremdsprachen in Georgien gleich sind, wurden fr einzelne Fremdsprachen Lehrplne herausgegeben, die neben der zu beherrschenden Lexik und Grammatik Themenkataloge fr alle Niveaustufen enthalten. An diesen Themenkatalogen orientieren sich die Lehrbuchautoren beim Zusammenstellen ihrer Materialien.

    Dies ist in den Standards eine der wenigen Stellen, an denen Stereotypen erwhnt werden. In der folgenden X. Klasse ist davon hingegen keine Rede. Sie tauchen erst wieder in den Standards der XL Klasse auf.

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    Das Bild der deutschsprachigen Lnder in Lehrplnen und Lehrwerken fr DaF in Georgien

    Themenvorschlge aus dem Lehrplan 2008: Klassenstufen Die Themengebiete, deren Behandlung im Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht empfohlen werden, sind folgende (solange keine ausreichenden Sprachkenntnisse vorhanden sind, wird es als zulssig erachtet, Informationen in der Muttersprache zu vermitteln): Feste und Traditionen: einige Feste, ihre Charakteristika, Dekoration, pische Gerichte, Gesichter u.a.

    Essen und Trinken: die Essgewohnheiten, ein typisches Frhstck eines deutschen Jugendlichen, Bezeichnungen einiger typischer Gerichte;

    ffentlicher Dienst: ffentliche Verkehrsmittel, ffentliche Orte Eigennamen und Kosenamen Deutschsprachige Lnder und ihre Hauptstdte: Deutschland, reich, Schweiz (deutschsprachiger Teil)

    das Leben von Jugendlichen: Tagesordnung, Freizeit/Ausgehen/Urlaub; Teilnahme am gesellschaftlichen Leben; Beziehungen; Hobbys;

    geographische Daten ber deutschsprachige Lnder Daten ber die politische Struktur Deutschlands historische Ereignisse regionale Eigenarten emlge Stdte, Flsse, Bundeslnder Jugendbcher, Mrchen, Fabeln und Legenden berhmte Persnlichkeiten aus dem deutschsprachigen Raum: historische Persnlichkeiten, Knstler, Sportler, Politiker

    Informationen ber die deutsch-georgischen Beziehungen ... (Vgl. Nationaler Lehrplan fr Allgemeinbildende Schulen 2008)

    Es bestehen also kaum Unterschiede zwischen dem georgischen Lehrplan und dem Lehrplan aus einem Land, in dem die Reformen in diese Richtung lngst in Kraft sind. Sowohl die Lernziele als auch die Themen sehen sehr aktuell und den heutigen Anforderungen angemessen aus.

    Der Unterschied liegt lediglich bei der Etablierung dieser schn formulierten Ziele im Lernprozess. Fraglich ist, ob die in den Lehrplnen formulierten Lehrziele in den Lehrmaterialien sowie im Unterricht erfolgreich umgesetzt werden knnen, konkreter gesagt, wie 1. die ,modemen' Lehrwerke von georgischen AutorInnen, die durch das Bil

    zugelassen wurden, und 2. die Unterrichtsmethoden, die von Lehrerinnen bei der Sprachvermittlung verwendet werden, in diesem Prozess aussehen.

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  • Ekaterine Shaverdashvili

    2. LEHRWERKE

    Da Deutsch - mit wenigen Ausnahmen ~ grundstzlich als zweite Fremdsprache nach Englisch oder Russisch angeboten wird, sind in den letzten die meisten Lehrwerke fr die Niveaus A1-B1+ erschienen, d.h. fr die Klassen 7 bis 122 Fr jede Klasse gibt es je drei regionale und regionalisierte Lehrwerke3. Die neuen Materialien sehen zwar im Allgemeinen im Vergleich zu den alten sowjetischen Lehrbchern besser aus, aber die in den Lehrplnen formulierten Lehrziele knnen aus vielen Grnden kaum erfolgreich erreicht werden. Hier sollen einige Grnde dafr genannt werden:

    Das Bildungsministerium wollte/sollte in sehr knapper Zeit die neuen Lehrwerke im Lernprozess einsetzen und lie die LehrwerksautorInnen die Materialien in 6-7 Monaten (fr reformierte Klassen) erstellen.

