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Klin. Wochenschr. 56, 1019-1027 (1978) Klinische Wochen- schrift ~ Springer-Verlag 1978 Erythropoetin (ESF) im Serum und Ham bei chronisch Nierenkranken und Gesunden unter hypoxischer Stimulation und hypoxischer Stimulation nach Androgengabe (Fluoxymesteron) ~ E. Schulz, H.A. Dickmans und D. Heesen Medizinische Universitfits-Poliklinik und Medizinische Klinik K61n-Merheim (Direktor: Prof. Dr.W. Kaufmann) und Medizinische Klinik I KStn-Merheim (Chefarzt : Prof. Dr. E. Renner) Erythropoietin in Serum and Urine in Healthy Persons and Patients with Chronic Renal Disease Upon Hypoxic Stimulation and Hypoxic Stimulation after Pretreatment with Fluoxymesterone Summary. The question of a latent erythropoietin (ESF)-deficiency was studied in incipient renal anemia using a double stimulation technique for ESF. After a 4-week stimulation of ESF production with oral administration of fluoxymesterone (flu) intermittent hypoxic ESF stimulation was performed correspond- ing to a maximum altitude of 4000 m in 7 patients with chronic renal disease without or with incipient renal anemia (mean hematocrit 40%) and in 11 nor- mal subjects (mean hematocrit 46%). Double stimula- tion in patients was compared with hypoxic stimula- tion alone and both were compared with controls. After flu alone only ESF excretion was increased in patients and in normal subjects. After flu plus 10 h of hypoxia serum ESF-titers were higher in healthy subjects than in the patients. The mean ESF titer after double stimulation was 81 mU/ml in pa- tients and 115 mU/ml in normal persons. Forty-eight hour ESF excretion was 11 U and 43 U respectively. Compared to hypoxic stimulation alone double stimu- lation increased serum ESF titers in patients by 5% versus 80% in controls. Correspondingly, ESF excre- tion was enhanced by 19% and 49%, respectively. Finally, renal ESF clearance was increased by 42% versus 200%. After hypoxia alone non-anemic pa- tients had higher serum ESF titers than healthy con- trols excluding a latent ESF deficiency in incipient renal anemia. It is concluded that decreased ESF pro- duction after double stimulation in patients was due to a nephrotoxic effect of flu followed by a decreased * Mit Unterst/itzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, SFB KSln Sonderdruckanfragen an: Prof. Dr. E. Schulz (Adresse s. nach Lit.) excretory and ESF-producing function of the damaged kidneys. Key words: Erythropoietin - Renal insufficiency - Hypoxia - Fluoxymesterone. Zusammenfassung. Die Frage nach einem latenten Erythropoetinmangel zu Beginn der Entwicklung der renalen An/imie wurde mit einem Doppelstimulations- verfahren yon Erythropoetin (ESF) untersucht. Nach vierw6chiger oraler ESF-Stimulation mit Fluoxyme- steron erfolgte bei 7 chronisch Nierenkranken mit fehlender oder beginnender renaler An~mie (durch- schnittticher H/imatokrit 40%) und bei 11 mS.nnlichen oder weiblichen gesunden Kontrollpersonen (durch- schnittlicher H~matokrit 46%) eine intermittierende hypoxische ESF-Stimulation bei maximal 4000 m si- mulierter HShe. Die Patienten unter der Doppelsti- mulation wurden sowohl mit den nierengesunden Kontrollen als auch mit sich selbst unter alleiniger hypoxischer Stimulation verglichen. Nach Fluoxymesteron allein nahm nur die ESF- Exkretion in beiden Gruppen zu. 10 h nach Hypoxie- beginn zeigten die Gesunden h6here ESF-Konzentra- tionen gegentiber den Patienten. Die mittlere Serum- ESF-Konzentration betrug unter der Doppelstimula- tion bei den Patienten 81 und bei den Gesunden 115 mE/ml, die 48 h-ESF-Exkretion bei den Patien- ten 11 und bei den Gesunden 43 E. Im Vergleich zur alleinigen hypoxischen Stimulation stieg unter der Doppelstimulation die Serum-ESF-Konzentration bei den Patienten nur um 5%, bei den gesunden Kontrol- len um 80%, die ESF-Exkretion bei den Patienten um 19%, bei den Gesunden um 490% und die renale Erythropoetin-Clearance bei den Patienten um 42% und bei den nierengesunden Versuchspersonen um 200% an. Diese verminderte ESF-Produktion ist je- doch auf einen nephrotoxischen Effekt yon Fuoxym- esteron mit passager verminderter exkrotorischer und

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Klin. Wochenschr. 56, 1019-1027 (1978) Klinische Wochen-

schrift ~ Springer-Verlag 1978

Erythropoetin (ESF) im Serum und Ham bei chronisch Nierenkranken und Gesunden unter hypoxischer Stimulation und hypoxischer Stimulation nach Androgengabe (Fluoxymesteron) ~

E. Schulz, H.A. Dickmans und D. Heesen Medizinische Universitfits-Poliklinik und Medizinische Klinik K61n-Merheim (Direktor: Prof. Dr.W. Kaufmann) und Medizinische Klinik I KStn-Merheim (Chefarzt : Prof. Dr. E. Renner)

Erythropoietin in Serum and Urine in Healthy Persons and Patients with Chronic Renal Disease Upon Hypoxic Stimulation and Hypoxic Stimulation after Pretreatment with Fluoxymesterone

Summary. The question of a latent erythropoietin (ESF)-deficiency was studied in incipient renal anemia using a double stimulation technique for ESF. After a 4-week stimulation of ESF production with oral administration of fluoxymesterone (flu) intermittent hypoxic ESF stimulation was performed correspond- ing to a maximum altitude of 4000 m in 7 patients with chronic renal disease without or with incipient renal anemia (mean hematocrit 40%) and in 11 nor- mal subjects (mean hematocrit 46%). Double stimula- tion in patients was compared with hypoxic stimula- tion alone and both were compared with controls.

