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Eulenspiegel 2016_002 Seite 1 von 25 Zum 100. Todestag von Hermann Neuber (1860-1916) Auf den Spuren eines nahezu vergessenen Malers Irene Dütsch Am 20. Januar 2016 jährte sich der Todes- tag des in Wien geborenen Malers Her- mann Neuber zum 100. Mal. Hermann Neuber? Nie gehört. Richtig denn bis heute verzeichnet weder ein Künstler- Lexikon noch Wikipedia einen Eintrag zu Hermann Neuber. Den bislang einzigen Beitrag mit persönlichen Erinnerungen und einigen Informationen zu Leben und Werk des Künstlers verdanken wir dem Entomo- logen, Naturschützer und Schriftsteller Max Dingler (1883-1961). Erschienen 1953 an versteckter Stelle, dürfte sein Beitrag aller- dings nur den allerwenigsten bekannt sein. 1 „Verschweigt ihn auch die Kunstgeschichte, für uns, die wir ihn kannten, wäre das Le- ben ohne ihn und seine Künstlernatur är- mer gewesen. Darum soll seinem Anden- ken hier ein kleines Kränzel gewunden sein.“ – so schloss Dingler seine Ausfüh- rungen im Jahre 1953. (Abb. 1) Hermann Neuber Wer war Hermann Neuber, der in Murnau hauptsächlich als Illustrator der Schrift „Ein Sommer im Stahlbade am Staffelsee“ und als „der eigentliche Scheibenmaler“ bekannt war, der aber nach dem derzeitigen Kenntnisstand ein wesentlich vielfältigeres Kunst- schaffen hinterlassen hat? Eine Spurensuche … 1 Max Dingler „Der Maler Hermann Neuber“, in: Der Zwiebelturm, Jahrgang 8, 1953, Heft 12, S. 339-342. – Max Dingler erwähnt Neuber auch in den Lebenserinnerungen „Werden und Reifen. Einflüsse und Eingebungen“, Haus- ham 1962. – Diese beiden Quellen bildeten die Grundlage für den vorliegenden Aufsatz.

Eule e.V. - Umwelt, Tierschutz, Kultur und Wissenschaft ...eule-soc.com/upload/1/312/file/Hermann Neuber_2016.pdf3 Für Recherche und Übersendung des Auszugs aus der Datenbank (Stand:

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  • Eulenspiegel 2016_002

    Seite 1 von 25

    Zum 100. Todestag von Hermann Neuber (1860-1916)

    Auf den Spuren eines nahezu vergessenen Malers

    Irene Dütsch

    Am 20. Januar 2016 jährte sich der Todes-tag des in Wien geborenen Malers Her-mann Neuber zum 100. Mal. Hermann Neuber? Nie gehört. Richtig – denn bis heute verzeichnet weder ein Künstler-Lexikon noch Wikipedia einen Eintrag zu Hermann Neuber. Den bislang einzigen Beitrag mit persönlichen Erinnerungen und einigen Informationen zu Leben und Werk des Künstlers verdanken wir dem Entomo-logen, Naturschützer und Schriftsteller Max Dingler (1883-1961). Erschienen 1953 an versteckter Stelle, dürfte sein Beitrag aller-dings nur den allerwenigsten bekannt sein.1 „Verschweigt ihn auch die Kunstgeschichte, für uns, die wir ihn kannten, wäre das Le-ben ohne ihn und seine Künstlernatur är-mer gewesen. Darum soll seinem Anden-ken hier ein kleines Kränzel gewunden sein.“ – so schloss Dingler seine Ausfüh-rungen im Jahre 1953.

    (Abb. 1) Hermann Neuber

    Wer war Hermann Neuber, der in Murnau hauptsächlich als Illustrator der Schrift „Ein Sommer im Stahlbade am Staffelsee“ und als „der eigentliche Scheibenmaler“ bekannt war, der aber nach dem derzeitigen Kenntnisstand ein wesentlich vielfältigeres Kunst-schaffen hinterlassen hat? Eine Spurensuche …

    1 Max Dingler „Der Maler Hermann Neuber“, in: Der Zwiebelturm, Jahrgang 8, 1953, Heft 12, S. 339-342. – Max

    Dingler erwähnt Neuber auch in den Lebenserinnerungen „Werden und Reifen. Einflüsse und Eingebungen“, Haus-ham 1962. – Diese beiden Quellen bildeten die Grundlage für den vorliegenden Aufsatz.

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    Frühe Jahre Im Wiener Gemeindebezirk Mariahilf Nr. 138 war am 5. Oktober 1860 die Freude groß. Bei den Eheleuten Karl Franz und Antonia Neuber hat sich Nachwuchs eingestellt. Ein Sohn ist es, der zwei Tage später in der Pfarre Mariahilf auf den Namen Hermann getauft wird. Schon frühzeitig dürfte der kleine Hermann künstlerische Anregungen von seinem Vater, einem Manufakturzeichner, erhalten haben.2 Denn nach dem acht-jährigen Besuch der Bürgerschule wechselt er 1875 zur künstlerischen Ausbildung an die damalige Kunstge-werbeschule, die er 1879 verläßt. Dort zählten zum Studiengang Zeichnen, Malen und Figurales Zeichnen bei verschiedenen Professoren.3 Mit diesem Grundstock beginnt er im Wintersemester 1880/81 an der allgemeinen Malerschule das Studium, das er mit dem Wintersemester 1882/83 beendet.4 Zu seinen Lehrern dürfte dort auch der damalige Leiter Christian Griepenkerl (1839-1916) gezählt haben.5 Ab Sommersemester 1883 ist Neuber nicht mehr nachweisbar. Wo er lebte, womit er sich beschäftigte und wann er seine Heimatstadt verließ, weiß man nicht.6 Erst mit seiner An-kunft in München am 28.11.1887 erfahren wir wieder Näheres. Als Zweck des Aufenthal-tes gab der 27-jährige ledige Kunstmaler „Studium“ an.7 Obwohl er „Löfftzschüler“ gewe-sen sein soll8, war er in der Matrikeldatenbank der Akademie der Bildenden Künste Mün-chen nicht zu finden. Vermutlich arbeitete er in Löfftz‘ Atelier. 2 Die Daten waren zu finden über die Genealogische Datenbank http://www.genteam.at/ und Matricula, das online

    Portal für Kirchenbücher unter http://icar-us.eu/cooperation/online-portals/matricula, Taufindex von Wien, Da-tensatznummer 365493, Pfarre Mariahilf, BuchNr. 15, Folio 279 (Zugriff am 18.10.2015). Karl Franz Neuber und An-tonia (Tochter des Schuhmachergesellen Johann Preßl) waren am 19. Januar 1859 laut Trauungsschein in der Pfar-re Schottenfeld getraut worden. – Ein standesamtlicher Eintrag ist nicht vorhanden, da Standesämter in Österreich erst 1938 eingeführt wurden. Auskunft von Frau Dr. Michaela Laichmann MAS, Magistratsabteilung 8, Wiener Stadt- und Landesarchiv. – Abweichend vom hier genannten Geburtsdatum weist der Personalmeldebogen im StadtA München, PMB N 20, den 3. Oktober aus.

    3 Für Recherche und Übersendung des Auszugs aus der Datenbank (Stand: 19.10.2015) danke ich Frau OR Silvia

    Herkt, MA, Leitung Universitätsarchiv der Universität für angewandte Kunst, Wien. 4 Universitätsarchiv der Akademie der bildenden Künste Wien, Aufnahmslisten, Bände 107 bis 111, WS 1880/81 bis

    WS 1882/83. Eine Zuordnung zu einem bestimmten der damaligen Professoren war nicht möglich. Zu den Lehrern siehe Walter Wagner „Geschichte der Akademie der bildenden Künste in Wien“, Wien 1967, S. 376. Freundliche Auskunft von Frau Mag. Dr. Ulrike Hirhager, Universitätsarchiv der Akademie der bildenden Künste Wien, die mich auch über Neubers Vorbildung informierte.

    5 Anm. 1, Dingler (1953), S. 339.

    6 Die Historische Meldekartei setzt erst mit dem Jahr 1905 ein. Auskunft Dr. Michaela Laichmann MAS, Magistrats-

    abteilung 8, Wiener Stadt- und Landesarchiv. 7 StadtA München, PMB N 20. Neubers Eltern waren zum Zeitpunkt seiner Anmeldung in München bereits verstor-

    ben. – Daß Neuber, wie seine Witwe Maria Barbara Neuber am 2. Februar 1916 gegenüber dem Königl. Amtsge-richt Dresden angab, bis zu seinem 28. Lebensjahr bei seinen Eltern lebte, entspricht demnach nicht den Tatsa-chen. Auch beim Vornamen ihres Schwiegervaters, den sie mit Hermann angab, irrte sich Frau Neuber. Die Nach-laß-Akte befindet sich im Bestand Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 11088 Amtsgericht Rade-beul, Nr. 1. 6950 (zukünftig zitiert Nachlaß-Akte Neuber). Auszüge daraus mit biografischen Angaben zu den Fami-lienmitgliedern stellte mir Herr Roland Pfirschke vom Hauptstaatsarchiv Dresden zur Verfügung.

    8 Anm. 1, Dingler (1953), S. 339. Ludwig von Löfftz (1845-1910).

    http://www.genteam.at/http://icar-us.eu/cooperation/online-portals/matricula

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    In München geblieben ist Neuber laut Meldebogen – mit Unterbrechungen9 – bis 1895, wobei er mehrmals umgezogen ist. Die erste Unterbrechung findet sich schon ein gutes halbes Jahr nach seiner Ankunft, als er sich am 16.6.1888 nach Murnau abmeldet, wo er bis November bleibt.10 Moment mal … da gibt es aber doch einige bereits im Vorjahr, 1887, datierte Werke mit Bezug zu Murnau. Dazu gehören das Aquarell „Am westlichen Ufer der Insel Wörth im Staffelsee“, wiedergegeben im Fremdenführer „Murnau am Staffelsee“ (um 1912/13)11 (Abb. 2) und eine Schützenscheibe, die Neuber am 29. Oktober 1887 der Königlich privi-legierten Feuerschützen-Gesellschaft (FSG) Murnau stiftete.12 (Abb. 3) Das Frauenbildnis stellt laut rückseitiger Beschriftung die Bötin Gersten Traudl von Ohlstadt dar. Die Schüt-zenscheibe ist damit sogar noch vier Wochen vor Neubers Anmeldung in München ent-standen.

    (Abb.2 )

    Am westlichen Ufer der Insel Wörth – rechts signiert und [18]87 datiert.

    (Abb. 3) Am 29. Oktober 1887 stiftete Hermann Neuber

    die Schützenscheibe mit dem Bildnis der Gersten Traudl von Ohlstadt

    9 StadtA München, PMB N 20. Verzeichnet sind Abmeldungen nach Murnau, Passau und Grünwald. – Der nur weni-

    ge Wochen dauernde Aufenthalt in Passau (etwa 1.10.1892 bis 20.10.1892) ließ sich lt. Auskunft von Frau Claudia Veit (Stadtarchiv Passau) nicht nachweisen.

