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Evolution der Beatmung Ernst Bahns

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Evolution der Beatmung

Ernst Bahns

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Wichtiger Hinweis

Die Erkenntnisse der Medizinunterliegen laufendem Wandeldurch Forschung und klinischeErfahrung. Der Autor dieserFibel hat große Sorgfalt daraufverwendet, daß die Angaben insbesondere über Applikationund Wirkungsweise dem derzei-tigen Wissenstand entsprechen.Das entbindet den Leser jedochnicht von der Verpflichtung, klinische Maßnahmen in eige-ner Verantwortung zu treffen.

Anschrift des Autors

Dr. Ernst BahnsDrägerwerk Aktiengesellschaftab September 1997:Dräger Medizintechnik GmbHMoislinger Allee 53-5523542 Lübeck

Alle Rechte, insbesondere dasRecht der Vervielfältigung undVerbreitung, behält sich die Drägerwerk AG vor. Ohneschriftliche Genehmigung durch die Drägerwerk AG darfkein Teil des Werkes in irgend-einer Form reproduziert odergespeichert werden.

ISBN 3-926762-17-9

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Die Evolution der Beatmung –vom Pulmotor zur Evita

Eine Fibel zur Beatmung mit Evita

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Inhalt

Einleitung

■ Eine Evolution in hundert Jahren 6■ Qualitätsmerkmale eines Beatmungsgerätes 8

Geschichte der Beatmung

■ Die »Stunde Null« in der maschinellen Beatmung 10

■ Pionierzeit der Beatmung: »Die Eiserne Lunge« 12■ Anfänge in der Intensivbeatmung:

Die Assistoren 14■ Moderne Intensivbeatmung:

Vom Spiromat zur Evita 16■ Die Rolle des Therapeuten 18■ Beatmung und Atmung 20

Beatmungsverfahren

■ Drei Probleme der maschinellen Beatmung 22■ Druckbegrenzte Beatmung mit dem UV-1 24■ Neue Beatmungstechnik mit EV-A 26■ Einfach und offen für Spontanatmung: BIPAP 28■ Druckoptimiert und offen für Spontanatmung:

AutoFlow 30■ Spontanatmung: Eine Evolution für sich allein 32■ Die Anpassung der Unterstützung

an die Spontanatmung 34■ Tendenzen in der Evolution

der Beatmungsverfahren 36

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Inhalt 5

Monitoring

■ Vom Meßinstrument zum Beatmungsmonitor 38■ Von der Momentaufnahme zur Trendanalyse 40■ Vom Lehrmeister zum Diagnoseassistent 42■ Beatmungsmonitoring im Computerzeitalter 44

Bedienung

■ Leistungsumfang und Bedienung 46■ Leistung stark, Bedienung einfach –

ein Widerspruch? 48

Zusammenfassung

■ Beatmung ohne Beatmungsgerät? 50

Literaturverzeichnis 52

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Einleitung6

Eine Evolution in hundert Jahren.

Die Evolution beschreibt eine stammesgeschicht-liche Entwicklung des Lebens von einfacher zurhochentwickelten Form. Die Evolutionstheoriebesagt, daß das heute existierende Leben sich stetigaus sich selbst entwickelt hat. Sie beschreibt alsonicht nur, daß etwas so ist, wie wir es gerade wahr-nehmen, sondern sie sagt auch, warum das so ist.Durch die Ermittlung der Ursachen kann uns dieEvolution Einblicke in Wege verschaffen, die dieEntwicklung künftig gehen wird.

Diesem theoretischen Ansatz folgt die vorliegendeBroschüre in der Darstellung einer Evolution derBeatmung. Es werden somit nicht nur historischeFakten dargestellt, sondern es werden gleichzeitigdie Ursachen von Entwicklungen beleuchtet unddabei gezeigt, in welche Richtung sich die Beatmungentwickeln kann.

Es gibt gute Gründe, sich kritisch mit der Evoluti-on der Beatmung auseinanderzusetzen, denn nichtnur in der Biologie, auch in der Medizin bedeutetEntwicklung nicht unbedingt gleichzeitig Fortschritt.

Ganz analog zur Biologie mit ihrer Überproduk-tion an Arten läßt sich in der Medizin ein Überflußan technischen Möglichkeiten erkennen.

Ganz analog zur Biologie, in der die Grenzen desWachstums durch die Endlichkeit des zur Verfügungstehenden Lebensraumes bestimmt werden, gibt esGrenzen in der Medizin. Die Grenzen werden hierjedoch durch Ethik und Ökonomie festgelegt: nichtalles, was technisch machbar ist, ist moralisch ver-tretbar und nicht alles ist bezahlbar.

Der Beginn der künstlichen Beatmung war durcheine nahezu kritiklose Begeisterung für neue Tech-nologien geprägt. Das Ergebnis zeigte sich in einernicht mehr übersehbaren Komplexität.

Grenzen des medizinischenFortschrittes

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Einleitung 7

Die Grenzen der Evolution in der Beatmung hin-gegen sind uns erst in jüngster Zeit bewußt gewor-den. Heute werden neue Technologien nicht mehrkritiklos in der Beatmung umgesetzt: Künftige Ent-wicklungen sollen zielorientiert und nicht mehr nurtechnologiegesteuert verlaufen.

Die vorliegende Broschüre soll nicht nur von derVergangenheit berichten, sondern auch einen Bei-trag zur Diskussion um die Zukunft der Beatmungleisten. Unter dem Gesichtspunkt der Evolution sollBeatmung so dargestellt werden, daß nicht nur dasmedizinische und technische Fachpersonal, sondernalle Interessierten etwas davon mitnehmen könnenund sich an der Diskussion um die Entwicklung derBeatmung beteiligen können.

Mit dem Anspruch, auch denjenigen die Beatmungzu veranschaulichen, die nicht tagtäglich damit zutun haben, ist es unumgänglich, Grundlagen darzu-stellen, die dem sachkundigen Leser bereits geläufigsind.

Die Tatsache, daß die Evolution ausschließlich amBeispiel der Dräger-Beatmung dargestellt wird, sollnicht verschleiern, daß es auch andere gab, diewesentliche Beiträge zur Evolution der Beatmungleisteten. Der Einfachheit halber jedoch beschränktsich die vorliegende Fibel ausschließlich auf dieBeatmung aus dem Hause Dräger.

Nach einer kurzen Darstellung der Grundelemen-te eines Beatmungsgerätes wird die Geschichte derBeatmung in Auszügen wiedergegeben, soweit siefür die Evolution von Bedeutung ist. Die Geschichtebeginnt bei uns mit einer Idee unseres Firmengrün-ders Heinrich Dräger …

Zielorientierte Entwicklunganstelle von Technologie-steuerung

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Einleitung8

Qualitätsmerkmale einesBeatmungsgerätes.

Beatmung ist Unterstützung oder Ersatz einergestörten Eigenatmung. Eine einfache Form derBeatmung ist die Atemspende von Mund-zu-Mund.Die technischen Hilfsmittel zur Beatmung reichenvom manuell betriebenen Beatmungsbeutel bis zum modernen Beatmungsgerät unserer Zeit.

Die Leistungsfähigkeit eines Beatmungsgeräteshängt in erster Linie von drei Merkmalen ab. Siewird bestimmt durch die Qualität der Beatmungs-verfahren, der Beatmungsüberwachung (Monito-ring) und des Bedienkonzeptes. Diese Grundele-mente eines Beatmungsgerätes sollen zunächst inihrer Entwicklung näher beschrieben werden, bevorin den folgenden Seiten die Entstehung der erstenBeatmungsgeräte dargestellt wird.

In den Beatmungsverfahren konzentrierte mansich zunächst auf eine kurzfristige Atemgasversor-gung bei Ausfall der patienteneigenen Atmung. Die ersten Beatmungsgeräte waren reine Notfall-beatmungsgeräte. Bei längeren Behandlungenbelasteten die zur Lebenserhaltung eingesetztenBeatmungsverfahren die Lunge jedoch so sehr, daßeine Rückkehr zur normalen Atmung recht schwie-rig wurde. Eine Anpassung der Beatmungsverfahrenan die Physiologie wurde zunächst durch Hilfsein-richtungen erreicht, die die schädlichen Auswirkun-gen der Beatmung begrenzen konnten und vomfachkundigen Personal gezielt eingesetzt wurden.Erst seit jüngster Zeit gibt es Beatmungsverfahren,die eine automatische Anpassung der Beatmung anden Patienten erlauben.

Die Überwachungseinrichtungen der ersten Be-atmungsgeräte beschränkten sich auf Atemwegs-druckmessungen und einfache Gerätefunktionskon-trollen. Umfangreichere Zusammenhänge konnten

Drei Merkmale bestimmendie Qualität:

Beatmungsverfahren

Beatmungsmonitoring

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Einleitung 9

erst später durch zusätzliche Monitore erkannt werden. In der Folgezeit wurden Überwachungs-funktionen zunehmend integrierter Bestandteil derBeatmungsgeräte. Ein besonderer Fortschritt ließsich dabei in der Qualität der Informationsdarstel-lung von einfacher Meßwertanzeige bis zur Bild-schirmdarstellung erkennen.

Die Gesamtheit der zur Bedienung eines Be-atmungsgerätes notwendigen Elemente bezeichnetman als Benutzeroberfläche. Aufgrund des zuneh-menden Leistungsumfanges der Geräte ist auchderen Bedienung immer komplexer und leider auchkomplizierter geworden. Die Anzahl der Bedienele-mente hat dabei stetig zugenommen. Erst in jüng-ster Zeit ist hier ein qualitativer Fortschritt gelun-gen: Die Einstellung der Gerätefunktionen über eineBildschirmoberfläche ermöglicht eine Zunahme desLeistungsumfanges bei gleichzeitiger Vereinfachungder Bedienung.