    Wegen der wirtschaftlichen Krise mussten die Lehrwerke preiswert sein, deswegen haben die Verlage AutorInnen ausgewhlt, die oft mit niedrigen Verlagshonoraren und mit allen Angeboten einverstanden waren (was gute Fachkrfte nicht machen wollten!). Die meisten dieser Autorinnen waren aus dem Ausland zurckgekehrt (z.B. nach einem Studium in Deutschland) und hatten noch keine Arbeit gefunden, waren oft auf diesem Gebiet vllig unerfahren. Manche hatten einfach Neugier auf Neuland und wollten LehrwerksautorInnen werden. In den meisten Fllen hatten sie gute Sprachkenntnisse, hatten aber keine methodisch-didaktische Ausbildung und davon ausgehend ungengende Kenntnisse in diesem Bereich.

    Einige Lehrwerke wurden von Autoren mit sowjetischer Erfahrung (Grammatik-bersetzungs-Methode und bewusst vergleichende Methode) erstellt. Ungeachtet dessen, dass die von ihnen neu verfassten Lehrwerke eine gewisse Neuerung in konzeptioneller Hinsicht aufwiesen, konnten sich die Lehrwerksautoren von der Jahrzehnte lang praktizierten GM und alten traditionellen Methoden nicht so leicht trennen.

    Die vom Ministerium zugelassenen Lehrmaterialien knnen grob in drei Gruppen eingeteilt werden: Regionale Lehrwerke 1 mit LehrwerksautorInnen der alten Generation (mit ,sowjetischer' Erfahrung),

    Regionale Lehrwerke 2 mit LehrwerksautorInnen der jungen Generation,

    2 Nach den Lehrplnen 2009 wird die 1. Fremdsprache in der 3., die zweite in der 7. Klasse angeboten. Nach dem Schulabschluss der Allgemeinbildenden Schulen in Georgien sollen die georgischen Schler BI + Niveau haben, sowohl in der ersten als auch in der zweiten Fremdsprache (mit 3 oder 4 Wochenstunden).

    3 Regionalisierte Lehrwerke: geni@IAI,A2,BI und Optimal Al, A2, BI.

    Das Bild der deutschsprachigen Lnder in Lehrplnen und Lehrwerken fr DaF in Georgien

    Regionalisierte Lehrwerke, die nach kommunikativ orientierten Zielen erstellt wurden und den Anforderungen der reformierten Lehrplne angemessen sind.

    2.1 Regionale Lehrwerke 1

    Die Lehrwerke fr die 9. Klasse (das 3. Lernjahr), Deutsch (Kobakhidze/Metreveli 2008) und Karussell (Peikrishvili/Churodze 2008), bieten den Lernenden verschiedene Themen an, die auf den ersten Blick im Vergleich zu den alten sowjetischen Lehrbchern angemessen aussehen. Wenn man aber in die Texte, die meistens nicht authentisch sind, schaut, stellt man gleich fest, dass sowohl die Bild- als auch Textmaterialien oft realittsfremd sind und daher keinen landeskundlichen Mehrwert anbieten. Die Texte klingen hufig geknstelt, banal, veraltet, nicht altersgerecht und dazu uninteressant bis geschmacklos oder manchmal auch aus erzieherischer Sicht zweifelhaft und bedenklich. In den Texten fehlt der Bezug zur Wirklichkeit im Zielsprachenland oder in vielen Fllen sind die ber den im deutschsprachigen Raum "gelebten" Alltag dargebotenen Informationen bruchstckhaft, nicht zusammenhngend, unvollstndig, oberflchlich und nicht selten sachlich unkorrekt beleuchtet. Die SchlerInnen erfahren zu wenig ber das tatschliche Alltagsleben in Deutschland (geschweige denn in anderen deutschsprachigen Lndern, die praktisch berhaupt nicht in Lehrwerken prsentiert werden), ber zwischenmenschliche Beziehungen, ber das Familien- oder Schulleben, die Arbeitswelt oder ber das soziale System allgemein. Sie bekommen kein realistisches Bild der deutschsprachigen Gesellschaft und lernen z. B. Deutschland nicht als ein multikulturelles Land kennen. Bei den dargestellten Personen in den Lehrwerken handelt es sich traditionsgem fast ausschlielich um Dichter und Schriftsteller wie Goethe, Schiller und Heine (die Lehrwerksautoren konnten sich von den alten sowjetischen Lehrzielen nicht so leicht trennen). In seltenen Fllen werden ihre Gedichte und Auszge aus ihren Werken, meist jedoch ohne eine damit verbundene kreative Arbeit, dargeboten, und damit endet die Beschftigung mit der deutschsprachigen Literatur auch schon. Meistens werden die Gedichte nur gepaukt. Sowohl moderne deutschsprachige AutorInnen und ihre Werke als auch berhmte Menschen aus der Gegenwart kommen so gut wie nie vor. Die Lehrwerke sind in den meisten Fllen durch Monotonie gekennzeichnet und langweilig und entsprechen den neuen Standards und Lehrplnen grundstzlich nicht.