    10 Laut Eintragung im Meldebogen StadtA München, PMB N 20 wohnte er vom 28.11.1887 bis zu seiner Abmeldung

    nach Murnau in der Göthestraße [sic!] 39/II., nach seinem Murnau-Aufenthalt ab 21.11.1888 erneut in München, diesmal in der Findlingstr. 14.

    11 Eingefügt als Faltblatt in der Broschüre „Murnau am Staffelsee Bayr. Hochland, Führer durch Murnau“, Hg. Ver-

    schönerungsverein Murnau am Staffelsee e.V., o. J. [ca. 1912/1913]; Nachdruck 1998 aus Anlaß des 130. Grün-dungs-Jubiläums des Kur- und Fremdenverkehrsvereins Murnau e.V. – Die weitere in der Broschüre enthaltene, nicht signierte Ansicht mit dem „Blick auf die Zugspitze“ dürfte ebenfalls von Neuber stammen.

    12 Gewonnen hat sie Graf von Treuberg. Die Scheibe befindet sich heute noch im Besitz der FSG Murnau. – Zu den

    Schützenscheiben siehe Charlotte Gampe „Was alte Schützenscheiben erzählen“, in: Jahresbericht 1981 Histori-scher Verein Murnau e.V., S. 56-58. Die darin erwähnten, von Mitgliedern des Historischen Vereins Murnau am Staffelsee e.V. gefertigten Aufnahmen und Beschreibungen der Schützenscheiben befinden sich im MAM.

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    Darüber hinaus gibt es ein Werk, das einen noch früheren Aufenthalt belegt – das mit „Abendstimmung am See“13 bezeichnete, be-reits 1886 entstandene Ölgemälde. (Abb. 4)

    (Abb. 4) Abendstimmung am See

    u. l. signiert und datiert: H. Neuber [18]86

    Interessant ist in diesem Zusammenhang die Überlieferung zu Neubers Ankunft in Murnau, die wir Max Dingler verdanken.14 Neuber sei „um die Mitte der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts“ nach Murnau gekommen. Genau zu der Zeit (1886/87) war das Landhaus, das Dinglers Großvater Max Ainmiller (1839-1905) sich dort am Schloßberg baute, nahezu fertig. Dingler berichtet weiter, Neuber hätte in München von der schönen Gegend um Murnau erfahren und beschlossen, ein Wochenende dort zu ver-bringen. Es sollte ein Wochenend-Ausflug mit Folgen werden … Am Ankunftstag – es war ein Samstagnachmittag, Neuber war mit dem Zug gekommen – herrschte „miserables“ Wetter: Regen und Nebel verbargen die sonst so schöne Land-schaft und vermiesten dem Ausflügler die Laune, so daß er sich vornahm, dieses „Nest“ schleunigst wieder zu verlassen. Aber welch‘ eine Überraschung bot sich ihm am nächs-ten Tag, denn der Sonntag machte seinem Namen alle Ehre. Im Sonnenschein bot sich ihm aus dem Fenster des Pantlbräu (wo er logierte) ein wunderbarer Blick auf die Land-schaft. Anstatt abzureisen, um am Montag wieder pünktlich im Atelier in München zu sein, saß er am Sonntagabend im Pantlbräu. Dort fiel der „unbekannte junge Mann auf, von zierlicher Statur, das Haar kurz geschnitten und mit Augen, die lebhaft teilnehmend, lustig und listig, nach allen Erdendingen griffen.“ Die Frage vom Nebentisch „Wo kimmst denn her und was bist denn?“ brachte den Stein ins Rollen. Es war Max Ainmiller, der in dem jungen Wiener eine verwandte Künstlernatur ahnte – womit er recht hatte, wie sich schließlich herausstellte. Diese Begegnung sollte sehr bald Früchte tragen – nicht nur in der Form von Maleraufträ-gen für Ainmillers Landhaus, das seiner Vollendung entgegensah, sondern auch in einer lange andauernden Freundschaft, die vom Großvater Ainmiller später auf den Enkel Max Dingler übergehen sollte.

    13

    Zuletzt am 30.03.2010 angeboten in der Osterauktion im Dorotheum Wien, Lot 125. Öl auf Leinwand, 39 x 49 cm. 14

    Anm. 1, Dingler (1953), S. 339.

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    Künstlerisches Wirken begann in Murnau Neuber – hocherfreut über die Ainmiller’schen Aufträge, die ihn zu Ainmillers „Hausmaler“ machten – ließ unverzüglich aus München sein ganzes „Graffel“ zum Pantlbräu kommen und … blieb in Murnau. Da es aber auf die Dauer im Gasthaus zu teuer war, soll er ein kleines, verwunschenes Haus am Schloßberg gemietet haben. Um welches Anwesen wird es sich wohl bei dem geheimnisvoll klingenden sog. „Hexenhaus“ gehandelt haben?15 „Die Elementargeister des Murnauer Landes ließen ihn nicht mehr los“ – fortan sah die Stadt München mitsamt ihrer Akademie der bildenden Künste den „Löfftzschüler“ acht Jahre nicht mehr, so Dingler, und weiter: „Er war überzeugt, die Schule habe ihre Aufgabe an ihm erfüllt, das Übrige müsse er sich selbst vor der Natur erarbeiten“. Dazu sollte er in Murnau hinreichend Gelegenheit erhalten, auch wenn er keine acht Jahre geblieben ist, denn bereits ab 21.11.1888 wohnte er wieder in München. Er dürfte aber schon im darauf folgenden Jahr nach Murnau zurück gekehrt sein. Darauf brachte mich eine Lücke im Münchner Meldebogen: am 18.9.1889 verließ Neuber seine Münchner Wohnung in der Findlingstraße, um sich erst am 18.2.1891 wieder anzumelden.16 Genau in diesem Zeit-raum sind in Murnau einige Werke entstanden, die sich datieren lassen. Dazu gehört ne-ben der Illustration der Schrift „Ein Sommer im Stahlbade am Staffelsee“ (dazu später mehr) ein im Jahre 1890 „im Stile alter Bauernkunst“ mit Motiven aus einer alten Bilderbi-bel bemalter und mit Versen beschrifteter eichener Schrank. An diesen, wie auch an die Ausgestaltung der „Villa Ainmiller“, wo es „allenthalben anheimelnd nach Ölfarbe und Fir-nis roch“, knüpfte Max Dingler noch 1953 lebhafte Kindheitserinnerungen. Schon 1887 (und dies ist ein weiterer Belege für Neubers frühen Aufenthalt in Murnau) hatte Neuber das „Landhaus Ainmiller“ in einem Ölgemälde festgehalten, das heute auf einer am Ainmillerpark in Murnau aufgestellten Tafel zu sehen ist. Auch die Bemalung des Gartentores und der Fensterläden am Hausmeisterhaus der Ainmillervilla stammen von Neubers Hand.17 Weitere Arbeiten, an die sich Dingler erinnerte, waren Landschaftsbilder von Murnau – „unter denen wohl die Abendstimmungen mit den tief geröteten Kiefern am Westufer der großen Staffelseeinsel und dem rosigen Licht auf verschneiten Bergen die markantesten sind“ – oder „ausgezeichnet getroffene Porträts.“18 Ferner zählten zu Neubers reichem Schaffen Illustrationen, Wandgemälde, Schießschei-ben, Diplome und manches mehr. 15

    Die Meldekartei enthält keine Eintragung. Freundliche Auskunft Dr. Marion Hruschka, MAM. 16

    Ab 18.2.1891 wohnte er in der Arcisstr. 17. StadtA München, PMB N 20. 17

    Mitteilung von Ludwig Betzmeier (1926-2007), Murnau. Art und Umfang der Bemalungen an den verschiedenen Gebäuden sind noch festzustellen. - Landhaus Ainmiller (ein „unverputzter Bachsteinbau im alpenländischen Hei-matstil“), ehemaliges Kutscherhaus, Remise (mit „bemalten Stützen“) sowie das Gartentor („hölzernes bemaltes Pagodentor mit Aussägearbeiten, bez. 1887“) sind mit der Datierung „1887“, bzw. „um 1887“ in der Denkmalliste des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege eingetragen. Siehe http://www.geodaten.bayern.de/denkmal_static_data/externe_denkmalliste/pdf/denkmalliste_merge_180124.pdf (Stand: 16.12.2015, Zugriff 27.12.2015)

    18 Anm. 1, Dingler (1953), S. 340f.

    http://www.geodaten.bayern.de/denkmal_static_data/externe_denkmalliste/pdf/denkmalliste_merge_180124.pdf

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    Liebenswürdigstes Denkmal 1890 erschien in der Murnauer Druckerei von Josef Fürst in erster Auflage Dr. Wilhelm Asams Schrift „Ein Sommer im Stahlbade am Staffelsee“.19 Darin schildert er anschaulich und lebendig Murnau, seine geschichtliche Vergangenheit, die nahe und weitere Umge-bung, die dort lebenden, arbeitenden und feiernden Menschen, ihre Tracht und ihr Brauch-tum. Mit mehr als 40, meist die ganze Seite ausfüllenden Federzeichnungen20 – oftmals 1889 und 1890 datiert – gab Neuber der Schrift seines Freundes den passenden Rahmen und setzte sich selbst damit das „liebenswürdigste Denkmal“, wie Dingler es formulierte. Neuber hat sich genau in der Umgebung umgesehen und seine Beobachtungen detail-getreu wiedergegeben. Wir sehen den Mittleren (Abb. 5) und den unteren Markt in Murnau (Abb. 6) oder einen von neugierigen Zuschauern umringten Maler (vielleicht Neuber selbst?) in freier Landschaft, den Riegsee malend (Abb. 7) oder eine Fischerin auf dem Staffelsee in ihrem Kahn. (Abb. 8)

    (Abb. 5)

    Der Mittlere Markt in Murnau

    (Abb. 6)

    Der untere Markt in Murnau – 1889. Das Wappen mit dem Murnauer Drachen

    21 ist schmückendes Beiwerk.

    19

    Die erste Ausgabe von 1890 weist 150 Seiten auf, die zweite erschien 1897 und hatte – da ein Vorwort und eine Erinnerung an die Enthüllung des König-Ludwig-Denkmals am 24. August 1894 eingefügt wurden – 156 Seiten. Zu diesem Ereignis soll Neuber ein „Ehrendiplom“ entworfen haben. Auskunft Dr. Marion Hruschka, MAM. – Asams Schrift wurde 1980 noch einmal nachgedruckt.