Bedienkonzept

Qualitätsmerkmal

AnwendernutzenBedienenÜberwachen Behandeln

Monitoring Benutzer-oberfläche

Beatmungs-verfahren

Beatmungsgerät

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Geschichte der Beatmung10

Die »Stunde Null« in dermaschinellen Beatmung.

In seiner Publikation »Das Werden des Pulmotors«(6) dokumentierte Heinrich Dräger seine Überle-gungen zur Entwicklung eines Beatmungsgerätes.Er skizzierte darin eine einfache Technologie zum»Einblasen von Frischluft oder Sauerstoff in dieLunge«. Sein Pulmotor wurde durch ein modifizier-tes Uhrwerk gesteuert.

Bemerkenswert ist diese Veröffentlichung wenigerwegen der dort beschriebenen Technologie. Diemag nach heutigen Erkenntnissen recht einfacherscheinen und war auch damals nicht unumstrit-ten. Viel wichtiger ist die Begründung, die H. Drägerfür die Wahl seiner Technologie gab.

Heinrich Dräger

Ur-Pulmotor

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Geschichte der Beatmung 11

Er wählte für seinen Apparat ein technisches Prin-zip, das die Physiologie so naturgetreu wie möglichersetzt. Mit diesem Konzept der künstlichen Be-atmung war er seiner Zeit um Jahrzehnte voraus.

Für H. Dräger war die physiologische Funktion,die es zu ersetzen galt, eine regelmäßige Bewegungdes Atemapparates mit einem konstanten Zeitver-lauf. Deshalb wählte er für seine Beatmungsmaschi-ne ein technisches Prinzip, bei dem Ein- und Aus-atemphase während der künstlichen Beatmungunverändert blieben. Die Beatmung war nach unse-rem heutigen Verständnis zeitgesteuert.

Der Rest der Welt, wie übrigens auch diejenigen,die den Pulmotor weiterentwickelten, folgten einemanderen Weg. Sie wählten zur Steuerung der Atem-phasen ein technisches Prinzip, das nach Erreichenbestimmter Beatmungsdrücke auf Aus- bzw. auf Ein-atmung umschaltete. Derartige Systeme nennt mandruckgesteuert.

Druckgesteuerte Beatmungsgeräte wurden mitder Zeit immer robuster, zuverlässiger und genauer,kurz, sie wurden technisch immer besser. Druckge-steuerte Beatmungsgeräte erscheinen aus heutigerSicht technisch optimiert. Sie realisierten also einenWeg, den die Technik damals besser beherrschte.

Hier war H. Dräger, wie gesagt, seiner Zeit etwasvoraus: moderne Beatmungsgeräte sind nicht mehrdruckgesteuert, sondern überwiegend zeitgesteuert.Ob H. Dräger schon damals wußte, daß er mit sei-nem Prinzip der Physiologie näher kam als andere,entzieht sich unserer Kenntnis. Historische Tatsachejedoch ist, daß sein 1907 patentierter Pulmotor mitder Zeitsteuerung den richtigen Weg wies.

Künstliche Beatmung alsErsatz für eine biologischeFunktion

Technisch optimierte Beatmungsgeräte

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Geschichte der Beatmung12

Pionierzeit der Beatmung:»Die Eiserne Lunge«

Der Pulmotor war ausschließlich für Kurzeinsätzekonzipiert worden. Verschiedene Krankheiten erfor-derten jedoch eine Langzeitbeatmung. So mußtenwährend der Polioepidemien nach dem ZweitenWeltkrieg zahlreiche Patienten mit Atemlähmungenüber einen längeren Zeitraum beatmet werden.Dazu wurden große, starre Behälter entwickelt, indie der beatmungspflichtige Patient gelegt wurde.

Derartige Apparate nannte man etwas irreführend»Eiserne Lungen«. Zur Beschreibung der Funktionwäre jedoch der Begriff »Eiserner Brustkorb« ange-brachter gewesen, denn der starre Behälter wirktewie ein zweiter Thorax. In diesem Behälter bewirkteeine bewegliche Membran fortwährend einenDruckwechsel und leistete damit eine Belüftung derLunge wie ein künstliches Zwerchfell.

Wenn die Nachkriegszeit mit ihren »EisernenLungen« hier als Pionierzeit beschrieben wird, dannberuht das besonders auf Ausführungen von Dön-hardt, der in erfrischender Weise schilderte, mitwelchen Mitteln vor nicht einmal fünfzig JahrenBeatmungsgeräte mit viel Improvisationsgeist ent-wickelt wurden (5).

Als Druckbehälter einer »Eisernen Lunge« wurdedort ein Torpedorohr verwendet, als Antrieb für denVentilationsmechanismus diente ein Blasebalg einerFeldschmiede, und das Getriebe stammte aus einemFischkutter …

Die Pioniere, die anfangs in Eigeninitiative dieersten »Eisernen Lungen« der Nachkriegszeit bastel-ten, fanden im Drägerwerk ihre Partner. Mit ihrerjahrzehntelangen Erfahrung bei der Entwicklungvon Rettungsgeräten für Bergbau und Tauchtechnikbrachten die Ingenieure die Ideen in der Wechsel-druckbeatmung zur Serienreife.

Einsatzgrenzen des Pulmotors

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Geschichte der Beatmung 13

Mit den »Eisernen Lungen« konnte die Überlebens-rate bei Atemlähmungen während einer Polioer-krankung deutlich erhöht werden. Als Nachteil galtallerdings der große Platzbedarf und die erschwertePflege der Patienten.

Eine Weiterentwicklung der »Eisernen Lungen«waren Rumpfbeatmungsgeräte, bei denen nur nochder Thorax einem Wechseldruck ausgesetzt wurde.Trotz dieser technischen Weiterentwicklung warenWechseldruckbeatmungsgeräte nur vorübergehendbedeutend.

Denn ein neuer Impuls sorgte für die »Renais-sance« der Überdruckbeatmung zu Lasten derWechseldruckbeatmungsgeräte. Dieser Impuls kamdiesmal nicht von der Technik, sondern von der klinischen Anwendung.

Rumpfbeatmungsgerät imklinischen Einsatz

Eiserne Lunge

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Geschichte der Beatmung14

Anfänge in der Intensiv-beatmung: Die Assistoren.

Bereits in den fünfziger Jahren sorgte eine neueErkenntnis der klinischen Forschung für einUmdenken in der Beatmungstherapie. Das größteProblem war nämlich nicht die Umkehrung derDruckverhältnisse bei der Beatmung mit Überdruck.Viel wichtiger war die Tatsache, daß die Therapeutenin der Beurteilung der Beatmung mehr auf subjektiveklinische Eindrücke als auf exakte Meßparameterangewiesen waren (4).

Ohne die Kenntnis der verabreichten Beatmungs-volumina kam es dann oft zu Fehlbehandlungen.Die Patienten erlitten entweder eine Atemgasunter-versorgung oder sie wurden durch eine unnötig heftige Ventilation hohem Streß ausgesetzt.

Durch die neuen Erkenntnisse, insbesondere ausSkandinavien, gewann die Überdruckbeatmungdurch die besseren Kontrollmöglichkeiten der Venti-lation wieder an Bedeutung. Dabei wurden zweiKonzepte verfolgt: Zum einen wurde bei einerdruckgesteuerten Beatmung das Atemgasvolumenüberwacht, zum anderen wurde von vornherein einkonstantes Atemzugvolumen verabreicht.

Für die neuen Anwendungsbereiche entwickelteDräger sowohl in der druckgesteuerten als auch inder volumenkonstanten Beatmung Gerätereihen, diezeitweilig parallel existierten. Das volumenkonstanteBeatmungskonzept wurde dabei allerdings mit eini-ger Verspätung gegenüber den Skandinaviern reali-siert. In der druckgesteuerten Beatmung wurde mitder Gerätereihe der Assistoren das erfolgreichePrinzip der Pulmotoren weiterentwickelt (7).

Gemeinsames Merkmal der Assistoren war nebender Drucksteuerung die Möglichkeit, einen maschi-nellen Beatmungshub zu triggern, d.h. mit einerSpontanatembemühung des Patienten auszulösen.

Kontrollierte Beatmung auf der Basis exakter Meß-parameter

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Geschichte der Beatmung 15

Ferner konnte mit allen Assistoren das Volumenüberwacht werden und Aerosole über einen inte-grierten Vernebleranschluß vernebelt werden.

Das Grundgerät Assistor 640 ermöglichte eineassistierte Beatmung, bei der die Spontanatmungdurch maschinelle Unterstützung vertieft wird. Dienachfolgenden Geräte boten zusätzlich eine kontrol-lierte Beatmung, bei der die Anzahl der Beatmungs-hübe eingestellt werden konnte. Der Zeitgeberarbeitete beim Assistor 641 pneumatisch, beim Assistor 642 bereits elektrisch. Mit dem Assistor 644wurde die mögliche Einsatzdauer durch eine neueAtemluftanfeuchtung erweitert und der Patienten-bereich auf die Pädiatrie ausgedehnt.

Der Assistor 744 verbesserte die Beatmungs-qualität insbesondere in der Pädiatrie durch eineleichtere Triggerung. Außerdem wurde das etwasgewöhnungsbedürftige Äußere der frühen Assisto-ren grundlegend verändert: Das anwenderfreund-liche und ästhetische Produktdesign gewann zuneh-mend Bedeutung in der Geräteentwicklung.

Die Gerätereihe der Assistoren zur druck-gesteuerten Beatmung.

1965

1970

1960

Assistor

642

Assistor

644

Assistor

744

Assistor

640

Assistor

641

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Mit den Assistoren hatte sich das Anwendungsgebietder Beatmung bereits von der reinen Poliotherapieauf postoperative Beatmung und die Inhalations-therapie bei chronischen Lungenerkrankungenerweitert.

