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ELearning-ebook-16-111 - Bookshopbookshop.iwmedien.de/Portals/0/Shop/pdf/e_learning.pdf · (CBT) zum Standardangebot; gut jeder zweite E-Learning-aktive Betrieb bietet Web Based Training

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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

ISBN 3-602-14002-4

Herausgegeben vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln Redaktion: Helmut E. Klein, Reinhard Zedler Redaktionsassistenz: Ines Pelzer © 2004 Deutscher Instituts-Verlag GmbH Gustav-Heinemann-Ufer 84 – 88, 50968 Köln Postfach 51 06 70, 50942 Köln Telefon (02 21) 49 81-4 52 Fax (02 21) 49 81-4 45 Internet: www.divkoeln.de E-Mail: [email protected]

E-Learning: Theorie und betriebliche Praxis

Fallstudien aus der betrieblichen Bildungsarbeit

3

Inhalt Seite

Vorwort Helmut E. Klein / Reinhard Zedler E-Learning: Theorie und betriebliche Praxis 5 1 Bestandsaufnahme Thomas Reglin Zwischen Effizienzversprechen und Sachzwang auf dem Weg zu einer systematischen Zielreflexion im E-Learning 9 Helmut E. Klein E-Learning in der betrieblichen Praxis. Ergebnisse einer Unternehmensbefragung in der Metall- und Elektro-Industrie 35 2 Betriebliche Bildungsarbeit/Fallstudien Hubert Kapp / Jürgen Föllinger / Annette Groß Einsatz von E-Learning in der Berufsbildung – das Beispiel der BASF AG 69 Stefanie Koller E-Learning in der Berufsbildung bei der Siemens AG 83 Dirk Jakobs Einsatz von E-Learning in der Produktion – Voraussetzungen für Programme bei DaimlerChrysler 93

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Marion Bagusat / Stephan Rudolph u. a. E-Learning und Blended-Learning in der Berufsausbildung – ein Praxisbericht aus der Allianz Versicherungs AG 111 Thomas Hagenhofer E-Learning in der Medienbranche 126 Bernd Leuchter E-Learning bei einem Weiterbildungsträger – Chancen und Risiken 146 3 Zusammenfassung Helmut E. Klein / Reinhard Zedler Den Wandel gestalten: E-Learning in der betrieblichen Lernkultur – Trends und Bedingungen 157 Die Autoren 165

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Vorwort

Helmut E. Klein/Reinhard Zedler (Hrsg.):

E-Learning: Theorie und betriebliche Praxis

E-Learning als neue Form des Lehrens und Lernens wird in den letzten vier Jahren im gesamten Bildungswesen viel diskutiert. Es ist aber nicht bekannt, inwieweit E-Learning in der betrieblichen Praxis tatsächlich ge-nutzt wird. Diese Lücke versucht die Veröffentlichung mit neun Beiträgen zu schließen.

Die Beiträge sind drei Abschnitten zugeordnet: Im ersten Teil geht es um eine Bestandsaufnahme. Hierzu gehört ein Artikel über eine systemati-sche Reflexion der Ziele, die mit E-Learning verbunden werden. Zudem gehört dazu ein Ergebnisbericht einer Befragung des Instituts der deut-schen Wirtschaft Köln (IW) über die Verbreitung der neuen Lernform in der Metall- und Elektro-Industrie. Der zweite Abschnitt enthält Fallstudien und dokumentiert, wie in Großbetrieben der M+E-Industrie E-Learning eingesetzt wird (Siemens/DaimlerChrysler). Außerdem gehören dazu Stu-dien der BASF AG und der Allianz Lebensversicherungs AG über den Einsatz von E-Learning in der Berufsausbildung. Den Abschluss dieses Abschnitts bilden zwei Artikel über den Einsatz dieser neuen Lernform in der Medienbranche und bei einem Weiterbildungsträger. Die Verantwor-tung für die Inhalte liegt bei den Autoren. Im dritten Teil erläutern die Herausgeber thesenartig Bedingungen des Einsatzes von E-Learning in der betrieblichen Bildungsarbeit.

Was erwartet Sie in den Einzelbeiträgen?

In der betrieblichen Bildungsarbeit richtet sich eine Vielfalt von Erwar-tungen auf E-Learning. In der Debatte dominieren seit geraumer Zeit Fra-gen des Verfahrens („wie“), aber die Reflexion der Ziele („wozu“) ist

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weitgehend ausgeblendet. In seinem Beitrag plädiert Thomas Reglin für die Aufnahme des Zieldiskurses und unterscheidet zwischen betriebswirt-schaftlichen und betriebspädagogischen Zielen. Eine solche Reflexion der Ziele fördert zum einen die Abgrenzung und Systematisierung der mit E-Learning zu erreichenden Bildungsziele. Zudem wird damit ein überlegte-rer Einsatz der Potenziale neue Lernmedien angeregt. Schließlich wächst damit die Transparenz für die Nutzer der Lernmedien.

Im Beitrag von Helmut E. Klein werden die Ergebnisse einer IW-Unternehmensbefragung in der Metall- und Elektro-Industrie dargestellt. Dabei wird deutlich, dass jeder vierte befragte M+E-Betrieb E-Learning zur Weiterbildung der Mitarbeiter in verschiedenen Formen einsetzt: In neun von zehn dieser Unternehmen gehört das Computer Based Training (CBT) zum Standardangebot; gut jeder zweite E-Learning-aktive Betrieb bietet Web Based Training (WBT) an und zwei von fünf dieser Unterneh-men realisieren „Blended Learning“, das computergestütztes Lernen mit Seminaren, Lernberatung und Tutoring kombiniert. Die IW-Befragung hat neben diesen Lernformen weitere wichtige Aspekte des Einsatzes von E-Learning in der M+E-Industrie erhellt, nämlich zum Zugang, dem Einsatz in den Unternehmensbereichen, den Lernorten, der Lernzeit, den Kosten und dem Nutzen sowie der künftig eingeschätzten Bedeutung und den künftigen Themen von E-Learning.

Ausgehend von dieser Bestandsaufnahme wird im Abschnitt der Fall-studien der vielfältige Einsatz von E-Learning in Großbetrieben, aber auch in einigen Branchen und bei einzelnen Weiterbildungsträgern verdeutlicht.

Im Beitrag von Jürgen Föllinger, Annette Groß und Hubert Kapp wird herausgestellt, dass die BASF-Weiterbildung seit längerem die Strategie verfolgt, das eigenverantwortliche Lernen zu fördern. Dabei ist E-Learning eine von mehreren Methoden, mit denen das eigenverantwortliche Lernen der Mitarbeiter gefördert werden kann. Das Unternehmen hat die Erfah-rung gemacht, dass die Kombination aus E-Learning und Präsenztraining – also ein Blended-Learning-Konzept – die besten Ergebnisse und die größte Akzeptanz bei den Lernenden erbringt.

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Im Beitrag von Stefanie Koller wird der Einsatz von E-Learning in der Berufsausbildung von Siemens beleuchtet. Auch hier wird betont, dass es keinen Sinn machte, E-Learning isoliert einzusetzen. Vielmehr hat sich das Konzept des Blended Learning als erfolgreich erwiesen. In der Berufsaus-bildung setzt Siemens insgesamt 200 CBT‘s und WBT’s ein. In der techni-schen Ausbildung lernen die Auszubildenden mit dem Lernprogramm erst das fachlich richtige Vorgehen am Computer, bevor sie die Maschine in der Praxis bedienen. Besonders hoch ist der Einsatz von Lernprogrammen naturgemäß im IT-Bereich.

Die meisten E-Learning Angebote haben in den Unternehmen zur Ziel-gruppe Mitarbeiter von der Sachbearbeiterebene bis zum Management, wie Untersuchungen belegen. Vielfach werden gewerbliche Mitarbeiter aus Produktionsbereichen ausschließlich in Präsenzmaßnahmen qualifiziert. Dirk Jakobs berichtet in seinem Beitrag, wie bei DaimlerChrysler die Vor-aussetzungen geschaffen wurden, dass E-Learning in der Qualifizierung auch gewerblicher Mitarbeiter produktiver Bereiche eingesetzt werden konnte.

In dem Beitrag von Marion Bagusat und Stephan Rudolph wird die Entwicklung einer standortübergreifenden, intranetbasierten Lern- und Kommunikationsplattform für die Berufsausbildung bei der Allianz AG von der ersten Idee bis zur Realisierung der fertigen Plattform skizziert. Es werden Auswirkungen des Einsatzes auf die Lernkultur und Erfahrungen mit technologiegestütztem selbstgesteuerten Lernen diskutiert. Am Ende wird anhand zweier Beispiele die Integration des E-Learning-Ansatzes in ein abwechslungsreiches Blended-Learning-Konzept dargestellt.

In dem Beitrag von Thomas Hagenhofer geht es um den Einsatz von E-Learning in der Medienbranche. Dabei wird dargestellt, wie im Projekt „Mediengestalter/in 2000plus“ die Onlinestellung des LernCenters 2000plus entwickelt wurde. Dieses LernCenter richtet sich an Ausbilder, Berufsschullehrer wie auch an Auszubildende. Herausgestellt wird, dass

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mit dem LernCenter die Qualifizierung direkt am Arbeitsplatz oder an je-dem anderen beliebigen Ort stattfinden kann.

Die neue Lernform des E-Learning fordert nicht nur die betriebliche Bildungsarbeit heraus, sondern auch Weiterbildungsträger. Bernd Leuch-ter erläutert in seinem Beitrag, wie nach Abwägen und dem Vergleich von Chancen und Risiken des E-Learning im Weiterbildungskonzept der IHK zu Köln ein leittextgestütztes Blended-Learning-System entwickelt wurde. Es wird bei der Betreuung durch die Dozenten und durch die Interaktion von Teilnehmern und Dozenten weiterentwickelt.

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1 Bestandsaufnahme

Thomas Reglin:

Zwischen Effizienzversprechen und Sachzwang: Auf dem Weg zu einer systematischen Zielreflexion im E-Learning

Auf die Nutzung elektronischer Lernmedien, insbesondere des Internets, in Prozessen lebenslangen Lernens richten sich außerordentlich hohe Er-wartungen. Die gegenwärtige theoretische Diskussion um das E-Learning stellt Fragen der Gestaltung von Instruktionsdesigns einerseits, der Imple-mentierung von E-Learning in organisationalen Kontexten andererseits in den Mittelpunkt. Weite Teile dieser Diskussion sind durch die Frage be-stimmt, wie E-Learning als Mittel der Effizienzsteigerung beruflicher Bil-dung zu handhaben sei. Der Ausgangspunkt kann dabei pädagogisch sein (Stichworte: Individualisierung des Lernens, Lernen mit allen Sinnen) oder betriebswirtschaftlich (Stichworte: Flexibilisierung betrieblicher Bildung, Einsparung von Freistellungs-, Reise- und Unterbringungskosten für wei-terzubildende Mitarbeiter). Die mit dem Medieneinsatz verfolgten Ziele („was“) sind in der Analyse der Potenziale computergestützten Lernens zwar durchgehend präsent. Doch Fragen des Verfahrens („wie“) dominie-ren die Debatte. Die jeweils verfolgten Ziele scheinen sich sozusagen von selbst zu verstehen.

Die weit verbreitete Klage über die Techniklastigkeit der Theorie und Praxis von E-Learning hat darin einen ihrer Gründe. Kritik an der Domi-nanz technischer Überlegungen, Kalküle und Entscheidungen bei der Durchführung von E-Learning-Projekten hat sich in der Literatur zur „Vir-tuellen Berufsbildung“ fast schon zum feststehenden Topos verfestigt.1 Gewarnt wird vor einem blinden Effizienzglauben, der sich bereits von der

1 Kerres, 2001, 86 f./Dichanz, Ernst, 46 f./Glatt, 2002, XVff./Haas-Hoppe,

2002, 96 f./Hasebrook-Otte, 2002, 10 und viele andere)

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bloßen Tatsache des Einsatzes von Hyper- und Multimedien eine Verbes-serung der Qualität beruflicher Bildungsarbeit erwartet.

Von der Aufnahme des vorgeschlagenen Zieldiskurses können Theorie und Praxis mediengestützten Lernens mindestens in dreifacher Hinsicht profitieren:

1. E-Learning wird nicht selten als Universalschlüssel für alle erdenkli-chen Bildungsprobleme präsentiert. Abgrenzung und Systematisierung der mit E-Learning zu erreichenden Bildungsziele können zu einer Ver-sachlichung der Diskussion beitragen.

2. Ein überlegterer Einsatz der Potenziale neuer Lernmedien wird ange-regt. Gelingt es, die Frage nach anzustrebenden Zielen und dafür einzu-setzenden Mitteln mit größerer Schärfe zu stellen, sind Profilgewinne für die einzelnen Lernmedien zu erwarten.

3. Damit wächst auch die Transparenz für Lernende und betriebliche Wei-terbildner. Den Nutzern der Lernmedien können Informationen angebo-ten werden, die über die Formulierung atomistischer Lernziele („Nach der Bearbeitung der Lerneinheit können Sie eine einfache HTML-Seite erstellen“) hinausgehen und es erlauben, Multimedia-Produkte oder -Produktlinien in übergreifende Bildungsstrategien einzuordnen.

Zielreflexion im E-Learning

Die Zielreflexion erreicht heute in der Theorie des E-Learning nicht an-nähernd das Niveau, auf dem sie sich in der Allgemeinen Pädagogik und längst auch in der Berufspädagogik bewegt. Das hat unterschiedliche Gründe.

• Betriebliche Weiterbildner sehen in E-Learning oft das Ökonomisie-rungsmittel. Die Erzielung von Einsparungseffekten stellt sich als letz-ter Zweck der Nutzung elektronischer Lernmedien dar. Nicht das Pro-dukt ‚betriebliche Weiterbildung’ hat sich demnach verändert (oder muss sich verändern). Lediglich der Umfang der Weiterbildungserfor-dernisse ist, und zwar in erheblichem Umfang, angewachsen. E-

11

Learning schafft Abhilfe, weil es eine Ausweitung der Weiterbildungs-aktivitäten bei tragbaren Kosten ermöglicht.2 Es gilt also, ein im Kern unverändertes Produkt in neuer Form anzubieten. In dieser Optik er-scheint eine – erneute – Reflexion von Bildungszielen als überflüssig. Das hat im übrigen erhebliche didaktische Mängel der Lehrmedien zur Folge, wenn direktive Formen der Unterweisung, die in Lehrgang und Seminar längst überwunden schienen, ausgerechnet in elektronischer Nachbildung wieder aufleben.3

• Ein guter Teil der anbieternahen E-Learning-Publizistik hatte sich in den Dienst jener „Euphorie“ gestellt, die erst mit den Zusammenbrü-chen am Neuen Markt – also aus einem denkbar unpädagogischen Grund – fraglich geworden ist. Dieser Übergang zu einem Zustand „zwischen Euphorie und Ernüchterung“ hat bekanntlich einer berühmt gewordenen E-Learning-Marktforschungsstudie den Titel gegeben.4 Theoretische Kundgaben ordneten sich deutlich dem Produkt- oder Projektmarketing unter.

• In der empirischen medienpädagogischen Forschung war bereits seit den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts – also einige Jahrzehnte vor Beginn der E-Learning-Ära – das Paradigma der komparativen Wir-kungsanalyse beherrschend.5 Medien werden hier als zielneutrale Mit-tel von unterschiedlicher Wirkmacht betrachtet, die es durch differen-zielle Forschung dingfest zu machen, d. h. möglichst zu quantifizieren gilt. Soweit eine Reflexion auf Erziehungs- oder Bildungsziele geboten scheint, hat sie demnach ihren Ort nicht in der Medienpädagogik.

• Die mediendidaktische Theoriebildung zum E-Learning versteht sich weitgehend als Hilfsdisziplin der Medien-Entwicklung, die „Grundla-gen für die professionelle Produktion didaktischer Medien“6 vermitteln will. Die Zielsetzung wird dabei meist als gegeben vorausgesetzt oder

2 Dittler, 2002, 15 3 Severing, 2003 4 KPMG Consulting, 2001 5 Weidenmann, o. J., 498ff. 6 Kerres. 2001, 5

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eher en passant abgehandelt. Die umfassende Darstellung, die dieser Zweig der Forschung bei Kerres gefunden hat, schließt freilich auch eine gründliche Behandlung der mit E-Learning-Projekten verfolgten Ziele ein.7 Das Kapitel „Begründungsmuster für digitale Medien“ be-nennt die Standpunkte unterschiedlicher Stakeholder von E-Learning-Projekten und schließt dabei auch solche Zielvorstellungen nicht aus, „die sich als problematisch erweisen können“.8 Dem Erkenntnisinteres-se der Arbeit entsprechend kommen sie aber vor allem als im Kontext von E-Learning-Projekten relevante erfolgskritische Faktoren – und nur insofern als Gegenstand einer kritischen Diskussion – in den Blick.

Die weitgehende Ausblendung der Zieldiskussion kontrastiert eigentüm-lich damit, dass sich mit der Einführung von E-Learning bei vielen Auto-ren immerhin die Erwartung einer „Wissensrevolution“9 verknüpft, also mehr und anderes als die Hoffnung, grundsätzlich unveränderte Ziele könnten sich künftig rascher, müheloser und mit geringerem ökonomi-schem Aufwand erreichen lassen. Die Erneuerungsrhetorik des E-Learning-enthusiastischen Diskurses verlöre ihren Sinn, würden sich mit neuen Medien nicht der Gründungshypothese der modernen Medientheorie entsprechend Handlungsräume – also Bedingungen der Möglichkeit von Zielsetzungen – verändern.10

Die Vielfalt der Erwartungen, die sich in der betrieblichen Weiterbil-dung, aber auch in anderen institutionellen Kontexten auf E-Learning rich-ten, wird treffend durch das folgende Zitat zusammengefasst.

„Unternehmen schließen sich zu Weltkonzernen zusammen und müssen deshalb sehr schnell ihre Mitarbeiter global mit aktuellem Wissen versor-gen, um die weltweite Implementierung der Konzernstrategie sicherzustel-len. Nur ein gezielter Informations- und Wissenstransfer, der sehr indivi-duell auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter zugeschnitten sein muss, kann

7 vgl. Kerres, 85 – 94 8 ebd., 93, Hervorhebung im Original 9 Gottwald/Sprinkart, 2000, 9 10 McLuhan, 1995

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Innovation, Geschwindigkeit und Profitabilität gewährleisten. (...) Die neuen Medien erweitern nicht nur die klassische Wissensvermittlung um zusätzliche multimediale Elemente. Sie ermöglichen vor allem den zeit- und ortsungebundenen Zugriff auf Wissen. Die Lernenden können so fle-xibel und bei Bedarf die multimedialen Bildungsangebote unabhängig von tradierten Zeitrastern kosteneffizient nutzen, ohne auf Kommunikation und Interaktion verzichten zu müssen“.11

Welche Zieldefinitionen sind es, die hier – implizit oder explizit – zum Ausdruck gebracht werden?

• Die Mitarbeiter sollen das jeweils aktuell ‚Nötige’ lernen.

• Informationen sollen innerhalb von Weltkonzernen global, und zwar rasch, verfügbar sein.

• Es gilt, individuelle Bedürfnisse der Mitarbeiter zu berücksichtigen.

• E-Learning soll zum ökonomischen Erfolg des Unternehmens beitra-gen, unterliegt also auch selbst dem betriebswirtschaftlichen Kalkül (Kosteneffizienz).

• Multimedia erweitert die Mittel betrieblicher Weiterbildung, was nur dann der Erwähnung wert sein kann, wenn sich damit die Erwartung höherer Wirksamkeit verbindet.

• Auf Wissen kann jederzeit und von jedem Ort aus nach Bedarf zuge-griffen werden.

• Dabei kann netzgestützt kommuniziert werden.

Einige dieser Ziele sind schon dadurch zu erreichen, dass überhaupt Wissensinhalte innerhalb einer technisch tragfähigen Client-Server-Architektur zur Verfügung gestellt werden (Zugriff jederzeit und an jedem Ort). Bei anderen ist ein solcher Automatismus nicht gegeben: Sie erfor-dern beträchtliche didaktisch-organisatorische Vorkehrungen (Kommuni-kation und Interaktion). Manche scheinen untereinander schwer verträg-

11 Kraemer, Personalwirtschaft 2001/1, 22

14

lich: rasche weltweite Bereitstellung von Wissen auf der einen, Individua-lisierung auf der anderen Seite.

Durchgehend wird deutlich, dass im E-Learning-Diskurs von einem grundsätzlichen Wandel betrieblicher Bildung die Rede ist. Dieser wird je-doch zumeist als quantitatives Phänomen aufgefasst und durchgehend als Effizienzproblem behandelt. Insbesondere werden Zieldefinition und Po-tenzialanalyse nicht streng geschieden: Ziele, die mit den Lernmedien ver-folgt werden, kommen als Möglichkeiten in den Blick, die diese Medien bieten. In dem Maße wie dies geschieht, kann verschiedenstes Wünschba-res unvermittelt nebeneinander stehen bleiben. Vereinbarkeitsprüfung, Ab-gleich und Priorisierung unterbleiben. Betriebswirtschaftliches Ziel: Ökonomisierung betrieblicher Bildung

Vor allem während der ersten Welle netzgestützten Lernens (beginnend mit dem sich entwickelnden Internet-Boom Mitte der 90er Jahre) ist kaum ein Argument häufiger für E-Learning ins Feld geführt worden als dasjeni-ge der Kostenreduktion. Noch in der oben zitierten Ausgabe der „Perso-nalwirtschaft“ mit dem Schwerpunkt E-Learning (2001/1), spielte das Kos-tenargument in drei von fünf Artikeln eine entscheidende Rolle.12

Daneben wurde – ebenfalls zu Beginn des Internet-Booms – häufig die Befürchtung geäußert, Lernen via Internet sei eine besonders teure Weiter-bildungsform. Begründet wurde dies mit der erforderlichen Ausstattung (multimediafähige Rechner, Internetzugang). Die Befürchtung, unkontrol-liertes Web-Surfen der Mitarbeiter nicht steuern zu können, trat bei vielen Unternehmen hinzu. Diese Befürchtungen spielen heute angesichts der ra-santen Ausbreitung des Internets und seiner Integration in verschiedenste Geschäftsprozesse im Zeichen von E-Business und E-Commerce kaum noch eine Rolle.13

12 Vgl. insbesondere Johansson: „Online-Lernen ist 20 Prozent effektiver“, ebd., 42 – 45 13 Michel/Heddergott/Hoffmann, 2000, 41; Reglin/Severing, 2003, 16

15

Die vorliegenden Unternehmensbefragungen zum betrieblichen E-Learning zeigen in diesem (wie in vielen anderen) Punkten kein einheitli-ches Bild. Zwar ist ihnen zu entnehmen, dass betriebswirtschaftliche Über-legungen bei der Einführung von E-Learning eine wesentliche Rolle spie-len. Aber die Auswertung der Studien wirft doch erhebliche Probleme auf, die an zwei Beispielen näher erläutert seien.

Die an der unicmind.com-Studie14 beteiligten Praktiker aus den Betrie-ben zeigen sich bei der Kosten-Nutzen-Analyse des E-Learning zwar so-wohl an berufspädagogisch-didaktischen als auch an betriebswirtschaftli-chen Gesichtspunkten interessiert. Aber die Gewichtung erfolgt hier doch mit bemerkenswerter Eindeutigkeit, wenn der Gesichtspunkt der Kosten-senkung 70 Prozent der Nennungen auf sich vereint und so mit weitem Ab-stand an der Spitze liegt. Die Merkmale auf dem zweiten und dritten Platz – „Schulung aktueller Themen“ und „Hohe Aktualität“ – sind wenig trenn-scharf. Prima facie scheinen sie zu inhaltlichen Zielsetzungen überzulei-ten. Tatsächlich bringen aber auch sie einen ökonomischen Gesichtspunkt ins Spiel. Grundsätzlich lassen sich aktuelle Themen ja in jedem Medium vermitteln. Bei Einsatz von Autorenteams und modernen Produktions- und Distributionsverfahren wären in diesem Punkt durchaus auch das klassi-sche Buch oder, im Falle hohen kontinuierlichen Aktualisierungsbedarfs, die Loseblatt-Sammlung und die Zeitschrift (zumindest annähernd) kon-kurrenzfähig. Eindeutig fällt der Vergleich nur dann aus, wenn an die Dist-ributionskosten gedacht wird. Die Änderung von Lernmedien auf dem zentralen Bildungsserver z. B. eines Unternehmens-Intranets mag gegen-über nicht-netzgestützten Angeboten einen gewissen Zeitvorteil bringen. Vor allem aber ist sie im Vergleich zu Neuproduktion und Versand von Printmaterialien oder CD-ROMs konkurrenzlos billig.

14 Riekhof/Schüle, 2002

16

Abbildung 1 Chancen von E-Learning - in Prozent

Quelle: Riekhof/Schüle 2002, 123

Mit dem flexibleren Lernen wird ein betriebs- und weiterbildungsorga-nisatorischer Gesichtspunkt benannt. Weit abgeschlagen folgen die im en-geren Sinne berufspädagogischen Argumente „Besserer Lernerfolg“, „Hö-here Motivation“ und „Höhere Qualität“.

Völlig andere Ergebnisse hatte eine repräsentative Befragung kleiner und mittlerer Unternehmen der MMB – Michel Medienforschung und Be-ratung und des PSEPHOS-Instituts für Wahlforschung und Sozialwissen-schaft im Oktober 1999 erbracht.15 Mit dem „selbstgesteuerten Lernen“ nahm hier bei der Frage nach den Vorzügen von E-Learning ein Kriterium den Spitzenplatz ein, das terminologisch eindeutig dem pädagogisch-didaktischen Bereich zuzuordnen ist:

15 In der Deutung von Michel/Heddergott/Hoffmann, 2000, 41

70

46

37

33

18

9

7

3

0 20 40 60 80

Kostensenkung

Schulung aktueller Themen

hohe Aktualität

flexibleres Lernen

besserer Lernerfolg

höhere Motivation

höhere Qualität

keine Vorteile

Chancen von E-Learning (n = 76)

17

„Am häufigsten wird von den Nutzern mit 70 Prozent die Möglichkeit des selbstgesteuerten Lernens genannt. Zeit- bzw. Kosteneinsparungen rangieren als Motiv deutlich dahinter (57 Prozent bzw. 47 Prozent). (...) Eine noch geringere Rolle spielt der Kostenaspekt bei der Frage nach den (möglichen) Nachteilen multimedialer Lernmittel (...)“.16

Dies gilt für alle in der Untersuchung unterschiedenen Betriebsgruppen: für die Nutzer von E-Learning; für diejenigen, die den Einsatz von E-Learning planten oder erwogen; und für die entschiedenen E-Learning-Abstinenten. Insgesamt bleibt die Rangfolge der aufgeführten „Vorzüge“ bei den drei Gruppen gleich – mit der bemerkenswerten Ausnahme, dass bei den E-Learning-Nutzern gegenüber den Unternehmen, die die Einfüh-rung von E-Learning planen oder erwägen, eine gewisse Ernüchterung be-züglich der erreichbaren Kostenersparnis eingetreten zu sein scheint: Die einen nennen den „Vorzug“ zu 60 Prozent, die anderen nur mehr zu 47 Prozent. Abbildung 2 Vorteile multimedialer Lernmittel Vorzüge... Unternehmen, die multimediale

Lernmittel...

nutzen planen/ erwägen

nicht er-wägen

in Prozent

Selbstgesteuertes Lernen 70 71 52

Zeitersparnis 57 52 44

Kostenersparnis 47 60 39

Medienmix 43 45 35

Entlastung des Bildungspersonals 42 29 32 Quelle: MMB – Michel Medienforschung und Beratung/PSEPHOS; repräsentati-ve Befragung von kleinen und mittleren Unternehmen; Oktober 1999; insgesamt 800 Fälle (zitiert nach Michel/Heddergott/Hoffmann, 2000, 41) 16 Ebd., 40f.

18

Die Zuordnung der Nennungen zu pädagogischen oder betriebswirt-schaftlichen Argumentationszusammenhängen ist aber auch hier mit Schwierigkeiten behaftet. Insbesondere der seiner Herkunft nach pädago-gisch-didaktische Terminus der Selbststeuerung erweist sich bei näherem Hinsehen als mit ökonomischen Zielen unlösbar verschränkt: Die Konnota-tionen reichen von konstruktivistisch inspirierten Konzepten der Ermögli-chung autonomer Wissenskonstruktion bis hin zu Strategien des Lernens „just in time“, bei denen der Terminus Selbststeuerung vorrangig für die selbstständige Selektion der in einem Arbeitskontext erforderlichen Lern-inhalte – und nur dieser – steht. Dieses – durchaus in der Sache der Be-rufspädagogik begründete – Oszillieren der verwendeten Begriffe ist es vor allem, was von Marktstudien kaum abgebildet werden kann. E-Learning und Seminar in der Kostenvergleichsrechnung

Betriebliche Bildungsarbeit unterliegt – wie grundsätzlich alle Unter-nehmensaktivitäten und -bereiche – dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Dies ist in doppelter Hinsicht zu verstehen:

(1) Qualifizierungsmaßnahmen sollen zunächst zum Erreichen der wirt-schaftlichen Unternehmensziele beitragen. Investitionen in die Personal-entwicklung werden z. B. mit dem Ziel unternommen, dass die Mitarbeiter neue Technologien optimal nutzen, dass sie in der Lage sind, neue Ver-kaufsstrategien erfolgreich anzuwenden und notwendige Organisations-entwicklungsmaßnahmen mitzutragen etc. Es sind die Resultate erfolgreich durchlaufener Lernprozesse, auf die es dabei ankommt. Diese Resultate definieren ihren Nutzen. Betriebliche Bildung trägt kraft ihrer Resultate zum ökonomischen Erfolg des Unternehmens bei. Lehrgangsangebote, Medien, Lehr-Lernformen und Methoden werden am Maßstab berufpäda-gogischer Angemessenheit verglichen, also darauf befragt, ob und inwie-weit sie in der Lage sind, die erwünschten Lernprozesse herbeizuführen oder zu fördern.

(2) Der zweite Gesichtspunkt ergibt sich logisch aus dem ersten: Weil betriebliche Bildungsarbeit im Dienst der wirtschaftlichen Unternehmens-

19

ziele steht, unterliegen ihre Aktivitäten selbst einem ökonomischen Effi-zienzvergleich. Es geht darum, Maßnahmen zur Deckung eines identifizierten Bildungsbedarfs einer Kostenkalkulation zu unterziehen, d. h. festzustellen,

(a) ob der angestrebte Nutzen einer Bildungsmaßnahme – z. B. die Re-duktion des Ausschusses um einen definierten Prozentsatz – sich über-haupt auf wirtschaftliche Weise erzielen lässt, ob also der erzielbare wirt-schaftliche Effekt die Weiterbildungskosten übersteigt,17 und

(b) inwieweit konkrete Bildungsmaßnahmen in der Lage sind, identifi-zierten Bildungsbedarf möglichst kostengünstig zu decken: Bildungsent-scheidungen fallen nach dem Minimax-Prinzip, also unter der Maßgabe, die jeweils angestrebten – als fixiert unterstellten – inhaltlichen Bildungs-ziele mit möglichst geringem Aufwand zu erreichen. Lehrgangsangebote, Medien, Lehr-Lernformen und Methoden werden am Maßstab effizienter Zielerreichung verglichen und somit einer Kostenvergleichsrechnung un-terworfen.

So sehr auch die Qualitätskontrolle von Maßnahmen der Personalent-wicklung (erster Aspekt) einem betriebswirtschaftlichen Kalkül unterliegt – ihre Verfahren und Inhalte werden betriebspädagogisch begründet. Es geht um die inhaltliche und didaktisch-methodische Angemessenheit päda-gogischer Interventionen an definierte Problemlagen. Den ökonomischen Unternehmenszielen dient der Betriebspädagoge gerade dadurch, dass er seine professionellen Gesichtspunkte in Anschlag bringt. Mit dem zweiten Kriterienbereich finden betriebswirtschaftliche Überlegungen in die be-triebspädagogische Entscheidungsfindung selbst Eingang. Wenn im Fol-genden von betriebswirtschaftlichen Aspekten des E-Learning-Einsatzes die Rede ist, bewegt sich die Argumentation systematisch in diesem zwei-ten Kriterienbereich.

Historisch steht am Ausgangspunkt der bildungsökonomischen Argu-mentation für E-Learning der Vergleich mit seminaristischen Formen be-

17 Vgl. Stahl/Koch, 1990

20

trieblicher Bildung (2b). Sie geht einher mit der Feststellung, dass der ver-änderte Bildungsbedarf der Wissensgesellschaft – Stichwort: life long le-arning – mit traditionellen Formen beruflicher Bildung gar nicht mehr, mit E-Learning aber, wegen seiner komparativen Kostengünstigkeit, sehr wohl zu decken sei (2a).

Voraussetzung eines qualifizierten Kostenvergleichs von E-Learning und seminaristischen Weiterbildungsformen ist ein Überblick über die Teilkosten, aus denen die Weiterbildungskosten sich zusammensetzen. Zu-nächst einmal ergibt sich eine grobe Strukturierung durch die Unterschei-dung von unmittelbaren und mittelbaren Kosten.

• Unmittelbar heißen jene Kosten, die direkt aus der Durchführung einer Bildungsmaßnahme resultieren, alle Ausgaben also, zu denen es ohne diese Maßnahme nicht käme. Dazu gehören zunächst und vor allem die Kosten, die durch den Einkauf aller erforderlichen – sachlichen und personellen – Elemente der Bildungsaktivität anfallen. Sie variieren stark mit dem Maß-nahmetyp.

• Mittelbare Kosten würden als laufende betriebliche Kosten auch dann anfallen, wenn keine Bildungsaktivitäten stattfänden, sind diesen jedoch zuzurechnen, weil die daran beteiligten Mitarbeiter und sachlichen Ele-mente der betrieblichen Leistungserstellung, die für die Qualifizierungs-maßnahme benötigt werden, anderweitig nicht zur Verfügung stehen (Aus-fallkosten, anteilige Abschreibungen).

• Bei den Kostenvergleichen, die konkreten Entscheidungen für betriebli-che Bildungsaktivitäten vorausgehen, werden die mittelbaren Kosten manchmal nur ungenügend berücksichtigt. 1986 kam eine Studie des Bun-desinstituts für Berufsbildung (BIBB), die auf Befragungen von über hun-dert weiterbildungsaktiven Betrieben aus den Branchen Chemie, Maschi-nenbau, Metall-, Elektro- und Textilindustrie beruhte, zu dem Ergebnis, dass 71,6 Prozent der gesamten Weiterbildungskosten Ausfallkosten und nur 28,4 Prozent unmittelbare Weiterbildungskosten waren.18

18 V. Bardeleben/Böll/Kühn, 1986

21

In beiden Gruppen differenzieren sich die Kosten weiter nach Personal- und Sachkosten. Die unten stehende Tabelle listet die Kostenarten im Ein-zelnen auf und verbindet die Benennung der Kostenpositionen bei der Durchführung von Seminaren19 mit einer Gegenüberstellung von E-Learning und Seminar. Die rechte Spalte charakterisiert knapp die Verän-derungen, die sich bei E-Learning im Vergleich zum Seminar ergeben. Po-sitionen, bei denen E-Learning deutliche Kostenvorteile mit sich bringt, sind hervorgehoben. Dabei wird eine punktuelle Nutzung externer E-Learning-Angebote unterstellt (wie sie vor allem für die ‚erste Welle’ in-ternetgestützten Lernens typisch war). Kosten für den Aufbau eines Unter-nehmens-Intranets, für die Anschaffung von Hardware, für Serverpro-grammierungen, Anschaffung und Implementation von Lernplattformen sind nicht berücksichtigt.

Lernen weiterzubildende Mitarbeiter zu Hause, ergibt sich nochmals ei-ne veränderte Situation: Es kann erforderlich werden, dass das Unterneh-men PCs bereitstellt. Gelegentlich werden auch Zuzahlungen zu den priva-ten Verbindungsgebühren oder zur Nachrüstung privater Arbeitsplatzrech-ner vereinbart.

Abbildung 3 Vergleich der einzelnen Kostenpositionen bei traditionellem Seminar und E-Learning Kostenart E-Learning im Vergleich zum Se-

minar

Unmittelbare Weiterbildungskosten

Personalkosten

Bedarfserhebung Kann aufwändiger sein

Konzepterstellung Kann aufwändiger sein

Seminardurchführung Entfällt bei Selbstlernlösungen

Nachbereitung Entfällt bei Selbstlernlösungen

19 In Anlehnung an Olesch, 1988, 103ff.

22

Gehälter innerbetrieblicher Lehr-kräfte inkl. Personalzusatzkosten

Entfallen bei reinen Selbstlernlö-sungen

Eventuelle Teilnehmerlöhne und –gehälter inkl. Personalzusatzkosten bei Weiterbildungen außerhalb der regulären Arbeitszeit

Kein durch die Weiterbildungsform bedingter Unterschied

Anteilige Personal- und Personalzu-satzkosten der Personal- oder Bil-dungsabteilung

Fallen auch bei E-Learning an

Eventuelle Personal- und Personal-zusatzkosten für Ersatzkräfte

Entfallen im Normalfall (Lernen ar-beitsplatznah/in der Freizeit)

Sachkosten

Lehr- und Lernmittel Deutlich höhere Kosten (Medien-entwicklung, Lizenzen, ggf. Learn-ing Management System)

Gerätetransport und -miete Entfallen bei Nutzung von Arbeits-platzrechnern

Reisekosten für Trainer Entfallen

Reisekosten für Teilnehmer Entfallen

Unterkunft und Verpflegung für Trainer

Entfallen

Unterkunft und Verpflegung für Teilnehmer

Entfallen

Raumkosten Entfallen bei Lernen am Arbeits-platz; ggf. für Lernstationen

Anteilige Sachkosten der Personal- oder Bildungsabteilung

Fallen auch bei E-Learning an

Mittelbare Weiterbildungskosten

Personalkosten

Teilnehmerlöhne und -gehälter inkl. Personalzusatzkosten bei Weiterbil-dung innerhalb der regulären Ar-beitszeit

Oft deutlich reduziert – vor allem wenn die Einführung von E-Learning mit einer Verlagerung (von Teilen) der Weiterbildung in die Freizeit der Mitarbeiter verbun-den wird

23

Sachkosten

Abschreibungskosten für Räume, anteilig berechnet

Für Arbeitsraum

Abschreibungskosten für Geräte und Maschinen, anteilig berechnet

Für Arbeitsplatzrechner

Die fünf Positionen mit den klaren Kostenvorteilen für die neuen Lern-medien waren es in der Tat, die stets die betriebswirtschaftlich ausgerichte-te Argumentation für E-Learning bestimmt haben. So wurde für die Frei-stellungskosten ein „Korrekturfaktor“ von 0,5 beim „learning on the job“ gegenüber dem Seminar behauptet.20 In jedem Fall werden An- und Abrei-sezeiten eingespart. Weitere Einsparungen bei den Freistellungskosten können sich durch die Verlagerung von Lernphasen in die Freizeit der Mit-arbeiter ergeben. Sie wird jedoch durch die Einführung von E-Learning al-lenfalls begünstigt. Sie hat ihren Grund nicht in den genutzten Medien und ließe sich ähnlich auch bei traditionellen Formen wie dem klassischen Fernunterricht, aber auch bei seminaristischen Weiterbildungen realisieren.

