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Schmerzforum 91 1. Ausdrfickliche Feststellung aller im jeweiligen Fall prim/Jr zustfindi- gen Fachgebiete (z.B. Chirurgie, Neurologie, Rheumatologie), dab die derzeit m6gliche Diagnostik abge- schlossen und eine kausale Therapie unm6glich ist. 2. Eine fachpsychiatrische oder fach- psychologische Untersuchung. 3. Eine Dokumentation darfiber, dab alle Verfahren der Schmerztherapie, die mit geringerem Risiko verbunden sind oder bessere Lebensqualitfit ver- sprechen, qualifiziert versucht und nachweislich ausgeschSpft sind. 4. Organisation einer langfristigen Therapiekontrolle in Zusammenar- beit mit dem Hausarzt (z.B. regelm/i- Bige Urinkontrolle) und wiederholte interdisziplin/ire Nachprfifung der kausalen Behandelbarkeit. Eine schmerztherapeutische Quali- t~itskontrolle ist Voraussetzung ffir Punkt 3. Auch diese Bedingung ist bislang kaum gew/ihrleistet und wird im Editorial nicht angesprochen, ob- wohl sie angesichts der zunehmenden Verbreitung schmerztherapeutischer Aktivit/iten immer wichtiger wird. Wir mSchten daher zur Diskussion stellen, ob nicht zun/ichst in einer multizentrischen Studie ausreichende Daten zur Opiattherapie nichttumor- bedingter Schmerzen gesammelt wer- den sollten, bevor diese Behandlung auBerhalb von Zentren mit multidis- ziplin/irer Therapiefiberwachung empfohlen werden kann. Denn die Morphinbehandlung bei chronisch Kranken wirft noch weitere Proble- me auf, auf die an dieser Stelle nur stichwortartig eingegangen werden kann. So ist der Anteil yon Patienten, die schon vorher polytoxikoman sind, h6her als bei Malignompatien- ten (nach eigenen Untersuchungen 5-25%). Auch bei Letzteren sehen wir hfiufiger als friiher Morphininto- xikationen, vor allem durch Kombi- nationen mit Psychopharmaka. Die an sich erfreulich wachsende Verbrei- tung der Opiattherapie hat anderseits auch die Komplikationsrate erhSht. Dazu geh6rt bei benignen Schmerz- ursachen nicht zuletzt das Problem der Abhfingigkeit. Dabei ist weniger ein Morphinismus alter Ausprfigung zu beffirchten, denn heute existieren potentere Mittel zur Euphorisierung als ausgerechnet Morphin-retard-Ta- bletten. Aber eine Verst~irkung schfidlicher Verhaltensstrategien, z.B. bei Patienten mit Rficken- schmerzen ist leicht vorsteUbar, wenn deren Abkehr von einer passiv-kon- sumierenden Lebensform durch Morphin behindert wird. Natfirlich ist es zu begrfiBen, wenn man wie in dem fraglichen Editorial der Tabuisierung der Morphinan- wendung bei benignen Schmerzursa- chen entgegenwirkt, aber an die Stelle der alten Vorbehalte sollte nicht die vorerst unbewiesene Be- hauptung der Unbedenklichkeit tre- ten. Literatur 1. Arner S, Meyerson BA (1988) Lack of analgesic effect of opioids on neuropathic and idiopathic forms of pain. Pain 33 : 11-23 2, Maier Ch, Wawersik J, Wulf H, Zick G (1990) Die medikamentSse Behandlung von Tumorschmerzen in einer anfisthesio- logischen Schmerzsprechstunde. Schles- wig-Hoist. Arzteblatt 7:38 45 3. Zenz M, Strumpf M, Willweber-Strump A (1990) Orale Opiattherapie bei Patien- ten mit ,,nicht-malignen" Schmerzen. Schmerz 4:14-21 4. Zimmermann M (1990) Opioide fiir nicht tumorbedingte chronische Schmerzen? Schmerz 4:121-122 Dr. Ch. Maier Schmerzambulanz der Abteilung An/isthesiologie Klinikum der CAU Schwanenweg 21 W-2300 Kiel 1 Bundesrepublik Deutschland Erwiderung zu den vorstehenden Leserbriefen von D. Zech, Ch. Maier und J. Hildebrandt M. Zenz, M. Strumpf und A. Willweber-Strumpf Universit/itsklinik fiir Anfisthesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie, Bergrnannsheil, Bochum Die beiden Leserbriefe von Maier u. Hildebrandt [6] sowie yon Zech [10] beziehen sich auf das Editorial von Zimmermann [12], dem ein Beitrag fiber ,,nichtmaligne" Schmerzen von uns zugrunde lag [11]. Daher auch yon unserer Seite eine Stellung- nahme. s/itze in der klinischen Praxis zu dem bereits Geschriebenen erkennen. Es wurden aber einige Punkte besonders hervorgehoben, die beim Leser ein ungutes Gefiihl hinterlassen und da- mit den Eindruck erwecken kSnnten, dab die dargestellte Therapie be- denklich sei. Zun~ichst mug man feststellen, dab beide Leserbriefe inhaltlich mit unse- rein Beitrag voll iibereinstimmen. Je- denfalls k6nnen wir keine Gegen- Neuropathische Schmerzen In unserem Beitrag hieB es: ,,Die vor- liegenden Ergebnisse schlieBen nicht aus, dab Opioide auch bei neuro- pathischen Schmerzen wirksam sein k6nnen". Maier u. Hildebrandt stellen dies in Zweifel. Sie zitieren einen Artikel von Arn6r u. Meyer- son als Beleg fiir die schlechte Empfindlichkeit neuropathischer Schmerzen gegeniiber Opioiden [1]. Maier u. Hildebrandt versehweigen, daB dieser Beitrag von einem Leserbrief in Frage gestellt wurde [3] und dab die Autoren in Erwiderung darauf vorsichtig relativiert haben [2]. Immerhin hat der Artikel eine massive Behauptung im Titel, die sich aber lediglich auf 11 Patien- ten stiitzt und schlecht dokumentiert ist. Fields charakterisiert die Ergeb- nisse als ,,flimsy evidence" - dfinner Nachweis. Dem schlieBen wir uns an. Der Schmerz (1991) 5:91-94 Springer-Verlag 1991