Moderne Beatmung geht noch einen Schrittweiter. Sie will nicht nur die Zeit der Atemstörungüberbrücken, sondern die Beatmungsform an dieUrsache der Störung anpassen und wenn möglichdiese Störung gezielt behandeln. Moderne Beatmungist Beatmungstherapie.

Der Anspruch einer gezielten Intensivtherapiestellte neue Anforderungen an die Beatmungsgerätewie die Einstellung von variablen Beatmungs-mustern.

1980

1990

1970

Evita 4

Evita2dura

Evita 1

Evita 2

EV-A

UV1/UV2

Spiromat

Geschichte der Beatmung16

Moderne Intensivbeatmung:Vom Spiromat zur Evita.

Die Gerätereihe der Intensivbeatmungsgeräte

Ziele der modernen Beatmung

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Geschichte der Beatmung 17

Voraussetzung für die Erfüllung der neuen Anforde-rung war eine größere Flexibilität der Beatmungs-geräte. Atemzeiten und Atemvolumina sollten direkteinstellbar sein. Gefordert war die zeitgesteuertevolumenkonstante Beatmung.

Die ersten Dräger-Beatmungsgeräte, die dieseAnsprüche erfüllten, waren die 1955 eingeführtenSpiromaten. Sie stellen den Ausgangspunkt der Entwicklung moderner Dräger-Intensivbeatmungs-geräte dar.

Der 1977 eingeführte »Universalventilator« UV-1und später der UV-2 übernahmen von den Spiroma-ten die konventionelle Balgbeatmung, bei der dasAtemgas aus einem Balg des Beatmungsgerätes in dieLunge gedrückt wird. Steuerung und Überwachungerfolgten bei diesen Geräten bereits elektronisch.

Der »Elektronik-Ventilator« EV-A führte 1982 diemikroprozessorgesteuerte Atemgasdosierung in dieDräger-Beatmung ein und ermöglichte damit einegenaue Steuerung des Atemgasflusses über dengesamten Atemzyklus. Neu war auch die Darstel-lung von Beatmungskurven auf einem integriertenBildschirm, die seither zur Standardausstattung vonDräger-Intensivbeatmungsgeräten gehört.

Mit der Evita-Reihe wurde die Mikrorechnertech-nologie in der Beatmung weiterentwickelt und eineAnpassung der maschinellen Beatmung an die Spon-tanatmung ermöglicht. In jüngster Zeit dient derintegrierte Bildschirm nicht mehr nur zur Meßwert-darstellung, sondern auch direkt der Bedienung desGerätes.

Seit jüngster Zeit gibt es in der Dräger-Intensiv-beatmung parallel zwei Gerätekonzepte: die Evita 4für Spitzenansprüche sowie die Evita 2 Dura für Standardanforderungen.

Moderne Intensiv-beatmungsgeräteermöglichen eine zeit-gesteuerte volumen-konstante Beatmung

Seit 1982 ist der Bild-schirm zur Darstellung von Beatmungskurven ein Bestandteil des Beatmungsgerätes

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Geschichte der Beatmung18

Die Rolle des Therapeuten

Zusammenfassend kann die Geschichte der Beat-mungsgeräte grob in drei Phasen unterteilt werden.Erstens die einfache maschinelle Beatmung, zwei-tens die durch manuelle Korrekturmaßnahmen desTherapeuten optimierte Beatmung und drittens dieBeatmung mit automatischer Anpassung an denPatienten. Von besonderem Interesse ist nun dieFrage, inwieweit sich die Rolle des Therapeuten undder Patienten im Laufe der Zeit gewandelt hat.

Assistoren sowie die ersten volumenkonstantenBeatmungsgeräte sind nach heutigem Verständniseinfache Maschinen. Primäres Ziel in der Beatmungwar bei ihrem Einsatz die Sicherung einer Belüftungder Lungen. Dem Therapeuten standen dabei nurwenige Verfahren und bescheidene Sicherheitsvor-richtungen z.B. gegen zu hohe Beatmungsdrückezur Verfügung.

Mit der Einführung des UV-1 begann sich dieRolle des Therapeuten zu wandeln: er war fortannicht nur verantwortlich für die Einstellung derGrundparameter, sondern er konnte die Beatmunggezielt an seinen Patienten anpassen. Die neuenVerfahren erlaubten ihm z.B., seinen Patienten vomBeatmungsgerät zu entwöhnen. Innerhalb der Ver-fahren konnte er die Beatmung optimieren, indemer z.B. den Beatmungsdruck begrenzte. Die neuenMöglichkeiten beanspruchten für ihren medizini-schen Einsatz jedoch einen hohen Arbeitsaufwand,der nur teilweise dem Patienten zugute kam. EinGroßteil der zusätzlichen Arbeit bestand in manuel-len Korrekturen von damaligen Unzulänglichkeitenin der Beatmungstechnik.

Mit neuen Möglichkeiten einer automatischenAnpassung des Beatmungsgerätes an die physiologi-schen Gegebenheiten begann sich die Rolle des

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Geschichte der Beatmung 19

Therapeuten erneut zu verändern: er wurde zuneh-mend entlastet von der »Maschinenbedienung«. Die automatische Anpassung an den Patientenbeschränkte sich zunächst auf mechanische Verän-derungen der Lunge: so konnte die EV-A durch ent-sprechende Steuerung der Atemgaslieferung auchbei einer Leckage z.B. bei einer Fistel beatmen. Eineverbesserte Anpassung der Beatmung an den atmen-den Patienten ermöglichte Evita, indem sie diemaschinelle Beatmung der physiologischen Atmungunterordnete und Spontanatmung auch währendeines maschinellen Beatmungshubes zuließ. DieEntlastung des Therapeuten bei der Gerätebedie-nung war auch dringend notwendig geworden, denndie moderne Beatmung erlaubte die Behandlungschwerster Krankheitsbilder, deren erhöhter Pflege-aufwand mehr Zeit für den Patienten forderte.

Nach dem geschichtlichen Rückblick in der Beatmung wird im Folgenden die Evolution derBeatmungsverfahren, des Monitorings und derBenutzeroberfläche dargestellt. Der erste Abschnittbefaßt sich dabei mit den Beatmungsverfahren.

Einfache maschinelle Beatmung

1990

1960

1970

1980

Manuelle Korrekturen am Gerät durch den Therapeuten

Automatische Anpassungder Beatmung an den Patienten – mehr Zeit fürdie Pflege

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Beatmungsverfahren20

Beatmung und Atmung

Die Evolution von maschinenorientierten zu patien-tenorientierten Beatmungsverfahren fand erst inden letzten drei Jahrzehnten statt. Für eine so späteEntwicklung sprechen im wesentlichen zwei Grün-de: erstens gibt es einen prinzipiellen Unterschiedvon maschineller Beatmung und physiologischerAtmung, und zweitens ist die Auslösung und Steue-rung des Atemgasflusses in der Beatmung eineenorme technische Herausforderung.

Der prinzipielle Unterschied von physiologischerAtmung und künstlicher Beatmung zeigt sich in derInspirationsphase: In der Atmung wird das Innenvo-lumen des Brustkorbes durch Kontraktion der Atem-muskulatur vergrößert. Dabei entsteht ein Unter-druck in der Lunge und Luft wird eingesogen. In der Beatmung wirkt ein umgekehrtes Prinzip.Das Beatmungsgerät erzeugt einen Überdruck unddrückt damit das Atemgas in die Lunge. Der Be-atmungsdruck kann die Lunge und andere Organein Mitleidenschaft ziehen. Eine wesentliche Heraus-forderung für die künstliche Beatmung ist es nun,die prinzipiell bedingten unvermeidbaren Neben-wirkungen des Beatmungsdruckes so gering wiemöglich zu halten (3)(1).

Die wichtigsten Funktionselemente eines Beatmungsgerätes sind die Vorrichtung zur Gas-dosierung und das Ausatemventil. Eine Steuerein-heit sorgt dafür, daß einerseits während der Ein-atemphase das Atemgas in die Patientenlungegedrückt wird, und andererseits in der Ausatem-phase das Gas über das Ausatemventil abfließt. DieSteuereinheit schaltet dazu in der Einatemphase dieGasdosierung ein und schließt das Ausatemventil.Der dadurch erzeugte Druck bewirkt wie bei einemBlasebalg eine Belüftung der Lunge.

Prinzipielle Unterschiedezwischen maschinellerBeatmung und physiologi-scher Atmung

Auslösung und Steuerungdes Atemgasflusses in derBeatmung

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Beatmungsverfahren 21

In der Ausatemphase wird kein Atemgas verabreicht,das Atemgas der Lunge entweicht von alleine überdas geöffnete Ausatemventil.

In der Qualität der Atemgasdosierung unterscheidensich ältere Gerätegenerationen erheblich von moder-nen Beatmungsgeräten. Bei den ersten Beatmungs-geräten bestimmte allein die Maschine den zeit-lichen Verlauf der Atemgaslieferung. Kam es dabeizu Disharmonie zwischen Patientenatmung undmaschineller Beatmung, so war es meist unumgäng-lich, den Patienten mit Medikamenten ruhigzustellen.

Ältere Beatmungsgeräte waren somit »meilen-weit« von der Physiologie entfernt. Kennzeichnendfür die Evolution der Beatmungsverfahren ist diestetige Verringerung dieses Abstandes durch techni-sche und medizinische Fortschritte, die sich gegen-seitig bedingten.

Funktionselemente einesBeatmungsgerätes

Steuerung

Ausatemventil

Gasdosierung

Patient

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Beatmungsverfahren22

Drei Probleme der maschinellen Beatmung.