    20 Einige sind bereits in Auktionen angeboten worden, siehe http://www.artnet.de/ (Zugriff am 01.11.2015).

    21 Zum Murnauer Wappen siehe Marion Hruschka „Der Lindwurm – das Murnauer Wappentier“, in: Kat.Ausst. „1911

    – Kandinskys Reiter für den Almanach“, Hg. vom Schloßmuseum Murnau, bearb. von Sandra Uhrig, Murnau 2011, S. 42-50.

    http://www.artnet.de/

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    (Abb. 7)

    Blick auf den Riegsee – eine Kinderschar umringt den Maler.

    (Abb. 8) Uferpartie bei Uffing

    Damals dürfte die liebevoll illustrierte Schrift viel zum Bekanntwerden des neuen Stahlba-des beigetragen und Fremde zu Ausflügen „Auf’s Land“ eingeladen haben, so daß 1897 das „kleine Elaborat“ in einer weiteren Auflage erschien.

    Die Beschreibung des Stahlbades liefert noch ein interessantes Detail. Man erfährt nämlich, daß das farbenprächtige Wandgemälde in der Trinkhalle des 1879 erbauten Kurhauses ebenfalls von Neu-bers Hand stammt.22 (Abb. 9 Trinkhalle) Hätte Asam dies nicht wie nebenbei erwähnt, wer weiß, ob wir heute davon noch etwas wüßten, denn das Gebäude hat sich, da es einem Brand zum Opfer gefallen ist, leider nicht erhalten. (Abb. 9) Die Trinkhalle – 1890 – mit Neubers Wandgemälde in „far-benprächtiger“ Ausführung, von Asam folgendermaßen be-schrieben: „Erhöht wird seine Wirkung noch durch einen dunklen Grund, durch die Nachbarschaft lebender Gewächse und die bunten Gewänder und das wechselvolle Treiben einer modernen Badegesellschaft“.

    Neubers Zeichnungen und Aquarelle mit Motiven aus Murnau und Umgebung fanden auch Verwendung für Ansichtskarten23 und – wie bereits erwähnt – für den um 1912/13 erschie-nenen Fremdenführer „Murnau am Staffelsee“. 22

    Asam „Ein Sommer …“, 1897, S. 25. 23

    Peter K.W. Freude „Gruss aus Murnau. Der Markt auf alten Ansichtskarten“, Murnau 1999, Abb. Nr. 15, 29, 30, 61.

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    Murnauer Scheibenmaler Dingler, der Neuber schon von Kindheit an erlebte, schildert ihn als lebensfrohen, humor- und temperamentvollen, bescheidenen, warmherzigen und geselligen Menschen, der bis in die 1890er Jahre hinein (noch vor der Ära Emanuel von Seidls und seiner Münchner Künstlerfreunde) ein wichtiger Faktor des Murnauer Kunstlebens war. „Er repräsentierte es geradezu“, wie er es auf den Punkt brachte. Zu seinen Murnauer Freunden zählte der Schützenmeister der FSG Murnau, Meinrad Kellner. Neuber war nicht nur „begeistertes Mitglied“24 und ließ den Feuerstutzen knallen, sondern wurde „zum eigentlichen Murnauer Scheibenmaler“. Zu verschiedenen Anlässen fertigte er zahlreiche Ehren-, Hochzeits-, Kindstauf- oder Kriegergedenkscheiben, auf denen er etliche Murnauer Bürger25 oder be-sondere Begebenheiten in humorvoller Weise festhielt – in den Jahren des Ersten Welt-krieges zeigten die Scheiben einen „grimmigen Kriegshumor“. Derzeit noch nicht geklärt ist Dinglers Hinweis, die „originelle, nach einem Entwurf Karl Spitzwegs auf einen Rupfensack gemalte Schützenfahne, heute noch der Stolz der Murnauer Gilde“ verrate Neubers Hand.26 Denn nach dem heutigen Kenntnisstand stammt die Bemalung der Standarte der FSG Murnau aus dem Jahr 1854 von Carl Spitzweg.27

    Werke aus der Münchner Zeit Ein Werkverzeichnis zu Neubers Schaffen fehlt bislang, so daß Erwähnungen und Abbil-dungen derzeit nur vereinzelt zu finden sind. Dazu zählen Ausstellungs-Beteiligungen so-wie die gelegentlich im Internet oder in einschlägigen Auktionskatalogen veröffentlichten Auktionsergebnisse.28 Hauptsächlich handelt es sich dabei um Werke bis Mitte der 1890er Jahre: Landschaftsdarstellungen (meist ohne figürliche Staffage), Stilleben sowie Genres-zenen, für die Neuber in einem Spiel von Licht und Schatten Momentaufnahmen und wun-derbare Stimmungen eingefangen hat. Auffallend oft stehen kleine Kinder im Mittelpunkt.29 1891 entstanden „Blumengarten am See“ und „Früchtestilleben und Meerestiere“,30 oder „Sommernachmittag im Park mit spielenden Kindern“. (Abb. 10) 24

    Anm. 1, Dingler (1962), S. 23. 25

    Ein weiteres Beispiel dafür ist eine mit 14. August 1890 datierte Scheibe, die einen Mann im Brustporträt zeigt und mit „Zur Erinnerung an 25 Weisse“ beschriftet ist. Siehe www.feuerschuetzen-murnau.de/bildergalerie/ Gewon-nen hat sie A. Closner – das dürfte jener Lehrer („ein namhafter Musiker und glühender Wagner-Verehrer“) gewe-sen sein, mit dem Neuber eng befreundet war. Siehe dazu Anm. 1, Dingler (1953), S, 341. – Es könnte sich dabei um den Hofmusiker, Violinisten, Kammermusiker, Musikdirigenten und Violinlehrer Adolph Closner (1826-1914) handeln. Bayerisches Musiker-Lexikon Online, hrsg. von Josef Focht, http://bmlo.de/c0183 (Version vom 4. März 2009), Zugriff am 1.1.2016.

    26 Anm. 1, Dingler (1953), S. 341.

    27 Siehe dazu Kat.Ausst. „Carl Spitzweg. 1808-1885. Vor und hinter den Kulissen“, Hg. vom Schloßmuseum Murnau,

    bearb. von Brigitte Salmen, Murnau 2009, Vorwort S. 8 und Abb. S. 51 (Kat. 8). 28

    Einige sind beispielsweise erwähnt und teilweise abgebildet unter http://www.artnet.de/ oder http://artsalesindex.artinfo.com/ (Zugriff am 30.10.2015).

    29 Bereits in den Federzeichnungen zur Asam-Broschüre tauchen immer wieder kleine Kinder oder Mütter mit Kin-

    dern auf. 30

    Zu „Blumengarten am See“ (Öl auf Leinwand, 75 x 100 cm) siehe 620. Kunstauktion Dorotheum in Wien, 13. bis 16. Juni 1978, Lot. 84 mit Farb-Abb. Tafel XL. – Zu „Früchtestilleben und Meerestiere“ (Öl auf Leinwand, 57,5 x 144 cm) siehe 646. Kunstauktion Dorotheum in Wien, 4. bis 11. Dezember 1984, Lot. 440 mit sw-Abb. Tafel 67. Außer die-

    http://www.feuerschuetzen-murnau.de/bildergalerie/http://www.artnet.de/http://artsalesindex.artinfo.com/

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    (Abb. 10 ) „Sommernachmittag im Park mit spielenden Kindern“ 1891

    (70,5x109 cm)

    Das Bild zeigt im Vordergrund einer Allee zwei Frauen, zwei in entgegengesetzte Richtung stehende Kinderwägen und drei kleine Mädchen. Die dicht-belaubten Bäume am rechten Bildrand spenden kühlenden Schatten – und doch fallen ein paar Sonnenstrahlen hindurch und zeichnen ein lebhaftes Muster auf den sandigen Weg. Dieser verläuft in der Bild-Diagonale und zieht den Blick des Betrachters in die Tiefe. Links im Hintergrund sind eini-ge Gebäude zu erkennen. Die Szene strahlt beschauliche Ruhe, Harmonie und Zuwen-dung aus. Farbliche Akzente setzte Neuber durch die Verwendung von leuchtendem Rot und Blau für die Kinderwägen. Erhalten hat sich dazu eine Studie aus dem Jahr 1889, die einen interessanten Vergleich mit dem endgültigen Werk erlaubt. 31 Welche Örtlichkeit Neuber hier dargestellt hat, ist nicht bekannt. Das gilt auch für „Spielende Kinder im Gar-ten“ (1894).32 Ein weiteres reizendes und originelles Bild mit Kindern ist „Der Photograph“. (Abb. 11)

    sen beiden Werken wurde im Dorotheum bislang nur noch die oben erwähnte „Abendstimmung am See“ angebo-ten. Freundliche Auskunft von Frau Ingeborg Fiegl, Presse/PR, Dorotheum GmbH & Co KG, Wien.

    31 Siehe http://www.artnet.de/ (Zugriff am 01.11.2015).

    32 Siehe http://www.artnet.de/ (Zugriff am 01.11.2015). Das Gemälde hat auch den Titel „Mutter und Kinder im Gar-

    ten“.

    http://www.artnet.de/http://www.artnet.de/

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    Neugierig und gespannt umringen acht fein herausgeputzte Mädchen und Jungen ei-nen Fotografen, der dem Bild-Betrachter mit seinen Photo-Apparat frontal gegen-übersteht, ihn durch die Linse fixiert, um schon in der nächsten Sekunde abzudrü-cken. Das um 1890 in „raffinierter Komposi-tion“ entstandene Ölgemälde wurde im Jahr 2012 versteigert.33 Neuber stellt dabei – wie es in der Beschreibung des Objektes tref-fend heißt – im „klassischen Format eines Genrebildes auf Leinwand die noch junge Technik der Photographie vor und tritt dabei mit dieser zugleich in einen reizvollen Wett-streit der Künste, in dem die farbige, künst-lerisch komponierte und vollendet ausge-führte Malerei auch im Grad der Detailge-nauigkeit gegen die monochrome Photo-graphie besteht“.