Erwiderung zu den vorstehenden Leserbriefen von D. Zech, Ch. Maier und J. Hildebrandt

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Page 1: Erwiderung zu den vorstehenden Leserbriefen von D. Zech, Ch. Maier und J. Hildebrandt

Schmerzforum 91

1. Ausdrfickliche Feststellung aller im jeweiligen Fall prim/Jr zustfindi- gen Fachgebiete (z.B. Chirurgie, Neurologie, Rheumatologie), dab die derzeit m6gliche Diagnostik abge- schlossen und eine kausale Therapie unm6glich ist.

2. Eine fachpsychiatrische oder fach- psychologische Untersuchung.

3. Eine Dokumentat ion darfiber, dab alle Verfahren der Schmerztherapie, die mit geringerem Risiko verbunden sind oder bessere Lebensqualitfit ver- sprechen, qualifiziert versucht und nachweislich ausgeschSpft sind.

4. Organisation einer langfristigen Therapiekontrolle in Zusammenar- beit mit dem Hausarzt (z.B. regelm/i- Bige Urinkontrolle) und wiederholte interdisziplin/ire Nachprfifung der kausalen Behandelbarkeit.

Eine schmerztherapeutische Quali- t~itskontrolle ist Voraussetzung ffir Punkt 3. Auch diese Bedingung ist bislang kaum gew/ihrleistet und wird im Editorial nicht angesprochen, ob- wohl sie angesichts der zunehmenden Verbreitung schmerztherapeutischer Aktivit/iten immer wichtiger wird.

