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Inhalt

Ernst Freiberger Ein Denkmal für Georg Elser 7

Georg Elser – ein Lebensbild 11

Wahrnehmungen und Deutungen des Anschlags vom 8. November 1939 91

Dokumentenanhang 119

Würdigungen Georg Elsers – eine Übersicht 253

Literatur 255

Danksagung 268

Bildnachweis 269

Zu den Autoren 270

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Peter Steinbach / Johannes Tuchel

Georg Elser – ein Lebensbild

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12 GEORG ELSER – EIN LEBENSBILD

Der am 4. Januar 1903 im württembergischen Hermaringen ge-borene Georg Elser wuchs in Königsbronn unter schwierigen Familienverhältnissen auf.1 Sein Vater Ludwig Elser, 1872 in Ochsenberg, Kreis Heidenheim, geboren, kam aus einer Bauern-familie und hatte 18 Geschwister.2 Er arbeitete zuerst in der Land-wirtschaft seiner Eltern, später kaufte ihm sein Vater selbst ei-nen kleinen Bauernhof, den Ludwig Elser eher schlecht als recht bewirtschaftete. Georg Elsers Mutter, die 1879 geborene Maria Müller, war unehelich zur Welt gekommen. Ihre Mutter Karoli-ne Müller verließ sie unmittelbar nach der Geburt; der leibliche Vater Johann Georg Lindenmaier und dessen spätere Frau zogen Maria in Hermaringen auf.3 Bis zur Heirat mit Ludwig Elser arbei-tete sie auf dem Hof ihres Vaters. Die Heirat erfolgte im Novem-ber 1903, der bereits zehn Monate alte Georg Elser wurde als ehe-liches Kind anerkannt. Seine beiden Vornamen »Johann Georg«, wobei Georg der Rufname war, erhielt er wahrscheinlich nach dem Namen seines Großvaters mütterlicherseits.

Königsbronn liegt auf der so genannten Ostalb, am östlichen Ende der Schwäbischen Alb. Im Ort entspringt die Brenz, die spä-ter in die Donau fl ießt.4 Das raue Klima prägt die Region und ihre Bewohner. Seit 1904 wohnte die Familie Elser in Königsbronn in der Hauptstraße 130 (heute: Aalener Straße 12). Fünf weitere Kin-der kamen dort hinzu: Friederike (Oktober 1904), Marie (August 1906), Ludwig (Mai 1909, im Januar 1915 an Lungenentzündung verstorben), Anna (Oktober 1910) und Leonhard (Juni 1913).

Herkunft und Jugend

Blick auf Königsbronn 1910 vom Herwartstein aus.

1 Grundlegend zu Georg Elser: Gruch-mann (Hrsg.), Johann Georg Elser. Auto-biographie eines Attentäters. Aussage zum Anschlag im Bürgerbräukeller und Hoch/Gruchmann, Georg Elser. Der Attentäter aus dem Volke, sowie die Internetpräsen-tationen http://www.georg-elser.de und http://www.georg-elser-arbeitskreis.de/index.php. Als Vorarbeiten zu diesem Band vgl. auch Steinbach/Tuchel, »Ich habe den Krieg verhindern wollen«.2 Diese und die folgenden Angaben nach: Notariat IV Heidenheim, Nach-lassakte Ludwig Elser. Der im Institut für Zeitgeschichte München (IfZ), ZS/A–17/5, liegende »Sippschaftsbogen Georg Elser« ist mit besonderer quellenkritischer Vor-sicht zu betrachten. Die Angaben sind offenbar in großer Eile zusammengetra-gen worden und fehlerhaft. 3 Haasis, »Den Hitler jag ich in die Luft«, S. 133 ff. stützt sich bei der Darstellung der Familie Elsers vor allem auf den »Sippschaftsbogen«.4 Vgl. Renz, Georg Elsers Heimat.

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13GEORG ELSER – EIN LEBENSBILD

Die wichtigste Quelle für die Biografi e Georg Elsers ist das im November 1939 in Berlin entstandene Protokoll seiner Verneh-mungen, das der Münchener Historiker Lothar Gruchmann An-fang 1964 in den Akten des ehemaligen Reichsjustizministeri-ums im Bundesarchiv fand.5 Mit Hilfe dieses Protokolls und von Zeitzeugenberichten, aber auch den hier erstmals ausgewerteten Notariatsakten aus Heidenheim sollen im Folgenden Herkunft und Jugendjahre Georg Elsers nachgezeichnet werden. Wenn dabei Zitate aus den Vernehmungen benutzt werden, so ist im-mer mitzudenken, dass uns hier nicht die unmittelbare Sprache Elsers gegenübertritt, sondern vielfach das von Elser Gesagte in die Ausdrucksweise der ihn vernehmenden Gestapo-Kommissare übersetzt worden ist.