After flu alone only ESF excretion was increased in patients and in normal subjects. After flu plus 10 h of hypoxia serum ESF- t i te rs were higher in healthy subjects than in the patients. The mean ESF titer after double stimulation was 81 mU/ml in pa- tients and 115 mU/ml in normal persons. Forty-eight hour ESF excretion was 11 U and 43 U respectively. Compared to hypoxic stimulation alone double stimu- lation increased serum ESF titers in patients by 5% versus 80% in controls. Correspondingly, ESF excre- tion was enhanced by 19% and 49%, respectively. Finally, renal ESF clearance was increased by 42% versus 200%. After hypoxia alone non-anemic pa- tients had higher serum ESF titers than healthy con- trols excluding a latent ESF deficiency in incipient renal anemia. It is concluded that decreased ESF pro- duction after double stimulation in patients was due to a nephrotoxic effect of flu followed by a decreased

* Mit Unterst/itzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, SFB KSln Sonderdruckanfragen an: Prof. Dr. E. Schulz (Adresse s. nach Lit.)

excretory and ESF-producing function of the damaged kidneys.

Key words: Erythropoietin - Renal insufficiency - Hypoxia - Fluoxymesterone.

Zusammenfassung. Die Frage nach einem latenten Erythropoetinmangel zu Beginn der Entwicklung der renalen An/imie wurde mit einem Doppelstimulations- verfahren yon Erythropoetin (ESF) untersucht. Nach vierw6chiger oraler ESF-Stimulation mit Fluoxyme- steron erfolgte bei 7 chronisch Nierenkranken mit fehlender oder beginnender renaler An~mie (durch- schnittticher H/imatokrit 40%) und bei 11 mS.nnlichen oder weiblichen gesunden Kontrollpersonen (durch- schnittlicher H~matokrit 46%) eine intermittierende hypoxische ESF-Stimulation bei maximal 4000 m si- mulierter HShe. Die Patienten unter der Doppelsti- mulation wurden sowohl mit den nierengesunden Kontrollen als auch mit sich selbst unter alleiniger hypoxischer Stimulation verglichen.

Nach Fluoxymesteron allein nahm nur die ESF- Exkretion in beiden Gruppen zu. 10 h nach Hypoxie- beginn zeigten die Gesunden h6here ESF-Konzentra- tionen gegentiber den Patienten. Die mittlere Serum- ESF-Konzentration betrug unter der Doppelstimula- tion bei den Patienten 81 und bei den Gesunden 115 mE/ml, die 48 h-ESF-Exkretion bei den Patien- ten 11 und bei den Gesunden 43 E. Im Vergleich zur alleinigen hypoxischen Stimulation stieg unter der Doppelstimulation die Serum-ESF-Konzentration bei den Patienten nur um 5%, bei den gesunden Kontrol- len um 80%, die ESF-Exkretion bei den Patienten um 19%, bei den Gesunden um 490% und die renale Erythropoetin-Clearance bei den Patienten um 42% und bei den nierengesunden Versuchspersonen um 200% an. Diese verminderte ESF-Produktion ist je- doch auf einen nephrotoxischen Effekt yon Fuoxym- esteron mit passager verminderter exkrotorischer und

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erythropoetischer Leistung der vorgesch/idigten Niere zurtickzuftihren. In einem weiteren Versuch mit alleiniger hypoxischer Stimulation zeigten n/imlich die nicht anfimischen Patienten sogar h6here Serum-ESF- Konzentrationen im Vergleich zu den Gesunden, so dab ein latenter ESF-Mangel zu Beginn der renalen Anfimie auszuschliegen ist.

Sehliisselwiirter: Erythropoetin - Niereninsuffizienz - Hypoxie - Fluoxymesteron.

Es ist noch unbekannt, ob zu Beginn der Entwicklung der renalen AnS_mie bereits ein latenter Erythropoetin (ESF)-Mangel existiert oder ob Urfimietoxine die Ent- wicklung der Anfimie einleiten. Die Stimulation der ESF-Produktion unter dem im H6henlageversuch beim Menschen vertretbaren Hypoxiereiz ist weit sub- maximal [10]. Bei nierengesunden Versuchspersonen liel3 sich durch eine vierw6chige Androgengabe mit anschliel3ender hypoxischer Stimulation die Serum- ESF-Konzentration um weitere 80% und die ESF- Exkretion um weitere 490% im Vergteich zur alleini- gen hypoxischen Stimulation steigern [7]. Auf der Su- che nach einer m6glichst krfiftigen ESF-Stimulation bot sich die bei Gesunden nachgewiesene Wirkungs- verstfirkung des Hypoxiereizes durch das Androgen Fluoxymesteron zum Nachweis eines evtl. latenten ESF-Mangels bei chronisch Nierenkranken an. Es war zu erwarten, dab mit dieser Doppelstimulation (Androgen- + Hypoxiereiz), in einem h6heren Bereich von ESF-Konzentrationen im Serum und Harn die quantitative Bedeutung eines ESF-Mangels bei chro- nisch Nierenkranken vor bzw. zu Beginn der Entwick- lung der ersten An/imiezeichen geprtift werden konnte. Zur Klfirung der Frage nach dem latenten ESF-Mangel benutzten wir folgenden Reaktionsab- lauf:

ESF-Stimulation (Fluoxymesteron + Hypoxie)- ~Steigerung der ESF-Produktion (ESF im Serum und Harn)~Steigerung der Erythropoese im Kno- chenmark (Plasmaeisenumsatz, Plasmaeisen-Clea- rance, Retikulozyten im peripheren Blut).

Wir verfolgten dabei das Ziel, zunfichst die Ergeb- nisse bei den Patienten mit den Werten der Gesunden zu vergleichen. Dartiber hinaus wurden 7 Nierenpa- tienten unter alleiniger hypoxischer Stimulation er- neut untersucht. Somit k6nnen die Patienten unter den zwei verschiedenen Versuchsbedingungen ver- glichen werden. Unter Berticksichtigung der ge- schlechtsabh/ingigen unterschiedlichen Dosiswir- kungs-Relation erfolgte die ESF-Stimulation mit Fluoxymesteron bei unseren M/innern und Frauen mit unterschiedlichen Dosen [11].

Methode

Patienten

7 m/innliche und 4 weibliche gesunde Versuchspersonen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren sowie 6 mfinnliche and 1 weibliche chro- nisch Nierenkranke im Alter zwischen 21 and 44 Jahren, erhielten fiber 4 Wochen Fluoxymesteron 1 t~iglich in 3 Dosen oral. Die Ta- gesdosis betrug bei den Frauen 10 mg/m z K6rperoberfl/iche (= 15 bis 18 mg/Tag) und bei den Mfinnern 40 mg m z K6rperoberflS, che (=70 bis 90 mg/Tag). Der H/imatokrit lag bei den gesunden Ver- suchspersonen zwischen 43 und 54% (durchschnittlich 46%), der Serum-Kreatininspiegel zwischen 0,8 und 1 mg-% (durchschnittlich 0,9 mg-%) und die endogene Kreatinin-Clearance (CK) zwischen 100 and 140 ml/min (durchschnittlich I29 ml/min).