Wir mSchten daher zur Diskussion stellen, ob nicht zun/ichst in einer multizentrischen Studie ausreichende

Daten zur Opiattherapie nichttumor- bedingter Schmerzen gesammelt wer- den sollten, bevor diese Behandlung auBerhalb von Zentren mit multidis- ziplin/irer Therapiefiberwachung empfohlen werden kann. Denn die Morphinbehandlung bei chronisch Kranken wirft noch weitere Proble- me auf, auf die an dieser Stelle nur stichwortartig eingegangen werden kann. So ist der Anteil yon Patienten, die schon vorher polytoxikoman sind, h6her als bei Malignompatien- ten (nach eigenen Untersuchungen 5-25%). Auch bei Letzteren sehen wir hfiufiger als friiher Morphininto- xikationen, vor allem durch Kombi- nationen mit Psychopharmaka. Die an sich erfreulich wachsende Verbrei- tung der Opiattherapie hat anderseits auch die Komplikationsrate erhSht. Dazu geh6rt bei benignen Schmerz- ursachen nicht zuletzt das Problem der Abhfingigkeit. Dabei ist weniger ein Morphinismus alter Ausprfigung zu beffirchten, denn heute existieren potentere Mittel zur Euphorisierung als ausgerechnet Morphin-retard-Ta- bletten. Aber eine Verst~irkung schfidlicher Verhaltensstrategien, z.B. bei Patienten mit Rficken- schmerzen ist leicht vorsteUbar, wenn deren Abkehr von einer passiv-kon- sumierenden Lebensform durch Morphin behindert wird.

Natfirlich ist es zu begrfiBen, wenn man wie in dem fraglichen Editorial der Tabuisierung der Morphinan- wendung bei benignen Schmerzursa- chen entgegenwirkt, aber an die Stelle der alten Vorbehalte sollte nicht die vorerst unbewiesene Be- hauptung der Unbedenklichkeit tre- ten.

Literatur

1. Arner S, Meyerson BA (1988) Lack of analgesic effect of opioids on neuropathic and idiopathic forms of pain. Pain 33 : 11-23

2, Maier Ch, Wawersik J, Wulf H, Zick G (1990) Die medikamentSse Behandlung von Tumorschmerzen in einer anfisthesio- logischen Schmerzsprechstunde. Schles- wig-Hoist. Arzteblatt 7:38 45

3. Zenz M, Strumpf M, Willweber-Strump A (1990) Orale Opiattherapie bei Patien- ten mit ,,nicht-malignen" Schmerzen. Schmerz 4:14-21

4. Zimmermann M (1990) Opioide fiir nicht tumorbedingte chronische Schmerzen? Schmerz 4:121-122

Dr. Ch. Maier Schmerzambulanz der Abteilung An/isthesiologie Klinikum der CAU Schwanenweg 21 W-2300 Kiel 1 Bundesrepublik Deutschland

Erwiderung zu den vorstehenden Leserbriefen von D. Zech, Ch. Maier und J. Hildebrandt M. Zenz, M. S t r umpf und A. Wi l lweber -S t rumpf Universit/itsklinik fiir Anfisthesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie, Bergrnannsheil, Bochum

Die beiden Leserbriefe von Maier u. Hildebrandt [6] sowie yon Zech [10] beziehen sich auf das Editorial von Zimmermann [12], dem ein Beitrag fiber ,,nichtmaligne" Schmerzen von uns zugrunde lag [11]. Daher auch yon unserer Seite eine Stellung- nahme.

s/itze in der klinischen Praxis zu dem bereits Geschriebenen erkennen. Es wurden aber einige Punkte besonders hervorgehoben, die beim Leser ein ungutes Gefiihl hinterlassen und da- mit den Eindruck erwecken kSnnten, dab die dargestellte Therapie be- denklich sei.