Dies ist ein grundsätzliches Problem bei der Nutzung von Quellen, die aus dem nationalsozialistischen Verfolgungsappa-rat stammen. Die Gestapo setzte im Verhör alle Instrumente ein, die ihr zur Verfügung standen. Dazu gehörten auch bei Georg Elser Schläge und andere Folterungen. Bilder aus der Haft zei-gen deutliche Misshandlungsspuren.6 Der Historiker Heinrich Scheel, selbst 1942 vielfach von der Gestapo verhört, hat im Zu-sammenhang mit diesen Vernehmungen auf die Bedeutung der »Schwachstellen« hingewiesen, nach denen die Gestapo immer wieder suchte.

Nur die wenigsten konnten sich einem brutalen Verhör wider-setzen. Was sich in den erhaltenen Gestapo-Protokollen fi ndet,

Das Haus der Elsers, Ende 1910. Von links: Unbekanntes Mädchen, Ludwig Elser, Marie Elser, Georg Elser, Friederike Elser und Maria Elser mit Anna Elser.

5 Der Text des Vernehmungsprotokolls, das im Original im Bundesarchiv, R 22/3100, »Sprengstoffanschlag Bürger-bräukeller München am 8. November 1938 – Vernehmung des Täters« liegt, wurde (ohne Anmerkungen und Regis-ter) noch einmal veröffentlicht: Georg Elser Gedenkstätte Königsbronn (Hrsg.), Das Protokoll. Es ist erneut abgedruckt im Dokumententeil dieses Bandes, unten S. 150 ff., und wird im Folgenden mit den Seitenzahlen dort zitiert. 6 Vgl. unten die Bilder auf den S. 71 und 74.

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14 GEORG ELSER – EIN LEBENSBILD

ist jedoch nicht die historische Realität, sondern spiegelt diese in der Sprache und Gedankenwelt der Vernehmenden wider. Wenn dies einmal anders war, wie etwa in den Verhören des Ro-manisten Werner Krauss 1942, dann vermerkte es die Gestapo ausdrücklich. Kriminalsekretär Kurt Marowsky fügte einem Pro-tokoll vom 21. Dezember 1942 folgenden »Vermerk« hinzu: »Alle Vernehmungen des Prof. Krauss sind zum größten Teil von ihm selbst formuliert oder in ihrer Formulierung beeinfl usst und in die Maschine diktiert worden.«7

Die Gestapo-Kommissare waren sich ihrer Manipulation be-wusst. Dies zeigt etwa die Notiz zum Abschnitt über Elsers Sexu-alleben: »Die Niederschrift diese[s] Abschnittes der Vernehmung wurde aus der volkstümlichen Ausdrucksweise des Beschuldigten übernommen.«8 Im Umkehrschluss wird deutlich, dass vieles im Protokoll eben nicht direkt von Elser formuliert worden ist, son-dern durch die Gestapo.

Doch es gilt weiterhin, was Lothar Gruchmann schon in den 1960er Jahren anmerkte: »Die Tatsache, dass das Protokoll kei-ne Hinweise auf Beziehungen Elsers zu ausländischen Agenten enthält und daher den Wünschen der damaligen Machthaber in keiner Weise entsprach, rechtfertigt ferner den Schluss, dass es von der Gestapo nicht manipuliert wurde. Auch enthält das Pro-tokoll verschiedene, für das nationalsozialistische Regime recht

Wirtschaft zum Hecht, Königsbronn 1918.

7 Militärhistorisches Archiv Prag, Akten des Oberreichskriegsanwalts in der Straf-sache gegen den Schützen Prof. Dr. Werner Krauss wegen Landesverrates, St PL. (RKA) III Nr. 525/42, Blatt 37 (Fotokopie in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand).8 Vernehmung Elsers, unten S. 188.9 Hoch/Gruchmann, Georg Elser. Der Attentäter aus dem Volke, S. 47.

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15GEORG ELSER – EIN LEBENSBILD

peinliche Aussagen.«9 Dies macht noch einmal den hohen Infor-mationsgehalt der Gestapo-Vernehmungen deutlich, die auch im Folgenden für die Darstellung des Lebensbildes von Georg Elser herangezogen werden.

Georg Elsers Jugend war hart, oft freudlos. Er musste früh Ver-antwortung für andere übernehmen, die Familienverhältnisse waren konfl iktbelastet. Er berichtete im Verhör darüber: »Mein Vater hat sich in der Landwirtschaft wenig betätigt, er hat zuerst Holz geführt und dann später einen eigenen Holzhandel ange-fangen. Die Hauptlast der Landwirtschaft lag auf meiner Mutter. Ich und meine Geschwister mußten sehr früh im Stall, auf dem Feld und im Haus mithelfen. Ich als der Älteste war auch immer die Kindsmagd für meine jüngeren Geschwister.«10

Ludwig Elser trank und hatte gesundheitliche Probleme, die Familie verarmte: »Nicht jeden Tag, aber oft kam mein Vater sehr spät nach Hause. Soviel ich weiß, war er oft im Wirtshaus. Meine Mutter hat uns Kindern erzählt, daß sie vom Vater oft geschla-gen werde. Gesehen habe ich es allerdings nicht. Ob mein Vater

Georg Elsers Vater Ludwig Elser auf dem Holzlagerplatz in Königsbronn, um 1920.

10 Vernehmung Elsers, unten S. 153.

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