Die Annäherung der maschinellen Beatmung an diephysiologische Atmung wurde nicht in einem Zuge,sondern schrittweise geleistet. Bei jedem Schrittwurde jeweils ein Problem gelöst, das man sich mitder Umkehrung der Druckverhältnisse und techni-sche Limitationen eingehandelt hatte.

Im Folgenden sollen zunächst drei wesentlicheProbleme dargestellt werden, die direkt aus der Verlaufsform eines maschinellen Beatmungshubeserkennbar sind. Der Verlauf eines maschinellenAtemzuges kann dabei durch Beatmungskurven veranschaulicht werden.

Derartige Kurven erhält man, wenn man für dieDauer einer Inspiration und Exspiration den Atem-wegsdruck bzw. den Atemgasflow aufzeichnet. Den Zeitabschnitt vom Beginn einer Inspiration biszum Beginn der nächsten bezeichnet man dabei alsBeatmungszyklus.

Darstellung der Beatmungdurch Beatmungskurven:

t

t

P1 2 3

Atemwegsdruck

Atemgasflow

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Beatmungsverfahren 23

Die Grafik zeigt den Beatmungszyklus eines Spiro-maten als Atemwegsdruck- und als Flowkurve. AmVerlauf des Atemwegsdruckes lassen sich drei Phasen erkennen: Der Druck steigt zunächst inAbschnitt 1 bis zu einem Spitzenwert an. DiesenAbschnitt nennt man die Flußzeit. In Abschnitt 2sinkt der Druck auf einen stabilen Wert. DiesenAbschnitt bezeichnet man aufgrund seiner Form alsPlateau. In Abschnitt 3, der Exspirationszeit, sinktder Druck auf einen Restwert.

Der zeitliche Verlauf des Atemgasflusses (Flow),zeigt die drei Phasen noch deutlicher. Die bereitserwähnten drei Probleme können mit den umseitigdargestellten Beatmungskurven erläutert werden.

Erstens können durch den konstanten Atemgas-fluß zu Beginn der Inspiration Druckspitzen erzeugtwerden. Dadurch kann das Lungengewebe unterbestimmten Umständen einer erhöhten mechani-schen Belastung ausgesetzt werden.

Zweitens kann im Plateau nicht ausgeatmet wer-den, weil das Beatmungsgerät das Ausatemventilnoch fest verschlossen hält. Die natürliche Atmungwird in dieser Phase erheblich gestört.

Drittens sinkt der Restdruck ab, wenn Atemgasdurch ein Leck entweichen kann. Ein konstanterRestdruck hat jedoch eine große klinische Bedeu-tung. Man hat ihm deshalb einen eigenen Namengegeben: Den Atemwegsdruck am Ende der Exspi-rationszeit bezeichnet man als PEEP*.

Die Lösungen der drei Probleme wurden, wiebereits erwähnt, zu verschiedenen Zeiten entwickelt.Als erstes Problem wurden die Druckspitzen inAngriff genommen.

Spiromat

Drei Probleme in dermaschinellen Beatmung

*) PEEP (Positive-End-Expiratory-Pressure) = Atemwegsdruck am Ende der Exspirationszeit.

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Beatmungsverfahren24

Druckbegrenzte Beatmungmit dem UV-1.

Druckspitzen zu Beginn der Inspirationsphase erge-ben sich in der maschinellen Beatmung aus einereinfachen Form der Atemgasdosierung, so wie sie inden ersten Spiromaten realisiert ist. Das Atemgaswird dort mit einem konstanten Flow ohne Rück-sicht auf den dabei entstehenden Atemwegsdruckverabreicht. Eine derartige Beatmung kann auf-grund physikalischer Gesetzmäßigkeiten zu Druck-spitzen auch in der Lunge führen. Erst wenn sichdas Atemgas in der gesamten Lunge verteilt hat,kehrt der Druck auf den Plateauwert zurück.

Die Anästhesisten kennen dieses Problem. Sievermeiden Druckspitzen in der manuellen Balg-beatmung durch eine geschickte Kontrolle des Beatmungsdruckes: Mit viel Gefühl drücken sie aufden Beatmungsbalg, damit sie zu keinem Zeitpunktdie Lunge durch einen zu hohen Atemwegsdrucküberdehnen.

In der maschinellen Beatmung wurde das Pro-blem der Druckspitzen durch ein technisches Prinzip gelöst, das die erfahrene Hand des Anästhe-sisten gewissermaßen kopierte: es ist das Prinzip derBalgbeatmung mit einstellbarem Arbeitsdruck, dasbeim UV-1 zum Einsatz kam.

Die Konstruktion des maschinellen Beatmungs-balges ist in der nebenstehenden Grafik erkennbar.Der Beatmungsbalg befindet sich hier in einem starren Behälter, wobei der Druck in diesem Behäl-ter als sog. Arbeitsdruck vom Therapeuten ein-gestellt wird. Diese Konstruktion ermöglicht eine Beatmung, bei der der Atemwegsdruck auf den Wert des Arbeitsdruckes begrenzt ist. Für eine derartig modifizierte volumenkonstante Beatmunghat sich der Name »druckbegrenzte Beatmung« eingebürgert.

UV-1

Prinzip der manuellen Balg-beatmung umgesetzt in dermaschinellen Beatmung

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Beatmungsverfahren 25

Die Grafik zeigt den Verlauf der druckbegrenztenBeatmung. Die Druckspitze ist hier »abgeschnitten«und der Flow sinkt von einem anfänglich konstantenWert kontinuierlich ab. Ein derartiges Absinken desFlows in der druckbegrenzten Beatmung bezeichnetman als »dezellerierenden Flow«. Wird dabei derDruck soweit reduziert, daß das eingestellte Atem-zugvolumen sich nicht mehr erreichen läßt, dannwird die Beatmung »druckkontrolliert«.

Das Konzept der druckkontrollierten Beatmungdes UV-1 und dessen Nachfolger unterscheidet sichin diesem Punkt grundsätzlich von allen anderenBeatmungskonzepten: die druckkontrollierte Beat-mung wurde nicht als neues eigenständiges Verfah-ren eingeführt, sondern aus der ursprünglichenvolumenkonstanten Beatmung hergeleitet.

Druckkontrollierte Beatmung trat dabei keineswegsdie Nachfolge der volumenorientierten Beatmung an.Beide Verfahren standen parallel zur Verfügung. DerUV-1 und seine Nachfolger erlaubten dabei überlange Zeit als einzige Beatmungsgeräte die Kombi-nation der Vorteile beider Formen.

Problem Nr. 1: Druckspitzen

t

t

P1 2 3

Druckkontrollierte Beatmung hergeleitet ausder volumenkonstantenBeatmung

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Beatmungsverfahren26

Neue Beatmungstechnik mit EV-A.

Die konventionelle druckkontrollierte Beatmungstellte noch keine zusätzlichen Ansprüche an dieTechnik der Beatmungsgeräte. Sie konnte in soliderQualität mit der beschriebenen Balgbeatmung reali-siert werden.

Das Prinzip der Balgbeatmung wurde Anfang derachtziger Jahre durch die mikroprozessorgesteuer-ten Beatmungsgeräte unserer Zeit abgelöst, derenerster Vertreter die EV-A war. Die neue Gerätegene-ration bewirkte allerdings zunächst keine gravieren-den Verbesserungen bei den Problemen der konven-tionellen Verfahren, sondern kopierte gewisser-maßen die bereits bekannten Beatmungsformen miteiner neuen Technologie bei der Atemgasdosierungund der Steuerung des Ausatemventils.

Bei dieser neuen Technologie wurde die Funktiondes Balges durch moderne Ventile ersetzt. Das Neuean diesen Ventilen war ein elektromagnetischerAntrieb, der den pneumatisch oder elektrisch betrie-benen Mechanismus ersetzte.

Die Konstruktion eines solchen elektromagneti-schen Antriebes war bei seinem ersten Einsatz inder Beatmungstechnik schon einige Jahrzehntebekannt. Sie wurde zum Beispiel in Lautsprecherneingesetzt und brachte dort durch Elektromagneteneine Membran in so schnelle Bewegung, daß dabeiSchall erzeugt wurde. Die nebenstehende Grafikzeigt das Funktionsschema eines elektromagneti-schen Ventils zur Gasdosierung.

Die neuen Ventile waren aber nicht nur außeror-dentlich schnell, sie konnten durch die neue Mikro-rechnertechnik auch noch sehr rasch und exaktgesteuert werden. Mit dieser neuen Technik botensich geradezu neue Dimensionen in der dynami-schen Dosierung von Atemgasen.

EV-A

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Beatmungsverfahren 27

Gleiches galt für die Funktion des Ausatemventils,das bei der EV-A erstmals indirekt über einen Elektromagneten angetrieben und durch einenMikrorechner gesteuert wurde.

Die neue Technologie brachte die maschinelleBeatmung trotz ihres enormen Potentials wie bereitserwähnt zunächst nur einen kleinen Schritt vor-wärts: Mit ihr konnte die EV-A erstmalig trotzt einer Leckage den PEEP aufrecht erhalten. DieBeatmungskurven zeigen die Leckagekompensationdeutlich am Verlauf des Exspirationsflows.

Durch ihre dynamische Atemgasdosierung konntedie EV-A nun gerade soviel Gas nachliefern, wieüber ein Leck, beispielsweise am Tubus, entwich.

Die technische Innovation durch Mikroprozesso-ren brachte jedoch nicht nur Fortschritte für dieBeatmung. Sie war ebenso die Ursache für Irrwege.

Problem Nr. 3: Leckverluste

Echtzeitkurven zur Veranschaulichung derLeckagekompensation. Zu beachten ist derKompensationsflow im letzten Abschnitt der Exspirationsphase

t

t

P1 2 3

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Beatmungsverfahren28

Einfach und offen für Spontanatmung: BIPAP.