Zun~ichst mug man feststellen, dab beide Leserbriefe inhaltlich mit unse- rein Beitrag voll iibereinstimmen. Je- denfalls k6nnen wir keine Gegen-

Neuropathische Schmerzen In unserem Beitrag hieB es: ,,Die vor- liegenden Ergebnisse schlieBen nicht

aus, dab Opioide auch bei neuro- pathischen Schmerzen wirksam sein k6nnen". Maier u. Hildebrandt stellen dies in Zweifel. Sie zitieren einen Artikel von Arn6r u. Meyer- son als Beleg fiir die schlechte Empfindlichkeit neuropathischer Schmerzen gegeniiber Opioiden [1]. Maier u. Hildebrandt versehweigen, daB dieser Beitrag von einem Leserbrief in Frage gestellt wurde [3] und dab die Autoren in Erwiderung darauf vorsichtig relativiert haben [2]. Immerhin hat der Artikel eine massive Behauptung im Titel, die sich aber lediglich auf 11 Patien- ten stiitzt und schlecht dokumentiert ist. Fields charakterisiert die Ergeb- nisse als ,,flimsy evidence" - dfinner Nachweis. Dem schlieBen wir uns an.

Der Schmerz (1991) 5:91-94 �9 Springer-Verlag 1991

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92 Schmerzforura

Einer wesentlich h/irteren Prfifung h/ilt die neuerliche Studie von Porte- noy et al. [8] stand. Diese Arbeit hat bei 21 von 28 Patienten mit neuropa- thischen Schmerzen eine Opioidwirk- samkeit nachgewiesen. Die Autoren kommen zu dem SchluB, dab es un- gl/icklich sei, die Diskussion fiber Opioidwirksamkeit als quantitatives Ph/inomen und beschr~inkt auf die Pathophysiologie zu sehen. Bei einem Saldo aus den Ergebnissen von Por- tenoy et al. und unseren Ergebnissen kann die Aussage yon Arn6r u. Meyerson nicht mehr als haltbar be- trachtet werden.

Die im Leserbrief zitierte eigene Arbeit von Maier et al. [7] kann auf jeden Fall nicht als Gegenbeweis her- angezogen werden. Immerhin hatten 11 von 24 Patienten eine gute Lang- zeitwirkung bei ,,Tumorinfiltration in Nervenstrukturen" was wohl dem neuropathischen Schmerz entspre- chen kfnnte. Nur 3 von 27 Patienten waren auf Opioide nicht schmerzfrei. Die 10 ,,sekund/iren Therapieversa- ger" k6nnen auch auf eine Tumor- progression zurfickzuffihren sein. Der kasuistische Charakter der Arbeit l~iBt andere Schlfisse nicht mit Sicherheit zu. Aufjeden Fall mfissen die 11 erfolgreichen Langzeitbehand- lungen unter den genannten harten Kriterien als auBergew6hnlicher Therapieerfolg bei neuropathischem Schmerz angesehen werden. Der von Maier u. Hildebrandt angenommene hrhere Opioidbedarf bei neuropa- thischen Schmerzen kann von uns an einer grrBeren Fallzahl nicht best/i- tigt werden. Bei inzwischen 100 Pa- tienten lag die eingesetzte Dosis bei den 3 Opioiden Dihydrocodein, Bu- prenorphin und Morphin jeweils niedriger bei neuropathischen Schmerzen als bei den anderen Schmerzbildern.

Wir wiederholen also: Eine Wirk- samkeit von Opioiden bei neuropa- thischen Schmerzen ist nicht ausge- schlossen. Wir fiigen hinzu: Die Hin- weise mehren sich, dab neuropathi- sche und Deafferentierungsschmer- zen wohl doch eine Opioidempfind- lichkeit sowohl bei intrathekaler [9] als auch bei oraler Gabe [8] aufwei- sen.

Therapierefraktdr

Unsere Definition von ,,therapiere- fraktiir" findet sich ausffihrlich in der Originalarbeit und bedarf eigentlich wohl keiner weiteren Erl/iuterung. Auch die 2 Kasuistiken belegen den ,,Standard der Vorbehandlung". Zu der 2. Kasuistik kann noch erg/inzt werden, dab 3 Herzinfarkte in der Anamnese und isch/imische Schmer- zen in allen Extremit/iten sowie im Thorax und Abdomen bestanden. Dieser Patient wird jetzt von uns fiber 41 Monate mit Opioiden behan- delt. Wir wiirden gerne von Maier u. Hildebrandt einen alternativen The- rapievorschlag zum ,,Standard der Behandlung" erhalten, zumal prak- tisch alles am K6rper, was von Gef'~i- Ben versorgt ist, langsam faulig ne- krotisiert.