Grundleiden bei den Patienten waren zweimal eine chronische Pyelonephritis, viermal eine chronische Glomerulonephritis und einmal vaskulfire Schrumpfnieren. Der Hfimatokrit lag bei den Patienten zwischen 35 and 45% (durchschnittlich 40%). Der Se- rum-Kreatininspiegel lag zwischen 1,2 and 3,7 rag-% (durchschnitt- lich 2,6 mg-%) und die endogene Kreatinin-Clearance zwischen 18 und 47 mt/min (durchschnittlieh 36 ml/min). Die Serumproben yon jeweils 26 ml ffir eine ESF-Bestimmung warden zur Untersu- chung sofort auf 20 ° C eingefroren. Zur Bestimmung der ESF- Exkretion vor und unter der Androgenstimulation sammetten die Versuchspersonen den Ham jeweils fiber 48 h u n d wfthrend der Hypoxieversuche 4× fiber t2 h, der ebenfalls eingefroren wurde. Der Harn wurde mittels Visking-Schl/iuchen und die 100 ml SpfiI- fi/issigkeit nach dreimaligem Spfilen der Schl~.uche mittels Ultrafil- tration (UM I0-Membran der Firma Amicon) auf insgesamt 50 ml eingeengt und bei - 2 0 ° C aufbewahrt [8].

Hypoxieversuche (Methodik s. Literaturstelle [7])

Im Anschlul3 an die vierw6chige Androgengabe wurde bei den Gesunden und den Nierenkranken das Verhalten des Erythropoe- tins in Serum und Ham in einer Unterdruckkammer wghrend vier aufeinanderfolgender 10stfindiger Hypoxieperioden untersucht bei einer simulierten H6he yon maximal 4000 m (=462 mm Hg.). Je- der Hypoxieperiode folgte ein zweistfindiger Aufenthalt unter nor- malen atmosph~irischen Bedingungen (=57 m fiber dem Meeres- spiegel). Nur bei einem Patienten (Sp. W., Abb. 3) wurde wegen der bereits bestehenden renalen An~mie (Ery. 3,3 Mill., Hfimatokrit 35%) eine simulierte H6he yon 3000 m nicht fiberschritten. Der Versuch mul3te jedoch nach 16stfindiger Dauer wegen einer thera peutisch nur schwer beeinflugbaren Blutdrackkrise des Patienten abgebrochen werden.

Vor der ersten und nach der vierten Hypoxieperiode bis 5 Tage nach Beendigung des HShenkammerversuchs bestimmten wir t~glich die Retikulozyten (Brillantkresylblaa-Ffirbung, Auszfihlung yon 4000 Ery. bei jedem Retikulozytenwert).

Erythropoetinbestimmung

Die Erythropoetinbestimmung erfotgte mit der posthypoxischen polyglobulen weiblichen NMRI-Maus. Mit Hilfe einer Standard-B- Dosiswirkungskurve wurden die Ergebnisse in tnternationalen Ein- heiten ausgedrfickt [9].

Plasmaeisenturnover (PIT), Plasmaeisen-Clearance (59Fe-t/2) und Serumeisenspiegel

Der PIT and die 59Fe-t/2 bestimmten wir bei 6 Gesunden und 5 Nierenpatienten vor der ersten und unmittelbar im Anschlul3 an

1 Ultandren® der Firma CIBA

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E. Schulz et al, : Erythropoetin unter Hypoxie und Fluoxymesteron bei Nierenkranken 1021

die 4. Hypoxieperiode [6]. Die Bestimmung des Serumeisenspiegels erfolgte vor und wfihrend des H6henkammerversuchs mit der Ba- thophenanthrolin-Methode.

Renale ESF-Clearance (CEsF)

p>O,5

mE/ml Serum l 150

Die renale CEsF errechneten wit aus einer frtiher beschriebenen loo Formel [11].

In einem Abstand von mehr als 10 Wochen nach der Doppel- stimulation wurden 5 mfinnliche chronisch Nierenkranke und die Patientin sowie ein weiterer Patient ohne vorausgegangene Doppel- 50 stimulation unter alleiniger hypoxischer Stimulation erneut unter- sucht. Die Nierenfunktion der Patienten war wfihrend dieses Zeit- raumes gleich geblieben.

Ergebnisse

1. Vergleich yon chronisch Nierenkranken und Nierengesunden unter der Doppelstimulation

a) Serum-ESF-Spiegel (Abb. 1)

Vor und nach vierw6chiger Fluoxymesterongabe zei- gen die Serum-ESF-Konzentrat ionen bei den Patien- ten und Gesunden keine signifikante Verfinderung. Nach 10stiindiger Hypoxie weisen die nierengesunden Versuchspersonen signifikant h6here Serum-ESF- Konzentrat ionen gegenfiber den Patienten auf (/)<0,01) 2, w/ihrend die Unterschiede im weiteren Verlauf nicht mehr signifikant sind. Die Serum-ESF- Werte steigen bei den Gesunden nach 10 h Hypoxie bereits von durchschnittlich 30 auf 71 mE/ml an, um nach 46 h 165 mE/ml zu erreichen. Bei den Patienten ist der Anstieg verz6gert. Die entsprechenden Werte bei den Patienten sind 26,30 und 113 mE/ml. Dabei erreicht der Patient B. F. J. nach der 4. Hypoxiepe- riode mit der in dieser Gruppe von 6 Patienten am st/irksten eingeschr/inkten Nierenfunktion (Serum- Kreatinin 3,7 rag-%, CK 29, ml/min) und einer bereits leichten An/imie (Hfimatokrit 36%) mit 212 mE/ml den h6chsten Wert, der noch von einem Gesunden fibertroffen wird (300 mE/ml).

Die mittlere Serum-ESF-Konzentrat ion wfihrend des H6henkammerversuchs lfil3t sich aus den Werten der 1. bis 4. Hypoxieperiode berechnen. Sie betrfigt bei den Gesunden 115 und bei den Patienten 81 mE/ ml.