Als Fehlentwicklung wird aus heutiger Sicht dieZunahme von Beatmungsverfahren ohne nennens-werten therapeutischen Nutzen gesehen. Mit derInflation an Beatmungsverfahren wurde die Beat-mung komplexer – aber sie wurde dadurch nichtzwangsläufig besser.

Eine Vereinfachung der maschinellen Beatmungbot sich erst ein halbes Jahrzehnt später mit demBeatmungsverfahren BIPAP*(2)(8). Das neue Verfah-ren zeichnete sich durch ein ungewohnt breitesAnwendungsspektrum von reiner maschinellerBeatmung bis zu reiner Spontanatmung aus. Esstand kurz nach seiner Veröffentlichung erstmalsmit der Evita einer breiten klinischen Anwendungzur Verfügung.

Wichtigster Fortschritt des neuen Verfahrens wardie Möglichkeit einer Spontanatmung während derkünstlichen Beatmung. Damit wurde das letzte derdrei beschriebenen Probleme der maschinellenBeatmung gelöst.

Konventionelle maschinelle Beatmung ließwährend des Beatmungshubes keine Spontanat-mung zu. Der Patient konnte also in den maschinel-len Hüben nicht ausatmen, da das Exspirationsventilverschlossen war. Abhilfe schaffte hier das Prinzipdes »Offenen Systems«, das mit der Evita eingeführtwurde.

In der konventionellen maschinellen Beatmunghält das Beatmungsgerät das Exspirationsventil festverschlossen ähnlich einer kräftigen Hand, dieeinen Schlauch verschließt. Im »Offenen System«wird das Exspirationsventil feinfühlig geregelt ähn-lich wie bei einer sensiblen Hand, die mit Finger-spitzengefühl den Durchfluß regelt.

Evita 1

In einem »Offenen System«ist das Exspirationsventilniemals fest verschlossen

*) Lizensiertes Warenzeichen. BIPAP = Biphasic Positive Airway Pressure.

Exsp. Ventilgeschlossen

oder

Exsp. Ventilgeregelt

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Beatmungsverfahren 29

Das Prinzip des »Offenen Systems« ist die technischeGrundlage für die Realisierung des neuen druckkon-trollierten Beatmungsverfahrens BIPAP.

Anhand der Flowkurve kann die jederzeit verfügbareSpontanatemmöglichkeit deutlich erkannt werden:Zum ersten mal ist auch während der maschinellenInspirationphase eine Ausatmung möglich.

BIPAP brachte die Evolution der Beatmung somitum zwei entscheidende Schritte nach vorn. Erstensreduzierte BIPAP aufgrund seines breiten Anwen-dungsspektrums die Anzahl der notwendigen Ver-fahren – die Beatmung wurde einfacher. Zweitensließ das Verfahren durch die Spontanatmung wäh-rend eines Hubes dem Patienten mehr Freiraumzum Atmen und belastete ihn damit weniger.

Problem Nr.2: Keine Spontanatmungwährend eines maschinellenBeatmungshubes

t

t

P1 2 3

Echtzeitkurve einer BIPAPBeatmung. Beachte denExspirationsflow währenddes maschinellen Hubes

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Beatmungsverfahren30

Druckoptimiert und offen fürSpontanatmung: AutoFlow.®

Mit der Einführung der Evita konnten bei denmaschinellen Hüben die Druckspitzen beseitigt undeine Spontanatmung ununterbrochen ermöglichtwerden. Zufriedenstellende Ergebnisse lieferten dieProblemlösungen aber nur in der druckkontrollier-ten Beatmung mit BIPAP. In der volumenkonstantenBeatmung hingegen war die Beseitigung der Druck-spitzen arbeitsaufwendig, eine freie Durchatembar-keit stand dort überhaupt noch nicht zur Verfügung.

Mit der Einführung der Evita 4 wurden dasDruckproblem und das Problem einer beeinträch-tigten Spontanatmung in der volumenkonstantenBeatmung in Angriff genommen.

Druckspitzen ließen sich in einer volumenkon-stanten Beatmung bereits mit der Druckbegrenzungdes UV-1 beseitigen. Allerdings ist eine manuell ein-gestellte Druckbegrenzung nur dann optimal, wenndie mechanischen Verhältnisse in der Lunge unver-ändert bleiben – und das ist in der Regel bei einerbeatmeten Lunge nicht der Fall.

Vielmehr ändern sich die mechanischen Eigen-schaften der Lunge: Sie kann erstens steifer oderelastischer werden – es ändert sich also die Elasti-zität, die als Compliance bezeichnet wird. Weiterhinkann sich der Strömungswiderstand in den Atem-wegen vergrößern oder verringern – die sich dabeiändernde Größe ist die Resistance.

Vergrößert sich z.B. die Compliance der Lungeund sie wird im Verlauf einer Therapie elastischer,dann reichen geringere Beatmungsdrücke, um dasgewünschte Volumen zu verabreichen.

Eine vergrößerte Compliance erfordert somiteinen geringeren Druck, um das gewünschte Volu-men zu verabreichen. Im Grunde genommen müßteder Therapeut Atemzug für Atemzug eine Messung

Evita 4

Der notwendige minimaleBeatmungsdruck hängt in der volumenkonstantenBeatmung von der Compliance ab

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Beatmungsverfahren 31

der Compliance durchführen und danach rasch dengeringstmöglichen Beatmungsdruck einstellen.

Diesen Arbeitsaufwand erspart ihm Evita 4, in-dem sie die Messungen der Compliance und dieEinstellungen des minimalen Beatmungsdruckesautomatisch durchführt. Diese Automatik trägt dieBezeichnung AutoFlow®*. Sie steht nicht als indivi-duelles Beatmungsverfahren, sondern als Zusatz-funktion in allen volumenkonstanten Verfahren zurVerfügung. Mit AutoFlow wird der Atemgasflowunter Berücksichtigung der vorliegenden Lungen-mechanik so geregelt, daß das Atemzugvolumen mitdem geringstmöglichen Druck verabreicht wird.

Des weiteren ermöglicht AutoFlow eine Spontan-atmung während eines volumenkonstanten Beat-mungshubes. AutoFlow stellt damit die »FreieDurchatembarkeit«, die sich im druckkontrolliertenBIPAP bereits über Jahre bewährt hat, einem breite-ren Anwendungsspektrum zur Verfügung.

Die Regelung des Beatmungsdruckes mitAutoFlow®: Drei Beatmungsdruck-kurven aufgenommen zuverschiedenen Zeiten imVerlauf einer Compliance-zunahme

*) AutoFlow® ist ein eingetragenes Warenzeichen.

Tinsp

IPPV123

P

°V

t

tTinsp

1 2 3

VT=const.

PAW =minimal

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Parallel zu den maschinellen Beatmungsverfahren,allerdings etwa zehn Jahre später, entwickelten sich die Verfahren zur Unterstützung der Spontan-atmung.

Der Grund dieser Verspätung liegt am aufwen-digen Steuerungsprinzip dieser Verfahren. Der zeit-liche Verlauf eines Beatmungszyklus sowie dieMenge des verabreichten Atemgases richten sichhier nämlich primär nach dem Patienten und wer-den im Gegensatz zur zeitgesteuerten Beatmungnicht direkt vom Therapeuten eingestellt.

Das Beatmungsgerät muß dabei also erst einmalregistrieren, wann der Patient einatmen will, und es muß dann auch noch blitzschnell das Geforderteliefern. Das stellt hohe Anforderungen an das Beat-mungsgerät, denn jede Verzögerung bei der Liefe-rung des Atemgases bedeutet zusätzliche Atemarbeitfür den Patienten.

In der Regel ist die Eigenatmung des Patientenjedoch so schwach, daß sie die erforderliche Atem-arbeit ohnehin nicht alleine leisten kann. Zur Unter-stützung der unzureichenden Spontanatmung kanndas Beatmungsgerät dem spontan atmenden Patien-ten das Atemgas mit einem leichten Überdruck liefern. Das Beatmungsgerät entlastet dabei denPatienten, indem es ihm einen Teil der Atemarbeitabnimmt.

Beginn und Dauer dieser sog. Druckunterstützungrichten sich nach der Spontanatmung und Lungen-mechanik des Patienten. Lediglich die Höhe derDruckunterstützung wird noch vom Therapeuteneingestellt. Das Verfahren nennt sich ASB (AssistedSpontaneous Breathing) und wurde bei Dräger erst-malig beim UV-2 eingesetzt.

Beatmungsverfahren32

Spontanatmung: Eine Evolution für sich allein.

UV-2

Steuerungsprinzip in derBeatmung eines spontan-atmenden Patienten

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Beatmungsverfahren 33

Die Druckunterstützung bietet dem Patienten durchdie maschinell geleistete Atemarbeit eine Entlastung,ohne ihm dabei ein maschinell erzeugtes Beatmungs-zeitmuster aufzuzwingen.

Obgleich sich bei der Druckunterstützung diemaschinelle Beatmung der Spontanatmung des Pati-enten in gewissen Grenzen anpaßt, gibt es bisweilenprinzipiell bedingte Probleme bei der Abstimmung.Der Verlauf der Druckunterstützung stimmt nämlichunter bestimmten Bedingungen nicht mehr mit derSpontanatmung überein. Außerdem sind die abrup-ten Drucksprünge für den Patienten unangenehm.

Gefordert war somit eine bessere Anpassung derdruckunterstützten Beatmung an die Atmung desPatienten.

Beatmung und Spontanatmung:

1. Ohne Druckunter-stützung

2. Konventionell druckunterstützt

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Beatmungsverfahren34

Die Anpassung der Unterstüt-zung an die Spontanatmung.

Die Abstimmung der Druckunterstützung mit derSpontanatmung wurde zunächst durch eine manuelleKorrekturmaßnahme in der konventionellen Druck-unterstützung und später durch eine automatischeAnpassung der Unterstützung an die sich änderndenLungenverhältnisse erreicht.