Bezogen auf unsere Arbeit kann nicht nachvollzogen werden, woher sich die ,,Inflation" der therapiere- frakt~iren F~ille rekrutieren sollte.

Fachpsychiatrische Untersuchung

Die Forderung nach einer fachpsy- chiatrischen Untersuchung als Teil einer Minimalforderung fiir die Be- handlung mit Opioiden muB z.B. ffir die dargestellten Kasuistiken nicht nur als un/irztlich, sondern auch als unmenschlich verurteilt werden. Hier wfirde wissenschaftliche Exaktheit den Vorwand bilden ffir Zynismus, um es milde auszudrficken.

Jeder Patient mit chronischem Schmerz weist mehr oder weniger psychische Symptome auf, die jedoch nicht als Ursache der Schmerzen son- dern als Folge der Schmerzen auftre- ten k6nnen; d.h. chronischer Schmerz muB als multfaktorielles Geschehen aufgefaBt werden [4]. Na- tfirlich sollten Opioide in der Thera- pie chronischer Schmerzen nur ein- gesetzt werden, wenn die Schmerzen durch ein somatisches Korrelat hin- reichend erkl/irbar sind. Auf der an- deren Seite darf man Patienten si- cherlich nicht eine suffiziente Schmerztherapie verweigern, nur weil sie aufgrund der Schmerzen z.B.

unter Depressionen, Hilflosigkeit oder Inaktivit/it leiden.

Regelmiiflige Urinkontrolle

Wenn wir als erfahrene Schmerzthe- rapeuten weiterhin Opioide in einer Tabuzone belassen wollen, so ist diese Forderung berechtigt. Anson- sten wiirde sie nur den Eindruck er- wecken, dab wir unserer eigenen Therapie und den Patienten gegen- fiber MiBtrauen hegen.

Problem Abhdngigkeit

Unter den geforderten wissenschaft- lichen Kriterien sehen wir weder in dem Brief von Maier u. Hildebrandt noch in der Literatur einen Hinweis auf eine erh6hte Komplikationsrate im Sinne von Abh/ingigkeit. Wir soil- ten daher gemeinsam ein Argumen- tieren mit diesen Schlagworten ver- meiden, um nicht, wie es das Edito- rial hervorhebt, weiter Vorurteilen Vorschub zu leisten.

Morphinin toxikation

Auch dieses Stichwort weckt (unnot- wendig) erneut alte Vorurteile. Auf die Beziehung zu Psychopharmaka wurde in unserer Arbeit eindeutig und ganz im Sinne von Maier u. Hil- debrandt eingegangen. Wir k6nnen ergiinzen, daB vor Opioidtherapie 63 Patienten Antidepressiva oder Neuroleptika, 42 Patienten analgeti- sche Mischpr/iparate und 40 Patien- ten Benzodiazepine erhielten, unter Opioidtherapie wurde eine Therapie mit Antidepressiva oder Neurolep- tika lediglich bei 23 Patienten fortge- ffihrt, dies aber jetzt unter einer spe- ziellen Indikation z.B. zur unterstfit- zenden Therapie bei dys/isthetischen Schmerzen. Analgetische Mischpr/i- parate und Benzodiazepine wurden in keinem Fall mehr verabreicht.

Passiv-konsumierende Lebensform

73% unserer Patienten erhielten ein physiotherapeutisches Training.

Page 3: Erwiderung zu den vorstehenden Leserbriefen von D. Zech, Ch. Maier und J. Hildebrandt

S c h m e r z f o r u m 93

Durch Morphin ist deren Abkehr von einer ,,passiv-konsumierenden Lebensform" nicht behindert, son- dern im Gegenteil unterstiitzt wor- den. Dasselbe kommt auch in der Steigerung des Karnofsky-Index zum Ausdruck und wird ebenfalls in der Arbeit von Winkelmfiller [9] belegt. Es wird auch hier ein Vorurteil sug- geriert, das wir bekanntermaBen auf das Entschiedenste und mit einer ganzen Reihe von Studien seit vielen Jahren bek/impfen. Wir ersparen uns an dieser Stelle Hinweise auf die ei- gene Literatur.