Will man ein objektives Bild von den komparativen Kosten von Prä-senzseminar und mediengestütztem Lernen erhalten, gilt es insbesondere, die Kostenentwicklung bei wachsenden Teilnehmerzahlen zu betrachten.

(1) Beim Präsenzseminar ist die Höhe der zu tätigenden Vorschüsse stark domänenabhängig. Entsprechend dem Charakter der zu vermittelnden Kenntnisse und Fertigkeiten sind Lern-Arbeitsmittel zu beschaffen – von der Seminarraum-Ausstattung bis hin zur Einrichtung von Lehrwerkstätten und von Übungsfirmen. Die Personalkosten sind weitgehend von der Teil-nehmerzahl abhängig. Grundsätzlich gilt bei lehrgangsförmigen Angebo-ten: Je größer die Zahl der durchgeführten Seminare, desto höher der Auf-wand für Personal- und Sachkosten. Dabei sind die nötigen Vorschüsse oft im Vorfeld der jeweiligen Maßnahme für relativ kurze Zeit zu tätigen. Zu einer gewissen Senkung der Umlaufgeschwindigkeit hat erst die allgemei-

20 Keller, 2002, 153

24

ne Tendenz zur Technisierung von Seminaren und Trainings geführt, die bereits vor der PC-Ära einsetzte. Zum Mobiliar des Seminarraums traten Overhead-Projektor und Video hinzu. Für die Einrichtung eines Sprachla-bors waren bereits hohe investive Kosten zu veranschlagen.

(2) Da die Bezahlung des „Content“ beim Zukauf von Lernmedien über die Lizenzgebühren erfolgt, steigen hier die Kosten anders als beim Prä-senzseminar nicht proportional zu den Teilnehmerzahlen. Dies gilt ledig-lich für die (im Umfang allerdings gegenüber Präsenzlösungen reduzier-ten) Freistellungskosten. Die Gesamtkosten können beim E-Learning bei einer maximalen Teilnehmerzahl von zehn Personen durchaus noch höher sein als bei Präsenzseminaren. Allerdings wird sich das Verhältnis schon bei 50 bis 100 Teilnehmern signifikant verschieben.

(3) Beim Aufbau einer vollständigen autonomen E-Learning-Struktur (Server, breitbandiger Zugang, Learning Management System und eigener Content) steht, unabhängig vom Lehrgegenstand, erheblichen Vorschüssen in der Initialisierungsphase ein vergleichsweise geringer Pflegeaufwand in der Folgezeit gegenüber: Der Return on Investment wird erst bei größeren Teilnehmerzahlen erreicht. Gewinne stellen sich über Skaleneffekte ein. (Abbildung 4 stellt die typischen Kostenentwicklungen dar. Es kommt da-bei weniger auf die angegebenen absoluten Zahlen an, die stark von Inhal-ten, Anforderungen und Rahmenbedingungen abhängen, als auf die Ver-laufsmuster, die durchaus Allgemeinheit für sich beanspruchen können.)

E-Learning bringt für Unternehmen vor allem dann deutliche Kosten-vorteile, wenn gleicher Lernbedarf bei einer Vielzahl von Mitarbeitern be-steht, so dass die Weiterbildung mit einem standardisierten Produkt bestrit-ten werden kann. Dies wird zwar in kleinen Betrieben selten der Fall sein. (Hier kann die räumliche und zeitliche Flexibilität der Lernform externe E-Learning-Angebote zur – manchmal – einzig praktikablen Weiterbildungs-lösung machen.) Die dargestellten Skaleneffekte treten aber schon bei Teilnehmerzahlen auf, wie sie bereits in mittleren Unternehmen häufig er-reicht werden. Weiterbildungsverbünde ermöglichen es auch kleineren Un-ternehmen, diesen Vorteil zu nutzen.

25

Abbildung 4 Komparative Kosten von E-Learning und Seminar in Abhängigkeit von der Teilnehmerzahl

Teilnehmerzahl

Kosten in T€

70

40

10

500400100

Präsenzseminar

Fremdprodukt:Lizenzen

Kostenentwicklung beim E-Learning im Vergleichzu seminaristischer Weiterbildung

Multimediales Selbstlernprogramm:Produktion und Pflege

Hauptteildes Vor-schussesvor erstemEinsatz

250

Quelle: nach Keller, a. a. O., 152 Betriebspädagogische Ziele I: Problematische Wirkungsbehauptungen

Wendet man sich der Frage des pädagogischen Nutzens des E-Learnings für Betriebe zu, stößt man unweigerlich auf die weit verbreitete – und in der Werbung der Softwarehäuser allgegenwärtige – Behauptung, der Einsatz von Multimedia führe zu erhöhter Lerneffektivität und –effizienz. Multimedia spreche alle Sinne an, biete jedem Lernertyp etwas und gewährleiste so, dass erforderliche Kenntnisse und Fertigkeiten in kür-zerer Zeit und mit größerer Nachhaltigkeit als beim Einsatz klassischer Lernformen und -medien erworben werden könnten. Lernen mit Multime-dia sei motivierend, weil es Spaß mache und fördere mit der Selbstständig-keit der Lernenden eine für die Wissensgesellschaft unerlässliche individu-elle Disposition.

26

Der Terminus Multimedia ist jedoch keineswegs frei von Zweideutig-keiten. Er wird unter anderem verwendet, um die Eigenschaft der Interak-tivität von Lernprogrammen, die Integration verschiedener Medien, Kom-binationen verschiedener Sinnesmodalitäten (visuell – auditiv) oder Codie-rungsformen (Bild – Text) bzw. den wahlfreien Zugang zu unterschiedli-chen Varianten solcher Kombinationen zu bezeichnen.21 Über diese Eigen-schaften hinaus haben in der Literatur der Einsatz von Bewegtbildern und die Adaptivität bzw. Adaptierbarkeit von Lernprogrammen besondere Be-achtung gefunden. Schon diese Binnendifferenzierung des Begriffs lässt an der Seriosität all jener Wirkungsbehauptungen zweifeln, die „multimedia-lem Lernen“ ohne nähere Qualifizierung einen bestimmten Effekt zu-schreiben.

Besonderer Verbreitung erfreut sich die Auffassung, eine erhöhte Lern-effizienz sei auf den Umstand zurückzuführen, dass Multimedia alle Sinne anspricht. Letzteres ist – man muss wohl sagen: zum Glück – nicht der Fall. Multimodalität beim E-Learning beschränkt sich auf Gehör und Ge-sichtssinn. Es geht beim Einsatz von Tastatur und Maus mit taktilen Emp-findungen einher, die jedoch in der Mehrzahl der Fälle nicht lernrelevant werden. (Immerhin zielen manche Simulationen – auch oder vor allem – auf die Schulung der Feinmotorik.) Zu einiger Berühmtheit hat es schließ-lich die Behauptung gebracht, es gebe eine eindeutige Hierarchie der Wirksamkeit von Lernaktivitäten und genutzten Sinnesmodalitäten, die vom Lesen als der untersten Stufe über das Hören, das Sehen, die Verbin-dung beider und das Nacherzählen bis ‚hinauf‘ zum Tun reiche. Sie wird oft mit einer eindeutigen Quantifizierung verbunden und dann grafisch et-wa folgendermaßen dargestellt:

21 Weidenmann, 1997

27

Abbildung 5 Multimodalität. Problematische Wirkungsbehauptungen

90 %

70 %

50 %

30 %

20 %

10 %

Tun

Nacherzählen

Hören und Sehen

Sehen

Hören

Lesen

Naive Annahmen über die Wirkung von Sinnesmodalitäten und Lernaktivitäten auf das Behalten

Quelle: nach Weidenmann, 1997, 68

Die verschiedenen an der Rezeption des Lernmediums beteiligten Sinne werden hier als selbstständig zum Lernerfolg beitragende Faktoren aufge-fasst, deren Effekte sich addieren:

Erfolgsquote des Hörens (20 Prozent)

+ Erfolgsquote des Sehens (30 Prozent)

Erfolgsquote der Kombination (50 Prozent)

Multimediale Angebote erscheinen insofern als besonders lerneffizient, als sie weit reichende Möglichkeiten der Multimodalität bieten. Diese Auf-fassung ist vielfach als naiv kritisiert worden.22 Sie ist in dieser Form nicht empirisch belegt und in ihrer Allgemeinheit sicher auch nicht belegbar. Sie lässt das Verhältnis der verschiedenen vom Lernmedium geforderten Lern-

22 Z. B. Ballstaedt, 1990; Weidenmann, 1997

28

aktivitäten außer Betracht, das jedoch erwiesenermaßen von entscheiden-der Bedeutung ist. Sind etwa bei einer Kombination von Bild und erläu-terndem Hörtext die Elemente inhaltlich nicht korrekt aufeinander abge-stimmt (Text-Bild-Schere), so addieren sich die Effekte nicht nur nicht, sondern der Lerner wird verwirrt: Die Verbindung von Bild-Sehen und Text-Hören wirkt kontraproduktiv.23 Betriebspädagogische Ziele II: Vielfalt der Potenziale

Eine tragfähige Zieldefinition von E-Learning in der betrieblichen Bil-dungsarbeit ist auf der Grundlage generalisierender Effizienzbehauptungen nicht möglich. Es gilt, multimediale Lern-Anwendungen in dem Instru-ment-Charakter zu begreifen, der ihnen im Kontext individueller Kompe-tenzentwicklungsprozesse im betrieblichen Umfeld zukommt. Die Funkti-on der Lernmedien definiert sich dann aus den vielfältigen Bezügen zum Arbeitshandeln, die sie einzugehen vermögen. Insbesondere haben sie sich als flexible Hilfsmittel eines Lernens zu bewähren, das in enger Anbin-dung an Arbeitsanforderungen und -kontexte und im fließenden Wechsel zwischen Arbeiten und Lernen stattfindet.24 E-Learning zählt hierfür unter den Bedingungen weitgehend informatisierter Arbeit zu den Mitteln der Wahl.

Wenn hier abschließend versucht wird, die Ergebnisse exemplarischer Lernmedien-Analysen25 in einer Typologie der Lernmedien nach Bildungs-zielen zusammenzufassen, erhält dieser Gesichtspunkt der Ermöglichung (der Sache nach) arbeitsnahen und (räumlich und zeitlich) arbeitsintegrier-ten Lernens besonderes Gewicht. Mindestens fünf Idealtypen lassen sich unterscheiden (zwischen denen selbstverständlich fließende Übergänge be-stehen).

23 Weidenmann, 1997 24 Severing, u. a., 2001, 75ff. 25 Reglin/Hölbling, 2003 und 2004

29

Abbildung 6 Typologie elektronischer Lernmedien nach Zielsetzungen Typus Charakteristika

Informationstool offene Struktur, freier Zugriff; Bereitstel-lung von Praxisinstrumenten; „Nach-schlagemodus“

Modularisiertes Lernsystem Pluralität der Lernwege; systematisch o-der ad hoc nutzbar; Selbstlernkompetenz für Selektion und Transfer erforderlich

Systematische Einführung Sequenzialisierung aufgrund der Stoff-Systematik; Rückbezug aufs Arbeitshan-deln erforderlich

Übungstool Sequenzialisierung aufgrund praktischer Problemstellungen; Strukturanalogie bis hin zur Identität; Simulationscharakter; Einübung von Routinen z. B. bei Anwen-dungssoftware

Plattform zur kollaborativen Problembearbeitung

Unterstützung von Problem-Bearbeitung; Kommunikationstool

Informationstool

Bei diesem Software-Typ ist die Bereitstellung von Informationen, Ar-beitsmitteln und Hilfen für den raschen Zugriff das zentrale Ziel. Der Schwerpunkt liegt auf der raschen und bequemen Zugänglichkeit erforder-lichen Wissens. Dieser Typ setzt für seinen sinnvollen Einsatz einen be-reits in hohem Maße kompetenten Lerner voraus. Der offenen Strukturie-rung entspricht eine hohe Entscheidungsfreiheit beim Zugriff auf interes-sierende Themen und Verfahrensweisen. Lexikalische Komponenten und unmittelbar einsetzbare Praxistools (Checklisten, Formulare) stehen zur Verfügung. Die vorrangig genutzten technischen Potenziale elektronischer Lernmedien sind: Möglichkeiten der Bereitstellung großer multicodaler In-formationsmengen, verbunden mit leicht handhabbaren Rechercheinstru-menten (Suche nach Schlagwörtern und Volltextsuche).

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Modularisiertes Lernsystem

Dieser Lernsoftware-Typ unterstützt punktuelle Zusatzqualifizierungen. Voraussetzung dafür ist die Modularisierung der Inhalte. Das Lernen voll-zieht sich in partieller Loslösung vom Arbeitshandeln. Die Lerninhalte werden nach Möglichkeit multicodal (in Text und statischem und beweg-tem Bild) und multimodal (für Auge und Ohr) aufbereitet. Die Lernenden werden zu eigener Aktivität angeregt. Tools dieser Art sind sowohl zur praxisnahen Unterstützung der Arbeit an situativ auftretenden Problemen einsetzbar als auch zur weitgehend selbstorganisierten Zusammenstellung individuell nutzbarer ‚Lernpakete’.

Systematische Einführung

Dieser Typ stellt dem Lerner – in weitgehender Emanzipation von den Problemlagen des Arbeitsplatzes – vorstrukturierte Wege für den Erwerb neuer Kenntnisse und Fertigkeiten zur Verfügung: Es geht um die systema-tische Erarbeitung neuer Themenbereiche. Der Lernprozess macht eine gewisse geistige – vielleicht auch die räumliche – Distanzierung von Ar-beits- und Anwendungssituationen erforderlich. Kontinuität des Lernens ist gefragt. Der Rückbezug der so erworbenen Kompetenzen auf reale Kon-texte ist vom Lerner erst noch herzustellen. Die technischen Potenziale von E-Learning werden hier genutzt, um

• individuelle Lernprozesse durch die systematische Erhebung und Proto-kollierung ihres Verlaufs zu unterstützen (automatisierte „Lerntagebü-cher“ etc.),

• den Lernenden individuelle Zugänge zu den vermittelten Inhalten zu ermöglichen und

• individualisiertes Lernen mit kommunikativen Prozessen zu verbinden (Lernender – Dozent, peer to peer).

Übungstool

Dieser Typ sucht die Nähe zu realen bzw. arbeitsplatznahen Problemsi-tuationen. Die Software kann vom Lerner kontinuierlich abgearbeitet, aber

31

auch für konkrete Problemlösungen im Prozess der Arbeit eingesetzt wer-den, weil Lern- und Arbeitsmittel eine hohe Strukturanalogie – bis hin zur Identität – aufweisen. Ziel ist der Aufbau von Handlungskompetenz im Lernprozess. Inwieweit er sich erreichen lässt, ist stark domänenabhängig. Beispiele sind alle unmittelbar computerbezogenen oder computersimu-lierbaren Verrichtungen. An erster Stelle steht dabei – wegen der Koinzi-denz von Lernmittel und –gegenstand – die Arbeit mit Anwendungssoft-ware. Auch einige Aspekte des Sprachenlernens sind zu nennen.

Plattform zur kollaborativen Problembearbeitung

Dieser Typ stellt für den in hohem Maße selbstorganisierend tätigen Lerner eine Art Coaching bei der Lösung komplexer, auf den konkreten sozialen Kontext bezogener Probleme zur Verfügung. Der hohe Komplexi-tätsgrad der Probleme lässt kommunikative Unterstützung geboten schei-nen. Die Software übernimmt in erster Linie die Rolle einer Kommunikati-onsplattform. Die an den Kommunikationsprozessen Beteiligten – oft Ex-perten, die mit komplexen Aufgaben befasst sind – unterstützen sich wech-selseitig durch nützliche Informationen, anregende Fragen und Hinweise zur Problemlösung.

Bei den fünf beschriebenen Software-Typen stehen jeweils unterschied-liche Potenziale der neuen Medien im Vordergrund: Einmal werden vor al-lem die Möglichkeiten zeitlich und räumlich entgrenzter Kommunikation genutzt, ein anderes Mal werden kognitive Prozesse durch die multicodale Aufbereitung von Lerninhalten unterstützt. Andere Zielsetzungen – und entsprechend andere technische Eigenschaften der neuen Medien – stehen im Vordergrund, wenn große Informationspools mit intelligenten Suchin-strumenten verknüpft werden – etc.

Qualitätssteigerungen im E-Learning sind künftig nicht zuletzt von ei-ner Feinabstimmung der Potenziale elektronischer Lernmedien mit den be-triebspädagogischen Zielen zu erwarten, aus denen sich ihr Einsatz be-gründet.

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Helmut E. Klein:

E-Learning in der betrieblichen Praxis. Ergebnisse einer Unternehmensbefragung in der Metall- und Elektro-Industrie

Ziele der Unternehmensbefragung

Ausgehend von den Informationsdefiziten der Unternehmen hinsichtlich der Verfügbarkeit sowie den individuellen, didaktischen, organisatorischen und technischen Voraussetzungen26 ergeben sich eine Reihe von Fragen, die für den Einsatz von E-Learning in Unternehmen der Metall- und E-lektro-Industrie relevant sein können.

So stellt sich die Frage, inwieweit E-Learning ein Aspekt in der betrieb-lichen Arbeits- und Lernkultur der Metall- und Elektro-Industrie ist. Unter betrieblicher Arbeits- und Lernkultur werden hier alle Maßnahmen der Personal- und Organisationsentwicklung – integriert in Arbeitsabläufe – verstanden, die Lernprozesse im Betrieb ermöglichen und fördern und die Motivation der Mitarbeiter erhöhen, sich zu qualifizieren. Im Blickfeld stehen dabei die Unternehmensbereiche und Lernorte, an denen E-Learning zum Einsatz kommt. Eine aufschlussreiche Information ist auch von der Frage zu erwarten, auf welche Weise sich Betriebe Zugang zu CBT- und WBT-Offerten verschaffen, und ob diese Wege den idealen In-formationsquellen entsprechen. Damit verknüpft ist die Frage, inwieweit Informationen und Know-how im Umgang mit E-Learning die Einschät-zung der künftigen Bedeutung von E-Learning beeinflussen.

26 Vgl. Adolf Grimme Institut/Michel Medienforschung und Beratung/Institut für Medien und Kommunikation, 2001: Web Based Training in kleinen und mittleren Unternehmen. Rahmenbedingungen für erfolgreiche Anwendungen, Studie im Auftrag der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, 30 ff.; Institut der deutschen Wirtschaft Köln – IW-Consult GmbH: Projekt: E-Learning und Inter-netportale, Abschlussbericht vom 31. Januar 2002; Arbeitgeberverband Gesamt-metall (Hrsg.): E-Learning – Zukunft des Lernens. Anwendungsmöglichkeiten elektronischer Lernprogramme in der M+E-Industrie, Köln

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Weiteren Klärungsbedarf wirft die Frage nach den Motiven auf, CBT und WBT in die betriebliche Lernkultur zu integrieren, welche Kosten da-bei entstehen, vor allem aber welchen Nutzen die Unternehmen im E-Learning – etwa im Vergleich zu traditionellen Aus- und Weiterbildungs-formen – sehen. Schließlich soll auch geklärt werden, welche unterstüt-zenden Maßnahmen (Information, Beratung, Lernportale usw.) die Betrie-be beim Umgang mit E-Learning insbesondere von Verbänden erwarten. Die Ergebnisse der Unternehmensbefragung lassen Rückschlüsse zu, wel-che Erwartungen die M+E-Unternehmen an ihre Verbände in Bezug auf computergestütztes Lernen stellen.

Durchführung der Unternehmensbefragung

Die Untersuchung wurde mit Hilfe einer schriftlichen Befragung durch-geführt. Den dazu benötigten Fragebogen entwickelte das IW Köln in Ab-sprache mit Verbänden der Metall- und Elektro-Industrie. Um zu aussage-kräftigen Daten zu gelangen, zielte die Umfrage auf eine Vollerhebung der gesamten M+E-Branche mit rund 6.100 Mitglieds-Unternehmen. Die Un-ternehmensbefragung selbst wurde mit Unterstützung der M+E-Verbände durchgeführt. Die Befragung dauerte von September bis Jahresende 2002. In die Auswertung konnten insgesamt 426 verwertbare Fragebögen einbe-zogen werden.

E-Learning in der betrieblichen Praxis – Umfang und Strukturen

Der Einsatz von E-Learning im Betrieb

Im Jahr 2002 setzten von allen befragten Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie 24,5 Prozent elektronisches Lernen zur Weiterbildung ih-rer Mitarbeiter ein. Dieser Wert entspricht in etwa dem Einführungsstand von E-Learning in anderen Branchen.27

27 Armin Töpfer, 2002, Blended Learning – Standards gegen Kostendruck, in:

Personalwirtschaft, 29. Jg. Sonderheft E-Learning 11, 10 f.

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Beim Vergleich des Einsatzes von E-Learning mit der Qualifikations-struktur der Mitarbeiter zeigt sich, dass es zwischen diesen beiden Fakto-ren keinen signifikanten Zusammenhang gibt. Die unterschiedliche Aus-prägung der Qualifikationsprofile der Mitarbeiter liefert insofern keine Begründung dafür, weshalb Betriebe E-Learning in ihrer Weiterbildung anbieten oder nicht. Ein deutlicher Zusammenhang lässt sich dagegen zwi-schen Unternehmensgröße und dem Einsatz von E-Learning nachweisen. Größere Unternehmen setzen demnach häufiger als kleine Unternehmen E-Learning ein. Tabelle 1 E-Learning im Betrieb nach Betriebsgröße Anteile der Unternehmen in Prozent, die auf die Frage „Setzen Sie in Ih-rem Unternehmen E-Learning zur Weiterbildung ein?“ antworteten mit:

Betriebsgrößenklassen Ja Nein Insgesamt in Prozent aller Befragten

bis 49 Mitarbeiter 3,9 18,1 6,6

50 bis 99 Mitarbeiter 9,7 20,0 13,7

100 bis 249 Mitarbeiter 9,7 25,4 11,1

250 bis 499 Mitarbeiter 15,5 17,1 22,9

500 bis 999 Mitarbeiter 11,7 9,5 28,6

1.000 und mehr Mitarbeiter 49,5 9,8 62,2 Insgesamt 100 100 24,5

Ein deutlicher Zusammenhang ist auch in Bezug auf die Branchenzuge-hörigkeit zu sehen. Danach werden in IT-nahen Branchen, in Unternehmen mit computerunterstützter und –gesteuerter Fertigung und Dienstleistung elektronische Lernformen häufiger eingesetzt als in anderen M+E-Branchen.

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Tabelle 2 E-Learning im Betrieb nach Betriebsgröße So viel Prozent der befragten Unternehmen antworteten auf die Frage „Setzen Sie in Ihrem Unternehmen E-Learning zur Weiterbildung ein?“ mit „Ja“:

Automobilbau/-zulieferer 42,4

Elektrotechnik 37,5

Luft- und Raumfahrzeugbau 36,4

Feinmechanik 33,3

Büromaschinen 33,3

Sonstige 22,2

Maschinenbau 20,9

Stahlbau 20,0

Nichteisen-Metall 16,0

Schmiede-/Stanzteile 16,0

Ziehereien, Kaltwalzwerke 12,5

Gießereien 6,3

Durchschnitt 24,5 Sonstige: einschließlich Oberflächenveredelung, Schneidewaren, Werkzeug; EBM-Waren, Schiffbau, Schienenfahrzeugbau: ohne Nennungen

In neun von zehn der E-Learning-aktiven Unternehmen bildet dabei das Computer Based Training (CBT) den Standard beim computergestützten Lernen. Das bedeutet in der Regel Wissensvermittlung per PC und CD-ROM oder DVD. Gut die Hälfte der Betriebe offeriert auch netzbasiertes Web Based Training (WBT) – bietet also den Mitarbeitern den Zugriff auf die technischen Möglichkeiten des Internets oder von firmeneigenen Intra-nets via Lernprogramme bzw. Online-Kurse. Immerhin zwei von fünf Un-ternehmen mit computergestützten Lernangeboten realisieren das Konzept des ‚Blended Learning‘, das computergestütztes Lernen mit Präsenzsemi-naren, Lernberatung und Tutoring miteinander kombiniert.

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Tabelle 3 E-Learning im Betrieb: Die Formen So viel Prozent der E-Learning-Anwender bieten diese Formen an:

Anwender Unternehmeninsgesamt

Computer Based Training 90,3 21,8

Web Based Training 55,3 13,4

Blended Learning 40,8 9,9

Zur Einordnung dieser Ergebnisse lassen sich weitere Befragungen he-ranziehen. In der repräsentativen IW-Befragung „Weiterbildungserhebung der Wirtschaft 2001“ gaben 32,2 Prozent der Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie an, dass sie in der Weiterbildung Computer Based Trai-ning (CBT) bzw. Lernen offline am PC anbieten. Für das so genannte Web Based Training (WBT) bzw. Lernen im Internet konnte eine Beteiligungs-quote der Metall- und Elektro-Industrie von 13,3 Prozent ermittelt werden. Mit diesen Werten liegt die Metall- und Elektro-Industrie im Trend der Gesamtwirtschaft (CBT: 29 Prozent, WBT: 12,9 Prozent)28. Bei einer wei-teren vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln durchgeführten Unter-nehmensbefragung „Investive Arbeitszeitpolitik“ gaben insgesamt 19 Prozent der bundesweit befragten Unternehmen aller Branchen 2002 an, dass sie E-Learning im Betrieb durchführen29.

Im Jahr 2002 befragte das Fraunhofer Institut Arbeitswirtschaft und Or-ganisation ausschließlich kleine und mittlere Unternehmen in unterschied-lichen Wirtschaftszweigen (u. a. Verarbeitendes Gewerbe, unternehmens-

28 Reinhold Weiß, 2003, Betriebliche Weiterbildung 2001 – Ergebnisse einer

IW-Erhebung, in: iw-trends, Vierteljahreszeitschrift zur empirischen Wirt-schaftsforschung, 30 Jg., Nr. 1, S. 35 - 43

29 Christiane Flüter-Hoffmann, Peter Janßen, Hartmut Seifert: Investive Arbeits-zeitpolitik – Ansätze für eine Verbindung von Arbeitszeitpolitik und berufli-cher Weiterbildung. Projektabschlussbericht, Köln/Düsseldorf, URL: http://www.arbeitszeiten.nrw.de/b4-1-4f.htm

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nahe, öffentliche und private Dienstleister, Banken und Versicherungen) zum Einsatz von Medien und mediengestützten Lernformen in der betrieb-lichen Weiterbildung30. Danach gaben rund 14 Prozent der befragten Un-ternehmen an, Tele-/E-Learning selbst einzusetzen. Werden zum Vergleich ausschließlich die bei der IW-Befragung „E-Learning in der betrieblichen Praxis“ erfassten Unternehmen mit bis zu 1.000 Beschäftigten herangezo-gen, dann lässt sich für diese eine Beteiligungsquote an E-Learning von 18,3 Prozent bestimmen.

Der Zugang zu E-Learning im Betrieb

In den Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie, die E-Learning-Angebote bereitstellen, haben im Schnitt 44 Prozent der Mitarbeiter – technisch gesehen – Zugang zu den Formen computergestützten Lernens. Bezogen auf die gesamte M+E-Industrie bedeutet dies, dass zum Befra-gungszeitpunkt – aufgrund der überdurchschnittlich starken Repräsentanz der Großbetriebe – bundesweit 38 Prozent der M+E-Mitarbeiter Zugang zu E-Learning-Angeboten hatten.

Tabelle 4 Zugang zu E-Learning im Betrieb Anteil der Mitarbeiter, die in so viel Prozent der befragten Unternehmen Zugang zu E-Learning haben:

bis zu 10 Prozent der Mitarbeiter 29,0

11 Prozent bis 25 Prozent der Mitarbeiter 12,9

26 Prozent bis 50 Prozent der Mitarbeiter 22,6

51 Prozent bis 75 Prozent der Mitarbeiter 10,8

76 Prozent bis 100 Prozent der Mitarbeiter 24,7

Insgesamt 100,0

30 Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, 2002: e-

Qualifikations-TV „eQTv“ Potenzialstudie, Management Report Teil 1: Lern-bedarf kleiner und mittlerer Unternehmen, 13

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Ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Qualifikationsprofilen der Mitarbeiter und den Zugriffsmöglichkeiten auf E-Learning ist dabei nicht erkennbar.

Computergestütztes Lernen findet vor allem in kaufmännischen Unter-nehmensbereichen statt. In der Regel besteht in vier von fünf Unterneh-men, die E-Learning praktizieren, die Möglichkeit, sich dort mit Hilfe des Computers fortzubilden – also in der Verwaltung, der Buchhaltung, im Controlling, aber auch im Einkauf und Verkauf, im Vertrieb und im Mar-keting. In Forschung und Entwicklung halten 57 Prozent der E-Learning-aktiven Betriebe entsprechende Lernoptionen bereit, jedes zweite Unter-nehmen realisiert dies auch in der Produktion. Ein signifikanter Zusam-menhang zwischen Unternehmensgröße und der Intensität des Einsatzes von E-Learning in den einzelnen Unternehmensbereichen lässt sich aller-dings nicht nachweisen.

Tabelle 5 E-Learning im Betrieb: Die Unternehmensbereiche Unternehmen in Prozent (Mehrfachnennungen):

Verwaltung/Buchhaltung/Controlling 80,9

Einkauf/Verkauf/Vertrieb/Marketing 77,7

Forschung und Entwicklung 57,4

in Produktion/Arbeitsorganisation 51,1

Computergestütztes Lernen in der Metall- und Elektro-Industrie bedeu-tet in der Regel unmittelbares Lernen mit dem PC am Arbeitsplatz. Für neun von zehn E-Learning-Anwendern ist die Weiterbildung mit compu-tergesteuerten Lernangeboten am Arbeitsplatz demnach offenkundig Teil der betrieblichen Lernkultur. Gut zwei von fünf Betrieben mit E-Learning-Angeboten unterstützen das Weiterbildungsinteresse ihrer Mitarbeiter, in dem sie für die Mitarbeiter einen PC bzw. die Lernsoftware fürs häusliche Arbeitszimmer bereitstellen. Auch hier lässt sich kein signifikanter Zu-

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sammenhang zwischen Unternehmensgröße und den Lernorten erkennen. Ausnahme: In Betrieben mit mehr als 500 Mitarbeitern ist die Wahrschein-lichkeit eines arbeitsplatznahen Zugangs zu computergestützten Lernange-boten deutlich größer als in kleineren Betrieben.

Tabelle 6 E-Learning im Betrieb: Die Lernorte An diesen Lernorten bieten so viel Prozent der Unternehmen ihren Mitar-beitern Zugang zu E-Learning:

Anwender M+E-Betriebe insgesamt

am Arbeitsplatz 88,0 21,7

Bereitstellung eines PC/Software zu Hause 43,5 10,6

arbeitsplatznah 40,2 9,9

bei externen Bildungsanbietern 27,2 6,6

Zur Standard-Ausstattung computergestützter Qualifizierung gehört in zwei von drei M+E-Unternehmen mit E-Learning-Angeboten, dass die PCs sowohl einen Internetzugang als auch einen Intranet-Zugang ermöglichen. Dies trifft insbesondere auf die PCs in Einkauf, Verkauf, Vertrieb, in For-schung und Entwicklung sowie in der Verwaltung zu. In der Produktion und Arbeitsorganisation leistet dies nur knapp jeder zweite Computer. In jedem sechsten Unternehmen bedeutet E-Learning ausschließlich Lernen via Intranet, in jedem achten Unternehmen surfen die Mitarbeiter durchs Internet oder loggen sich dort in Online-Kurse ein.

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Tabelle 7 E-Learning im Betrieb: Die PC-Ausstattung So viel Prozent der PC‘s verfügen über diese Anforderungen:

PCs in Produk-tion, Ar-

beitsor-ganisa-tion

PCs in Ein-kauf, Ver-kauf, Ver-trieb

PCs in Verwal-tung

PCs in FuE

Insge-samt

Inter- und Intranet 45,9 72,2 68,4 71,3 65,1

Intranet 41,2 10,0 13,7 12,5 17,0

Internet 9,4 14,4 14,7 12,5 13,0

nur stationär 8,2 1,1 1,1 1,3 2,9

Intranet und stationär 4,7 1,1 1,1 1,3 2,0

Erfahrungen und Kenntnisse über E-Learning im Betrieb

Voraussetzung der Entfaltung von betrieblichen Lernaktivitäten, die sich auch auf CBT und WBT stützen, sind Kenntnisse der Ausbildungs- und Weiterbildungsverantwortlichen über die organisatorischen, techni-schen, qualifikatorischen und personellen Bedingungen zur Realisierung computergestützten Lernens. So sind beim Aufbau und der Integration von E-Learning-Anwendungen in die betriebliche Lernkultur neben betriebsor-ganisatorischen Bedingungen auch die technischen Voraussetzungen zu prüfen und in die Einsatzkonzepte zu integrieren. Zu berücksichtigen ist ebenso, dass die bloße Verfügbarkeit von Lernprogrammen nicht automa-tisch zu den betrieblich gewünschten Qualifikationen führt. CBT und WBT in den Betrieben lediglich als technische Realisierungsmöglichkeit arbeits-platznahen Lernens anzubieten, greift demnach zu kurz. Hier bedarf es der Lern- oder Weiterbildungsberatung der Mitarbeiter, eingebunden in ein Konzept, das sowohl dem betrieblichen Qualifizierungsbedarf als auch den Lernvoraussetzungen des Mitarbeiters entspricht.

44

Dass Kenntnisstand und Erfahrungshorizont der betrieblichen Bildungs-verantwortlichen keinesfalls irrelevant für die Einführung und Nutzung von E-Learning sind, zeigen die folgenden Antworten. So traut sich ein Viertel der Befragten keine Beurteilung der Frage zu, ob und in welchem Umfang in ihrem Betrieb Kenntnisse über Rahmenbedingungen für die er-folgreiche Nutzung von E-Learning vorhanden sind. Ein weiteres Viertel sagt, dass die Kenntnisse über diese Rahmenbedingungen nur in sehr ge-ringem Maße vorhanden sind. Ein weiteres Fünftel der Befragten geht da-von aus, dass das notwendige Wissen für eine erfolgreiche Nutzung von E-Learning im Betrieb nur wenig ausgeprägt ist.

Lediglich jedes achte Unternehmen ist der Meinung, dass das im Unter-nehmen verfügbare Know-how zum computergestützten Lernen ver-gleichsweise hoch oder sehr hoch ist, jedes sechste Unternehmen geht von einem mittleren Kenntnisstand der Bildungsverantwortlichen aus. Dies be-deutet aber nicht zwingend, dass dies mit einer adäquaten Unterstützung durch das Lehrpersonal bei der Initiierung und Begleitung von E-Learning-Prozessen gleichzusetzen ist, auf die es offenkundig ankommt.31

31 MMB Institut für Medien- und Kompetenzforschung/Adolf Grimme Institut,

2003: Zehn aktuelle Trends des E-Learning in der beruflichen Weiterbildung, in: Lernet Report Nr. 6, 17; Fischer, Martin et. al, 2003: E-Learning in der Be-rufsbildungspraxis: Stand, Probleme, Perspektiven, ITB-Forschungsberichte 06/2003, 7

45

Tabelle 8 E-Learning im Betrieb: Das Know-how Auf die Frage: „In welchem Maße sind in Ihrem Unternehmen Kenntnisse über Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Nutzung von E-Learning vorhanden?“ antworteten so viel Prozent der befragten Unternehmen:

Anwender Nicht-Anwender Alle Betriebe Sehr hoch 10,8 2,0 4,3

Hoch 13,7 5,4 7,6

Mittel 26,5 12,9 16,4

Wenig 21,6 20,0 20,4

Sehr gering 10,8 29,8 24,9

Keine Beurteilung 16,7 29,8 26,4

Insgesamt unterscheidet sich der Kenntnisstand über computergestütztes Lernen in Unternehmen, die E-Learning einsetzen, deutlich von den Un-ternehmen, die das nicht tun: So sagen dreimal so viele Unternehmen mit E-Learning-Anwendungen, dass sie über einen hohen bis sehr hohen Kenntnisstand über computergestütztes Lernen verfügen, als jene Unter-nehmen, die kein E-Learning einsetzen. In den Unternehmen, die E-Learning nicht anwenden, fällt deshalb auch der Anteil der nur wenig über die Nutzung von E-Learning informierten Bildungs- und Personalverant-wortlichen mit fast 50 Prozent sehr hoch aus. Allerdings schätzt auch ein Drittel der Befragten unter den E-Learning-Anwendern, dass sich in ihrem Unternehmen das Wissen über eine erfolgreiche Nutzung von E-Learning in Grenzen hält.

Der Zusammenhang zwischen dem Einsatz und dem über E-Learning in den Unternehmen verfügbaren Wissen erweist sich als signifikant. Eine entscheidende Bedingung für die Entwicklung einer betrieblichen Lernkul-tur, die sich auch auf E-Learning-Anwendungen stützt, ist die Verfügbar-keit von Information. Demnach erscheint auch der Zusammenhang von In-formationsdefiziten, der Präferenz von Präsenzschulung und von Akzep-

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tanzverlusten hinsichtlich der elektronischen Lernformen nicht verwunder-lich.32

Bei der Informationsbeschaffung konzentrieren sich die Unternehmen vor allem auf traditionelle Kanäle – etwa auf Hinweise in der Literatur und in der Fachpresse, aber auch auf Anbieter- und Produktinfos. Etwa drei Viertel der Befragten holen sich ihre Informationen aus dem Internet. Zwei Drittel der Unternehmen nutzen die Informationsmöglichkeiten, die ihnen Messen, Fachtagungen, Kammern und Verbände bieten. Auf Datenbanken greift die Hälfte der Befragten zurück. E-Learning-Anwender nutzen aller-dings die vorhandenen Informationswege und die Medien deutlich intensi-ver als Nicht-Anwender. Vor allem die Art und Weise, wie intensiv Litera-tur, Fachpresse, Internetsuchmaschinen, Messen, Fachtagungen sowie Marktanalysen und -berichte genutzt werden, stehen im unmittelbaren Zu-sammenhang mit dem Einsatz von E-Learning in der betrieblichen Praxis.

Tabelle 9 E-Learning im Betrieb: Die Informationsquellen Auf die Frage: „Auf welchem Wege beziehen Sie Informationen über An-bieter und deren Produkte?“ antworteten so viel Prozent der befragten Un-ternehmen (Mehrfachnennungen):

Anwender Nicht-Anwender Alle Betriebe Literatur, Fachpresse 99,0 90,0 92,4

Anbieter-/Produktinfos 93,3 88,8 90,0

Internetsuchmaschinen 83,3 72,4 75,5

Messen/Fachtagungen 77,5 61,4 65,6

Kammern, Verbände 65,9 65,3 65,5

Marktanalysen/-berichte 56,5 36,4 41,9

Datenbanken 50,6 45,8 47,1

32 Cognos GmbH, Institut für Innovationsforschung, Technologiemanagement

und Entrepreneurship, 2002: Akzeptanz von E-Learning

47

Werden die traditionellen Informationsquellen mit den wünschenswer-ten Informationswegen verglichen, so lässt sich zweierlei vermuten.