Die Serum-ESF-Konzentrat ion des leicht an/imi- schen Patienten Sp. W. (CK 18 ml/min) und seiner Kontrol lperson C. H. zeigt unter der Doppelstimula- tion bei einer simulierten H6he von nur 3000 m ein analoges Verhalten (Abb. 3): W~hrend die gesunde mfinnliche Kontrol lperson 10 und 16 h nach Ver- suchsbeginn gegentiber dem Ausgangswert einen si- gnifikanten Anstieg (j) < 0,001 bzw. < 0,005) aufweist,

Student-Test mit nicht gepaarten Werten

p>0,6 p > Clz,

0 /, Wochen 10 22 3~ 46 h Fluoxyrnesteron Hypoxi¢

Abb. 1. Serum-Erythropoetin-Spiegel (m+_sm) bei gesunden Mfin- nern und Frauen sowie chronisch Nierenkranken (schraffierte Sfiu- len) vor und nach Fluoxymesterongabe und unter Hypoxie nach Fluoxymesterongabe

E Standard Bt12h

1,1 ,, N 10 T7 0,1 < >0,05

p < 0,05

0 4Wochen I. ]I. ' m. F{uoxymesteron

CI=S F _ ml / rain. 10 -2

I -25

-20

-15

-10

5

0

]~. Hypoxie - periode

Abb. 2. Erythropoetin-Exkretion (m.+_sm) bei gesunden M~innern und Frauen sowie chronisch Nierenkranken (schraffierte Sfiulen) vor und nach Fluoxymesterongabe und unter Hypoxie nach Flu- oxymesterongabe. Renale Erythropoetinclearance (CEsv) bei Gesun- den ( - ) und Patienten (---)

ist der Anstieg bei dem Patienten auch nach 16 h noch nicht signifikant (p > 0,5).

b) ESF-Exkretion (Abb. 2)

Nach vierw6chiger Fluoxymesterongabe ohne hypo- xische Stimulation weisen Patienten und Gesunde den frfiher bereits beschriebenen signifikanten Anstieg der ESF-Exkretion auf (p < 0,02 bzw. < 0,05). Ein signifi- kanter Unterschied zwischen Nierengesunden und Nierenkranken zeigt sich unter der zus/itzlichen hypo- xischen Stimulation w~ihrend der 1. bis 3. Hypoxie- periode. Die Kontrol lpersonen scheiden vor Fluoxy- mesteron durchschnittlich 0,5 E., nach 4Wochen Fluoxymesteron 2,2 E. und in der 3. Hypoxieperiode

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1022 E. Schulz et al. : Erythropoetin unter Hypoxie und Fluoxymesteron bei Nierenkranken

mE Standard Blml I00-

50

. . . . C.H.

, " ! ' ' ' - T b Sp.W.

//0,05< p<0,1 d

c x l ~ " ~ ~ i a - b : p <0,005 (]I" c-d : p>O,5

6 lb ~ h

E Standard B

l 0.-12. Std. 12.-16, Std.

p <0,005 p > 0/,

[ ] Sp.W. [ ] C.H.

Abb. 3. Oben: Serum-Erythropoetin-Spiegel (m_+ Sin)bei dem an/i- mischen Nierenpatienten Sp.W. und der m~inntichen Kontrollper- son C.H. unter hypoxischer Stimulation und Fluoxymesterongabe bei 3000 m H6he; Unten: Erythropoetin-Exkretion

ein Maximum yon 16,7 E. in 12 h aus. Bei den Patien- ten fanden wir vor Fluoxymesteron eine ESF-Exkre- tion yon 0,6 E., nach 4 Wochen Fluoxymesteron von 1,1 E. und erst in der 4. Hypoxieperiode ein Maxi- mum yon 4,5 E. in 12 h. Die aus der 1. bis 4. Hypoxie- periode errechnete 48 h-ESF-Exkretion betrfigt bei den Kontrollen 43 und bei den Patienten 11 E. Trotz des infolge der Anfimie st/irkeren Hypoxiereizes liegt die ESF-Exkretion des Patienten Sp. W. unter Dop- pelstimulation mit t,3 E./12h signifikant unter der ESF-Ausscheidung der gesunden Kontrollperson (3 E/12 h; Abb. 3 unten).

c) Renale Erythropoetin-Clearance (CEsv)

dal3 sie in dieser Periode signifikant unter den Gesun- den liegen: Die CESF betrggt bei den Gesunden in der 3. Hypoxieperiode 0,22 und bei den Patienten 0,05 ml/min (p < 0,02).

d) Serum-Kreatinin unter Fluoxymesteron

Wie an anderer Stelle bereits berichtet wurde [12], zei- gen die m/innlichen Patienten unter der hohen Fluoxy- mesterondosis einen passageren deuttichen Serum- Kreatininanstieg mit einer passageren Verminderung der CK. Bei unseren 6 mfinnlichen Patienten lag der Serum-Kreatininspiegel vor der Fluoxymesterongabe durchschnittlich bei 2,8 (Bereich 2,2 bis 3,7 mg %) und nach 4w6chiger Fluoxymesterongabe bei 5,6 mg % (Bereich 2,6 bis 9,6 mg %). Der Anstieg bildete sich erst nach 8 - 12 Wochen zurfick und ffihrte zum Abbruch der Untersuchungen. Bei der Nierenpatien- tin unter der niedrigeren Fluoxymesterondosis und bei den gesunden Mfinnern und Frauen verfinderte sich der Serum-Kreatininspiegel nicht.

e) Verhalten von CEsv, Serum-ESF, Serum-Kreatinin und Harn-pH zueinander (Tabelle 1)

Bemerkenswert ist, dab sich die CES F reziprok zu dem nach vierw6chiger Fluoxymesterongabe bestimmten Serum-Kreatinin verMlt, d.h. bei h6herem Serum- Kreatinin besteht eine verminderte CESF. Ann/ihernd proportional verhalten sich Harn-pH und die CEsv, w~ihrend zwischen der mittleren Serum-ESF-Konzen- tration und der CESF eine umgekehrt-proportionale Tendenz besteht. Somit zeigt Patient B. F.-J. mit der niedrigsten CESF und dem h6chsten Serum-Kreatinin den h6chsten mittleren Erythropoetin-Spiegel, w~ih- rend Patient S. R. mit der h6chsten CF_sv und dem niedrigsten Serum-Kreatininspiegel auch die niedrig- ste mittlere Serum-ESF-Konzentration aufweist.