Die Bemerkungen von Zech werfen konkrete Fragen auf, die wir gerne beantworten.

Wann liegen therapie- resistente Schmerzen vor, und wer darf Therapieresistenz feststellen ?

Es ist in der Arbeit klar beschrieben, was EinschluBkriterien fiir eine Opioidtherapie und damit Feststel- lung der Therapieresistenz war. Selbstverst/indlich mfissen alle eta- blierten, alle weniger invasiven, alle nebenwirkungsarmen, alle kausalen Therapieformen vor einer Opioidthe- rapie durchgeffihrt werden. Auf der anderen Seite muB sehr sorgfgltig ab- gewogen werden, dab von dieser Re- gel nicht zu konsequent Gebrauch gemacht wird. Die 1. Kasuistik zeigt ein solches Beispiel. Jede scheinbar kausal angreifende Exhairese der Nerven fiihrte lediglich zu einer wei- teren Verschlimmerung der Sympto- matik.

Wenn aber die Therapieresistenz zu- n~ichst von einer anerkannten Schmerzambulanz, der alle Therapie- rn6glichkeiten und Nachbardiszipli- nen offenstehen, festgestellt wird, ist eine groBe Sicherheit erreicht, dab Opioide nicht da verabreicht werden, wo Aspirin oder eine Sympathikus- blockade besser geholfen h/itte. In diesem Punkt stimmen wir mit Zech fiberein, auch in der Feststellung, dab es noch zu wenig Schmerzambu- lanzen gibt.

Eine Opioidtherapie bei ,,nichtmali- gnen" Schmerzen sollte durch eine

Schmerzambulanz eingeleitet und zu- sammen mit dem Hausarzt lfingerfri- stig fiberwacht werden. Wir wfirden im augenblicklichen Stadium/ihnlich wie Zech eine andere Vorgehensweise fiir bedenklich halten, da noch zu we- nig allgemeine Erfahrung mit einer solchen Therapie besteht. Wir erhof- fen uns aber, dab im Laufe der Zeit eine solche Therapie so selbstver- st~indlich beherrscht wird, dab diese Einschr/inkung berechtigt aufgege- ben werden kann. Eine fundierte Ausbildung in Schmerztherapie ist allerdings eine wesentliche Voraus- setzung dazu. Von 1993 an wird ,,Schmerztherapie" im Staatsexamen geprfift, und davon erhoffen wir uns einen wesentlichen AnstoB zu mehr Wissen und vor allem zu mehr quali- fizierter Therapie.

Unbewiesene Behauptung der Unbedenklichkeit

Zimmermann spricht in seinem Edi- torial von einer alten Suchtangst, die zugunsten einer verbesserten Versor- gung chronisch Schmerzkranker iiberwunden werden sollte. Damit ist weder eine Unbedenklichkeit be- scheinigt, noch ist das Problem baga- tellisiert. Wit sollten hier nicht ein Bemfihen in Frage stellen, das zu den prim/iren /irztlichen Aufgaben ge- h6rt: Schmerzen unter Abw/igung al- ler Alternativen und Risiken zu be- seitigen. Vor allem sollten wir ver- meiden, uns von AuBenstehenden an unsere Pflichten erinnern zu lassen, die vielleicht von eigenen Angsten mehr bestimmt ist als von der Not- wendigkeit zu helfen. Kardinal A. Luciani, der sp~itere Papst, hat uns ,~rzte unmiBverst/indlich darauf hin- gewiesen, dab eine Schmerztherapie auch unter Inkaufnahme von be- schriebenen Risiken zu erfolgen hat [5]. Wir dfirfen einem Patienten nicht eine wirksame Schmerztherapie vor- enthalten, nur weft wir Angst vor m6glichen Nebenwirkungen haben. In diesem Sinne haben wir unseren Beitrag verstanden. Er weist darauf hin, dab eine Opioidtherapie auch dann berechtigt ist, wenn keine mali- gne Erkrankung vorliegt, und wenn alle therapeutischen Alternativen

ausgesch6pft sind. Im iibrigen han- delt es sich nicht um ,,kleine Fallzah- len" [6], sondern um die bisher welt- weit umfangreichste Langzeitstudie zur Opioidtherapie bei ,,nichtmali- gnen" Schmerzen. DaB es dennoch , ,nur" 70 Patienten waren, zeigt le- diglich, wie sorgf/iltig wir mit der In- dikation dazu umgegangen sind.