Erstens. Für besonders wünschenswert erachtet die Mehrheit der Be-fragten eine mehr gleichgewichtige Präferierung der einzelnen Informati-onsquellen. Dies lässt den Schluss zu, dass auf diese Weise eine eher aus-gewogene Informationsbeschaffung über CBT-Produkte und WBT-Anbieter angestrebt wird. Zugleich spiegelt sich darin auch das Informati-onsverhalten der Großbetriebe wieder, die in der Regel ein breites Spekt-rum an Medien nutzen.

Zweitens. Zumindest für einen Teil der Bildungsverantwortlichen in den Betrieben könnte sich die Informationsbeschaffung über computergestütz-tes Lernen auch insofern als ein Problem darstellen, als diese moderne e-lektronische Informationswege zwar vorzugsweise nutzen möchten, der Zugriff darauf aber nicht oder nur eingeschränkt möglich ist.

Tabelle 10 E-Learning im Betrieb: Die bevorzugten Informationsquellen Auf die Frage: „Welche Informationswege würden Sie bevorzugen, wenn dies möglich wäre?“ antworteten so viel Prozent der befragten Unterneh-men (Mehrfachnennungen):

Anwender Nicht-Anwender Alle Betriebe Literatur, Fachpresse 94,7 88,6 90,4

Anbieter-/Produktinfos 86,7 86,6 86,6

Kammern, Verbände 84,7 88,1 87,2

Internetsuchmaschinen 84,7 86,4 86,0

Marktanalysen/-berichte 82,5 59,7 66,5

Datenbanken 78,9 75,9 76,7

Messen/Fachtagungen 75,4 69,0 70,8

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Um sich über E-Learning-Produkte und -Anbieter zu informieren, wür-den es künftig insgesamt 86 Prozent der Befragten vorziehen, auf Internet-suchmaschinen zurückzugreifen. Für wünschenswert erachten es zudem knapp 77 Prozent der Befragten, sich mit Hilfe von Datenbanken über Wissenswertes rund ums E-Learning informieren zu können. (Das Interes-se an diesem Medium erfährt einen Zuwachs – gemessen an der Differenz zwischen Ist-Wert (Tabelle 9) und Soll-Wert (Tabelle 10) – von rund 30 Prozentpunkten.) Auch auf Informationen von Kammern und Verbänden würden die Befragten künftig vorzugsweise zurückgreifen – ein Hinweis, der vermuten lässt, dass die Informationen dieser Organisationen nicht (immer) bei ihnen ankommen oder (noch) nicht den konkreten Informati-onsbedürfnissen entsprechen.

Eine stärkere Inanspruchnahme der unterschiedlichen Informationsquel-len halten vor allem die Nicht-Anwender für wünschenswert. In diesen Un-ternehmen ist offenkundig davon auszugehen, dass eine bedarfsgerechte Informationsbeschaffung aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen nicht gegeben ist.

Lernzeitaufwand und Kosten

Um den Stellenwert von E-Learning in der betrieblichen Weiterbildung beurteilen zu können, wurden die M+E-Betriebe nach dem durchschnittli-chen jährlichen Gesamtaufwand je Teilnehmer an betrieblichen Weiterbil-dungsmaßnahmen befragt. Insgesamt machten bei dieser Frage jedoch nur 73 von 104 Unternehmen, die E-Learning zur Weiterbildung ihrer Mitar-beiter einsetzen, vollständige und damit verwertbare Angaben. Bezogen auf die gesamte Stichprobengröße entspricht dies jedoch nur einem Anteil von 17 Prozent. Die Datenbasis und die sich daraus ergebenden Berech-nungen in Bezug auf Lernzeitaufwand und Kosten können folglich nicht als aussagefähig für die Metall- und Elektro-Industrie angesehen werden. Sie bietet allenfalls ein Schlaglicht auf jene M+E-Betriebe, die besonders weiterbildungsaktiv sind und E-Learning als Weiterbildungsform in ihre betriebliche Lernkultur integriert haben. Es verwundert daher nicht, dass

49

die folgenden Daten zum Teil (siehe: Kosten) von den Werten abweichen, die das Institut der deutschen Wirtschaft Köln in der repräsentativen „Wei-terbildungserhebung der Wirtschaft 2001“ für die Metall- und Elektro-Industrie ermittelt hat. Den durchschnittlichen jährlichen Zeitaufwand je Teilnehmer an betrieblicher Weiterbildung beziffern die 73 M+E-Betriebe mit E-Learning-Anwendungen auf 29 Stunden.

Tabelle 11 E-Learning im Betrieb: Die Lernzeit Durchschnittlicher jährlicher Zeitaufwand je Teilnehmer nach Betriebs-größenklassen – in Stunden:

Betriebsgröße Weiterbildung

insgesamt davon: für E-Learning

bis 499 Mitarbeiter 33,7 10,5

500 und mehr Mitarbeiter 25,9 7,7

Durchschnitt 29,0 8,8

Zum Vergleich: Die IW-Weiterbildungserhebung 2001 ermittelte 21,9 Stunden Lernzeitaufwand je Teilnehmer in der M+E-Industrie – darin ent-halten ist allerdings nicht der Zeitaufwand für das selbstgesteuerte Lernen mit Medien. Zum Verständnis dieser Werte ist zu berücksichtigen, dass sich die aktuell ermittelten 29 Stunden Weiterbildung je Teilnehmer aus-schließlich auf weiterbildungsaktive Unternehmen mit E-Learning-Anwendungen beziehen. Die 21,9 Stunden Lernzeitaufwand je Teilnehmer laut IW-Weiterbildungserhebung basieren dagegen auf der Datenbasis aller von der IW-Erhebung erfassten M+E-Betriebe.

Der durchschnittliche jährliche Zeitaufwand je Teilnehmer an E-Learning betrug 8,8 Stunden – mithin ein knappes Drittel des gesamten Stundenaufwands für Weiterbildung. Bei der Interpretation dieses Wertes sollte gesehen werden, dass selbstgesteuertes Lernen am Computer über-wiegend Lernen ist, das am Arbeitsplatz oder arbeitsplatznah erfolgt. Die

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Erfassung des Zeitaufwandes für computergestütztes Lernen ist daher – im Unterschied zur Erfassung der Beteiligung an Seminaren und Kursen – sta-tistisch gesehen mit einigen Problemen behaftet. Da es dem Mitarbeiter in der Regel freigestellt ist, wann und wie oft er entsprechende Lernsequen-zen bearbeitet, gibt es nur begrenzte Kontrolle des tatsächlichen Lernzeit-aufwands. Angaben zum zeitlichen Umfang des E-Learnings sind daher teilweise Schätzgrößen oder basieren auf dem unterstellten Zeitaufwand, der für die Bearbeitung eines Lernmoduls oder einer Lernsequenz im Rahmen einer Weiterbildungsmaßnahme vorgesehen ist.

Signifikante Zusammenhänge zwischen den Qualifikationsschwerpunk-ten, der Betriebsgröße und dem durchschnittlichen Zeitaufwand je Teil-nehmer für betriebliche Weiterbildung bzw. E-Learning lassen sich nicht nachweisen.

Die in der Umfrage erhobenen direkten Kosten der betrieblichen Wei-terbildung je Mitarbeiter belaufen sich auf 1.187 Euro – einschließlich der indirekten Kosten bedeutet dies überschlägig gerechnet Weiterbildungs-kosten von 2.737 Euro. Bei diesen Angaben ist zu berücksichtigen, dass in der diesen Berechnungen zugrunde liegenden Stichprobe die Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern deutlich überrepräsentiert (Anteil an Stichprobe: 47 Prozent) sind und zu einer starken Verzerrung der Werte führen. So belaufen sich die direkten Kosten je Mitarbeiter in Unterneh-men bis zu 500 Beschäftigten auf 324 Euro, in Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern auf 1.197 Euro. Zur statistischen Bereinigung bietet sich an, die Daten mit der Zahl der in der M+E-Industrie beschäftigten Arbeit-nehmer nach Betriebsgrößenklassen zu gewichten, um die Verzerrung durch die überdurchschnittliche Besetzung der Großbetriebe zu kompen-sieren. Nach diesem Verfahren belaufen sich die direkten Weiterbildungs-kosten je Mitarbeiter auf 699 Euro. Einschließlich der indirekten Kosten sind das – überschlägig gerechnet – 1.669 Euro.

Zum Vergleich dieser Daten die Ergebnisse weiterer Studien: Laut IW-Weiterbildungserhebung 2001 betrugen die gesamten – also die direkten und indirekten – Weiterbildungskosten der Unternehmen je Mitarbeiter in

51

der Metall- und Elektro-Industrie 878 Euro. Die Potenzialanalyse des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation beziffert den so genannten Lerninvest kleiner und mittlerer Unternehmen auf 520 Euro je Mitarbeiter für Bildung und Schulung33. Werden in der IW-Befragung „E-Learning in der betrieblichen Praxis“ ebenfalls nur die Unternehmen mit einer Größe mit bis zu 1.000 Mitarbeitern betrachtet, so lassen sich für diese direkte Weiterbildungskosten je Mitarbeiter von 400 Euro berechnen.

Ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Qualifikationsschwerpunk-ten und den durchschnittlichen direkten Kosten der betrieblichen Weiter-bildung je Mitarbeiter lässt sich allenfalls sehr schwach nachweisen. Als bedeutsame Variable kommt lediglich ein überdurchschnittlich hoher An-teil an Führungskräften in Betracht.

Die direkten Kosten je Mitarbeiter für E-Learning beziffern die Unter-nehmen mit 52 Euro. Deutlich wird dabei, dass größere Unternehmen (500 und mehr Mitarbeiter) mit 53 Euro direkte Kosten je Mitarbeiter etwas mehr in E-Learning investieren als kleinere Unternehmen (bis 499 Mitar-beiter) mit 39 Euro direkte Kosten je Mitarbeiter.

Der betriebliche Nutzen von E-Learning

Die Frage, ob und inwieweit Unternehmen auf E-Learning in der be-trieblichen Weiterbildung zurückgreifen, steht offenkundig in einem erfah-rungsbezogenen Zusammenhang mit den Vorzügen und dem Nutzen, der sich aus dem computergestützten Lernen ergibt. Bei der Einschätzung die-ses Sachverhalts lassen sich die M+E-Betriebe in vier Gruppen einteilen: In eine erste Gruppe von Unternehmen (39,2 Prozent), die dem E-Learning einen hohen bis sehr hohen betrieblichen Nutzen zuspricht, in eine zweite Gruppe von Unternehmen (24,5 Prozent), die dem computergestützten Lernen einen mittleren Wert für den Betrieb bescheinigt und in eine dritte

33 Vgl. Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, 2002: e-

Qualifikations-TV „eQtv“ Potenzialstudie, Management Report Teil II: Ler-ninvest kleiner und mittlerer Unternehmen, 10

52

Gruppe (20,3 Prozent), die E-Learning für die betriebliche Bildungsarbeit nur einen geringen oder sehr geringen Nutzen beimisst. Der vierten Gruppe sind jene Unternehmen zuzurechnen (16 Prozent), die über keine Informa-tionen oder Erfahrungen verfügen, um den Nutzen computergestützten Lernens abschätzen zu können.

Tabelle 12 E-Learning: Der Nutzen der Betriebe Auf die Frage „Welchen Nutzen erwarten Sie in Ihrem Betrieb von E-Learning?“ antworteten so viel Prozent der befragten Unternehmen:

sehr

hoch bis hoch

mittel wenig bis sehr gering

keine Beur-teilung

Lernen bei Bedarf und Gelegenheit 63,2 18,7 8,0 10,1

Schnelle Verfügbarkeit relevanter Informationen 60,9 17,7 11,2 10,2

Stärkung der Eigeninitiative der Mitarbeiter 52,3 22,7 13,5 11,5

Aktualität der Lerninhalte 51,9 19,9 13,9 14,4

Zeitersparnis 46,8 19,8 18,8 14,6

Integration in ein Gesamtkonzept Betriebliche Weiterbildung

39,3 29,3 14,8 16,5

Lernen in der Freizeit 38,4 24,0 23,8 13,8

Kostensenkung 36,6 22,4 22,7 18,2

An Bedürfnissen des Arbeitsplatzes orientiertes Lernen

34,6 28,0 24,2 13,1

Größere Lerneffektivität der Mitarbeiter 24,5 32,0 23,7 19,8

Verknüpfung mit Wissensmanagement 24,3 28,5 22,3 24,9

Entlastung des Bildungspersonals 17,0 23,2 40,1 19,8

Bei der überwiegend positiven Haltung gegenüber E-Learning – rund 64 Prozent aller befragten M+E-Unternehmen erwarten einen mittleren bis sehr hohen Nutzen durch die Anwendung von E-Learning – ist allerdings

53

zu berücksichtigen, dass lediglich ein Viertel der Betriebe E-Learning tat-sächlich anwendet. Offenkundig verfügen nicht wenige Unternehmen über einschlägige Informationen und relevantes Anwendungswissen.

Zum Vergleich: In der Studie des Fraunhofer-Instituts zum Lernbedarf kleiner und mittlerer Unternehmen34 gaben insgesamt nur 40 Prozent der Betriebe an, positive Erfahrungen mit Tele-/E-Learning gemacht zu haben.

Gut drei von fünf Unternehmen erwarten von E-Learning, dass das da-durch gegebene Lernen bei Bedarf und Gelegenheit einen hohen bis sehr hohen Nutzen bringt. Etwa genauso viele halten die schnelle Verfügbarkeit von relevanten Informationen für einen hohen bis sehr hohen Nutzen. Gut die Hälfte der Betriebe sieht den hohen Nutzen in der Stärkung der Eigen-initiative der Mitarbeiter und in der Aktualität der Lerninhalte. Wird bei der Einschätzung der Vorzüge des E-Learnings der unterschiedliche Erfah-rungshorizont der Unternehmen berücksichtigt, so ergibt sich daraus fol-gendes Bild: Rund 86 Prozent der Unternehmen, die über praktische Erfah-rungen verfügen, messen dem elektronischen Lernen bei Bedarf und Gele-genheit eine hohe bis sehr hohe Bedeutung zu – von den Nicht-Anwendern stimmen hier 56 Prozent zu. Zu einer ebenso positiven Einschätzung dieses Aspektes gelangt die von KPMG35 durchgeführte Bestandsaufnahme zum E-Learning in deutschen Großunternehmen. Danach gaben 85 Prozent der befragten Unternehmen an, dass die an den Einsatz von E-Learning gestell-ten Erwartungen in Bezug auf das damit verknüpfte flexible Lernen erfüllt wurden. Zu einer ähnlich hohen Bewertung der Vorteile von E-Learning kommt eine Studie von Mummert + Partner.36

Auch bei der Aussage, E-Learning trage zur Stärkung der Eigeninitiati-ve der Mitarbeiter bei, unterscheiden sich die Meinungen zwischen E-

34 Vgl. Fraunhofer-Institut, Management Report Teil I, a.a.O., 13 35 Vgl. KPMG Consulting AG, MMB Michel Medienforschung und Beratung,

PSEPHOS GmbH, 2001: eLearning zwischen Eurphorie und Ernüchterung. Eine Bestandsaufnahme zum E-Learning in deutschen Großunternehmen, München, 25

36 Vgl. Mummert + Partner Unternehmensberatung AG: E-Learning braucht Nachhilfe, Pressemitteilung vom 25. Juni 2002

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Learningerfahrenen und nicht erfahrenen Unternehmen. Knapp 73 Prozent der Anwender sehen hier einen hohen Nutzen, dem schließen sich aber „nur“ 45 Prozent der Nicht-Anwender an. Die Differenz (von 28 Prozentpunkten) zwischen diesen Werten ist als Hinweis zu verstehen, dass dieser Aspekt noch vielfach unterbewertet wird und bei künftigen Im-plementierungs-Strategien konzeptionell stärker berücksichtigt werden sollte.

Tabelle 13 E-Learning: Der Nutzen der Betriebe Auf die Frage „Welchen Nutzen erwarten Sie in Ihrem Betrieb von E-Learning?“ antworteten so viel Prozent der befragten Unternehmen „sehr hoch bis hoch“:

Anwender Nicht-

Anwender Lernen bei Bedarf und Gelegenheit 85,9 55,5

Schnelle Verfügbarkeit relevanter Informationen 74,3 56,3

Stärkung der Eigeninitiative der Mitarbeiter 72,8 45,4

Aktualität der Lerninhalte 62,7 48,1

Zeitersparnis 61,5 41,7

Integration in ein Gesamtkonzept Betriebliche Weiterbildung

53,9 34,3

An Bedürfnissen des Arbeitsplatzes orientiertes Lernen

51,8 28,9

Kostensenkung 44,2 34,0

Lernen in der Freizeit 46,4 36,0

Verknüpfung mit Wissensmanagement 35,4 20,6

Größere Lerneffektivität der Mitarbeiter 33,0 21,5

Entlastung des Bildungspersonals 25,8 14,0

Dass flexibles computerunterstütztes Lernen auch unter dem Gesichts-punkt Zeitersparnis gesehen werden kann, ist offenkundig. Gut drei von

55

fünf Anwendern sehen darin einen sehr hohen oder hohen Nutzen dieser Lernform – unter den Nicht-Anwendern pflichten zwei von fünf Unter-nehmen diesem Argument bei. In der bereits zitierten KPMG-Studie stim-men sogar 75 Prozent der Befragten diesem Aspekt zu.

Immerhin 54 Prozent der E-Learning-User sieht den Nutzen dieser Wei-terbildungsform darin, diese in ein Gesamtkonzept Betriebliche Weiterbil-dung integrieren zu können. Bei den Unternehmen ohne konkreten E-Learning-Anwendungsbezug vermag lediglich ein Drittel dem Aspekt des „Blended Learning“ einen besonderen betrieblichen Nutzen zuzusprechen.

Knapp 47 Prozent der Betriebe sehen durch E-Learning eine Zeiterspar-nis gegeben. Auch bei der Einschätzung dieses Arguments spielen Praxis-erfahrungen eine Rolle. So sehen rund 62 Prozent der E-Learning-Anwender in diesem Argument einen hohen Nutzwert. Bei den Unterneh-men, die über keine praktischen Erfahrungen im Umgang mit computerun-terstütztem Lernen verfügen, teilen „nur“ 42 Prozent diese Einschätzung.

Das Argument, dass E-Learning zu einer Kostenersparnis in der betrieb-lichen Weiterbildung beitragen kann, halten 37 Prozent der Betriebe für grundsätzlich überzeugend, für weitere 22 Prozent ist dieses Argument nicht ganz so stichhaltig. Dagegen erachten 23 Prozent der Befragten das Kostenargument für weniger oder kaum überzeugend. Beim Kostenargu-ment wird deutlich, dass die Einschätzung dieser Frage auch von den Pra-xiserfahrungen abhängig ist – allerdings nicht ganz so stark ausgeprägt wie bei den zuvor genannten Items. So sagen 44 Prozent der E-Learning-Anwender, dass computergestütztes Lernen mit einer deutlichen Kosten-senkung einhergeht, bei den Unternehmen, die E-Learning nicht anwen-den, teilen „nur“ (oder immerhin) 34 Prozent diese Einschätzung.

Zum Vergleich: In der KPMG-Studie sehen 67 Prozent der Befragten die Erwartungen hinsichtlich der Kostenersparnis durch den Einsatz von E-Learning erfüllt. Werden in der vorliegenden M+E-Unternehmens-befragung bei den Antworten der Anwender zur Kostenersparnis die Items „sehr hoher Nutzen“, „hoher Nutzen“ und „mittlerer Nutzen“ zusammen-genommen, dann stützen insgesamt 70 Prozent der M+E-Betriebe, die E-

56

Learning anwenden, das Argument, dass sich mit Hilfe elektronischer Lernformen Kosten reduzieren lassen. In der „eQtv“-Studie des Fraunho-fer-Instituts37 sehen 60 Prozent der befragten kleinen und mittleren Unternehmen in dieser Lernform die Möglichkeit zu Kosteneinsparungen. Mummert + Partner38 schätzen, dass sich mit E-Learning bis zu 30 Prozent der betrieblichen Weiterbildungskosten einsparen lassen. Indirekt wird damit – so eine allerdings ausschließlich auf WBT-Anwender begrenzte Studie39 – bestätigt, dass die Anschaffungskosten für netzgestützte Lernlö-sungen kein Hindernis bei der Einführung von WBT darstellen.

Insgesamt steht der Aspekt der Kostenwirksamkeit von Weiterbildung weiterhin auf der Tagesordnung vieler Unternehmen. Doch wird offenkun-dig eine Reihe anderer Argumente eine deutlich höhere Priorität bei der Entscheidung, E-Learning als betriebliche Weiterbildungsform einzufüh-ren, beigemessen.

Die Bedeutung der konkreten Lernerfahrung im Umgang mit E-Learning setzt sich auch bei der Frage fort, ob oder inwieweit E-Learning ein an den Bedürfnissen des Arbeitsplatzes orientiertes Lernen ermöglicht. Gut die Hälfte der Anwender sieht darin einen hohen oder sehr hohen Nut-zen von E-Learning. Bei den Nicht-Anwendern teilen „nur“ drei von zehn diese Einschätzung. Bei der Frage nach der Integration von E-Learning in ein Gesamtkonzept betriebliche Weiterbildung kommen E-Learning-Anwender (54 Prozent: hoher bis sehr hoher Nutzen) und Nicht-Anwender (34 Prozent: hoher bis sehr hoher Nutzen) zu annähernd vergleichbaren Einschätzungen wie bei Item „Arbeitsplatzorientiertes Lernen“. Andere Autoren40 verbinden den Aspekt der Integration elektronischer Lernformen

37 Vgl. Fraunhofer-Institut, Management Report Teil I, a. a. O., 13 38 Vgl. Mummert + Partner Unternehmensberatung AG: Das Milliardengeschäft

mit der Online-Bildung lässt auf sich warten, Pressemitteilung vom 21. Sep-tember 2001

39 Vgl. Adolf Grimme Institut GmbH, Michel Medienforschung und Beratung, Institut für Medien und Kommunikation, 2001: Web Based Training in kleinen und mittleren Unternehmen. Rahmenbedingungen für erfolgreiche Anwendun-gen, Studie im Auftrag der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, 33

40 Vgl. ebenda, 37

57

in ein Gesamtkonzept Weiterbildung an die Prämisse, dass dies in den Un-ternehmen eine betriebliche Lernkultur voraussetzt, die selbstgesteuertes Lernen positiv sanktioniert.

Die Antworten, die auf die Frage gegeben werden, inwieweit E-Learning zur Entlastung des Bildungspersonals führt, sind in zweifacher Hinsicht interessant. Insgesamt sehen hier 40 Prozent der befragten Unter-nehmen einen Nutzen. Bei den Anwendern sind es jedoch 62 Prozent, die hier zustimmen, bei den Nicht-Anwendern lediglich 32 Prozent. Die eher verhaltene Zustimmung der Anwender – 26 Prozent gehen von einem ho-hen bis sehr hohen Nutzen in dieser Frage aus, 36 Prozent von einem mitt-leren Nutzen – verdeutlicht aber auch, dass die anfängliche Euphorie in dieser Frage einer realistischeren Einschätzung gewichen ist: E-Learning macht das Weiterbildungspersonal nicht überflüssig. Vielmehr verändert es dessen funktionalen Zuschnitt in Richtung Konzeption, Beratung und Mo-deration von Weiterbildung.

Die künftige Bedeutung von E-Learning

Zur Einschätzung der künftigen Bedeutung, die E-Learning in den Un-ternehmen der Metall- und Elektro-Industrie einnehmen wird, lassen sich die Betriebe in etwa vier gleich große Lager einteilen. Da ist zunächst ein Viertel der befragten Unternehmen, das E-Learning künftig eine hohe bis sehr hohe Bedeutung beimisst. Ein weiteres Viertel der Unternehmen sieht, dass elektronisches Lernen im Rahmen der betrieblichen Bildungsarbeit eher eine mittlere Rolle einnimmt, etwa genauso viele Betriebe gehen da-von aus, dass E-Learning künftig nur eine geringe oder unbedeutende Rol-le innehaben wird. Das restliche Viertel sieht sich außer Stande, eine Ein-schätzung in dieser Frage abzugeben.

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Tabelle 14 E-Learning: Die künftige Bedeutung Auf die Frage „Wie schätzen Sie die künftige Bedeutung von E-Learning in Ihrem Betrieb ein?“ antworteten so viel Prozent der befragten Unter-nehmen: Produk-

tion, Arbeits-organi-sation

Einkauf, Verkauf, Vertrieb

Verwal-tung, Buch-haltung, Control-ling

For-schung und Entwick-lung

Insge-samt

sehr hoch 1,9 6,1 4,8 8,2 5,3

hoch 10,9 25,2 23,7 21,4 20,3

mittel 19,0 27,4 29,5 21,1 24,3

gering 25,3 11,9 13,1 9,5 15,0

unbedeutend 16,3 7,0 7,3 10,2 10,2

keine Beurteilung 26,5 22,3 21,5 29,6 25,0

Insgesamt 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

Insgesamt geht die Hälfte der befragten Unternehmen davon aus, dass E-Learning in der betrieblichen Weiterbildung eine hohe bis mittlere Be-deutung innehaben wird. Zu einer weitaus optimistischeren Einschätzung der künftigen Bedeutung elektronischer Lernformen gelangt die Untersu-chung von Cognos/Innotec.41 Danach erwarten 90 Prozent der befragten ehemaligen Schulungsteilnehmer eine wachsende Bedeutung der compu-tergestützten Lernformen in den nächsten fünf Jahren.

Den höchsten Stellenwert wird E-Learning künftig nach Einschätzung der befragten Betriebe in den Unternehmensbereichen Einkauf, Verkauf und Vertrieb, aber auch in Forschung und Entwicklung innehaben: Drei von zehn Unternehmen sehen hier eine Intensivierung der bisherigen Pra-

41 Cognos GmbH, Institut für Innovationsforschung, Technologiemanagement

und Entrepreneurship, a.a.O.

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xis im Umgang mit elektronischen Medien. Sehr viel verhaltener fällt da-gegen die Einschätzung der Betriebe über die künftige Bedeutung des computergestützten Lernens in der Produktion und Arbeitsorganisation aus: Lediglich jedes achte Unternehmen sieht hier eine Zunahme der be-trieblichen Lernaktivitäten. Diese Angaben können auch – so lässt sich vermuten – als ein Hinweis auf die mangelnde Verfügbarkeit hochwertiger M+E-spezifischer Lerneinheiten insbesondere bei der Vermittlung von speziellem Fachwissen interpretiert werden.

Tabelle 15 E-Learning: Die künftige Bedeutung Auf die Frage „Wie schätzen Sie die künftige Bedeutung von E-Learning in Ihrem Betrieb ein?“ antworteten so viel Prozent der Unternehmen mit „sehr hoch bis hoch“

Produktion,

Arbeitsor-ganisation

Einkauf, Verkauf, Vertrieb

Verwal-tung, Buchhal-tung, Cont-rolling

For-schung und Entwick-lung

Insge-samt

Anwender 28,6 47,5 47,0 41,2 41,2

Nicht-Anwender 8,0 26,1 22,5 25,9 20,6

Durchschnitt 12,8 31,3 28,5 29,6 25,6

Zu einer signifikant unterschiedlichen Einschätzung hinsichtlich der künftigen Bedeutung von E-Learning im Betrieb kommen Unternehmen, die bereits elektronische Lernformen einsetzen, im Vergleich mit Unter-nehmen, die E-Learning (noch) nicht anwenden. Danach erwarten zwei von fünf Anwendern, dass E-Learning im Betrieb künftig eine sehr hohe bis hohe Bedeutung haben wird – unter den Nicht-Anwendern teilt ledig-lich ein Fünftel der Betriebe diese Einschätzung. Eine stärker differenzier-te Betrachtung der Nicht-Anwender lässt allerdings vermuten (fast 42 Prozent der Nicht-Anwender gehen davon aus, dass künftig E-Learning in ihrem Betrieb eine sehr hohe bis mittlere Bedeutung haben wird), dass

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es mittelfristig zumindest bei einem Teil zu einem so genannten Roll-out, also zu einer Realisierung von E-Learning-Lösungen, kommen könnte.

Diese Vermutung lässt sich mit Hilfe verschiedener Studien zum Wachstumspotenzial von E-Learning erhärten. So geht die EU-Kommission davon aus, dass etwa ein Viertel der gesamten Weiterbildung bis zum Jahr 2005 über E-Learning abgewickelt werden könnte.42 Andere Autoren43 schätzen, dass computerunterstütztes Lernen in Deutschland erst am Anfang seiner Entwicklung steht und in den nächsten Jahren deshalb mit einem E-Learning-Boom zu rechnen ist: Etwa ein Fünftel bis ein Drit-tel der deutschen Unternehmen beabsichtigt in absehbarer Zeit, E-Learning-Anwendungen in der Weiterbildung einzusetzen.44

Um zu überprüfen, welche betrieblichen Faktoren die Bedeutung von E-Learning im Betrieb beeinflussen können, lassen sich die Ergebnisse mit zwei in der Umfrage erhobenen Variablen korrelieren: das sind zum einen die Qualifikationsprofile der Mitarbeiter, und zum anderen die Unterneh-mensgröße. Danach besteht offenkundig kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Qualifikationsstruktur der Mitarbeiter und der künftigen Be-deutung von E-Learning. Das bedeutet unter anderem, dass weder von ho-hen bzw. niedrigen Anteilen ungelernter oder hochqualifizierter Mitarbei-ter Effekte ausgehen, die auf eine Zunahme der computergestützten Lern-aktivitäten schließen lassen.

42 Vgl. Reinhard Büscher, Statement vom 25. April 2002, in: Handwerkskammer

Düsseldorf (Hrsg.): E-Learning im Handwerk, Beispiele – Chancen – Perspek-tiven, 20

43 Vgl. Gabriele Hooffacker, Lernen just in time: Zukunftsmarkt E-Learning, in: PC-Online 11/2000, 1 Berlecon Research, 2001: Wachstumsmarkt E-Learning: Anforderungen, Ak-teure und Perspektiven im deutschen Markt; Mummert + Partner Unterneh-mensberatung AG, 2002: Das Milliardengeschäft mit der Online-Bildung lässt auf sich warten, Pressemitteilung vom 21. September 2001

44 Rogas, Karsten / Frey, Katja, 2002, Aktuelle Entwicklung der electronic Hu-man Research Technologien, in: Personal, 54. Jg., Heft 07, 11; Töpfer, Armin, 2002: Blended Learning – Standards gegen Kostendruck, in: Personalwirt-schaft, 29. Jg., Sonderheft E- Learning 11, 10

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Etwas aufschlussreicher hinsichtlich der zukünftigen Bedeutung von E-Learning zeigt sich die Variable Unternehmensgröße. Zwar gibt es kei-nen allgemeinen Zusammenhang zwischen Betriebsgröße und der künfti-gen Bedeutung von E-Learning. Signifikant ist jedoch der Zusammenhang insbesondere im Bereich Forschung und Entwicklung. Allerdings erstaunt das kaum, steigt doch der Stellenwert von FuE innerhalb eines Unterneh-mens mit seiner Betriebsgröße. Ein nur sehr schwach signifikanter Zu-sammenhang zwischen E-Learning und Betriebsgröße ist im Unterneh-mensbereich Einkauf/Verkauf/Vertrieb/Marketing erkennbar.

E-Learning: Die Themen der Zukunft

Befragt nach den Themenschwerpunkten, mit denen sich die Mitarbeiter künftig beim computergestützten Lernen beschäftigen werden, setzen die Unternehmen die Akzente zunächst auf kaufmännische sowie auf informa-tions- und kommunikationstechnische Themen. Aber auch gewerblich-technische Themenfelder sowie fachübergreifende Themen sollen künftig über E-Learning vermittelt werden. Diese Präferierung weicht zwar deut-lich von den Daten ab, die für die M+E-Industrie in der „Weiterbildungs-erhebung der Wirtschaft 2001“ erhoben wurden. Allerdings ist bei der „Weiterbildungserhebung der Wirtschaft 2001“ zu berücksichtigen, dass bei der Frage nach den Themenschwerpunkten alle Lernformen der be-trieblichen Weiterbildung in die Befragung mit einbezogen wurden. Die dargelegten Ergebnisse der Befragung „E-Learning in der betrieblichen Praxis“ fokussieren ausschließlich auf Themen, die über elektronische Lernformen vermittelt werden sollen.

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Tabelle 16 E-Learning: Die künftigen Themen Auf die Frage „Sollten Sie künftig Bedarf an E-Learning haben, welche Themen sollen in Ihrem Betrieb künftig über E-Learning vermittelt wer-den?“ antworteten so viel Prozent der befragten Unternehmen (Mehrfachnennungen): Anwender Nicht-

Anwender Insgesamt

Kaufmännische Themen 93,5 81,0 84,5

IuK-Themen 87,1 76,9 79,7

Fachübergreifende Themen 78,3 66,7 69,9

Gewerblich-technische Themen 73,3 68,6 69,8

IuK-Themen: Informations- und kommunikationstechnische Themen

Die in der „E-Learning-Umfrage“ erkennbare Bevorzugung der kauf-männischen Themen ist somit eindeutig mediengebunden, denn über den Computer lassen sich diese Themen nicht nur pädagogisch sinnvoll vermit-teln – die kaufmännischen sowie informations- und kommunikationstech-nischen Themen dominieren auch die Angebotspalette vieler CBT-Produzenten und WBT-Anbieter. Dass die Unternehmen auch die gewerb-lich-technischen Themen auf die Agenda des computergestützten Lernens setzen, lässt vermuten, dass einerseits positive Erfahrungen auf diesem Gebiet vorliegen und dass andererseits die Unternehmen zuversichtlich sind, was die künftige Entwicklung entsprechender Lernsoftware betrifft.

Vor allem der Zuspruch, den die fachübergreifenden Themen künftig über E-Learning erfahren sollen, wird offenkundig stark beeinflusst von der Betriebsgröße – Reflex des Bedeutungszuwachses, den die Vermittlung von Fremdsprachen und Soft skills wie Management- und Führungstechni-ken in größeren und großen Unternehmen erfahren. Auch die Nachfrage nach informations- und kommunikationstechnischen Themen wird von der Betriebsgröße beeinflusst. Danach werden große M+E-Unternehmen, die Bedarf an E-Learning anmelden, künftig insbesondere IuK-Themen mit Hilfe computergestützter Lernprogramme ihren Mitarbeitern vermitteln.

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Für die anderen Themenfelder lässt sich dieser Zusammenhang nicht nachweisen.

Tabelle 17 E-Learning: Die künftigen Themen Auf die Frage „Sollten Sie künftig Bedarf an E-Learning haben, welche Themen sollen in Ihrem Betrieb künftig über E-Learning vermittelt wer-den?“ antworteten so viel Prozent der befragten Unternehmen (Mehrfachnennungen): Themen Anwender Nicht-

AnwenderDurch-schnitt

Zum Ver-gleich: WB 2001

Kaufmännische Themen 29,4 28,4 28,7 21,0

IuK-Themen 27,4 26,9 27,1 22,5

Gewerblich-technische Themen

21,3 23,8 23,0 42,8

Fachübergreifende Themen 22,0 20,9 21,2 13,7

Insgesamt 100,0 100,0 100,0 100,0 IuK-Themen: Informations- und kommunikationstechnische Themen WB 2001: IW-Weiterbildungserhebung der Wirtschaft 2001 bezieht Themen-schwerpunkte auf alle Weiterbildungsformen

Unterstützende Maßnahmen für Unternehmen

Im Medienzeitalter werden auch an die Arbeitgeberverbände verschie-dene Erwartungen von ihren Mitgliedsunternehmen herangetragen. Ganz überwiegend erwarten die M+E-Unternehmen von den M+E-Arbeitgeberverbänden Informationen, aber auch Beratung. Zunehmend spielen dabei auch Datenbanken und Internet-Plattformen eine Rolle, die für die Mitgliedsunternehmen unterschiedliche Info-Services bereitstellen sollen.

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Unternehmen, die E-Learning anwenden, unterscheiden sich hinsicht-lich der Erwartungshaltung gegenüber ihrem M+E-Verband nur unmerk-lich von der Erwartungshaltung, die Nicht-Anwender einnehmen – mit Ausnahme der Serviceleistung Beratung. Hier erwarten vor allem die Nicht-Anwender eine entsprechende Unterstützungsleistung ihres Verban-des. Tabelle 18 Leistungen des Verbandes Auf die Frage “Welche Leistungen erwarten Sie von Ihrem M+E-Verband?“ antworteten so viel Prozent der befragten Unternehmen:

Anwender Nicht-Anwender Insgesamt Information 95,0 97,4 96,8

Beratung 59,8 83,0 77,6

Datenbanken 67,1 63,4 64,4

Internet-Plattformen 64,8 60,0 61,3

Mit Blick auf den Zusammenhang zwischen Betriebsgröße und ge-wünschtem Verbandsservice lässt sich sagen, dass vor allem Betriebe mit weniger als 500 Mitarbeitern – laut Umfrage sind es 82 Prozent – von ih-rem M+E-Verband erwarten, dass dieser sich auf dem Leistungsfeld Da-tenbanken engagiert; von den Betrieben mit mehr als 500 Mitarbeitern er-warten dies lediglich 58 Prozent. Bei den anderen Items lassen sich keine bedeutsamen Zusammenhänge zwischen Unternehmensgröße und erwarte-ter Verbandsangebote erkennen.

Vier von fünf der befragten Unternehmen erachten das Vorhalten einer speziellen Internet-Datenbank über E-Learning-Angebote für die Aus- und Weiterbildung als eine wünschenswerte und zeitgemäße Leistung ihres Dachverbandes. Zwischen Anwendern und Nicht-Anwendern gibt es hin-sichtlich dieser Erwartungshaltung keinen entscheidenden Unterschied.

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Mit der von IW Consult GmbH für die Metall- und Elektro-Industrie entwickelten Datenbank elearningME (www.elearningme.de) – die Daten-bank ist seit Februar 2003 online und standardisiert auf eclass und OpenQ – hat sich Gesamtmetall mittlerweile als ‚content provider‘ positioniert.

Zusammenfassung

Wichtige Ergebnisse der IW-Unternehmensbefragung „E-Learning in der betrieblichen Praxis“ in der Metall- und Elektro-Industrie:

• Lernformen. Jeder vierte befragte M+E-Betrieb setzt E-Learning zur Weiterbildung der Mitarbeiter ein. In neun von zehn dieser Unterneh-men gehört dabei das Computer Based Training (CBT) zum Standard-angebot. Gut jeder zweite E-Learning-aktive Betrieb offeriert auch netzbasiertes Web Based Training (WBT). Zwei von fünf dieser Unter-nehmen realisieren „Blended Learning“, das computergestütztes Lernen mit Präsenzseminaren, Lernberatung und Tutoring kombiniert.

• Zugang. In Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie, die E-Learning-Angebote bereitstellen, haben im Schnitt 44 Prozent der Mit-arbeiter Zugang zu den Formen computergestützten Lernens. Anders formuliert: Bezogen auf die gesamte M+E-Industrie hatten zum Befra-gungszeitpunkt bundesweit 38 Prozent der Mitarbeiter Zugang zu be-trieblichen E-Learning-Angeboten.