Aus statistischen Grfinden benutzten wir in der Abbil- dung 2 zur Darstellung der CESF vor und nach vierw6- chiger Fluoxymesterongabe das bereits ver6ffentlichte gr613ere Patienten- bzw. Normalkollektiv [11], in de- nen unsere hier erwfihnten Versuchspersonen enthal- ten sind. Unter dem Einflu6 von Fluoxymesteron steigt die CEsv bei Gesunden und Patienten signifikant an (p <0,02 bzw. < 0,05). Die Gesunden weisen bis zur 3. Hypoxieperiode einen weiteren signifikanten Anstieg (p < 0,0025) und zur 4. Hypoxieperiode einen signifikanten Abfall (p < 0,05) auf. Im Gegensatz dazu zeigen die Patienten bis zur 3. Hypoxieperiode einen leichten aber nicht signifikanten Abfatl (p >0,2), so

f) Retikulozyten

Die Retikulozyten wurden nach vierw6chiger Fluoxym- esterongabe unmittelbar vor dem H6henkammer- versuch und fiber weitere 7 Tage t/iglich bestimmt. Die durchschnittlichen Retikulozytenwerte der gesun- den Versuchspersonen liegen unter der vierw6chigen Fluoxymesterongabe vor der hypoxischen Stimula- tion und anschliel3end bis zum 7. Untersuchungstag fiber dem Mittelwert der Patienten, wobei signifikante Unterschiede vor der Hypoxie und am 4. Untersu- chungstag bestehen. Ein Gipfel besteht bei den Ge- sunden am 4. Untersuchungstag mit 104000/cm 3 Der

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E. Schulz et al. : Erythropoetin unter Hypoxie und Fluoxymesteron bei Nierenkranken 1023

Tabelle 1. ESF-Clearance (CEsF in ml/min) bei 3' chronisch Nierenkranken unter hypoxischer Stimulation und Androgengabe (II. bis IV. Versuchsperiode) Beziehungen zum Serum-ESF (mE/ml), Serum-Kreatinin (rag-%), Harn-pH und zur endogenen Kreatinin-Clearance (CK)

Patient II. Versuchsperiode III. Versuchsperiode IV. Versuchsperiode CKVOr Kreat. Kreat. m II.-IV. Fluox. vor unter

Harn- Serum- C~SF Harn- Serum- CESF Ham- Serum- CESF Fluox. Fluox. pH ESF pH ESF pH ESF

Harn- Serum CESF pH ESF

l .S .R. 6,9 34 0,227 6,7 45 0,I09 6.71 70 0.187 45 2.15 2,60 6,8 49 0.174 2. W.E. 5,85 72 0,062 6,47 83 0,041 6,71 67 0,074 45 2.58 3,49 6,3 74 0,059 3. C.M. 6,4 56 <0,023 6,4 85 0,031 6,4 81 0,042 47 2,18 3,78 6,4 74 0,032 4, B.F.-J. 5,2 55 <0,0t0 5,4 95 <0,006 5,4 161 <0,003 29 3,7 5,03 5,3 104 <0,006

h6chste Mittelwert wurde bei den Patienten erst am 7. Untersuchungstag mit 88000/cm3 festgestellt.

g) Plasmaeisenumsatz (PIT), Plasmaeisen-Clearance (59 Fe-t/2) und Serumeisenspiegel

Der PIT steigt bei unserer Kontrollgruppe unter der Hypoxie yon durchschnittlich 0,66_+0,16 (re±s) 3 46 h nach Versuchsbeginn auf 0,77 + 0,14 (p= 0,05) 4 und bei den Patienten yon 0,51-+0,2 auf 0,76 _+ 0,2 mg/Tag/100 ml Btut an (p < 0,05). Die 59 Fe- t/2 fiel bei den Gesunden yon 83_+23 auf 62-+ 18 min (/)<0,0005) und bei den Patienten von 100_+32 auf 68 + 15 min ab (p < 0,05). Signifikante Unterschiede bestehen zwischen Patienten und Gesunden nicht.

Bei den Gesunden und Nierenkranken untersuch- ten wir den Serumeisenspiegel vor und wghrend des H6henkammerversuchs. Die Gesunden besitzen mit durchschnittlich 105 gg % einen signifikant h6heren Serumeisenspiegel als die Patienten (72 ~tg %) und zeigen bereits nach 10 h einen hochsignifikanten Ab- fall auf 68 gg % (p < 0,001). Die Patienten weisen da- gegen keine signifikante Anderung auf.

2. Vergleich der Nierenpatienten unter alleiniger hypoxischer Stimulation und unter Doppelstimulation

a) Serum-ESF-Spiegel (Abb. 4)

Die Patienten weisen 4 Wochen nach Fluoxymeste- rongabe bereits vor der Hypoxie signifikant niedrigere Serum-ESF-Konzentrationen auf. Dieser Unterschied verst/irkt sich nach 10stfindiger Hypoxie, verschwin- det jedoch zunehmend in der 2. bis 4. Hypoxiepe- riode. Somit verz6gert Fluoxymesteron bei Nierenpa-

3 m = Mittelwert, s = Standard-Abweichung

4 t-Test mit gepaarten Werten

tienten ganz im Gegensatz zu den Ergebnissen bei Gesunden [7] den durch die Hypoxie bedingten Se- rum-ESF-Anstieg. Die durchschnittliche Serum-ESF- Konzentration wfihrend der 1. bis 4. Hypoxieperiode ist nach Doppelstimulation mit 81 mE/ml identisch mit dem Durchschnittswert nach alleiniger Hypoxie (77 mE/ml). Somit steigt die mittlere Serum-ESF- Konzentration bei den chronisch Nierenkranken unter der Doppelstimulation gegenfiber der alleinigen hypoxischen Stimulation nur um 5% an, wS_hrend dieser Anstieg bei den Gesunden 80% betrfigt [7].

b) ESF-Exkretion (Abb. 5)

Nach vierw6chiger Fluoxymesterongabe zeigen die Patienten eine doppelt so hohe ESF-Exkretion wie ohne Fluoxymesteron. Unter der Hypoxie weisen die Patienten mit und ohne vorausgegangene Androgen- behandlung keinen Unterschied auf. Die ESF-Exkre- tion fiber 48 h (= 1. bis 4. Hypoxieperiode) betrfigt unter der Doppelstimulation 11,4 E. und unter alleini- ger Hypoxie 9,5 E. Somit steigt die ESF-Exkretion bei den Nierenkranken unter der Doppelstimulation im Vergleich zur alleinigen hypoxischen Stimulation nur um 19% an, wghrend der Anstieg bei den Gesun- den 490% betr/igt [7]. Nur bei dem Patienten S. R. mit der geringsten Einschr/inkung der Nierenfunktion finden wir unter der Doppelstimulation eine Zunahme der 48 h-ESF-Exkretion von 5,3 auf 24,5 E.