    Im Lehrbuch Deutsch von KobakhidzelMetreveli (2008) werden in den meisten Fllen mehrere Dialoge ohne Aufgabestellungen gegeben oder die Aufgabenreihenfolge wirkt wenig motivierend auf die SchlerInnen. Nach der Texteinfhrung werden oft produktive Aufgaben (wie: mache hnliche

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  • Ekaterine Shaverdashvili

    Dialoge; beschreibe das angegebene Bild; spielt hnliche Dialoge; schreibe einen Brief an Deinen Freund u..) angeboten oder nach der Prsentation eine~ neuen Themas bzw. neuer Lexik und Grammatik folgt gleich die schriftliche oder mndliche Textproduktion ber den Vergleich zwischen der eigenen und fremden Kultur, was die Schlerinnen eher demotiviert. Die Reihenfolge der Aufgabentypologie "rezeptiv-reproduktiv-produktiv" ist den LehrbuchautorInnen in meisten Fllen fremd.

    2.2 Regionale Lehrwerke 2

    Im Lehrwerk Natrlich Deutsch (Jalagonia/Jashiashvili 2008) fr die 9. Klasse, das von jungen Autoren erstellt wurde und im Ganzen besser konzipiert ist als die regionalen Lehrwerke I, wird das Ziel gesetzt, neben der Vermittlung der vier Fertigkeiten auch dem Kulturdialog eine wichtige Rolle beizumessen.

    Auer der Vermittlung der linguistischen Kompetenz macht das Lehrbuch die SchlerInnen mit den allgemein-menschlichen Werten, mit der Welt- und Zielkultur samt der Kultur des eigenen Landes bekannt. Die SchlerInnen sind in den sog. Kulturdialog eingeschaltet. Sie eignen sich an, dass, trotz einiger Unterschiede auch sie einen Teil dieser Welt darstellen, was in ihnen die Toleranz, das Gefhl der Nchstenliebe und des Respekts entwickelt. Aus diesem Grunde sind im Lehrbuch die Aufgaben vorhanden, die die Mglichkeit geben, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Lndern herauszufinden und Vergleiche anzustellen. Die SchlerInnen werden mit den Denkmlern der deutschen und der georgischen Kultur, mit den Sitten und Gebruchen und Festen vertraut gemacht und knnen Parallelen ziehen. Der Kulturdialog kommt in den Texten zum Vorschein. (Jalagonia/Jashiashvili 2008: 26) Das Lehrbuch bietet den Lernenden folgende Themen an: "Die Schule" ,,schuluniform - Kleidung" "Einkaufen" "Weihnachten in Deutschland" "Freizeit und Hobbys" "Sport" "Gesundheit" "Ostern" "Umweltschutz" "Museen" "Austauschprogramm"

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    Das Bild der deutschsprachigen Lnder in Lehrplnen und Lehrwerken fr DaF in Georgien

    Sowohl die interessanten Themen als auch das attraktive Layout des Lehrwerks fallen dem Betrachter sofort auf. Das Buch ist farbig und reich an Bildmaterialien, die aktuell und meistens authentisch sind. Zeichnungen kommen im Vergleich zu authentischen Bildmaterialien sehr selten vor, Hrtexte und Hrmaterialien sind gengend vorhanden. Auf den ersten Blick denkt man, dass das Lehrwerk auch inhaltlich nach westlichen Standards, d.h. nach dem interkulturellen Ansatz etc. konzipiert wurde. Wenn man aber die einzelnen Einheiten als LehrerIn angehen mchte, ist man im Lernprozess manchmal enttuscht und stt auf Verwirrungen beim Arbeiten. Da die Lehrwerksautoren keine pdagogische Ausbildung haben (sie haben Linguistik studiert), werden z. B. die schn ausgewhlten authentischen Texte nicht immer ,richtig' didaktisiert. Die meisten interessanten bungen und Aufgaben werden oft nicht nach der ,richtigen' Reihenfolge angeboten4 und bringen die Lernenden nicht zum Ziel oder regen nicht zur kreativen Arbeit an. Die Schlerinnen werden ins neue Thema meistens nicht eingefhrt, es gibt keine Vorentlastungsbungen zum neuen Text bzw. Thema; oder die SchlerInnen bekommen interessante Texte, aber die Textaufgaben beschrnken sich meistens auf Frage-Antwort- und "Richtig-Falsch-Aufgaben".

