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Examensrepetitorium Sachenrecht Dr. Barbara v. Finckenstein WS 2012/2013

Examensrepetitorium Sachenrecht · • §§ 987 ff. BGB aber gegenüber der GoA Sonderregelungen und schließen diese grds. aus. • Ausnahme: •Sofern der Besitzer positive Kenntnis

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Page 1: Examensrepetitorium Sachenrecht · • §§ 987 ff. BGB aber gegenüber der GoA Sonderregelungen und schließen diese grds. aus. • Ausnahme: •Sofern der Besitzer positive Kenntnis

Examensrepetitorium Sachenrecht

Dr. Barbara v. Finckenstein WS 2012/2013

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Sachverhalt Fall 5

WS 2012/2013 Dr. Barbara v. Finckenstein

„Der gestohlene Audi“

•A stiehlt dem E dessen Audi, den dieser – wie üblich – vor seinem Haus in

Frankfurt/Oder geparkt hat.

•Am 1.9.2012 schließt A sodann mit B einen Leasingvertrag ab, nach dem B drei Jahre

lang 800 € im Monat zu entrichten hat und danach den Audi zu einem Preis in Höhe

von 5000 € erwerben kann.

•Der Leasingvertrag enthält eine AGB-Klausel, wonach der Leasingnehmer auch für

Zufallsschäden haftet.

•B überweist A jeweils am Monatsanfang 800 € und nutzt den Audi im September

und im November (objektiver Wert der Fahrten: jeweils 500 €).

•Im Oktober konnte B wegen eines Beinbruchs den Audi nicht mehr fahren.

•Am 25.11. wird der parkende Audi durch einen schweren Hagelsturm beschädigt,

der Verwüstungen in ganz Frankfurt/Oder verursacht (Schaden 5000 €).

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Sachverhalt Fall 5

WS 2012/2013 Dr. Barbara v. Finckenstein

• Zufällig erkennt E am nächsten Tag „seinen“ Audi, der vor dem Haus des B

geparkt ist.

• B informiert ihn darüber, er habe den Wagen bei A geleast, werde aber den

Leasingvertrag anfechten, da es sich ja um ein gestohlenes Auto handele.

• Gleichwohl sei er nur bereit, an A den Audi Zug-um-Zug gegen die von ihm

erbrachten Leasingraten herauszugeben.

• E wendet sich an seinen Rechtsanwalt R und bittet um Rat.

• Er möchte den Wagen zurückhaben.

• Ferner begehrt er Ersatz für die Reparatur und möglichst auch eine Vergütung

dafür, dass der Wagen durch B genutzt worden ist.

• E möchte von R wissen, welche Ansprüche er jeweils gegen A und B hat.

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Lösung Fall 5

Teil 1: Eigentümer E gegen Dieb A

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A. Herausgabe des Autos

I. E gegen A aus § 985 BGB

1. E = Eigentümer (+)

2. A = Besitzer (+)

aber Problem: A ist nur mittelbarer Besitzer

nach hM Herausgabe gegen den mittelbaren Besitzer möglich, ggf. mittels

Abtretung des Herausgabeanspruchs gegenüber dem unmittelbaren Besitzer

3. hier der unmittelbare Besitzer B infolge der Anfechtung OHNE RzB gegenüber A

E hat gegen B einen Herausgabeanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB

(Leistungskondiktion)

4. Keine Einwendungen und Einreden des A (+)

5. Ergebnis: § 985 BGB (+)

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Lösung Fall 5

Teil 1: Eigentümer E gegen Dieb A

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II. E gegen A aus § 812 I S. 1 Alt. 2 BGB (Nichtleistungskondiktion)

1. Etwas erlangt: (der zunächst unmittelbare) Besitz am PKW (+)

2. In sonstiger Weise: niemand hat A den Besitz geleistet (+)

3. Auf Kosten des E: E ist Eigentümer (+)

4. Ohne Rechtsgrund: KEIN Behaltensgrund des A (+)

5. Ergebnis: § 812 I S. 1 Alt. 2 BGB (+)

III. E gegen A aus § 861 BGB auf Wiedereinräumung des entzogenen Besitzes

1. Besitzentziehung (+)

2. durch verbotene Eigenmacht, vgl. 858 Abs. 1 BGB (+)

3. Ergebnis: § 861 BGB (+)

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Lösung Fall 5

Teil 1: Eigentümer E gegen Dieb A

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IV. E gegen A aus § 1007 Abs. 1 BGB (Petitorischer Besitzanspruch gegen den

bösgl. Besitzer) auf Wiedereinräumung des Besitzes

1. Ursprünglicher Besitz des E: (+)

2. Besitz des A (Problem: A ist NUR unmittelb. Besitzer, s. o.) (+)

3. Bösgläubigkeit des A bei Besitzerwerb (+)

4. Keine Einwendungen (+) (ins. Kein Fall von § 1007 Abs. 3 BGB)

5. Ergebnis: § 1007 Abs. 1 BGB (+)

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Lösung Fall 5

Teil 1: Eigentümer E gegen Dieb A

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B. E gegen A auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen

I. E gegen A aus §§ 987, 990 Abs. 1 BGB (Nutzungsherausgabe ggü. bösgl.

Besitzer)

1. Vindikationslage (mit dem Vorbehalt des NUR mittelbaren Besitzes, s.o.), i. E. (+)

2. Unredlichkeit des A (+)

3. Rechtsfolge: Herausgabe der gezogenen Nutzungen

• Problem: WELCHE Nutzungen hat A hier gezogen?

a) 3 Leasingraten à 800 € = 2400 €: dies sind grds. Nutzungen iSv §§ 100, 99

Abs. 3 BGB (+)

b) ABER: Nichtigkeit des Leasingvertrages wegen erfolgter Anfechtung

• Anfechtungsgrund: arglistige Täuschung iSv § 123 BGB (+)

• Anfechtungserklärung, § 143 BGB (+)

• Anfechtungsfrist, § 124 BGB (+)

• Rechtsfolge: von Anfang an Nichtigkeit, § 142 Abs. 1 BGB

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Lösung Fall 5

Teil 1: Eigentümer E gegen Dieb A

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c) Abzustellen ist daher auf die Gebrauchsvorteile (vgl. § 100 Var. 3 BGB).

• A hat gegen B nur einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf

Nutzungsersatz aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 1, 2 BGB

• = Leistungskondiktion iHd Werts der tatsächlich gezogenen Nutzungen

• Berechnung: genutzt worden ist der PKW wegen des Beinbruchs nur 2 der

3 Monate, hierfür sind anzusetzen:

• Entweder 2 x 500 € für den objektiven Wert der Fahrten = 1000 €

• (vertretbar ist auch: 2 x 800 € für zwei Leasingraten = 1600 €)

4. Ergebnis: E gegen A aus §§ 987, 990 Abs. 1 BGB auf 1000 € (oder 1600 €) (+)

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Lösung Fall 5

Teil 1: Eigentümer E gegen Dieb A

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II. E gegen A aus §§ 987, 990 Abs. 2 BGB auf Ersatz für schuldhaft nicht

gezogene Nutzungen (verschärfte Haftung des bösgl. Besitzers)

• Kein Anhaltspunkt, dass es A unterlassen hat, Nutzungen zu ziehen.

• A hat die ihm möglichen Nutzungen durch das Verleasen gezogen.

• Ergebnis: §§ 987, 990 Abs. 2 BGB (-)

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Lösung Fall 5

Teil 1: Eigentümer E gegen Dieb A

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III. E gegen A aus §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 auf Herausgabe des Erlangten

(angemaßte GoA)

1. Anwendbarkeit beim EBV?

• §§ 987 ff. BGB aber gegenüber der GoA Sonderregelungen und schließen

diese grds. aus.

• Ausnahme:

• Sofern der Besitzer positive Kenntnis von seiner fehlenden

Besitzberechtigung hat, wird er idR auch wissen, dass er ein Geschäft des

Eigentümers als sein eigenes führt, wenn er die Sache nutzt.

• §§ 987 ff. BGB verdrängen nicht die Ansprüche wegen angemaßter

Eigengeschäftsführung aus § 687 Abs. 2 BGB.

• Die im EBV bezweckte Privilegierung des Besitzers wäre in diesem Fall

nicht angemessen.

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Lösung Fall 5

Teil 1: Eigentümer E gegen Dieb A

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2. Fremdes Geschäft (+)

3. Als Eigenes geführt (+)

4. Wissen um die fehlende Berechtigung (+)

5. Rechtsfolge: Herausgabe des „Erlangten“, wozu auch Nutzungen gehören; hier

wieder Problem, welche Nutzungen A gezogen hat (s.o.)

6. §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 (+) iHv 1000 € (1600 €)

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Teil 1: Eigentümer E gegen Dieb A

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IV. E gegen A aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 818 Abs. 1 auf Nutzungsherausgabe

(Eingriffskondiktion)

1. Anwendbarkeit: EBV sind abschließende Sonderregeln

2. Sperrwirkung gem. § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB: 987 ff. regeln abschließend

Herausgabe von Nutzungen

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Lösung Fall 5

Teil 1: Eigentümer E gegen Dieb A

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C. E gegen A auf Ersatz für die Reparatur des Autos

I. E gegen A aus §§ 992, 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz (Haftung des

deliktischen Besitzers)