c) Renale Erythropoetin-Clearance (CEsF)

Auch in der Abbitdung 5 wurde ftir die Berechnung der CESF vor der Hypoxie aus statistischen Griinden das bereits ver6ffentlichte gr6Bere Patientenkollektiv [11] dargestellt, in dem unsere Patienten mitenthalten sind. Vor der ersten Hypoxieperiode weisen die Pa- tienten unter dem Einflul3 yon Fluoxymesteron eine signifikant h6here CESF als ohne Fluoxymesteron auf. Die mit Fluoxymesteron vorbehandelten Patienten

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Abb. 4. Serum-Erythropoetin-Spiegel (m±Sm) bei chronisch Nie- renkranken vor, unter alleiniger Hypoxie und unter Hypoxie nach Fluoxymesterongabe (schraffierte Sfiulen)

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IV. Hypoxie- periode

Abb. 5. Erythropoetin-Exkretion (m±Sm) bei chronisch Nieren- kranken vor, unter alleiniger Hypoxie und unter Hypoxie nach Fluoxymesterongabe (schraffierte Sfiulen). Renale Erythropoetin- clearance (CEsF) ohne Fluoxymesteron ( ) und unter Fluoxymeste- ran (---)

zeigen unter der Hypoxie einen nicht signifikanten Abfall bis zur 3. Hypoxieperiode (p > 0,2), ohne Fluo- xymesteron-Vorbehandlung weisen die chronisch Nie- renkranken bis zur 3. Hypoxieperiode einen signifi- kanten Anstieg van 0,024 auf 0,062 ml/min auf (p<0,025). Auch bei Nierengesunden konnten wit unter dem Einflul3 der alleinigen Hypoxie einen leich- ten aber signifikanten Anstieg der C~sv van 0,020 (n = 15) auf 0,066 ml/min (n= 8) bis zur 3. Hypoxiepe- riode feststellen (/)<0,0125). Somit verhNt sich die CESF der Nierenpatienten unter alleiniger Hypoxie wie bei Gesunden. Unter der Doppelstimulation zeigen die Patienten jedoch nur eine Zunahme der CEsv ge- gentiber der alleinigen Hypoxie van 42%, w/ihrend bei den Nierengesunden die CEsv unter der Doppelsti- mulation um 200% zunimmt. Nur ein Patient er- reichte unter der Doppelstimulation eine den Nieren- gesunden vergleichbare CEsv: Patient S. R. weist in der 2. bis 4. Hypoxieperiode eine durchschnittliche

CEsv van 0,17 ml/min auf (Tabelle 1), die durchaus in dem Bereich der bei 7 nierengesunden Mfinnern gefundenen Durchschnittswerte unter der Doppelsti- mulation liegt (=0 ,19+0 ,04ml /min ; m_+Sm) s. Bei 4 gesunden Mfinnern fanden wir unter der Doppelsti- mulation im Vergleich zur alleinigen hypoxischen Sti- mulation eine mittlere Steigerungsrate des ESF um 422%. Die mittlere Steigerungsrate der CESF unter dem Einflul3 van Fluoxymesteron liegt bei dem Pa- tienten S. R. mit 472% ebenfalls in diesem Bereich. Dieser Patient zeigte jedoch unter Fluoxymesteron den geringsten Serum-Kreatininanstieg (Tabelle 1).

d) Retikulozyten

Die vor dem H6henkammerversuch und fiber weitere 7 Tage ermittelten Retikulozytenwerte zeigen bei den Patienten unter alleiniger Hypoxie und Doppelstimu- lation zu keinem Zeitpunkt einen signifikanten Unter- schied. Wird aus allen Retikulozytenwerten, die unter dem alleinigen Hypoxiereiz gewonnen wurden, ein Mittelwert van 68000/cm gebildet, und mit dem ent- sprechenden Mittelwert unter Doppelstimulation bei dem gleichen Patienten (52000/cmm) verglichen, so ergibt sich ein signifikanter Unterschied (p < 0,05).

e) Plasmaeisenumsatz (PIT) und Plasmaeisen-Clearance (59 Fe-t/2)

Bei zwei Nierenpatienten wurde der PIT und die 59 Fe-t/2 sowohl unter alleiniger hypoxischer Stimula- tion als auch unter Doppelstimulation untersucht. Bei beiden finden sich unter alleiniger hypoxischer Stimu- lation im Vergleich zur zus~itzlichen Androgengabe h6here Serum-ESF-Konzentrationen, verbunden mit einer ktirzeren 59Fe-t/2 und einer Zunahme der PIT sowie der Retikulozytenzahlen: So steigt der durch- schnittliche PIT unter der Doppelstimulation van 0,52 nur auf 0,59 und unter alleiniger Hypoxie van 0,64 auf 0,90 mg/Tag/100 ml Blut an. Die durchschnitt- liche Serum-ESF-Konzentration betrfigt bei der Dop- pelstimulation 69 und bei der alleinigen Hypoxie 86 mE/ml, die durchschnittliche Retikulozytenzahl unter Doppelstimulation 59200 und unter alleinigen Hypoxie 76900/cmm. Diese Werte sprechen ftir eine stfirkere Erythropoese unter der alleinigen hypoxi- schen Stimulation.

D i s k u s s i o n

Bezfiglich der in der Literatur sehr unterschiedlichen ESF-Befunde im Serum und Harn bei Nierengesun-

5 Sm= mit t lerer Fehler des Mit te lwertes

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E. Schulz et al. : Erythropoetin unter Hypoxie und Fluoxymesteron bei Nierenkranken 1025

den und Nierenkranken nach Androgenen und Ana- bolika sei auf unsere Zusammenstellung hingewiesen [11]. Nach unseren bereits mitgeteilten Untersuchun- gen steigerte Fluoxymesteron allein ohne gleichzeitige Hypoxie bei Nierengesunden die ESF-Exkretion um 424% und bei chronisch Nierenkranken mit fehlender oder leichter renaler Anfimie um 145% bei gleichzeiti- ger Zunahme der CEs~ (Abb. 2), ohne die Serum-ESF- Konzentration zu erh6hen.