    (Abb. 11)

    Der Fotograf nimmt den Betrachter auf’s Korn. (73x53 cm)

    (Abb. 12)

    Der Fotograf nimmt das Eichholz auf

    Bereits in der Asam-Broschüre zeigte Neu-ber einen Fotografen. Dargestellt ist er hier in der Rückenansicht, hochkonzentriert beim Aufnehmen einer Ansicht vom Eich-holz in Murnau; seinen Hund scheint das wenig zu beeindrucken, er wendet sich ab von seinem Herrchen. (Abb. 12)

    Keine Abbildungen sind bisher bekannt für das Aquarell „Bad Kohlgrub“34, das „Halbporträt junge Dame“ und „Wildschwein im Unterholz“ sowie „Zwei Kinder mit Dackel am Wald-rand, 1894“.35 33

    Auktion 99, Galerie Gerda Bassenge, Berlin am 01.06.2012, Lot 6152. 34

    Hinweis gefunden bei http://media.findartinfo.com/ (Zugriff am 01.11.2015). 35

    Hinweis gefunden bei http://de.artprice.com/ (Zugriff am 01.11.2015).

    http://media.findartinfo.com/

  • Eulenspiegel 2016_002

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    In dieser produktiven Münchner Zeit war Neuber an zwei Ausstellungen im Glaspalast be-teiligt: 1891 zeigte er „Ein Junimorgen“ und „Ein Spätsommertag“36 – dabei war sein „Ju-nimorgen“ „unter den vielen guten [gezeigten] Leistungen“ als tüchtige Arbeit eigens er-wähnt.37

    In der VI. Internationalen Kunst-Ausstellung vom 1. Juni bis Ende Okto-ber 1892 im Münchner Königlichen Glaspalast war er mit zwei Ölgemälden vertreten, die zum Kauf angeboten wa-ren: eine nicht näher bezeichnete „Idylle“ und „Am Odeonsplatz in München“. 38 Das signierte, [18]92 datierte und im Ausstellungs-Katalog abgebildete Werk trägt heute den Titel „Der Odeonsplatz in München im Winter, 1892“.39 (Abb. 13)

    (Abb. 13)

    War 1892 in der VI. Münchner Internationalen Kunstausstellung zu bewundern: Neubers Gemälde

    „Am Odeonsplatz in München“.

    Den Duft des Frühlings verströmt das Gemälde „Baumblüte in Grünwald, 1893“.40 Ent-standen sein dürfte es in der Nähe des Domizils, das Neuber im Frühjahr und Sommer 1893 in Grünwald bewohnte.41 Welchen Landstrich die Ansicht „Frühling im Hochgebirge, 1894“ zeigt, ist nicht überliefert.42 Vielleicht war es einer der letzten Ausflüge, die Neuber ins Gebirge unternahm, bevor er München verließ, denn der Münchner Meldebogen ver-zeichnet – allerdings erst 13 Jahre später (!) und ohne eine Angabe des Zieles – kurz und bündig: „fort seit 17.5.1895“.43 Was war geschehen? 36

    Illustrierter Katalog der Münchener Jahresausstellung von Kunstwerken aller Nationen im kgl. Glaspalaste 1891, München 1891, Nr. 1096 und 1097, ohne Abbildung. Beide Werke waren zum Kauf angeboten.

    37 „Die Kunst unserer Zeit. Eine Chronik des modernen Kunstlebens“, München 1891, S. 102.

    38 Illustrierter Katalog der VI. Internationalen Kunst-Ausstellung 1892 im Kgl. Glaspalaste, 1. Juni - Ende Oktober, 2.

    Aufl., ausgeg. am 20. Juni 1892, München, 1892, Nr. 1243 „Idylle“ und 1244 „Am Odeonsplatz in München“ (Abbil-dungs-Verzeichnis S. 26). http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0000/bsb00002406/images/ (Zugriff am 01.11.2015). – Abgebildet war es zudem in: Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892, S. 267 („Ausstellungen und Sammlungen“). Siehe http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kfa1891_1892/0339 (Zugriff am 01.11.2015).

    39 Maße 80,5 x 117 cm. Es hat bereits mehrfach den Besitzer gewechselt, siehe http://artsalesindex.artinfo.com/

    (Zugriff am 01.11.2015). 40

    Maße 56,5 x 74 cm. Abb. sh. http://www.artnet.de/ (Zugriff am 01.11.2015). 41

    Am 28.4.1893 meldete er sich von München nach Grünwald ab, wo er offensichtlich bis September 1893 blieb, denn der nächste Aufenthalt in Harlaching ist für den 20.9.1893 nachgewiesen. StadtA München, PMB N 20. – Der rund fünf-monatige Aufenthalt in Grünwald ließ sich nicht belegen, denn zur infrage kommenden Zeit gab es laut Auskunft von Frau Ulrike Grammel (Gemeindearchiv Grünwald) noch kein Melderegister. Auch in den Akten des Archivs findet sich kein Hinweis auf Neuber.

    42 Maße 40 x 46 cm. Abb. sh. http://www.artnet.de/ (Zugriff am 01.11.2015).

    43 Laut Eintrag im Meldebogen ist der Weggang erst am 21.10.1908 festgestellt worden. Die Gründe dafür sind unbe-

    kannt, da keine Unterlagen überliefert sind. Recherche und Auskunft durch Anton Löffelmeier, StadtA München.

    http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0000/bsb00002406/images/http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kfa1891_1892/0339http://artsalesindex.artinfo.com/http://www.artnet.de/http://www.artnet.de/

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    Neues künstlerisches Betätigungsfeld – neuer Lebensmittelpunkt Dazu verrät uns Max Dingler mit wenigen Worten: „Ein Ende fand diese Murnauer Epoche, als er sich verheiratete und nunmehr, um der schnell anwachsenden Familie (sechs Kin-der schenkte ihm seine Frau Barbara) den Lebensunterhalt zu schaffen, in die künstleri-sche Leitung der „Aktiengesellschaft für Kunstdruck“ in Niedersedlitz eintrat und in die Ge-gend von Dresden übersiedelte.“44 Heirat, Verantwortung für eine mehrköpfige Familie, gesichertes Einkommen und Orts-wechsel „in die Gegend von Dresden“ – damit umreißt Dingler Neubers neuen Lebensab-schnitt. Das Ende der „Murnauer Epoche“ bedeutete jedoch nicht den Abbruch der Ver-bindung dorthin. Denn Neuber zog es immer wieder nach Murnau zurück, wo er weiterhin künstlerische Spuren hinterlassen hat, wie beispielsweise eine 1905 für Emanuel von Seidl (1856-1919) gestaltete Ehrenurkunde,45 oder das „hübsche Titelblatt des Verschöne-rungsvereins-Prospekts“ sowie der „künstlerisch so schöne Entwurf der FeldFestpostkarte beim Bezirksturnfeste“46 zeigen – von weiteren Werken wird noch die Rede sein. Aber wann und wo heiratete Neuber? Wann und wo sind die Kinder geboren? Wo lebte die Familie? Hierauf gab es bislang keine Antworten… Erst die Nachlaß-Akte Hermann Neubers liefert zumindest einige Informationen.47 Daraus geht hervor, daß Hermann Neu-ber und seine Frau Maria Barbara48 fünf Kinder hatten49:

    Theodor Neuber, Akademiker, Dresden 2.11.1893

    Luise Neuber 13. Februar 1897

    Lilly Neuber 5. (oder 6.) Januar 1899

    Kurt Neuber 16. (oder 26.) Februar 1901

    Otto Neuber 8. (oder 28.) Mai 1904

    Der Geburtsort der Kinder ist nicht erwähnt. Einzig für den ältesten Sohn Theodor findet sich, als er Ostern 1911 an der Dresdner Kunstakademie immatrikuliert wird, die Perso-nalangabe: „geb. 2.11.1892 in München“.50 Zu der Zeit wohnte Neuber in München in der Nordendstraße 12.51 Offen ist, warum der Meldebogen keinen Hinweis auf die Ehefrau und den Sohn enthält. 44

    Zit. nach Anm. 1, Dingler (1953), S. 342. 45

    Erwähnt bei Marion Hruschka „Die ehemalige Turnhalle an der Bahnhofstraße – ein Seidl-Bau“, in: Chronik des TSV Murnau 1865 e.V. zum 150-jährigen Vereinsjubiläum 1865-2015, Murnau 2015, S. 11-21, hier: S. 12.

    46 Erwähnt im Staffelsee-Boten am 25. Januar 1916. Ob und wo diese Arbeiten noch existieren, wird noch festzustel-

    len sein. 47

    Angaben laut Nachlaß-Akte Neuber. 48

    Verwitwet gewesene Roß, geborene Weißbeck, Lebensdaten unbekannt (Stand: 22.01.2016). Der zweite Vorname Barbara ist in den amtlichen Dokumenten meist unterstrichen.

    49 Die Dokumente in der Nachlaß-Akte Neuber enthalten voneinander abweichende Geburtsdaten; offenbar ist dies

    damals nicht aufgefallen. – Für ein sechstes Kind (wie von Dingler erwähnt) gibt es keinen Hinweis. 50

    Archiv der Hochschule für Bildende Künstler Dresden, „Schülerlisten“ 1908-1911, Signatur 06/61. Freundliche Mit-teilung Dr. Simone Fugger von dem Rech. – Abweichend davon hatte Barbara Neuber 1893 als Geburtsjahr ihres Sohnes angegeben.

    51 StadtA München, PMB N 20. Gemeldet war er dort vom 20.10.1892 bis 28.4.1893.

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    Rätselhaft auch, daß Barbara Neuber nach dem Tod ihres Mannes (verstorben am 20. Januar 1916) hinsichtlich seiner Wohnorte den Aufenthalt in Bayern überhaupt nicht er-wähnte, denn sie gab lediglich zu Protokoll: „Mein verstorbener Ehemann Hermann Neu-ber, Kunstmaler, ist in Wien […] am 5.10.1860 geboren und hat dort bis zum 28. Lebens-jahr bei seinen Eltern […] gewohnt. Seit etwa 27 Jahren wohnte mein Ehemann in Tolke-witz, Laubegast, Kleinzschachwitz, seit 1905 immer in Dresden.“52 Dies erweckt den Anschein, Neuber sei im Alter von 28 Jahren (also 1888) von Wien di-rekt in die Dresdner Gegend gezogen, wo er 27 Jahre seines Lebens verbrachte. Das ent-spricht jedoch nicht den Tatsachen, denn Neuber hielt sich zunächst – wie bereits erläutert – für mehrere Jahre in Bayern auf, wo auch sein Sohn Theodor geboren ist –, bevor er sich, übrigens nach einer weiteren Zwischenstation (auf die ich noch komme), dann end-gültig in Dresden niederließ. Warum wohl, so fragt man sich, hat Barbara Neuber diese Zeiträume verschwiegen? Mit dieser gerafften und deshalb unvollständigen Darstellung fehlen bedeutsame Stationen im Leben des Künstlers, die nun, wenigstens teilweise, ergänzt werden sollen. Da sich im Meldebogen nicht nachweisen ließ, wohin Neuber (oder die junge Familie?) von München aus hingezogen ist, war mein Ausgangspunkt für die weitere Recherche zu-nächst Dinglers Hinweis auf die 1896 gegründete „Aktiengesellschaft für Kunstdruck“ in Niedersedlitz.53 Hergestellt wurden dort u.a. lithographische Druckarbeiten, Offsetarbeiten und Kartonnagen, besonders Reklamedruckarbeiten aller Art, wie Plakate, Reklamekar-ten.54 Voller Elan stürzte sich Neuber in neue Aufgaben, „entwarf in einem Bereich, der von Kunstverständnis unberührt war, seine flotten Plakate und notierte mit befreiendem Gelächter die ästhetischen Wünsche von Glanzbrikett- und Eiernudelfabrikanten.“55 Mehr als 17 Jahre – und damit seit etwa 1899 – war Neuber in der Aktiengesellschaft für Kunst-druck beschäftigt. Als Künstler, der „allzeit sein bestes, bewährtes Können für uns einsetz-te“ und als „beratender Freund, der uns durch seine Herzensgüte, seine Geradheit immer ein Vorbild gewesen ist“ genoß er hohes Ansehen.56 Als bislang einziger Beleg für Neubers dortiges Wirken hat sich in den Staatlichen Kunst-sammlungen Dresden ein Plakat erhalten, das er für die Kulmbacher Export-Brauerei Mönchshof gestaltete.57 In einem gotischen Kreuzgang sehen wir einen Mönch mit einem überschäumenden Maßkrug – seine Geste, das süffisante Lächeln und die verzückt ge-schlossenen Augen verraten, daß er mit dem Ergebnis der Braukunst hoch zufrieden ist. In einiger Entfernung ist im Tal die Brauereianlage zu erkennen. 52