Eine manuelle Anpassung der maschinellen Be-atmung an die Spontanatmung war erstmals mit derEV-A möglich. Mit einer zusätzlichen Einstellungder Druckanstiegsgeschwindigkeit kann seitdem beibestimmten Verhältnissen der Lungenmechanikeine bessere Synchronisation der Druckunterstüt-zung mit der Spontanatmung erreicht werden. DerZeitverlauf der Unterstützung ist nämlich nicht nur

1. Druckunterstützt mit einstellbarer Druckanstiegszeit

Die Anpassung der Beatmung an die Spontan-atmung:

2. Proportionale Druckunterstützung

EV-A

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Beatmungsverfahren 35

vom Bedarf des Patienten abhängig, sondern richtetsich vielmehr auch nach mechanischen Größen wieResistance und Compliance. Die Dauer der Druck-unterstützung kann deshalb manchmal kürzer sein,als vom Patienten gefordert. Die mit einer längerenDruckanstiegszeit verbundenen geringeren Atem-gasflows werden dabei vom Patienten meist alsangenehmer empfunden.

Mit der Einstellung der Druckanstiegsgeschwin-digkeit kann die ASB-Beatmung besser an die phy-siologischen Verhältnisse und die Ansprüche derPatienten angepaßt werden.

Nach Einführung der einstellbaren Druckan-stiegszeit stagnierte die Evolution der druckunter-stützten Beatmung für mehr als zehn Jahre. Ledig-lich die Einführung des Flowtriggers zur leichterenAuslösung der Druckunterstützung der Evita brach-te danach noch einen gewissen Fortschritt in derunterstützten Spontanatmung.

Der entscheidende Schritt zur patientenorientier-ten druckunterstützten Beatmung hingegen deutetsich durch ein neues Prinzip an, bei dem die Druck-unterstützung nicht mehr vom Therapeuten direkteingestellt wird. Vielmehr wird sie vom Beatmungs-gerät geregelt: Je höher die Atemanstrengung desPatienten, desto größer die Druckunterstützung (9).

Das Prinzip dieser geregelten Druckunterstützungähnelt einer Servolenkung. Die Druckunterstützungist dabei mathematisch gesehen proportional zurAtemanstrengung. Das neue Verfahren steht ab 1997als »Proportionale Druckunterstützung« PPS* in derEvita 4 zur Verfügung.

Evita 1

Evita 4*) PPS = Proportional Pressure Support

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Beatmungsverfahren36

Tendenzen in der Evolutionder Beatmungsverfahren.

In der Evolution der Beatmungsverfahren könnenzwei verschiedene Tendenzen identifiziert werden:die Beatmung ist erstens patientenorientierter undzweitens anwenderorientierter geworden.

Die Entwicklung der maschinellen Beatmungbegann mit maschinellen »Luftpumpen« zur Atem-gasversorgung des Patienten.

Auf der nächsten Entwicklungsstufe werdenHilfseinrichtungen zur Anpassung der maschinellenBeatmung an den Patienten eingeführt. Sie werdenals zusätzliche Einstellparameter in den Beatmungs-verfahren vom Therapeuten eingesetzt.

In der zeitgesteuerten Beatmung wird als Hilfs-parameter die Druckbegrenzung zur Verringerungeiner mechanischen Belastung der Lunge eingesetzt.In der Spontanatmung wird die Druckunterstützungeingeführt, um den Patienten in seiner Atemarbeitzu entlasten. In beiden Fällen, sowohl in der Druck-begrenzung als auch in der Druckunterstützung istdie Technik noch relativ einfach, die Anwendung istjedoch arbeitsaufwendig: Ändert sich die Lungen-mechanik, dann muß der Therapeut in der Regel dieBeatmung anpassen.

In der nächsten Entwicklungsstufe wird die Funk-tion der manuell eingestellten Hilfsparameterzunehmend durch »intelligente« Funktionen desBeatmungsgerätes übernommen. Mit AutoFlow,Freier Durchatembarkeit und proportionalerDruckunterstützung paßt sich das Beatmungsgerätautomatisch den Veränderungen der Lungenver-hältnisse und der physiologischen Atmung an. In der patientenorientierten Beatmung gehorcht dasBeatmungsgerät dem Patienten.

Als zweite Tendenz ist eine Vereinfachung derBeatmung erkennbar: Es werden immer weniger

1. Evolution von maschinenorientierter zu patientenorientierterBeatmung

2. Evolution von maschinenorientierter zu anwenderorientierterBeatmung

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Beatmungsverfahren 37

Verfahren benötigt. Die vielen Verfahren ältererBeatmungsgeräte waren durch die begrenzte techni-sche Möglichkeit bedingt: man konnte es einfachnicht besser und brauchte für jedes technische undmedizinische Problem ein Spezialverfahren.

Einen entscheidenden Schritt zur Vereinfachungder Beatmung leistete BIPAP. In der Respiratorent-wöhnung ist seitdem nur noch ein einziges Verfah-ren notwendig. Für die Entscheidung ob druck- odervolumenorientiert beatmet wird, konzentriert sichheute die Auswahl auf die beiden Alternativen BIPAPund AutoFlow.

Bei allem Fortschritt für Patienten und Anwenderleisten Beatmungsverfahren jedoch nur Ersatzfunk-tionen für eine physiologische Atmung, die man optimieren kann, so wie man eine Beinprothese alsGehhilfe verbessern kann. Die Evolution ist somitnoch nicht abgeschlossen.

Beatmung wird jedoch die gesunde Atmung nieersetzen können, sowenig wie eine Prothese eingesundes Bein ersetzen kann. Das ist die Grenze inder Evolution der Beatmung.

Anzahl der Beatmungs-verfahren:

Wenig aufgrund technischerLimitationen

Chancen und Grenzen der Evolution

Wenig aufgrund patientenorientierter und anwenderorientierterBeatmungskonzepte

Viel aufgrund technischerInnovation

1980

1990

1970

Evita 4

Evita 1

EV-A

UV1/UV2

Spiromatvol.

konst.

druck-begrenzt

druck.kontr.

BIPAP

druck-unterst.

Druck-rampe

AutoFlowpropor.

Druckunter-stützung

Volumen-orientiert

Druck-orientiert

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Monitoring38

Vom Meßinstrument zum Beatmungsmonitor.

Der vorherige Abschnitt befaßte sich mit der Ent-wicklung der Beatmungsverfahren. Im Folgendensoll nun untersucht werden, wie sich parallel dazudas Beatmungsmonitoring entwickelt hat.

Das Beatmungsmonitoring stellt das gesamteSystem zur Überwachung in der Beatmung dar. Eswerden dabei sowohl Gerätefunktionen als auch derZustand des Patienten überwacht.

Das Monitoring besteht aus den drei Teilfunktio-nen Messen, Alarmieren und Darstellen. Die dazunotwendigen Komponenten eines Beatmungsgerätessind die Sensorik, das Alarmsystem und die Anzeige.Nach neuerem Verständnis gesellt sich als vierteKomponente das Datenmanagement dazu.

Bereits der Ur-Pulmotor hatte eine bescheideneSensorik. Ein einfaches Instrument zur Messung desBeatmungsdruckes erlaubte eine oberflächlicheBeobachtung der Gerätefunktion.

Sensorik, Alarmsystem und die Anzeige sind dieElemente des Monitorings

Die Elemente des Beatmungsmonitorings

DarstellenMessen Alarmieren

Sensorik AnzeigeAlarm-System

Beatmungsmonitoring

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Monitoring 39

Bei den Spiromaten stand zusätzlich eine Meßvor-richtung für das verabreichte Volumen zur Verfü-gung. Weitere Meßparameter wie die inspiratorischeO2-Konzentration und das Atemgas-CO2 wurden inden folgenden Gerätegenerationen zunächst überZusatzmonitore eingeführt. Bei modernen Beat-mungsgeräten sind die Meßfunktionen in der Regelim Grundgerät integriert.

Aus den einzelnen gemessenen Werten könnenweitere Daten durch Berechnungen gewonnen wer-den. Ein Beispiel für eine berechnete Größe ist dermittlere Atemwegsdruck, der als Durchschnittswertermittelt wird.

Für die gemessenen sowie für die berechnetenDaten gelten meist zulässige Grenzwerte. Werdendiese Grenzen überschritten, so tritt ein Alarmsy-stem in Aktion, das mit akustischen und sichtbarenSignalen Aufmerksamkeit erregt.

Die Grenzwerte zur Patientenüberwachung wer-den wie im nebenstehenden Beispiel des Atemwegs-druckmonitoring eines UV-1 vom Therapeuten ein-gestellt. Die Grenzwerte des Gerätemonitorings hin-gegen werden bei modernen Beatmungsgerätenüberwiegend automatisch gesetzt.

Analog zur Entwicklung der Sensorik mit ihrerzunehmenden Integration in das Beatmungsgeräthat sich auch das Alarmsystem der Beatmungsgeräteentwickelt. Die ungeordnete Vielzahl der Alarme ausverschiedenen Beatmungsmonitoren wurde durchein Alarmmanagement im Beatmungsgerät ersetzt.

Das Alarmmanagement moderner Beatmungsge-räte ordnet jedoch nicht nur die einzelnen Alarme.Vielmehr gibt es z.B. über Textmeldungen detailliertAuskunft über die Alarmursache und deren mögli-che Abhilfe – es gibt eine Alarmdiagnose.

Volumen- und Druck-anzeige eines Spiromaten

Atemwegsdruckmonitordes UV-1

Das Alarmmanagementordnet Einzelalarme nachihrer Wichtigkeit

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Monitoring40

Von der Momentaufnahmezur Trendanalyse.