1. Vindikationslage, vgl. oben (+)

2. Besitz verschafft durch Eigenmacht oder Straftat, hier § 242 StGB (+)

3. Verletzung eines geschützten Rechtsgutes: Eigentum (+)

4. Verletzungshandlung: Entwendung (+)

5. Haftungsbegründende Kausalität (+)

6. Rechtswidrigkeit (+)

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Teil 1: Eigentümer E gegen Dieb A

WS 2012/2013 Dr. Barbara v. Finckenstein

7. Verschulden?: keine Fahrlässigkeit des A.

• ABER: § 848 BGB ist zu beachten: Haftungsverschärfung für zufällige

Verschlechterung

• ABER: Schadenseintritt hier mutmaßlich unabhängig von der Entziehung,

PKW sonst auch im Freien geparkt

8. Ergebnis: §§ 992, 823 Abs. 1 BGB (-); a.A. mit guter Argumentation vertretbar.

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Teil 1: Eigentümer E gegen Dieb A

WS 2012/2013 Dr. Barbara v. Finckenstein

II. E gegen A aus §§ 992, 823 Abs. 2 BGB iVm § 242 StGB (-)

• Kein schutznormbezogenes Verschulden im Hinblick auf den Schadenseintritt

III. E gegen A aus §§ 992, 826 BGB (-)

• Kein sittlichkeitsnormbezogenes Verschulden im Hinblick auf den

Schadenseintritt

IV. E gegen A aus §§ 989, 990 Abs. 1 BGB (Haftung des unredlichen Besitzers für

Verschlechterung der Sache) (-)

• Kein Verschulden im Hinblick auf den Schadenseintritt

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Teil 2: Eigentümer E gegen Besitzer B

WS 2012/2013 Dr. Barbara v. Finckenstein

A. E gegen B auf Herausgabe des Autos

I. E gegen B aus § 985 BGB auf Herausgabe des Pkw

1. E = Eigentümer (+)

2. B = Besitzer (+)

3. kein RzB iSv § 986 BGB:

• Ursprünglicher Leasingvertrag: galt nur gegenüber A und ist zudem nichtig

wegen Anfechtung => RzB (-)

4. Ergebnis: § 985 BGB (+)

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Teil 2: Eigentümer E gegen Besitzer B

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II. E gegen B aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB (Eingriffskondiktion)

1. Etwas erlangt: Besitz am PKW (+)

2. In sonstiger Weise: hier Einräumung des Besitzes durch A in Erfüllung seiner

Verpflichtung aus dem Leasingvertrag.

• Daher liegt insoweit eine Leistung des A vor.

3. Ergebnis: § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB (-)

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Teil 2: Eigentümer E gegen Besitzer B

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III. E gegen B aus § 861 Abs. 1 BGB auf Wiedereinräumung des Besitzes

1. Besitzentziehung (+)

2. Verbotene Eigenmacht (-)

• Hier wurde B der Besitz eingeräumt

3. Ergebnis: § 861 Abs. 1 BGB (-)

IV. E gegen B aus § 1007 Abs. 1 BGB auf Herausgabe des Autos (Anspruch des

früheren Besitzers gegen bösgläubigen Besitzer)

1. Ursprünglicher Besitz des E (+)

2. Besitz des B (+)

3. Bösgläubigkeit des B (-)

4. Ergebnis: § 1007 Abs. 1 BGB (-)

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Lösung Fall 5

Teil 2: Eigentümer E gegen Besitzer B

WS 2012/2013 Dr. Barbara v. Finckenstein

V. E gegen B aus § 1007 Abs. 2 BGB auf Herausgabe des Autos (Anspruch des

früheren Besitzers gegen gutgl. Besitzer bei Abhandenkommen)

1. Ursprünglicher Besitz des E (+)

2. Besitz des B (+)

3. Abhandenkommen: (+) hier Entwenden durch A

4. Keine Einwendungen und Einreden, ins. Kein Fall von § 1007 Abs. 3 BGB

5. Ergebnis: § 1007 Abs. 2 BGB (+)

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Lösung Fall 5

Teil 2: Eigentümer E gegen Besitzer B

WS 2012/2013 Dr. Barbara v. Finckenstein

B. Ansprüche des E gegen B auf Nutzungsersatz

I. E gegen B aus §§ 987, 990 Abs. 1 BGB (Nutzungsherausgabe gegen bösgl.

Besitzer)

1. Vindikationslage (+)

2. Unredlichkeit des B (-): B war gutgläubig

4. Ergebnis: §§ 987, 990 Abs. 1 BGB (-)

II. E gegen B aus § 988 BGB (Nutzungen des unentgeltlichen Besitzers)

• Ergebnis: (-), denn hier entgeltlicher Leasingvertrag

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Lösung Fall 5

Teil 2: Eigentümer E gegen Besitzer B

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III. E gegen B aus § 988 BGB analog (Gleichstellung des rechtsgrundlosen

Besitzers)

1. § 988 BGB analog im Zwei-Personen-Verhältnis: Vindikationslage (+)

• Problem: Wertungswiderspruch zwischen EBV und Bereicherungsrecht.