    Zitiert nach der Nachlaß-Akte Neuber. 53

    Gegründet am 15.7.1896. Firma bis 6.2.1900: AG für Kunstdruck vorm. Willner & Pick, danach: AG für Kunstdruck. http://www.schoene-aktien.de/wertpapier-KU00119.html (Zugriff am 31.12.2015)

    54 „Die Aktiengesellschaften im Bezirk Dresden 1929“. Bearbeitet und überreicht von Gebr. Arnold Bankhaus Dres-

    den-Berlin, S. 9. Nähere Angaben dürften im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden zu bekommen sein. – Nieder-sedlitz wurde 1950 nach Dresden eingemeindet.

    55 Zit. nach Anm. 1, Dingler (1953), S. 342.

    56 Zitat aus der Todesanzeige im Dresdner Anzeiger vom 22. Januar 1916. Für das Aufspüren der Todesannonce dan-

    ke ich Frau Anett Hillert vom Stadtarchiv Dresden. 57

    Bestand Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Inventarnummer: Kg 37112, Maße: 778 x 1001 mm (Blatt). Datiert um 1900. http://skd-online-collection.skd.museum/de/contents/show?id=1467833 (Zugriff am 19.10.2015).

    http://www.schoene-aktien.de/wertpapier-KU00119.htmlhttp://skd-online-collection.skd.museum/de/contents/show?id=1467833

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    Diese Darstellung war auch als Werbemate-rial erhältlich, wie ein Angebot bei e-bay im Oktober 2015 zeigte.58 (Abb. 14)

    (Abb. 14) Das für die „Aktiengesellschaft für Kunstdruck“ ge-staltete Plakat-Motiv für die Kulmbacher Export-Brauerei Mönchshof wurde auch als Werbematerial verwendet

    Wo die Familie Neuber im Zeitraum von 1899 bis etwa 1906 wohnte, ist offen, denn erst für den Zeitraum 1907 bis 1913 bekommen wir wieder einen Hinweis: der „Kunstmaler“ Hermann Neuber wohnte in der Liehrstraße 14 im damaligen Vorort Laubegast. Dies ließ sich allerdings – da die Meldeunterlagen der Landeshauptstadt Dresden bis 1945 Kriegs-verlust sind – nur über die Einträge im Adreßbuch von Laubegast erschließen.59 Wie aber ist die Lücke zwischen dem Wegzug (oder war es ein überstürzter Aufbruch?) aus München im Jahr 1895 und dem Jahr 1899 zu schließen? Und was geschah nach 1913? Die Suche ging weiter …

    Einen ersten Anhaltpunkt dafür gab mir ein im Jugendstil gestaltetes „Anerkennungs-Diplom“, das 1999 in einer Auktion zur Versteigerung angeboten wurde. (Abb. 15) Denn die „Lithographie in Grautönen auf cremefarbenem Bütten“ für die „Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbe Ausstellung“ stammt von H. NEUBER, Leipzig, 1897.60 (Abb. 15) Von Hermann Neuber gestaltetes Anerkennungs-Diplom, das dem Markscheider P. Hauße anl. der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe Ausstellung in Leipzig 1897 verliehen wurde.

    58

    „Brauerei/Werbespiegel/Mönchshof“, Maße 52 x 72 cm. Beschreibung nach Angaben des Verkäufers. Angebot beendet am 22.10.2015.

    59 Siehe Adreßbuch für Dresden und seine Vororte http://digital.slub-dresden.de/ (Signatur Hist.Sax.G.370-1907 bis -

    1913; Zugriff am 01.11.2015). Da Neuber 1907 im Adreßbuch verzeichnet ist, muß er bereits 1906 hier gewohnt haben. Ab 1909 verzeichnet das Adreßbuch die Wohnungen im Parterre und I. Stock, seit 1910 hatte Neuber einen Telefon-Anschluß. - In Laubegast, das 1921 nach Dresden eingemeindet wurde, ist Hermann Neuber heute nicht bekannt. Freundliche Mitteilung von Bernd Sonntag, der Stadtführungen in Dresden Laubegast durchführt.

    60 Maße 75,5 x 49 cm. Die Auktion 009 mit Los 1126 fand am 20.11.1999 bei Quittenbaum Kunstauktionen GmbH in

    München statt. In der Platte bez.: H. NEUBER, Leipzig, 1897. Die Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbe Ausstellung dauerte vom 24. April bis 19. Oktober 1897.

    http://digital.slub-dresden.de/

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    Leipzig … hat er vielleicht dort gelebt? – fragte ich mich spontan. Ja, tatsächlich – denn ein Blick in das Leipziger Adreß-Buch bestätigt, daß der „Zeichner“, bzw. „Kunstmaler“ Neuber zunächst in Reudnitz, Chausseestraße 37 II (1896 bis 1898), danach in Schleußig, Schnorrstraße 10 I (1899) wohnte61 … bevor er, wie oben erwähnt, Leipzig in Richtung Dresden verließ.

    Zu Leipzig-Schleußig fand ich noch eine interes-sante Verbindung, denn auch für die dort ansässi-ge Kunstanstalt Grimme & Hempel Act.Ges. ge-staltete der „Genre- und Landschaftsmaler, Zeich-ner, Plakatzeichner“ Hermann Neuber, soweit man bis jetzt weiß, drei Plakate.62 Dazu zählt eine Farb-lithographie für die 1869 gegründete Meissner Nähmaschinen-Fabrik BIESOLT & LOCKE. Das freie Feld unterhalb der Darstellung war vor-

    gesehen für Angaben zur Vertriebsfirma63 – hier (Abb. 16) der Kgl. Hoflieferant E. Härting, dessen Handlung ihren Sitz in der Neuhauserstraße 7 in München hatte.

    (Abb. 16)

    Farblithographie für die Meissner Nähma-schinen-Fabrik BIESOLT & LOCKE .

    61

    Neuber dürfte 1895 direkt von München nach Leipzig gezogen sein. Zum Leipziger Adreß-Buch siehe http://digital.slub-dresden.de/ (Signatur Hist.Sax.H.1390-1896 bis -1899, Zugriff am 08.11.2015). – Einwohnermel-deunterlagen von 1890 bis 1910 sind im Stadtarchiv Leipzig nicht überliefert. Hinweis von Frau Claudia Hinze, Stadt Leipzig, Hauptamt/Stadtarchiv.

    62 Lise Lotte Möller, Heinz Spielmann, Stephan Waetzold (Hgg.) „Das frühe Plakat in Europa und den USA“, Gebr.

    Mann Verlag Berlin, 1980, Bd. 3, Teil 1, S. 206, Nr. 2349 (Panorama Leipzig Rossplatz St. Privat …), Nr. 2350 (Biesolt & Locke Meissner Nähmaschinen-Fabrik) und Nr. 2351 (Clemens Müller Dresden); sw-Abb. im Teil 2, Tafel 165, Nr. 2349 bis 2351. Zum damaligen Zeitpunkt befanden sich die Plakate im Bestand des Museums für Kunst und Ge-werbe in Hamburg. – Die biographischen Angaben (siehe S. 205) beschränkten sich auf Neubers Tätigkeitsbereiche, Lebensdaten sind nicht genannt.

    63 Maße der Lithographie 85 x 48 cm, signiert H. Neuber, nicht datiert. Der Platz für die Vertriebsangaben war zu

    knapp bemessen, so daß der Ort nicht genannt ist. Dafür sind bislang zwei Beispiele bekannt geworden: 1) Vertrieb durch A. Schott,L., Elisabethstr. 22. (ohne Ortsangabe) Bestand Albertina, Wien, Inventarnummer DG2003/2199 http://sammlungenonline.albertina.at/?query=Inventarnummer=[DG2003/2199]&showtype=record (Zugriff am 31.10.2015). 2) Vertrieb durch E. Härting, Kgl. Bayer. Hoflieferant Neuhauserstrasse 7 (ohne Ortsangabe) Dieses Plakat gelangte im Jahr 2005 bei Joerg Weigelt Auktionen in Hannover unter Lot. 463 als „Altes Art Nouveau Plakat Nähmaschinen 1900“ zum Aufruf. Siehe https://www.liveauctioneers.com/item/1225913_altes-art-nouveau-plakat-nahmaschinen-1900 (Zugriff 31.10.2015). – Die Handlung von E. Härting hatte seit 1898 ihren Sitz in der Neuhauserstraße 7 in München. Auskunft von Dr. Richard Winkler, Bayerisches Wirtschaftsarchiv, München.

    http://digital.slub-dresden.de/http://sammlungenonline.albertina.at/?query=Inventarnummer=%5bDG2003/2199%5d&showtype=recordhttps://www.liveauctioneers.com/item/1225913_altes-art-nouveau-plakat-nahmaschinen-1900https://www.liveauctioneers.com/item/1225913_altes-art-nouveau-plakat-nahmaschinen-1900

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    Ein Plakat für die Nähmaschinenfirma Clemens Müller in Dresden64 stammt ebenfalls von Neuber. Einem geschichtlichen Thema gewidmet ist das Plakat „Panorama Leipzig Ross-platz St. Privat Neu für Leipzig Diorama: Kaiser Wilhelm in seinem Arbeitszimmer …“.65

    Kinderbücher Zu weiteren, um 1895 bekannt gewordenen Arbeiten zählen die Illustrationen zu zwei Kin-derbüchern von Robert Hertwig, die um 1896/97 in Erfurt erschienen: „Die Struwwelsuse. Lustige Geschichten und drollige Bilder aus dem Kinderleben“ und „Struwwelpeter auf Reisen. Eine lustige Wandergeschichte mit vielen, vielen Illustrationen von H. Neuber“.66 Die farbigen Illustrationen der einzelnen Geschichten, die nach „Struwwelpeters Besse-rung“ einen „verwandelten“, also sauber herausgeputzten und ordentlich frisierten Struw-welpeter auf seiner Reiseroute durch Deutschland begleiten, bezaubern noch heute den Betrachter. (Abb. 17 und 18). Möglicherweise stammt auch die Illustration zu Robert Hertwigs „Von Tieren, die zu Balle geh'n, Gibt's hier viel Lustiges zu seh'n“ – eines „seltenen, prachtvollen Kinderbuches“ – von Neuber.67

    (Abb. 17)

    Aus „Struwwelpeter auf Reisen“ Für Struwwelpeters Besuch in München wählte

    Neuber die Silhouette der Stadt mit Flößen auf der Isar – umgeben hat er die Darstellung mit Maler-

    Utensilien. … vielleicht eine Reminiszenz an seine eigenen Münchner Jahre?