    Im Groen und Ganzen ist aber zu sagen, dass das Lehrwerk Natrlich Deutsch im Vergleich zu den anderen regionalen Lehrwerken den Anforderungen bzw. dem im Standard und den neuen Lehrplnen vorhandenen "Dialog der Kulturen" eher entspricht und in dieser Hinsicht ein gelungenes Lehrwerk ist.

    2.3 Regionalisierte Lehrwerke

    Regionalisierte Lehrwerke, wie geni@l und Optimal, bieten den Lehrenden und Lernenden zwar allerlei landeskundliche Themen aus dem deutschsprachigen Raum, authentische Bild- und Textmaterialien, die ,richtig' didaktisiert sind, und altersgerechte und interessante Themen sowie authentische Hrmaterialien, werden aber von georgischen LehrerInnen meistens nicht beachtet.

    Obwohl die Autoren der regionalisierten Lehrwerke versucht haben, in Schlerheften das Georgienbild und kulturspezifische Fragen zu behandeln und damit existierende Mngel der Lehrwerke zu beheben, wurden diese trotzdem nicht oft eingesetzt, weil m. E. die Lehrerinnen mit modernen Lehrwerken nicht so einfach arbeiten wollen/knnen und lieber die traditionellen Lehrbcher im Unterricht einsetzen. Ihnen ist es lieber, mit Bchern zu arbeiten, die mehr Ergnzungs-, Frage-Antwortbungen und Textwiedergabe anbieten. Es ist fr die LehrerInnen leichter, von SchlerInnen die Textwieder

    4 Reihenfolge der Textphasen: Einfhrung, Prsentation, Semantisierung, Transfer

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  • Ekaterine Shaverdashvili

    gabe von Biographien oder Stdtebeschreibungen zu hren als kulturverglei;;

    chende Fragen in einem Text implizit zu behandeln. Die beiden Lehrwerke gehren leider nicht zu den hufig ausgewhlten Lehrwerken, was auch die Umfrage (s.u.), die im Frhjahr 2010 in mehreren Schulen durchgefhrt wurde, besttigt.

    3. UMFRAGE

    Neben der Bewertung der Lehrmaterialien habe ich eine kleine Umfrage durchgefhrt, die die Ergebnisse der angefhrten Lehrwerkanalyse besttigen konnte. Der Fragebogen (insg. 10 Fragen) umfasste halboffene und geschlossene Fragen, bis auf eine Frage (Frage die als offene Frage formuliert wurde.

    Es wurde u. a. untersucht, welche Lehrwerke von LehrerInnen bevorzugt werden und warum, ob die LehrerInnen angeben, mit den untersuchten Lehrplnen und Lehrwerken einen effizienten, interkulturellen und modernen Fremdsprachenunterricht durchzufhren,

    ob deutschsprachige Landeskunde eng mit dem Spracherwerb zusammenhngt, und ob sie ein wichtiger und untrennbarer Bestandteil des Deutschunterrichts in Georgien ist,

    ob Materialien aus DACHL in reformierten Lehrwerken fr DaF bercksichtigt werden und inwieweit das DACH-Konzept in georgischen Lehrwerken prsent ist.

    Befragt wurden 88 LehrerInnen aus verschiedenen Regionen und aus verschiedenen Schul typen a) mit unterschiedlichem Erfahrungsalter und b) aus allen Schulstufen. Frage 1. Wie lange arbeiten Sie als Deutschlehrer?

    Weniger als 5 Jahre 10 Jahre 15 Jahre TIber 20 Jahre

    17 16 30

    Hier kann man natrlich optimistisch sein und denken, dass viele junge Leute in Schulen arbeiten, aber man muss auch daran denken, dass zur Fortbildung (an der diese Umfrage durchgefhrt wurde), die im Zuge der Zertifizierung organisiert wurde, meistens junge Leute kommen.

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    Das Bild der deutschsprachigen Lnder in Lehrplnen und Lehrwerken fr DaF in Georgien

    Frage 2. In Welcher Schulstufe arbeiten Sie?

    Grundschule (I.-VI. Basisschule (VII.-IX. Kl.) Mittelschule (X.-XII. 53 67 58

    Viele LehrerInnen arbeiten demnach in allen oder zwei Stufen! Zum Ergebnis, dass sehr viele in der Grundschule arbeiten: Man kann denken, dass viele LehrerInnen in Schulen mit erweitertem DU arbeiten oder dass sie aus Schulen mit regulrem DU kommen und mit Deutsch in Klasse 5 anfangen. (Anmerkung: Bei den meisten Fragen waren Mehrfachantworten mglich.)