Die Kontroverse im inter- nationalen Vergleich

Wir haben neuere Ergebnisse zu demselben Thema dem British Medi- cal Journal zur Publikation vorge- legt. Zur Bewertung dieser Therapie in Deutschland ist die Stellungnahme des englischen Gutachters bei Ableh- nung des Manuskriptes interessant. Der Gutachter hat keine metho- dischen oder wissenschaftlichen Ein- w/inde. Aber er schreibt: ,,Es ist nichts Originelles in der Arbeit. Die Therapie mit Opioiden bei Patienten mit chronischen Nichttumorschmer- zen ist weitgehend akzeptiert bei Schmerztherapeuten im Vereinten K6nigreich."

Literatur

1. Arn6r S, Meyerson BA (1988) Lack of analgesic effect of opioids on neu- ropathic and idiopathic forms of pain. Pain 33 : 11

2. Arn6r S, Meyerson BA (1988) Reply to H.L. Fields on "Can opiates relieve neu- ropathic pain?" Pain 35:366

3. Fields HL (1988) Can opiates relieve neuropathic pain? Pain 35:365

4. Fordyce WE, Steger JC (1982) Chro- nischer Schrnerz. In: Keeser W, P6ppel E, Mitterhusen P (Hrsg) Schmerz, Ur- ban & Schwarzenberg

5. Luciani A (1979) Remarks by Cardinal Albino Luciani. In: Bonica J J, Venta- fridda V (eds) Advances in pain research and therapy, Vol 2. Raven, p 27

6. Maier Ch, Hildebrandt J (1991) Leser- brief zu M. Zimmermann: Editorial ,,Opioide fiir nicht tumorbedingte chro- nische Schmerzen?" Der Schmerz 5:90-91

7. Maier Ch, Wawersik J, Wulf H, Zick G (1990) Die medikament6se Behand-

Page 4: Erwiderung zu den vorstehenden Leserbriefen von D. Zech, Ch. Maier und J. Hildebrandt

94 Schmerzforurn

lung von Tumorschmerzen in einer aniis- thesiologischen Schmerzsprechstunde. Schleswig-Holsteinisches .g, rzteblatt 7 : 38

8. Portenoy RK, Foley KM (1986) Chron- ic use of opioid analgesics in non-malig- nant pain: Report of 38 cases. Pain 25:171

9. Winkelmfiller M, Winkelmiiller W (1991) Intrathekale Opiattherapie bei chronischen Schmerzsyndromen beni- gner Xtiologie fiber implantierbare

Medikamentenpumpen. Der Schmerz 5:28

I0. Zech D (1991) Leserbrief zu M. Zimmer- mann: Editorial ,,Opioide ffir nicht tu- morbedingte chronische Schmerzen?" Der Schmerz 5 : 89-90

II. Zenz M, Strumpf M, Willweber- Strumpf A (1990) Orale Opiattherapie bei Patienten mit ,,nicht-malignen" Schmerzen. Der Schmerz 4:14

12. Zimmermann M (1990) Opioide ffir

nicht tumorbedingte Schmerzen? Der Schmerz 4:121

Profi Dr. M. Zenz Universitfitsklinik ffir Anfisthesiologie Intensiv- und Schmerztherapie Bergmannsheil GilsingstraBe 14 W-4630 Bochum Bundesrepublik Deutschland