Parallel zur Sensorik und Alarmierung hat sich dieAnzeige der Beatmungsgeräte entwickelt. EinfacheZeigerinstrumente wurden durch Digitalanzeigenergänzt oder ersetzt. Das Informationsangebot ausdem Beatmungsmonitoring wurde damit vielfältiger,aber die vielen Anzeigen überforderten bisweilenden Betreiber. Eine leichtere Informationsaufnahmewurde durch die Konzentration der Meßwertanzei-gen und Textmitteilungen auf einem zentralen Bild-schirm erreicht.

Der zentrale Bildschirm ordnet jedoch nicht nurdie verschiedenen Anzeigen und Meldungen, erermöglicht eine völlig neue Form der Meßwert-darstellung: Durch grafische Bildschirmdarstellungwerden nicht nur aktuelle Werte, sondern auchderen zeitlicher Verlauf sichtbar.

Derartige grafische Darstellungen waren in derHerz-Kreislaufdiagnostik z.B. als EKG-Registrierun-gen bereits bekannt. Obgleich der diagnostischeWert eines grafischen Monitorings sehr hoch ist,wurde es in der Beatmung erst mit dem integriertenBildschirm der EV-A eingeführt. Seitdem gehört esallerdings zur Standardausstattung eines Dräger-Intensivbeatmungsgerätes.

Mit dem grafischen Monitoring können Verlaufs-darstellungen eines Beatmungshubes sichtbar ge-macht werden. Die zur Erläuterung der Beatmungs-verfahren im vorherigen Abschnitt beschriebenenBeatmungskurven können damit direkt am Beat-mungsgerät dargestellt werden. Das mittlere Bildder Grafik auf der nächsten Seite gibt das Beispieleiner Beatmungsdruckkurve

Mit den Beatmungskurven auf dem Bildschirmkann die Geräteeinstellung und deren Auswirkungauf den Patienten kontrolliert werden. Die Moment-

Digitalanzeige des Minutenvolumens der Evita

Das grafische Monitoringals Standardausstattungeines Intensivbeatmungs-gerätes

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Monitoring 41

aufnahme der Beatmungskurven werden im moder-nen Beatmungsmonitoring durch die Darstellunglängerfristiger Verläufe ergänzt.

Aus derartigen Darstellungen kann der geübteTherapeut gegebenenfalls Trends erkennen – dieDarstellungen werden deshalb auch als Trendver-läufe bezeichnet. Sie stehen seit Evita 4 im integrier-ten grafischen Beatmungsmonitoring zur Verfügung.Das untere Bild der Grafik stellt einen Trendverlaufdes mittleren Atemwegsdruckes dar.

Der Nutzen, den das grafische Monitoring für dieAusbildung, Diagnose und Geräteanwendung bietet,soll im Folgenden am Beispiel der Beatmungskurvendargestellt werden.

Meßwertdarstellung des Atemwegsdruckes imBeatmungsmonitoring:

Zeigerinstrument

Beatmungskurve

Trenddarstellung

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Monitoring42

Vom Lehrmeister zum Diagnoseassistent.

Das Prinzip der Atemwegsdruck- und Flowkurvenwurde bereits im Abschnitt »Beatmungsverfahren«beschrieben. Die Beatmungskurven dienten dort als Hilfsmittel, um die Evolution der Verfahren zuillustrieren. Der Wert der Beatmungskurven in derAusbildung war schon lange vor der Einführung der Bildschirmdarstellung erkannt worden: dieGebrauchsanweisungen der Spiromaten enthieltenbereits solche Kurven.

Seit der Einführung des integrierten grafischenBeatmungsmonitorings in der EV-A werden dieBeatmungskurven zunehmend als Hilfsmittel zurGeräteeinstellung genutzt. So kann aus den Druck-und Flowkurven rasch erkannt werden, ob die ein-gestellten Atemphasen in Ordnung sind.

Einstellwerte mit hoher klinischer Bedeutung wie das I:E Verhältnis, also das Zeitverhältnis vonInspirations- und Exspirationszeit, sowie die Flow-zeit und die Plateaudruckzeit sind damit auf einemBlick erkennbar und müssen nicht mehr als Zahlen-werte zusammengetragen werden. Weiterhin erlau-ben Beatmungskurven eine rasche Überprüfung der Geräteeinstellung und lassen Einstellfehlererkennen.

Die Überprüfungsmöglichkeiten durch Beat-mungskurven beschränken sich jedoch nicht nurauf die Geräteeinstellung und Fehler. Vielmehrerlauben sie einen Einblick in die physiologischeAuswirkungen der Beatmung. Sie sind damit einInstrument der Diagnostik.

So können aus der Druck- und Flowkurve Rück-schlüsse auf Atemwegswiderstände und Compliancegezogen werden. Allerdings bilden die beiden Be-atmungskurven die tatsächlichen mechanischenLungenverhältnisse nur undeutlich ab. Aussagen

Hilfsmittel zur Geräteeinstellung

Beatmungskurven als Hilfsmittel zur Diagnose

Beatmungskurven aus denAusbildungsunterlagen desSpiromaten

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Monitoring 43

über den Gasaustausch oder gar über die Lungen-durchblutung sind mit diesen Kurven überhauptnicht möglich.

Die Forderung nach einer Beatmungskurve mithöherem diagnostischen Wert wurde mit einer dritten Beatmungskurve erfüllt. Die grafische Dar-stellung des Atemgas-CO2 gehört seit der Evita 4 als integrierte Capnographie zum Standard desBeatmungsmonitoring.

Mit der Capnographie können Änderungen imGasaustausch rasch erkannt werden: eine unzu-reichende Lungenbelüftung oder eine Verschlechte-rung der Lungendurchblutung würde sich unmittel-bar am Verlauf der CO2-Kurve auswirken.

Die Aussagekraft der Capnographie ermöglichtsogar Rückschlüsse auf den Stoffwechsel des Patien-ten und überschreitet damit die Grenzen des reinenBeatmungsmonitorings.

Anwendernutzen der Echtzeitkurven in der Beatmung

DiagnoseBedienung Didaktik

Lern-hilfe

Entschei-dungshilfe

Einstell-hilfe

Beatmungskurven

Echtzeitkurve des Atemgas CO2 auf dem Bildschirm der Evita 4

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Monitoring44

Beatmungsmonitoring im Computerzeitalter.

So wichtig die Capnographie durch die detaillierteAbbildung physiologischer Vorgänge ist, sie hateinen kleinen Nachteil: Die Ursachen, die zu einemveränderten Capnogramm führen, sind in der Regelnicht eindeutig. Capnographie liefert viele wertvolleHinweise – aber kaum eindeutige Nachweise.

Eine differenzierte eindeutige Diagnose über denZustand eines beatmeten Patienten kann allein mitdem integrierten Monitoring eines Beatmungsge-rätes nicht mehr geleistet werden. Die Evolutionerreicht somit eine Grenze, die mit einem konven-tionellen Beatmungsgerät nicht mehr überschrittenwerden kann.

Erweitert man jedoch den Blickwinkel über dieGrenzen eines Beatmungsgerätes hinaus, dann gibtes für das Beatmungsmonitoring völlig neue Per-spektiven. Dieser Abschnitt der Evolution hat geradeerst begonnen und der überwiegende Teil der nach-folgend dargestellten Organisation eines modernenMonitoring ist derzeit noch Vision.

Definiert man für das Beatmungsmonitoring eineProzeßkette von Dateninput, Datenverarbeitung undDatenausgabe, so ist anzunehmen, daß künftig nurnoch ein Teil davon innerhalb eines Beatmungs-gerätes abläuft. Nach wie vor gibt es am Beatmungs-gerät einen Dateninput bestehend aus Meßwerten,Patientendaten wie Körpergewicht und Sollwertenund den eingestellten PEEP. Auch eine begrenzteDatenverarbeitung und Datenausgabe zur Diagnoseund Dokumentation der Beatmung wird weiterhinim Beatmungsgerät bleiben.

Ein zunehmender Teil der Datenverarbeitung fin-det jedoch in einem zentralen Computer außerhalbdes Beatmungsgerätes statt.

Grenzen des klassischenBeatmungsmonitorings

Vision eines modernenDatenmanagements in derBeatmung

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Monitoring 45

Flexibilität und Leistungs-fähigkeit von Computer und Schnittstellen sind die Vorraussetzung für einmodernes Datenmanage-ment

Input Verarbeitung Output

Schnittstelle

Beatmungsgerät

Zentralrechner

sekundäreDatenverarbeitung

primäreDatenverarbeitung

Meßwerte

Sollwerte

Patientendaten

Patientendaten

Sollwerte

MeßwerteFluid-Management

MeßwerteHaemodynamik

Dokumentation

Diff. Diagnosen

Zentr. Alarm-management

Systemverbund

Statistik

Expertensysteme

Leistungs-erfassung

Sekundärwerte

Beatm. Diagnosen

Qualitätssicherung

Unter dem Gesichtspunkt der Evolution stellt sichjetzt die Frage, ob die heutigen Beatmungsgeräte indiese Vision eingebunden werden können oder obhier eine neue, bisher noch nicht realisierte Klassevon Beatmungsgeräten gefordert ist.

Die Anforderungen an ein Beatmungsgerät, das indiese Vision eingebunden werden kann, sind: erstensFlexibilität in der Rechnertechnologie, zweitens freieKapazität zur Aufnahme neuer Computerbausteineund drittens leistungsfähige Datenschnittstellen.

Betrachtet man unter diesen Gesichtspunkten dieEvita 4, so fallen ins Gewicht: erstens weitgehendeselbständige Unterkomponenten wie Bedienteil undPneumatik mit eigener »Rechnerintelligenz« anstelleeines zentralen Mikroprozessors, zweitens freieKapazitäten in der Rechnerleistung sowie freieSteckplätze für künftige Optionen und drittens eineneue Schnittstellengeneration mit einer fünfzig-fachen Leistungsfähigkeit gegenüber einer konven-tionellen RS232-Schnittstelle.