    3. Was bedeutet nach Ihrer Meinung DACHL?

    i Die Lehrer haben alle deutschsprachigen Lnder genannt. 2 (1,76%) Die Lehrer haben einige deutschsprachige Lnder genannt. 35 (30,8%) Die Lehrer wussten berhaupt nicht, was das bedeutet. 45 (39,60%) Die Lehrer haben die Frage nicht beantwortet. 6 (5,28%)

    Die meisten LehrerInnen haben mit ,,Ich wei nicht!" geantwortet. Beim letzten Punkt kann man denken, dass die LehrerInnen die Frage nicht beantworten konnten. Zu Punkt 1 und 2: Das waren grtenteils LehrerInnen, die mit geni@l und Optimal arbeiten oder an Fortbildungsveranstaltungen u.a. vom Goethe-Institut teilnehmen.

    Frage 4. ber welches deutschsprachige Land haben Sie mehr Informationen? ber Deutschland 90 Lehrer (79,20%) ber sterreich 24 (21,12%) ber die Schweiz 15 (13,20%) ber Luxemburg 2 (I, 76%) Iber Liechtenstein 2 (1, 76%) Wie erwartet, kennen georgische Deutschlehrende eher Deutschland als die anderen deutschsprachigen Lnder (Deutschland - aber welches Deutschland?!) Frage 5. Woher haben Sie diese Informationen?

    whrend des Studiums 65 (57,2%) whrend der Arbeit 48 (42,24%) whrend der Fortbildung 30 (26,4%)

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  • Ekaterine Shaverdashvili

    durch Medien (Fernsehen, Radio, Zeitungen und Zeitschriften ... ) 34 (29,92%) I 23 (20,24%) durch andere Mittel"

    a. Brieffreunde, Reisen, Touristen ete.

    Zu Punkt 1: Wenn die meisten Lehrer ber 50 sind, heit das, dass sie darunter

    die DDR gemeint haben.

    Frage 6. Mit welchen Lehrwerken arbeiten Sie?

    ,.--- --

    Deutsch (Kobakhidse/Metreveli) 129 (113, 52%) Karussell* (Peikrishvili u. a.) 30 (26,4%) Natrlich Deutsch (Jalagonia u.a.) 40 Deutsch (Khutsishvili u.a.) 56 Geni@/ (Funk u.a.) 30 Optimal (Mller u. a.) 17 Andere Lehrwerke (Deutsch Mobil, Delfin, Tamburin, Planet, Bim) 14+1+4+13+6

    Karussell wird nur fr Al und A2 erstellt!

    Frage 7. Sind ausreichend Informationen ber deutschsprachige Lnder in den Lehrwerken, mit denen Sie arbeiten, vorhanden?

    Land Viele Wenige Gar keine Informationen Informationen Informationen

    Deutschland 35 47 8

    sterreich 11 30 21 Schweiz 3 34 23

    Luxemburg 2 17 42/62 Uechtenstein 1 16 -

    Frage 8. Was halten Sie bei der Arbeit fr am wichtigsten? (Mehrfachantworten mglich) Sprachstrukturen (Kommunikative Fertigkeiten und Fhigkeiten) 11 Kultur desZielsprachenlandes (Kulturinformationen, Alltagskultur u. a. 1 Infos ber das Zielsprachenland) beide wichtig 83

    Frage 9. Geben Sie Ihren SchlerInnen die landeskundlichen Informationen explizit oder implizit?

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    Das Bild der deutschsprachigen Lander in Lehrplnen und Lehrwerken fr DaF in Georgien

    7 LehrerInnen haben die Frage nicht beantwortet

    Frage 10. Was meinen Sie, soll der Deutschlehrer ber alle deutschsprachigen Lnder grndlich informiert sein?

    Es reichen Kenntnisse nur ber Deutschland. 12 Der Lehrer soll ber Informationen ber alle deutschsprachigen Lnder verfgen.

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    Es ist nicht wichtig, ber ausfhrliche Informationen ber alle deutschspraehigen Lnder zu verfgen.