• Unternehmensbereiche. Computergestütztes Lernen findet in etwa vier von fünf M+E-Betrieben, die E-Learning praktizieren, vor allem in kaufmännischen Unternehmensbereichen statt – also in der Verwaltung, der Buchhaltung, im Controlling, aber auch im Einkauf und Verkauf, im Vertrieb und im Marketing. Jedes zweite E-Learning-aktive Unterneh-men ermöglicht computergestütztes Lernen auch in der Produktion und Arbeitsorganisation.

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• Lernorte. E-Learning in der Metall- und Elektro-Industrie bedeutet in der Regel unmittelbares Lernen mit dem PC am Arbeitsplatz. Das trifft auf neun von zehn E-Learning-Anwender zu. Gut zwei von fünf Betrie-ben mit E-Learning-Angeboten unterstützen das Weiterbildungsinteres-se ihrer Mitarbeiter, in dem sie für diese einen PC bzw. Lernsoftware fürs häusliche Arbeitszimmer bereitstellen.

• Ausstattung. In zwei von drei M+E-Betrieben mit E-Learning-Angeboten haben die PCs sowohl einen Internet- als auch einen Intra-net-Zugang.

• Erfahrungen und Kenntnisse. Lediglich jedes achte Unternehmen ist der Meinung, dass das im Betrieb verfügbare Know-how über compu-tergestütztes Lernen vergleichsweise hoch oder sehr hoch ist, jedes sechste Unternehmen geht von einem mittleren Kenntnisstand aus. Ins-gesamt sagen dreimal so viele Anwender wie Nicht-Anwender, dass sie über einen hohen bis sehr hohen Kenntnisstand über computergestütztes Lernen verfügen.

• Informationsquellen. Bei der Informationsbeschaffung über computer-gestütztes Lernen konzentrieren sich neun von zehn Unternehmen vor allem auf traditionelle Informationskanäle – etwa auf Hinweise in der Literatur und in der Fachpresse, aber auch auf Anbieter- und Produktin-fos. Drei Viertel der Befragten holen sich ihre Informationen aber auch aus dem Internet.

• Wünschenswerte Informationsquellen. Um sich über für das Unter-nehmen geeignete E-Learning-Produkte und -Anbieter zu informieren, würden es künftig 86 Prozent der Befragten vorziehen, auf Internet-suchmaschinen zurückzugreifen. Für besonders wünschenswert erachten es 77 Prozent der Befragten, sich mit Hilfe von Datenbanken über Wis-senswertes rund ums E-Learning informieren zu können. Tatsächlich greifen zurzeit nur 47 Prozent der Befragten auf dieses Medium zu.

• Lernzeit. Den durchschnittlichen jährlichen Zeitaufwand je Teil-nehmer an betrieblicher Weiterbildung beziffern die M+E-Betriebe

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mit E-Learning-Anwendungen auf 29 Stunden, davon entfallen 8,8 Stunden auf E-Learning.

• Kosten. Die in der Umfrage erhobenen direkten Kosten der betriebli-chen Weiterbildung je Mitarbeiter belaufen sich auf 1.187 Euro – ein-schließlich der kalkulatorischen indirekten Kosten bedeutet dies über-schlägig gerechnet Weiterbildungsausgaben von 2.737 Euro. Bei diesen Angaben ist zu berücksichtigen, dass in der diesen Berechnungen zugrunde liegenden Stichprobe die Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern (mit einem Anteil an der Stichprobe von 47 Prozent) deut-lich überrepräsentiert sind und zu einer starken Verzerrung der Werte führen. So belaufen sich die direkten Kosten je Mitarbeiter in Unter-nehmen mit bis zu 500 Beschäftigten auf 324 Euro, in Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern auf 1.197 Euro. Werden diese Werte mit der Zahl der Mitarbeiter (bzw. den Beschäftigtengrößenklassen laut amtli-cher Statistik) bereinigt, ergibt dies direkte Weiterbildungskosten je Mitarbeiter in Höhe von 699 Euro. Einschließlich der indirekten Kosten sind das – überschlägig gerechnet – 1.699 Euro je Mitarbeiter.

• Nutzen. Knapp zwei von fünf M+E-Betrieben sehen in E-Learning ei-nen hohen bis sehr hohen betrieblichen Nutzen, ein weiteres Viertel ei-nen mittleren Nutzen. Vor allem das Lernen bei Bedarf und Gelegenheit sowie die schnelle Verfügbarkeit von relevanten Informationen, aber auch die Stärkung der Eigeninitiative der Mitarbeiter halten die Unter-nehmen für überzeugende Argumente. Selbstredend, dass Anwender den Nutzen von E-Learning sehr viel höher bewerten als Nicht-Anwender.

• Künftige Bedeutung. Ein Viertel der Befragten misst E-Learning künf-tig eine hohe bis sehr hohe Bedeutung bei, ein weiteres Viertel der M+E-Unternehmen sieht das elektronische Lernen künftig eher eine mittlere Rolle in der betrieblichen Weiterbildung einnehmen. Etwa ge-nauso viele Betriebe gehen davon aus, dass E-Learning künftig nur eine geringe oder unbedeutende Rolle spielen wird. Das restliche Viertel sieht sich außer Stande, eine Einschätzung zu dieser Frage abzugeben. Insgesamt messen 41 Prozent der Anwender und 21 Prozent der Nicht-

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anwender E-Learning künftig eine hohe bis sehr hohe Bedeutung in ih-rem Unternehmen bei. Das lässt vermuten, dass es mittelfristig zumin-dest bei einem Teil der Nichtanwender zu einem so genannten Roll-out, also zu einer Realisierung von E-Learning-Lösungen, kommen könnte.

• Künftige E-Learning-Themen. Die Akzente liegen eindeutig auf kaufmännischen sowie auf informations- und kommunikationstechni-schen Themen. Diese Bevorzugung ist eindeutig mediengebunden, denn über den PC lassen sich diese Themen nicht nur pädagogisch sinnvoll vermitteln – die kaufmännischen sowie die IuK-Themen dominieren auch die Angebotsplatte von CBT- und WBT-Anbieter.

• Erwartete Verbandsleistungen. M+E-Unternehmen erwarten überwie-gend von den M+E-Arbeitgeberverbänden Informationen, aber auch Be-ratung. Zunehmend spielen dabei auch von den Verbänden vorgehaltene Datenbanken und Internetplattformen eine Rolle bei der Informations-beschaffung. Vier von fünf Unternehmen erachten das Angebot einer speziellen Internet-Datenbank über E-Learning für die Aus- und Wei-terbildung (siehe www.elearningme.de) als eine wünschenswerte und zeitgemäße Leistung ihres M+E-Verbandes.

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2. Betriebliche Bildungsarbeit/Fallstudien

Jürgen Föllinger, Annette Groß, Hubert Kapp:

Eigenverantwortliches Lernen: Die Rolle von E-Learning bei der Qualifizierung der Mitarbeiter in der BASF AG

Die Strategie der BASF Weiterbildung zur Förderung des eigenver-antwortlichen Lernens

Die BASF Weiterbildung als interner Anbieter von Qualifizierungs-maßnahmen orientiert ihr Angebot ausschließlich am Bedarf des Unter-nehmens. Die Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld der BASF, wie der steigende Kostendruck oder die fortschreitende technische Entwick-lung und deren Auswirkungen auf den Qualifizierungsbedarf von Mitarbei-tern, verlangen eine Neuausrichtung der Weiterbildung. Dabei gewinnt die persönliche Verantwortung eines jeden Mitarbeiters für seine Beschäfti-gungsfähigkeit (Employabiltity) zunehmend an Bedeutung. Geeignete Qualifizierungsangebote, die dieser Entwicklung gerecht werden, müssen entwickelt und im Unternehmen etabliert werden.

Bereits seit 1998 verfolgt die BASF Weiterbildung die Strategie, das ei-genverantwortliche Lernen (EVL) im Unternehmen zu fördern. Mitarbeiter werden in die Lage versetzt, die Hauptverantwortung für ihre Qualifizie-rung zu übernehmen. Die Vorgesetzten unterstützen dieses Bestreben, in-dem sie im Rahmen von Mitarbeitergesprächen Entwicklungsperspektiven aufzeigen und entsprechende Qualifizierungsziele vereinbaren. Zur Errei-chung dieser Qualifizierungsziele stehen den Mitarbeitern vielfältige inter-ne und externe Angebote zur Verfügung. Das Angebotsspektrum reicht vom mehrtägigen Seminar über das individuelle Coaching bis hin zu Me-thoden, die das eigenverantwortliche Lernen der Mitarbeiter fördern. E-

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Learning ist als Methode zur Unterstützung des eigenverantwortlichen Lernens von besonderer Bedeutung.

Die Strategie der BASF Weiterbildung ist, eigenverantwortliches Ler-nen als festen Bestandteil in allen Qualifizierungsmaßnahmen, bei denen dies aus lernpsychologischer bzw. wirtschaftlicher Sicht sinnvoll ist, zu in-tegrieren. Dies beinhaltet einen umfassenden Prozess, der neben einer kon-kreten Operationalisierung der Bildungsziele eines Qualifikationskonzep-tes auch die Beratung aller am Umsetzungsprozess Beteiligten mit sich bringt. Nach Umsetzung der Qualifikationsmaßnahmen (Content) folgt ei-ne Evaluierung des Programms sowie die Überprüfung der Kongruenz der Ergebnisse mit der Strategie der Förderung des eigenverantwortlichen Ler-nens (Abbildung. 1).

Abbildung 1 Integrationsprozesse von E-Learning bei der BASF

In den nachfolgenden Abschnitten wird genauer auf die Merkmale des eigenverantwortlichen Lernens (EVL) und die Rolle von E-Learning sowie auf die Vorgehensweise zur Planung und Realisierung von E-Learning-Projekten eingegangen.

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Die Rolle von E-Learning bei der Unterstützung von eigenverantwort-lichen Lernprozessen

Eigenverantwortliches Lernen (EVL) sind Lernprozesse, die außerhalb des Präsenztrainings stattfinden. Die Lernenden ergreifen hier ohne die Anwesenheit eines Trainers selbst Initiative, um neues Wissen selbststän-dig aufzubauen. Bei der Integration des eigenverantwortlichen Lernens in die Qualifizierungsmaßnahmen der Weiterbildung wird berücksichtigt, dass sich Präsenztraining und eigenverantwortliches Lernen sinnvoll er-gänzen und die Qualität des Konzeptes der gesamten Qualifizierungsmaß-nahme fördern. Daher werden Qualifizierungsangebote, die ausschließlich auf eigenverantwortlichem Lernen basieren, in der Regel nicht in das Port-folio aufgenommen.

Methoden des eigenverantwortlichen Lernens

Für die Realisierung von Qualifizierungskonzepten stehen verschiedene eigenverantwortliche Methodenbausteine zur Verfügung (Abbildung 2):

• Traditionelle Methoden. Hierzu gehören beispielsweise Gruppenar-beiten und Projektarbeiten, in denen die Lernenden Inhalte des Präsenz-trainings vertiefen oder ein nachfolgendes Präsenztraining vorbereiten.

• Kommunikation. Synchrone und asynchrone Kommunikationsmög-lichkeiten, (z. B. Diskussionsforum, Live Session) ermöglichen den Aus-tausch der Teilnehmer unabhängig von Ort und Zeit; auch hier können Wissensinhalte vertieft bzw. erarbeitet werden.

E-Learning. Web Based Trainings (WBT), die auf der Lernplattform der BASF zur Verfügung gestellt werden, sind im Kontext eines Blended Learning Konzeptes zur Förderung des eigenverantwortlichen Lernens von großer Bedeutung. E-Learning wird als eine von mehreren möglichen Me-thoden gesehen, wenn es darum geht, das eigenverantwortliche Lernen der Mitarbeiter zu unterstützen.

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Abbildung 2 Methoden zur Förderung des eigenverantwortlichen Lernens (EVL)

Bedingungen für die Realisierung von Qualifizierungskonzepten mit eigenverantwortlichen Lernanteilen

Grundlage für die Entscheidung, ein geplantes Qualifizierungskonzept zu entwickeln, ist ein Vorgehensmodell des Projektmanagements, das si-cherstellt, dass mögliche kritische Punkte ausreichend analysiert worden sind, bevor das Konzept zur Realisierung kommt. Entscheidungskriterien sind:

• Wirtschaftlichkeit. Auf Basis einer Investitionsrechnung werden Kos-ten und Erträge in Relation gesetzt. Wichtige Werte sind in diesem Zu-sammenhang die Größe der angesprochenen Zielgruppe und der hiermit verbundene Ertrag des geplanten Qualifizierungsangebots und die Aus-prägung des eigenverantwortlichen Lernanteils. Hier geht es beispiels-weise um die Fragen nach dem Umfang und der Methode des eigenver-antwortlichen Lernens im Gesamtkonzept. Ist E-Learning ein prominen-ter Bestandteil des eigenverantwortlichen Lernanteils, so ist die Aus-

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prägung genauer zu betrachten (z. B. Umfang der Animationen, Interak-tionen etc.).

• Strategische Relevanz. Der oben genannte Return of Invest (ROI) ist jedoch nicht das einzige Kriterium, nach dem ein geplantes Konzept bewertet wird. Strategische Gründe, wie die Qualifizierung einer spezi-fischen Zielgruppe durch das Angebot von eigenverantwortlichen Lernmodulen, sind bei der Beurteilung eines geplanten Projektes von Bedeutung. So kann ein eigenverantwortliches Lernangebot für Mitar-beiter in Wechselschicht sinnvoll sein, die in der Nachtschicht E-Learning Angebote nutzen und in der nachfolgende Tagschicht im zu-gehörigen Präsenztraining ihr erworbenes Wissen festigen. Eigenver-antwortliches Lernen kann jedoch auch da die Qualität eines Quali-fizierungskonzeptes verbessern, indem es die Nachhaltigkeit der Lern-prozesse fördert.

• Payback Periode. Neben der Wirtschaftlichkeit wird auch der Rück-laufzeitraum der Investments für die Realisierung der geplanten Quali-fikationsmaßnahme geprüft. Die Frage, bis wann sich eine Investition amortisiert hat, ist ein wichtiges Bewertungskriterium. Um die Qualität von angebotenen Qualifikationsangeboten sicher zu stellen, müssen die sich ändernden Anforderungen an Qualifizierungsmaßnahmen berück-sichtigt werden. Konzepte, die den Bedürfnissen der Zielgruppe nicht gerecht werden, müssen daher durch neue ersetzt werden. Diese Prozes-se werden bei der monetären Evaluation eines geplanten Qualifikations-angebotes berücksichtigt.

Das oben genannte Vorgehensmodell des Projektmanagements begleitet die Prozessabläufe, die notwendig sind, um die Inhalte eines Qualifizie-rungskonzeptes so aufzubereiten, dass es sich hinsichtlich der aufgeführten Kriterien bewerten lässt. Um ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen mo-netärer Evaluation (Wirtschaftlichkeit, Payback Periode) bei der Bewer-tung eines Konzepts zu erzielen, spielt auch die Qualität des Konzeptes ei-ne wichtige Rolle. Zwar ist es das Ziel, das eigenverantwortliche Lernver-halten der Mitarbeiter zu fördern, jedoch werden eigenverantwortliche

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Lernanteile bei der Konzeptionierung von Qualifizierungsangeboten nur da integriert, wo es sinnvoll ist. Die von der Weiterbildung definierten Quali-tätsanforderungen an den von ihr angebotenen Konzepten werden auch in Qualifikationsmaßnahmen mit eigenverantwortlichen Lernanteilen berück-sichtigt und sind Grundlage für die Bewertung von Blended Learning Cur-ricula.

Aufwände für die Erstellung von eigenverantwortlichen Lernmodulen

Die Höhe der Investitionen für die Realisierung von eigenverantwortli-chen Lernanteilen ist abhängig von der Methode, die gewählt wird, um ei-genverantwortliches Lernen zu fördern. Bei den „traditionellen Methoden“ (Abbildung 2) handelt es sich um vergleichsweise geringe Produktions- und Betriebskosten. Werden synchrone bzw. asynchrone Kommunikati-onsmodule eingesetzt, um eigenverantwortliches Lernen zu unterstützen, so sind auch hier die Produktionskosten als vergleichsweise niedrig einzu-stufen, da die BASF AG ein eigenes Lernmanagement System (Learnbase) betreibt. Die Bereitstellung von Diskussionsforen oder Online Sessions mit Application Sharing ist daher einfach und kostengünstig möglich. Der Um-fang der anfallenden Betriebskosten wird davon beeinflusst, ob ein Trainer bzw. Teletutor benötigt wird, um die Lernenden in den einzelnen Kommu-nikationsmodulen zu betreuen.

Die Realisierung eines E-Learning-Angebots als eigenverantwortlichen Lernanteil im Rahmen eines Blended Learning Konzeptes kann sowohl bei der Produktion als auch beim Betrieb höhere Aufwände verursachen. Bei den Produktionskosten fallen in der Regel umfangreichere Kosten an, da das Curriculum des Präsenztrainings und das des E-Learnings aufeinander abgestimmt sein müssen, um die erforderliche Qualität zu gewährleisten.

Die Aufwände für die Produktion des E-Learning-Contents (Lerninhal-te, die als Web Based Training zur Verfügung gestellt werden) ist abhän-gig davon, ob extern oder intern entwickelt bzw. extern zugekauft wird („Make or Buy“). Mit der Entwicklung einer umfangreichen Toolbox zur Entwicklung von E-Learning-Content verfügt die Weiterbildung der BASF

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über Möglichkeiten, E-Learning-Content für spezifische Zielgruppen kos-tengünstig zu entwickeln. Diese Unabhängigkeit von externen Contentlie-feranten erlaubt es, Qualifizierungsangebote mit geringeren Aufwänden zu entwickeln, die auf die spezifischen Anforderungen der BASF Mitarbeiter zugeschnitten sind und den Qualitätsanforderungen für Qualifikationsan-gebote der BASF entsprechen.

Beim Zukauf von externem Content sind die hierfür anfallenden Auf-wände von den Lizenzmodellen des Anbieters abhängig. Ist es möglich, das zugekaufte WBT auf der Lernplattform der BASF zu platzieren und anzubieten, so sind die Kosten geringer als bei einem externen Hosting.

Die Höhe der Betriebskosten wird entscheidend davon bestimmt, ob die Administration und der Support extern oder intern geleistet werden. Dies bezieht sich zum einem auf die Lernplattform selber als auch auf die Teil-nehmer eines Blended Learning, die beim eigenverantwortlichen Lernen (EVL) von einem Trainer bzw. Teletutor betreut werden.

Realisierung von Blended Learning Angeboten durch den Einsatz mo-derner IT-Technologien

Um E-Learning Module aus wirtschaftlicher und qualitativer Perspekti-ve effizient in das Portfolio einbinden zu können, sind zwei wesentliche technische Voraussetzungen zu erfüllen:

• eine eigene Lernplattform, die allen Mitarbeitern der BASF zur Verfü-gung steht,

• eine Toolbox, die Werkzeuge zur einfachen, günstigen und qualitativen hochwertigen Contentproduktion zur Verfügung stellt.

Learnbase – die Lernplattform der BASF

Seit August 2000 betreibt die BASF Weiterbildung eine Lernplattform (Lotus Learning Space), die sowohl eigenentwickelten als auch zugekauf-ten E-Learning-Content darstellen kann und über eine Teilnehmerverwal-tung verfügt. Von zentraler Bedeutung ist dabei neben der Navigation im

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System die Möglichkeit zur synchronen und asynchronen Kommunikation durch Chat, Diskussionsforen oder Application Sharing.

Abbildung 3 Learnbase – die Lernplattform der BASF

Die notwendigen technischen Rahmenbedingungen sind durch eine Standardisierung der EDV-Infrastruktur der BASF gegeben. PCs mit mul-timedialer Ausstattung sind an nahezu allen Büroarbeitsplätzen vorhanden. Von den ca. 20.000 PCs am Standort Ludwigshafen sind mindestens ca. 15.000 mit einem direkten Zugang zum Intranet des Unternehmens ausges-tattet. Auf allen PCs ist Standardsoftware wie Windows 2000 oder IE 6.0 installiert. Zusätzlich benötigte Web-Technologien wie Browser Plug-Ins wurden über eine zentrale Softwaredistribution eingespielt.

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Auf die Learnbase kann sowohl über das Intranet als auch über das In-ternet zugegriffen werden. Die Lernenden können daher unabhängig von Ort und Zeit E-Learning-Module nutzen. Auch externe Trainer, die bei-spielsweise als Teletutor eine E-Learning-Einheit betreuen, können eben-falls auf die Lernbase zugreifen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die notwendigen technischen Voraussetzungen erfüllt sind.

Die E-Learning Toolbox der BASF

Mit der E-Learning-Toolbox stehen den Autoren Werkzeuge zur einfa-chen, günstigen und qualitativ hochwertigen Content-Produktion zur Ver-fügung. Je nach Anforderung hinsichtlich Umsetzung bzw. Darstellung BASF spezifischer Inhalte kommen verschiedene Werkzeuge zum Einsatz (Abbildung. 4). Die ausschließliche Benutzung der Autoren-Werkzeuge aus der Toolbox gewährleistet, dass die damit erstellten E-Learning-Produkte mit den Anforderungen der BASF Lernplattform kompatibel sind. Abbildung 4 Die E-Learning – Toolbox der BASF

Animationen Simulationen

Content-Erstellung WBT CBT

Screen Cam Erstellung von interaktiven Anwendungs-Simulationen

Übungsaufgaben Tests Transfer-Aufgaben

templates for exercises and assess-ments

WBT Layouter

Macromedia Flash

Simulation Producer

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Erfahrungen mit unterschiedlichen E-Learning-Konzepten

Die BASF hat in den vergangenen Jahren schon viel Erfahrung mit computer- und webgestützten Lernkonzepten gemacht. Bereits in den frü-hen 90er Jahren wurden klassische Elemente des elektronischen Lernens eingesetzt. In den Anfängen kamen einfache CBTs, analoge Video- und Bildplattensysteme ergänzend zum klassischen Trainingsangebot zum Ein-satz. Diese wurden von den Teilnehmern eigenständig und eigenverant-wortlich während der Arbeitszeit oder in der Freizeit bearbeitet.

Mitte der 90er Jahre hat BASF mit dem Angebot multimedialer CBTs erste integrierte Trainingskonzepte und zusätzlich einfache PC-Lernpro-gramme genutzt. Dabei wurden CBT-Lernstationen zum Selbstlernen ein-gerichtet. CBTs dienten jedoch in erster Linie der Vor- und Nachbereitung von Seminaren. Das Angebot an klassischen Trainings blieb dabei weitge-hend unverändert.

Die Erfahrungen mit dem Konzept haben aber gezeigt, dass die hohen Erwartungen an die neuen Medien oftmals nicht erfüllt wurden. E-Learning-Konzepte an zentralen Lernstationen fanden nur wenig Akzep-tanz bei den Mitarbeitern. Die Mitarbeiter zeigten nur eine geringe Bereit-schaft, sich Wissen am Computer ohne Begleitung durch einen Trainer oder Tutor selbst anzueignen. In der Evaluation bewerteten sie die Selbst-lernprogramme als statisch, unflexibel und nicht lerntypgerecht. Auch das isolierte Lernen ohne den sozialen Kontakt zu anderen Lernenden schmä-lerte die Attraktivität.

Dieses Wissen trug zur Konzeption neuer E-Learning-Konzepte und zur Einbettung von E-Learning-Modulen in Präsenzseminare zum sogenannten Blended Learning bei.

Diese Kombination aus E-Learning und Präsenztraining brachte die bes-ten Ergebnisse und die größte Akzeptanz bei den Lernern. Als verbinden-des Element zwischen Online-Lernen und Präsenztraining werden bei die-sen Konzepten die Lerngruppen grundsätzlich von Tutoren begleitet. Die Reaktionen der Teilnehmer auf Blended Learning sind überwiegend posi-tiv. Viele bewerten das Lernen in dieser Form als sehr abwechslungsreich

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und motivierend. Zentralen Stellenwert nimmt hierbei die persönliche Be-gleitung des Lernprozesses durch einen Tutor ein.

E-Learning Angebote

Das E-Learning-Angebot der BASF richtet sich grundsätzlich an alle Mitarbeiter und Auszubildende der BASF AG und der BASF Gruppe, vor allem auch an Personengruppen, denen die Teilnahme an Präsenzsemina-ren oft nicht oder nur schwer möglich ist, so etwa Schicht- und Außen-dienstmitarbeiter.

E-Learning kann jedoch nur dort zum Einsatz kommen, wo die Grund-voraussetzungen erfüllt sind. Die Eignung des Arbeitsplatzes für die Nut-zung von E-Learning über die einzelnen Berufsgruppen hinweg ist nicht gleich. Während die technische Ausstattung der Mitarbeiter in Wechsel-schicht eher ungünstig ist, herrschen für Angestellte, Außendienstmitarbei-ter und Führungskräfte in der Regel sehr gute Rahmenbedingungen. Auf-fällig ist jedoch, dass gerade bei den Zielgruppen mit ungünstiger techni-scher Ausstattung des Arbeitsplatzes eine besonders hohe Motivation fest-zustellen ist.

Besonders geeignet für die Realisierung von E-Learning-Vorhaben sind Lerninhalte, die zum einen stark standardisiert sind und somit eine dauer-hafte Gültigkeit haben, und zum anderen Inhalte, die für eine dezentrale Zielgruppe relevant sind. Aktuell sind in den Themenfeldern Informatik, Sprachen, Technik, Umweltschutz und Führung E-Learning-Produkte im Angebot. In 2004 werden weitere Themenfelder für E-Learning-Konzepte erschlossen. Im Wesentlichen sind es Blended Learning-Konzepte, die E-Learning prägen. Anhand eines Beispieles für Blended Learning aus dem Themenfeld „Technik: Technische Dokumentation“ soll dies näher erläu-tert werden (Abbildung 5):

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Abbildung 5 Blended Learning Konzept „Der Funktionsplan“

Da oftmals nicht das erforderliche Grundlagenwissen in einem zweitä-gigen Seminar behandelt werden kann, ermöglicht eine vorbereitende On-linephase die Nivellierung des Leistungsniveaus der Teilnehmer, sodass das Präsenzseminar zeitlich gestrafft durchführbar ist. Während der vorbe-reitenden Onlinephase mit einer durchschnittlichen Lernzeit von vier bis fünf Stunden haben die Lernenden die Möglichkeit - sofern erforderlich - sich die Inhalte selbstständig und eigenverantwortlich anzueignen. In der Kick off-Veranstaltung lernen die Teilnehmer u. a. den Umgang mit der Learnbase und dem WBT. In einer so genannten Live Session (virtuelles Klassenzimmer) tritt der Trainer während der Selbstlernphase (hier in der Rolle als Tutor) mit den Teilnehmern in Kontakt, um offene Fragen oder Probleme zu diskutierten. Zudem besteht während der gesamten Online-phase die Möglichkeit, sich in Diskussionsforen mit den anderen Teilneh-mern bzw. dem Trainer auszutauschen.

2 Tage

1-2 h

5 h in 4 Wochen

1-2 h

Bedarf

Kick off

Präsenzphase

Qualifizierung

► Soziale Aspekte (Gruppenkohäson, Lernteams) ► Spielregeln/Vereinbarungen

(z. B. Termine für Online-Session) ► Medienkompetenz

► „Nur Lese“-Seiten ► Animierte, interaktive Seiten ► Infos aus Intranet und Internet ► Übungen ► Asynchrone Kommunikation (Forum) ► Synchrone Kommunikation (Chat, Whiteboard) ► Abschlusstest

► Didaktisches Spiel ► Medienvortrag/Lehrgespräch ► CBT-Phasen ► Praktische Übungen

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Die Ergänzung von Präsenzseminaren durch WBTs sowie synchrone und asynchrone Kommunikationselemente ermöglicht neben dem eigen-ständigen und flexiblen Lernen und Üben auch den persönlichen Aus-tausch mit anderen Kursteilnehmern und dem Trainer.

Erfolgsfaktoren für eigenverantwortliches Lernen

Im verstärkten Einsatz von eigenverantwortlichen Lernangeboten sieht die BASF Weiterbildung die Chance, das Schulungsangebot für alle Mitar-beiter zu verbessern. Im Gegensatz zu klassischen Seminaren bietet der Einsatz von E-Learning die Möglichkeit, auch große, dezentral verteilte Zielgruppen zu erreichen, ohne dabei den Austausch zwischen den Teil-nehmern zu vernachlässigen.

Hoch standardisierte, allgemeingültige Themen können zielgerichtet, kostengünstig und kurzfristig angeboten werden (zum Beispiel IT-Themen). Durch E-Learning-Angebote werden klassische Seminarformen zu Blended Learning-Konzepten ergänzt. E-Learning bietet die Möglich-keit, den Qualifizierungsbedarf von Zielgruppen, die durch klassische Se-minarangebote nur schwer erreicht werden können, zu bedienen.

Jedoch gilt auch für die BASF, dass eine erfolgreiche Einführung von E-Learning sowohl von der Nutzung des Angebots als auch von der Akzeptanz der Mitarbeiter abhängt. Eine Steigerung der Akzeptanz kann durch verschiedene Maßnahmen sichergestellt werden:

• Abstimmung der eingesetzten Technologien auf deren Einsatz und die jeweilige Zielgruppe (unter Betrachtung des Kosten/Nutzen-Aspekts),

• tutorielle Begleitung und Betreuung der Lernenden sowie die Einrich-tung eines Hotline Supports,

• Einbettung von Lernphasen in den Arbeitsalltag durch Freiräume zum Lernen,

• bzw. Lernen von Zuhause,

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• Unterstützung der Lerner durch Vorgesetzte in Form von Zielvereinba-rungen,

• Qualifizierung von Mitarbeitern und Trainern im Umgang mit E-Learning hinsichtlich der erforderlichen Selbstlern- und Medienkompe-tenz und des technischen Know-hows.

Ziel der BASF Weiterbildung ist es, die Akzeptanz des eigenverantwortlichen Lernens zu fördern und die Mitarbeiter dabei zu unterstützen, Verantwortung für ihre eigene Qualifikation zu übernehmen. Hierzu wird E-Learning weiter forciert, um diese Methode als festen Bestandteil in den Qualifizierungsprozessen zu etablieren. Dies trägt dazu bei, die Mitarbeiter der BASF bedarfsorientiert und zielgerichtet für zukünftige Anforderungen im technischen und wirtschaftlichen Umfeld vorzubereiten.

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Stefanie Koller:

E-Learning in der Berufsausbildung – das Beispiel der Siemens AG

E-Learning – hilfreich beim lebenslangen Lernen

Ein Ausbilder möchte seinen Auszubildenden einen Arbeitsvorgang an einer Maschine demonstrieren. Bei den Auszubildenden, acht an der Zahl, herrscht offensichtlich Unruhe. Diejenigen, die keinen Platz mit optimaler Sicht ergattern konnten, sind unzufrieden, gelangweilt oder beschäftigen sich unterdessen anderweitig. Natürlich sollen alle Auszubildenden die Möglichkeit haben, den Ausbilder beim Bedienen der Geräte beobachten zu können. Was ist zu tun? Die Gruppe in mehrere Teams teilen? Sicher ist das eine Möglichkeit. Das bedeutet aber, dass der Ausbilder auch für die jeweils nicht an der Maschine befindlichen Gruppen in der Zwischenzeit eine sinnvolle Aufgabe parat haben muss. Je nach Maschine und Komple-xität des Vorgangs kann die zwei- oder sogar dreimalige Durchführung der Demonstration auch zu zeitraubend sein. Dies ist eine Situation in der technischen Ausbildung, in der E-Learning hilfreich sein kann.

E-Learning – was ist das, und warum sollte man es einsetzen?

E-Learning – ein Schlagwort, das auch in der Berufsbildung die Runde macht. Warum? Die Gründe liegen nahe: Durch den rasanten technologi-schen Wandel müssen die Mitarbeiter ihr Wissen selbstständig aktualisie-ren und erweitern. Gerade in einem großen, weltweit tätigen Unternehmen bedeutet dies eine echte Herausforderung. Zahlreiche Restriktionen in zeit-licher, wirtschaftlicher und personeller Hinsicht beeinträchtigen das le-benslange Lernen des Einzelnen in der üblichen Seminarform. E-Learning kann helfen, diese Widerstände zu überwinden: Gute Angebote ermögli-chen räumliche und zeitliche Unabhängigkeit, erzielen qualitativ hochwer-tige Ergebnisse und sind verglichen mit anderen Weiterbildungsmaßnah-

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men relativ preisgünstig. Besonders ist das dann der Fall, wenn ein Semi-nar mit relativ standardisierten Trainingsinhalten mit großer Teilnehmer-zahl und hohem Reise- und Unterbringungsaufwand durch E-Learning er-setzt werden kann. Zudem können die Fachkräfte an ihrem eigenen Ar-beitsplatz qualifiziert werden.

Seit Jahren ist es bei Siemens gang und gäbe, dass Service-Mitarbeiter rund um den Globus online zu neuen Produkten geschult werden, sich on-line auf Plattformen Informationen holen oder sich mit Kollegen austau-schen – weil sie sich nur selten persönlich treffen. Ziel der Siemens Be-rufsausbildung ist es deshalb, auch die Auszubildenden schon frühzeitig – bei dafür geeigneten Themen – mit E-Learning vertraut zu machen:

• als Lernen mit Hilfe von Plattformen, auf denen Informationen abgelegt und abgerufen werden können,

• als Lernen in Foren, die Gedankenaustausch und fachliche Hilfe ermög-lichen,

• als Lernen anhand von Computer Based Training (CBT) und Web Ba-sed Training (WBT) zu Inhalten der Ausbildung und optional zur Ver-tiefung und Weiterführung des Gelernten.

Die heutige Generation der CBTs und WBTs wird geprägt durch immer leistungsfähigere PCs und Multimedia-Technologien. Der Trend geht da-hin, dass Online-Programme durch einen Online-Tutor betreut werden, der die Fragen der Lernenden beantwortet. In naher Zukunft will man noch ei-nen Schritt weiter gehen: „Lernende Datenbanken“ sollen die Online-Tutoren ersetzen.

E-Learning – eine neue Methode unter vielen bewährten anderen

Wie jede andere Methode hat auch das E-Learning seine spezifischen Vor- und Nachteile.

Zu den Pluspunkten zählen folgende Merkmale:

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• Unterschiedliche Wissensstände der Auszubildenden können zeitlich individuell angeglichen werden, z. B., um für eine Projektarbeit glei-ches Niveau zu garantieren.

• Die jungen Leute können sich an ihrer persönlichen Lerngeschwindig-keit orientieren und sind zeitlich und räumlich weitgehend unabhängig.

• Die Auszubildenden eignen sich Medienkompetenz an: Sie lernen neben den fachlichen Inhalten auch, neue Technologien und Medien effektiv zu nutzen. Diese Medienkompetenz befähigt sie, in ihrem späteren Be-rufsleben Aufgaben zu lösen, die mit Informationssuche, Organisation und Analyse zusammenhängen.

• Die Ausbilder werden durch E-Learning von Routineaufgaben entlastet und können sich einzelnen Auszubildenden besonders zuwenden oder sich Sonderaufgaben widmen.

• Die Ausbildung kann durch den Einsatz neuer Medien sehr abwechs-lungsreich und anschaulich gestaltet werden, beispielsweise durch 3-D-Animationen, Videos oder Simulationen.

Als nachteilig haben sich diese Eigenschaften erwiesen:

• Der fehlende Kontakt zum Ausbilder und den Mitlernenden wirkt schnell demotivierend.

• Das Lernen am Computer führt rasch zur Ermüdung, die den Lernerfolg gefährdet.

• Technische Probleme können das Lernen verzögern.

• Hochwertige Lernprogramme und die notwendige Erstausstattung an technischer Ausrüstung haben ihren Preis – und zwar einen hohen.

Es macht keinen Sinn, E-Learning isoliert einzusetzen. Vielmehr hat sich das Konzept des „Blended Learning“ als erfolgreich erwiesen. Dabei werden unterschiedliche Lehr- und Lernmethoden wohl dosiert und ab-wechslungsreich miteinander verknüpft, z. B. durch Modelle, die Präsenz-veranstaltungen mit Selbstlernphasen anhand von CBT/WBT kombinieren.

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Blended Learning – der Mix macht´s

Gegenüber den klassischen Lernmethoden hat E-Learning den Vorteil, dass es individuelle Lernwege zulässt. Diese setzen allerdings eine hohe Selbstlernkompetenz voraus, das sind Funktionen, die bisher der Ausbilder überwacht und gesteuert hat, werden nun auf den Lernenden übertragen. Dazu gehören beispielsweise die Motivation zum Lernen aufrecht zu erhal-ten, ausdauernd aufmerksam zu sein oder den eigenen Lernprozess selbst-ständig zu planen und zu steuern.

Eine E-Learning Lernumgebung sollte einerseits viel Zeit enthalten, die der Lernende individuell gestalten kann, andererseits sollte der Lernende aber auch in seinem Lernprozess unterstützt werden. Inzwischen belegen Studien, dass die Kommunikation der Lernenden untereinander die Moti-vation und die Produktivität im Vergleich zur Einzelarbeit erhöht. Motivie-rende Lernumgebungen sind gekennzeichnet durch:

• Probleme der Praxis sind die Vorlage für Trainingsaufgaben.

• Vom Experten werden zum Lernprogramm für jede Selbststudienphase Arbeitsaufgaben zusammengestellt.

• Die Lernenden erhalten sowohl vom Lernprogramm als auch von Exper-ten und/oder Lernpartnern Rückmeldung über ihre Leistungen, wodurch sie ihre Stärken und Schwächen erkennen.

• Beim individuellen Lernen kann sich der Lernende nicht mit anderen Teilnehmern vergleichen und somit die eigene Leistung nur schwer ein-schätzen. Aus diesem Grunde sollten die Arbeitsergebnisse anderer auch immer wieder für alle zugänglich gemacht werden.

• In Lerntandems werden zwei Lernende zusammengefasst, die sich selbstständig regelmäßig zur Besprechung der Arbeitsaufgaben treffen und beispielsweise auch gemeinsam das Lernprogramm bearbeiten. Ihre Ergebnisse werden in der Lerngruppe besprochen, wodurch sie ein Feedback über ihre Leistung erhalten.

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• Durch die Einbindung der Lernenden in eine Kleingruppe kann der Lernerfolg zusätzlich gesteigert werden. Die Arbeitsaufgaben der Klein-gruppe können präsentiert werden.

Erfahrungen zeigen, dass sich E-Learning kombiniert mit Tandem-, Partner- oder Workshoplernen durch einen besonders hohen Lernerfolg auszeichnet. In den Präsenzphasen können die Lernenden ihr neu erworbe-nes Wissen reflektieren und anwenden sowie die theoretische Vorgehens-weise in der Realität ausprobieren. Zusätzlich wird das Präsentieren vor der Gruppe geübt.

E-Learning konkret

Plattformen und Foren

In der Siemens Berufsbildung ermöglichen die Datenbanken Didact und VerA sowie zahlreiche Foren den Wissensaustausch von Mitarbeitern bzw. Auszubildenden.