    Zu München gehört neben einer zünftigen Brotzeit natürlich auch der Besuch des Hofbräu-Hauses …

    (Abb. 18) … wohin der Struwwelpeter in einem weiß-blau ge-schmückten Bierfaß fährt. Abends berichtet er den Eltern von seinen Erlebnissen und nimmt bald Ab-

    schied von Bavaria. 64

    Sie wurde 1855 als erste deutsche Nähmaschinenfabrik gegründet. Hergestellt wurden dort Nähmaschinen der Marke Veritas. Maße der Chromolithographie 65 x 40 cm, signiert H. Neuber, nicht datiert.

    65 Maße der Chromolithographie 86 x 56 cm, H N ligiert, nicht datiert. – Das Leipziger Panorama war ein 1884 eröff-

    neter Rundbau, in dessen Ausstellungsraum Panoramabilder gezeigt wurden. Dazu gehörte u.a. das Schlachten-Panorama „St. Privat“, das sich auf die „Schlacht bei Gravelotte“ im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 bezieht. Details aus diesem Schlachtenpanorama waren auch auf Ansichtskarten der Kunstanstalt Grimme & Hempel zu se-hen. Inwieweit Neuber hier ggf. beteiligt war, wäre noch zu prüfen.

    66 Der Struwwelpeter erschien in verschiedenen Ausgaben, die sich in der Auswahl und Anzahl der Geschichten und

    Reiseziele unterscheiden. Zur digitalen Version des „Struwwelpeter“ Gotha [um 1900] siehe http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00043031 (Zugriff am 31.10.2015). Das Blatt „Gute Nacht Peter“ trägt die Signatur HN 97. – Die Ver-sion der „Struwwelsuse“ von 1897 ist digital verfügbar unter http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht/?PPN=PPN835529770&LOGID=LOG_0001 (Zugriff am 31.10.2015).

    67 Erschienen im Verlag Fürth Löwensohn o. J., 1908. Die Buchbeschreibung gibt an: „durchgehend großteils farb.

    Illustrationen (wahrscheinlich v. Hermann Neuber)“. Angebot bei ZVAB.com (Zugriff am 27.12.2015).

    http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00043031http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00043031http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht/?PPN=PPN835529770&LOGID=LOG_0001http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht/?PPN=PPN835529770&LOGID=LOG_0001

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    Woaßt as scho? … Der Neuber is da! Mit dieser Neuigkeit bestürmte Schützenmeister Kellner am 29. Au-gust 1909 Max Dingler beim Arco-Schießen.68 Groß war die Freude über das unverhoffte Wiedersehen mit dem „munteren Maler aus Großvaters Tagen“, der – was Dingler als Mundartdichter besonders auffiel – wienerisch-bayerisch sprach, also „nicht einen Hauch von sächsischem Idiom“ angenommen hatte. Selbstverständlich war Neuber eingeladen, bei der Grundsteinlegung für Dinglers geplantes Haus am Eichholz mitzufeiern. Der Be-such wurde schließlich für einen gemeinsamen Ausflug auf die Hütte bei der Kaseralm genutzt. Schwerbepackt mit „mehr als einem halben Zentner Malgerät und Proviant“ ging’s hinauf. Oben wurde gedichtet und gemalt – und Dingler arbeitete die Pläne für sein Haus durch, wobei er Neuber mit einbezogen haben dürfte. Und sicher hat Neuber viel von sei-ner Tätigkeit bei der Aktiengesellschaft für Kunstdruck erzählt. Nach drei Wochen stiegen die Freunde wieder ins Tal – mit reicher Ausbeute: Neuber hatte routiniert mit „könneri-scher Sicherheit“ Landschaftszeichnungen, Baumstudien und Ölbilder ausgeführt … und Dingler „hatte die fertigen Pläne für das Eichholzhaus im Rucksack“. Die Baumaßnahmen konnten unverzüglich beginnen, die Einweihungsfeier fand im Mai 1910 statt. Bei seinem nächsten Murnau-Aufenthalt, zwei Jahre später (1912), konnte Neuber das Dingler’sche Landhaus bewundern. Auch diesen Besuch nutzten die „schönheitsdurstigen Vagabunden“ für eine Künstlerfahrt. Diesmal ging’s nach Italien. Auf dem Plan standen der Gardasee, Verona, Mantua, Bologna, Florenz, San Giminiano, Certaldo, Ravenna, Chiog-gia, Venedig und Triest. Die Erlebnisse wurden in Skizzenbüchern festgehalten und wirk-ten noch lange in den Briefen der beiden Freunde nach. Im folgenden Jahr, 1913, zog es Neuber noch einmal nach Murnau. Es dürfte die letzte Begegnung der beiden Freunde gewesen sein, denn Dingler brach im Spätsommer dieses Jahres zu einer Ägyptenreise auf, von der er erst im Mai 1914 zurück kehrte.

    Entstanden sein dürfte bei diesem Besuch die am 6. August 1913 „Meinem lieben Dingler Max“ gewidmete aquarellierte Zeichnung.69 (Abb. 19) Sie zeigt zwei in Tracht gewandete Paare, die in überschäumender Freude und atemberauben-der Akrobatik durch die Luft wirbeln. Explosiv ausgebrochene Lebenslust und Freude spricht aus dieser karikaturhaften Darstellung eines Schuhplattler-Tanzes. (Abb. 19) Meinem lieben Dingler Max Murnau 6. Aug. 1913 H. Neuber

    68

    Zu den Informationen in diesem Abschnitt siehe Anm. 1, Dingler (1953), S. 342 und Dingler (1961), S. 40f, S. 48 und S. 54.

    69 Privatbesitz. Maße ca. 57 x 45 cm.

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    Zu weiteren humorvollen und originellen Arbeiten zählt „Der Beginn einer dicken Freund-schaft“ von 1910 (auch mit dem Titel „Der große und der kleine Frosch“). Dargestellt ist die Begegnung eines Babys mit einem gleich großen Ochsenfrosch in einem Garten. 70 (Abb. 20) In einer weiteren Gouache, entstanden 1911, jagt Satyr in freier Landschaft vor einem gewaltigen Bergmassiv den nackten Nymphen hinterher.71

    (Abb. 20) Der Beginn einer dicken Freund-schaft

    Letzte Lebensjahre Erinnern wir uns, daß Neuber von 1906 bis 1913 in der Liehrstraße 14 wohnte. Im Herbst 1913 ist er innerhalb von Dresden erneut umgezogen, denn am 17. Oktober spricht er in einem Brief an Max Dingler vom „Umzugsrummel“. Niedergelassen hat er sich in Dresdner Ortsteil Alttolkewitz 7, wo er bis in das Jahr 1915 im I. Stock des Hintergebäudes wohn-te,72 bevor er die Wohnung erneut wechselte. Der Umzug in die Tischerstraße 6 b im Orts-teil Striesen73 sollte der letzte sein … Neuber schrieb Dingler auch nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges so manchen Brief ins Feld. Auf diese Weise dürfte der Freund von dem schweren Schicksalsschlag erfahren haben, den die Familie Neuber 1915 traf und zutiefst erschütterte. Der älteste „hochbegab-te“ Sohn Theodor, Künstler74 wie der Vater, war in der österreichischen Armee in das k. u. 70

    Siehe http://www.artnet.de/ (Zugriff am 01.11.2015). Die Gouache auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, mißt 41,5 x 116 cm.

    71 Maße 32,5 x 120 cm. Zuletzt angeboten am 20.03.2013 in der Auktion 1008 bei Lempertz in Köln unter Los. 114.

    72 Dies ergibt sich aus einigen in Kopie im MAM aufbewahrten Briefen Neubers an Dingler, auf die mich Frau Dr. Ma-

    rion Hruschka, MAM dankenswerterweise aufmerksam machte. – Laut Adreßbuch für Dresden und seine Vororte wohnte Neuber 1914 und 1915 in Alttolkewitz 7, I. Hintergebäude. Siehe http://digital.slub-dresden.de/ (Signatur Hist.Sax.G.370-1914 und 1915; Zugriff am 25.12.2015).

    73 Adreßbuch für Dresden und seine Vororte http://digital.slub-dresden.de/ (Signatur Hist.Sax.G.370-1916; Zugriff am

    25.12.2015). Berücksichtigt man den zeitlichen Vorlauf, der zur Erstellung des Adressbuches erforderlich war (Be-richtigung, Drucklegung …), dann bezog Neuber schon 1915 die Wohnung in der Tischerstraße. Ob der Umzug mit dem Tod des Sohnes oder weiteren familiären Veränderungen zusammenhängt, ist nicht bekannt.

    74 Nach der Immatrikulation an der Dresdner Kunstakademie Ostern 1911 besuchte er die Mittelklasse bei Prof.

    Richard Müller und Prof. Osmar Schindler, vom Sommersemester 1912 bis Wintersemester 1913/14 die Malklasse von Prof. Oskar Zwintscher, ab Sommersemester 1914 das Atelier von Hermann Prell, Professor für Historienmale-rei. Archiv der Hochschule für Bildende Künste Dresden, „Schülerlisten“ 1908-1911, Signatur 06/61 und („Schüler-listen“ 1912-1916, Signatur 06/62. Die Informationen stellte Dr. Simone Fugger von dem Rech zur Verfügung.

    http://www.artnet.de/http://digital.slub-dresden.de/http://digital.slub-dresden.de/

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    k. Hoch-und Deutschmeister-Regiment eingerückt. Gefallen ist er am 10. Mai 1915 in Ga-lizien. „Damit war Hermann Neubers größter Stolz und größte Hoffnung begraben.“75 Er war nicht stark genug, den Tod des Sohnes zu verkraften – verkümmerte regel-recht und verstarb am 20. Januar 1916 im Alter von 55 Jahren „unerwartet an Herz-schlag“. Die Einäscherung fand am 23. Januar 1916 im Krematorium Dresden-Tolkewitz statt, die Beisetzung am 7.9.1918 im Urnenhain, Urnenstelle Abt. C Nr. 48. Weitere Perso-nen wurden in der am 20.12.1950 aufge-lassenen Grabstelle nicht beigesetzt.76

    (Abb. 21)

    Todesanzeige der Aktiengesellschaft für Kunstdruck im Dresdner Anzeiger vom 22.01.1916

    Todesanzeigen erschienen im Dresdner Anzeiger von der Aktiengesellschaft für Kunst-druck (Abb. 21) und der Dresdner Kunstgenossenschaft, deren Mitglied Neuber war.77 Die „tieftraurige Nachricht“ vom Tode Neubers erreichte auch Murnau. Der Staffelsee-Bote würdigte den Künstler am 25. Januar 1916 und bedauerte den Verlust eines treuen Anhä-ngers, dem Murnau viel zu verdanken hat.78

    Die Hinterbliebenen Da die Dresdner Meldeunterlagen, wie bereits erwähnt, vor 1945 Kriegsverlust sind, waren zu Barbara Neuber und den minderjährigen Kindern lediglich aus der Nachlaß-Akte einige 75

    Anm. 1, Dingler (1953), S. 342 (demnach war er nach dem Sturm auf Przemysl im Mai 1915 zunächst vermißt, Mo-nate später wurde der Tod bestätigt). Barbara Neuber gab an, ihr Sohn sei in Galizien gefallen, in der Personenda-tenbank der Hochschule für Bildende Künste Dresden ist als Sterbeort „Sanok / Galizien“ erfaßt.