Jetzt interessierte uns das ESF-Verhalten nach dem Androgen Fluoxymesteron hinsichtlich der Frage nach der Existenz eines latenten ESF-Mangets zu Beginn der renaten Anfimie, indem wir das bei Nierengesunden erprobte Verfahren der Doppelsti- mulation (Hypoxische ESF-Stimulation nach Fluoxy- mesterongabe) auf Patienten mit fehlender oder be- ginnender renaler Anfimie fibertrugen. Bei Nierenge- sunden fanden wir unter der Doppelstimulation im Vergleich zur alteinigen hypoxischen Stimulation ohne vorausgegangene Fluoxymesteronverabfolgung eine Zunahme der Serum-ESF-Konzentration um 80%, der ESF-Exkretion um 490% und der renalen ESF-Clearance um 200% [7]. Nach den vortiegenden Befunden waren die entsprechenden Steigerungsraten bei den chronisch Nierenkranken mit 5, 19 bzw. 42% nur minimal. Diese Unterschiede sollen im folgenden noch nfiher analysiert und interpretiert werden:

Die 7 hier untersuchten chronisch Nierenkranken zeigten unter der Doppetstimulation nicht die bei den m/innlichen und weiblichen Normalpersonen gefun- dene ausgeprfigte Steigerung der Serum-ESF-Konzen- trationen und die starke Zunahme der ESF-Exkre- tion. Wir fanden im Gegenteil bei den Nierenpatien- ten nach vierw6chiger Fluoxymesterongabe vor dem H6henkammerversuch nur einen Serum-ESF-Spiegel von 26 mE/mt, wfihrend die zumeist gleichen Patienten ohne Androgengabe eine basale ESF-Konzentration yon 35 mE/ml aufwiesen (Abb. 4). Somit nahm die Serum-ESF-Konzentration bei den Patienten unter der hohen Androgengabe zunfichst ab. Wir m6chten diesen Abfall der Serum-ESF-Konzentration bei den Nierenkranken auf eine abgeschwfichte Neuproduk- tion yon ESF bei gleichzeitiger passagerer Zunahme der CESF ZU diesem Zeitpunkt zur~ckffihren. In glei- cher Weise sprachen alle Patienten unter der Doppel- stimulation wfihrend der ersten Versuchsperiode schw/icher als die m/innlichen und weiblichen Kon- trollpersonen auf den Hypoxiereiz an (Abb. 1): So betrug die mittlere Serum-ESF-Konzentration der Gesunden nach 10sttindiger Hypoxie 71 mE/ml (bei den Mfinnern 50 und bei den Frauen 112 mE/ml), wfihrend die Nierenpatienten einen mittleren Serum- ESF-Spiegel von 30mE/ml aufwiesen (bei den 5 m/innlichen Patienten durchschnitttich 29 und bei der Patientin 37 mE/ml).

Bereits 22 h nach Hypoxiebeginn waren die Unter- schiede zwischen den Serumkonzentrationen yon Ge- sunden und Patienten nicht mehr signifikant. Verglich man dar/iber hinaus die Werte bei denjenigen Nieren- patienten, die beiden Stimulationsverfahren unter- worfen wurden, dann fand man unter alleiniger hypo- xischer Stimulation am Ende der ersten Hypoxiepe- riode ebenfalls signifikant h6here Serum-ESF-Kon- zentrationen im Vergleich zur Doppelstimulation (Abb. 4). Auch hier war im weiteren Verlauf am Ende der zweiten Versuchsperiode der Unterschied nicht mehr signifikant.

Wfthrend die Normalpersonen unter der Andro- genmedikation rascher und stSxker auf den Hypoxie- reiz ansprachen, sahen wir bei den Patienten eine Ver- z6gerung des Anstiegs. Es bedurfte bei den Patienten einer lgngeren Hypoxiedauer, um zu fihnlich hohen Serum-ESF-Konzentrationen wie bei den Gesunden zu gelangen. Da die Nierenpatienten unter alleiniger Hypoxie sogar h6here Serum-ESF-Konzentrationen als die Gesunden aufwiesen [10], schwfichte demzu- folge Fluoxymesteron die erythropoetische Wirkung des Hypoxiereizes bei den Patienten vorfibergehend ab.

DaB der abschwfichende Einflul3 von Fluoxyme- steron auf den hypoxiebedingten ESF-Anstieg bei den Patienten nur vortibergehender Natur war, erkennt man besonders aus der Abbitdung 4, 34 und 46 h nach Hypoxiebeginn. Am Ende der 4. Hypoxieperiode zeigte gerade der Patient B. F.-J. mit dem stgrksten Serum-Kreatininanstieg nach Fluoxymesteron (5,03 mg %), der stfirksten Einschr/inkung der CESF und der h6chsten mittleren Serum-ESF-Konzentra- tion (Tabelle 1) den h6chsten Serum-ESF-Anstieg der Patienten (212 mE/ml). Dies ist wahrscheinlich auf eine verminderte renale Elimination von ESF und nur zum Teil auf eine in der 4. Hypoxieperiode ver- stfirkte ESF-Produktion zurtickzuffihren. Bei Ratten verdoppelte sich nach doppelseitiger Nephrektomie die Eliminations-Halbwertszeit ftir ESF [5]. Beim chronisch Nierenkranken fehlen Untersuchungen dar- fiber.

Auch in der ESF-Exkretion verhielten sich Patien- ten und Normalpersonen unterschiedlich. Die mitttere ESF-Exkretion yon 7 gesunden Mfinnern und 4 Frauen lag wfihrend der zweitfigigen Versuchsdauer wesentlich h6her als die ESF-Exkretion der Patienten (Abb. 2). Keiner der Patienten liel3 den bei allen Nor- malpersonen zu beobachtenden Exkretionsgipfel in der 3. Hypoxieperiode erkennen.

W/ihrend die Gesunden unter der Doppelstimula- tion schon wfihrend der ersten 12 h-Sammelperiode eine wesentlich h6here ESF-Ausscheidung im Ver- gteich zur alleinigen hypoxischen Stimulation aufwie- sen, zeigten die 6 Nierenpatienten in der ersten Hypo-

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xieperiode unter beiden Stimulationen mit 1,1 und 1,5E./12h nahezu eine identische ESF-Ausschei- dung. Nur bei einem Patienten (S. R,) war die ESF- Exkretion unter dem Einflul3 yon Fluoxymesteron sig- nifikant gr613er, wobei die Steigerungsrate bei diesem Patienten sogar 534% betrug. Die mittlere Steige- rungsrate dutch den Einflul3 des Androgens betrug bei den gesunden Mfinnern 460% [7].