• Auf der Plattform Didact werden alle Informationen rund um die Be-rufsbilder hinterlegt, bis hin zu einzelnen ausgearbeiteten Unterrichtsse-quenzen. Auf diese Weise muss das Rad „Berufliche Inhalte“ nicht an jedem Ausbildungsstandort neu erfunden werden, und Interessierte kön-nen sich jederzeit und jederort aktuell über Ausbildungsinhalte etc. in-formieren.

• Die Plattform VerA dient den Vertriebsmitarbeitern der Ausbildung zum Informationsaustausch. Auch hier werden neue Broschüren, Fo-liensätze, Leitfäden etc. eingestellt, und ein Gedankenaustausch über Foren ist möglich.

• Für Auszubildende gibt es an den einzelnen Standorten Foren zu ver-schiedenen Fachgebieten, z. B. zu Netzwerken, Unix oder BWL. In die-sen Foren können sich die jungen Leute gegenseitig weiterhelfen. Die Foren werden aber auch durch Fachleute der Ausbildung betreut, die den Auszubildenden Hinweise geben und ihre Fragen beantworten.

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CBT/WBT zur Vermittlung fachlicher Inhalte

In der Siemens Berufsbildung werden insgesamt rund 200 CBTs und WBTs eingesetzt. In der technischen Ausbildung bieten die Lernprogram-me allen Auszubildenden die Möglichkeit, einen maschinellen Arbeitsvor-gang virtuell zu verfolgen und im Anschluss selbst durchzuführen. Die Auszubildenden lernen das fachlich richtige Vorgehen am Computer, be-vor sie die Maschine in der Praxis bedienen. Sie verstehen vorab die inein-ander greifenden Arbeitsprozesse und –strukturen und erhalten Einsicht in funktionale und soziale Zusammenhänge.

In der kaufmännischen Ausbildung werden beispielsweise das Bilanzie-rungsverfahren US-GAAP (Generally Accepted Accounting Principles) und das Microsoft-Office-Paket per CBT vermittelt. Besonders hoch ist der Einsatz von CBTs und WBTs naturgemäß im IT-Bereich (z. B. zu den Themen „Netzwerke“ und „Programmieren mit Java“).

Mit CBT/WBT die Schlüsselqualifikationen fördern

Mit den fachlichen und berufsspezifischen Lerninhalten werden den Auszubildenden Schlüsselqualifikationen vermittelt, die berufsübergrei-fend sind und die Auszubildenden auf die Anforderungen ihres künftigen Arbeitsplatzes vorbereiten. Dazu gehören Organisations- und Planungsfä-higkeit, Denk- und Lernstrategien sowie Selbstständigkeit und Verantwor-tungsbewusstsein. In der Ausbildung müssen deshalb Lernsituationen ge-schaffen werden, die diese Schlüsselqualifikationen fördern. Didaktische Konzepte sollten so aufgebaut sein, dass die Auszubildenden lernen, selbstständig, verantwortungsbewusst und problemlösungsorientiert zu ar-beiten. Deshalb bedeutet Lernen in der Berufsausbildung vor allem, dass die Auszubildenden Handlungskompetenz erwerben, um Arbeitsabläufe selbstständig zu bewältigen. E-Learning kann zur Förderung und Unter-stützung dieser Fähigkeiten sinnvoll eingesetzt werden.

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Voraussetzungen für den Einsatz von E-Learning

Für den Einsatz von E-Learning sind bestimmte Voraussetzungen not-wendig:

Zunächst sollten die technischen und räumlichen Rahmenbedingun-gen erfüllt sein. Nur leistungsfähige Server und Netzwerke können den Datenverkehr bewältigen. Räume, in die die Auszubildenden sich zum Lernen zurückziehen können, sollten zur Verfügung gestellt werden. Diese sollten sich in unmittelbarer Nähe der Lehrwerkstatt befinden, um bei auf-tretenden Fragestellungen auf den Computer zurückgreifen und recherchie-ren zu können. Um sich über aktuelle Fragestellungen austauschen und im Team Probleme lösen oder Projekte bearbeiten zu können, sollten Diskus-sionsforen und Chat-Rooms im Intranet eingerichtet werden.

Vor der Entscheidung für den Kauf, die Entwicklung oder Gestaltung eines Lernprogramms sollte eine Zielgruppenanalyse durchgeführt wer-den, damit den Anwendern ein bedarfsgerechtes Lernprogramm zur Verfü-gung steht. Je nach Alter und Bildungsniveau unterscheiden sich die An-sprüche und Bedürfnisse der Lernenden etwa hinsichtlich Aufbau und Layout. Jugendliche und junge Erwachsene (bis 25 Jahre) bevorzugen eine kreative Lernumgebung hinsichtlich des Designs, dynamische Inhalte so-wie trendige Grafiken. Je nach Ausbildungsberuf und Bildungsniveau müssen die Lerninhalte entsprechend des abstrakten und analytischen Denkvermögens der jungen Leute präsentiert werden. Auch die Medien-kompetenz der Auszubildenden variiert: Je nach den intellektuellen Fähig-keiten der Auszubildenden können die Inhalte in mehr oder weniger kom-plexer Form aufbereitet und präsentiert werden. Auch der Grad der Me-dienkompetenz muss bei der Einführung in die Programme vom Ausbilder berücksichtigt werden. Generell gilt: Die Aufmerksamkeit der Lernenden sinkt in der Regel nach 20 Minuten. Deshalb ist es sinnvoll, die Zeitinter-valle für die einzelnen Lernabschnitte auf 20 bis 30 Minuten zu begrenzen.

Die Ausbilder müssen für den didaktisch richtigen Einsatz geschult werden. Die Verknüpfung verschiedener Unterrichtsmethoden zu einem

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Gesamtkonzept verändert die Aufgabe der Ausbilder im Vergleich zu den klassischen Bildungsmaßnahmen:

Je freier und komplexer Unterrichtsprozesse ablaufen sollen, desto um-fangreicher und anstrengender werden die methodischen Vorüberlegun-gen und didaktischen Konstruktionen. Damit E-Learning nach dem Blended Learning-Ansatz in die Ausbildung aufgenommen wird, muss es von den Ausbildern in die tägliche Arbeit integriert werden. Die Ausbilder benötigen dazu Erfahrungen mit der Vorbereitung und Durchführung offe-ner, projektorientierter Lehr- und Lernprozesse und eine gute didaktische Ausbildung.

E-Learning bedeutet nicht, die Auszubildenden ohne Vor- und Nach-bereitung die Lernprogramme selbstständig durcharbeiten zu lassen. E-Learning muss in ein Ausbildungskonzept integriert sein, um inhaltliche Bezüge herstellen zu können. Die Ausbilder sollten sich vor dem Einsatz eines Lernprogramms über die Menge an Informationen, die Struktur des Programms und die angebotenen Trainingsmöglichkeiten einen Überblick verschaffen. Nur so können sie feststellen, welche Themen im Programm nicht ausführlich genug behandelt werden oder gänzlich fehlen. Fehlende Informationen können durch persönliche Hilfestellungen oder ergänzende Medien geliefert werden.

Die Aufgabe der Ausbilder wandelt sich zum Begleiter oder Coach. Sie begleiten die Auszubildenden in ihrer neuen Rolle als selbstständig Lernende, führen in das selbstorganisierte Lernen ein und vermitteln Me-thodenwissen. Der Auszubildende arbeitet zwar selbstständig an einem Problem, wird aber vom Ausbilder gezielt unterstützt. Die Eigenverant-wortlichkeit der Auszubildenden soll dabei schrittweise zunehmen, wäh-rend die anleitende und steuernde Präsenz des Ausbilders abnimmt.

Der Ausbilder gibt dem Auszubildenden Feedback zum Lernprozess und kann dadurch auch dessen persönliche Wahrnehmung beeinflussen. Der Kontakt zu den Ausbildern stellt ein wichtiges Element des Blended Learning-Konzepts dar.

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Um E-Learning in der Ausbildung einsetzen zu können, müssen die Ausbilder über Medienkompetenz verfügen oder sie aufbauen. Diese Me-dienkompetenz ist besonders wichtig, um eine qualitativ hochwertige und intensive Ausbildung bieten zu können.

Gestaltung von Lernprogrammen

In der Ausbildung sollten handlungsorientierte Lernprogramme einge-setzt werden. Sie sollten idealerweise:

• Arbeitsaufträge zum selbstständigen Durchdenken und Erarbeiten ent-halten.

• Diese Arbeitsaufträge im Sinne von Leittexten vorbereiten und Gele-genheit zur Ergebnisdokumentation geben.

• Erklärungen erst nach oder bei der Ausführung bieten.

• Die Lernenden selbst herausfinden lassen, welche Informationen sie be-nötigen.

• Die Lernenden die Informationen selbst beschaffen lassen.

• Die zu bewältigende Handlungssituation als Übungsaufgabe vorstellen und es dem Lernenden überlassen, einen Lösungsweg zu finden.

• So gestaltet sein, dass die Ausbilder z. B. auch Ausschnitte präsentieren können, sich also selbst Arbeitsmaterialien individuell zusammenstellen können.

Einsatzmöglichkeiten

Für E-Learning gibt es eine Reihe an Einsatzmöglichkeiten, die unbe-dingt genutzt werden sollten! Es eignet sich zur Unterrichtsvorbereitung, zur Unterstützung des Unterrichts und zur Überprüfung des Erlernten.

So können sich die Auszubildenden mit Hilfe von Lernprogrammen auf den Unterricht vorbereiten, indem sie selbstständig Basiswissen und Ma-

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schineneinstellungen erlernen. Andererseits ist ein unterrichtsbegleitender Einsatz von Lernprogrammen möglich. Je nach technischer Ausstattung der Lernumgebung können während einer Unterrichtseinheit Kenntnisse erlernt und überprüft werden. Für das Üben an einer realen Maschine ist das Lernprogramm allerdings kein vollständiger Ersatz.

Durch den Einsatz von Lernprogrammen besteht mehr Zeit für die prak-tischen Übungsprozesse an den Maschinen. Das fachpraktische Training wird intensiviert, wodurch die Gesamtqualität der Ausbildung steigt. Wei-tere Einsatzmöglichkeiten von E-Learning sind:

• Durch E-Learning kann der Kenntnisstand überprüft werden. Testfra-gen, die am Ende einer Lerneinheit beantwortet werden, geben hierüber Auskunft.

• Simulationen von Maschinen können netzbasiert stattfinden. Dadurch lernen die Auszubildenden die richtige Vorgehensweise in der Theorie, welche sie im Anschluss in der Praxis an der Maschine anwenden kön-nen. Dieses Praxislernen ist ein Lernen ohne Gefahr und kann gut zur Einführung genutzt werden.

• Neben den Simulationen können 3-D-Animationen eingesetzt werden, um die Inhalte räumlich zu veranschaulichen.

• Falls die Ausbildung standortübergreifend stattfindet, können Diskussi-onsforen im Intranet für die Ausbilder und Auszubildenden eingerichtet werden.

Fazit:

E-Learning bietet viele Möglichkeiten, den Unterricht und das eigen-ständige Lernen in Kombination mit anderen Methoden vielseitig zu ges-talten – nutzen wir diese Chancen!

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Dirk Jakobs:

E-Learning in der Produktion? – Voraussetzungen und Konsequenzen bei DaimlerChrysler

Die Rahmenbedingungen wirtschaftlicher Produktion unterliegen einer rasanten Veränderung. Erschließung neuer Märkte, Globalisierung, time to market, Kundenorientierung sind nur einige Stichwörter einer Entwick-lung, welche die Unternehmen zwingt, ihre Produkte und Dienstleistungen in immer kürzeren Abständen, in steigender Qualität und zu sinkenden Preisen auf dem internationalen Markt anzubieten. Diese Entwicklung be-deutet aber zugleich auch, dass die Mitarbeiter eines Unternehmens über das zum Erhalt oder zum Ausbau der Marktposition notwendige Wissen und die richtigen Fähigkeiten verfügen müssen. Die betriebliche Weiter-bildung und Qualifizierung steht somit ebenfalls vor neuen Herausforde-rungen, diesen Informations-, Schulungs- und Qualifizierungsbedarf zeit- und arbeitsplatznah zu befriedigen und dies bei einem tendenziell steigen-den Weiterbildungsvolumen.

Vor diesem Hintergrund erschien computerunterstütztes Lernen (CUL) vielen Personalentwicklern als eine geeignete Methode, Mitarbeiter kos-tengünstig und in der Nähe des Arbeitsplatzes an Lernstationen oder dem Rechner im eigenen Büro selbstständig lernen zu lassen. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass die an diese Form CUL gestellten Erwartungen nicht erfüllt werden.45 Bei der DaimlerChrysler AG wurde 2001 das letzte Selbstlernstudio geschlossen und auch das Angebot computerbasierter

45 S. dazu Harhoff, D./Küpper, C.: Akzeptanz von E-Learning. Eine empirische Studie in Zusammenarbeit von Cognos und dem Institut für Innovationsfor-schung, Technologiemanagement und Entrepreneurship. München (INNOtec) 2002 und Kailer, N. (Hrsg.): Innovative Weiterbildung durch Computer Based Training. Ergebnisse einer europaweiten Studie. o. O. (Signum) 1998.

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Lernprogramme zum reinen Selbststudium ist nur auf geringe Akzeptanz bei den Anwendern gestoßen.46

Verständnis von E-Learning bei DaimlerChrysler

Mit der Einführung vernetzter Technologien haben sich neue Möglich-keiten für den Einsatz des Computers zum Lernen eröffnet, die unter dem Stichwort E-Learning seit einigen Jahren in den Unternehmen kursieren. Bei DaimlerChrysler werden die neuen Medien in unterschiedlichster Wei-se eingesetzt. Leitende Führungskräfte haben über die Corporate Universi-ty online die Möglichkeit, sich Wissensbausteine (Knowledge Nuggets) abzurufen und im Selbststudium durchzuarbeiten.47 Selbstlernprogramme zu unterschiedlichsten Themen stehen allen Mitarbeitern zur Verfügung. Im Vertrieb werden E-Learning-Komponenten mit Präsenzphasen zu Blen-ded-Learning-Qualifizierungen kombiniert. Abbildung 1 veranschaulicht das Verständnis von E-Learning bei DaimlerChrysler:

46 Dies belegen die tatsächlichen Nutzerzahlen in Relation zu den verfügbaren Li-zenzen pro Programm sowie interne Erhebungen bezüglich der Akzeptanz bei Nutzern computerbasierter Lernprogramme. 47 Dazu ausführlicher: Müller, M./Kraemer, W./Gallenstein, C. et.al.: DaimlerCh-rysler Corporate University Online - The E-Dimension of Executive Develop-ment. Aus: Kraemer, W./Müller, M. (Hrsg.): Corporate Universities und E-Learning. Personalentwicklung und lebenslanges Lernen. Strategien - Lösungen - Perspektiven. Wiesbaden (Gabler) 2001, 401 - 426.

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Abbildung 1 Verständnis von E-Learning

In Bezug auf E-Learning wird zwischen E-Training, E-Kollaboration und Learning on Demand unterschieden, womit unter E-Learning mehr verstanden wird als der Einsatz computer- oder webbasierter Lernpro-gramme (CBT/WBT) zum Selbststudium.48

Wie Untersuchungen belegen, haben die meisten E-Learning- wie Blen-ded-Learning-Angebote Mitarbeiter von der Sachbearbeiterebene bis zum Management zur Zielgruppe, gewerbliche Mitarbeiter aus Produktionsbe-reichen werden bis dato jedoch ausschließlich konventionell, d. h. in Prä-senzmaßnahmen qualifiziert. Als Konsequenz aus den beschriebenen Rahmenbedingungen und Zwängen betrieblicher Bildung stellt sich für Produktionsunternehmen allerdings die Frage, ob nicht auch gewerbliche Mitarbeiter mit Hilfe der neuen Medien weitergebildet werden können.

48 Auf die möglichen Facetten des Einsatzes von E-Learning in Unternehmen ge-hen Back, Bendel und Stoller-Schai ausführlich ein: s. dazu: Back, A./Bendel, O./Stoller-Schai, D.: E-Learning im Unternehmen: Grundlagen - Strategien - Me-thoden - Technologien. Zürich (Orell Füssli) 2001.

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Aus diesem Grund wurden bei DaimlerChrysler die Voraussetzungen für E-Learning in der Produktion untersucht, um anschließend Konsequenzen für dessen Einsatz in Produktionsbereichen ziehen zu können.

Voraussetzungen für E-Learning in der Produktion

In der Untersuchung wurde zwischen lernerseitigen sowie unterneh-mensseitigen Faktoren und dem Weiterbildungsbedarf unterschieden. Ler-nerseitige Faktoren umfassen personale Gegebenheiten auf Seiten des ler-nenden Mitarbeiters, Motivation, Medienkompetenz und Einstellungen spielen dabei als kritische Erfolgsfaktoren eine entscheidende Rolle.49 Als organisationale Faktoren wurden die betrieblichen Rahmenbedingungen für E-Learning und die Einstellungen der den gewerblichen Mitarbeitern vorstehenden Führungskräfte eingehend beleuchtet. Bezüglich des Weiter-bildungsbedarfs kam es nicht nur auf die eigentlichen Qualifizierungsthe-men, sondern aufgrund des Untersuchungsgegenstandes insbesondere auf die von den Führungskräften formulierten Anforderungen an die Weiter-bildung ihrer Mitarbeiter an. Die nachstehende Grafik verdeutlicht das der Untersuchung zu Grunde gelegte Modell der E-Learning relevanten Fakto-ren und deren Wechselbeziehungen.

49 Prenzel, M./Drechsel, B./Kliewe, A. u. a.: Lernmotivation in der Aus- und Weiterbildung: Merkmale und Bedingungen. Aus: Harteis, C./Heid, H./Kraft, S. (Hrsg.): Kompendium Weiterbildung. Aspekte und Perspektiven betrieblicher Personal- und Organisationsentwicklung. Opladen (Leske + Budrich) 2000, 163 - 173. Holzinger, A.: Basiswissen Multimedia, Band 2: Lernen. Kognitive Grundlagen multimedialer Informationssysteme. Würzburg (Vogel) 2001. Glotz, P.: Medienkompetenz als Schlüsselqualifikation. Aus: Hamm, I. (Hrsg.): Medienkompetenz. Wirtschaft, Wissen, Wandel. Gütersloh (Verlag Bertelsmann Stiftung) 2001, 16 - 37. Mandl, H./Krause, U.-M.: Lernkompetenz für die Wissensgesellschaft. For-schungsbericht Nr. 145. München 2001.

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Abbildung 2 Modell der Voraussetzungsfaktoren für E-Learning

Die Untersuchung basiert auf qualitativen und quantitativen Daten, wel-che durch eine schriftliche Befragung gewerblicher Mitarbeiter und Füh-rungskräfte eines Produktionsbereichs sowie durch Interviews einer per Zufall ermittelten Stichprobe von Führungskräften erhoben wurden.50 Im folgenden werden die zentralen Erkenntnisse zu den Voraussetzungen für den Einsatz der neuen Medien zum Lernen in der Produktion erörtert:

50 Zum Erhebungsmodus geschichteter Zufallsstichproben s. Atteslander, P.: Me-thoden der empirischen Sozialforschung. 9. neubearb. und erw. Auflage. Berlin, New York (de Gruyter) 2000

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Lernerseitige Voraussetzungen für E-Learning

Gewerbliche Mitarbeiter als auch Führungskräfte sind grundsätzlich in hohem Maß zur Teilnahme an Weiterbildungen motiviert. Da die Werte der extrinsischen sowie in noch stärkerem Maß die der intrinsischen Be-weggründe hoch sind, sind aus motivationspsychologischer Sicht51 die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Weiterbildung günstig. Das hohe Motivationsniveau der Befragten bietet eine gute Ausgangsbasis für die Gestaltung von Lernprozessen. Dabei handelt es sich allerdings um eine grundlegende Eigenschaft der Lernenden, deren Ausprägung unabhängig von der Lernform oder den Lernmedien ausgebildet ist. Bezogen auf den Einsatz der Neuen Medien zum Lernen lässt sich daraus ableiten, dass bil-dungsmotivierte Mitarbeiter auch E-Learning gegenüber aufgeschlossen sein dürften. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass für motivierte und geübte Lernende die methodisch-didaktische Gestaltung des Lernpro-zesses oftmals keine entscheidende Rolle zur Erreichung der Lernziele spielt. Der hohe Motivationsgrad der Befragten ist somit nur der Indikator einer allgemeinen Voraussetzung für erfolgreiche Weiterbildung, deren Lernprozesse auch mit Hilfe der Neuen Medien gestaltet werden können.

Entscheidend für die Einsetzbarkeit von E-Learning ist die Medienkom-petenz der Lernenden.52 Der Lernende muss über gewisse Grundfertigkei-ten im Umgang mit dem Computer verfügen. Die weithin verbreitete Auf-fassung, dass Produktionsmitarbeiter über keine oder nur sehr geringe Computerkenntnisse verfügen, wird durch die Ergebnisse der Untersu-

51 Prenzel, M./Drechsel, B./Kliewe, A. u. a.: Lernmotivation in der Aus- und Weiterbildung: Merkmale und Bedingungen. Aus: Harteis, C./Heid, H./Kraft, S. (Hrsg.): Kompendium Weiterbildung. Aspekte und Perspektiven betrieblicher Personal- und Organisationsentwicklung. Opladen (Leske + Budrich) 2000, 163 - 173. 52 Schiersmann, C./Busse, J./Krause, D.: Medienkompetenz - Kompetenz für Neue Medien. Studie im Auftrag des Forum Bildung. Berlin (Forum Bildung) 2002. Rosebrock, C./Zitzelsberger, O.: Der Begriff Medienkompetenz als Zielperspek-tive im Diskurs der Pädagogik und Didaktik. Aus: Groeben, N./Hurrelmann, B. (Hrsg.): Medienkompetenz. Voraussetzungen, Dimensionen, Funktionen. Wein-heim (Juventa) 2002, 148 - 159.

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chung nicht bestätigt. Die Handhabungskompetenz der gewerblichen Mit-arbeiter ist dabei hauptsächlich von zwei Faktoren abhängig: dem Alter und der Art der Anwendung. Mit zunehmendem Alter nimmt die Handha-bungskompetenz der Befragten deutlich ab. Dieses Ergebnis scheint im Licht der Entwicklung und Verbreitung der Computertechnologie und im besonderen der vernetzten Neuen Medien seit den 70er Jahren wenig ver-wunderlich. Je jünger die Mitarbeiter sind, desto stärker kann davon aus-gegangen werden, dass sie sich bereits während der Schul- oder Ausbil-dungszeit mit dem Computer und den gängigsten Anwendungen auseinan-dergesetzt haben.

Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die sogenannte „Generati-on @“ gerade erst in das Arbeitsleben eintritt und anteilig nur einen sehr geringen Teil der Belegschaft ausmacht. Insofern sind die ermittelten Be-herrschungsgrade vor allem der beiden ältesten untersuchten Mitarbeiter-gruppen der 40- bis 49- und über 50-Jährigen überraschend hoch. Immer-hin gaben rund 1/3 der gewerblichen Mitarbeiter über 50 Jahre an, Textve-rarbeitungs- und Internetanwendungen sehr gut bis befriedigend zu beherr-schen. Bezüglich der für E-Learning notwendigen Handhabungskompetenz kann aufgrund der Ergebnisse zu den allgemeinen Anwendungen festge-stellt werden, dass eine deutliche Mehrheit der bis 29-Jährigen (ca. 85 Prozent), etwas mehr als die Hälfte der 30- bis 39-Jährigen (ca. 60 Prozent), etwas weniger als die Hälfte der 40- bis 49-Jährigen (ca. 45 Prozent) und etwa ein Drittel der ältesten Altersgruppen zumindest über grundlegende Kenntnisse im Umgang mit dem Computer verfügt. Der deutliche Unterschied zwischen der ersten und zweiten Altersgruppe ist dabei durch die oben angesprochene Generationenfrage zu erklären.

Diese Erkenntnisse werden tendenziell auch durch die Ergebnisse der Allensbacher Computer- und Telekommunikationsanalyse (ACTA) in Be-zug auf die Computerkenntnisse der Befragten untermauert, bei welcher sich 75 Prozent der 20- bis 29-Jährigen, 66 Prozent der 30- bis 39-Jährigen, 60 Prozent der 40- bis 49-Jährigen und 37 Prozent der 50- bis 64-

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Jährigen mindestens Grundkenntnisse im Umgang mit dem Computer be-scheinigen.53

Die Situation bezüglich computerbasierter Lernanwendungen stellt sich anders dar. Die laut Studien der KPMG54 und des Instituts für Innovations-forschung und Technologiemanagement55 verbreitetste Form von Lernan-wendung, CBT und WBT, wird von rund 55 Prozent der jüngeren und gut 20 Prozent der älteren Mitarbeiter beherrscht. Kooperative Lernanwendun-gen hingegen werden von allen Altersgruppen kaum beherrscht und sind zu einem hohen Prozentsatz unbekannt. Bei den Angaben zu den Lernanwen-dungen im Bereich der Informationsbeschaffung (Download-Pool, Such-maschinen und Online-Hilfen) fällt vor allem deren relativ hoher Beherr-schungsgrad bei den Führungskräften auf. Die Handhabungskompetenz dieser Lernanwendungen unter den Führungskräften erklärt sich durch die Tatsache, dass sie für diese Zielgruppe Bestandteil der täglichen Arbeit darstellen und arbeitsbezogen eingesetzt werden.

Der Grad der Medienkompetenz bei Mitarbeitern in der Produktion muss folglich differenziert bewertet werden. Zwar kommt die Mehrzahl der Mitarbeiter in der Produktion heute im Beruf kaum mit dem Medium Computer in Berührung, jedoch verfügt ein Großteil von ihnen nichtsdes-totrotz über zumindest grundlegende Computerkenntnisse, die für den Umgang mit distributiven und interaktiven Technologien notwendig sind.

Seitens der Lernenden wird die Einsetzbarkeit von E-Learning neben deren Motivation und Medienkompetenz von den Einstellungen beein-flusst.56 Grundsätzlich war der Bedarf nach mehr Weiterbildung bei den

53 ACTA - Allensbacher Computer- und Telekommunikations- Analyse: www.acta-online.de/inhalte_2002/index.html (05.09.03). 54 KPMG Consulting 2001: E-Learning zwischen Euphorie und Ernüchterung - Eine Bestandsaufnahme zum E-Learning in deutschen Großunternehmen: www.mmb-michel.de/New_Learning_Zusammenfassung.pdf (14.12.2001). 55 Institut für Innovationsforschung und Technologiemanagement: E-Learning in der Weiterbildung - ein Bechmarking deutscher Unternehmen. - www.inno-tec.de/forschung/kurzfassung.pdf (5.5.2001). 56 Gemessen wurden die Einstellungen zu Weiterbildung allgemein sowie zu Computern und speziell zu E-Learning.

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gewerblichen Mitarbeitern hoch. Hinter dieser Angabe könnte zum einen eine gewisse Erwünschtheit vermutet werden, zum anderen entspricht die Einschätzung der Mitarbeiter durchaus den dargestellten veränderten An-forderungen an betriebliche Weiterbildung. Der empfundene Mehrbedarf an Weiterbildung wird aufgrund der sich wandelnden ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen jedoch nicht durch ein Mehr an konventionellen Schulungen gedeckt werden können. In diesem Fall erhal-ten die Formen des E-Learning zwangsläufig den Stellenwert einer Prob-lemlösungsalternative.

Die Ergebnisse der Einstellungen zu Computern zeigen überdies, dass die Beschäftigung mit Computern auch bei gewerblichen Mitarbeitern nicht auf Ablehnung stößt. Der Nutzen des Mediums, sowohl im berufli-chen wie auch im privaten Bereich, wird von einer Mehrheit gesehen und das Interesse an der Beschäftigung mit dem Computer ist durchaus vor-handen. Allerdings stellt auch bei den Einstellungen der Lernenden zum Medium das Alter der Befragten das ausschlaggebende Unterscheidungs-merkmal dar. Für junge Mitarbeiter ist der Computer bereits Bestandteil zumindest des privaten Alltags- und der Freizeitgestaltung, weshalb sie in viel stärkerem Maß den Nutzen des Mediums sehen und Freude am Um-gang verspüren. Die Bereitschaft, mit Hilfe des Computers zu lernen, ist interessanterweise bei den Mitarbeitern aller Altersgruppen recht hoch.

Unternehmensseitige Voraussetzungen für E-Learning

Unter dem Aspekt einer für E-Learning notwendigen neuen Lernkultur stellen sich die organisationalen Voraussetzungen für den Einsatz der Neu-en Medien zum Lernen in der Produktion heterogen dar. Die äußeren An-forderungen für E-Learning bezüglich Lernzeit, Lernort und Technik57 wa-ren zum Zeitpunkt der Erhebung formal nur zu einem geringen Teil erfüllt.

57 Die Grundlage für die Bestimmung dieser Anforderungen stellte der Bedin-gungskatalog von Severing, E./Keller, C./Reglin, T. u. a.: Betriebliche Bildung via Internet. Konzeption, Umsetzung und Bewertung. Eine Einführung für Prak-tiker. Göttingen (Hans Huber) 2001 dar.

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Gewerbliche Mitarbeiter haben kaum Zugang zu einer technischen Infra-struktur, die zum Lernen genutzt werden könnte, noch sind Lernorte im Sinne entsprechend ausgestatteter, arbeitplatznaher und ruhiger Räume zum Lernen vorhanden.

Andererseits gibt es heute in vielen Produktionsbereichen in Person der Schulungskoordinatoren Mitarbeiter in Vollzeit, die mit der Koordination und Durchführung von Schulungen betraut sind. Durch diese Mitarbeiter ist es möglich, Führungskräften und gewerblichen Mitarbeitern einer Schicht einen qualifizierten Ansprechpartner in Bildungsfragen zur Verfü-gung zu stellen, der im Prinzip jeder Zeit kontaktiert werden kann. Mit den Schulungskoordinatoren sind Experten vorhanden, die - nach entsprechen-der didaktisch-methodischer Qualifizierung im Bereich E-Learning - Lern-prozesse mit Hilfe der Neuen Medien gestalten und im konstruktivistischen Sinne als Lernberater oder -coach agieren können.58

Die Praxis der Lernzeitregelung kommt E-Learning indes vielerorts ent-gegen. Mitarbeiter, die nicht unmittelbar einer Montage-Taktung unterwor-fen sind, können sowohl individuell als auch in kleinen Gruppen zum Ler-nen freigestellt werden. Hinzu kommt, dass durch bestehende Vereinba-rungen und Regelungen Lernzeit zur Weiterbildung der Mitarbeiter als fes-ter Bestandteil der Arbeitszeit anerkannt ist und somit auch für Qualifizie-rungsmaßnahmen via E-Learning oder Blended-Learning genutzt werden könnte.

Unter lernkulturellem Aspekt ist auch die Einstellung der Führungskräf-te zur Weiterbildung ihrer Mitarbeiter relevant.59 Dass Lernen von den Führungskräften als selbstverständlich akzeptiert und gefördert wird, ist – nach unseren bisherigen Erfahrungen - nur eingeschränkt der Fall. Für die

58 Zur konstruktivistischen Auffassung von Lernen und Lehren vergl.: Gersten-maier, J./Mandl, H.: Konstruktivistische Ansätze in der Erwachsenenbildung und Weiterbildung. Aus: Tippelt, R. (Hrsg.): Handbuch Erwachsenenbil-dung/Weiterbildung (2. überarbeitete und aktualisierte Auflage). Opladen (Le-ske+Budrich) 1999, 184 - 192. 59 Meyer-Dohm, P./Schneider, P. (Hrsg.): Berufliche Bildung im lernenden Un-ternehmen: neue Wege zur beruflichen Qualifizierung. Stuttgart (Klett) 1991.

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Weiterbildung der Mitarbeiter bestehen weitgehend klare Rahmenbedin-gungen. Dennoch wird die Qualifizierung der Mitarbeiter manchmal spo-radisch und spontan organisiert. Sie hat bei vielen Führungskräften offen-kundig eine tendenziell eher niedrige Priorität und wird nicht konsequent zur Personalentwicklung eingesetzt. Die Einschätzungen zur Lernbereit-schaft der Mitarbeiter basieren bedingt auf den Vorstellungen eines Ver-trauensverhältnisses zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter sowie zu-nehmend selbstbestimmter Weiterbildungsverantwortung des Einzelnen. Diskrepanzen existieren zum Teil zwischen den Einschätzungen der Füh-rungskräfte und den Angaben der Mitarbeiter hinsichtlich deren Bildungs-motivation.

Des Weiteren können Bedenken der Führungskräfte bezüglich des Missbrauchs des Computers und der Vernachlässigung der arbeitsbezoge-nen Aufgaben durch die Mitarbeiter konstatiert werden. Allerdings sind sie nur bedingt als Ausdruck des Misstrauens zu sehen; sie verdeutlichen vielmehr die Skepsis und Unsicherheit gegenüber den Einsatzmöglichkei-ten von E-Learning in der Produktion. Wichtig sind in diesem Fall akzep-tanzerhöhende Maßnahmen auf der Ebene der Führungskräfte, um die Vor-aussetzungen für E-Learning seitens dieser Personengruppe im Sinne einer neuen Lernkultur zu verbessern.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass 70 Prozent der befragten Führungskräfte an einem Pilotprojekt teilnehmen würden, was vor dem skizzierten Hintergrund der Skepsis die Frage nach dem „Warum“ auf-kommen lässt. Eine Erklärung liegt in der bei allen befragten Meistern, Team- und Abteilungsleitern betonten Arbeitsorientierung jeglicher Art der Weiterbildung. Wird diese Bedingung erfüllt, wird auch die für viele noch unbekannte Form des E-Learning zur Alternative bei der Qualifizie-rung der Mitarbeiter. Dafür spricht auch, dass für den Einsatz der Neuen Medien zum Lernen für die Führungskräfte bildungsimmanente Gründe von Bedeutung sind, äußere Argumente wie Imagepflege oder Kostenein-sparungen hingegen kaum Gewicht haben. Einsatzgründe für E-Learning werden demnach dort gesehen, wo der eigentliche Bildungsprozess betrof-

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fen ist, bei den Lernprozessen und dem Bildungsangebot. Maßnahmen zur Verbesserung des Bildungsprozesses stehen die Führungskräfte aufge-schlossen gegenüber und sind deshalb bereit, auch ein Pilotprojekt mit E-Learning zu unterstützen. Dabei scheint eine Trennung zwischen den Be-denken gegenüber dem Verhalten der Mitarbeiter und der Bedeutung des Mediums vollzogen zu werden. Der Nutzen und die zunehmende Relevanz des Computers auch im Arbeitsprozess der gewerblichen Mitarbeiter wird anerkannt und trägt ebenfalls zur Bereitschaft der Führungskräfte für E-Learning bei.

Weiterbildungsbedarf bezüglich E-Learning

Berufsspezifisches Fachwissen, Sozial- und Selbststeuerungskompetenz der Mitarbeiter besitzen für die Führungskräfte den höchsten Stellenwert. IT-Fachwissen wird nach der Beherrschung von Fremdsprachen der ge-ringste Stellenwert beigemessen, was verwundert, zieht man die qualitati-ven Ergebnisse in Betracht. Immerhin haben die interviewten Führungs-kräfte mehrheitlich Computerkenntnisse als zunehmend wichtige und zu-künftig unablässige Voraussetzung zur Bedienung neuer Anlagengenerati-onen eingestuft. Das bedeutet zum einen, dass der inhaltliche Weiterbil-dungsbedarf fast ausschließlich im Bereich arbeitsbezogener, fachlicher Themen gesehen wird und zum anderen, dass die sich vollziehende Infor-matisierung der Arbeitswelt auch im Bereich der Produktion von den Füh-rungskräften des Presswerks erkannt wird.

Bezüglich des Einsatzes der Neuen Medien zum Lernen haben frühere Studien gezeigt, dass in Unternehmen E-Learning vor allem zur Schulung von IT-Anwendungen und Fremdsprachen eingesetzt wird. Für den Indust-riesektor hat die Untersuchung der Unicmind AG60 Office- (74 Prozent) und Anwendungssoftware (57 Prozent) vor Sprachen (46 Prozent) als die häufigsten Schulungsthemen für E-Learning ermittelt. Gewerblich- 60 Unicmind.com AG: E-Learning und Wissensmanagement in deutschen Großunternehmen. Ergebnisse einer Befragung der Top-350 Unternehmen der deutschen Wirtschaft: www.unicmind.com/E-Learningstudie.pdf (29.11.2001).

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technische Fachkompetenzen werden nach einer Studie der KPMG61 nur bei knapp einem Viertel der Unternehmen auch per E-Learning vermittelt. Softskills rangieren noch hinter fachbezogenen Kompetenzen. Diesen Er-kenntnissen entsprechen im Wesentlichen die Einschätzungen der Füh-rungskräfte, was die Vermittelbarkeit der unterschiedlichen Kompetenzen per E-Learning betrifft. In Bezug auf die Einsetzbarkeit von E-Learning in der Produktion ist bemerkenswert, dass von den drei für die Mitarbeiter am wichtigsten eingestuften Kompetenzen zwei, Sozial- und Selbststeue-rungskompetenz, nach Meinung der Führungskräfte nicht bzw. kaum mit Hilfe des Computers vermittelt werden können und dies de facto auch nur in sehr geringem Umfang geschieht. Lediglich berufsspezifisches Fachwis-sen erachtet eine Mehrheit als E-Learning-tauglich, was unter Berücksich-tigung des hohen Stellenwertes fachlicher Kompetenz zu dem Schluss führt, dass im Bereich des Presswerks E-Learning vor allem bei der Schu-lung fachspezifischer Themen zum Einsatz kommen sollte.

Auch die im Rahmen der Interviews ermittelten übergeordneten Be-darfsaspekte lassen Schlüsse im Zusammenhang mit der Einsetzbarkeit von E-Learning zu. Aktualität, Wissensstandards, Lernerfolgskontrolle und Bedarfsorientierung gehören zu den zentralen Aspekten selbstgesteuerten Lernens, welches sich zwischen betrieblicher Bildung und technischem Wissensmanagement im Sinne eines integrativen Wissensmanagements vollzieht.62 Die Aktualität der Weiterbildungsinhalte muss, wie die Inter-views gezeigt haben, auch in der Produktion unter dem Druck eines sich zunehmend dynamischer verändernden Umfelds mit kürzeren Produktions-zeiten, höheren Qualitätsanforderungen und eines sich kontinuierlich voll-ziehenden Verbesserungsprozesses bewerkstelligt werden und das im Rahmen bestehender personeller und finanzieller Vereinbarungen.

61 s. Fußnote 10 62 Servering, E.: Wissensmanagement - durch Management- Wissen? Anforde-rungen an Bildungseinrichtungen, aus: Arnold, R./Bloh, E. (Hrsg.): Personalent-wicklung im lernenden Unternehmen. Hohengehren (Schneider Verlag) 2001, 137 - 158.