    76 Sterbeeintrag im Stadtarchiv Dresden, Bestand Standesamt 6.4.25, Nr. 5.4.2-28. Unter Religion ist „Dissident“ an-

    geführt. – Eintrag im Einäscherungsregister im Stadtarchiv Dresden, Bestand Städtisches Friedhofs- und Bestat-tungswesen - Krematorium Tolkewitz 9.1.24, Einäscherungsregister 1916, Nr. 2939. Für die Recherche bedanke ich mich bei Frau Anett Hillert, Stadtarchiv Dresden. – Auskünfte zur Grabstätte erteilte Jens Börner, Fachbereichsleiter Urnenhain Landeshauptstadt Dresden, Eigenbe-trieb Städtisches Friedhofs- und Bestattungswesen. – Die Todesursache ist im Dresdner Anzeiger vom 22.01.1916 genannt. Ursprünglich war ich davon ausgegangen, Neuber sei auf dem ev.-luth. Striesener Friedhof Dresden beigesetzt worden, da dort auch Gemeindemitglieder der kath. Herz-Jesu-Gemeinde (diese liegt Neubers Wohnadresse Ti-scherstraße am nächsten) bestattet werden. Ein Bestattungsvermerk war dort allerdings nicht zu finden. Für die Durchsicht des Bestattungsbuches danke ich Frau Heike Hofmann, Verwaltungsleiterin des Striesener Friedhofes Dresden. Fälschlicherweise ist bei J.[akob] Gebhart „Murnau in der Kunst. Führer durch die Kunstausstellung Murnau 1922“, Murnau 1922, S. 8 das Sterbedatum mit „25. Januar 1916“ angegeben.

    77 Anzeige der Dresdner Kunstgenossenschaft im Dresdner Anzeiger vom 23.01.1916, 186. Jg., Nr. 22, S. 43. –

    Auf beide Anzeigen machte mich dankenswerterweise Frau Anett Hillert, Stadtarchiv Dresden aufmerksam. 78

    MAM, Staffelsee-Bote vom 25.01.1916. Wer die Nachricht von Neuber Tod in Murnau verbreitete und den Beitrag für den Staffelsee-Boten verfaßte, ist nicht bekannt.

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    Informationen zu bekommen.79 Nach dem Tod ihres Mannes, der ihr und den Kindern eine Lebensversicherung hinterlassen hatte, lebte Barbara Neuber einige Jahre in der Burg-straße 42 im Dresdner Vorort Oberlößnitz. Wichtig war ihr, daß ihre Kinder etwas „Tüchti-ges lernen“: die 19-jährige Luise war in Chemnitz Borna als Chemiker Assistentin ange-stellt, Lilli (16 Jahre alt) lernte Putzmacherin in Dresden, Kurt (15) besuchte die Landwirt-schaftliche Schule in Bautzen und der Jüngste, der 12-Jährige Otto ging in Ober-Lößnitz zur Schule. Zum künstlerischen Nachlaß ihres Mannes gab sie an, Wert hätte er „momen-tan gar keinen“.

    Weitere nachweisbare Werke Einige wenige Werke des Künstlers befinden sich im öffentlichen Besitz: In den Staatli-chen Kunstsammlungen Dresden werden von Neuber außer dem erwähnten Plakat „Kul-mbacher Export-Brauerei Mönchshof“, noch zwei weitere Plakate „Peters Union Pneuma-tic“ und „Velma Suchard“, sowie eine Radierung („Faun im Wald“) und eine Zeichnung („Waldinneres“) aufbewahrt. Diese stammt aus dem Sterbejahr Neubers und dürfte ver-mutlich eine seiner letzten Arbeiten sein.80 Das Schloßmuseum Murnau besitzt neben einzelnen, illustrierten Seiten aus der Asam-Broschüre „Ein Sommer im Stahlbade“ noch zwei alte Schießscheiben.81 Die Anzahl der für die FSG Murnau gestalteten Scheiben ist noch festzustellen. In Privatbesitz erhalten haben sich viele Bilder und Zeichnungen, „Skizzen, anatomische Studien und saftig-derbe Bilder, die strotzen von Lebensfreude“.

    Nachwirkungen Saftig-derb, strotzend vor Lebensfreude – das trifft auch auf eine weitere Darstellung mit Schuhplattlern aus dem Jahr 1914 zu. Zwei Musikanten – ein Mundharmonika-Spieler und ein singender Gitarre-Spieler – haben die beiden Trachtenpaare ordentlich in Fahrt ge-bracht. Ausdrucksstarke Gesten, überzeichnet riesige Hände, stampfende Schritte, über-dimensionierte genagelte Haferlschuhe, durcheinanderwirbelnde Gliedmaßen und fliegen-de Röcke kennzeichnen das ungemein bewegte Bild. Der Verblieb der Zeichnung ist unbekannt – aber die lustige Gesellschaft (später bezeich-net als „Deftige Plattlerprobe“) sollte mehr als zehn Jahre nach Neubers Tod noch eine besondere Verwendung finden. Denn als 1928 am Dünaberg in Murnau die neu-erbaute Wirtschaftshalle auf der Fürst-Alm mit allerhand originellen Gerätschaften, Lampen, Sprü- 79

    Die folgenden Angaben stammen aus der Nachlaß-Akte Neuber. Testament oder Erbvertrag waren nicht vorhan-den. Frau Neuber hatte sich zur Übernahme der Vormundschaft über die vier minderjährigen Kinder bereit erklärt. Hierzu enthält die Nachlaß-Akte – da Neuber die österreichische Staatsangehörigkeit beibehalten hatte – auch Schriftstücke österreichischer Gerichte, die ggf. noch auszuwerten wären.

    80 Freundliche Auskunft von Andreas Pischel, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett. Die Plakate

    sind bislang noch nicht online verfügbar (Stand: 21.10.2015). 81

    Auskunft von Frau Dr. Sandra Uhrig, Schloßmuseum Murnau.

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    chen und Wandschmuck ausgestattet wurde, fanden Neubers Schuhplattler aus dem Jahr 1914 ihren Platz an der Ostseite.82 Und schließlich war dieser „Wandschmuck auf der Fürst-Alm/Murnau Obb.“ noch als schwarz-weiß-Postkarte zu bekommen und konnte, mit dem Stempel der Fürst-Alm verse-hen, verschickt werden.83 (Abb. 22) Hätte Neuber noch gelebt, wäre er sicher zusammen mit Max Dingler auf der Fürst-Alm eingekehrt – und wäre dabei auf eine verwandte Künstlerseele getroffen, den Murnauer Hinterglasmaler Heinrich Rambold (1872-1953). Dieser war übrigens von Neubers Schuh-plattlern so angetan, daß er sie in den 1930er Jahren treffend mit ausdrucksstarken Far-ben mehrmals hinter Glas malte. (Abb. 23) Ob Neuber sich – wie beispielsweise auch Gabriele Münter – von Rambold in die Technik des Hinterglasmalens einweisen ließ, weiß man nicht.

    (Abb. 22)

    Die Ansichtskarte (um 1930, hier im Detail) zeigt den „Wandschmuck auf der Fürst-Alm“. Die Schuhplatt-

    ler-Karikatur hatte Neuber 1914 gefertigt (rechts unten signiert H. Neuber 1914).

    (Abb. 23)

    Heinrich Rambold war begeistert von Neubers Schuh-plattlern, so daß er sie in den 1930er Jahren mehrfach

    hinter Glas malte.

    Eine weitere interessante Entdeckung machte ich ganz zufällig, als ich – aus ganz ande-ren Gründen – im Murnauer Tagblatt von 1931 blätterte. Es war die schmückende Grafik in einer Anzeige vom 21.08.1931, mit der zur Aufführung der lustigen Bauernposse „Die Dorf-Venus“ im Murnauer Bauerntheater eingeladen wurde.84 Unverkennbar stammt sie von Neuber – wie es mir dann auch die Signatur HN und die Jahreszahl 1913 bestätigte. (Abb. 24) 82

    Irene Dütsch: Die Fürst-Alm – die Gaststätte mit „Murnaus schönster Aussicht“. Eine kulturgeschichtliche Spuren-suche, in: Schönere Heimat, 104. Jahrgang, 2015, Heft 2, S. 114-124, Abb. S. 119.

    83 Möglicherweise gab die Familie Kellner die Anregung dazu, denn eine Karte wurde im Eigenverlag Ernst Kellner,

    Murnau verlegt; eine zweite, motivgleiche Karte trägt hingegen keine Verlagsangabe. 84

    MAM, Murnauer Tagblatt vom 21.08.1931.

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    Die Darstellung bezieht sich inhaltlich jedoch nicht auf das Stück von Hans Hunkele, denn dieses ist erst 1928 entstanden.85 Jedoch entfaltet Neuber mit seiner originellen Komposi-tion eine ganze eigene Geschichte von Gute und Böse – und einem guten Ausgang. Zwei riesige Köpfe mit sperrangelweit geöffnetem Mund stehen im Mittelpunkt: grimmigen Bli-ckes speit der linke zwei wütende, kampfbereite Männer aus, die sich sogleich in die Rau-ferei stürzen werden, die im linken Bild in vollem Gange ist. Schon wird ein Erstochener unter Tränen und Trauer beklagt. Ganz anders die rechte Bild-Hälfte. Hier geht es in über-schäumender und feuchtfröhlicher Stimmung hoch her: da wird musiziert, gesungen, ge-plattelt. Der Schuhplattler springt vor Freude an die Decke, den Stuhl hat er dabei schon umgeworfen, sein Dirndl dreht sich schwungvoll – ein dürrer Hochzeitslader steht bereits in Lauerstellung … Und kann sicher bald seines Amtes walten, wenn sich alle „einig“ sind. Der kleine kess dreinblickende Amor in der Bildmitte zwischen den beiden Köpfen scheint nur darauf zu warten, endlich seinen Pfeil abzuschließen. Daß alles schließlich doch gut ausgegangen ist, zeigt ein sich herzlich umarmendes Paar, das Neuber zwischen die bei-den Köpfe platzierte. Insbesondere der Schuhplattler auf der rechten Seite erinnern an die etwa zeitgleich ent-standenen, oben erwähnten Darstellungen. Die Rauferei, der Hochzeitslader und der an die Decke schuhplattelnde Bursch weisen Neuber als guten Beobachter seiner Umgebung aus, der sich auch mit bayerischem Brauchtum auskannte.