FOr und Wider Anmerkungen zur Arbeit von I. Kiss und B. Simini

Spinalanfisthesie als Komplikation nach Ganglion stellatum Blockade Der Schmerz (1990) H. Wulf , M. Gle im und Abteilung fiir An/isthesiologie

4:214-215 Ch. Maie r im Klinikum der Christian-Albrechts-Universitfit Kiel

Im o.g. Fallbericht wird fiber einen Patienten mit schwierigen anato- mischen Voraussetzungen zur Durchffihrung einer Blockade des Ggl. stellatum berichtet, bei dem eine wiederholte Bestrahlungstherapie die palpatorische Orientierung erschwert hatte. Daher nutzten die Autoren statt des fiblichen anterioren Zu- gangs den sogenannten posterioren Zugang ffir die Blockade. Es kam hierbei zu einer partiellen subarach- noidalen Injektion des Lokalanfisthe- t ikums mit konsekutiver hoher Spi- nalanfisthesie.

Wir wfirden auch bei solchen Pro- blemffillen den sichereren anterioren Zugang unter Verwendung eines Bildwandlers (C-Bogen) empfehlen. Hierbei kann der Querfortsatz des VI. H W K zur Punktion radiologisch gut lokalisiert werden, ein potentiell geffihrliches Vorbeigleiten am Fort- satz oder Wirbelgelenk ist sicher ver- meidbar. Die korrekte Position kann zusfitzlich durch Injektion von R6nt- genkontrastmittel (z.B. Solutrast 250 M) verifiziert werden (Abb. 1). Dieses Vorgehen eignet sich auch ffir Patienten mit eingeschrfinktem Re- klinationsverm6gen (Mb. Bechterew,

Z.n. Neck dissection u.a.), wo zudem unter Durchleuchtung ein sicherer Abstand v o n d e r Pleurakuppe gehal- ten werden kann. Ist bei solchen Pro- blempatienten eine Serie von Blocka- den geplant, kann auch ein Katheter zur kontinuierlichen Applikat ion yon Lokalanfisthetika mit der glei- chen Technik unter R6ntgenkon- trolle plaziert werden.

Beim posterioren Zugang ist prinzi- piell eine Geffil3- oder Durapunkt ion schwerer vermeidbar, da die Kanfile in die Richtung eben dieser Struktu- ren vorgeschoben wird. In dem Stan- dardlehrbuch von Cousins u. Briden- baugh [1] wird diese Technik auch

nicht mehr beschrieben. Aus dem gleichen Grund wird beim Interskale- nusblock eine , ,paratracheale", d.h. mediokaudale Punktionsrichtung empfohlen. Man sollte daher den an- terioren Zugang auch bei Problem- f'fillen z.B. mit der oben beschriebe- nen Technik versuchen, statt auf , ,Blindpunktionen" mit ungewohn- tem Zugang auszuweichen.

Hinsichtlich der Konsequenzen ist den Autoren v611ig zuzustimmen. Unabh~ingig yon der Technik sind z.T. lebensbedrohliche Komplikat io- nen m6glich. Auch im eigenen Tfitig- keitsbereich traten eine Spinalanfis- thesie und ein Krampfanfa l l u n t e r fiblicher anteriorer Technik (ohne ra- diologische Kontrolle) auf [2]. Bei einer 1990 durchgefiihrten Umfrage wurden uns 37 auswertbare Frageb6- gen von Schmerzambulanzen zu- riickgesandt. Aus den Antworten er- gab sich ffir 39 500 Stellatumblocka- den folgende Inzidenz behandlungs- bedfirftiger Kompl ikat ionen:

o Spinalanfisthesie 0,15%o o Krampfanfgl le 0,78%0 o sonstige zentralnerv6se

Nebenwirkungen 2,89%o o Pneumothorax 0,23%0 o allergische Reaktionen 0,05%o

Abb. 1. Ausbreitung yon 2,5 ml Kontrast- mittel (Solutrast 250 M) nach Plazierung eines Katheters zur kontinu- ierlichen Blockade des Ggl. stellatum (links a- p und rechts seitlicher Strahlengang)

Der Schmerz (1991) 5:94-95 �9 Springer-Verlag 1991