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Unter Qualitätsgesichtspunkten gewinnt die Standardisierung expliziten Wissens an Bedeutung. Sie schafft die Möglichkeit, grundlegende Inhalte jederzeit schulen zu können, wodurch Mitarbeiter wiederholt und neue Mitarbeiter einarbeitend qualifiziert werden können. Das informelle Ler-nen am Arbeitsplatz im Zuge des geleiteten Anlernens soll dadurch nicht ersetzt, sondern insofern sinnvoll ergänzt werden, dass etablierte Hand-lungsroutinen auf der Grundlage des Standardwissens hinterfragt werden können. Auch die Forderung nach Lernerfolgskontrolle muss dem Streben nach einer Verbesserung der Qualitätssicherung zugerechnet werden. Aus Unternehmenssicht hat sie die Erhöhung des Lerntransfers und folglich der Effektivität einer Weiterbildungsmaßnahme sowie aus lernpsychologischer Sicht die Steigerung der Lernmotivation63 zum Ziel.

Die Anforderung bedarfsorientierterer Weiterbildung ist letztlich als Reaktion auf die geänderten Rahmenbedingungen betrieblichen Lernens zu werten, unter denen sich Mitarbeiter nicht nur möglichst arbeitsplatznah, sondern ebenso flexibel, individuell und problemorientiert weiterbilden. Vor dem Hintergrund einer für E-Learning notwendigen neuen Lernkultur lernender Organisationen, in welcher der Mitarbeiter den Lernprozess selbstständig steuert64, muss mit Interesse bemerkt werden, dass Selbst-steuerungskompetenz als Qualifikation der Mitarbeiter von den Führungs-kräften sehr hoch bewertet wird. Allerdings kann aufgrund der bestehen-den Arbeits- und Weiterbildungsorganisation nicht davon ausgegangen werden, dass diese bei den Mitarbeitern ausreichend ausgeprägt ist, um

63 Prenzel, M./Drechsel, B./Kliewe, A. u. a.: Lernmotivation in der Aus- und Weiterbildung: Merkmale und Bedingungen. Aus: Harteis, C./Heid, H./Kraft, S. (Hrsg.): Kompendium Weiterbildung. Aspekte und Perspektiven betrieblicher Personal- und Organisationsentwicklung. Opladen (Leske + Budrich) 2000, 163 - 173. 64 Reinmann-Rothmeier, G./Mandl, H.: Selbststeuerung des Lernprozesses mit Multimedia. Forschungsbericht Nr. 77, Teil 2. München (Ludwig-Maximilians-Universität) 1997. Stadelhofer, C.: Selbstgesteuertes Lernen und Neue Kommunikationstechnolo-gien. Aus: Dohmen, G. (Hrsg.): Weiterbildungsinstitutionen, Medien, Lernum-welten. Rahmenbedingungen und Entwicklungshilfen für das selbstgesteuerte Lernen. Bonn (Bundesministerium für Bildung und Forschung) 1999, 147 - 208.

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selbstgesteuert mit Hilfe der Neuen Medien lernen zu können. Eine bessere Bedarfsorientierung der Weiterbildung - flexibler, individueller, zielgrup-pengenauer – wird deshalb auf eine Förderung der Selbststeuerungskompe-tenz angewiesen sein, vor allem dann, wenn die Neuen Medien zum Ler-nen eingesetzt werden sollen. Zur erfolgreichen Umsetzung einer neuen, die übergreifenden Aspekte berücksichtigenden Weiterbildungsstrategie mit Hilfe E-Learning-basierter Lernkonzepte müssen deshalb nicht nur die technischen Rahmenbedingungen geschaffen, sondern besonders die Mit-arbeiter an die neuen Formen selbstgesteuerten, medienbasierten Lernens herangeführt werden.65

Konsequenzen für den Einsatz von E-Learning in der Produktion bei DaimlerChrysler

E-Learning, das hat die Untersuchung der Voraussetzungen gezeigt, eignet sich auch zur Qualifizierung der bisher in Bezug auf die Weiterbil-dung mit Hilfe der Neuen Medien vernachlässigten Gruppe gewerblicher Mitarbeiter produktiver Bereiche. Im Zuge des sich heute bereits abzeich-nenden wachsenden Qualifizierungsbedarfs bei nahezu gleichbleibenden Bildungsbudgets und einer sich auch im gewerblichen Bereich ausdehnen-den Informatisierung und Digitalisierung von Arbeitsgeräten und -prozes-sen wird E-Learning zunehmend an Bedeutung gewinnen und sich neben Präsenz- und on-the-Job-Trainings als sinnvolle Lehr- und Lernform etab-lieren. Gewerbliche Mitarbeiter werden arbeitsplatznäher, tätigkeitsbezo-gener und flexibler qualifiziert als dies bisher möglich ist. Des Weiteren wird die Notwendigkeit einer nachvollziehbaren, dokumentierten und per-manenten Weiterbildung steigen, was sich heute schon in den Bemühungen um eine tarifvertragliche Verankerung von Qualifizierung abzeichnet.66

65 Gnahs, D./Seidel, S./Griesbach, Karin: Selbstgesteuertes Lernen - Beispiele aus der Praxis. In: Literatur- und Forschungsreport Weiterbildung, Jg. 1997, H. 39, 155 -164. 66 Im Jahr 2001 wurde diesbezüglich erstmals ein Tarifvertrag zur Qualifizierung vereinbart, der bisher jedoch ausschließlich im Tarifgebiet Baden-Württemberg gültig ist. Dessen Umsetzung wurde bei DaimlerChrysler im Rahmen einer Ge-

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Dazu wird der Einsatz der Neuen Medien zum Lernen im Produktionsbe-reich dem Erprobungsstadium isolierter Modellversuche entwachsen und in neuen Lernsystemen etabliert werden müssen.

In diesem Sinne hat DaimlerChrysler mit dem im Rahmen des Modell-versuchs ALF (Arbeiten und Lernen im Fachbereich)67 konzipierten netz-basierten und arbeitsintegrierten Weiterbildungssystem für Automobilar-beiter die Grundlage eines einheitlichen Lernsystems für den gewerblichen Bereich gelegt, mit Hilfe dessen der Weg in Richtung einer neuen Lernkul-tur auf der Basis der neuen Medien beschritten werden kann. Dabei handelt es sich um eine Intranet-basierte Lernanwendung, mit deren Hilfe Produk-tionsmitarbeiter für die an ihrem Arbeitsplatz notwendigen Qualifikationen trainiert werden können. Entgegen des üblichen behaviouristischen Ansat-zes herkömmlicher Lernprogramme bildet eine didaktische Datenbank die Basis dieses ganzheitlichen Weiterbildungssystems. Methodisch-didaktisch liegen ihr handlungsorientierte und konstruktivistische Prinzipien zugrun-de, die den lernenden Menschen als aktives, fragendes Individuum mit spezifischen Vorwissensständen zu einer Wissensdomäne annimmt. Sie ermöglicht es auf Seiten des Lernenden nicht nur fachliche Kompetenzen aufzubauen, sondern berücksichtigt darüber hinaus auch die Aspekte me-thodischer, emotionaler und persönlicher Kompetenzen. Im Mittelpunkt steht somit der ganzheitlich Lernende, der sich über Fragen die Kompe-tenzfelder, bezogen auf sein Aufgabengebiet, erschließt.

Ausblick

Der Einsatz neuer Medien zum Lernen wird in Zukunft nicht nur Ange-stellten und Führungskräften vorbehalten bleiben, sondern sich auch zur Qualifizierung gewerblicher Mitarbeiter ausbreiten. Diese Entwicklung

samtbetriebsvereinbarung Qualifizierung gewährleistet: DaimlerChrylser AG: Qualifizierung. Fit für die Zukunft. Informations- und Arbeitsunterlage zur Ge-samtbetriebsvereinbarung Qualifizierung. Stuttgart (DaimlerChrysler AG) 2002. 67 o.V.: ALF. Arbeiten und Lernen im Fachbereich. Mannheim (DaimlerChrysler AG) 2003.

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wird einerseits durch die ökonomischen Rahmenbedingungen beschleunigt und andererseits, wie die Untersuchung bei der DaimlerChrysler AG ge-zeigt hat, durch die Voraussetzungen für E-Learning, besonders seitens der Mitarbeiter, begünstigt. Dabei wird es entscheidend sein, welche Lernkul-tur in einem Unternehmen bereits herrscht bzw. in welcher Weise die be-stehende Lernkultur hin zu einer neuen, konstruktivistisch und handlungs-orientierten Lernkultur veränderbar ist. Eine solche Lernkultur im Sinne eines lernenden Unternehmens wird sich, wie in Abbildung 3 verdeutlicht, an vier Eckpfeilern orientieren müssen.

Abbildung 3 Eckpfeiler einer neuen Lernkultur

Seitens des Unternehmens wird arbeitsplatznahes oder –integriertes Lernen ermöglicht werden müssen und unter Effektivitäts- und Effizienz-gesichtspunkten auch zunehmend als attraktiv wahrgenommen und geför-dert werden. Entscheidend für dessen Erfolg wie für den Einsatz der neuen

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Medien zum Lernen wird allerdings die konsequente Verknüpfung von Lernen (auch in der Form von E-Learning) und Personalentwicklung sowie die nachhaltige Partizipation und Unterstützung durch die Führungskräfte sein. Von den Mitarbeitern muss im Gegenzug eine Grundmotivation zur Weiterbildung als Mittel zur Erhaltung und Förderung ihrer Beschäfti-gungsfähigkeit sowie eine zunehmende Selbststeuerung und Eigenverant-wortung für ihren Lernprozess erwartet werden dürfen. Damit ist jedoch nicht gemeint, dass die Beschäftigten diesen Anforderungen alleine über-lassen werden sollen. Vielmehr müssen sie beim Erlernen von Selbststeue-rungskompetenzen unterstützt werden. Essenziell ist in diesem Zusam-menhang der lernparadigmatische Wechsel hin zu einem anwendungsori-entierten, konstruierenden Lernen, was für alle Lernzielebenen – von der Wissenskonstruktion bis zur Formung von Einstellungen – Anwendung finden muss. Betriebliche Bildung, die sich an diesen Eckpfeilern orien-tiert, begibt sich auf einen neuen, steinigen Weg in Richtung einer neuen Lernkultur, innerhalb welcher neue Medien und E-Learning fester Be-standteil sind.

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Marion Bagusat/Stephan Rudolph:

E-Learning und Blended-Learning in der Berufsaus-bildung – ein Praxisbericht aus der Allianz Versiche-rungs AG

Die Allianz hat als eines der ersten deutschen Unternehmen bereits ge-gen Ende der 90er Jahre eine standortübergreifende, intranetbasierte Lern- und Kommunikationsplattform für die Berufsausbildung eingeführt. In die-sem Beitrag wird die Entwicklung des Systems von der ersten Idee bis hin zur Implementierung der fertigen Plattform skizziert. Auswirkungen des Einsatzes auf die Lernkultur und Erfahrungen mit technologiegestütztem selbstgesteuerten Lernen werden diskutiert. Schließlich wird anhand zwei-er exemplarischer Lernkonzepte die Integration des E-Learning-Ansatzes in ein abwechslungsreiches Blended-Learning-System dargestellt.

Die Rahmenbedingungen

Die Allianz und die Dresdner Bank bilden derzeit bundesweit über 4.000 Auszubildende zum/zur Versicherungskaufmann/-frau, Bankkauf-mann/-frau, Diplom Betriebswirt/-in (BA) und in zahlreichen weiteren Be-rufsbildern aus. Die Ausbildung ist bei den deutschen Versicherungsge-sellschaften der Allianz Gruppe dezentral organisiert, d. h. die Ausbil-dungsprozesse und -abläufe werden an den verschiedenen regionalen Standorten geplant, durchgeführt und kontrolliert. Die Dresdner Bank bil-det in den einzelnen Filialen, aber auch in der Zentrale in Frankfurt aus. Die Auszubildenden der insgesamt 19 verschiedenen Ausbildungsberufe der deutschen Gesellschaften der Allianz Gruppe werden während ihrer gesamten Ausbildungszeit von insgesamt 200 hauptberuflichen Ausbildern begleitet und unterstützt.

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Die erste Idee

Seit Anfang der 90er Jahre steht in der Berufsausbildung der Allianz ein beträchtliches Angebot elektronischer Lernmedien zur Verfügung. Mit Hil-fe von Computer oder Web Based Trainings (CBT/WBT) können diverse fachliche und überfachliche Themen erarbeitet und erlernt werden. Dar-über hinaus kümmern sich die Ausbildungsverantwortlichen intensiv um die Vermittlung von Handlungskompetenzen und fördern das selbstgesteu-erte Lernen der Auszubildenden. Dieser Ansatz der verstärkten Verantwor-tung der Auszubildenden für die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle ihres Lernens erfordert neben gutem Coaching durch die Ausbil-der auch eine entsprechend vielfältig gestaltete Lernumwelt, in der eine Vielzahl an Lernmethoden und Medien zum Einsatz kommen.

Darüber hinaus verlangen die in der Versicherungsbranche laufend ver-kürzten Innovationszyklen ein gutes und verlässliches Informationsmana-gement: Aktuelle Information zu Abläufen, Prozessen und Produkten muss schnell und unkompliziert allen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt wer-den – auch in der Berufsausbildung.

Diese Anforderungen führten bereits 1997 zu der Überlegung, einen Pool für alle in der Ausbildung relevanten Informationen zu schaffen. In diesem gemeinsamen Pool sollten alle Lehr- und Lernmedien gesammelt, gepflegt und für die Berufsausbildung erhalten werden. Auch Mehrfach-entwicklungen bzw. Doppelbearbeitung von Schulungsmaterialien in den einzelnen Standorten sollten damit zukünftig vermeidbar sein.

Über diesen Wissenspool hinaus sollte ein umfassendes Lern- und Kommunikationssystem entstehen, das die Prozesse des selbstgesteuerten Lernens sowohl für die Auszubildenden wie auch für die Ausbilder effek-tiv unterstützt: Lernplanung, Kommunikation und Zusammenarbeit sollten auch standortübergreifend schnell und unkompliziert möglich sein.

Die Lösung war die Entwicklung einer Lernplattform für Auszubildende und Ausbilder, die diesen Anforderungen gerecht wird: das „Ausbildungs Lern Forum“ – abgekürzt ALF.

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Das Projekt

Der erste Schritt der Entwicklung und Umsetzung des Ausbildungs Lern Forums war das Zusammenstellen einer effektiven Projektgruppe. Es soll-ten alle dezentralen Stellen, Ausbilder, Pädagogen, Psychologen und Technikspezialisten vertreten sein, damit bei der Realisierung die Bedürf-nisse aller Beteiligten/Betroffenen berücksichtigt werden konnten. In die-ser Arbeitsgruppe galt es nun, die Inhalte und Funktionen der Lernplatt-form zu definieren, das „Go“ seitens des Managements zu bekommen, so-wie eine Feinanalyse und ein Implementierungskonzept zu erstellen. Bei den ersten Sitzungen wurden wichtige Ideen geboren:

• Während der ersten Phase der Plattformentwicklung wurde ein „Proto-typ“ erstellt, anhand dessen die zukünftige Lernplattform – zwar ohne Funktionalität, aber mit entsprechender Optik – schon gut in Entschei-dungsgremien vorgestellt und diskutiert werden konnte.

• Die Einführung der Plattform in den Konzern erfolgte durch Pilotfelder: Einige Pilotstandorte starteten mit der neuen Anwendung, und die dort gesammelten Erfahrungen wurden genutzt, um Verbesserungen und Korrekturen umzusetzen. Erst dann erfolgte die Implementierung in den anderen deutschen Gesellschaften. Die Dauer der Pilotfeldphase war ein Jahr. Ein schöner Nebeneffekt dieses Konzepts war, dass während die-ser Zeit die „Nicht-Pilotfeldstandorte“ bereits sehr neugierig auf ALF wurden und es so bald wie möglich selbst auch einführen wollten.

• Eine umfassende formative und summative Evaluation begleitete die Einführung des Systems: Stärken und Schwächen von ALF konnten ge-zielt ermittelt werden, Verbesserungsprozesse wurden angestoßen und die Auswirkung des Einsatzes der Lern- und Kommunikationsplattform auf die Lernkultur im Bereich der Berufsausbildung wurde beleuchtet.

• Die Anwender, Führungskräfte und Unternehmensgremien wurden wäh-rend der gesamten Entwicklungs- und Implementierungsphase von ALF kontinuierlich zum Projekt informiert und hatten die Möglichkeit, eige-ne Wünsche und Vorstellungen mit einfließen zu lassen.

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Die Umsetzung der Ideen in eine funktionsfähige Lernplattform dauerte knapp zwei Jahre. Zu diesem Zeitpunkt war auch die Eingangsbefragung der möglichen künftigen Nutzer abgeschlossen:

- Die Bereitschaft mit dem PC zu lernen, war im Kreis der Ausbilder und Auszubildenden vorhanden.

- Das Bedürfnis nach einem überregionalen „Wissenspool“ für die Aus-bildung und nach der Möglichkeit, über die lokalen Standorte hinweg zu arbeiten und zu kommunizieren, war groß.

Das sind beste Voraussetzungen um nach der Fertigstellung von ALF an den Start zu gehen.

Die Lern- und Kommunikationsplattform

Das Ausbildungs Lern Forum ALF ist eine Intranetanwendung auf Basis des bestehenden Computernetzwerks der Allianz. Die eingestellten Lehr- und Lernmedien werden auf einem zentralen Server in der Hauptverwal-tung gespeichert. Ein zweiter Server stellt die Kommunikation sicher. Bei-de Server wurden extra für ALF angeschafft; die technische Betreuung er-folgt durch eine Allianz interne Gesellschaft für Informationssysteme.

ALF beinhaltet fünf große Bereiche. Drei davon sind für Auszubildende und Ausbilder zugänglich:

Lernplaner

Jeder Auszubildende hat seinen eigenen individuellen Lernplaner, auf den nur er selbst Zugriff hat. Hier kann er seine individuellen Lernziele und die Schritte zu ihrer Erreichung planen und dokumentieren. Darüber hinaus stehen eine persönliche Kalenderfunktion und der individuelle Ver-setzungsplan zur Verfügung.

Forum

Im Forum können Auszubildende und Ausbilder miteinander chatten: In offenen oder geschlossenen Lerngruppen tauschen sie sich über Ausbil-

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dungsinhalte aus, klären Fragen und bearbeiten gemeinsam Projekte. Zu-sätzlich zur synchronen Kommunikation besteht im Info-Center die Mög-lichkeit, Fragen an Tutoren oder Kollegen einzustellen. Im Unterschied zum Chat sind diese Fragen immer konkreten Themen zugeordnet und können dort vom Tutor beantwortet werden. Die Ergebnisse lassen sich als Dokument abspeichern und ausdrucken.

Mediathek

Die Mediathek ist der Informations- und Wissenspool – hier finden sich alle Lernmedien und Materialien, z. B. Powerpoint-Präsentationen, Texte, Projektberichte, Unterrichtsleitfäden, Gruppenarbeiten, CBTs und WBTs. Sie sind nach Gebieten und Themen gegliedert und mit Hilfe von Schlag-worten und einer komfortablen Suchfunktion einfach zu finden. Alle vor-handenen Medien werden durch eine Kurzcharakteristik beschrieben, mit deren Hilfe der Anwender schnell und bequem entscheiden kann, ob die Inhalte für ihn interessant sind.

Jeder ALF Nutzer kann in kürzester Zeit digitalisierte Dokumente in das Lernforum einstellen. Dabei sind die Autorenrechte geschützt, d. h. nur der Autor eines Dokuments selbst kann das eingestellte Dokument ändern. Kollegen, die aufgrund von Standortspezifika das Dokument modifizieren möchten, haben die Möglichkeit, eine Kopie zu machen, diese abzuändern und unter ihrem Namen ebenfalls einzustellen.

Die Dokumente in der Mediathek sind in drei Pools aufgeteilt:

Pool 1 ist ein "freier Pool", in den die Auszubildenden nicht qualitätsgesi-cherte Unterlagen einstellen,

Pool 2 ist ein qualitätsgesicherter Pool, in dem die Experten und Ausbilder ihre Unterlagen zur Verfügung stellen, und

Pool 3 ist ein Trainerpool, auf dessen Dokumente nur die Ausbilder Zu-griff haben.

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Darüber hinaus gibt es für jedes Medium einen Pflegeturnus, um die In-halte aktuell zu halten.

Neben diesen drei Bereichen gibt es zwei weitere, die ausschließlich den Ausbildern vorbehalten sind.

Werkstatt

In der Werkstatt können die Ausbilder Lernempfehlungen entwickeln, Unterlagen zu Ausbildungsinhalten zusammenstellen, Aufgaben für Lern-erfolgskontrollen konzipieren und Gruppenräume einrichten.

Administration

Das Ausbildungs Lern Forum benötigt – wie jedes andere System auch – eine Reihe administrativer Einstellungen wie Benutzerkonten und Be-rechtigungen. Um die Pflege möglichst einfach durchführen zu können, wurden alle diese Einstellungen in einer eigenen Funktion zusammenge-fasst.

Abbildung 1 Die Lern- und Kommunikationsplattform

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Diese fünf Bereiche ergeben eine umfassende Lern- und Kommunikati-onsplattform, die das selbstgesteuerte und eigenverantwortliche Lernen der Auszubildenden unterstützt.

Die Nutzer und ihre Rechte

Die verschiedenen Zugriffsrechte auf ALF werden durch unterschiedli-che Rollen im System gesteuert. So kann sich jeder Mitarbeiter als Gast die Dokumente in ALF anschauen, hat aber nicht die Möglichkeit, selbst Material einzustellen oder sich an der Kommunikation zu beteiligen. Mit jeweils mehr Rechten sind dann die Auszubildenden, Fachberater, Ausbil-der und Administratoren ausgestattet.

Die ersten Erfahrungen

Ein Jahr nach Einführung von ALF wurde eine umfassende Evaluation durchgeführt. Aus den bisherigen Erfahrungen an den Pilotstandorten soll-te für den Breiteneinsatz gelernt und das System entsprechend optimiert werden. Die Evaluationsergebnisse dienten außerdem dazu, Wirkung und Nutzen des Einsatzes von ALF zu bestimmen. Wichtige Ergebnisse dieser Untersuchung waren:

• ALF wurde sowohl von den Ausbildern wie auch von den Auszubilden-den sehr schnell akzeptiert und regelmäßig genutzt. Besonders rasch wurden die Funktionen Mediathek und Forum in den Alltag integriert. Der unkomplizierte Abruf von Informationen aus dem umfassenden Wissenspool hatte den Bedarf der Anwender ebenso getroffen wie der komfortable Austausch in den Kommunikationsfunktionen von ALF.

• Die Zusammenarbeit von Ausbildern mit Kollegen aus anderen Nieder-lassungen und aus anderen Branchen hatte schon in der Pilotphase zu-genommen. Auch Material aus anderen Niederlassungen wurde häufiger eingesetzt als vor der Einführung von ALF.

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• Die meisten Ausbilder sahen sich als Lernberater und die Auszubilden-den empfanden ihr Lernen als selbstgesteuert. ALF unterstützte von An-fang an dieses selbstgesteuerte Lernen im Sinne der Ausbildungsord-nung.

• Technische Schwierigkeiten wurden kritisch beurteilt. Auch wurde in Standorten, in denen sich Ausbildungsgruppen PC-Pools teilten, der Wunsch nach einer 1:1 PC-Ausstattung für die Auszubildenden laut.

Der Breiteneinsatz

Anfang 2001 fiel der Startschuss für die Ausbilder und die Auszubil-denden aller Allianz Standorte und aller in der Allianz ausgebildeten Beru-fe. Das Implementierungskonzept der Pilotfelder konnte leicht modifiziert für alle übrigen Standorte aufgenommen und umgesetzt werden.

Zusätzliche Marketing-Unterstützung brachte die positive Berichterstat-tung in der Fachpresse, die Verleihung des silbernen Ausbildungs-oskars durch die „Junge deutsche Wirtschaft“ und ein intern ausgelobter Wettbe-werb zum innovativen Einsatz von ALF bei den Auszubildenden.

Im Jahr 2002 entschloss sich die Dresdner Bank, ebenfalls mit der Be-rufsausbildung in ALF einzusteigen. Die Rechnung war einfach: Je mehr Nutzer ALF hat, desto mehr Nutzen bringt es auch.

Die Ansprechpartner

Alle ALF Nutzer werden im Umgang mit ALF geschult. Die Ausbilder durchlaufen einen zweitägigen Workshop, die Auszubildenden werden in eintägigen Schulungen eingewiesen. Ein Nutzerhandbuch mit allen Funkti-onen und Möglichkeiten des Lernforums steht zur Verfügung und ist auch in den entsprechenden Anwendungen von ALF online hinterlegt.

Neben den Workshops und Schulungen ist für die Implementierung und den laufenden Betrieb für alle auftretenden Fragen ein Netzwerk kompe-tenter Ansprechpartner wichtig. Die Spezialisten vor Ort sind den Anwen-

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dern persönlich bekannt. Folgende Experten stehen den Nutzern zur Ver-fügung:

Bei technischen Fragen helfen Administratoren weiter: Sie sind Exper-ten für Anwenderprobleme und technische Schwierigkeiten.

Eine zentrale Servicestelle in der Hauptverwaltung der Allianz in Mün-chen hat eine Hotline für besonders schwierige technische Fragestellungen eingerichtet. Sie bietet Unterstützung bei speziellen Aufgaben wie dem Einspielen von WBTs/CBTs oder dem Erwerb von Content-Lizenzen und gibt Rat und Tipps bei didaktisch/pädagogischen Fragen.

Die Verantwortung für das fachliche Grundwissen liegt bei den dezen-tralen Centers of Competence. Die Centers of Competence als Spezialis-ten-Netzwerke der jeweiligen Fachthemen bündeln und koordinieren die Aktivitäten, damit die fachlichen Basisinformationen in ALF immer aktu-ell sind.

Promotoren sind Ausbilder, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, mit ALF zu experimentieren und vor Ort immer neue Möglichkeiten der virtu-ellen Zusammenarbeit auszuprobieren. Sie kümmern sich darum, dass neue Anwender schnell und unkompliziert ins System eingeführt werden. Bei didaktischen und pädagogischen Fragen helfen sie weiter.

Unterstützung erhalten die Promotoren dabei von den Azubi-Multiplikatoren. Sie unterstützen die anderen Auszubildenden, entwickeln Schulungskonzepte für neue Kollegen und initiieren Projekte. So optimie-ren die Multiplikatoren zusammen mit den Promotoren den Einsatz von ALF vor Ort dahingehend, dass alle Auszubildenden den jeweils besten Weg finden, ALF für ihre individuellen Lernprozesse möglichst gut und effektiv zu nutzen.

Außerdem steht die aus der Projektgruppe entstandene Qualitätssiche-rungsgruppe jederzeit beratend zur Verfügung.

Durch dieses umfassende Betreuungssystem kann jedem Anwender zu jeder Frage schnell und effektiv weitergeholfen werden.

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Abbildung 2 Die Ansprechpartner

Das didaktische Gesamtkonzept

Über die technische Umsetzung der Lernplattform hinaus war es beson-ders wichtig, Ideen zu entwickeln, wie ALF als Teil der Lernprozesse kon-kret und zusätzlichen Nutzen bringend eingesetzt werden konnte. Lernkon-zepte, die die verfügbaren elektronischen Möglichkeiten samt der Vernet-zung über das Intranet – also klassisches E-Learning – optimal mit "tradi-tionellen" Lernmedien und Lernmethoden verknüpften, mussten entwickelt und umgesetzt werden.

Gerade bei der Vielzahl an Möglichkeiten im Blended Learning ist eine gute und detaillierte Lernplanung wichtig: Im Lernprozess sollten sich Phasen der Informationssuche und des Wissensinputs mit Lern- und Hand-lungsphasen abwechseln. In regelmäßigen Reflexionsprozessen sollten Auszubildende und Ausbilder das Vorgehen gemeinsam analysieren und auswerten.

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Nachfolgend zwei Beispiele, die die Umsetzung solcher Blended-Learning Konzepte beinhalten.

Vermittlung des versicherungsspezifischen Themas „Rückversiche-rung“ für auszubildende Versicherungskaufleute. Rahmenbedingung: Zentrale Ausbildung in einer Ausbildungsgruppe.

Zunächst besprechen die Auszubildenden im Team zusammen mit dem Ausbilder die Lernziele im Bereich „Rückversicherung“ und die möglichen Wege zur Erreichung dieser Lernziele. Dann erarbeiten die Auszubilden-den die fachlichen Grundlagen zu dem Thema selbstständig über ein WBT – entweder alleine oder in einer Lernpartnerschaft mit anderen Auszubil-denden.

In einem anschließenden Treffen mit dem Ausbilder werden diese Grundlagen nochmals besprochen und gefestigt sowie um Allianz Beson-derheiten ergänzt.

Der nächste Schritt führt wieder in ALF und dort erneut ins WBT „Rückversicherung“: Hier können die Auszubildenden anhand unterschied-lichster Simulationen durchspielen, wie es sich unter verschiedenen Be-dingungen auswirken kann, wenn sich eine Versicherung stark oder weni-ger stark rückversichert. Zusätzlich können die Auszubildenden eigene Schwerpunkte im Lernstoff setzen und vertiefen.

Im folgenden Schritt setzen die Auszubildenden ihre erworbenen Kenntnisse in die Praxis um. Ein Teil der Gruppe übernimmt die Rolle der Geschäftsleitung eines Versicherungsunternehmens, das seine neue Rück-versicherungspolitik in einer simulierten Pressekonferenz „Journalisten“ (nämlich dem zweiten Teil der Auszubildendengruppe) vorstellt. Die Prä-sentatoren müssen sich dabei den kritischen Fragen ihrer Kollegen stellen.

Zum Abschluss des Themas erfolgt eine schriftliche Lernerfolgskontrol-le, die der Ausbilder bei Wunsch über ALF zusammenstellen kann.

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Abbildung 3 Umsetzung von Blended Learning-Konzepten am Beispiel des Themas „Rückversicherung“

Vermittlung des fachübergreifenden Themas „Arbeitsorganisation“ für auszubildende Kaufleute für Bürokommunikation. Rahmenbedin-gung: Dezentrale Ausbildung in verschiedenen Fachabteilungen.

In der ersten Lernphase erarbeiten die Auszubildenden zusammen mit ihrem Ausbilder den Sinn und die Hintergründe des Lernziels „Arbeitsor-ganisation“. Nutzen und Anwendungsmöglichkeiten des Lernstoffs für den eigenen Aufgabenbereich werden besprochen. Dann werden die Auszubil-denden angeleitet, sich in das komplexe Thema „Arbeitsorganisation“ selbstständig einzuarbeiten. Sie sollen dabei ihre Vorgehensweise zum großen Teil selbst planen und sich ihre Zeit eigenständig einteilen.

Als eine wichtige mögliche Informationsquelle nennt der Ausbilder den Auszubildenden ein WBT in ALF. Mit Hilfe dieses WBTs kann jeder Aus-zubildender für sich lernen und anhand einer Vielzahl von Fallbeispielen bzw. anschließenden Übungen sein Wissen vertiefen. Jedem Lerner wird die Option offen gelassen, alleine oder zusammen mit anderen in Lern-gruppen zu arbeiten. Die Auszubildenden bestimmen auch ihre Lernzeit und Arbeitsintensität selbst.

Im dritten Schritt vertiefen die Auszubildenden den Lerninhalt zusam-men mit dem Ausbilder. Dabei wird das Thema durch ein vom Ausbilder vorbereitetes Frage- und Antwortspiel entwickelt. Die Gesprächssteuerung

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liegt beim Ausbilder. Er stellt Fragen, gibt den Auszubildenden die Mög-lichkeit, ihr Wissen einzubringen und fasst einzelne Themenbereiche zu-sammen.

Der vierte Schritt sieht eine Gruppenarbeit vor. Die Auszubildenden sind nun gefragt, das Gelernte in die Praxis umzusetzen. Sie müssen dazu eine Fülle anstehender Arbeitsaufgaben zügig sichten, priorisieren und or-ganisieren – unter Beachtung der Aspekte einer guten Arbeitsorganisation. Die Aufgabe erlaubt verschiedene Lösungen und kreative Ansätze.

Eine abschließende Präsentation und Diskussion der Ergebnisse unter-stützen die differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema.

Abbildung 4 Umsetzung von Blended Learning-Konzepten am Beispiel des Themas „Arbeitsorganisation“

Diese und ähnliche Konzepte werden laufend durch Ausbilder und die Qualitätssicherungsgruppe von ALF ausgebaut und neu entwickelt. So lie-gen dann auch für etliche weitere Themen Blended Learning-Konzepte vor. Als Beispiel seien genannt: Betriebswirtschaftliche Grundlagen, Ver-sicherungsvertragsrecht oder Bankbetriebslehre.

Fazit

Mit ALF kann die Allianz als eines der ersten deutschen Unternehmen auf die Entwicklung und den Einsatz einer Lernplattform für die Be-

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rufsausbildung zurückschauen, die sich nun bereits seit mehreren Jahren im praktischen Einsatz erfolgreich bewährt. Die wichtigsten Erfolgsfakto-ren für die erfolgreiche Implementierung waren:

• Der Einstieg über Pilotfelder.

• Eine homogene und moderner Technik aufgeschlossene Anwendergrup-pe (Auszubildende und Ausbilder).

• Ein umfassendes Implementierungskonzept.

• Regelmäßige Information der künftigen Nutzer bereits während der Entwicklungsphase.

• Eine begleitende Evaluation.

• Die frühzeitige Qualifizierung aller Beteiligten.

• Gute Unterstützung für die Anwender vor Ort.

• Die Möglichkeit aller Nutzer, sich in ALF aktiv einzubringen.

Darüber hinaus gab es jedoch auch eine Reihe Faktoren, die die Ent-wicklung und den Betrieb von ALF hinderten:

Die Vorreiterrolle innerhalb der Allianz und auf dem Markt der Lern-plattformen brachte es mit sich, dass vieles, was zwischenzeitlich selbst-verständlich ist, 1997/1998 nur schwer umsetzbar war.

Die Mitarbeiter der Projektgruppe waren für das Projekt nicht freige-stellt, d. h. sie gingen neben der Projektgruppenarbeit auch ihren eigentli-chen Aufgaben im Unternehmen nach. Dies machte das Zeitmanagement teilweise schwierig.

Auftretende Fehler im technischen System ALF mussten rasch weitergeleitet und zügig behoben werden. Eine Rückmeldung über den Stand der Fehlerbehebung musste zeitnah erfolgen. Anfänglich wurde der Chat in ALF häufig für privaten Austausch genutzt. Hier mussten sich im Laufe der Zeit Spielregeln entwickeln.

125

Ausblick

Für den Einsatz einer erfolgreich genutzten Lern- und Kommunikati-onsplattform sind die kontinuierliche Weiterentwicklung des Systems und die Anpassung an den Bedarf der Nutzer wichtig. So wurde beispielsweise im letzten Jahr ein Autorentool für die Erstellung von WBTs eingeführt und ein „Virtual Classroom“ (VC) an ALF angebunden. Dieser VC erleich-tert die standortübergreifende Zusammenarbeit zusätzlich – ohne dass Rei-se- oder Unterbringungsaufwand anfällt. Ein weiterer Schritt in der Zu-kunft ist die Einführung der Auszubildenden im Außendienst der Allianz Gesellschaften in ALF, um so das Potential der Plattform und des Blended Learnings gerade für dezentrale Ausbildungsstrukturen verstärkt zu nutzen.

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Thomas Hagenhofer:

E-Learning in der Medienbranche - Erfahrungen aus dem Projekt Mediengestalter/in 2000plus

Der Faktor Zeit bildet das kritische Moment im Prozess einer strate-gisch ausgerichteten und zukunftsorientierten Aus- und Weiterbildung. Daher sind Maßnahmen gefragt, die eine möglichst flexible sowie weitest-gehend raum- und zeitunabhängige Kompetenzentwicklung zulassen und so die klassische Aus- und Weiterbildung ergänzen.

Die Onlinestellung des LernCenters 2000plus (http://lerncenter.me-diengestalter2000plus.de) läutete den Beginn einer praxisnahen und bran-chenweiten Qualifizierungskampagne ein. Das LernCenter richtet sich so-wohl an betriebliche und schulische Ausbilder als auch an Auszubildende. Das Besondere am LernCenter 2000plus ist, dass die Qualifizierung direkt am Arbeitsplatz oder an jedem anderen beliebigen Ort stattfinden kann. Dabei baut es auf den modernen Regelungen zur Berufsausbildung in der Branche auf und ergänzt sie. Inhaltlich abgestimmte Kommunikationsele-mente ermöglichen die Diskussion zu spezifischen Fachthemen in Lernfo-ren und Chat.

Vorbemerkung

"Traut die Branche ihrem Medium nicht?" – so lautete das Thema einer Diskussionsveranstaltung der Michel Medien Beratung, Essen auf dem Me-dienforum NRW im Jahr 2001. Die Ursachen für das Schattendasein von E-Learning in diesem Wirtschaftssektor waren sicher vielfältig. Zum einen erschwerte die KMU-Struktur68 den effizienten Einsatz, zum anderen war die Skepsis gegenüber E-Learning aufgrund eigener Anschauung69 von Projektergebnissen aus der CBT-Zeit und der des programmierten Lernens 68 KMU = kleine und mittlere Unternehmen 2 Schließlich war zumindest die Multimedia-Branche an diesen Entwicklungen aktiv beteiligt.

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besonders groß. Kaum interaktive, stark softwareorientierte Lernprogram-me, die in seltensten Fällen soziale Komponenten des Lernens berücksich-tigten, hatten eine bleibende abschreckende Wirkung hinterlassen. Lieber kein E-Learning als schlechtes war die Quintessenz für viele aus dieser Zeit. Hinzu kamen branchenspezifische schlechte Erfahrungen aus dem eu-ropäischen Großprojekt DISMED (Dissemination of Key Information via an Interactive Online Communication Platform in Media Industry), das in einer Zeit fehlender zukunftssicherer Standards kaum Impulse für neue Formen des Lernens geben konnte. Auf der anderen Seite sind die Anfor-derungen an Lernmedien auf diesem Sektor naturgemäß besonders hoch – angefangen bei der Gestaltung bis zum Navigationskonzept.

Eine Initialzündung für E-Learning in der Druck- und Medienbranche konnte durch das Projekt Mediengestalter/in 2000plus – Bündnis für Me-dienkompetenz, Innovation und Beschäftigung zur Kommunikationsgestal-tung im 3. Jahrtausend erreicht werden. Heute haben etwa die Hälfte aller an der Mediengestalter-Ausbildung Beteiligten Erfahrungen mit diesen neuen Lernformen sammeln können. Über 10.000 Nutzer und Nutzerinnen des LernCenters 2000plus und der Diskussions- und Lernforen stellen ein wichtiges Erfahrungspotenzial für die weitere Entwicklung von E-Learning dar. Dieser Bericht will hierfür einen Beitrag leisten.

Zu Entstehung und Anlage des Projektes

Das Berufsbild Mediengestalter/in für Digital- und Printmedien hat in der Druck- und Medienindustrie eine sehr positive Resonanz gefunden: Seit der Einführung im Jahr 1998 bis zum konjunkturellen Einbruch in 2001 nahmen immer mehr ausbildende Unternehmen, Ausbilder und Be-rufskollegs die Herausforderungen dieses zukunftsorientierten Ausbil-dungsberufes an und ließen die Zahl der Ausbildungsverhältnisse stetig anwachsen.