    (Abb. 24)

    Eine Graphik von Neuber schmückt am 21.08.1931 eine Anzeige im Murnauer Tagblatt

    85

    Ob Neuber sich von einem anderen, vor 1913 entstandenen Stück, inspirieren ließ, oder ob es eine freie Komposi-tion ist, weiß man nicht.

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    Ein Hingucker – und enttäuschte „Ohs“ und „Ahs“ Im Jahr 2013 zeigte die Galerie Barthelmess & Wischnewski in Berlin die Ausstellung „Sommer Impressionen“. Unter den 53 Bildern fiel eines durch seine wunderschöne atmo-sphärische Wirkung auf: Neubers um 1900 entstandenes Werk mit dem Titel „Die Bank“ – das sich als echter Hingucker entpuppen sollte. Fasziniert von dem besonderen Licht er-warb ein Besucher das Werk noch am Eröffnungstag – sehr zur Enttäuschung der weite-ren Galerie-Besucher.86 (Abb. 25) Obwohl die Szene menschen-leer ist, erinnert der Bild-Aufbau an „Sommernachmittag im Park …“ (sh. Abb. 10). Wie dort verläuft auch hier ein Weg in der Diagonale in die Ferne, das Auge des Betrachters ist auf Höhe des Horizontes, auf den die Fluchtlinie zuläuft, die mächtigen Bäume sind angeschnitten, links im Hintergrund sind Häuser zu erkennen, auch das Licht- und Schattenspiel ist ähnlich. Möglicherweise wäre es deshalb sogar in dieselbe Zeit zu datieren. Hilfreich hierbei wäre, die Örtlichkeit ausfindig zu machen, die Neuber damals wiedergegeben hat. Die leere Bank lädt ein, darauf Platz zu nehmen. Welchen Blick wird man wohl von dort einst gehabt haben?

    (Abb. 25) Die Bank.

    Öl auf Leinwand, um 1900. Links unten signiert.

    50,0 x 65 cm.

    86

    Für die Auskünfte und die Erlaubnis, das Gemälde zu veröffentlichen, bedanke ich mich herzlich bei Dr. Wieland Barthelmess von der Galerie Barthelmess & Wischnewski, Giesebrechtstr. 10, 10629 Berlin. –

    Siehe http://www.gbw-berlin.de/archiv/archiv_ausgrund.php?aid=36 Objekt 40 (Zugriff am 15.11.2015)

    http://www.gbw-berlin.de/archiv/archiv_ausgrund.php?aid=36

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    Schluß-Betrachtung Nach aktuellen Recherchen zum 100. Todestag konnten die von Max Dingler 1953 veröf-fentlichten Informationen zu Neubers Leben und Werk um bedeutende Details und Neuig-keiten ergänzt werden. Überraschend dabei war für mich die Vielseitigkeit seines Schaf-fens in verschiedenen Techniken. Dabei spannt sich der Bogen von Illustrationen (Feder-zeichnungen, Gestaltung von Diplomen, Prospekten, Kinderbüchern) und volkskundlichen Arbeiten (Bemalung von Schießscheiben u.a.) über Landschafts- und Ortsbilder, Porträts und Stilleben bis zur Gestaltung von Werbe-Plakaten. Die Ausführung der Arbeiten verrät Neubers genaue Beobachtungsgabe, er kannte seine Umgebung, war vertraut mit Brauchtum. Die wenigen mir (allerdings nur von Abbildungen her) bekannten Werke besonders der Frühzeit strahlen eine beschauliche Ruhe aus, wirken durch ein zauberhaftes Spiel von Licht und Schatten – sprühen andererseits von ungemeiner Lebhaftigkeit und Humor. Eine abschließende kunstgeschichtliche Würdigung wird allerdings erst nach weiteren Forschungen möglich sein, gilt es doch Antworten auf etliche, offene Fragen zu finden: Wie kam es dazu, daß er München verließ? An welchen Ausstellungen hat er, außer den 1891 und 1892 für München nachgewiesenen, teilgenommen?87 In welchen Künstlerkrei-sen bewegte er sich? In welchen Künstlervereinigungen (außer dem Leipziger Kunstverein und der Dresdner Kunstgenossenschaft) war er Mitglied? Von welchen Künstlern und Kunstströmungen war er beeinflußt? Obwohl Neuber sich der gerade aufkommenden Pla-kat-Kunst zuwandte (und damit auf der Höhe der Zeit war) sind in seinem Werk bisher kei-ne expressionistischen Einflüsse erkennbar. Dabei hätte er durchaus die Möglichkeit, wäh-rend seiner Murnauer Aufenthalte auf die „Blauen Reiter“ zu treffen. Wie prägte er wäh-rend seiner Tätigkeit als „künstlerische Leitung“ bei der Aktiengesellschaft für Kunstdruck (laut Dingler) die Gestaltung der dort hergestellten Druck-Erzeugnisse? Welche Plakate und sonstige Druckerzeugnisse gestaltete er? Welchen Umfang nahmen sie innerhalb seines Schaffens ein? Auch Neubers Biographie wirft noch manche Frage auf. So fehlen immer noch die Le-bensdaten seiner Frau Barbara (verw. Roß, geb. Weißbeck) und das Verehelichungsda-tum der Neubers. Ein Bild von den Familien-Mitgliedern können wir uns auch nicht ma-chen, da noch keine Fotos gefunden wurden.88 Möglicherweise brächten die im Nachlaß von Max Dingler vorhandenen Briefe89 noch eini-ge Aufschlüsse, Antworten und vielleicht sogar Überraschungen zu Tage...

    Erding, im Januar 2016, © EULE e.V., Am Bahnhof 1, D-85435 Erding

    87

    Ob 1922 in der Ausstellung „Murnau in der Kunst“ Werke Neubers zu sehen waren, geht aus dem Ausstellungsfüh-rer nicht hervor, wenngleich er darin als Künstler erwähnt ist.

    88 Stand 22.01.2016.

    89 www.literaturportal-bayern.de/nachlaesse?task=lpbestate.default&id=913 (Zugriff am 27.12.2015). Der im

    Schloßmuseum Murnau vorhandene Bestand von Max Dinglers Nachlaß u.a. mit Briefen an Hermann Neuber ist

    noch nicht bearbeitet. – Dinglers eingangs erwähnter Beitrag (sh. Anm. 1, 1953) wurde 1982 im Jahresbe-richt des Historischen Vereins Murnau nochmals veröffentlicht (S. 19-30). Das Vorwort dazu enthält den Hinweis auf einen der damaligen Redaktion vorliegenden Briefwechsel Neuber/Dingler aus den Jahren 1913-1915 – „der in einem späteren Beitrage gewürdigt werden soll“. Diese Würdigung steht noch aus.

    http://www.literaturportal-bayern.de/nachlaesse?task=lpbestate.default&id=913

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    Abkürzungen MAM Marktarchiv Murnau StadtA München Stadtarchiv München

    Für hilfreiche Unterstützung bedanke ich mich herzlich bei:

    Dr. Wieland Barthelmess, Galerie Barthelmess & Wischnewski, Berlin Jens Börner, Urnenhain Landeshauptstadt Dresden Dr. Reinhard Dingler, München Ingeborg Fiegl, Dorotheum Wien Dr. Simone Fugger von dem Rech, Hochschule für Bildende Künste Dresden, Archiv und Kustodie Ulrike Grammel, Gemeindearchiv Grünwald Karl Gruschka Ph.D., Erding Silvia Herkt, MA, Universitätsarchiv der Universität für angewandte Kunst, Wien Anett Hillert, Stadtarchiv Dresden Claudia Hinze, Stadtarchiv Leipzig Mag. Dr. Ulrike Hirhager, Universitätsarchiv der Akademie der bildenden Künste Wien Heike Hofmann, Striesener Friedhof Dresden Dr. Marion Hruschka, Marktarchiv Murnau Dr. Michaela Laichmann, Wiener Stadt- und Landesarchiv Anton Löffelmeier, Stadtarchiv München Roland Pfirschke, Hauptstaatsarchiv Dresden Andreas Pischel, Staatliche Kunstsammlungen Dresden Bernd Sonntag, Dresden Dr. Sandra Uhrig, Schloßmuseum Murnau Claudia Veit, Stadtarchiv Passau Dr. Richard Winkler, Bayerisches Wirtschaftsarchiv München Karl Wolf, Aidling

    Bildnachweis: Abb. 1 Der Zwiebelturm, Jahrgang 8, 1953, Heft 12, S. 339 Abb. 2 Murnau am Staffelsee Bayr. Hochland, Führer durch Murnau,

    Hg. Verschönerungsverein Murnau am Staffelsee e.V., o. J. [ca. 1912/1913], Nachdruck 1989

    Abb. 3, 24 MAM Abb. 4, 10,11, 13, 20 http://www.artnet.de/künstler/hermann-neuber/auktionsresultate Abb. 5-9, 12 Wilhelm Asam „Ein Sommer im Stahlbade am Staffelsee“, 2. Auflage 1897, S.

    99, 105, 125, 89, 25, 92 Abb. 13 Auktion 269, Aukt.Kat. München Neumeister, 23.09.1992, „Fayence, Porzel-

    lan, … Gemälde, …“, Lot. 665 Abb. 14 Angebot bei e-bay Abb. 15 http://catalog.quittenbaum.de/ Abb. 16 https://www.liveauctioneers.com/item/1225913_altes-art-nouveau-plakat-

    nahmaschinen-1900 Abb. 17, 18 http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00043031 Abb. 19, 22, 23 Privatbesitz Abb. 21 Dresdner Anzeiger vom 22. Januar 1916, 186. Jg., Nr. 21, S. 19, Stadtarchiv

    Dresden Abb. 25 Galerie Barthelmess & Wischnewski, Berlin

    http://www.artnet.de/künstler/hermann-neuber/auktionsresultatehttp://catalog.quittenbaum.de/https://www.liveauctioneers.com/item/1225913_altes-art-nouveau-plakat-nahmaschinen-1900https://www.liveauctioneers.com/item/1225913_altes-art-nouveau-plakat-nahmaschinen-1900http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00043031