    B

    Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Ergebnisse der Fragebogenerhebung die mangelnde Prsenz Deutschlands, der anderen deutschsprachigen Lnder und des Kulturdialogs (anhand authentischer Materialien und auf Alltagskultur bezogene Texte und Themen) deutlich gemacht haben. Die Umfrage hat gezeigt, dass die Lehrerinnen nicht immer imstande sind, zu erkennen, was Landeskunde fr den Lernprozess bedeutet und wie wichtig es ist, mit Kulturunterschieden und mit Kulturdialogfragen im Unterricht zu arbeiten.

    Des Weiteren haben die Untersuchung und auch die Lehrwerkanalyse gezeigt, dass die Kluft zwischen den vom Bildungsministerium angestrebten Zielen, der Lehrerkompetenz und den Lehrmaterialien, die zum Erreichen dieser Ziele eingesetzt werden, sehr gro ist, was sich natrlich auf die sprachlichkulturelle Kompetenz der SchlerInnen auswirkt. Die auf dem Papier, d.h. in Standards und Lehrplnen formulierten Lernziele, die SchlerInnen in der Zielsprache kompetent zu machen, werden in der Realitt nicht verwirklicht.

    Bei der Auswertung dieser Fragen zeigt sich, dass die Lehrerlnnen oft die Fragen widersprchlich beantwortet haben. Bei manchen Lehrern und Lehrerinnen gab es direkt im Fragebogen einander widersprechende Antworten, z.B.:

    1. Fragen 8 und 9: Sprachstrukturen und Landeskunde sind beide wichtig bei der Vermittlung der Fremdsprache; landes- und kulturkundliehe Fragen bzw. Informationen mssen getrennt/explizit im Unterricht angeboten werden;

    2. Fragen 8 und 10: Sprachstrukturen und Landeskunde sind beide wichtig bei der Vermittlung der Fremdsprache; es ist nicht wichtig, ausfhrliche Informationen ber alle deutschsprachigen Lnder zu geben;

    3. Frage 5: Woher haben Sie die Informationen ber deutschsprachige Lnder? Die meisten LehrerInnen mit ber 20 Jahren Arbeitserfahrung haben die Kenntnisse im Studium bekommen, d. h. in der sowjetischen Zeit, in der nur die Landeskunde der DDR vermittelt wurde.

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  • fkaterine Shaverdashvili

    4. FAZIT

    Als Fazit kann gesagt werden, dass auch in Georgien versucht wird, gegenber dem traditionellen Landeskundeunterricht einen neuen Schwerpunkt zu setzen, nmlich neben der deutschen Sprache (Sprachsystem, Sprechfertigkeiten etc.) die Kultur der deutschsprachigen Lnder zu vermitteln. Die neuen Lehrplne und Standards fr alle Fremdsprachen haben die Ziele schon in dieser Richtung gesetzt und versuchen im Moment auch, die Lehrwerke und LehrerInnen, deren Kenntnisse im Bereich der deutschen Kultur eindeutig mangelhaft sind, dahingehend zu lenken, obwohl die Etablierung der neuen Inhalte im Lernprozess mit sehr vielen Problemen abluft.

    Die Auswertung der Fragen besttigt die Erwartung, dass der Umsetzung des DACH-Konzeptes im Deutschunterricht in Georgien keine angemessene Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die geringen Kenntnisse der LehrerInnen in diesem Bereich sind oft alarmierend. Dies steht im Einklang mit den Ergebnissen der Lehrmaterialienanalyse und bedarf dringend der Korrektur sowohl in thematischer als auch in methodisch-didaktischer Hinsicht.

    Die Kenntnisse ber die deutschsprachigen Lnder sind nicht nur bei den SchlerInnen gering, sondern auch bei den LehrerInnen.

    '"

    LITERATURVERZEICHNIS

    ]alagonia, L.; ]ashiashvili, T. (2008): Natrlich Deutsch. Lehrbuch fr Schler. 9. Klasse. Verlag 21/0cdameerte.

    Kobakhidze, L.; Metreveli, L. (2008): Deutsch. Intelekti Verlag. Merkviladze, N.; Khutsishvili, T. (2008): Deutsch. Lehr- und Arbeitsbuch. Verlag

    UniversaL Nationaler Lehrplan fr allgemeinbildende Schulen (2008) Tbilisi. http://www.mes.

    gov.ge Peikrishvili, N. u.a. (2008): Karussell. Deutsch als Fremdsprache fr die 9. Klasse.

    Athinati Verlag. Zentrum fr Nationale Lehrplne und Evaluierung (2007): Bericht 2005-2007,

    Tbilisi. Zentrum fr Nationale Lehrplne und Evaluierung (2008): Bericht 2007-2008,

    Tbilisi.

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