Das Berufsbild Mediengestalter/in für Digital- und Printmedien ermög-licht in neuen und boomenden Geschäftsfeldern wie Medienberatung, Mul-

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timedia, digitale Medien und Digitaldruck auszubilden. Außerdem fördert es gezielt Schlüsselqualifikationen wie Kommunikations-, Team- und Problemlösefähigkeit, die in den modernen Arbeitsprozessen immer wich-tiger werden.

Die einschneidenden Veränderungen stellen besondere Herausforderun-gen für die betrieblichen und schulischen Ausbilder dar. Die Einführung eines neuen Ausbildungsberufes markiert eine Entwicklung, die stetig fortgeführt und an die Anforderungen in Betrieb und Schule angepasst werden muss. So werden die Zwischen- und Abschlussprüfungen inhaltlich und formal neu gestaltet. Um sich dieser Herausforderung leichter stellen zu können, brauchen insbesondere die ausbildenden Betriebe praxisorien-tierte Hilfen bei der Ausbildung: Hier setzt das Projekt Mediengestalter/in 2000plus an.

Projektleitung, Projektpartner und Förderer

Der Zentral-Fachausschuss Berufsbildung Druck und Medien (ZFA) lei-tete das Projekt und war zentraler Ansprechpartner für Fragen der Schwer-punktsetzung, der Ausrichtung und des Fortschritts des Projektes. Der ZFA ist eine gemeinsame Einrichtung der beiden Tarifvertragsparteien Bundes-verband Druck und Medien (bvdm) und die Vereinte Dienstleistungsge-werkschaft ver.di Medien.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) unterstützte den ZFA bei der Einbeziehung und Information der regionalen Industrie- und Handelskammern und hat Qualifizierungsmaßnahmen für die Ausbil-dungsberater entwickelt und durchgeführt.

Die Gesellschaft für Innovationsforschung und Beratung mbH (IBI) moderierte und koordinierte die Projektarbeiten, strukturierte die Ergebnis-se und leistete methodische Beratung bei der Entwicklung von Lehr- und Lerneinheiten.

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Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms "Neue Medien in der Bil-dung" (August 2000 bis Juli 2003).

Abbildung 1 Mediengestalter/in 2000plus

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Planung und Umsetzung

Nach einer intensiven Marktanalyse durch das Beratungsinstitut IBI wurde klar, dass E-Learning für die Druck- und Medienindustrie bislang nicht auf dem aktuellen Stand von Technik und Didaktik umgesetzt wor-den war. Daher wurde im Projekt zunächst parallel zum Aufbau eines bun-desweiten Netzwerkes für die Mediengestalter-Ausbildung ein didaktisches Grundkonzept erarbeitet, das hier in Auszügen wiedergegeben wird.

"Gründe für die zurzeit unklaren Aussagen über die Effekte von E-Learning liegen nicht zuletzt in der Differenziertheit und geringen Ver-gleichbarkeit der bestehenden Systeme. Und obwohl zur Zeit intensiv über technische Parameter und Plattformen von E-Learning-Systemen diskutiert wird, sind sich die meisten Experten einig, dass zukünftig nicht die Wahl des technischen Systems und schöne Animationen, sondern die Qualität des Contents und dessen methodisch-didaktische Aufbereitung, die Fakto-ren sind, die über den Erfolg von E-Learning entscheiden werden. Aktuell werden Qualitätskriterien aus unterschiedlichen Perspektiven identifiziert, die jedoch bisher kaum verbreitet und nicht evaluiert sind. Zur Beurteilung des Contents und der Methodik ist es notwendig, pädagogische und psy-chologische Aspekte des Lernens zu berücksichtigen.

Aus pädagogischer Perspektive können zusammengefasst folgende Grundanforderungen an ein virtuelles Lehrsystem gestellt werden70: Dem Lerner müssen Möglichkeiten geboten werden, sich durch Selbsttests o. ä. im Lehrsystem richtig zu platzieren.

Es müssen für verschiedene Lerngruppen Variationen bezüglich Ziele, Aufbau, Lernmethode und Leistungsüberprüfung geboten werden.

Es müssen dem Lerner immer wieder „Zwischentableaus“ geboten wer-den, die ihm helfen, seinen derzeitigen Stand im Lernprozess zu finden und neue Lernschritte strategisch auszurichten.

70 Dichanz, Horst/Ernst, Annette: „Begriffliche, psychologische und didaktische

Überlegungen zum „electronic learning“. In: Medienpädagogik, Online-Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung. 27.06.2001.

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(…)

Trotz der Möglichkeiten, die ein E-Learning-System bieten kann, sind die Lernbiografien der einzelnen Lerner i.d.R. wesentlich einflussreicher als die elektronischen Möglichkeiten der Lernsteuerung. Deshalb ist der Lernerfolg bei der Nutzung von E-Learning interindividuell überaus unter-schiedlich und damit nicht allgemein gültig quantifizierbar.

Prinzipiell gilt jedoch, dass Lernprozesse in computergestützten Lern-umgebungen nur initiiert werden können, wenn die lernpsychologischen Aspekte Motivation, Interesse und Neugier berücksichtigt werden, die den Lernprozess begünstigen: Die Merkmale Interaktivität, Adaptivität und Kontrolle können hierzu einen Beitrag leisten.71

Mit Hilfe der Interaktivität soll eine aktive Verarbeitung der Lehrinhalte durch die Dialogmöglichkeiten zwischen Nutzer und System gefördert werden. Sie wird erhöht, je stärker der Nutzer durch seine Aktionen bzw. Reaktionen die Reihenfolge, Auswahl und Zeitpunkte der Informationen, die im System vorhanden sind, selbst steuern kann.72

Adaptivität bezeichnet das Maß, in dem ein Lerner eine Lernumgebung an seine individuellen Lernvoraussetzungen bzw. Lernfortschritten anpas-sen kann.73 In adaptiven Systemen kann der Lerner das System aktiv an seine Bedürfnisse anpassen (z. B. Arbeitsgeschwindigkeit, Wiederholbar-keit, Vorkenntnisse).

Kontrolle umfasst die Möglichkeiten des Nutzers, den Lernvorgang möglichst selbst zu steuern und zu prüfen. Je mehr Optionen und Wahl-möglichkeiten ein System anbietet, desto höher ist das Maß der Kontrolle für den User.74

71 Dichanz, Horst/Ernst, Annette: a. a. O. 72 Floyd, S./Floyd, B. (1982): „Handbook of interaktive video.“ White Plains -

New York. 73 Niegemann, Helmut M. (2000): „Konzeption, Entwicklung und Einsatz digita-

ler Lernumgebungen“. In: Beiträge aus dem wissenschaftlichen Leben: Medien, hrsg. von der TU Ilmenau.

74 Niegemann, Helmut M.: a. a. O.

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Um die pädagogischen und psychologischen Zielsetzungen bei der Ent-wicklung von E-Learning-Systemen berücksichtigen zu können, müssen eine Reihe von Entwicklungsschritten berücksichtigt werden: die Bedarfs-analyse, die Lehrzielbestimmung, die Adressatenanalyse, die Lehrstoffana-lyse und die Analyse der Lernumgebung.

(…)

Nach Projektantrag besteht die Hauptzielgruppe der E-Learning-Vorhaben im Projekt aus den betrieblichen und schulischen Ausbildern im Mediengestalter-Beruf. Daher sollte im Bezug auf E-Learning der Bereich der Lehrhilfen stark gewichtet werden. Allerdings zeigen die Erfahrungen mit anderen Internet-Angeboten, dass diese stark von Auszubildenden ge-nutzt werden. Es soll daher ein Lerntreffpunkt für Ausbilder und Auszu-bildende im Netz geschaffen werden.

Lernen bei Ausbildern und Lehrern findet, nach eigenen Aussagen, wenn überhaupt, in fachlichen Seminaren oder im Selbststudium (Lesen von Fachzeitschriften) statt. Hierzu mangelt es zumeist an Zeit und/oder der Finanzierung.

Bei Auszubildenden entwickelte sich im Verlauf der vergangenen ein-einhalb Jahre – neben dem Lernen in der Schule, im Betrieb und in Ar-beitsgruppen – eine neue Form des Lernens und „gegenseitigen Lehrens“: Im Netz bildeten sich eine Vielzahl von Diskussionsplattformen; auch rund um das Berufsbild Mediengestalter/in für Digital- und Printmedien (wie z. B. MEUC, Mediengestalterforum, azubiworld, spatium, colorfool). Hier entstanden neue Formen des selbst organisierten und informellen Lernens: Es finden intensive Diskussionen fachlicher Themen mit teilweise mehre-ren hundert Einzelbeiträgen statt. Ausbildungsinhalte werden diskutiert, Tipps und Hinweise ausgetauscht und verbreitet, Literatur-Bewertungen ins Web gestellt. In der Negativform reicht das bis zur Verbreitung von Prüfungsfragen der Abschlussprüfungen über das Web.“

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Abbildung 2 Inhaltlicher Aufbau des Lern-Centers

Das Projekt hat diese Entwicklung bereits aufgegriffen und im Rahmen des Forums auf der Website begonnen, das selbst organisierte Lernen zu struk-turieren. Bestimmte Themenbereiche wie beispielsweise Webdesign wer-den zusammengefasst und von Experten moderiert und strukturiert. Offen-sichtlich entwickeln sich hier neue Lernformen, die webbasiert sind und daher in das Projekt „Mediengestalter/-in 2000plus“ einbezogen, weiter-entwickelt und auch der Zielgruppe der betrieblichen und schulischen Ausbildern zur Verfügung gestellt werden sollen.

Projektphasen

Nach Verabschiedung dieses Konzeptes können drei Phasen der E-Learning-Entwicklung im Projekt unterschieden werden:

ZFAZFA

Inhaltlicher Aufbau des Lern-C

enters Inhaltlicher A

ufbau des Lern-Centers

Das ProjektDas Projekt Der BerufDer Beruf Die PraxisDie Praxis Das ForumDas Forum Das Lern-CenterDas Lern-Center

Organisation/KonzeptionOrganisation/Konzeption Gestaltung Gestaltung DatenbearbeitungDatenbearbeitung DatenhandlingDatenhandling

KommunikationKommunikation DruckDruck Digitale MedienDigitale Medien Hard- und SoftwareHard- und Software

PDF-Dokumente „Digitale Druckausgabe“PDF-Dokumente „Digitale Druckausgabe“ Links: Literaturserver, Diskussionsforum, Links: Literaturserver, Diskussionsforum, HerstellerHersteller Veranstaltungen, ...Veranstaltungen, ...

Beispiele für Inhalte:Beispiele für Inhalte:

Portalebene:Portalebene:

Struktur der Lernplattform nach Ausbildungsinhalten:Struktur der Lernplattform nach Ausbildungsinhalten:

QualifizierenQualifizieren InformierenInformieren KommunizierenKommunizierenModule:Module:

WBTsWBTs, Generierte Prüfungs-, Generierte Prüfungs-fragen, Lehrinhalte von Lehrernfragen, Lehrinhalte von Lehrern

Literaturserver, Themenrelevante Literaturserver, Themenrelevante Links, Weiterbildung, DIHK, NewsLinks, Weiterbildung, DIHK, News

Themenforen, Chat, Themenforen, Chat, ArbeitsgruppenArbeitsgruppen

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In der Startphase (Sommer 2000 bis Herbst 2001) selbst wurde mit der Netzwerkbildung über die Informations- und Kommunikationsplattform www.mediengestalter2000plus.de, über moderierte Diskussions- und Lern-foren, den Projekt-Newsletter sowie Veranstaltungen in allen Bundeslän-dern die Grundlage für die schnelle Einführung von E-Learning entwickelt.

In der zweiten Phase stand die Entwicklung von Content und Plattform im Vordergrund (Herbst 2001 bis Oktober 2002). Die parallele Entwick-lung der beiden Komponenten beschleunigte den Entstehungsprozess auf-grund der vorher definierten methodisch-didaktischen Grundlage. Diese Phase wurde zudem zur Schulung der Projektmitarbeiter/innen als Autoren genutzt.

In der dritten Phase von Oktober 2002 bis August 2003 erfolgte der Launch und die Branchendurchdringung. Hierbei spielte die kostenfreie Nutzung und die Information in Fachpresse und eigenen Medien (Newslet-ter, Rundschreiben) eine wichtige Rolle.

Nachdem das Projekt beendet wurde, ergab sich zwangsläufig eine vier-te Phase in der E-Learning-Entwicklung, die der Einführung von Gebühren für die LernCenter-Nutzung. Mit Blick auf die große Zahl von Auszubil-denden und Umschüler/innen wird seit September 2003 eine vergleichs-weise sehr geringe Jahresgebühr von 24 EUR erhoben.

Ergebnisse

Das LernCenter 2000plus

Das LernCenter versteht sich als ein Baustein innerhalb des gesamten Lehr- und Lernsystems für Auszubildende, Lehrer/innen und Ausbil-der/innen im Berufsfeld Mediengestalter/in für Digital- und Printmedien. Es ist eine wertvolle Ergänzung zur betrieblichen, überbetrieblichen und schulischen Ausbildung. Anders als bei Präsenzkonzepten wird hier ein ständiges Forum für Information und Kommunikation angeboten. Durch die autorensystemgestützte Technik können alle Nutzer aktiv teilnehmen, eingreifen und Inhalte selbst generieren. Präsenzlernen, Workshops on-

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und offline und didaktische Betreuung sollen kombiniert werden. Wichtige Zielsetzung ist die systematische und themenzentrierte Zusammenführung der unterschiedlichen Informations-, Kommunikations- und Lehrangebote sowie die Ansprache unterschiedlicher Zielgruppen (Ausbilder/innen, Leh-rer/innen, Unternehmen und Auszubildende). Ein berufsbezogenes Lern-portal, moderierte Diskussions- und Lernforen und ausgewählte Lehr- und Lernmodule sollen die Aus- und Weiterbildung der Mediengestalter beglei-ten. Neben Web-Based-Training-Modulen (WBT), PDF-basierten Lernhil-fen und verlinkten Fachinformationen werden auch Leittexte und praxiser-probte Lehr- und Lernmaterialien aus dem Alltag zur Verfügung gestellt (Best-Practice-Tools). Darüber hinaus können sich Ausbilder und Lehrer im Lernforum bzw. über kommentierte Links einbringen sowie an Chats beteiligen. Die wichtigsten Elemente des LernCenter 2000plus sind:

• ein Übungspool zur projekt- und prozessorientierten Medienproduktion,

• Web-Based-Trainings (WBTs) zu den Themen „Typografie am Bild-schirm“, "Satztechnik und Typografie", "Farbenlehre" und "Bilddigitali-sierung"

• ein moderiertes Diskussions- und Lernforum zu allen inhaltlichen und organisatorischen Ausbildungsthemen,

• eine kommentierte Linkliste,

• Nachschlagewerke, Literaturtipps, Lehr- und Lernskripte zu unter-schiedlichen Fachgebieten der Ausbildung von Mediengestaltern

• eine Tutorialdatenbank zur Prüfungsvorbereitung (Kurzeinführung zu berufsspezifischen Themenstellungen),

• Testmodule zu Projekt- und Kalkulationsmanagement.

Der Übungspool zur projekt- und prozessorientierten Medienproduk-tion

Im Übungspool finden Ausbilder, Lehrer und Auszubildende praxisnahe Übungsaufgaben für die betriebliche und schulische Ausbildung im Be-rufsbild Mediengestalter/in für Digital- und Printmedien. Alle Aufgaben

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der zehn Übungsmodule stehen in engem Bezug zum betrieblichen Ausbil-dungsrahmenplan und unterstützen eine praxisgerechte, projektbezogene und systematische Ausbildung. Über ein Online-Formular kann eine CD mit Bild- und Textdaten bestellt werden, die eine Bearbeitung der Aufga-ben mit hoch aufgelösten Bildern ermöglicht. Alle Bilder und Texte kön-nen selbstverständlich auch als Download online geladen werden, die Bil-der allerdings nur niedrig aufgelöst. In einer Tabelle sind die Arbeitsschrit-te den Inhalten aus dem Ausbildungsrahmenplan mit Empfehlungen zum Methodeneinsatz und den dabei vermittelten Schlüsselqualifikationen ge-genübergestellt. Den Nutzer/innen des Übungspools stehen Hilfefunktio-nen, Tipps und Tricks, ein Feedback- und Kontaktformular sowie ein Fachglossar zur Verfügung.

Web-Based-Training "Typografie am Bildschirm" und "Satztechnik und Typografie"

Beide WBTs sind in innovativer Zusammenarbeit von Projekt, ZFA und der Schweizer Mediengewerkschaft comedia entstanden. Die gemeinsamen Ziele lassen sich so zusammenfassen: Lebendiger als das Buch, aber ohne darauf zu verzichten75, Typografie zum Anfassen, ohne sich in Spielerei zu verlieren, Medien gestalten lernen mit interaktiven Medien.

Hier werden nicht einfach Lehrtexte für das Internet aufbereitet – das WBT „Typografie am Bildschirm“ ermöglicht durch interaktive Module praxisnahes Lernen am Bildschirm. Der Lernende kann die Schriftweite verändern oder Zeilenabstände am Bildschirm variieren und so praktisch sehen, wie sich das auf die Typografie auswirkt. Multimedia ist hier inte-graler Bestandteil des didaktischen Konzepts und wird nicht nur als Mittel der Wissensvermittlung eingesetzt. Das WBT umfasst vier Kapitel: „Zei-chen/Buchstabe“, „Lesbarkeit/Schrift“, „Schriftenanwendung“ und „Da-tenkompression“. Jedes Kapitel beginnt mit einem optionalen Eingangs-

75 Die WBTs basieren inhaltlich auf den Bänden 2 und 5 der Lehrmittel zur typo-grafischen Gestaltung von comedia.

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test. Ein Abschlusstest dient der Fortschrittsüberprüfung (letzterer wird nach dem Zufallsprinzip aus einem Aufgaben-Pool generiert). Ein Großteil der Themen eignet sich auch für „Printler“. Denn viele Grundsätze der Ty-pografie gelten sowohl für die Digital- als auch für die Printausgabe. Die Aktivitäten der Benutzer werden in einem Logbuch festgehalten. Das Log-buch gibt Aufschluss über die besuchten Themen, die Dauer des Besuches, absolvierte Tests etc. Das Logbuch zeigt alle Themen auf einen Blick und verfügt über individuelle Einstellmöglichkeiten. So kann z. B. festgelegt werden, in welcher Reihenfolge die einzelnen Themen besucht werden sol-len. Mit Hilfe dieses Tools kann jeder sein eigenes Lernprogramm zusam-menstellen. Eine Hilfefunktion, Lesezeichen, Stichwortsuche, Links und Literaturtipps runden das WBT ab.

Das WBT "Satztechnik und Typografie" ist die Fortsetzung des Bild-schirm-WBTs. In den Kapiteln "Der Buchstabe", "Abstände", "Satzarten" und "Schriftwahl" werden grundsätzliches Wissen und Anwendungs-Know-how zu wichtigen Themen der Mikro- und Makrotypografie vermit-telt.

Qualifizierungsoffensive Druck und Medien des ZFA – das Branchen-system der Weiterbildung

Mit der Neuordnung eines Ausbildungsberufs ist es nicht getan – es muss auch sichergestellt werden, dass die Ausbildung den Absolventen ei-ne Zukunft bietet. Das Projekt Mediengestalter/in 2000plus brachte seine Erfahrungen in vielfältige Bestrebungen ein, die Weiterbildungsmöglich-keiten für Mediengestalter/innen auf eine inhaltlich und wirtschaftlich tragfähige Basis zu stellen.

Eine weitere wesentliche Zielsetzung des Projektes Mediengestalter/in 2000plus war die optimale Koppelung von Aus- und Weiterbildung. Dafür wurde von Seiten des ZFA ein bundeseinheitliches System der beruflichen Weiterbildung für die Druck- und Medienbranche geschaffen, das auf der modularen Struktur der Ausbildung aufbaut. Ein einheitliches Prüfungssys-

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tem mit Zertifikat soll die Sicherheit, Vergleichbarkeit und Verlässlichkeit der erworbenen Qualifikationen garantieren. Einerlei ob Anpassungsquali-fizierung oder Aufstiegsweiterbildung – für jeden Bedarf wird es Baustei-ne der Qualifizierung geben. Weiterführende Informationen hierzu gibt es bei den Verbänden Druck und Medien (http://www.bvdm-online.de/verband/!karte.nclk) oder den Landesbezirken der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Fachbereich Medien, Kunst und Industrie (http://www.verdi.de/vor_ort)

Erfahrungen

Die folgenden Erfahrungen, die in der Projektlaufzeit gesammelt wur-den, sind sicher nicht einfach auf andere Zusammenhänge übertragbar. Dennoch sollten sie im Sinne einer Liste von Empfehlungen für andere Konzeptionen verwendbar sein:

• E-Learning braucht eine Einführungsstrategie, die wenig mit E-Learning an sich, aber viel mit den Wissens-Bedarfen der Zielgruppen zu tun hat.

• Die Entwicklung eines fundierten methodisch-didaktischen Konzepts und die Akquirierung / Produktion von qualitativ hochwertigen Inhalten hat Vorrang vor einer schnellen Produktion von Lernprogrammen.

• Entwicklungspartner sollten in erster Linie aus fachlichem Hintergrund ausgewählt werden.

• Man sollte erst ans Netz gehen, wenn die kritische Masse an Inhalten er-reicht ist. Die Budgetmasse (in unserem Projekt 80 Prozent) sollte für die Entwicklung von Content ausgegeben werden.

• Die Nutzungsmöglichkeiten an die Wünsche der Nutzer-Gruppen anpas-sen, auch wenn dies möglicherweise zunächst dem didaktischen Kon-zept zuwider läuft. (z. B. geschlossene Gruppen vs. community buil-ding).

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• Wenn finanzierbar, sollte in der Einführungsphase kostenfreie Nutzung ermöglicht werden.

Folgende Hürden stellten sich einer Einführung von E-Learning in der Branche in der Projektlaufzeit entgegen:

- Die unabdingbare Methodenkompetenz war bei Ausbildern nicht immer vorhanden.

- Durch den schlechten Ruf von E-Learning bei Ausbildern (Spielerei, ge-ringe Qualität) kam es oftmals zu Akzeptanzproblemen.

- E-Learning wurde als Konkurrenz statt sinnvolle Ergänzung gesehen.

Netzwerkbildung und Community

Die Netzwerkbildung und der community-Ansatz spielten im Projekt eine besondere Rolle. Dazu einige Hinweise:

Für den community-Ansatz sind einzelne Zielgruppen sehr unterschied-lich zu gewinnen. In der Zielgruppe der Auszubildenden wurde dieser dort bekannte und etablierte Ansatz schnell aufgegriffen. Ganz im Gegensatz zu der Gruppe der Ausbilder und Lehrer, die sich mit diesem Konzept oftmals nur schwer anfreunden.

Zur Netzwerkbildung ist die schnelle Gewinnung von Akteuren bis zum Erreichen einer kritischen Masse der entscheidende Schritt. Nur durch die-ses schnelle Wachstum ist offensichtlich ein attraktives Informations- und Kommunikationsangebot realisierbar. Ein Forum wird in den ersten Tagen nach dem Start akzeptiert oder es dümpelt bis zum endgültigen Ende vor sich hin. Daher sollte zum Forumsstart bereits ein großer Verteiler an po-tentiellen Nutzern aufgebaut sein, der dann per E-Mail über das neue An-gebot informiert und zur Teilnahme eingeladen wird.

Ohne die kompetente Moderation von Fachleuten kann ein Forum auf Dauer kaum überleben. Die Moderation kann zudem in der Anfangsphase oder in Zeiten schwacher Frequentierung des Angebots die Aktualität durch eigene Beiträge gewährleisten.

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Große Barrieren existieren gegenüber dem Konzept, die Nutzer könnten die von ihnen selbst erstellten Lern- oder Lehrmittel untereinander austau-schen. Die Idee eines solchen Lehrmittelpools hat sich leider nicht erfolg-reich umsetzen lassen. Folgende Ursachen spielen eine Rolle:

• Urheberrechtsprobleme

• Angst vor dem Plagiat seines eigenen Produkts, das u.U. dann andere publizieren.

• Unsicherheit bezüglich der Qualität des eigenen Produkts

• Mangelnde Kooperationsbereitschaft

• Angst vor Nassauern ohne eigene Beiträge

Online-Befragung zum Projektabschluss

Zum Abschluss des Projektes Mediengestalter/in 2000plus wurde eine umfangreiche Online-Befragung zum LernCenter 2000plus durchgeführt. Zwischen dem 25. Juni und 22. Juli 2003 hatten die Nutzerinnen und Nut-zer des LernCenter 2000plus die Gelegenheit, die dort angebotenen Quali-fizierungsinhalte zu bewerten. Insgesamt beteiligten sich 1015 User an der Umfrage.

Hier in Auszügen die Auswertung von Martina Schneider, IBI: "Zugegrif-fen wird auf das LernCenter 2000plus in der Hauptsache von Zuhause aus. Knapp zwei Drittel der Befragten (66,5 Prozent) bestätigten dies. Es waren mehrfache Antworten möglich, so dass mehr als 100 Prozent im Ergebnis erreicht werden. Am Arbeitsplatz nutzen 49,3 Prozent der User die Gele-genheit, auf die Website zuzugreifen, 37,8 Prozent greifen über den Stand-ort Schule bzw. Bildungseinrichtung auf die Qualifizierungsinhalte zu.

Bevor die einzelnen Qualifizierungsangebote näher untersucht werden, wurde die allgemeine Frage gestellt, ob die Inhalte des LernCenter 2000plus den aktuellen Themenstellungen im Berufsbild entsprechen.

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Mehr als drei Viertel der Befragten gaben an, das dies meistens oder ganz zutrifft. Unsicher waren sich bei dieser Frage 22,8 Prozent und antworteten »teils-teils«. Ein Prozent der User war der Meinung, dass selten oder gar nicht die Themenstellungen des Berufsbildes behandelt werden.

Ein interessantes Ergebnis ergab sich bei der Frage nach dem bevorzugten Lernangebot. Es waren mehrere Antworten möglich, so dass auch bei die-ser Beantwortung der Frage mehr als 100 Prozent erzielt wurden: Tabelle 1 Bevorzugte Lernangebote in Prozent Lernangebote Alle Ausbilder und

Lehrer

Lernskripte (pdf) 45,9 43,7

Übungen aus dem Übungspool 41,2 45,2

Keine Präferenzen, nutze Angebotsmix 36,0 42,6

Foren 27,7 14,2

Web-Based-Training 24,3 32,0

Lernmodule (HTML-basiert) 24,1 26,9

Die bisher verfügbaren Lernskripte konnten durch gezielte Akquisiti-onsmaßnahmen bei Lehrkräften und Ausbildern erworben werden. Im Rahmen der vielfältigen Transfermaßnahmen im Projekt wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass gerade Lehrkräfte und Ausbilder häufig über sehr gute Ausarbeitungen zu einzelnen fachlichen Themenstellungen verfügen, die ebenfalls auch für andere Fachinteressierte geeignet und hilf-reich sind. Über die Einrichtung eines Lehrmittelpools sollten für betrieb-liche und schulische Ausbilder ein Anreiz geschaffen werden, ihre eigenen Arbeiten – zunächst in einem geschlossenen Forum – zur Verfügung zu stellen, um dafür gleichzeitig auch von interessanten Arbeiten der Kolle-gen selbst profitieren zu können.

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Zu unserem Bedauern wurde von dem Lehrmittelpool bisher noch zu wenig Gebrauch gemacht. Wie aus Tabelle 1 ersichtlich wird, ist ein Be-darf an konkreten Fachausarbeitungen durchaus gegeben, denn die Lehr-skripte werden von den Usern deutlich bevorzugt.

Ebenfalls zu den Favoriten zählt der Übungspool. Dies erfreut das Pro-jektteam besonders, da er im Rahmen einer Fachgruppenarbeit – gemein-sam mit Experten aus der Branche – entwickelt wurde. Beiden Lehrange-boten gemein ist, dass sie jeweils von Praktikern entwickelt und bereitge-stellt wurden.

Etwas überraschend ist die »geringe« Bevorzugung der Web-Based-Training-Module wie auch der HTML-basierten Lernmodule. Die jeweili-gen Inhalte wurden stark an den Benutzergruppen orientiert und die zu-grunde liegenden methodisch-didaktischen Konzepte sind geeignet, den Prozess des selbst gesteuerten Lernens zu unterstützen. Die Entwicklung der jeweiligen Module beinhaltete einen hohen Zeit- und Kostenaufwand. Daher stehen im Gegensatz zu den Lehrskripten bisher mengenmäßig auch weniger WBT-Module zur Verfügung. Dennoch muss vor dem Hinter-grund der Nutzungsintensität für zukünftige Entwicklungen dieses Ergeb-nis berücksichtigt werden."

Bei diesem Ergebnis ist auch zu beachten, dass das LernCenter von Auszubildenden und Umschülern vorrangig zur Vorbereitung von Prüfun-gen genutzt wird. Für diese gezielte Prüfungsvorbereitung eignen sich of-fensichtlich aufbereitete PDF-Dokumente in Kombination mit Übungen und dem Kommunikations- und Lernforum besonders gut. Die Befragung zeigt auch, dass die Gruppe der betrieblichen und schulischen Ausbilder deutlich stärker die Nutzung von WBTs präferiert.

Lernerfolg und Lernmotivation – das LernCenter 2000plus

Trotz aller Bescheidenheit sind wir doch ein wenig stolz darauf, be-haupten zu können, dass es branchenweit bezüglich des Umfangs kein ver-gleichbares Angebot an Ausbildungsinhalten zum Berufsbild des Medien-

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gestalters gibt. Dennoch waren wir sehr daran interessiert, direkt von den Nutzern zu erfahren, wie das LernCenter 2000plus im Gegensatz zu den klassischen Lernmethoden bewertet wird.

Zunächst galt unser Interesse den Lernerfolgen. Hier lautete unsere Fra-ge: Wie hoch schätzen Sie den Lernerfolg des LernCenters 2000plus im Vergleich zu anderen Lehrmitteln ein (z. B. Präsenzunterricht, Lehrbücher, etc.)? Die Antwort: Hoch bis sehr hoch schätzten im Vergleich 57,7 Pro-zent der Befragten die Lernerfolge ein. Gleich bewerteten sie immerhin noch 30,4 Prozent. Als geringer oder viel geringer bewerteten knapp 12 Prozent der Befragten den erzielten Lernerfolg.

Darüber hinaus wollten wir wissen, wie hoch die Bedeutung einge-schätzt wird, dass auf der Lernplattform die verschiedenen Formen des Lernens miteinander kombiniert werden: Lernen, Informieren, Kommuni-zieren? Knapp ein Viertel der Befragten (24,4 Prozent) schätzt diese Kom-bination als sehr hoch ein, mehr als die Hälfte (54,0 Prozent) als hoch und 20,3 Prozent bewerteten die Verbindung dieser Lernelemente als »gleich«.

Aber neben den erzielbaren Lernerfolgen und einer scheinbar anspre-chenden Kombination einzelner Lernformen ist die Lernmotivation nicht zu unterschätzen. Im Vergleich zu anderen Lernmitteln, wie Lehrbüchern und Präsenzunterricht, stufen 14,1 Prozent der befragten die Lernmotivati-on im LernCenter als sehr hoch ein, 51,0 Prozent als hoch und 27,2 Pro-zent als gleich. 7,7 Prozent der Befragten urteilten, die Lernmotivation sei geringer bzw. viel geringer."

Empfehlungen

E-Learning-Projekte müssen in einer Maximierungsstrategie auf mög-lichst hohe methodisch-didaktische Qualität hin konzipiert werden. Nur dann können die Erfolgsfaktoren von netzbasiertem Lernen (Zeit- und Ortsunabhängigkeit, Interaktivität, Simulationen, synchrone und/oder a-synchrone Netzkommunikation, selbst gesteuerte Lerngeschwindigkeit, community building) die nach wie vor vorhandenen Nachteile (keine oder

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weniger face-to-face-communication, Bildschirmdarstellung, fehlender Halt in einer Lerngruppe) aufwiegen und reale Lern-Mehrwerte schaffen.

Wird E-Learning nur als Kostenkiller eingesetzt, kommt man direkt in die Sackgasse der Kostendrückerei in Umstrukturierungsprozessen, die leicht nach dem Motto: "Noch mal 10 Prozent runter" ohne wirkliche Reiß-leinen vorgehen. Das Ergebnis ist das teuerste E-Learning, nämlich ein un-attraktives, das nicht oder kaum genutzt wird. Wer maximale Akzeptanz der Zielgruppen und damit entsprechende Nutzungszahlen erreichen will, muss auf maximale Qualität setzen.

Zur Zukunft des E-Learning

Elaborierte Didaktik, offene zukunftssichere Standards und adäquate netzbasierte Kommunikationsangebote sind Erfolgsfaktoren in der Zukunft des E-Learning. Insbesondere die Weiterentwicklung und Etablierung von Standards wird unter den Bildungsmanagern die Sicherheit in Fragen des E-Learning erhöhen. Produktionstools, die das Kommunikationsdilemma zwischen Fachleuten und Entwicklern von Lernprogrammen aufheben und die Kosten für die Entwicklung von Lernprogrammen entscheidend sen-ken können, gehören die Zukunft und werden in einem längeren Prozess E-Learning zu einer alltäglichen Form des Lernens machen.

Die bildungspolitische Bedeutung dieses E-Learning-Projektes liegt vor allem im Schwimmen gegen den Strom. In einer Zeit, in der Ausbildung fast nur noch als zu reduzierender Kostenfaktor diskutiert wird, in der dringend notwendige höhere Ausbildungszahlen immer öfter auf Kosten der Ausbildungsqualität organisiert werden, setzte dieses Projekt ein Zei-chen für bessere Ausbildung, für mehr Spaß am Lernen durch neue Lern-medien.

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Schlussbemerkung

Die inhaltliche Arbeit im Bereich E-Learning wurde im Projekt von al-len Beteiligten geleistet. Daher wurden die in diesem Artikel vorgestellten Konzepte und Erfahrungen immer kooperativ erstellt. Deshalb haben der Autor dieses Beitrags und die folgenden Personen eine quasi gemeinsame Urheberschaft für die dargestellten Inhalte:

Andreas Fröhlich, Projektmanager beim ZFA,

Sandra Heidemann, Projektmitarbeiterin beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag, Bonn.

Anette Jacob, Geschäftsführerin des ZFA – Zentral-Fachausschusses Berufsbildung Druck und Medien, Kassel,

Karl-Heinz Kaschel-Arnold, Projektleiter für die Gewerkschaft ver.di, Berlin,

Peter Reichard, Forenmoderator und Projektmitarbeiter beim ZFA,

Marion Rose und Martina Schneider, Projektmitarbeiterinnen bei der Gesellschaft für Innovation und Beratung IBI, Düsseldorf sowie

Theo Zintel, Projektleiter für den Bundesverband Druck und Medien, Wiesbaden.

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Bernd Leuchter

E-Learning bei einem Weiterbildungsträger – Chancen und Risiken

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Köln betreibt Weiterbil-dung unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips: also nur Qualifizierun-gen, die am regionalen Weiterbildungsmarkt nicht von anderen Trägern abgedeckt werden; Seminare, die neue Zielgruppen für Weiterbildung ü-berhaupt interessieren sowie Formate, deren Entwicklung für private Trä-ger ein zu hohes Risiko darstellt.

Die von diesen Aktivitäten angesprochenen Kunden spiegeln die Ent-wicklung der Branchenstruktur in unserem Kammerbezirk wider: Unter-nehmer und Mitarbeiter in Medien- und IT-Unternehmen, kleinen und mit-telständischen Dienstleistungsunternehmen in entstehenden Branchen, zu-sammengefasst also alle die, die aufgrund unregelmäßiger Arbeits- und Geschäftszeiten eigentlich keine Zeit für Weiterbildung haben. Gleichzei-tig entstehen geregelte Ausbildungsberufe in diesen Branchen erst nach und nach - viele erfolgreiche Unternehmer dieser Firmen und ihre Mitar-beiter weisen mit unkonventionellen Lebensläufen auch einen großen Be-darf nach systematischer Weiterbildung auf. Das gesicherte Wissen der Branchen formiert sich erst.

Die Idee, starre Lernzeiten aufzubrechen und traditionelle Lehrgangs-formen zu verändern, war daher eine (implizite) Anforderung unserer Kunden. E-Learning als flexible Möglichkeit, seine eigene Lernzeit indivi-duell festzulegen, scheint, wenn wir die Entwicklung der Arbeitswelt und das Fortschreiten der “Wissensgesellschaft” richtig analysieren, eine wich-tige Möglichkeit zu sein, Bildungsprozesse und berufliche Erfordernisse miteinander zu vereinbaren.

Mit einer solchen, eher etwas grundsätzlichen Feststellung hat man aber noch nicht viel gewonnen. Es stellt sich nun die Frage, wie man diese Pro-zesse in der geeigneten Weise angehen kann. Für jeden Weiterbildungsträ-

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ger ist die Einführung von E-Learning nämlich erst einmal eine große In-vestition, die einer genauen Chancen-Risiken-Abwägung bedarf:

Chancen

Erschließung neuer Zielgruppen: E-Learning führt zu zeitlicher Fle-xibilität und zu einer Herabsetzung der Präsenzzeiten. Für viele Privatper-sonen und Unternehmen können erst dadurch Betriebsabläufe sinnvoll mit dem Lernen vereinbart werden. Lerninhalte können stärker an Erfordernis-se der Praxis angepasst werden; ein großer neuer Markt für Weiterbil-dungsangebote eröffnet sich.

Gruppengröße: Eine gleichzeitige Schulung vieler Teilnehmer ist res-sourcenschonend möglich. Für Unternehmen ergibt sich hier die Möglich-keit, mit Trainingsmaßnahmen schneller Unternehmensziele im Gesamtun-ternehmen zu verwirklichen; Weiterbildungsträger erhalten die Chance, dass sich Entwicklungsinvestitionen schneller amortisieren.

Wissenskultur: Ein gut gestaltetes E-Learning-System ist zukunftsof-fen. Es bildet eine Basis für das immer wichtiger werdende “Wissensma-nagement” im Unternehmen. So können - auch wenn die Maßnahme ei-gentlich schon abgeschlossen ist - neue Mitarbeiter auf den erforderlichen Wissensstand gebracht werden; das durch den E-Lehrgang “geronnene” Wissen kann systematisch weiterentwickelt und erneuert werden; eine ge-meinsame Wissenssprache entsteht im Unternehmen.

Aber auch individuell sichert das System im Vergleich zu im Bücherre-gal verstaubenden Ordnern einen leichteren Zugriff auf Inhalte für die Prü-fung und einen schnelleren Zugriff auf das Wissen, wenn es im beruflichen Alltag angewendet werden soll.

Die “Nachkauf”- und Kundenbindungschancen, die sich derart für einen Weiterbildungsträger ergeben, sind äußerst attraktiv.

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Lernorganisation: Das E-Learning-System kann Teilnehmern - eigent-lich paradox - helfen, Lerndisziplin und Gruppenlernen zu organisieren. So wachsen die Chancen auf eine Steigerung des Lernerfolges für die gesamte Lerngruppe und hiermit für den Weiterbildungsträger die Chance auf zu-friedenere Kunden.