Die Beatmungsgerätetechnik ist damit bereitsjetzt gut gerüstet für die künftigen Anforderungeneines modernen Datenmanagements.

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Bedienung46

Leistungsumfang und Bedienung.

Nach den Beatmungsverfahren und dem Monitoringsoll abschließend das Bedienkonzept unter demGesichtspunkt der Evolution untersucht werden. ImGegensatz zu den Beatmungsverfahren und demBeatmungsmonitoring hat sich das Bedienkonzeptder Beatmungsgeräte erst sehr spät entwickelt: DieBedienelemente waren zunächst mehr an die tech-nische Konstruktion als an den Anwender angepaßt.

Die ersten Beatmungsgeräte waren aufgrundihres geringen Leistungsumfanges noch einfach zubedienen. Mit zunehmendem Leistungsumfangwuchs jedoch die Anzahl der Bedienelemente. DieGrafik zeigt für verschiedene Geräte die Anzahl derBedienelemente und den Leistungsumfang:

Die Entwicklung des Leistungsumfanges und derBedienungselemente derBeatmungsgeräte

1980

1990

1970

Evita 4

Evita 1

EV-A

UV1/UV2

Spiromat

Anzahl derVerfahren

Anzahl derFunktionen

Anzahl der Bedienelemente

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Bedienung 47

In der Grafik gelten folgende Vereinfachungen: DerLeistungsumfang eines Beatmungsgerätes setzt sich aus der Summe von Beatmungsverfahren undsonstiger Funktionen zusammen. Bei der Anzahl der Bedienelemente werden nur die Drehknöpfeberücksichtigt.

Nach diesem Schema hatte ein Spiromat lediglichein Beatmungsverfahren und mit dem Seufzer nureine sonstige Funktion. Das Ganze war über sechsDrehknöpfe noch recht einfach zu bedienen.

Der UV-2 konnte bereits drei Beatmungsverfahrenund drei Zusatzfunktionen: neben dem Seufzer dieeinstellbare O2-Konzentration und die Druckbegren-zung. Die Bedienung wurde mit nunmehr elf Dreh-knöpfen schon recht kompliziert.

In den folgenden Gerätegenerationen erfand manTricks, um das Bedienkonzept zu vereinfachen. Sobelegte man in der EV-A einzelne Drehknöpfe mitzwei Funktionen, damit die Anzahl der Drehknöpfenicht weiter stieg. Die Tricks erwiesen sich jedochmeist als »kosmetische« Maßnahmen: Das Bedien-konzept sah vordergründig einfach aus – tatsächlichaber wurde die Bedienung komplizierter.

Unter dem Aspekt Bedienung stellte sich die Evolution der Beatmung somit anders dar, als unterden Gesichtspunkten Verfahren und Monitoring: Sie war hier nicht nur durch Fortschritte, sondernauch durch diverse Rückschritte geprägt: die Gerätewaren letztendlich nur noch mit erheblichem Schu-lungsaufwand sicher bedienbar.

Dieser Negativtrend wurde erst durch die Evita 4unterbrochen. Mit einer neuen Technologie wurdedort erstmals die Anzahl der notwendigen Bedien-elemente reduziert und gleichzeitig der Leistungs-umfang erhöht.

Spiromat

UV-2

EV-A

Evita 4

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Bedienung48

Leistung stark, Bedienungeinfach – ein Widerspruch?

Natürlich gab es neben den umseitig beschriebenenRückschritten in der Entwicklung des Bedienkon-zeptes auch bemerkenswerte Fortschritte, wie dieEinführung des zentralen Bildschirmes als Kontroll-instrument für die vorgenommenen Einstellungen.

Ein weiterer Fortschritt war die Einführung einerBenutzerführung mit Schutzeinrichtungen vorpotentiell gefährlichen Einstellungen. So erkanntedie EV-A z.B. automatisch einen zu hoch eingestell-ten Beatmungsdruck oder ein ungewöhnlichesAtemzeitverhältnis. Durch Leuchtanzeigen an denentsprechenden Bedienelementen und Meldungenauf dem Bildschirm wurden dem Therapeuten nichtnur Warnungen gegeben, sondern auch gleich Maß-nahmen zur Abhilfe vorgeschlagen.

Damit war die Bedienung schon teilweise ziel-führend und man erreichte gewissermaßen im Dia-log mit dem Gerät ohne weitere Hilfe von außen einErgebnis wie z.B. die Einstellung eines geeignetenAtemzeitverhältnisses. Die Hilfe, die das Gerät dabeidem Anwender bei der Einstellung anbietet, nenntman Bedienerführung.

Ein Gerät mit guter Bedienerführung wird zuneh-mend selbsterklärend. Das Bedienkonzept solcherGeräte, das nach dem Erlernen von Grundelemen-ten aus sich heraus verständlich ist, bezeichnet manals intuitiv. Eine intuitive Bedienung wurde erstma-lig mit der Evita 4 unter Einsatz einer neuen Tech-nologie realisiert. Die Bedienelemente sind dabei bisauf wenige häufig benutzte Funktionen über einenBildschirm zugänglich. Mit dieser sogenanntenTouch-Screen-Technologie ergeben sich zwei ent-scheidende Vorteile.

Ein erster Vorteil ist die zielführende Bedienung,da grundsätzlich nur diejenigen Bedienelemente

Fortschritte im Bedienkonzept

Intuitive Bedienung durch ein selbsterklärendesBedienkonzept

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Bedienung 49

dargestellt werden, die zum aktuellen Zeitpunktauch wirklich bedienbar sind. Damit verringert sichihre Anzahl.

Als Beispiel dient hier die Einstellung der Beat-mungsparameter in zwei verschiedenen Beatmungs-verfahren. Während das eine Verfahren noch neunParameter benötigt, reichen bei einem anderenbereits vier. Wird gerade keine Einstellung vorge-nommen, dann können alle Bedienelemente im Hin-tergrund verschwinden, und der Bildschirm wirdzum reinen Beatmungsmonitor.

Der zweite Vorteil läßt sich aus Erkenntnissenanderer Arbeitsplätze ableiten. Aus Untersuchungenmit Verkehrspiloten weiß man, daß die Wahrneh-mungsfähigkeit unter Streß abnimmt. Die Cockpitsmoderner Verkehrsflugzeuge haben deshalb weni-ger Instrumente und Bedienelemente als ihre Vor-gänger.

Setzt man diese Erkenntnisse auf einen Arbeits-platz an einem Beatmungsgerät um, dann gewinntdas neue Bedienkonzept auch unter Sicherheits-aspekten Vorteile.

Bildschirmbedienelementeder Evita 4

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Zusammenfassung50

Beatmung ohne Beatmungsgerät?

In einer zusammenfassenden Betrachtung läßt sichin der Evolution der Beatmung eine Tendenz erken-nen, die in allen drei Grundelementen sichtbar wird:Die Entwicklung zu mehr Flexibilität und Öffnung.

Mit dem klassischen Beatmungsmonitoring schafftdas Beatmungsgerät einfache Diagnosefunktionennoch im Alleingang. Doch für eine differenziertereDiagnose wird ein Datenaustausch mit anderenSystemen immer wichtiger.

Der nächste Schritt im Datenmanagement führtzu Expertensystemen, die nicht nur Diagnosengeben, sondern gleich Therapieverschläge auswei-sen. Dieser Schritt wird zu einer noch engeren Verknüpfung und weiteren Auflösung der Grenzenführen.

Auch bei den Beatmungsverfahren zeigt das klas-sische Beatmungsgerät die Tendenz zur Öffnung,indem besondere Funktionen des Beatmungsgerätesausgelagert werden. Ein Beispiel dafür ist die Bei-mischung von NO* in das Atemgas zur Behandlungvon pulmonaler Hypertonie. Die Dosierung des NOund die Überwachung findet in einem separatenGerät, dem NOdomo statt. Das Beatmungsgerät lie-fert dabei über eine Datenschnittstelle die Vorgabenfür den Zeitverlauf und die Mengendosierung imNOdomo.

Und auch hier gibt es die Möglichkeit der Weiter-entwicklung, indem einzelne Funktionen vom Beat-mungsgerät aus bedient und gesteuert und dann vonZusatzgeräten ausgeführt werden. Ein Beatmungs-gerät, das bestimmte Spezialfunktionen selbst nurnoch steuert und nicht mehr selbst durchführt, istderzeit noch Vision aber zumindest technisch keineUtopie mehr.

Beatmungsmonitoring

Beatmungsverfahren

*) NO = Nitric Oxide (Stickstoff-Monoxid)

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Zusammenfassung 51

Für die Realisierung der umseitig dargestellten Vision müßte am Bedienteil der Evita 4 nicht mal einSchräubchen geändert werden. Im Bedienkonzeptzeigt sich damit die Tendenz zur Öffnung und Flexi-bilität besonders deutlich. Mit ihrem Bildschirmkon-zept ist die Bedienung von allen drei Grundelemen-ten am weitesten in der Evolution fortgeschritten.

Die neue Flexibilität erhöht jedoch nicht nur dieLeistungsfähigkeit eines Beatmungsgerätes, sonderneröffnet neue Perspektiven für die Gestaltung einesArbeitsplatz. Das folgende Bild ist nicht Vision son-dern Realität.

Das Bild illustriert den neuen Weg in der Evolutionder Beatmung: Das klassische Beatmungsgerät löstsich aus seiner Isolation und entwickelt sich zurArbeitsplatzkomponente Ventilation.

Bedienkonzept

Beatmung als Arbeitsplatzkomponente

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Literaturverzeichnis

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