• Der unrechtmäßige gutgl. Besitzer muss nur unter relativ engen

Voraussetzungen die Nutzungen herausgeben (vgl. § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB - nur

Herausgabe der Übermaßfrüchte).

• Der gutgl. Bereicherungsschuldner muss dagegen immer die Nutzungen

herausgeben (vgl. § 818 Abs. 1 BGB).

• Es ist aber widersinnig, dass der Bereicherungsgläubiger, der nicht einmal mehr

Eigentümer der Sache ist, insoweit einen weitergehenden Anspruch haben soll

als der Eigentümer der Sache.

• Um diese Wertungswiderspruch aufzulösen, wendet die Rspr. im Zwei-

Personen-Verhältnis § 988 BGB analog an.

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Teil 2: Eigentümer E gegen Besitzer B

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2. Drei-Personen-Verhältnis:

• Hier handelt es sich vorliegend um ein Drei-Personen-Verhältnis – der

Eigentümer ist nicht identisch mit dem Vertragspartner des unwirksamen

Vertrages.

• Würde man hier § 988 BGB analog anwenden, so stünde der Eigentümer nicht

ebenso da wie ein Bereicherungsgläubiger, sondern besser, weil ein

Bereicherungsanspruch im Drei-Personen-Verhältnis wegen des

Subsidiaritätsgrundsatzes der Nichtleistungskonsiktion gegenüber der

Leistungskondiktion eingeschränkt ist.

3. Ergebnis: § 988 BGB analog wegen des Drei-Personen-Verhältnisses (-).

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Teil 2: Eigentümer E gegen Besitzer B

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IV. E gegen B aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB (Eingriffskondiktion)

1. Anwendbarkeit? grds. Sperrwirkung des EBV, § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB.

• ABER: wegen des unter III. aufgezeigten Wertungswiderspruchs bedarf es

einer teleologischen Reduktion des § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB

• => auch über die Übermaßfrüchte hinausgehender Anspruch grds. (+)

2. Erlangt: unmittelbarer Besitz am Pkw (+)

3. „in sonstiger Weise“: hier jedoch Besitzeinräumung seitens A in Erfüllung des

Leasingvertrages.

• Daher liegt insoweit eine Leistung des A vor.

4. Ergebnis: § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB (-)

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Lösung Fall 5

Teil 2: Eigentümer E gegen Besitzer B

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C. E gegen B auf Schadensersatz

I. E gegen B aus §§ 989, 990 Abs. 1 BGB (Haftung des unredlichen Besitzers)

1. Vindikationslage (+)

2. Unredlichkeit des B: (-), denn B war gutgläubig

3. Ergebnis: §§ 989, 990 Abs. 1 BGB (-)

II. E gegen B aus §§ 992, 823 Abs. 1 BGB (Haftung des deliktischen Besitzers)

• Ergebnis: (-), denn B war kein deliktischer Besitzer. Er war gutgläubig.

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Lösung Fall 5

Teil 2: Eigentümer E gegen Besitzer B

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III. E gegen B aus §§ 991 Abs. 2, 989 BGB (Haftung des Besitzers ggü.

Eigentümer, wenn Verantwortlichkeit ggü. Oberbesitzer)

1. Vindikationslage (+)

2. Verantwortlichkeit gegen Oberbesitzer A? Nach dem Wortlaut der AGBs des

Leasingvertrages auch Haftung für Zufallsschäden

a. Wurden die AGBs wirksam vereinbart? i.E. (+),

• Verlagerung der Zufallshaftung beim Leasing ist mit dem Grundgedanken

dieses Vertragstyps vereinbar.

• Daher kein Verstoß gegen § 307 BGB.

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Teil 2: Eigentümer E gegen Besitzer B

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b. Aber der Leasingvertrag wurde angefochten, so dass er nichtig war.

Zweifelhaft daher, ob schon deswegen eine Haftung ausgeschlossen ist oder

ob es nur darauf ankommt, dass B sein vermeintliches Besitzrecht

überschritten hat (beide Ansichten vertretbar)

c. weiteres Problem: Anwendbarkeit des § 991 Abs. 2 BGB im Falle einer

Haftungsverschärfung?

• hM (-) Arg.: § 991 Abs. 2 BGB verweise auf das Verschuldenserfordernis

des § 989 BGB und es sei widersinnig, dass der redliche Fremdbesitzer

nach § 991 Abs. 2 BGB strenger hafte als der unredliche Besitzer über

§ 989 BGB, der grds. nur bei Verschulden hafte.

3. Ergebnis: folgt man der hM, dann §§ 991 Abs. 2, 989 BGB (-)