Qualitätsmanagement: Das E-Learning-System informiert durch die Datenmengen, die es generiert, nebenbei stärker über die Lernweise aller Teilnehmer. Es erzeugt automatisch Instrumente über den klassischen Be-urteilungsbogen hinaus, die Güte des Unterrichts zu messen: Damit bieten sich Ansatzpunkte für die gezielte Unterstützung der Dozenten. Natürlich -und das sollte nicht außer Acht gelassen werden, obwohl wir in dieser Hin-sicht nicht vom “big brother” träumen - werden durch die Dokumentier-barkeit aller Aktivitäten neue Möglichkeiten geschaffen, die Leistung der Dozenten zu überwachen und sich gegen Regressansprüche von Teilneh-mern stärker zu wappnen.

Nach diesen Argumenten ist es eigentlich nicht einsehbar, warum die Euphorie, die hinsichtlich E-Learning bestand, deutlich abgekühlt ist. Es stehen den genannten Chancen nämlich erhebliche betriebswirtschaftliche und pädagogische Risiken gegenüber, die schon vor der Entscheidung über eine spezielle Ausgestaltung des Systems bedacht werden sollten.

Risiken

Strategische Qualität der Entscheidung: Ein “bisschen E-Learning” geht nicht. Das System einfach nebenbei

mitlaufen zu lassen, führt bestenfalls dazu, dass gar nichts passiert. Die Entscheidung, Kurse mit E-Learning-Unterstützung anzubieten, impliziert die Bereitstellung von Ressourcen in personeller und finanzieller Hinsicht.

E-Learning bedeutet in ganz anderem Maße, dass die Unzufriedenheit von Teilnehmern eskalieren kann, wenn Feedback und Gruppendiskussion im Netz nicht erleichtert werden. Das muss man aushalten, aber auch be-

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dienen können. Insgesamt ist eine Entscheidung zu noch mehr individuel-ler Dienstleistungsbereitschaft nötig: das verschlingt und bindet Ressour-cen.

Dozenten Die Anforderungen an Können, Motivation und Einsatzbereitschaft der

Dozenten wächst enorm. Sowohl für die Gestaltung der Präsenzphasen als auch der E-Learning-Inhalte braucht man pädagogisch versierte Fachleute. Mit Frontalunterricht ist es jetzt erst recht nicht mehr getan. Der Weiter-bildungsträger muss seine Dozenten begleiten und trainieren. Darüber hin-aus ist das Problem einer angemessenen Vergütung virulent; die ohnehin vorhandene principle-agent-Problematik verschärft sich.

Technische Stabilität Man kann die Bereitschaft der Teilnehmer und Dozenten, sich auf ein

neues Lernmedium einzulassen, gleich nachhaltig herabsetzen, indem man mit technisch unausgereiften Systemen arbeitet. Es gibt nichts Frustrieren-deres beim E-Learning als dauernd abstürzende Computer, lange Ladezei-ten, eine schlechte Qualität der Bild- oder Tonwiedergabe oder Informati-onsverluste durch unklare Strukturierung der Datenfülle. Es sollte gesi-chert sein, das die Hardwarestruktur nicht durch große Teilnehmerzahlen zusammenbricht. Das System sollte geringe und übliche Hardwareausstat-tungen der Beteiligten bedienen können, die zusätzlichen Kosten der Onli-ne-Phasen sollten bis zu einem gewissen Grade durch die Beteiligten selbst steuerbar sein. Wer sich in dieser Hinsicht nicht auf seine IT-Partner ver-lassen kann, ist schon vor den Erfordernissen im eigentlichen Weiterbil-dungsbereich auf verlorenem Posten.

Just in time-Prinzip Termintreue und termingerechtes Arbeiten ist bei Weiterbildungsträgern

natürlich kein Fremdwort. Mit der Einführung von E-Learning verengen sich die zeitlichen Spielräume von Unterlagenentwicklung, Feedback und

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Betreuung weiter. Eine Nichteinhaltung von Terminen und zugesagten Betreuungsrhythmen führt teilnehmerseitig leicht dazu, dass die Akzeptanz des Systems schwindet und die Lerndisziplin verloren geht. Die Kosten der Aufrechterhaltung eines just in time-Systems sollten nicht unterschätzt werden.

Ungewissheit Mit E-Learning wird die Möglichkeit der Anpassung an Leistungsfähig-

keit und Bedürfnissen der Lerngruppe erst einmal herabgesetzt. Es gibt eben kein “e-Gähnen” oder “e-Stirnrunzeln”, was gute Trainer im Präsenz-unterricht dazu bringt, im Unterricht sofort zu reagieren.

Mit Präsenzphasen ersetzendem E-Learning entsteht also die Verpflich-tung, im Vorfeld Lernprozesse des Teilnehmers zu antizipieren. Dies er-höht zugleich aber auch das Risiko, an den Lernbedürfnissen der Zielgrup-pe vorbei zu planen.

Zudem wird das Dienstleistungspaket “Unterricht” aufgeschnürt. Die Kosten der Erstellung von Unterlagen lassen sich nicht mehr auf den Do-zenten verschieben. Da die Entwicklung von E-Learning-Inhalten in jedem Fall zeitaufwändiger wird, muss der Weiterbildungsträger mehr riskieren. Denn der Startschuss zur Entwicklung von Produkten kann in der Regel nicht erst dann erteilt werden, wenn die Mindestteilnehmerzahl des Lehr-gangs erreicht ist oder der Kunde den Auftrag erteilt. Dieses Wagnis scheint das Kardinalproblem eines wirtschaftlich lohnenden Einsatzes von E-Learning zu sein.

Vergleich/Ergebnis: Unsere Plattform “LEO” ist ein leittextgestütztes Blended-Learning-

System, dessen Lehrinhalte im Moment des Einsatzes unabgeschlossen sind und infolge der Fokussierung auf die Betreuung durch die Dozenten und auf die Interaktion Teilnehmer-Dozenten während des Einsatzes weiterentwickelt werden. Die Kommunikation im System ist asynchron; die bewusst einfach gehaltenen technischen Funktionalitäten bilden

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selbstreferentielle Systemelemente im Rahmen des blended-learning-Zyklus. Wir geben den Lernenden eine nach unserer Ansicht mittelstarke Strukturierung des Lernprozesses vor.

Im Folgenden werden diese Parameter erklärt und an drei konkreten Sy-stemelementen illustriert: der Lernkarte, dem Navigationsdokument und der Modulstruktur (Abb. 1).

(leit)textgestützt: Diese Entscheidung führt zu einem gelasseneren Umgang mit der für

jeden Dozenten scheinbar neuartigen Aufgabe: Denn in einigen Punkten entspricht die Lernaufgabe in den Blended-Learning-Modulen dem leit-textgesteuerten Ausbildungssequenzen im Betrieb. Auch hier ist das Hauptmedium ein Text oder mehrere Texte; auch hier gibt es Lernanwei-sungen und -aufträge, die auf (betriebliche) Quellen rekurrieren, die nicht das Lernen als eigentliche Zielsetzung haben; auch hier organisieren die Teilnehmer (eventuell in Gruppen) ihr Lernen selbst - mit Hilfe von An-weisungen und Anregungen des Ausbilders; auch hier beobachtet der “Lernberater” den Fortgang dieses Prozesses und greift bei Fehlentwick-lungen ein; auch hier wird der Lernprozess durch Präsenzphasen und Prä-sentation der Lernergebnisse abgeschlossen.

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Abbildung 1:

Für die Dozenten ist dies eine wesentliche Erleichterung bei der Umges-taltung ihres Unterrichts: prinzipiell können sie auf vorhandene Unterlagen zurückgreifen - seien es eigene Skripte, Lehrbücher, Internetlinks etc. Auf aufwändige Designs und “Drehbücher” verzichten wir. Wichtig ist nur, dass der Dozent

• eine Anleitung gibt, wie mit diesen Quellen umzugehen ist,

• Lernziele definiert und die Erreichung dieser Lernziele durch geeignete Übungsaufgaben und Beobachtung des Lernens sichert,

• seine Unterlagen deutlich im Sinne dieser Lernziele strukturiert,

Skripte

Fallsammlung

Internetlinks

Graphiken

Animationen

Offene Aufgaben

Multiple-choiceAufgaben

etc

Leitfragenblock 1

Quellen oder Teile der Quellen,

die zur Beantwortung der Leitfragen 1

herangezogen werden sollen

z.B. Skript S. 15 - 30, Übungsaufgaben 1- 8

Fallbeispiele 3 + 4

Zusammenfassende Merksätze 1

Zusammenfassende Merksätze 2

Zusammenfassende Merksätze 3

Leitfragenblock 2

Quellen oder Teile der Quellen,

die zur Beantwortung der Leitfragen 2

herangezogen werden sollen

z.B. Skript S. 40 - 65, Übungsaufgaben 17- 18

Fallbeispiele 3 + 4

Zusammenfassende Merksätze 1

Zusammenfassende Merksätze 2

Zusammenfassende Merksätze 3

Absicherung des Moduls:

Vorbereitung auf die Präsenzphase

Prüfungsanker

Hinweise auf vertiefende Lernmöglichkeiten (Skript etc.)

Eventuell: den Leittext vorbereitendes Fallbeispiel Graphiketc

Leitfragenblock n wie oben

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• das Behalten und Verankern durch geeignete Zusammenfassungen ermög-licht,

• während des Lernens zur Nachbesserung und zur Feinsteuerung seiner In-halte bereit ist,

• die E-Learning-Phase explizit auf seine Präsenzphase bezieht, sogar um-gekehrt sich bei der Gestaltung der E-Learning-Phase an seinen Lehrzie-len und seinem Unterrichtsdesign für die abschließende Präsenzphase lei-ten lässt, die Elemente seines “Moduls” also ganzheitlich plant.

• sich auf ein wirklich zeitlich zu bewältigendes Pensum für die Teilneh-mer, aber auch für sich selbst beschränkt.

Dieser Leittext heißt bei jedem Lernmodul “Navigationsdokument”. Es dient gleichzeitig dem Teilnehmer als elektronischer Zettelkasten und Lernkartei, die er mit Hilfe eines java plug-ins für sich persönlich gestalten kann. (s. Abb. 1)

Blended Learning: Wir sind der Meinung, dass Präsenzunterricht durch E-Learning nicht

ersetzt werden kann. Der Präsenzunterricht steuert und definiert das, was E-Learning leisten soll; in der Präsenzphase – idealer Weise am Vorwissen des Teilnehmers anknüpfend – kann dann um so leichter das gesamte handlungsorientierte methodische Repertoire der Trainer entfaltet werden. Diese Sichtweise entmystifiziert E-Learning für die Dozenten und hilft, es nüchterner und instrumenteller zu sehen.

Betreuung/Interaktion Teilnehmer-Dozenten: Die gezielte, individuelle Betreuung ist Dreh- und Angelpunkt des Sys-

tems - das kann paradoxerweise eine große Stärke eines E-Learning-Systems werden. Wichtigstes Instrument ist dabei die individuelle Lern-karte, die dem Teilnehmer einen Überblick über das Gesamtpensum und den zeitlichen Ablauf erlaubt. Sie erlaubt sowohl ein freies als auch mit dem System der Kenntnisziffern ein gebundenes Kriterium der subjektiven

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Selbsteinschätzung. Dieses dient den Dozenten und dem Lehrgangsträger als Ansatzpunkt für Lerninterventionen (Abb. 2 und 3)

Abbildung 2:

Informationen zu den Kenntnisziffern (Lernkartenbereich) Kennt-niszif-fer

Bedeutung zeitliche Sollvorgabe

Wenn Schwierigkei-ten/Kein zeitlicher Fort-schritt: Nutzung von Lernkarte und Forum

Was werden IHK und Do-zenten tun, wenn Lernfort-schritte nicht erkennbar sind?

0 Ich habe den Stoff noch nicht gesichtet. Oder: Ich habe das Gefühl, al-les wieder vergessen zu haben und muss von vorne anfangen.

1. bis 3. Tag Lernkarte: Warum noch nicht ange-fangen?

Kein Wechsel von 0 auf 1 IHK: Wir gehen davon aus, dass Sie in kürzester Zeit anfan-gen werden. Bei Schwierigkeiten in der Prüfungsvorbereitung: Tipps und Hinweise.

1 Ich habe mir einen Überblick verschafft, aber noch nicht ange-fangen zu lernen.

4. bis 7. Tag

Lernkarte: Vom Skript/Stoffumfang "erschlagen"/eingeschüch-tert? Forum: Aufgabe nicht verstanden?

Kein Wechsel von 1 auf 2 IHK: Mit Dozenten absprechen, was am Skript/Navigations-dokument evtl. geändert werden muss. Evtl. unklare Formulierung? Dozent: Absprache mit Teilnehmer

2 Ich bin dabei, den Stoff zu lernen, bin aber noch nicht im Stande, die Aufgaben zu lösen. Es gibt erhebliche Un-klarheiten/Motivations-probleme beim Lernen.

7. Tag bis Tu-torium

Lernkarte: An welcher Stelle des Skripts/der Aufgaben be-stehen Unklarheiten? Forum: Was wird nicht ver-standen? Wo brauche ich Hilfe? Welche Fragen möchte ich gerne im Tuto-rium erörtern?

Kein Wechsel von 2 auf 3 Tutorium besuchen!! Dozent (IHK): Gibt Hilfestellungen allge-mein (Forum), und bei Be-darf individuell (Lernkarte bzw. mail). Im Tutorium Absprache mit Teilnehmern

3 Ich habe den Stoff durchgearbeitet und halbwegs verstanden. In einigen Bereichen habe ich noch Fragen bzw. Schwierigkeiten bei den Aufgaben. Ich fühle mich für die Präsenz-phase gut vorbereitet.

Tutorium bis Anfang Prä-senzphase

Lernkarte: An welcher Stelle des Skripts/der Aufgaben be-stehen Unklarheiten? Forum: Was erwarte ich mir von der Präsenzphase?

Kein Wechsel von 3 auf 4 Dozent (IHK): Stellt evtl. noch neue Auf-gaben zur Verfügung, die die Defizite beheben sollen. Entscheidet gemeinsam mit den Teilnehmern nach der Präsenzphase, ob noch ein weiteres Tutorium nach Präsenzphase. Absprache mit IHK und Studenten

4 Ich kann die Übungs-aufgaben gut lösen, muss mir aber noch manche Bereiche genau-er anschauen.

Ende Prä-senzphase + ca. 2 Wochen

Lernkarte/Forum: Wo sind noch Verständnis-fragen? Was muss noch wiederholt werden?

Kein Wechsel von 4 auf 5 Dozent (IHK): Stellt mehr Aufgaben zur Verfügung, gibt Hinweise zur langfristigen Sicherung des erlernten Inhaltes

5 Ich habe alle Aufgaben problemlos gelöst. The-matisch fühle ich mich fit für die Prüfung.

Spätestens ei-ne Woche vor Prüfung

Forum: Tipps und gemeinsames Wiederholen des Prüfungs-stoffes!

Dozent und IHK: Wünschen viel Erfolg bei der Prüfung und werfen ihre Rückmeldung danach aus

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asynchron: Chats, Videokonferenzen oder die 24-Stunden-Dauer-Betreuung sehen

wir nicht vor. Es reicht aus, wenn die Dozenten sich zweimal in der Woche mit dem jeweiligen Kurs beschäftigen. Die Kommunikation von Teilneh-mer zu Dozenten leiten wir daher zur Aufwandsbegrenzung über ein Grup-penforum um; in anderer Richtung ist sie leicht zu handhaben.

unabgeschlossen: Das endgültige Unterrichtskonzept entsteht erst während des Unterrich-

tens: Teilnehmer wirken aktiv daran mit durch Fragen, “lautes” Nachden-ken und Kritik, die wir unterstützen, anregen, fördern und hoffentlich aus-halten.

selbstreferentiell: Das System ist keine Nachahmung des Präsenzunterrichts. Es gibt also

kein “virtuelles Klassenzimmer”. Jede Funktionalität des Systems ist ein Lehr- und Lernmedium sui generis mit wohldefinierter pädagogischer Aufgabe.

mittelstark strukturiert: Es gibt kein “Lerndrehbuch”. Wir geben den Teilnehmern zwar eine

Empfehlung für die zeitliche Organisation des E-Learnings. Wir verpflich-ten uns auch zu helfen, wenn der Lernfortschritt nicht planmäßig erzielt wird. (s. Abb 3). Grundsätzlich bleibt es Aufgabe des Teilnehmers, sein Lernen im Alltags-Zeitmanagement selbstgesteuert zu organisieren.

einfache technische Funktionalitäten: Nach dem oben Ausgeführten ist klar, dass man einerseits nicht einer

Faszination des technisch Machbaren erliegen darf. Andererseits ist die Menge an Informationen bei funktionierendem E-Learning so groß, dass eine Kanalisierung der Datenflut für Teilnehmer, Dozenten und Mitarbeiter beim Lehrgangsträger von Anfang an sorgfältig bedacht, ja geplant werden

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muss. Es sollte sichergestellt werden, dass Lernende und Lehrende jede In-formation, die sie benötigen, zu finden wissen und sie nicht viel (online-) Zeit brauchen, um sich den Stoff zusammen zu suchen. Es lohnt sich, für eine klare Gestaltung dieser Informationswege auf überflüssigen Ballast zu verzichten. Die technische Seite sollte ein “unsichtbarer, dienstbarer Geist” bleiben, aber sie sollte reibungslos funktionieren.

Abbildung 3

Fazit:

Unsere ersten Erfahrungen zeigen, dass die Nutzenargumente für E-Learning stark sind, aber noch nicht klar ist, ob diese Nutzenerwartungen erfüllt werden können. Für einen Weiterbildungsträger bedeutet die Imp-lementierung eines solchen Systems zurzeit noch: hohe Lernbereitschaft, gezielte Dozentenentwicklung und Risikoneigung. Über den Ausgang des Wagnisses kann im Moment noch keine abschließende Bewertung gegeben werden. Sie hängt davon ab, wie die Teilnehmer damit langfristig zurecht kommen werden. Erste Einschätzungen sind aber ermutigend.

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Helmut E. Klein / Reinhard Zedler

Den Wandel gestalten: E-Learning in der betriebli-chen Lernkultur – Trends und Bedingungen

Zum Zusammenhang von Weiterbildung und E-Learning

In der beruflichen Aus- und Weiterbildung ist E-Learning weit verbrei-tet. Eine Vielzahl von Autoren schätzt, dass computerunterstütztes Lernen in Deutschland erst am Anfang seiner Entwicklung steht und deshalb in den nächsten Jahren mit einem E-Learning-Boom zu rechnen ist (siehe Beitrag Klein, S. 57 f.). Diese Projektionen gründen unter anderem auf der Erkenntnis, dass der zunehmende Einsatz von E-Learning in der betriebli-chen Bildungsarbeit im Zusammenhang mit veränderten Anforderungen an die Qualifizierung der Fachkräfte steht. Viele Unternehmen reagieren auf den Wandel ihres wirtschaftlichen Umfeldes mit einer neuen Ausrichtung der betrieblichen Bildungsarbeit. Sie stehen dabei von verschiedenen Sei-ten aus unter Druck: Das Erschließen neuer Märkte, aber auch die wach-sende internationale Konkurrenz durch die Globalisierung zwingt Unter-nehmen, Produkte und Dienstleistungen in immer kürzeren Abständen, in besserer Qualität und zu günstigen Preisen auf dem nationalen und interna-tionalen Markt anzubieten. Diese Entwicklung zieht veränderte Qualifika-tionsanforderungen bei den Mitarbeitern nach sich und spiegelt sich in neuen Lehr- und Lernkonzepten der betrieblichen Bildungsarbeit wider.

Die Betriebe werden in zunehmendem Maße dieser Aufgabe gerecht, indem sie den Mitarbeitern vielfältige interne und externe Bildungsangebo-te zur Verfügung stellen. Aufgrund der veränderten ökonomischen Rah-menbedingungen kann der projizierte große Qualifizierungsbedarf jedoch nicht wie in der Vergangenheit durch konventionelle Ausbildungs- und Weiterbildungsangebote gelöst werden. Zu den entstehenden neuen For-men des Lehrens und Lernens gehört in komplentärer Weise ein Bewusst-sein des Mitarbeiters, selbst initiativ zu werden, sich neues Wissen selbst-ständig anzueignen, um so die eigene Beschäftigungsfähigkeit (Employabi-lity) zu fördern. Die Lernform E-Learning eröffnet hier die Möglichkeit,

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den großen Qualifizierungsbedarf der Betriebe zeit- und arbeitsplatznah einzulösen und das eigenverantwortliche und selbst organisierte Lernen der Mitarbeiter zu fördern.

Zur Verbreitung von E-Learning

Gegenwärtig ist vor allem in Großbetrieben eine hohe Akzeptanz für E-Learning vorhanden – wie die Beispiele von Allianz, BASF, Siemens und DaimlerChrysler dokumentieren. Ebenso ist festzustellen, dass der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechniken in der betriebli-chen Bildungsarbeit kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) noch ver-gleichsweise gering ist. Ein Grund dafür war bisher, dass viele mittelstän-dische Betriebe Informationsdefizite über Rahmenbedingungen für die er-folgreiche Nutzung von E-Learning haben. Insbesondere KMU lassen sich von notwendigen, in ihrem Umfang nicht immer erkennbaren Investitionen in die Infrastruktur, den Kosten der Software-Entwicklung, den unbekann-ten Anforderungen bei der Einführung und Umsetzung dieser Lernsysteme sowie den teilweise unübersichtlichen Angeboten abschrecken. Oftmals ist den Verantwortlichen nicht klar, dass E-Learning auf der Basis von Stan-dardinhalten und ASP-Lösungen (Application Service Providing), bei de-nen die Lerner über das Internet den Server des Online-Anbieters nutzen, unter Umständen wirtschaftlicher und effizienter als klassische Weiterbil-dungen durchgeführt werden kann. Solche Unsicherheiten etwa bei der Auswahl der richtigen Lernplattform und deren vermeintlich oder auch teilweise hohen Kosten führen schließlich zu besagter Zurückhaltung – nicht zuletzt auch, weil Klein- und Mittelbetriebe häufig keinen Ansprech-partner bei Bildungsträgern für diese Thematik finden.

Beim Blick auf Branchen wie Banken, Versicherungen, Medien oder die Metall- und Elektro-Industrie, in denen sich E-Learning in vergleichsweise nennenswertem Umfang etabliert hat, zeigt sich, dass es beim computerge-stützten Lernen offenkundig eine mediengebundene Themenbevorzugung gibt. So lassen sich kaufmännische sowie informations- und kommunikati-onstechnische Themen über den Computer nicht nur pädagogisch sinnvoll

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vermitteln. Diese Themenfelder dominieren auch die Angebotspalette vie-ler Software-Produzenten und WBT-Anbieter.

Formen des E-Learning: CBT und WBT

Computer Based Training (CBT) ist die meist verbreitete Wissensver-mittlung per PC und CD-ROM oder DVD. Beim Offline-Lernen arbeitet der Lerner mit einer speziellen Lernsoftware, die ihm die Lerninhalte prä-sentiert und ihn durch das Programm führt. Tests und Aufgaben ermögli-chen, den Lernerfolg zu kontrollieren. Um komplexe Sachverhalte mög-lichst anschaulich zu vermitteln, enthalten die Programme neben Text oft auch Bilder, Animationen oder Videosequenzen. Beim Web Based Trai-ning (WBT) werden die Lernprogramme über das Internet oder ein firmen-eigenes Intranet angeboten. Dabei wird der Lernende in der Regel durch einen Tutor betreut. Außerdem können sich die Kursteilnehmer in Diskus-sionsforen oder Chatrooms mit anderen Teilnehmern über die Lerninhalte austauschen.

Der didaktische Ansatz einer Lernsoftware lässt sich danach unterschei-den, ob sie linear oder modular aufgebaut ist. Ein lineares Design bedeutet einen vorgegebenen geradlinigen Lernweg, von dem der Lerner in der Re-gel nicht abweichen kann. Ein modulares Design zielt dagegen auf Interak-tivität und ermöglicht unter anderem die Steuerung des Ablaufs, die geziel-te Auswahl der Inhalte und des Lernwegs sowie den Dialog mit dem PC mittels Dateneingabe. Grundsätzlich haben lineare wie auch modulare De-signs Vor- und Nachteile. Ihre Verwendung sollte abhängig sein von In-halt, Funktion und Lernertyp. So empfiehlt es sich, unerfahrene Lerner zu-nächst in lineare Programme einzuarbeiten, da sie durch diese gezielt ge-führt werden. Lernsoftware-erfahrene Lerner bevorzugen eher modulare Strukturen, da diese Optionen für individuelle Lernbedürfnisse anbieten. Die Effektivität eines computergesteuerten Lernprogramms hängt dabei von der didaktischen Gestaltung des Programms ab – aber auch von der Motivation und Kompetenz des Lernenden.

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Adressatengerechte Konzeption: Blended Learning

In der betrieblichen Bildungsarbeit hat es sich als wenig zielführend er-wiesen, Lerninhalte ausschließlich nur am Computer – also nur mittels Lernsoftware – zu vermitteln. Für den Erfolg des E-Learning ist – neben dem Design der Software, der Motivation und Kompetenz des Lernenden – vor allem ein Mix der Lernformen erforderlich. Dieser Wechsel zwischen computergestütztem Lernen und verschiedenen Lehr- und Lernmethoden wie Präsenzseminaren, Trainings und Tutorings wird „ Blended Learning“ genannt. Insbesondere in der beruflichen Weiterbildung werden diese ad-ressatengerechten Angebote eher angenommen als reine Online-Kurse. Schulungs- oder Kursteilnehmer suchen und brauchen sowohl den Kontakt zu Ausbildern in der Berufsausbildung bzw. Weiterbildnern oder Tutoren in der Weiterbildung wie auch die Kommunikation mit und die Orientie-rung an anderen Lernern. Auch bei überbetrieblichen Weiterbildungsträ-gern – dies zeigt das Beispiel der IHK zu Köln – zielen Angebote in diese Richtung.

Blended-Learning-Konzeptionen werden durch die Leitfrage geprägt, welche Methoden und Medien am besten geeignet sind, die definierten Lernziele und Lerninhalte in Abstimmung mit der betrieblichen Lernkultur zu erreichen. In einem Unternehmen, das bisher ausschließlich mit dozen-tenorientierten, seminaristischen Schulungs- und Trainingsformen gearbei-tet hat, werden die Maßnahmen weniger Elemente mit Selbststeuerung enthalten können als in Organisationen, die langjährige Erfahrungen mit Gruppen- und Projektlernen aufweisen. Es gibt deshalb keinen „richtigen“ Methoden- und Medienmix.

Bedingungen für die Ausweitung des Einsatzes von E-Learning

Bei den Bedingungen für die weitere Verbreitung von E-Learning ist zwischen lernerseitigen und unternehmensseitigen Faktoren sowie dem be-trieblichen Weiterbildungsbedarf zu unterscheiden. Zu den lernerseitigen Faktoren zählen personale Verhaltensweisen und Qualifikationen des Aus-

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zubildenden bzw. Mitarbeiters wie Motivation, Medienkompetenz und Einstellungen zum Computer. Das bedeutet: Den Mitarbeitern sollte ver-mittelt werden, welchen Nutzen sie selbst aus dem computergestützten Lernen ziehen können. Durch gezielte Lernberatung lässt sich die Bereit-schaft zum arbeitsplatznahen Lernen erhöhen. Die organisationalen Aspek-te umfassen die technischen und räumlichen Rahmenbedingungen des Un-ternehmens für E-Learning, die Qualifikationen des Bildungspersonals, al-so der Ausbilder und der Weiterbildner sowie die Einstellungen der Füh-rungskräfte zur betrieblichen Lernkultur. Wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, gibt es einen starken Zusammenhang zwischen dem Verständnis von betrieblicher Lernkultur, den die für die Bildungsarbeit im Unterneh-men zuständigen Führungskräfte haben und der Wahl der Qualifizierungs-formen und -strategien.

Neben der Bildungsbedarfsanalyse – über die der Qualifizierungsbedarf des Unternehmens mit dem individuellen Qualifikationsprofil des Mitar-beiters abgestimmt wird – ist zu klären, welche technischen Voraussetzun-gen für E-Learning im Betrieb vorhanden sind. Dabei spielt auch der Kos-tenaspekt – beispielsweise für Lizenzgebühren oder zusätzliche Hardware-installierung – keine unbedeutende Rolle. Grundsätzlich gilt: E-Learning erschöpft sich nicht in der Bereitstellung von computergestützten Lernme-dien.

Als wenig effizient und nicht auf Akzeptanz ausgerichtet erweisen sich solche E-Learning-Angebote, die als isolierte Maßnahme durchgeführt werden. Notwendig ist vielmehr eine personale Unterstützung, um die Lernwirksamkeit zu erhöhen. Hinzu kommt, dass das Ziel betrieblicher Qualifizierungsmaßnahmen immer mehr auch darin besteht, Veränderun-gen der Denk- und Handlungsweisen der Mitarbeiter zu initiieren. Ebenso erforderlich ist eine Koordinierung aller an Bildungsaktivitäten im Unter-nehmen beteiligten Akteure, aller vorhandenen Bildungskompetenzen und -ressourcen, um organisatorische Reibungsverluste zu verringern und Ein-satz und Akzeptanz von E-Learning zu verbessern.

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Personale Betreuung durch Teletutoren

Einen weitgehenden Konsens lässt sich in Forschung und Praxis in der Einschätzung herstellen, dass beim Online-Lernen eine personale Betreu-ung und Begleitung notwendig ist. Doch wird die Frage, welche Rollen und Funktionen das Bildungspersonal dabei einnimmt, weniger einheitlich beantwortet. Dies findet auch in den unterschiedlichen Bezeichnungen (z.B. Teletutor, Teletrainer, Teledozent, Telemanager, Online-Instructor, E-Moderator), die für diesen Personenkreis verwendet werden, seinen Ausdruck.

In Anlehnung an das Forschungsprojekt „Anforderungen an Teletuto-rinnen und Teletutoren in der beruflichen Bildung“ des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) lassen sich – je nach Rahmenbedingungen – ver-schiedene Formen von Technologien und Konzepten personaler Betreu-ungsformen darstellen. So übernimmt beim Lernform-Typus Quick and Ready das Bildungspersonal lediglich die technische Betreuung und ver-waltet die Lerninhalte. Bei der idealtypischen Lernform Virtual Classroom reichen die Aufgaben des Bildungspersonals von der Moderation des ge-samten Lernprozesses, der Vermittlung der Fachinhalte bis hin zur Verwal-tung des komplexen technischen Systems. Dazwischen liegen weitere Lernformtypen, die sich vor allem dadurch voneinander unterscheiden, welche Funktion der Tutor einnimmt und in welchem Maße der Unterricht virtualisiert ist.

Aus diesen unterschiedlich gestalteten Angeboten lässt sich im Wesent-lichen ableiten, dass diese immer einen umfassenden Service bedingen, der die Qualität der Angebote beeinflusst. Entscheidend ist dabei vor allem, dass lernerorientierte Qualitätsstrategien entwickelt werden. Dadurch wird auch ein ökonomischer Erfolg von E-Learning-Services erreichbar.

E-Learning in Berufsausbildung und Weiterbildung

Der Einzug moderner Formen der Bürokommunikation und computer-gestützter Maschinen hat die Arbeitsorganisation und die Produktion in

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vielen Betrieben vollständig geändert. Bereits jeder sechste Erwerbstätige arbeitet hierzulande in der Produktion vorwiegend mit computergesteuer-tem Gerät, rein rechnerisch verfügen sogar drei von vier Angestellten am Arbeitsplatz über einen Computer. Die schulische wie die berufliche Bil-dung stehen unter Druck, sich diesen Erfordernissen anzupassen. Nahelie-gend ist daher, das Arbeitsmedium PC auch als Lernmedium nutzen zu ler-nen. Nach dem Primat der Didaktik sind zunächst Ziele und Inhalte einer Lerneinheit oder einer Qualifizierungskonzeption zu klären, bevor daraus die geeigneten Methoden und Medien für den Lernprozess definiert wer-den. Dabei spielen auch Alter, Bildungsniveau und Ausbildungsberuf eine Rolle – schließlich lassen sich dadurch Interessen und Lernbedürfnisse der Lernenden (Stichwort: Medienkompetenz) voneinander unterscheiden.

Wie dies künftig aussehen könnte, zeigt ein Beispiel aus der Bauwirt-schaft. Dort gibt es seit geraumer Zeit Aktivitäten, die darauf abzielen, die Akzeptanz netzbasierter Lehr- und Lernangebote bereits in der Berufsaus-bildung zu fördern. So ist es Ziel des Projektes „Förderung von Akzeptanz und Integration netzbasierter Lehr – und Lernangebote in der Ausbildung der Bauwirtschaft“ (FAINLAB), die bisher allgemein zur Verfügung ste-henden Lernmittel für Auszubildende durch EDV-gestützte, multimediale Pilot-Lernmodule zu ergänzen und somit gleichzeitig die Medienkompe-tenz der Auszubildenden zu erhöhen (www.fainlab.de).

Die Integration von E-Learning in die tradierten Lehr- und Lernmetho-den verändert auch die Aufgabe der Ausbilder. Zu der Frage, welche Prob-lemstellungen die künftigen Mitarbeiter am Arbeitsplatz zu lösen haben und anhand welcher exemplarischer Inhalte die entsprechende Problemlö-sungskompetenz vermittelt werden kann, kommt nun noch die Überlegung hinzu, welche Funktion dabei E-Learning bzw. Blended Learning über-nehmen soll. Ausbilder und Tutoren brauchen demnach eine gute didakti-sche und methodische Qualifizierung und Erfahrungen mit der Vorberei-tung und Durchführung offener, projektorientierter Lehr- und Lernprozes-se.

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Neue, computer- und netzgestützte Medien können sowohl zur Umset-zung didaktisch gestalteter Lernprogramme als auch zur Unterstützung der Selbstorganisation und Kommunikation des Bildungspersonals und der Auszubildenden genutzt werden. Eine Form des informellen E-Learning sind virtuelle Kompetenzzentren (www.ec-net.de/kompetenzzentren/) und Online-Communities. Dort können Interessierte Praxisfragen stellen, die von Experten oder anderen Forenteilnehmern beantwortet werden.

Neben der Motivation und Medienkompetenz wird die Akzeptanz von E-Learning von den Einstellungen der Mitarbeiter beeinflusst. Bemer-kenswert ist, dass die Bereitschaft, mit Hilfe des Computers zu lernen, bei den Mitarbeitern aller Altersgruppen relativ hoch ist. Dies ist eine günstige Ausgangsbasis, auch ältere Mitarbeiter in E-Learning-Angebote einzube-ziehen. Handlungsbedarf lässt sich hier hinsichtlich einiger organisationa-ler Voraussetzungen formulieren. Didaktische Konzeptionen, die den Ein-satz von E-Learning im Betrieb beinhalten, reflektieren Lernzeit, Lernort und die Verfügbarkeit von Technik. Wie bisherige Erfahrungen zeigen, ließe sich die Akzeptanz computergestützten Lernens bei gewerblichen Mitarbeitern durch den Ausbau der technischen Infrastruktur verbessern.

Zunehmend bieten externe Bildungsanbieter Lehrgänge und Qualifizie-rungsmaßnahmen online an. Bereits heute nutzen zahlreiche Handwerks-kammern E-Learning-Module bei der Meisterausbildung. Mit Hilfe eines bundesweit einheitlichen E-Learning-Angebots soll künftig der Weg zum Meistertitel etwas einfacher werden. In gleicher Weise wird beispielsweise auch die Qualifizierung zum Industriemeister Metall durch Lernmodule des Projekts Meisternetz (www.meister-netz.de) erweitert. Es ist davon auszugehen, dass der Umgang der Meister bzw. Ausbilder in spe mit dieser Lernform – positive Lernerfahrungen vorausgesetzt – künftig in der Be-rufsbildung dazu führen wird, dass diese ihre Lernerfahrungen in der Be-rufsausbildung anwenden und auf Lernprozesse mit E-Learning-Angeboten übertragen werden.

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Die Autoren

Dr. Marion Bagusat, Jahrgang 1969, studierte Diplom-Psychologie und Pädagogik an der Universität Regensburg und promovierte im Bereich Lehr- und Lernforschung. Seit 1997 im Fachbereich Bildung der Allianz Versicherungs-AG beschäftigt. Berufliche Schwerpunkte sind neben Lehr- und Lernkonzepten im Bereich Berufsausbildung die Themen Personal-auswahl und Qualitätssicherung. Das Projekt ALF begleitete sie von An-fang an in Entwicklung, Implementierung und Evaluation.

E-Mail: [email protected]

Jürgen Föllinger, Jahrgang 1958, Elektroingenieur (FH), Projektleiter E-Learning, BASF AG

E-Mail: [email protected]

Dr. Annette Groß, Jahrgang 1971, Lehramt Sekundarstufe I und II, Deutsch und Englisch, Promotion, Projektleiterin E-Learning, BASF AG

E-Mail: annette.groß@basf-ag.de

Thomas Hagenhofer, Jahrgang 1963, Studium der Informationswissen-schaft, Abschluss B. A., Projektleiter E-Learning bei X-PULSE-E-Learning GmbH

E-Mail: [email protected]

Dr. Dirk Jakobs, Jahrgang 1973, Studium Pädagogik, Anglistik und Geschichte, Leiter Lernkonzepte und Neue Medien bei der Daimler-Chrysler AG

E-Mail: [email protected]

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Helmut E. Klein, Jahrgang 1953, Studium der Erziehungswissen-schaften, Anglistik und Geschichte an der Universität Heidelberg; seit 1989 im Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Leiter des Referates „Bil-dungsforschung und Bildungsmedien“ innerhalb der Hauptabteilung Bil-dung und Arbeitsmarkt

E-Mail: [email protected]

Stefanie Koller, Jahrgang 1974, Lehramtsstudium, Pressereferentin der Siemens Berufsbildung

E-Mail: [email protected]

Bernd Leuchter, Jahrgang 1963, Projektleiter E-Learning bei der In-dustrie- und Handelskammer (IHK) zu Köln

E-Mail: [email protected]

Thomas Reglin, Jahrgang 1956, geisteswissenschaftliches Studium (M. A.), seit 1995 Projektleiter bei den Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz), Bildungsforschung im Bereich E-Learning, seit 2003 Stellvertretender Institutsleiter im Forschungsinstitut Betrieb-liche Bildung (f-bb) gGmbH, zuständig für den Projektbereich “Medien und Methoden betrieblicher Bildung” in der bfz Bildungsforschung

E-Mail: [email protected]

Stephan Rudolph, Jahrgang 1961, Ausbildung zum Versicherungs-kaufmann, Referatsleiter für die fachliche Ausbildung bei der Allianz Le-bensversicherungs AG.

E-Mail: [email protected]

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Dr. Reinhard Zedler, Jahrgang 1941; Studium der Arbeits-, Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Erziehungs- und Sozialwissenschaften an den Universitäten Bonn, Köln und Gießen, von 1970 bis Sommer 2004 im In-stitut der deutschen Wirtschaft Köln, Leiter des Referats „Berufliche Bil-dung“

Kontakt: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Gustav-Heinemann-Ufer 84-88, 50968 Köln