Die 48-h-ESF-Exkretion der Gesunden und Kran- ken zeigte eine groBe individuelle Variationsbreite. Sie wies bei den 7 gesunden Mfinnern und den 4 Frauen einen Bereich yon 8-86 E. und bei den Nie- renpatienten von 0 bis 24,5 E. auf.

Die renale ESF-Clearance bei den Nierenpatienten zeigte nach einem anffinglichen Anstieg unter alleini- ger Fluoxymesterongabe unter der Doppelstimulation im Gegensatz zu den Nierengesunden (Abb. 2) und den Patienten unter alleiniger Hypoxie (Abb. 5) keinen Anstieg in der 3. Hypoxieperiode, sondern ei- nen leichten aber nicht signifikanten Abfall.

Die hier erhobenen ESF-Befunde im Serum und Harn lassen sich hinsichtlich der eingangs gestellten Frage nach einem latenten ESF-Mangel als erster pa- thogenetischer Faktor zu Beginn der renalen Anfimie folgendermaBen interpretieren : Bei den gleichen chro- nisch Nierenkranken fanden wir wenige Monate sp/i- ter unter alleiniger hypoxischer ESF-Stimulation im Vergleich zu den nierengesunden Kontrollpersonen in der 10. und 22. Stunde nach Hypoxiebeginn signifi- kant h6here Serum-ESF-Spiegel und eine h6here ESF-Exkretion [10]. Ein latenter ESF-Mangel zu Be- ginn der renalen An~imie konnte damit ausgeschlossen werden. Wir k6nnen deshalb die bei den gleichen Pa- tienten unter der Doppelstimutation verminderte erythropoetische Reaktion im Serum und Harn nicht als latenten ESF-Mangel interpretieren, sondern mils- sen dies auf den bei unseren Untersuchungen tiberra- schenderweise festgestellten nephrotoxischen Effekt yon Fluoxymesteron zurilckfilhren [2, 11, 12]. Bei den bier untersuchten 6 mfinnlichen Patienten stieg der Serum-Kreatininspiegel yon durchschnittlich 2,8 auf 5,6 rag-% an. Mit der Zunahme der exkretorischen Niereninsuffizienz lfiBt sich auch die Diskrepanz im ESF-Verhalten zwischen den Gesunden und Kranken erktfiren, wenn man folgende Hypothese aufstellte: Durch die hohen Fluoxymesterondosen wird nicht nur die exkretorische Nierenfunktion, sondern auch der die Produktion des renalen erythropoetischen Faktors (REF) steuernder Reglermechanismus ge- st6rt. Dadurch ist die Schwetle filr den Hypoxiereiz bei den Nierenpatienten angehoben. Infolgedessen liegen die Serum-ESF-Konzentrationen vor dem H6- henkammerversuch niedriger. AuBerdem fehlt wgh- rend der ersten Hypoxieperiode der ESF-Anstieg fast vollstfindig.

Ob eine verlfingerte Eliminations-Halbwertszeit

yon Fluoxymesteron bei den Nierenkranken zus/itz- lich einen Einftul3 auf die ESF-Produktion aus/ibte, ist unbekannt, da Untersuchungen fiber die Pharma- kokinetik von Fluoxymesteron bei Nierenkranken fehlen. Fluoxymesteron wird zu weniger als 5% un- vergndert im Harn ausgeschieden [1]. Somit erscheint eine Verl/ingerung der Eliminationshalbwertszeit dutch die Niereninsuffizienz unwahrscheinlich.

Da der S/iure-Basen-Haushalt vermutlich auf die ESF-Produktion bzw. die ESF-Exkretion einen Ein- flul3 ausfibt [3, 4, 9], wurde yon uns der Harn-pH der einzelnen Versuchspersonen in Beziehung zur ESF-Exkretion, zur Serum-ESF-Konzentration und zur CESV gesetzt. Es fand sich weder bei unseren Pa- tienten noch bei den Gesunden ein Hinweis daftir, dab im alkalischen Harn mehr ESF ausgeschieden wurde. Der Harn-pH der Patienten lag jedoch w/ih- rend der ersten 2 Hypoxieperioden signifikant unter dem Wert bei den Nierengesunden (p<0,001 bzw. < 0,005).

Zur Prilfung der Erythropoese des Knochenmarks untersuchten wir den PIT und die Retikulozytenzah- len. Der PIT stieg am Ende der Hypoxie bei beiden Gruppen nur gering an, wobei sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten und Gesunden erga- ben. Zwei Patienten, bei denen die Ferrokinetik unter beiden Stimulationsverfahren untersucht wurde, wie- sen jedoch unter der Doppelstimulation einen geringe- ren Anstieg des Plasmaeisenumsatzes im Vergleich zur alleinigen hypoxischen Stimulation bei gleichzeitig niedrigeren mittleren Serum-ESF-Konzentrationen und Retikulozytenzahlen auf. Als Hinweis ftir eine Beeintrfichtigung der Erythropoese sind auch die nie- drigeren Retikulozytenwerte der Nierenpatienten unter der Doppetstimulation zu werten.

Abschliel3end kann gesagt werden, dab bei 6 mfinnlichen chronisch Nierenkranken und einer Nierenpatientin in dem yon uns untersuchten Stadium der kompensierten Retention ohne bzw. mit leichter Anfimie der Reglermechanismus der ESF-Produktion (Hypoxie- REF-Produktion- ESF-Aktivierung) sehr st6ranf/illig ist. Bereits bei einer relativ geringen Zu- nahme der exkretorischen Niereninsuffizienz, bedingt durch die hochdosierte Fluoxymesterongabe, lag die Schwelte filr den die REF-Produktion steuernden Hy- poxiereiz h6her. Dadurch wurde das Bild eines laten- ten ESF-Mangels vorgetfiuscht.

Ffir die technische Assistenz danken wir Frau R. Roesch und Frau E. Kurz.

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Eingegangen am 4. Oktober 1977 Angenommen am 19. Januar 1978

Prof. Dr. E. Schulz Innere Abteilung, Vinzenz-Pallotti~Hospital Vinzenz-Pallotti- Stral3e 20-24 D-5060 Bergisch Gladbach 1 Bundesrepublik Deutschland